KURSBUCH ENERGIEWENDE Ein Leitbild für 100% Erneuerbare Energie in Strom, Wärme und Mobilität Das KURSBUCH ENERGIEWENDE basiert auf den Studien der Plattform Systemtransformation des Bundesverbandes Erneuerbare Energien e.V. Die Erstellung der Studien wurde ermöglicht durch folgende Partner, bei denen wir uns für ihre Unterstützung bedanken: 8KU GmbH AGFW | Der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e. V. ARGE Netz GmbH & Co. KG Bundesverband eMobilität e.V. Bundesverband Solarwirtschaft e.V. Bundesverband Solare Mobilität e.V. Bundesverband WindEnergie e.V. Clean Energy Sourcing AG Danpower GmbH Envitec Energy GmbH & Co. KG Enercon GmbH Fachverband Biogas e.V. Greenpeace Energy eG juwi AG Lichtblick SE Stadtwerke Leipzig GmbH Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie e.V. Viessmann Werke GmbH & Co. KG WestfalenWIND GmbH Wirtschaftsverband Windkraftwerke e.V. Die Erstellung dieser Broschüre wurde ermöglicht durch die freundliche Unterstützung von: Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. KURSBUCH ENERGIEWENDE Ein Leitbild für 100% Erneuerbare Energie in Strom, Wärme und Mobilität DAS ENERGIESYSTEM DER ZUKUNFT de z e Wä r m e ve r so un rg Wie die Systemtransformation, also der vollständige Umbau des bisherigen Energieversorgungssystems gelingen, das neue Energiesystem aussehen und das Zusammenspiel der verschiedenen Elemente funktionieren kann, beschreibt die vorliegende Broschüre. Sie fasst die Ergebnisse mehrjähriger Arbeit in der „Plattform Systemtransformation“ des BEE allgemeinverständlich und in aller Kürze zusammen. Ausführlichere Informationen und Hintergründe finden sich in den Studien, die im Rahmen dieser Plattform von vielen Experten und Praktikern der Energiewende erarbeitet worden sind. Solarthermie R W Ä it Se Der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) strebt gemeinsam mit seinen Mitgliedsverbänden und -unternehmen eine rasche und vollständige Umstellung der Energieversorgung auf Erneuerbare Energien an. Ziel ist ein effizientes Energiesystem für Wärme und Kälte, Strom sowie Mobilität, das auf einem Mix von Biomasse, Geothermie, Umweltwärme, Sonne, Wasserkraft und Wind basiert. Alle drei Energiesektoren können damit künftig wirtschaftlich, fair und sozial sowie klima- und naturverträglich versorgt werden. Für die Wirtschaft sichert und steigert die Umstellung der Energieversorgung auf Erneuerbare Energien Arbeit und Beschäftigung, regionale Wertschöpfung sowie die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Prozesswärme nt ral e Eine umweltverträgliche, sichere und wirtschaftliche Versorgung der Sektoren Wärme, Strom und Mobilität ausschließlich auf Basis Erneuerbarer Energien ist möglich und notwendig. Die Potenziale von Sonnen- und Windenergie, Geothermie, Umweltwärme, Biomasse und Wasserkraft sind groß genug. Das intelligente Zusammenspiel von Strom-, Wärme- und Mobilitätsanwendungen macht die Energieversorgung sicher und kosteneffizient auch in einem dicht besiedelten Industrieland wie Deutschland. Wärmepumpen M e E 6 g Wärmespeicher Hub & SpokeStruktur Gebäudesanierung en Fe r n w ä rm SharingKonzepte ze und it uk tu dig i n te lli t ze WIND il n e PV Üb Ve te r te ge n Europäischer Verbund WASSERKRAFT d e rtr agu n gs - un EE-Gaskraftwerke Demand Side Management STROM S eit e 1 2 r multimodal Holz- Biokraftpostfossil effizient energie stoffe BIOal ENERGIE tr hver as Power a N flexible n et z t e I n f r to Gas Power KWK GEOto Liquid THERMIE StromPower to speicher Heat Kapazitätsreserve Elektromobilität LI e TÄT 20 et erneuerbar Verkehrsverlagerung I B t M O S ei WÄRME Die Versorgung von Gebäuden mit Raumwärme, Kälte und Warmwasser sowie die Bereitstellung von Prozesswärme und -kälte für das Gewerbe und die Industrie machen mehr als die Hälfte des gesamten Endenergiebedarfs in Deutschland aus. Die benötigte Energie wird dabei zu fast 90 % aus fossilen Brennstoffen gewonnen, was mit einer hohen Klimabelastung und einer starken Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten verbunden ist. Diese hohe Bedeutung der Wärmeversorgung für Verbraucher, Energiewirtschaft und Klimaschutz spiegelt sich bislang jedoch kaum in der öffentlichen Debatte oder politischen Aktivitäten wider. Die Diskussionen um die Kosten der Energieversorgung vernachlässigen bisher, dass die jährlichen Ausgaben eines Haushaltes für Raumwärme und Warmwasser im Durchschnitt etwa doppelt so hoch sind wie die Stromkosten. Für eine sichere, klima- und umweltverträgliche sowie bezahlbare Energieversorgung sind daher gerade im Wärmesektor die Umstellung auf Erneuerbare Energien und die Senkung des Energiebedarfs von zentraler Bedeutung. Kurswechsel hin zu Erneuerbarer Wärme und Kälte Ein nachhaltiges Wärme- und Kältesystem muss vollständig auf Erneuerbaren Energien basieren. Die Abhängigkeit von den globalen, fossilen Energiemärkten wird durch den Ausstieg aus den fossilen Energieträgern Erdöl, Kohle und Erdgas beendet. Der Kurswechsel wird erreicht durch eine priorisierte Einspeisung Erneuerbarer Energien auch im Wärmesektor und durch eine weitgehende Einpreisung der Kosten von Umwelt- und Gesundheitsschäden durch fossile Energieträger. Die Wärmewende gelingt durch die Erschließung einer breiten technologischen Vielfalt im erneuerbaren Wärmemarkt. Technologie- statt Brennstoffoffenheit muss das Ziel sein. Je nach Siedlungsstruktur wird netzgebundene erneuerbare Wärme und erneuerbare Wärme aus Einzelheizungen gleichermaßen gebraucht. 6 Die auf Erneuerbaren Energien basierende Wärme- und Kälteversorgung wird ein integraler Bestandteil des gesamten Energiesystems sein, klimaneutral und volkswirtschaftlich effizient. Wärme- und Kälteversorgung, Strom sowie Mobilität greifen in einem sektorenüberspannenden Gesamtsystem ineinander. Die effiziente Nutzung von Strom aus Erneuerbaren Energien kann einen wichtigen Beitrag zur Wärmewende leisten und ermöglicht die Integration überschüssiger Mengen fluktuierender Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie. Die soziale und faire Wärmewende bietet Bürgern, Unternehmen sowie Bund, Ländern und Gemeinden Chancen auf Beteiligung und wirtschaftlichen Erfolg. Erneuerbare Energien und Energieeffizienz gehen Hand in Hand Eine volkswirtschaftlich optimale und nachhaltige Wärmewende braucht Erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Die von der Bundesregierung angestrebte Senkung des Energiebedarfs von Gebäuden ist sehr ambitioniert. Vieles spricht dagegen, dass die Reduktion des Endenergiebedarfs um 60 Prozent erreicht werden kann, auch wenn gerade im Gebäudebereich noch erhebliche Effizienzpotenziale zu heben sind. Gerade bei dem aktuellen Sanierungstempo ist es umso wichtiger, Erneuerbare Energien im Wärmesektor stärker ins Zentrum zu rücken. Wärmespeicher Gebäudesanierung ze de z Wä r m e ve r so rg un g Na h- GEOTHERMIE Power to Heat STR O M Wärmepumpen Holzenergie BIOENERGIE flexible Power to Gas KWK und effizient rm Fe r n w ä en et e nt ral e Solarthermie erneuerbar MOBILITÄ T Prozesswärme 7 WÄRME - Die Bausteine →→ Bioenergie / Holzenergie Mehr als 80 Prozent der gesamten Wärme aus Erneuerbaren Energien stammt bisher aus Bioenergie, der größte Teil davon wiederum aus Holz, das in Einzelfeuerungsanlagen (Pelletöfen, Hackschnitzelheizungen, Kaminen) zum Einsatz kommt. Es ist naheliegend, dass Ressourcen im ländlichen Raum, die als Nebenprodukte der Forst- und Landwirtschaft anfallen, auch energetisch und möglichst noch effizienter als heute genutzt werden. Als speicherbare und regelbare Energiequelle wird die Bioenergie auch in Zukunft eine zentrale Rolle bei der Energiewende einnehmen. Verschiedene Formen der Biomasse werden ein wichtiges Standbein der erneuerbaren Wärmeversorgung - vor allem im Gebäudebestand - bleiben. Perspektiven bestehen sowohl für meist auf Holzenergie basierenden dezentralen