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03/2016
«Wir machen
die Schweiz»
Ein Gespräch über Zuversicht, Narrative, gute Politik
und was zu tun wäre.
in: «Die Schweizermacher – Und was die Schweiz ausmacht». Georg Kohler, Felix Ghezzi (Hg.).
Rüffer & Rub, Zürich 2016.
Andreas Müller
Zusammenfassung
avenir reprint
versammelt Vorträge,
Buchbeiträge und in
externen Publikationen
erschienene Texte
unseres Teams.
Rolf Lyssys Erfolgsfilm «Die Schweizermacher» aus dem Jahr 1978 nimmt die helvetische
Einbürgerungspraxis aufs Korn: Um die begehrte Staatsbürgerschaft zu erhalten, müssen
Ausländer beweisen, dass sie voll integriert sind. Sie hissen die Schweizer Flagge im Garten,
flanieren in Sonntagskleidern dem See entlang und lernen Schweizerdeutsch im Abendkurs.
Der engstirnige und spiessige Einbürgerungsbeamte Max Bodmer (Walo Lüönd) und sein
liberaler Assistent Moritz Fischer (Emil Steinberger) beobachten die Kandidaten, die sich
schweizerischer als schweizerisch gebärden.
Der Film entstand im Nachgang zu den Schwarzenbach-Initiativen der 1970er Jahre und gilt
als erfolgreichster Schweizer Film überhaupt. Er verbindet patriotische Selbstironie mit
freundlichem Nachdenken über die Entwicklung der Eidgenossenschaft und ist ein Beispiel
dafür, was eine optimistische Schweiz zu leisten vermag: Integration des Anderen, des NichtSchweizerischen – und zwar so, dass Tradition und Lebendigkeit auf freundlichste Weise
zusammenkommen: Die Geschichte endet glücklich mit der Heirat von Moritz Fischer und
der serbischen Tänzerin Milena Vakulic (Beatrice Kessler).
Aus Anlass eines Buches, das Georg Kohler und Felix Ghezzi über «Die Schweizermacher»
herausgegeben haben, unterhielten sich Nathaly Bachmann Frozza, Andreas Müller, Jobst
Wagner und Georg Kohler über das schweizerische Selbstverständnis und dessen Hang, der
Zukunft zu misstrauen.
»WIR MACHEN DIE SCHWEIZ!«
EIN GESPRÄCH ÜBER ZUVERSICHT, NARRATIVE,
GUTE POLITIK UND WAS ZU TUN WÄRE
Aus Anlass des Buches über Rolf Lyssys »Die Schweizermacher« unterhielten sich Nathaly Bachmann Frozza (NBF),
Andreas Müller (AM), Jobst Wagner ( JW) und Georg
Kohler (GK) über das schweizerische Selbstverständnis
und dessen Hang, der Zukunft zu misstrauen.*
Lyssys Film, der patriotische Selbstironie mit freundlichem Nachdenken über das verbindet, was wichtig ist für
die gedeihliche Entwicklung des Schweizerlandes, ist auch
ein Beispiel dafür, was eine optimistische Schweiz immer
wieder zu leisten vermag: Integration des Anderen, des
Nicht-Schweizerischen; und zwar so, dass Tradition und
Lebendigkeit auf freundlichste Weise in eins kommen.
Denn – um ans Happy End des Films zu erinnern: Moritz
Fischers Heirat mit der schönen Serbin – sollten wir nicht
froh sein, wenn dem helvetischen Genpool dank ausländischer Versuchungen die Chance auf Erneuerung zuwächst?
GK: Der Film erzählt die Geschichte von zwei Schweizern,
Beamte, zuständig für die Beobachtung einbürgerungswilliger Ausländer. Sie heißen Max Bodmer und Moritz Fischer.
Nur wer gesetzestreu und ordentlich ist, kann eine gute
Schweizerin, ein guter Schweizer werden. Max Bodmer je*Die Biografien der Gesprächsteilnehmer finden Sie auf Seite 140f.
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«Die Schweizermacher – Und was die Schweiz ausmacht», 2016
«Wir machen die Schweiz» – Gespräch vonNathaly Bachmann Frozza, Andreas Müller, Jobst Wagner und Georg Kohler
denfalls ist dieser Meinung. Moritz Fischer hingegen nimmt
es lockerer und verliebt sich in die nicht restlos angepasste
Schöne mit den schwarzen Haaren und dem höchstens halbherzigen Respekt für das städtische Güselreglement.
