Creditreform Zahlungsindikator Deutschland Winter 2015/2016 Zahlungsverzug im 2. Halbjahr 2015: durchschnittlich 9,96 Tage ANALYSE DES ZAHLUNGSVERHALTENS • Zahlungsverzug im 2. Halbjahr 2015: durchschnittlich 9,96 Tage • Baubetriebe zeigen höchsten Zahlungsverzug, nur wenige Tage Verzug bei Chemieunternehmen • Bundesländer: Unternehmen aus Niedersachsen zahlen am schnellsten • Schlechte Zahlungsmoral der Unternehmergesellschaft (UG): lange Forderungslaufzeit einkalkulieren • 55 Prozent des Außenstands-volumens durch große Unternehmen verursacht • Schuldner-Gläubiger-Beziehungen: Groß und Groß sind sich schnell einig Im Zuge der guten Konjunkturlage in der Bundesrepublik hat die Problematik „schlechte Zahlungsmoral“ zunehmend ihren Schrecken verloren. Allerdings erfolgen viele Rechnungseingänge trotz gefühlter und auch erwiesener Verbesserungen weiterhin verspätet. Im bundesweiten Durchschnitt sind es rund 10 Tage (9,96 Tage). Ausgewertet wurden hierbei Rechnungsbelege aus dem 2. Halbjahr 2015, die eine Überfälligkeit aufwiesen. Diese Tatsache mag für viele Gläubigerfirmen angesichts der aktuell komfortablen Liquiditätslage Zahlungsverzug in Tagen Chemie/Kunststoffe 7,03 Großhandel 7,38 Konsumgüter 7,89 Verkehr u. Logistik 8,81 Metall / Elektro 9,62 Deutschland 9,96 Einzelhandel 10,16 unternehmensnahe Dienstleistungen 10,69 Grundstoffe 12,7 persönliche Dienstleistungen 13,99 Baugewerbe 5,00 15,83 7,00 9,00 11,00 13,00 15,00 17,00 nur selten als problematisch empfunden werden. Gleichwohl wird gerade der Mittelstand aber offensichtlich weiterhin als „Bank“ missbraucht. Falls sich die Wirtschaftslage in Deutschland wieder eintrübt, und einiges spricht derzeit dafür, wie beispielsweise das aktuelle ifo-Geschäftsklima im Januar 2016 beweist, so dürften auch Zahlungsverspätungen wieder vermehrt auffallen bzw. die kurzfristige Finanzlage der betroffenen Unternehmen belasten. ZAHLUNGSINDIKATOR DEUTSCHLAND Winter 2015/2016 Vergleichsweise große Unterschiede existieren weiterhin je nach wirtschaftlicher Tätigkeit und Branche des Schuldners. „Negativ-Spitzenreiter“, wenn es um den Zahlungsverzug geht, ist weiterhin das Baugewerbe, das seine Rechnungen im Durchschnitt erst 15,83 Tage nach Ablauf der Zahlungsfrist begleicht. Ursächlich hierfür könnte sein, dass die Bauwirtschaft mitunter beispielsweise bei öffentlichen Aufträgen üblich ist. Ebenfalls schlechte Werte im Hinblick auf die Zahlungsweise zeigen die Branchen „personenbezogene Dienstleistungen“ mit einem mittleren Zahlungsverzug von 13,99 Tagen und „Grundstoffe“ mit 12,70 Tagen Zahlungsverzug. Vergleichsweise kurze Überfälligkeiten nehmen sich Unternehmen der Chemieindustrie (7,03 Tage), der Großhandel (7,38 Tage) und die Konsumgüterbranche (7,89 Tage) heraus. Insgesamt ist die Verzugsdauer im Baugewerbe etwa doppelt so hoch wie beim Musterschüler in Sachen Zahlungsweise, der chemischen Industrie. Überfälligkeit nach Bundesländern Neben der Branche hat auch der Firmensitz des Schuldners offenbar merkliche Auswirkungen auf dessen Zahlungsmoral. So zahlen die Unternehmen in Bremen ihre Rechnungen mit einem mittleren Zahlungsverzug von 12,24 Tagen und damit deutlich später als beispielsweise Zahlungsverzug in Tagen Niedersachsen 7,89 Hessen 9,17 Baden-Württemberg 9,72 Sachsen-Anhalt 9,77 Bayern 9,84 Deutschland 9,96 Nordrhein-Westfalen 