Anlagen, als auch für Nah- und Fernwärmenetze, in die zum Beispiel Biogas- oder Holzgas-KWK (→Kraft-Wärme-Kopplung)-Anlagen einspeisen. →→ Solarthermie Die Entwicklung der Solarthermie bleibt bisher weit hinter den Potenzialen zurück, obwohl sich die Technik zur Warmwasserbereitung und Unterstützung der Raumheizung in Wohngebäuden bewährt hat. In unseren Breiten ergänzt die Solarthermie in den meisten Fällen die übrige Wärmeerzeugung und spart damit Brennstoffkosten ein. Neben Kleinanlagen auf Ein- und Zweifamilienhäusern kann die Einbindung großer Solarthermieanlagen in Wärmenetzen die Sonne als Wärmequelle relativ kostengüns- 8 tig erschließen. Solare Nahwärme ist ein Element um den Strom– und Wärmesektor stärker zu verzahnen und die jeweiligen Vorteile optimal auszunutzen. In Dänemark hat sich der Markt für große Solarthermieanlagen bereits gut entwickelt, weil der Ausbau der leitungsgebundenen Wärmeversorgung auf Basis Erneuerbarer Energien gefördert und fossile Brennstoffe besteuert werden. Ein solcher Regulierungsrahmen fehlt bisher in Deutschland. →→ Geothermie Die Geothermie verfügt über hohe Potenziale zur Wärmegewinnung. Hier ist schon eine größere Projektzahl realisiert. Die Förderung von Forschung und Entwicklung sowie von einzelnen Projekten ist eine wichtige Grundlage für die weitere Entwicklung der geothermischen Strom- und Wärmeerzeugung. Erdwärme weist für die leitungsgebundene Wärmeversorgung ein hohes Potenzial auf. In manchen Regionen Deutschlands wie etwa im Münchener Raum wird sie zum Rückgrat der Fernwärme werden. →→ Wärmepumpen Elektrische Wärmepumpen stellen eine wichtige Verbindung zwischen Strom- und Wärmemarkt dar. Vor allem im Gebäudesektor kann die Nutzung von oberflächennaher Erd- und Umweltwärme mithilfe von elektrischen Wärmepumpen erheblich gesteigert werden. Wichtig ist dafür, dass der für Wärmepumpen eingesetzte Strom nicht zusätzlich belastet wird (Netzentgelte, EEG-Umlage, etc.). Damit es im Winter nicht zu zusätzlichen Stromlastspitzen kommt, müssen Wärmepumpen vernetzt und intelligent gesteuert werden. Ein optimaler Wärmeschutz und Wärmespeicher können zudem dazu beitragen, Stromverbrauch und Wärmebereitstellung zeitlich zu entkoppeln. →→ Wärmespeicher Wärme lässt sich kostengünstig und einfach speichern. Daher werden Wärmespeicher künftig insbesondere für die Kopplung von Strom- und Wärmemarkt an Bedeutung gewinnen. Der Hauptnutzen von Wärmespeichern im künftig stärker verschmolzenen Energieversorgungssystem besteht darin, Stromverbrauch und Wärmebereitstellung zeitlich voneinander zu trennen. Mithilfe von Wärmespeichern lassen sich die Kraft-Wärme-Kopplung flexibilisieren, Power-to-Heat-Konzepte effizient umsetzen und die Solarthermie besser nutzen, da zeitweilige Wärmeüberschüsse zu einem späteren Zeitpunkt zur bedarfsgerechten Wärmeversorgung genutzt werden können. Dadurch lassen sich Lastspitzen reduzieren bzw. verlagern, was erheblich zur Integration fluktuierender erneuerbarer Energieträger und zur Versorgungssicherheit beitragen wird. →→ Power-to-Heat In einem erneuerbaren Energiesystem ist die Nutzung von Strom zur Wärme- und Kälteerzeugung sinnvoll. Grund sind systembedingte zeitweilige Überschüsse bei der Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie. Statt Photovoltaik- und Windenergieanlagen regelmäßig und in größerem Umfang abzuschalten, ist es wesentlich sinnvoller, Stromüberschüsse zur Wärmeerzeugung zu nutzen. Im Rahmen von Power-to- Heat-Konzepten kann die erzeugte Wärme effizient zwischengespeichert und bedarfsgerecht eingesetzt werden, zum Beispiel in Fernwärmenetzen. Um die Nutzung von Überschussstrom aus Erneuerbaren Energien auch betriebswirtschaftlich lohnend zu machen, bedarf es noch der regulatorischen Anpassung im Strommarkt. Da die Wärmeerzeugung aus Strom immer in direktem Wettbewerb mit der (ohne Einberechnung externer Kosten) relativ billigen Erzeugung aus fossilen Energieträgern steht, bedarf es der Entlastung bei Abgaben und Umlagen, die sonst auf den Stromverbrauch anfallen. Im Fokus muss dabei jedoch stehen, dass tatsächlich nur regenerativer Überschussstrom eingesetzt und kein zusätzlicher Strombedarf generiert wird, der womöglich aus konventionellen Kraftwerken gedeckt werden müsste. Unter diesem Aspekt sind vor allem thermische Speicherheizungen bzw. Nachtspeicherheizungen kritisch zu betrachten. →→ Prozesswärme Aufgrund der benötigten hohen Temperaturen stellt die Bereitstellung von Prozesswärme durch Erneuerbare Energien eine besondere Herausforderung dar. Gleichzeitig sind die Energieeinsparpotenziale hier geringer als im Gebäudebereich. Effiziente KWK-Lösungen auf Basis von Biomasse, die Einbeziehung von Geothermie, Solarthermie und Power-to-Heat, perspektivisch auch die Nutzung von Biomethan aus verschiedenen Quellen sind hier die passenden Ressourcen. Gegenüber der Raumwärme weist die Prozesswärme den Vorteil auf, dass der Energiebedarf nicht vorrangig im Winter gegeben ist, sondern ganzjährig anfällt. Das 9 verbessert die Nutzungsmöglichkeiten für die Solarenergie, egal ob Solarthermie oder Photovoltaik, und ist eine gute Nutzungsmöglichkeit für sommerliche Stromüberschüsse. →→ Power-to-Gas Die Umwandlung von erneuerbarem Strom in synthetische Gase, insbesondere Methan, ist insbesondere für den Stromsektor von großer Bedeutung (eine nähere Erläuterung des Verfahrens ist im →Power-to-Gas Abschnitt des Strom-Unterkapitels zu finden). Wieviel erneuerbares Methan zukünftig in den Sektoren Wärme, Strom und Mobilität verwendet werden kann, ist zur Zeit noch nicht absehbar. Das aus Überschussstrom gewonnene EE-Gas kann aber auch eine wichtige Funktion für eine klimaschonende Wärmeerzeugung übernehmen und zeigt damit einmal mehr das Zusammenwachsen der verschiedenen Energiesektoren. Im neuen Energiesystem wird Methan ein wichtiger Energieträger für die (Prozess-)Wärmeerzeugung bleiben. Das übergangsweise genutzte Erdgas mit zwar vergleichsweise geringen, aber weiterhin vorhandenen Treibhausgasemissionen wird auf Dauer durch das mittels Power-to-Gas gewonnene synthetische EE-Gas verdrängt und ermöglicht so einen klimaneutralen Beitrag zur Deckung des Wärme-, Strom- und Mobilitätsbedarfs. 10 W ir brauchen einen Kurswechsel in der Wärmepolitik, so dass Erneuerbare Energien Vorfahrt in der Wärmepolitik haben. Schon heute müssen die Weichen zum Umbau der Energieinfrastruktur gestellt werden, um Investitions-, Modernisierungs- und Nutzungszyklen miteinander in Einklang zu bringen. Die Transformation hin zu einem solchen versorgungssicheren Wärmesystem erfordert eine langfristig angelegte Politik, um ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Potenziale und Chancen zu heben. Wir sind davon überzeugt, dass dazu ein Instrument allein nicht ausreicht. Stattdessen muss die Politik einen intelligenten Mix aus wirtschaftlichen Anreizen, ordnungspolitischem Rahmen sowie Information und Beratung zur Förderung der erneuerbaren Wärme schaffen. Um einen fairen Wettbewerb im Wärmemarkt zu ermöglichen, müssen die Umweltund Gesundheitskosten fossiler Brennstoffe in deren Preisen enthalten sein. Der Anteil Erneuerbarer Energien in der bestehenden Energieinfrastruktur muss erhöht und der Zugang zu dieser erleichtert werden. Im Vergleich zum Strommarkt müssen zusätzliche Herausforderungen bewältigt werden, denn durch die Vielzahl der Akteure und ihrer Interessen, der verschiedenen Handlungssektoren (private Haushalte, Gewerbe/Handel/Dienstleistungen und Industrie) und Technologien ist der Wärmemarkt deutlich komplexer. Nichtsdestotrotz gibt es einige zentrale Maßnahmen, die Kern des Ausbaus Erneuerbarer Energien im Wärmemarkt sein müssen: HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN - WÄRME →→ Fairer Preiswettbewerb: Fossile Energien verursachen Umwelt- und Gesundheitsschäden, die nicht über die Energiepreise abgebildet