0 40/ 12 /021051 1 z e i t u n g Was in Kopenhagen seit Jahren das Strassenbild prägt, erobert jetzt Bern: das Lastenvelo. Dieser Trend ist nicht nur praktisch, gesund und umweltfreundlich; er leistet dank dem «Wow-Effekt» auch einen wichtigen Beitrag zur Velokultur. und Schlüssel und können das Bike während einer gewissen Dauer selber nutzen. Carvelo2go kostet die erste Stunde 5 CHF, jede weitere Stunde 2 CHF, ab der 10. Stunde 1 CHF. Bald schon heisst es Weihnachtsgeschenke kaufen – und bekanntlich mögen Kinder viele und grosse Geschenke. Seit Oktober müssen umfangreiche Einkäufe nicht mehr mit dem Auto transportiert werden. Dank einem Projekt der Mobilitätsakademie und Partnern kann für sehr schwere Lasten ein elektrisches Cargo-Bike ums Eck ausgeliehen werden. Die eingebundenen Betriebe verwalten Akku Für Jörg Beckmann, Direktor der Mobilitätsakademie in Bern, ist das Cargo-Bike ohnehin das «Stadtauto der Zukunft». Jungen Familien bietet es eine praktische Alternative zum Autokauf. Die durch die Organisation zum zweiten Mal durchgeführte carvelo-Tagung zeigte ein riesiges Potenzial für Wirtschaft und Gemeinden auf. Gemäss Studien könnten über 50 bis 60 Prozent aller Warentransporte mit Grosses Wirtschaftspotenzial 3000 Bern P.P. © Emanuel Freudiger, TCS s t a d t Carvelo – die urbane Transportrevolution Der Standpunkt Scheitert die internationale Klimapolitik, droht eine Katastrophe – warnte jüngst die Weltbank. Denn laut einer Studie könnten in den nächsten 15 Jahren 100 Millionen Menschen in extreme Armut getrieben werden, wenn die Erderwärmung die Lebensmittelpreise deutlich verteuert. Ebenso wird eine drastische Zunahme von Krankheiten befürchtet, was weitere 150 Millionen Menschen treffen könnte. Wie Europa derzeit die Folgen des abscheulichen Krieges in Syrien spürt, werden auch die Folgen der Klimaerwärmung nicht spurlos an uns vorbeigehen. Es ist an der Schweiz, sich international für gerechte und verbindliche Klimaziele einzusetzen und Entwicklungsländer beim Klimaschutz zu unterstützen. Dabei dürfen wir unsere Hausaufgaben nicht vergessen. Denn die Schweiz ist keine Klima-Musterschülerin: Bei den CO2 -Emmissionen des Pro-Kopf-Konsums rangieren wir weltweit unter den schlechtesten 10 Ländern. Und bei neuen Autos bleibt die Schweiz in Europa mit rekordhohen CO2 -Emmissionen pro Kilometer Schlusslicht punkto Effizienz. Während die Staatschefs am Weltklimagipfel in Paris hoffentlich ambitionierte Ziele beschliessen, können wir vor Ort beweisen, dass mehr Klimaschutz ein Gewinn für alle ist: Am diesjährigen autofreien Sonntag in der Länggasse zeigten wiederum zahlreiche Menschen, wie bunt und lebendig Strassenraum ohne Autos sein kann (Bilder dazu auf Seite 3). Selbst schwere Güter sind nicht per se auf motorisierte Verkehrsmittel angewiesen, wie der Text auf den Seiten 1 und 2 zeigt. Dank solch kleinen Schritten vor der Haustüre beweisen wir, dass mehr Klimaschutz möglich ist – und erst noch Spass macht. Nadine Masshardt, Präsidentin «Läbigi Stadt» dem Lastenvelo abgewickelt werden. In Zeiten zunehmender Just-in-Time-Mentalität bietet das Cargo-Bike ökologische und raumsparende Optionen, Lieferungen schnell von Tür zu Tür zu bringen. Die Velokuriere von Bern und Basel erweitern denn auch ihre Angebote mit Lastenvelos – Basel jüngst auch mit einem Erdgasauto –, um alles abdecken zu können. Und bereits tüfteln erste Anbieter wie