9,97 Rheinland-Pfalz 10,29 Brandenburg 10,79 Saarland 10,82 Thüringen 11,02 Berlin 11,18 Schleswig-Holstein 11,37 Sachsen 11,37 Hamburg 11,43 Mecklenburg-Vorpommern 11,83 Bremen 2,00 12,24 4,00 6,00 8,00 10,00 12,00 14,00 Unternehmen mit Sitz in Niedersachsen, für die der Zahlungsverzug durchschnittlich 7,89 Tage beträgt. Innerhalb der ostdeutschen Länder zahlen die Unternehmen aus Sachsen-Anhalt am pünktlichsten mit einem Verzug von 9,77 Tagen. Mecklenburg-Vorpommerns Unternehmen bleiben ihre Rechnungen im Schnitt 11,83 Tage schuldig. ZAHLUNGSINDIKATOR DEUTSCHLAND Winter 2015/2016 2 Zahlungsziele und Forderungslaufzeiten Das durchschnittliche Zahlungsziel in Deutschland lag im 2. Halbjahr 2015 bei rund 31 Tagen. Jedoch werden überfällige Rechnungen mit einem Verzug von rund 10 Tagen bezahlt, so dass die Gesamtforderungslaufzeit 41 Tage beträgt. Dabei liegen die untersuchten Wirtschaftsbereiche auch in Bezug auf das vereinbarte Zahlungsziel teilweise weit auseinander. So erhalten Unternehmen aus der Branche „personenbezogene Dienstleistungen“ im Durchschnitt nur 22,97 Tage Zahlungsziel, während Unternehmen aus der Metall- und Elektro-industrie immerhin 35,52 Tage gewährt bekommen. Forderungslaufzeiten in Tagen Konsumgüter 33,42 Verkehr u. Logistik 34,62 Großhandel 36,16 persönliche Dienstleistungen 36,96 Grundstoffe 37,15 Deutschland 40,78 Chemie/Kunststoffe 41,12 unternehmensnahe Dienstleistungen 41,88 Einzelhandel 42,97 Metall / Elektro 45,14 Baugewerbe 20,00 45,74 25,00 30,00 35,00 40,00 45,00 50,00 Gemessen an der Forderungslaufzeit (eingeräumtes Zahlungsziel plus Zahlungsverzug) brauchen Unternehmen aus dem Baugewerbe (45,74 Tage) am längsten, um Rechnungen zu bezahlen, knapp gefolgt von Unternehmen aus der Metall- und Elektrobranche (45,14 Tage). Mit kürzeren Forderungslaufzeiten ist bei Geschäften mit Unternehmen aus der Verkehrs- und Logistikbranche (34,62 Tage) und der Konsumgüterbranche (33,42 Tage) zu rechnen. 40,78 Tage sind es im Durchschnitt über alle Wirtschaftsbereiche hinweg. Das wertmäßige Volumen der Außenstände aller für die vorliegende Studie analysierten Rechnungsbelege betrug 5,44 Mrd. Euro. Herangezogen wurden hierfür rund 3,2 Mio. Belege aus dem 2. Halbjahr 2015 bei denen der Debitor einer der ausgewählten zehn Branchen entstammte. Diese umfangreiche Datenbasis garantiert eine repräsentative Darstellung des aktuellen Zahlungsverhaltens im B2B-Geschäft. Der durchschnittliche Rechnungswert betrug 1.711 Euro. Die Spannweite in den Wirtschaftsbereichen lag dabei zwischen 829 Euro (Debitoren aus dem Baugewerbe) und 3.932 Euro (Chemieindustrie). 3 ZAHLUNGSINDIKATOR DEUTSCHLAND Winter 2015/2016 Rechnungswert je Beleg Gesamt - Summe 1.711 Chemie/Kunststoffe 3.932 Metall / Elektro 2.538 Konsumgüter 2.307 Grundstoffe 2.132 unternehmensnahe Dienstleistungen 2.115 Großhandel 1.982 Verkehr u. Logistik 1.718 persönliche Dienstleistungen 1.030 Einzelhandel 988 Baugewerbe 829 0 500 1.000 1.500 2.000 2.500 3.000 3.500 4.000 4.500 Zahlungsverzug nach Rechtsform Gut die Hälfte aller überfälligen Rechnungsbelege (51 Prozent) entfiel auf Unternehmen mit der Rechtsform GmbH, die bundesweit mit rund 520.000 Umsatzsteuerpflichtigen einen Großteil der wirtschaftsaktiven Unternehmen stellt. Der durchschnittliche Zahlungsverzug von Schuldnern dieser Rechtsform liegt mit 