werden. Nur so sind etwa die aktuell sehr niedrigen Ölpreise möglich, die einen transparenten Wettbewerb zunichtemachen. Durch eine Einpreisung dieser momentan noch überwiegend gesamtgesellschaftlich getragenen Kosten, die die Auswirkungen der Nutzung fossiler Brennstoffe auf Mensch und Natur berücksichtigt, kann echter Wettbewerb auf dem Wärmemarkt entstehen. →→ Verstetigung der MAP(Marktanreizprogramm)-Förderung: Solange die Preise für fossile Brennstoffe nicht deren Schadenskosten beinhalten und damit eine Gleichstellung beim Wettbewerb erreicht ist, muss die Förderung erneuerbarer Wärmelösungen verstetigt werden. Die aktuelle haushaltsabhängige Finanzierung mit ihren häufigen Anpassungen sorgt für Verunsicherung im Markt und führt zum Aufschieben der notwendigen Investitionen, teilweise sogar zum Ausweichen auf fossile Wärmelösungen. Durch klare und auskömmliche Förderbedingungen kann dagegen ein schnellerer Umstieg auf erneuerbare Wärme und Kälte angereizt werden, der sich durch die ausgelösten privaten Investitionen, die eingesparten Energiekosten und die vermiedenen Umwelt- und Gesundheitsschäden auch volkswirtschaftlich auszahlt. →→ eiterentwicklung von Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) und W Energieeinsparverordnung (EnEV): EEWärmeG und EnEV sind die zentralen ordnungsrechtlichen Instrumente im Wärmebereich. Über diese muss der Umstieg auf Erneuerbare Wärme und Kälte stärker angereizt und bestehende Hemmnisse abgebaut werden. So sollten etwa die Nutzungspflichten für Erneuerbare Energien auch auf Bestandsgebäude und Wärmenetze ausgeweitet werden. Die Pflicht zum Austausch von Nachtspeicheröfen sollte wieder in Kraft treten und mittelfristig auch auf fossile Kessel ausgeweitet werden. Die Förderung von Öl- und Gaskesseln sollte unverzüglich eingestellt werden. Auf Dauer ist auch eine Verschmelzung der Instrumente denkbar. Entscheidend ist aber, dass bei den rechtlichen Regulierungen des Wärmesektors Erneuerbare Energien ins Zentrum gestellt werden (wie im Strommarkt). →→ Neben diesen zentralen Bausteinen gibt es eine Reihe weiterer Maßnahmen, die die Verwendung erneuerbarer Wärme und Kälte befördern könnten. Beispielsweise sollten Erneuerbare Energien in der Aus- und Weiterbildung von Handwerkern mehr Raum bekommen. Beratung und Information zu den vorhandenen Lösungen sollte gestärkt werden. Konkrete dezentrale Wärmeprojekte könnten durch die Bereitstellung von Bürgschaften oder durch die Öffnung von Wärmenetzen für weitere, erneuerbare Einspeiser angeregt werden. Auch die Übertragung von geschlossenen Ausschreibungen auf erneuerbare Wärme und eine Fortentwicklung des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetzes (KWKG) in Richtung des Einsatzes Erneuerbarer Energien sind Möglichkeiten zur verstärkten Nutzung Erneuerbarer Energien im Wärmesektor. 11 W Landläufig wird die Energiewende vor allem mit einer Umstellung der Stromerzeugung auf Erneuerbare Energien verbunden. Hier ist es durch das Schaffen von gesicherten Investitionsmöglichkeiten gelungen, bereits mehr als 30 Prozent fossiler, klimaschädlicher und nuklearer Stromerzeugung zu ersetzen. Auch wenn die Stromerzeugung nur ein Viertel des Endenergiebedarfs deckt, verursacht sie nach wie vor rund 40 Prozent des gesamten energiebedingten Ausstoßes von Kohlendioxid in Deutschland. Zudem erhält die Stromerzeugung durch die wachsende Elektrifizierung von Teilen des Wärme- und Mobilitätssektors eine zentrale Rolle für die Nachhaltigkeit der gesamten Energieversorgung. Die Verfügbarkeit von Wind- und Solarstrom wird künftig zum Taktgeber für das gesamte Energiesystem. Deswegen ist es wichtig und sinnvoll, die Transformation mit unvermindertem Tempo fortzusetzen und gleichzeitig den Beschäftigten von Kohleunternehmen eine Perspektive zu geben. Das Ziel: 100 Prozent erneuerbar durch Sonne, Wind und Flexibilität Im Stromsektor ist bisher der größte Fortschritt bei der Energiewende durch mehr Erneuerbare Energien erreicht worden. Bis zu einer vollständig regenerativen Stromversorgung ist es aber noch ein weiter Weg. Windenergie und Photovoltaik stellen dabei die Erzeugungsoptionen mit dem größten Ausbaupotenzial und den geringsten Kosten je erzeugter Kilowattstunde dar. Die große Herausforderung ist es, die übrige Stromerzeugung und die Stromnachfrage an die stark schwankende Verfügbarkeit von Wind und Sonne anzupassen. Flexibilität und Vernetzung werden somit zum Schlüssel für das künftige Energiesystem und für den notwendigen Umbau der gesamten Energieversorgung, die Systemtransformation. Die früher systembestimmende „Grundlast“ von Kraftwerken mit sehr hoher jährlicher Laufzeit verliert vollkommen ihre Bedeutung, in den Fokus rückt vielmehr die wechselseitige Anpassung von Stromerzeugung und -verbrauch. Der Ausgleichsbedarf (Residuallast) ergibt sich dabei aus der nicht verschiebbaren Stromnachfrage und der fluktuierenden Erzeugung aus Wind- und Sonnenenergie. 12 R Ä STROM M T TÄ BI LI Stromspeicher Power to Heat MO i n te lli il n e PV ge n Europäischer Verbund t ze WIND te r te E Power to Liquid GEOTHERMIE Üb Ve M BIOENERGIE flexible Power to Gas KWK WASSERKRAFT d e rtr agu n gs - un EE-Gaskraftwerke Demand Side Management Kapazitätsreserve Versorgungssicherheit durch intelligente Netze und Marktsignale Die intelligente Verknüpfung und Steuerung verschiedener Stromerzeugungsoptionen – bei den regenerativen Energien vor allem aus regelfähiger Bioenergie – und des Stromverbrauchs wird auch in einem System, das zu sehr großen Teilen auf fluktuierenden Energien beruht, die Versorgungssicherheit gewährleisten. Voraussetzung dafür ist, dass bei allen Marktakteuren, auch den Stromverbrauchern, entscheidungsrelevante Preissignale entsprechend der aktuellen Einspeise- und Lastsituation ankommen. Variable Preise am Strommarkt signalisieren Knappheit oder Überschüsse. Sie schaffen damit Anreize zur Anpassung des Verbrauchs und der regelbaren Einspeisung an die aktuelle Erzeugung von Solar- und Windstrom. So wird signalisiert, ob die Erzeugung in steuerbaren Kraftwerken mit höheren Kosten (wie etwa Bioenergiekraftwerken) an- oder abgefahren werden sollte, Speicher zu laden oder zu entladen und verschiebbare Lasten an- oder abzuschalten sind (Demand-Side-Management). Die dafür erforderliche Verknüpfung, Datenübertragung und Steuerung erfolgt über die Digitalisierung des Stromversorgungssystems, welche sowohl Erzeuger und Verbraucher als auch die Stromnetze als Transportmittel intelligent miteinander verbindet (Smart Grids). Diese notwendige Vernetzung muss planvoll und mit Augenmaß vorangetrieben werden. Neben dem Ausbau der Übertragungsnetze müssen dafür auch die Verteilnetze vor Ort so ausgebaut werden, dass sie den Ausgleich zwischen Erzeugern und Verbrauchern sowie regionalen und wetterbedingten Schwankungen ermöglichen. 