ImagineCargo an internationalen Netzwerken, die das Cargo-Velo an den Gütertransport per Bahn anbinden. Sogar die grossen Logistikfirmen steigen ins Geschäft ein. DPD, die Nummer 2 in Europa, setzt in Bern ein Lastenvelo für die Altstadt ein. Interessanterweise fördern gesperrte Stadtbereiche das Marktverhalten grosser Anbieter, auch wenn die Kooperationen noch zögerlich anlaufen. Niederschwelligere Initiativen mit nicht-elektrischen Lastenrädern verbreiten sich dafür rasant: In Köln hat das Projekt «KASIMIR – Dein Lastenrad» in wenigen Jahren bereits 40 NachahmerInitiativen in ganz Deutschland gefunden. Verglichen mit einem Auto ist ein Cargo-Velo bereits heute günstiger. Für den Durchbruch wie in Kopenhagen, wo es das Strassenbild prägt, müssen hierzulande noch Hürden abgebaut werden: Es braucht leichte, günstige Lastenräder, welche auch in der elektrischen Variante zuverlässig funktionieren, eine auf das Fahrverhalten abgestimmte Beratung, eine angepasste Strassengesetzgebung, flexibleren Parkraum und breitere Velowege. Davon profitieren würde der ganze Veloverkehr. Dass sich die LastenradSzene von Jahr zu Jahr besser vernetzt, stimmt jedenfalls sehr hoffnungsvoll. Duscha Padrutt, Koordinatorin Netzwerk Quartierzeit 1 2 3 3 1 Klimaschonender Gütertransport: ImagineCargo 2 Kasimir, dein Lastenrad — eine Initiative aus Köln macht Schule. 3 carvelo2go — auch bei der Bäckerei Coffeebreak in der Länggasse können E-Cargo-Bikes gemietet werden. Weitere Infos: carvelo.ch dein-lastenrad.de imaginecargo.com federation.cyclelogistics.eu «Läbigi Stadt» bleibt im Bundeshaus gut vertreten Das Positive vorweg: Alle «Läbigi Stadt»-Mitglieder, die bereits im Bundeshaus politisierten, sind gut wiedergewählt worden: Matthias Aebischer, Evi Allemann, Nadine Masshardt, Regula Rytz und Alexander Tschäppät. Herzliche Gratulation und weiterhin viel Energie im Einsatz für eine weitsichtige Verkehrspolitik! Aber auch weitere «Läbigi Stadt»-Mitglieder erreichten am 18. Oktober gute Ersatzplätze: Zum Beispiel Flavia Wasserfallen (1. Ersatz), Michael Aebersold (3. Ersatz) oder Blaise Kropf (4. Ersatz). Dann zum weniger Schönen: Seit den Wahlen ist die Dominanz der Rechten gestiegen und nachhaltige Lösungen im Verkehrs- und Umweltbereich werden es noch schwieriger haben. Dabei stünden mit der Energiestrategie 2050 sowie dem neuen Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) wichtige Projekte an. Hier braucht es Weitsicht, Mut und auch Verantwortung gegenüber künftigen Generationen. Mögen auch in den nächsten vier Jahren die besseren Argumente gewinnen und nicht nur kurzfristige Machtkonstellationen und Parteifarben. MoMo Bernoulli, Vorstand und Chefredaktion «Läbigi Stadt»-Zeitung © zvg © F.S. Kugi Autofreier Sonntag: Es war schön! © zvg Auch dieses Jahr besuchten rund 10 000 Besucherinnen und Besucher den autofreien Sonntag, der diesmal in der Länggasse stattfand. Einmal im Jahr bietet der Anlass einem Quartier die Gelegenheit, sich zu präsentieren und zu vernetzen. Auf den autofreien Quartiertrassen und Plätzen ist fast alles möglich, z. B. Yoga, Konzerte, Tanz, Sport und Spiel. Statt vieler Worte lassen wir die Bilder sprechen. (mr) Weitere Bilder unter www.quartierzeit.ch oder auf Facebook 1 Freie Strasse beim Bühlplatz 2 Domizil-Bewohnerinnen mit selber geschmückten Rollatoren an der Velo-Parade 3 Erste Schweizer Lastenradmeisterschaften: Carvelo-Cup am autofreien Sonntag 4 © Länggassdruck © Tatjana Werik 1 © Julia Zosso 2 4 Kreisel einmal anders, gestaltet durch das Brocki55 und die Sattelkammer 5 Kinder beim Länggassdruck, der sich mit einem Gratis-Druck der Quartier-Publikationen für das Quartier engagierte. 