10,34 Tagen im Bereich des allgemeinen Durchschnitts. Rund ein Sechstel (17 Prozent) aller offenen Rechnungen stammte im 2. Halbjahr Zahlungsverzug in Tagen nach Rechtsform des Schuldners 20 60% 18,83 17,56 18 51,0% 15,10 16 14,94 50% 14,92 13,07 14 12 40% 10,34 10 9,45 9,11 6 16,7% 15,3% 20% 5,17 3,76 4 10% 7,1% 2 0 30% 7,17 8 0,3% 2,9% 1,2% 1,5% 0,7% 0,7% 1,4% 1,4% 0% Anteil der Rechtsform an allen überfälligen Forderungen Überfälligkeitstage 2015 von Unternehmen der Rechtsform GmbH & Co. KG. Mit 9,45 Tagen ist der Zahlungsverzug von Unternehmen dieser typischerweise im Mittelstand gewählten Rechtsform vergleichsweise gering. Noch pünktlicher als die GmbH ZAHLUNGSINDIKATOR DEUTSCHLAND Winter 2015/2016 4 & Co. KG zahlen nur die Rechtsformen eG (Überfälligkeit: 9,11 Tage), AG (7,17 Tage), KG (5,17 Tage) und OHG (3,76 Tage), die aber allesamt lediglich gut eine Zehntel (10,6 Prozent) aller Rechnungsbelege stellen und damit im Geschäftsalltag für viele Kreditgeber und Gläubiger nur eine untergeordnete Rolle spielen. Umgekehrt weist die Rechtsform UG (haftungsbeschränkt) die höchste Überfälligkeit auf (18,83 Tage), gefolgt von der Rechtsform Gewerbebetrieb, wo die Lücke zwischen vereinbartem Zahlungsziel und tatsächlichem Zahlungseingang immerhin noch 17,56 Tage beträgt. Möglicherweise auch aufgrund der schleppenden Zahlungsweise und der oftmals vergleichsweise schwachen Bonität werden Unternehmen der Rechtsform UG (Unternehmergesellschaft) meist nur kurze Zahlungsfristen eingeräumt. Im Durchschnitt sind es 22,20 Tage. Zum Vergleich bei der GmbH: 30,68 Tage und bei der OHG: 37,83 Tage. Der Rechnungswert bei Geschäftsbeziehungen mit einem Unternehmen in der Rechtsform UG ist mit durchschnittlich 553 Euro vergleichsweise niedrig, ebenso wie bei Gewerbebetrieben (567 Euro). Um höhere Forderungen geht es in der Regel bei Geschäften beispielsweise mit Unternehmen der Rechtsformen OHG (5.216 Euro) und eG (4.894 Euro). Zahlungsverzug nach Unternehmensgröße Wie sich anhand der Betrachtung der Rechtsformklassen bereits erahnen lässt, zeigen sich bei kleinen Unternehmen häufiger Verzögerungen im Zahlungsverhalten. Mit 12,94 Tagen durchschnittlicher Zahlungsverzug ist die Überfälligkeit bei kleinen Unternehmensschuldnern weitaus höher als bei großen (8,71 Tage) oder mittleren (8,34 Tage). Die Einteilung der UnterZahlungsverhalten nach Unternehmensgröße 79,8% kleines Unternehmen 26,0% 12,7% mittleres Unternehmen 18,8% 7,5% großes Unternehmen 55,2% 0,0% 10,0% 20,0% 30,0% Anteil überfälliger Unternehmen 40,0% 50,0% 60,0% 70,0% 80,0% 90,0% Anteil am Forderungsvolumen nehmen in Größenklassen erfolgte hierbei gemäß HGB § 267 (siehe Kasten). Rein von der schieren Zahl der erfassten säumigen Schuldner überwiegen naturgemäß Debitoren kleiner Größe: 79,8 Prozent aller offenen Rechnungen betreffen kleine Unternehmen, und nur 7,5 Prozent aller überfälligen Zahler sind Großunternehmen. 