13 STROM - Die Bausteine →→ Windenergie und Photovoltaik Die Stromerzeugung aus Windenergie und Photovoltaik steht aufgrund der geringen Stromgestehungskosten und der großen Nutzungspotenziale im Zentrum der neuen und erneuerbaren Stromversorgung. Windenergieanlagen im Binnenland, an der Küste und auf See (Offshore), kleine und große Photovoltaikanlagen auf Dächern, in den Fassaden von Gebäuden, entlang von Infrastrukturen wie Autobahnen, Konversions- und anderen Flächen bergen ein riesiges Potenzial zur Stromerzeugung. Auch wenn Sonne und Wind sich im jahreszeitlichen Verlauf gut ergänzen, liegt die zentrale Herausforderung in ihrer fluktuierenden Erzeugung. Daher geben Sonne und Wind als wichtigste Erzeuger zunehmend die Richtung vor für alle übrigen Akteure und Elemente des Energiesystems. Um den angestrebten Anteil Erneuerbarer Energien am Stromverbrauch (auch bei steigendem Strombedarf) für mehr Klimaschutz im Wärme- und Verkehrssektor erreichen zu können, braucht es einen weiter starken Ausbau beider Technologien. Der im Erneuerbare-Energien-Gesetz 2014 vorgesehene Ausbaukorridor reicht dafür nicht aus. →→ Bioenergie Die Stromerzeugung aus Biomasse hat dank des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) bis vor wenigen Jahren stark zugenommen. Am Preis und an der Nachhaltigkeit dieses Energieträgers ist währenddessen viel Kritik geübt worden, mit der Folge, dass das EEG 2014 den weiteren Ausbau faktisch beendet hat. 14 Für die Energiewende hat Biomasse aus Wald und Feld jedoch den entscheidenden Vorteil, speicherbar zu sein. Im Zusammenspiel mit der Gasinfrastruktur kommt hinzu, dass Biogas und Biomethan auch ein wichtiger Ersatz für Erdgas sind. Kurz- bis mittelfristig wird die Bioenergie der einzige erneuerbare Energieträger bleiben, der Wind und Sonne in einer quantitativ relevanten Größenordnung versorgungssicher machen kann. Während die Stromerzeugung aus Bioenergie bisher darauf ausgerichtet war, möglichst kontinuierlich hohe Mengen zu liefern, gilt nun auch hier das Gebot der Flexibilisierung. So kann die begrenzt verfügbare, hochwertige Biomasse effizient und nachhaltig genutzt werden. Im Ergebnis wird die installierte Leistung zur Stromerzeugung aus Biomasse erheblich wachsen müssen, ohne dabei wesentlich mehr Biomasse zu verbrauchen. Biomassekraftwerke und Anlagen, die andere erneuerbare Gase (-> Power-to-Gas) oder einen Mix aus biogenen und synthetischen Gasen verstromen, werden auf eine Leistung von etwa der Hälfte der deutschen Spitzenlast anwachsen. →→ Wasserkraft Wasserkraft zeichnet sich durch eine verlässliche, sehr gut vorhersagbare Stromproduktion aus. Damit können die Kraftwerke auf lokaler Ebene Schwankungen im Netz ausgleichen. Durch den Ersatz von Altkraftwerken, die Reaktivierung stillgelegter Anlagen, den Neubau an bestehenden Querverbauungen und insbesondere die Modernisierung alter Anlagen lässt sich die Stromaus- beute mittelfristig ökologisch verträglich um ein Drittel steigern. →→ (EE-)Gaskraftwerke Zur Ergänzung der Stromerzeugung aus fluktuierenden Erneuerbaren Energien werden Gaskraftwerke auch in Zukunft eine erhebliche Rolle spielen. Allerdings werden sie im Stromsystem der Zukunft nicht mehr mit fossilem Erdgas betrieben, sondern mit „EEGas“. Dabei handelt es sich um Biomethan oder um synthetisches Erdgas, das mithilfe von überschüssigem Strom aus Wind- und Solarenergie erzeugt wird (→Power-to-Gas). →→ Power-to-Gas Bei hohen installierten Leistungen von Windenergie- und Photovoltaikanlagen wird es zunehmend zu Zeiten kommen, in denen das Stromangebot die Nachfrage übersteigt. Damit gewinnt die Möglichkeit Strom zu speichern an Bedeutung. Für kurzfristige Leistungsüberschüsse stehen Pumpspeicher und Batterien zur Verfügung. Aufgrund der geringen Speicherkapazitäten eignen sich diese jedoch nicht für die Langzeitspeicherung. In einem vollständig erneuerbaren Energiesystem müssen auch Zeiträume von mehreren Tagen bis zwei oder mehr Wochen mit nur geringer Windund Solarstromeinspeisung („Dunkelflaute“) überbrückt werden. Zur klimafreundlichen Abdeckung des in dieser Zeit anfallenden Strombedarfs kommen aus heutiger Sicht nur chemische Energieträger in Frage, die zuvor aus erneuerbarem Überschussstrom gewonnen wurden. Power-to-Gas beschreibt dabei das Verfahren zur Erzeugung von Wasserstoff durch Elektrolyse und die mögliche Weiterverar- beitung zu „EE-Methan“. Dabei wird überschüssiger Wind- und Solarstrom genutzt. Der erzeugte Wasserstoff kann zum Beispiel in der Industrie oder in Brennstoffzellen direkt eingesetzt werden oder er wird durch Hinzufügen von Kohlendioxid (CO2) methanisiert. Das gewonnene „EE-Gas“ entspricht chemisch dem gewohnten Erdgas. Damit steht ein vielseitiger Energieträger zur Verfügung, der zur Strom- und Wärmeerzeugung und auch als Kraftstoff im Verkehr eingesetzt werden kann. Die größten Herausforderungen für den breiten Einsatz von Power-to-Gas sind die Steigerung der Wirkungsgrade beim Umwandlungsprozess, die Kostenreduktion und der flexible Betrieb von Elektrolyseanlagen, der die gezielte Nutzung von Stromüberschüssen ermöglicht und das Entstehen zusätzlicher, nicht verschiebbarer Stromnachfrage vermeidet. Der große Vorteil ist, dass die bereits vorhandene Erdgasinfrastruktur genutzt werden kann, welche erhebliche Speicherkapazitäten bietet. Dadurch sind Transport und Speicherung des hergestellten Gases gesichert. →→ Flexible Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) Um Strom- und Wärmemarkt zur Erzielung von Synergieeffekten enger miteinander zu verbinden, sind KWK-Anlagen eine wichtige Schnittstelle. Im Zuge der Systemtransformation müssen sie nach und nach auf Bioenergie oder langfristig auf EE-Gas umgestellt werden. Bisher werden KWK-Anlagen meist wärmegeführt betrieben, orientieren sich also am Wärmebedarf der angeschlossenen Nah- oder Fernwärmekunden. Die KWK muss jedoch flexibilisiert werden und künf- 15 tig dann Strom einspeisen, wenn er benötigt wird. Eine wichtige Rolle werden dabei Wärmespeicher (siehe Kapitel WÄRME, S.9) spielen, die es ermöglichen, den Betrieb von KWK-Anlagen stärker am Strombedarf auszurichten statt am Wärmebedarf. Die Wirtschaftlichkeit ist auch bei einer geringeren Auslastung gesichert, wenn die Strompreise variabel sind und die aktuelle Stromverfügbarkeit widerspiegeln. →→ Stromspeicher A) PUMPSPEICHER: Die ursprünglich zur Speicherung nächtlicher Stromüberschüsse aus Grundlastkraftwerken errichteten Wasserspeicher gewinnen im Zuge der Energiewende wieder an Bedeutung. Sie sind technisch ausgereift und gehören zu den kostengünstigsten Speichermöglichkeiten. Mengenmäßig ist das Potenzial begrenzt. Für den stundenweisen Lastausgleich sowie zur Erbringung wichtiger Systemdienstleistungen für einen stabilen Betrieb der Stromnetze sind Pumpspeicherkraftwerke jedoch nicht zu vernachlässigen. Variable Strompreise mit entsprechenden Knappheitssignalen sind auch für einen (wieder) wirtschaftlichen Betrieb von Pumpspeicherkraftwerken unerlässlich. B) BATTERIEN: Wachsende Anteile von Photovoltaik und Windenergie an der Stromversorgung erfordern neue Stromspeicher. Angetrieben durch den Mobilitätssektor und den Partizipationswillen vieler Bürger an der Energiewende haben Batterien in jüngster Zeit eine erhebliche technische Weiterentwicklung erfahren, die Kosten sinken rasant. Auch die mittelfristig stark zunehmende Verfügbarkeit von ausgedienten Batterien aus elektrisch betriebenen Fahrzeugen ver- 16 Den weiteren Ausbau der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien gewährleisten Für den Umbau des Energiesystems wird ein erheblicher und schneller Zuwachs der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien benötigt. Strom aus Erneuerbaren Energien muss künftig auch zunehmend in Wärme und Verkehr eingesetzt werden. Daher gilt es, Ausbaumengenbegrenzungen abzuschaffen und die Refinanzierung der Erneuerbaren Energien sicherzustellen. Zur Beibehaltung einer hohen Akzeptanz ist die Möglichkeit der Teilhabe wichtig. Ausschreibungen betrachtet der BEE daher insbesondere für den Ausbau der Solarund Windenergie kritisch, soweit nicht die Akteursvielfalt und volkswirtschaftlich real messbare Einspareffekte gegenüber bestehenden Systemen gesichert werden können. Bei der Bioenergie könnten sich durch Ausschreibungen allerdings neue Perspektiven angesichts des aktuell praktisch gestoppten Ausbaus und auch für den Weiterbetrieb von Altanlagen nach Ablauf der 20jährigen Förderperiode durch das EEG ergeben. HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN - STROM Flexibilisierung im Strommarkt Technische Möglichkeiten, die Stromerzeugung und die Stromnachfrage zu flexibilisieren und aufeinander abzustimmen, gibt es genügend. Versorgungssicherheit ist kein Argument, den Ausbau der fluktuierenden Erzeugung aus Wind- und Sonnenenergie zu bremsen. Der Schlüssel dazu, die verschiedenen Flexibilitätsoptionen