Praxisrahmen für Open Educational Resources (OER) in Deutschland Executive Summary WIKIMEDIA DEUTSCHLAND Executive Summary 2 | EXECUTIVE SUMMARY AUSGANGSLAGE Eine zunehmend in digitalisierten Abläufen arbeitende Weise können OER einen wichtigen Beitrag leisten, um so- Berufswelt muss aus einer Gesellschaft hervorgehen, die wohl Lernende als auch Lehrende zu unterstützen und zu diese Prozesse versteht und sie in ihrer Dynamik begleiten befähigen, die Potenziale der Digitalisierung individuell zu kann. Dabei gilt es nicht nur mit den Veränderungen Schritt nutzen und eine gestaltende Rolle einzunehmen. zu halten, sondern gesellschaftliche Veränderungsprozesse als Chance zu begreifen. Die Bildung steht hierbei vor der Der Praxisrahmen für OER in Deutschland stellt ein Ange- Herausforderung, Lernende dazu zu befähigen, diesen Pro- bot mit konkreten Vorschlägen an politisch Verantwort- zess aktiv mitzugestalten. liche sowie Bildungsakteurinnen und -akteure dar, wie Freie Bildungsmaterialien (Open Educational Resources) Verbreitung, Erstellung und Nutzung von OER geför- geben auf diese Herausforderung eine folgerichtige Ant- dert und unterstützt werden können. Die Ausarbeitung wort: Durch ihren kollaborativen Erstellungs- und Nut- des Praxisrahmens erfolgte anhand der folgenden The- zungsprozess bieten sie Lehrenden wie Lernenden indi- menschwerpunkte: „Lizenzierung und Rechtssicherheit“, vidualisierte und aktuelle Bildungsmaterialien, die diese „Qualitätssicherung“, „Qualifizierungsmodelle“ und „Finan- entsprechend ihren Bedürfnissen und Interessen nutzen, zierungs- und Geschäftsmodelle“. weiterbearbeiten und digital aufbereiten können. Auf diese 4 | 5 HANDLUNGSFELDER vanter Themen gibt, die es in Qualifizierungsmaßnahmen didaktisch einzubetten gilt. Dazu gehören unter anderem rechtliche Fragestellungen, technisches Know-how sowie Der Praxisrahmen identifiziert aus seinem Innovations- mediendidaktische Kenntnisse, die im Rahmen von Coa- prozess heraus vier zentrale Handlungsfelder zur weiteren ching- und Beratungsangeboten vermittelt werden können. Umsetzung von OER in Deutschland: OER als integrative Bestandteile führen damit zu einem erweiterten Medienkompetenzbegriff. Eng verbunden mit 1. Eine gezielte Förderung von OER sowie bedarfsgerechte Beratungsangeboten ist die notwendige Bewusstmachung Anreizsysteme sind notwendig, damit Bildungsakteurinnen des Mehrwerts, den freie Bildungsmaterialien bieten. Bei und -akteure das Thema OER stärker in den Fokus setzen. Informationsangeboten bedarf es einer intensiven Ver- Zentral dafür ist die Etablierung von systemischen Anreiz- mittlung der Vorteile von OER: beispielsweise individua- systemen für OER. Diese können institutionell auf Ebene lisierbare Bildungsangebote, die Aktualität der Materialien, einer strategischen Neuausrichtung etablierter Bildungs- interaktives Lernen sowie die Einbeziehung vielfältiger institutionen, staatlich durch die Einrichtung von Arbeits- Sichtweisen in den Lernprozess. Im Praxisrahmen werden zeitkontingenten oder individuell durch den Ausbau von hierzu einerseits strukturbildende Maßnahmen angeregt, Peer-to-Peer-Ansätzen gestaltet werden. Die Entwicklung wie eine zentrale OER-Beratungsstelle oder eine Clea- dieser Anreizstrukturen muss Hand in Hand gehen mit ringstelle zur Zertifizierung von OER. Außerdem wird die- dem Aufbau einer transparenten Förderlandschaft und di- ser Bereich durch individualisierbare Coaching-Angebote alogischer Programmstrukturen für OER anstelle von Ein- untermauert. zelförderungen. Dies bietet zudem die Möglichkeit, bereits bestehende Initiativen und Ansätze fortzuführen, die der- 3. Um der Idee veränderbarer Materialien Rechnung zu zeit noch nicht über eine nachhaltige finanzielle Absiche- tragen, sind nicht nur Anreizsysteme, Qualifizierung oder rung verfügen (Deutscher Bildungsserver, 2016, S. 65). Auf Beratung notwendig, sondern vor allem die Unterstützung Bundesebene ist hierfür eine funktionierende Koordination der praktischen Arbeit durch technische Tools und ver- zwischen Bund und Ländern und eine Öffnung der staatli- besserte