5 3 Velobrücke verbindet Quartiere Cykelslangen in Kopenhagen: Der Stolz moderner Städte liegt nicht mehr in Autobahnviadukten, sondern in Langsamverkehrbrücken. Schnell mit dem Velo oder zu Fuss ans andere Ufer? Was mit der Nescio-Brücke in Amsterdam, der Dreiländerbrücke in Weil am Rhein und der Cykelslangen in Kopenhagen von vielen geschätzt wird, soll auch in Bern möglich sein. Wo steht das Vorhaben konkret? Das unter vielen Namen bekannte Projekt (Velobrücke, Panoramabrücke, Fussgänger- und Velobrücke) befindet sich zurzeit im Abschluss der Variantenstudie, die zum Ziel hat, eine weiter zu planende Bestvariante zu bestimmen. Nutzen liefert gemäss den Planern eine Verbindung von der Polygonbrücke zur Inneren Enge. Gewisse Fragen tauchen im Zusammenhang mit der geplanten Brücke zwischen Breitenrain und Länggasse immer wieder auf: «Rentiert» die Velobrücke nur, wenn auch das Viererfeld gebaut wird? Kommen durch dieses Projekt nicht andere, einzelne Massnahmen zu kurz? Der Variantenbericht gibt Aufschluss darüber: Eine Velobrücke ist auch ohne neue Überbauung am genannten Standort ideal, weil sie nicht nur zwei Quartiere verbindet, sondern eine Lücke im regionalen Netz schliesst. Durch eine vorbildliche Siedlung in der Nähe der Brücke wird der Nutzen selbstredend noch grösser. Die Verbindung verspricht einen positiven volkswirtschaftlichen Effekt und ermöglicht es, Gelder aus dem Agglomerationsprogramm und der kantonalen Strassenkasse in ein sinnvolles Langsamverkehrsprojekt zu lenken. Eine Velobrücke ist ein wichtiger Beitrag, das Velonetz in und um Bern attraktiver zu machen. Sie ist überdies ein sichtbares Zeichen für die Velostadt Bern, was auch touristisch für Bern spannend ist – die vielen anderen kleinen und grösseren Verbesserungsmassnahmen braucht es trotzdem. Hannes Rettenmund, Vorstand «Läbigi Stadt» © zvg © Emanuel Freudiger, TCS © Paul Steinmann Die Klatschspalte Die jüngste Person, die je an einer Vorstandssitzung von «Läbigi Stadt» teilgenommen hat, heisst Rea-Zora, war zum Zeitpunkt der Sitzung (am 11.11.2015) kaum 2.5 Monate alt und ist die Tochter von Chefredaktorin Monika Bernoulli. Die Diskussionen über die Fuss- und Veloverbindung LänggasseBreitenrain, die News aus dem Stadtrat und alle weiteren Traktanden hat Rea-Zora ebenso verschlafen wie die strenge Eingangskontrolle ins Bundeshaus. Das Credo von «Läbigi Stadt» hat sie trotzdem schon verinnerlicht: Sie fährt offensichtlich lieber Zug als Auto. Eine durch und durch öV-Begeisterte ist auch Sarah Leonor Müller. Sie hat mit Freunden das Büchertram «Buchowski» ins Leben gerufen und bereits unzählige Lesungen unter anderem im blauen Bähnli nach Solothurn organisiert, wofür der junge Verein vor kurzem eines der «Weiterschreiben»-Stipendien der Literaturkommission der Stadt Bern erhielt. Für ihr Engagement auch am autofreien Sonntag hat Sarah eine «Läbigi Stadt»Jahresmitgliedschaft geschenkt erhalten und uns bereits versichert, dass sie die Mitgliedschaft gerne auf unbestimmte Zeit verlängern werde. Sarah wurde unlängst ebenfalls nochmals Mami. Wir wünschen ihr alles Liebe und Gute. (mr) Impressum Redaktion: Monika