im Wettbewerb zu aktivieren, liegt in den Preissignalen des Strommarkts. Flexibilität muss sich lohnen und Inflexibilität unattraktiv werden. Must-Run-Kapazitäten müssen abgebaut werden. Preissignale müssen künftig die jeweilige Angebots- und Nachfragesituation wiedergeben und bei allen Marktakteuren, auch den Endverbrauchern, ankommen. Strom muss teuer sein, wenn es eine starke Nachfrage bei geringem Angebot Erneuerbarer Energien gibt. Eine geringe Nachfrage bei hoher Verfügbarkeit Erneuerbarer Energien muss durch sehr niedrige Preise signalisiert werden. Durch ein solches, oft als „Strommarkt 2.0“ betiteltes Marktdesign würden für die teilnehmenden Akteure Anreize entstehen, zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage beizutragen. Im Einzelnen werden folgende Maßnahmen empfohlen: →→ Echtzeit-Datenübermittlung an die Bilanzkreisverantwortlichen bei den Energieversorgern, damit diese direkt für den Bilanzausgleich sorgen können; →→ Stärkung des Viertelstundenhandels durch Teilnahme aller Marktakteure und stärkere Sanktionierung systematischer Abweichungen; →→ Stärkere Preissignale vom Spotmarkt, um die Wirtschaftlichkeit von Flexibilität zu stärken; →→ Verkürzung der Vorlaufzeit und Produktlänge auf den Regelleistungsmärkten; →→ Einbeziehung fluktuierender Erneuerbarer Energien in die Regelleistungsbereitstellung; →→ Monitoring, Weiterentwicklung und Stärkung der Flexibilitätsprämie für Biomasseanlagen; →→ Direkte Integration fluktuierender Erneuerbarer Energie in die Vertriebsportfolios mit Grünstromvermarktung, um Transparenz und Akzeptanz der Energiewende zu sichern; →→ Dynamisierung der EEG-Umlage, zum Beispiel durch Verknüpfung mit dem Spotmarktpreis; →→ Dynamisierung der Netzentgelte entsprechend der Erzeugung der Erneuerbaren Energien und der Netzsituation. 17 größert die Chance für kostengünstige Batteriespeicher deutlich. Das eröffnet neue Perspektiven für die Energiewende. Sowohl große Primärregelenergiebatterien als auch viele dezentrale Batterien, die im Schwarm gesteuert werden, können künftige wichtige Systemdienstleistungen bereitstellen. Anstelle fossiler Kraftwerke können sie schon bald eine sehr wichtige Rolle im Primär- und Sekundärregelenergiemarkt übernehmen. Neben dem Beitrag zur Stabilisierung der Stromnetze und zur Kappung von Einspeisespitzen aus Photovoltaikanlagen stellen sie einen Weg dar, um umweltfreundlichen Strom aus Sonne und Wind für den Verkehrssektor verfügbar zu machen (→Elektromobilität). →→ Demand-Side-Management (DSM) Künftig werden auch die Verbraucher, ob Industrie oder Haushalte, zu relevanten Akteuren im Strommarkt. Variable Strompreise, die Knappheit oder Überschüsse signalisieren, bieten Anreize zur Anpassung des Stromverbrauchs an die Erzeugungssituation. Das ist ein klarer Paradigmenwechsel. Bisher wurde die Verbrauchslast als gegeben betrachtet, der Ausgleich fand immer auf der Erzeugungsseite statt. In einem System mit hohen Anteilen fluktuierender Energieträger würde das Vorhalten großer Spitzenlastkapazitäten für nur wenige Stunden im Jahr jedoch sehr kostenintensiv sein. Umgekehrt müsste ein Großteil der Erzeugungsleistung bei entsprechendem Wetter abgeregelt und verworfen werden. Aus ökologischen und ökonomischen Gründen sollten diese Strommengen jedoch möglichst effizient genutzt werden. Deswegen ist es sinnvoll, auch Potenziale zur Verschiebung der Stromnachfrage zu mobilisieren. Wenn 18 die Unterschiede zwischen den Strompreisen deutlich genug sind, können erhebliche Potenziale zur Lastverlagerung erschlossen werden. Ermöglicht wird das wiederum durch die digital getriebene Vernetzung der Akteure im Energiesystem und den Ausbau intelligenter Stromnetze. Eine wichtige Option zur Lastverschiebung bieten Elektrofahrzeuge (→Elektromobilität), da ihre Batterien in Summe eine hohe Anschlussleistung haben. Die meiste Zeit des Tages stehen Fahrzeuge still und können – eine entsprechende Infrastruktur an Ladestationen vorausgesetzt – ans Netz angeschlossen sein. Das macht sie zu idealen Objekten für das Lastmanagement, auch Demand-Side-Management genannt, da die Ladung der Batterien auf Basis der aktuellen bzw. kurzfristig prognostizierten Solar- und Windstromerzeugung intelligent gesteuert werden kann. →→ Europäischer Verbund Europa ist groß und vielfältig. Nicht nur hinsichtlich der unterschiedlichen Kulturen und Gewohnheiten, sondern auch beim Wetter sowie bei Höhe und Verlauf der Stromnachfrage. Der europäische Stromverbund bietet daher gute Möglichkeiten für den überregionalen Ausgleich von Schwankungen bei der Stromerzeugung aus fluktuierenden Erneuerbaren Energien – soweit die Stromleitungen vorhanden sind. Der europäische Markt trägt erheblich dazu bei, dass Last und Erzeugung möglichst direkt ausgeglichen werden und sorgt so für eine hohe Versorgungssicherheit und Kosteneffizienz. Die Koppelstellen zu den „elektrischen Nachbarn“ sollten daher bewahrt und weiter ausgebaut werden. →→ Kapazitätsreserve Eigentlich ist die Zuverlässigkeit der Energieversorgung gewährleistet, wenn der Strommarkt funktioniert und die Preissignale stimmen. Als zusätzliche Absicherung gegen ein potenzielles Marktversagen kann jedoch eine Kapazitätsreserve dienen. Sie umfasst Kraftwerke, die nicht am „normalen“ Strommarkt teilnehmen, was den wesentlichen Unterschied zu einem Kapazitätsmarkt ausmacht. Dadurch kann die Versorgungssicherheit zusätzlich abgesichert werden, ohne die Preisbildung und damit den Wettbewerb zu verzerren. 19 MOBILITÄT Der Verkehr verursacht 18 Prozent des Treibhausgasausstoßes in Deutschland. Im Vergleich zur Stromwirtschaft ist das zwar nur knapp die Hälfte, jedoch ist der Verkehr bisher am wenigsten auf Kurs bei der Energiewende. Der Anteil Erneuerbarer Energien ist mit rund 5 Prozent am geringsten im Vergleich der drei Sektoren und stagniert seit Jahren. Trotz deutlicher Effizienzsteigerungen ist der Energieverbrauch des Verkehrs heute höher als Anfang der 90er Jahre. Grund sind die stark gestiegenen Fahrleistungen sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr. Das Ziel der Bundesregierung, den Energieverbrauch im Verkehr bis 2020 um 10 Prozent und bis 2050 um 40 Prozent gegenüber 2005 zu senken, ist in weiter Ferne. Auch das europäische Ziel von 10 Prozent Erneuerbaren Energien im Verkehrssektor bis 2020 werden wir aus heutiger Sicht nicht erreichen können. Die Verkehrswende steht also noch ganz am Anfang und muss deutlich beschleunigt beziehungsweise überhaupt erst ernsthaft begonnen werden. WÄ Die Vision: eine postfossile und multimodale Mobilität ST Unterwegs sein mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln und ohne fossile Energieträger, nur mithilfe Erneuerbarer Energien - das ist die Mobilität der Zukunft. Die Verlagerung von Verkehr auf die Schiene, die Stärkung des Fuß- und Radverkehrs, moderne Carsharing- und Logistikkonzepte gehen Hand in Hand mit der Umstellung auf umweltfreundliche Energieträger. Der Schienenverkehr ist vollständig mit Strom aus Erneuerbaren Energien versorgt und die großflächige Elektrifizierung von PKW, leichten Nutzfahrzeugen und Zweirädern macht Strom aus Sonne und Wind auch auf der Straße zur Hauptantriebsenergie. Selbst Busse und LKW fahren zum Teil elektrisch – mithilfe von leistungsfähigen Batterien, Straßen mit Induktionselementen oder Oberleitungen. Für den Flug- und Schiffsverkehr ist die direkte Nutzung von Strom dagegen nur sehr begrenzt möglich. Hier kommen Biokraftstoffe und Biomethan zum Einsatz, zunehmend auch Gase und Kraftstoffe, die aus zeitweiligen Stromüberschüssen erzeugt werden (→Power-to-Gas / →Power-to-Liquid). 