Auffindbarkeit. So können erstgenannte zu einer chen Finanzierung für freie Bildungsmaterialien zentral. Zu deutlichen Steigerung der Nutzerfreundlichkeit beitragen, diesem Maßnahmenfeld gehört zudem der grundsätzliche wenn sie stärker auf die Bedürfnisse der Nutzenden fokus- Anspruch, öffentlich finanzierte Bildungsmaterialien unter sieren. Sie können z. B. bei der Materialzusammenstellung eine freie Lizenz zu stellen. Hierdurch entsteht die Mög- unterstützen, Lizenzierungen automatisch generieren oder lichkeit, langfristig einen Grundstock freier Materialien ver- auch für eine bessere Auffindbarkeit von OER sorgen. Ge- fügbar zu machen. rade Services, die auf einer Reduktion des Arbeits- und Zeitaufwands im Zuge der Materialerstellung und -nutzung 2. Um einen hohen Verbreitungsgrad und damit eine aufbauen, bieten aus Nutzerperspektive einen erheblichen nachhaltige Etablierung von OER sicherzustellen, müssen Mehrwert. Daraus lässt sich eine Vielzahl an Servicean- vermehrt Angebote zur Beratung und Qualifizierung ge- geboten ableiten: z. B. die Bereitstellung individualisierter schaffen werden. Dabei muss das Verständnis für eine Kul- Lerninhalte, Tools zur digitalen Erstellung von Arbeitsblät- tur des Teilens und kollaboratives Arbeiten oberste Ziel- tern oder die Kuratierung von Metadaten. Mit einer zen- stellung sein. Potenzielle Nutzerinnen und Nutzer müssen tralen OER-Suchmaschine könnten beide hier benannten lernen und verstehen, warum OER sinnvoll sind und wie Felder adressiert werden. sie OER aktiv in ihre eigene Bildungspraxis integrieren können. Ferner wird deutlich, dass es eine Vielzahl OER-rele- EXECUTIVE SUMMARY 4. Nur durch ein breites Netzwerk an Aktiven wird sich te Materialien zu gestalten und diese im Fachkollegium und die Bildungspraxis auf eine Weise verändern, die dazu mit Studierenden zu teilen. Hochschulstrategien zur Förde- führt, dass OER ihr Potenzial als Vehikel zur Digitalisierung rung von OER auf institutioneller Ebene können dies durch zielführend entfalten können: Im Kontext freier Bildungs- die Schaffung von Anreizen und struktureller Unterstüt- materialien ist die Vernetzung und Zusammenarbeit aller zung gezielt vorantreiben. Zudem können sich Bibliothe- Beteiligten wichtiger denn je. So existieren bereits viele ken und E-Learning-Zentren als bestehende Institutionen Ansätze und Initiativen, die nur durch die Unterstützung an der Hochschule verstärkt dem Thema OER annehmen. einer aktiven Community bestehen können. Deshalb müssen vorhandene, bereichsübergreifende Vernetzungsstruk- Für die berufliche Bildung ist im Hinblick turen gefördert und auf dieser Grundlage neue Netzwerke auf die Verwendung von Lehrmaterialien aufgebaut werden (siehe Ebner et al., 2015, S. 166). Sowohl die Trennung in schulische und betriebliche Coaching-Systeme als auch zentrale Anlaufstellen zur Infor- Ausbildung von großer Relevanz. Gerade mation und Suche können bestehende Ansätze ergänzen der Bereich der schulischen Ausbildung weist große struk- und so auch eine inhaltliche Vernetzung stärken. turelle Ähnlichkeiten mit dem Bereich Schule auf. OER bie- Auf dieser Grundlage lassen sich konkret für die einzel- ten hier die Möglichkeit, die häufig mangelnde Verknüpfung nen untersuchten Bildungsbereiche (Schule, Hochschule, zwischen den beiden Teilbereichen der beruflichen Bildung berufliche Bildung und Weiterbildung) folgende Potenziale zu verbessern. An dieser Stelle besteht z. B. bei überbe- innerhalb der Handlungsfelder zusammenfassen. trieblichen Ausbildungsstätten (ÜBS) und Ausbildungsverbünden die direkte Möglichkeit, auf die Entwicklung einzuwirken und OER-Aktivitäten zu unterstützen. BILDUNGSBEREICHE Der Bereich der Weiterbildung lässt sich in die Teilaspekte „allgemeine Weiterbildung“, „berufliche Weiterbildung“ und Im Bereich Schule verfügen OER aufgrund „selbstorganisiertes Lernen“ unterteilen. der bereits praktizierten individuellen Ar- Ausschreibungen und Fördermaßnahmen sollten hier ge- beitsblatterstellung für den Unterricht über zielt OER-Aktivitäten einfordern und berücksichtigen. Im großes Potenzial. Lehrende