Bernoulli (momo), Nadine Masshardt (nm), Muriel Riesen (mr) Herausgeber: «Läbigi Stadt», 3000 Bern PC 30-569222-7 Grafik: muellerluetolf.ch Vierer- und Mittelfeld: Schlüsselprojekt gegen Zersiedelung Am 23. Oktober präsentierte der Gemeinderat die Vorlagen für Umzonung und Landkauf des Vierer- und Mittelfelds. Neuer Wohnraum an zentraler Lage trägt dazu bei, die Verkehrszunahme durch Pendeln aus ländlichen Gebieten oder der Agglomeration zu reduzieren. Für die Lebensqualität der Anwohnerinnen und Anwohner in der Länggasse ist es zentral, dass an dieser Stelle nachhaltig und innovativ gebaut wird und keine 0815-Bauten entstehen. Insbesondere eine parkplatzreduzierte Planung auf Mittelfeld und Viererfeld ist für die Entlastung der Anwohnerschaft wichtig. Aber auch die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner der Siedlung werden froh sein, wenn keine Parkplätze gebaut werden, die später leer stehen und nur den Wohnungsbau unsinnig verteuern. Im Länggassquartier haben schon heute über 60 Prozent der Haushalte kein Auto. 0,3 Parkplätze pro Wohneinheit sind noch immer mehr als genug. Wichtig ist auch, dass die Anbindung an den öffentlichen Verkehr gut ist, um unnötige Autofahrten durch das Quartier zu vermeiden. Vorgesehen sind Taktverdichtungen auf den Buslinien 11 und 21, der Einsatz von Gelenkbussen sowie eine zusätzliche Haltestelle beim Viererfeld. Der Planerlass fordert zudem attraktive Fussund Velowege zu den öV-Haltestellen und entlang der Engestrasse. Und: Die Hälfte des Viererfelds und ein Drittel des Mittelfelds bleiben nicht nur grün, sondern werden als Stadtteilpark neu auch für alle zugänglich. Eine dichte Überbauung für etwa 3000 Menschen auf dem bestens gelegenen Vierer- und Mittelfeld ist aus Verkehrs- und Umweltsicht sehr sinnvoll. «Läbigi Stadt» wird sich deshalb weiterhin für die Vorlage und ihre Verbesserung in Richtung nachhaltiges, autoarmes Bauen engagieren. Eine Volksabstimmung ist voraussichtlich Mitte 2016 zu erwarten. Kathrin Balmer, Vorstand «Läbigi Stadt» Stimme aus dem Vereinigten Königreich «Are you sure, you want to take the train?» – diese Frage, die mir an einem frühen Julimorgen am Bahnhof in Liverpool gestellt wurde, verwunderte mich sehr. Noch etwas müde von der nächtlichen Schifffahrt von Belfast her, nickte ich einfach. Für das anschliessende «but it’s really expensive» hatte ich sogar nur ein müdes Lächeln übrig. Wie fürsorglich – aber als Schweizer bin ich mir doch teure Zugtickets gewohnt, dachte ich mir. Doch das Lächeln erlosch rasch, als mir der Preis von 250 Franken für die vierstündige Zugfahrt genannt wurde. Es erstaunte mich dann auch zwei Monate später wenig, dass der neu gewählte Labour-Chef Jeremy Corbyn die Verstaatlichung der Eisenbahn als Schwerpunkt in sein Programm aufnahm. Dass ich mich mit dem öV Grossbritanniens doch noch versöhnen konnte, lag dann an den überfreundlichen walisischen Busfahrern. Welche auch schon mal ungefragt den Bus im Snowdonia Nationalpark links anfuhren und eine Pause einlegten, um mir die einzelnen Berge, die Sehenswürdigkeiten und gleich auch die spannende Geschichte des Nationalparks zu erklären. Titelbild: © Emanuel Freudiger, TCS Druck: auf FSC-Papier von p.i.n.k.elefant Bern Jonas Hirschi, Erscheint vierteljährlich ehemaliger Redaktionschef Auflage: 950 «Läbigi Stadt»-Zeitung www.laebigistadt.ch
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