20 RO Intelligente, digital vernetzte Verkehrsstrukturen Um den Anteil Erneuerbarer Energien im Verkehr schnell wachsen zu lassen, muss der Energiebedarf sinken. Städte sind daher künftig kleinräumig und bürgernah organisiert, Rad- und Fußverkehr sind attraktiv und sicher. Carsharing-Konzepte ermöglichen es Haushalten und Unternehmen, keine eigenen Fahrzeuge mehr vorhalten zu müssen. Stattdessen kann jederzeit auf das für den jeweiligen Zweck passende Fahrzeug der hierauf spezialisierten Anbieter zurückgegriffen werden, vom Transporter über Pkw und Roller bis hin zu Lastenrädern, Pedelecs und Fahrrädern. Dabei hilft die zunehmende Digitalisierung: Intelligente Planung und Verknüpfung verschiedener Verkehrsmittel tragen dazu bei, Strecken zu vermeiden und anfallende Wege effizienter zurückzulegen. Die Digitalisierung garantiert die Effizienz und Klimafreundlichkeit des zukünftigen Verkehrs. Digital gelotst lassen sich verschiedene Verkehrsmittel ohne große Warte- und Umsteigezeiten verknüpfen und somit viele (Teil-)Strecken der Alltagsmobilität klimafreundlicher und gleichzeitig bequemer als heute bewältigen. Hub & SpokeStruktur SharingKonzepte dig Biokraftpostfossil stoffe BIOal ENERGIE str ver a Power r f n et z t e I n to Gas Power to Liquid r multimodal tu ME it OM Verkehrsverlagerung uk ÄR Elektromobilität Stromspeicher 21 Zusammenspiel von Strom- und Verkehrssektor Die starke und saubere Elektrifizierung des Verkehrs kann nur mit wachsenden Anteilen von Photovoltaik und Windenergie bei der Stromversorgung gelingen. Die parallele Umgestaltung von Strom- und Verkehrswelt bietet entscheidende Vorteile: Strom aus Erneuerbaren Energien wird direkt durch Elektrofahrzeuge oder indirekt durch Umwandlung in EE-Gas (Methan oder Wasserstoff, →Power-to-Gas) oder Kraftstoffe (→Power-to-Liquid) für den Verkehr nutzbar gemacht. So kann ein großer Teil des Energiebedarfs für Mobilität umwelt- und klimaverträglich abgedeckt werden. Die Vielzahl von Elektrofahrzeugen macht das Verkehrssystem nicht nur deutlich energieeffizienter, sondern hilft gleichzeitig, das Stromnetz zu stabilisieren, wenn die Batterien vorrangig in Situationen mit Stromüberschüssen geladen werden. Im Idealfall können Elektrofahrzeuge auch Leistung ins Netz zurückspeisen, so dass sie das System stützen, wenn die Einspeiseleistung von Wind- und Solarenergie kurzfristig zu gering ist. Die Fahrzeugnutzer könnten dabei von besonders geringen Strompreisen profitieren und die Bereitstellung von Regelleistung vergütet bekommen. (→Batteriespeicher) Die neue Verkehrswelt ist kein Selbstläufer, sondern sie muss aktiv herbeigeführt werden. Die rasanten Fortschritte in der Batterietechnik und die zunehmende Digitalisierung lassen die postfossile und multimodale Mobilität jedoch in greifbare Nähe rücken. MOBILITÄT - Die Bausteine →→ Elektromobilität Elektromobilität ist der Schlüssel für die neue Verkehrswelt und die zentrale Schnittstelle zum Stromsektor. Nur durch eine hohe Elektrifizierung des individuellen Verkehrs und weiter Teile von öffentlichem Personenund Straßengüterverkehr kann ausreichend erneuerbarer Strom in den Verkehrssektor gebracht werden. Elektromobilität meint dabei nicht nur den Austausch von Motoren im Pkw, sondern den Einsatz neuer Fahrzeugkonzepte und die Entwicklung eines neuen Mobilitätsverhaltens, geprägt durch Effizienz und Konnektivität. Durch Pedelecs wird der Umstieg auf das Fahrrad deutlich erleichtert und dessen Aktionsradius vergrößert. Für Lastkraftwagen könnten Oberleitungen die Elektrifizierung im Langstreckenverkehr ermöglichen. Der Lieferverkehr 22 in der Stadt kann durch elektrifizierte Transporter und auch durch leichtere Fahrzeuge und dezentrale Konzepte umweltfreundlicher abgedeckt werden. Entscheidende Voraussetzung für die Integration der Elektromobilität ist dabei die Nutzung von erneuerbarem Strom und die enge Anbindung und intelligente Verknüpfung mit dem Stromsystem. Durch Batterieladung in Schwachlastzeiten mit hoher Einspeisung und Rückspeisung in Zeiten von hoher Residuallast kann nicht nur das Stromversorgungssystem stabilisiert werden, sondern es können sich auch ökonomische Vorteile für die Batteriebesitzer und Vermarkter der Speicherkapazitäten ergeben. Mittels der Bereitstellung von Regelenergie, also der kurzfristigen Aufnahme und Abgabe von Energie bei Erzeugungs- oder Verbrauchsspitzen, können die Batterien der Elektrofahrzeuge auch außerhalb des normalen Ladevorgangs ausgleichend wirken - angesichts von heutigen Fahrzeug-Standzeiten von durchschnittlich etwa 23 Stunden pro Tag ergibt sich selbst unter Berücksichtigung einer Verkleinerung der Fahrzeugflotte und damit einhergehenden größeren Betriebszeiten noch ein gewaltiges kurzfristiges Ausgleichspotenzial. Die vielen Akkus können der Energiewende sogar nach ihrer Nutzung als Fahrzeugbatterie noch einen Dienst erweisen und als stationäre Speicher im Stromnetz für den Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch sowie für Regelenergie sorgen. Während die Nutzungsdauer der Akkus im Fahrzeug aufgrund ihrer abnehmenden Speicherkapazität begrenzt ist, können sie danach problemlos noch ein zweites Leben als stationäre Batteriespeicher führen. Erste Pilotversuche dazu werden bereits durchgeführt, durch die erwartete Zunahme der Elektromobilität wird es hier in Zukunft noch deutlich mehr Ressourcen geben. →→ Biokraftstoffe Biokraftstoffe sind aktuell die einzige maßgebliche Quelle für eine erneuerbare Mobilität. Sie werden als einzige Ressourcen mit garantierten CO2-Minderungen hergestellt und ermöglichen die Nutzung der bestehenden Infrastruktur. Durch deutsches und europäisches Recht ist der Anbau nachwachsender Rohstoffe für die Biokraftstoffproduktion streng auf Nachhaltigkeit ausgerichtet, die Treibhausgasminderung der Erzeugnisse muss zertifiziert werden. Biokraftstoffe sind eine wichtige Säule für klimafreundliche Mobilität, da sie über an- nähernd die gleiche Energiedichte wie fossile Kraftstoffe verfügen. Für die kommenden Jahre werden effiziente mit Biodiesel, Bioethanol oder auch Biomethan betriebene Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auch bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen weiterhin eine wichtige Rolle spielen (müssen). In der Landwirtschaft bietet sich zudem die Option, dezentral hergestelltes Pflanzenöl als Kraftstoff für den (eigenen) Fuhrpark zu nutzen. Insbesondere der Flugverkehr, aber auch der Schiffsverkehr werden mittelfristig nur mit Biokraftstoffen betrieben werden können. Erst auf lange Sicht ist in diesen Bereichen eine Ergänzung durch synthetische Kraftstoffe aus erneuerbarem Überschussstrom absehbar. Biodiesel und Bioethanol aus Anbaubiomasse weisen heutzutage eine Treibhausgasreduktion von rund 60 Prozent und mehr gegenüber konventionellen Kraftstoffen auf. Mit Biomethan kann die schon im fossilen Kraftstoffvergleich klar bessere Klimabilanz von gasbetriebenen Autos noch einmal deutlich gegenüber dem Betrieb mit herkömmlichem Erdgas gesteigert werden. Durch Weiterentwicklungen bei der Biokraftstoffproduktion bei gleichzeitig schwierigeren und treibhausgasintensiveren Abbaubedingungen für fossile Rohstoffe wird der Klimavorteil von Biokraftstoffen weiter steigen. Abgesehen davon, dass das Potenzial zur Nutzung nachwachsender Rohstoffe noch nicht vollständig erschlossen ist, können mittelfristig durch die Nutzung von Rest- und Abfallstoffen weitere Biokraftstoffmengen mobilisiert werden. →→ Verkehrsverlagerung Der heutige Verkehr wird hauptsächlich über ineffiziente, oft für den Einsatzzweck überdimensionierte Straßenfahrzeuge abgewi- 23 ckelt. Zudem wirkt sich die Benachteiligung der Schiene gegenüber dem Luftverkehr negativ auf die Umweltbilanz des Verkehrs aus. Die Verlagerung auf umweltfreundliche Verkehrsträger kann einen großen Teil beitragen, um den Verkehr nachhaltiger zu machen. Dann lässt sich auch der Deckungsbeitrag der Erneuerbaren Energien schnell und einfach erhöhen. Wenn Personenverkehr statt mit dem Auto per Pedelec oder in öffentlichen beziehungsweise kurzfristig und bequem mietbaren Verkehrsmitteln