in den Schulen Bereich der Weiterbildung wird aufgrund der großen He- benötigen vor allem (technische) Unterstützung und prak- terogenität das große Potenzial zentraler Anlaufstellen für tische Anreize zur Erstellung und Verwendung von freien Beratung und Unterstützung zu OER deutlich. Des Weite- Bildungsmaterialien. Diese Anreize sollten bereits in die ren bieten OER gerade für freiberufliche Weiterbildnerin- Lehrerausbildung fest eingegliedert und ferner in flächen- nen und Weiterbildner die Chance, die Verbreitung ihrer deckende Beratungsangebote für die Unterrichtspraxis in- Materialien als Marketinginstrument zu nutzen. tegriert werden. Für eine erfolgreiche Implementierung der oben genannIm Hochschulbereich bestehen für OER ten Maßnahmen müssen die folgenden zentralen Voraus- andere systemische Voraussetzungen auf setzungen erfüllt sein: die Verankerung von Medienkom- Basis der grundgesetzlich garantierten petenzförderung in die Lehre als elementares Lehr- und „Freiheit der Lehre“ und der entsprechend Lernziel, die Schaffung der notwendigen technischen Aus- individualisierten Gestaltung der Lehrveranstaltungen. stattung in den Bildungsinstitutionen sowie die Etablierung Doch gerade hier bieten OER die Chance, bedarfsgerech- einer Kultur des Teilens im Bildungswesen. 6 | 7 AUSBLICK Mit Blick auf die fachlichen Themenschwerpunkte inner- den, da der verfolgte offene Innovationsprozess alle Akteu- halb von OER sowie auf die Spezifika der einzelnen Bil- rinnen und Akteure der Bildungsbereiche adressiert und dungsbereiche zeichnet der Praxisrahmen ein umfassendes damit dem dynamischen Wesen freier Bildungsmaterialien Bild der Herausforderungen und Potenziale, um OER in entspricht. Gerade in einer Gesellschaft, die sich mit dem die Breite tragen zu können. Er stellt somit einen weiteren Digitalisierungsprozess in einem strukturellen Wandel be- Meilenstein im Diskurs zu OER dar, auf dessen Basis nun findet, können so gemeinsam Wege gestaltet werden, die mit Unterstützung aller Beteiligten konkrete Handlungen den Blick auf die vielfältigen Facetten von Bildung öffnen. zur weiteren Umsetzung von OER in Angriff genommen Ziel muss sein, freie Bildungsmaterialien im deutschen Bil- werden können. Die Herangehensweise zur Erarbeitung dungssystem gelebte und nutzenbringende Praxis werden des Praxisrahmens sollte als Modellansatz fortgesetzt wer- zu lassen. Dem Praxisrahmen vorweg ging ein knapp einjähriger Entwicklungsprozess im Rahmen des Projekts Mapping OER – Bildungsmaterialien gemeinsam gestalten. Darin wurde im Sinne des Multi-Stakeholder-Ansatzes mit einer heterogenen Gruppe von Akteurinnen und Akteuren aus der Praxis gearbeitet. Mapping OER – Bildungsmaterialien gemeinsam gestalten war ein Projekt von Wikimedia Deutschland und wurde gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Den gesamten Praxisrahmen für Open Educational Resources (OER) in Deutschland finden Sie unter www.mapping-oer.de. IMPRESSUM „Praxisrahmen für Open Educational Resources (OER) in Deutschland“ Herausgeberin Wikimedia Deutschland – Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens e. V. Tempelhofer Ufer 23-24 10963 Berlin [email protected] www.wikimedia.de Autorinnen und Autoren Nele Hirsch (Kooperative Berlin) Elly Köpf (Wikimedia Deutschland) Oliver Baumann-Gibbon (Kooperative Berlin) Christina Rupprecht (Wikimedia Deutschland) Empfohlene Zitierung Wikimedia Deutschland: Praxisrahmen für Open Educational Resources (OER) in Deutschland, 2016 Redaktion Wikimedia Deutschland e.V. & Kooperative Berlin Unter Mitarbeit von Jan Apel, Sarah Behrens, Stephanie Christmann-Budian, Tobias Lenartz, Gwen Lesmeister, Jaana Müller Layout und Satz Atelier Disko UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG Lektorat Beste Worte GmbH Lizenz Der Text und das Layout dieser Publikation werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 International (CC BY 4.0) veröffentlicht. Den vollständigen Lizenztext finden Sie unter: https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/legalcode.
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