5 ZAHLUNGSINDIKATOR DEUTSCHLAND Winter 2015/2016 Bei der Betrachtung des Rechnungswertes wird allerdings deutlich, dass 55,2 Prozent der gesamten Außenstände durch große Unternehmen verursacht werden und lediglich 26,0 Prozent von kleinen Unternehmen. Darin zeigt sich, dass Großunternehmen auch infolge ihrer Markt- und Einkaufsmacht oftmals Zahlungsverzögerungen zur Liquiditätsschöpfung einsetzen. Mit einem mittleren Rechnungswert von rund 173.000 Euro ist auch das Außenstandsvolumen, das große Schuldner verursachen, im Einzelfall entsprechend hoch. Kaum Unterschiede im Zahlungsverhalten zeigen sich bei Geschäften zwischen großen und kleinen Unternehmen im Hinblick auf deren Schuldnerund Gläubigerbeziehung. So liegt der durchschnittliche Zahlungsverzug bei Geschäftsbeziehungen zwischen einem kleinen Gläubiger und einem großen Schuldner bei 13,51 Tagen und damit nahezu ebenso hoch wie bei der Geschäftsbeziehung zwischen einem großen Gläubiger und einem kleinen Schuldner (13,36 Tage). Am geringsten ist die Überfälligkeit bei Geschäftsbeziehungen zwischen einem großen Debitor und einem ebenfalls großen Gläubiger (7,00 Tage). Der längste Zahlungsverzug existiert bei Geschäften zwischen kleinen Unternehmen (14,80 Tage). ZAHLUNGSINDIKATOR DEUTSCHLAND Winter 2015/2016 6 Insolvenzquote und Zahlungsverzug Aufgrund der anhaltend günstigen Wirtschaftslage in Deutschland verringerte sich auch die Zahl der Unternehmensinsolvenzen; zuletzt von 24.030 im Jahr 2014 auf 23.230 im Jahr 2015. Das entspricht einem Rückgang um rund 3 Prozent. Dabei lässt sich von Überschreitungen des Zahlungsziels aber nicht 18 140 130 16 120 15,83 14 12 10 106 13,99 73 10,69 63 79 88 10,16 8 6 100 90 12,70 9,96 72 9,62 8,81 7,89 55 80 61 60 7,38 7,03 40 4 2 20 16 0 0 Zahlungsverzug 2. Hj. 2015 Test: Insolvenzen je 10.000 Unternehmen unbedingt auf eine höhere Insolvenzanfälligkeit der jeweiligen Branche schließen. Hierbei spielen auch andere Faktoren wie beispielsweise der Platz in der Wertschöpfungskette oder eine eventuell bestehende Marktmacht eine Rolle. Zudem sind ebenso Veränderungen des Zahlungsverhaltens im Zeitablauf zu betrachten, insbesondere bei Auffälligkeiten. Im Einzelfall können Zielüberschreitungen für Gläubiger so ein ernstes Warnsignal über mögliche finanzielle Probleme des Schuldners sein. Die Darstellung des Zahlungsverzugs auf Basis der aktuellen IFD-Risikoskala macht gleichwohl deutlich, dass höhere Ausfallrisiken stets auch mit längeren Zahlungsverzögerungen des Schuldners verbunden sind. So liegt der mittlere Zahlungsverzug in der höchsten Risikoklasse, die einem Ausfall, also einer Unternehmensinsolvenz, gleichkommt, bereits bei 27,24 Tagen. Schuldner, die als bonitätskräftig gelten und entsprechend eine geringe Ausfallwahrscheinlichkeit aufweisen, zeigen in der Regel ein vorbildliches Zahlungsverhalten. Die durchschnittliche Überfälligkeit beträgt hier nur 7,39 Tage (siehe Grafik auf nächster Seite). 7 ZAHLUNGSINDIKATOR DEUTSCHLAND Winter 2015/2016 Überfälligkeitstage 30 26,56 27,24 25 22,47 20 17,42 15 12,63 10,14 10 7,39 5 0 0,00% 0,30% 0,70% 1,50% 3,00% 8,00% 100,00% 0,30% 0,70% 1,50% 3,00% 8,00% 100,00% 100,00% I II III IV V VI VII Datenbasis Creditreform Zahlungsindikator Deutschland • Zu rund 900.000 Firmen liegen Zahlungsinformationen aus DRD vor. • Ein Belegvolumen von € 45 Mrd. zu 1.161 Branchen wird in Deutschland analysiert. • monatlich über 6 Mio. neue Zahlungsinformationen ANSPRECHPARTNER: Michael Bretz Leitung Wirtschaftsforschung Tel.: 02131/109-171 E-Mail: [email protected] Janine Stappen Abteilungsleitung DRD Tel.: 02131/109-5105 E-Mail: [email protected] Neuss, 23. Februar 2016 ZAHLUNGSINDIKATOR DEUTSCHLAND Winter 2015/2016 8
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