stattfindet, wenn Güterverkehr von der Straße auf die Schiene oder Wasserwege verlagert werden kann, ist dies deutlich effizienter als das heutige Mobilitätssystem mit seiner Vielzahl an im Privatbesitz befindlichen Fahrzeugen, die aber nur kurze Zeit am Tag genutzt werden. Digitalisierung und Carsharing erleichtern die Verkehrsverlagerung enorm, da die Nutzer einfach und bequem das jeweils passend dimensionierte Verkehrsmittel für den anstehenden Weg aussuchen können. Das bisherige Konzept, ein Fahrzeug zu besitzen, welches ein möglichst breites Einsatzspektrum abdecken soll, hat damit ausgedient. Vielmehr stehen für den jeweiligen Nutzungszweck angepasste Transportmöglichkeiten, vom täglichen Arbeitsweg bis zur mehrwöchigen Urlaubsreise, passgerecht zur Verfügung. →→ Dezentralität und Vernetzung (Hub- & Spoke-Struktur) Mehr Intelligenz im Verkehr kann die Effizienz steigern und zu mehr Lebensqualität beitragen. Eine enorme Erleichterung für Verkehrsverlagerung und effiziente Fahrzeugnutzung bedeuten sogenannte „Hub- & Spoke“-Konzepte. Die Kernidee besteht darin, dass der kleinräumige Verkehr in geteil- 24 I n Zukunft wird die Bereitstellung von Wärme, Strom und Mobilität in einem intelligenten und vernetzten Gesamtsystem stattfinden. Das Energiesystem der Zukunft hält digital gesteuert maßgeschneiderte Lösungen für jede Anforderung bereit. Die wichtigsten Energieträger werden Wind und Sonne sein. Sie liefern den Strom für Elektro-, Plug-in- und Wasserstofffahrzeuge sowie für die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen. Ergänzt wird die Nutzung von elektrischem Strom im Verkehr vor allem durch flüssige oder gasförmige Biokraftstoffe, die die noch existierenden Verbrennungsmotoren klimafreundlich antreiben. Eine saubere, vernetzte und intelligente Verkehrswelt ist machbar. Viele der dazu notwendigen Bausteine sind heute schon verfügbar oder befinden sich in der Forschungs- und Entwicklungsphase. Eine Umstellung der bisherigen Verkehrsorganisation und der verwendeten Energieträger ist dringend notwendig, da der Verkehr für rund ein Fünftel des in Deutschland verursachten Treibhausgasausstoßes verantwortlich ist. Zudem ist der Verkehr im Gegensatz zum Strom- und Wärmesektor der einzige Bereich, in dem der Ausstoß an Treibhausgasen gegenüber 1990 nicht gesunken ist. Allein diese Entwicklung zeigt, dass eine klimafreundliche Entwicklung im Verkehr trotz der vielversprechenden technischen Entwicklungen noch lange nicht ausreichend voran gebracht wurde, sondern starker politischer Führung bedarf. Die wichtigsten Weichenstellungen in Richtung eines postfossilen und zukunftsfähigen Verkehrssystems sind aus Sicht des BEE: HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN - MOBILITÄT →→ Ambitionierte CO2-Vermeidung: Auch im Mobilitätsbereich muss der Ausstoß von Kohlendioxid als Hauptauslöser des menschengemachten Klimawandels ökonomisch bepreist oder ordnungsrechtlich begrenzt werden. Eine sinnvolle ordnungsrechtliche Möglichkeit dazu wäre die Weiterentwicklung der bereits EU-weit etablierten Grenzwerte für die Neufahrzeugflotte der Hersteller. Diese müssten nach 2020 kontinuierlich weiter abgesenkt werden, so dass eine Perspektive für emissionsarme Fahrzeuge geschaffen würde. Der BEE hält eine ambitionierte Reduktion von 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer (g CO2/km) auf 50 g CO2/km bis 2025 für machbar. Damit die Grenzwerte eingehalten werden, müssen allerdings auch realistische Testverfahren und strenge Kontrollen etabliert werden. Dies sollte als Mindestniveau gelten. Darüber hinaus sollte die Chance bestehen, in ehrgeizigen Regionen niedrigere Grenzwerte (beispielsweise für die Einfahrt in bestimmte Städte) zu setzen. →→ Konsequente Bewirtschaftung der Verkehrswege und des öffentlichen Parkraumes: Die Bepreisung von Straßennutzung und Parkplätzen in Abhängigkeit von den Umweltwirkungen des jeweiligen Fahrzeugs ermöglicht eine verursachergerechte Finanzierung der Nutzung öffentlicher Räume und entfaltet eine klare Steuerungswirkung. Schwere und verbrauchsintensive Fahrzeuge müssten demnach aufgrund der höheren Schadstoffemissionen, der stärkeren Beanspruchung von Verkehrswegen und Parkplätzen sowie des höheren Platzbedarfs mehr zahlen als kleine und emissionsarme Fahrzeuge. Ein nutzerfinanziertes System könnte zudem das Teilen von Fahrzeugen anreizen und damit den Platzverbrauch parkender Autos reduzieren. →→ Dezentrale Versorgungsstrukturen: Mobilität mag im Einzelfall nur die Strecke von A nach B bedeuten, gesamtwirtschaftlich ist Mobilität jedoch ein System und sollte daher vernetzt gedacht werden. Diese Verknüpfungen betreffen sowohl Verkehrsträger in sich – beispielsweise geteilte Fahrzeuge im Car- oder Bikesharing – als auch Fahrzeuggrenzen übergreifende Angebote wie etwa verbesserte Park&Ride-Möglichkeiten. Die intelligente Vernetzung und Verknüpfung von Verkehrsmitteln ermöglicht den Nutzern, für jeden Zweck das jeweils passende Fahrzeug zu finden. So können Wege „multimodal“, also mit verschiedenen Verkehrsmitteln, zurückgelegt werden. Das ist nicht nur klimafreundlich und effizient, sondern auch komfortabel. Nicht zuletzt bedeutet intelligente Vernetzung auch die zunehmende Verschränkung zwischen Strom-, Wärme- und Verkehrssektor. Elektrofahrzeuge werden in der Regel nur dann Strom tanken, wenn ausreichend Strom zur Verfügung steht. Wenn Strom gerade knapp ist, könnte beispielsweise die Wärmepumpe pausieren zugunsten einer Ladung Strom für eine kurzfristig anstehende Fahrt. 25 ten, jederzeit verfügbaren und mittelfristig elektrisch angetriebenen Individualfahrzeugen abgewickelt wird („Spoke“), längere überregionale Strecken („Hubs“) vorrangig mit der Schiene, wobei die Übergänge fließend und barrierefrei sind. Bahnhöfe werden damit zu Knotenpunkten, an denen überregionaler, zentraler Verkehr mit regionalen, dezentralen Elementen wie Car- und Bike-Sharing verknüpft wird. Die dezentralen Einheiten können kleiner ausfallen und ermöglichen durch die Kopplung mit den überregionalen Anbindungen trotzdem die volle Mobilität für jeden. →→ Sharing-Konzepte Autoeigentum ist teuer und ineffizient. Die kostenintensiven Fahrzeuge werden im Durchschnitt nur für eine Stunde Fahrt am Tag angeschafft. Die meiste Zeit stellen Autos keine Fahr-, sondern Stehzeuge dar und nehmen unnötig viel Platz im öffentlichen Raum ein. Gleichzeitig verliert das Auto vor allem bei jüngeren Leuten seinen Wert als Statussymbol. Das macht Carsharing-Konzepte zunehmend attraktiv. Der entscheidende Treiber ist auch hier die Digitalisierung und insbesondere das mobile Internet. Die digitale Vernetzung macht das Teilen von Autos, aber auch von Fahrrädern oder Transportfahrzeugen sehr viel einfacher. Informationen zur Verfügbarkeit von Fahrzeugen in der Nähe stehen permanent auf Abruf bereit. Sowohl gewerbliche als auch private Sharing-Modelle sind auf dem Vormarsch und können für eine bessere Auslastung der Fahrzeuge und für eine effizientere Auswahl des passenden Verkehrsmittels sorgen. 26 →→ Power-to-Liquid Die strombasierte Erzeugung flüssiger Kraftstoffe (Power-to-Liquid) kann in Zukunft eine wichtige Option darstellen, um einerseits Stromüberschüsse aus Windenergie- und Photovoltaikanlagen in größerem Umfang und für längere Zeit zu speichern und andererseits Erneuerbare Energien verstärkt in den Mobilitätssektor zu bringen. Zwar sind batterieelektrische Antriebe und Wasserstoffantriebe effizienter, die strombasierte Produktion von gasförmigen (→ Power-to-Gas) und flüssigen (→Power-to-Liquid) Kraftstoffen stellt jedoch für schwere Nutzfahrzeuge und den Luftverkehr eine denkbare Perspektive dar. Ein wesentlicher Vorteil von Power-to-Liquid wäre auch, dass bei synthetischer Produktion der schon heute verwendeten Kraftstoffe die bestehende Tankstelleninfrastruktur genutzt werden kann – für neue Kraftstoffe wie etwa Wasserstoff sind allerdings auch neue Infrastrukturen notwendig. 27 FAZIT FREIE FAHRT FÜR DIE ENERGIEWENDE! Der Umstieg auf Erneuerbare Energien ist nicht nur klimapolitisch notwendig, sondern auch ökonomisch vorteilhaft. Gesellschaft und Politik haben die Reise mit dem Ziel einer vollständigen Energiewende angetreten. Unsere sehr realitätsnahe Vision ist: Am Ende wird ein flexibles und nachhaltiges Energieversorgungssystem stehen, welches die Anwendungsbereiche Wärme und Kälte, Strom und Mobilität sehr viel stärker als heute vernetzt. Flexibilität wird vor allem durch die stärkere Verknüpfung von Infrastrukturen (Strom- und Gasleitungen, Nah- und Fernwärmenetze, Hub- and Spoke-Prinzip) sowie durch die verstärkte Nutzung von Speichern und Umwandlungsmöglichkeiten (Batterien, Wärmespeicher, Power-to-X) ermöglicht. Variable Tarife, die das jeweils aktuelle Verhältnis von Angebot und Nachfrage abbilden, sind erforderlich, um Verhaltensanpassungen anzureizen und für Ausgleichsbewegungen zu sorgen. Die verschiedenen Flexibilitätsoptionen werden intelligent und teilweise automatisiert gesteuert, was durch eine zunehmende Digitalisierung des Gesamtsystems unter notwendiger Sicherung der Privatsphäre möglich wird. Die Energiewende-Welt ist stark dezentral ausgeprägt. Die Anzahl der Akteure im Energiesystem steigt, sie sind stärker miteinander verwoben und interagieren. Die noch bei weitem nicht ausgeschöpfte Stärkung von dezentralen Strukturen wird das System nach dem Vorbild der Natur flexibler und insgesamt stabiler machen. Gespeist wird das neue Energiesystem zunehmend durch Strom aus Sonne und Wind, welcher unter anderem über Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge auch im Wärme- und Verkehrssektor Anwendung findet. Umrahmt wird die fluktuierende Stromerzeugung durch Wasserkraft-, Bioenergie- und Geothermie-Kraftwerke, die sehr viel flexibler als heute betrieben werden. Gas- und Blockheizkraftwerke, die Biogas und aus Stromüberschüssen produziertes synthetisches Gas nutzen, sichern die Versorgung weiter ab. Die Wärmeversorgung basiert auf Solar- und Bioenergie, Strom, Erd- und Umweltwärme. Wärmepumpen und Solarthermieanlagen wie auch die verschiedenen Bioenergieanwendungen werden dabei sowohl in dezentralen Einzellösungen als auch in netzgebundenen Systemen eingesetzt. Für die Mobilität gewinnt Strom, der heute fast ausschließlich im Schienenverkehr eingesetzt wird, durch Batterien und Wasserstoffantriebe zunehmend an Bedeutung. Er kann in verschiedenen Fahrzeugen eingesetzt werden, vom Lkw (hier auch über Oberleitungen) über Pkw bis hin zu Rollern und Fahrrädern. Die Elektromobilität wird ergänzt durch Bio- und synthetische Kraftstoffe. 28 Dr. Fritz Brickwedde BEE-Präsident Dr. Hermann Falk BEE-Geschäftsführer Die Reise Richtung Energiewende hat begonnen und ist unumkehrbar. Die Richtung und die notwendigen Weichenstellungen sind zumindest im Stromsektor großteils erkannt. Im Wärme- und Mobilitätsbereich ist ein erfolgreicher Umbau dagegen noch deutlich weiter entfernt und muss nun entschlossen angepackt werden. Das Erreichen der Ziele ist trotz der unumstrittenen Notwendigkeit einer dekarbonisierten (Energie-)Wirtschaft kein Selbstläufer. Um zügig voranzukommen, braucht es nicht nur Erkenntnis, sondern auch entschlossenes Handeln. Die Politik muss als intelligentes Stellwerk auf der Energiewende-Reise handeln: Das Ziel ist klar. Da die Entwicklung aller Einflussgrößen aber kaum über einen Zeitraum von 30 oder 40 Jahren prognostizierbar ist, werden auch Umleitungen oder Fahrplananpassungen erforderlich sein. Dies erfordert ein lernendes Vorgehen, das sich immer wieder an neue Gegebenheiten und Herausforderungen in diesem tiefgreifenden Transformationsprozess anpasst. Der BEE bietet sich als Lotse an, um auf dem begonnenen Weg zur Energiewende voranzukommen und die dabei auftretenden Herausforderungen zu bewältigen. Durch die Arbeit der Plattform Systemtransformation, deren Ergebnisse in dieser Broschüre zusammengefasst sind, konnten bereits viele Lösungsansätze aufgezeigt werden. Die Erkenntnisse stellen einen Kompass dar, der hilft, die Richtung hin zu einem erneuerbaren Energieversorgungssystem nicht zu verlieren. Der BEE benennt kurz- und mittelfristig hilfreiche politische Weichenstellungen. Gemeinsam wollen wir Kurs nehmen auf ein sauberes, kosteneffizientes, sicheres und innovatives Energieversorgungssystem und dabei die hohe Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger zur dezentralen Energiewende erhalten . Berlin, im Februar 2016 29 FORSCHUNG IM ÜBERBLICK In der BEE-Plattform Systemtransformation liegen aktuell acht Studien vor, die den Übergang in eine saubere Energieversorgung fundiert beschreiben und der Politik konkrete Handlungsempfehlungen unterbreiten. Sie sind im Internet erhältlich unter: → www.bee-ev.de/home/politik/plattform-systemtransformation 01 | Kompass-Studie Marktdesign Leitideen für das künftige Energiesystem Prof. Dr. Uwe Leprich, Eva Hauser, Katherina Grashof, Lars Grote, Martin Luxenburger, Matthias Sabatier, Alexander Zipp 02 | Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien Dr.-Ing. Norbert Krzikalla, Siggi Achner, Stefan Brühl 03 | Flexibilitätsreserven aus dem Wärmemarkt Wolfgang Schulz, Christine Brandstätt 04 | Analyse der Kosten Erneuerbarer Gase Dr. Uwe Albrecht, Matthias Altmann, Jan Michalski, Tetyana Raksha, Werner Weindorf 05 | Beitrag der Bioenergie zur Energiewende Eva Hauser, Frank Baur, Florian Noll EIN PROJEKT DER BEE PLATTFORM SYSTEMTRANSFORMATION Der BEE bündelt die Interessen von 29 Verbänden und Organisationen: WETTBEWERBLICHE MARKT- UND SYSTEMINTEGRATION ERNEUERBARER ENERGIEN MONETÄRE KONSEQUENZEN DES MODELLS DER ECHTZEITWÄLZUNG SOWIE POTENZIELLE FREIHEITSGRADE FÜR AKTIVE AKTEURE 06 | Wettbewerbliche Markt- und Systemintegration EE Eva Hauser, Martin Luxenburger, Matthias Sabatier, Thorsten Lenck, Steffen Schmiedeke AUFTRAGGEBER Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) AUFTRAGNEHMER IZES gGmbH – Institut für ZukunftsEnergieSysteme Energy Brainpool GmbH & Co. KG AUTOREN Eva Hauser, Martin Luxenburger, Matthias Sabatier, Thorsten Lenck, Steffen Schmiedeke Kontakt: [email protected], [email protected], Tel.: + 49 681 9762840 [email protected], Tel.: +49 30 76765410 ISBN-13: 978-3-920328-69-0 EVA HAUSER · MARTIN LUXENBURGER · MATTHIAS SABATIER THORSTEN LENCK · STEFFEN SCHMIEDEKE 07 | Die neue Verkehrswelt Dr. Weert Canzler, Prof. Dr. Andreas Knie 08 | Strommarkt-Flexibilisierung Hemmnisse und Lösungskonzepte Malte Jansen, Christoph Richts, Norman Gerhardt, Thorsten Lenck, Marie-Louise Heddrich IMPRESSUM KURSBUCH ENERGIEWENDE Ein Leitbild für 100 Prozent Erneuerbare Energie in Wärme, Strom und Mobilität Berlin, Februar 2016 HERAUSGEBER: Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. Invalidenstr. 91, 10115 Berlin Tel: 030 / 2 75 81 70 - 0 Fax: 030 / 2 75 81 70 –20 [email protected] www.bee-ev.de V.I.S.D.P.: Dr. Hermann Falk FACHLICHE BETREUUNG: Robert Brandt REDAKTION, GRAFIK & SATZ: Agentur für Erneuerbare Energien e.V., Berlin Claudia Kunz, Sven Kirrmann, Ryotaro Kajimura FOTOS: S.6, S.12, S.20 Shutterstock / S.29 BEE DRUCK: dieUmweltDruckerei GmbH, Langenhagen Klimaneutraler Druck auf 100 % Recyclingpapier klimaneutral natureOffice.com | DE-275-874101 gedruckt GEMEINSAM FÜR DIE ENERGIEWENDE Als Dachverband der Erneuerbare-Energien-Branche in Deutschland bündelt der BEE die Interessen von Verbänden, Organisationen und mehr als 5000 Unternehmen. Das Ziel des BEE: 100 Prozent Erneuerbare Energie. Bundschuh-Biogas-Grupp e.V. (BBG) | Förderkreis Biogas e.V. | OWAG Ostbayerische Windanlagen GbR | Windenergie Nordeifel e.V. BundesverbandErneuerbare Energie e.V. Invalidenstraße 91 10115 Berlin Tel: 0 30 / 2 75 81 70 - 0 [email protected] www.bee-ev.de
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