Da es sich beim Film um eine Komödie handelt, ahnen wir sofort, wie das Ganze ausgehen wird.
Max Bodmer und Moritz Fischer sind die Verkörperung einer die kollektive Identität der Schweiz seit eh und je
bestimmenden Grundspannung; nämlich der Dualität und
Gegensätzlichkeit von nationaler, kleinstaatlicher Abgrenzung und gesellschaftlich-wirtschaftlicher Weltoffenheit.
Diese Gegenstrebigkeit kann im Gleichgewicht sein, doch
schnell auch in Blockaden führen. Uns vier, die wir hier
diskutieren, verbindet die Überzeugung, dass die gegenwärtige Schweiz allzu stark vom »Bodmer-Pol« dominiert
ist. Zwar bleibt unser Land nach wie vor eine herausragende
Globalisierungsgewinnerin der letzten Jahrzehnte, doch die
Politik, genauer: die öffentliche politische Diskussion, die
in der direkten Demokratie von besonderer Bedeutung ist,
wird offensichtlich von den Themen der Abgrenzung, des
Sonderfalls, der Defensive gegen die uns umgebende angebliche »Fehlkonstruktion« beherrscht.
Warum hat die Moritz-Fischer-Partei keine starke
Stimme? Könnte es nicht eine Erzählung über unser Land
geben, die etwas weniger von Max Bodmer, der Marignano-Deutung und dem Rütlischwur begeistert ist, stattdessen eine Vorstellung davon hat, wie sich die Schweiz
als Schweiz in die seit dem Ende des Kalten Kriegs radikal veränderte Welt einpassen will und kann? Braucht es
also ein anderes Narrativ? Können wir so etwas überhaupt
(er-)finden?
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«Die Schweizermacher – Und was die Schweiz ausmacht», 2016
«Wir machen die Schweiz» – Gespräch vonNathaly Bachmann Frozza, Andreas Müller, Jobst Wagner und Georg Kohler
AM: Narrative, Erzählungen – das sind entscheidende Elemente zur Selbstverständigung. Für die Orientierung eines
Individuums sind sie nicht weniger wichtig als für die Bestimmung kollektiver Identitäten. Wer und was wir sind,
vergegenwärtigen wir uns durch konkrete Geschichten und
nicht mit abstrakten Konzepten. Mich stört, dass sich das
derzeit dominante Schweiz-Narrativ so sehr auf Abgrenzung und Abschottung konzentriert. Zweitens stört mich,
dass dadurch ein »ewiges Wesen« unseres Landes suggeriert
wird, eine einzige Sinngestalt, die sich durch alle Zeiten
hindurch, von der Vergangenheit über die Gegenwart bis in
die Zukunft, als unveränderlich fest behaupten soll.
Doch das ist erstens historisch falsch und zweitens politisch gefährlich.
»Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben«, so hieß
es einmal. Geschichte ist Veränderung. Wer sich dem Wandel zu entziehen probiert, der erstarrt und wird früher
oder später zerbrechen. Die Schweiz – eben dies halte ich
für ihr Wesen – war stets vital, ergo anpassungs- und lernfähig. Doch genau dieser Aspekt der Zukunftsoffenheit ist
in keiner starken Schweizerzählung präsent. Es gibt kein
politisch durchschlagskräftiges Narrativ, das die Selbsterneuerungsenergie des Landes erinnert; das optimistisch
ist, von keiner Furcht behindert oder von Angst beeinträchtigt. Dies Manko ist nichts Harmloses.
GK: Wie aber korrigieren wir dieses Defizit? Wer formuliert ein neues Narrativ? Und wie würde man es wirksam
machen?
NBF: Einig sind wir im Punkt, dass es nötig ist, eine weniger nationalkonservative, identitätsstiftende Erzählung
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«Die Schweizermacher – Und was die Schweiz ausmacht», 2016
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zu haben. Ich finde es eigentlich erstaunlich, dass wir nicht
über ein solches Narrativ verfügen. Denn wer längere Zeit
im Ausland gelebt hat, konstatiert rasch, dass es dort – bei
aller Kritik am mittlerweile untergegangenen »Bankgeheimnis« – ein Schweizbild gibt, das dem Land viel mehr
zutraut als Rückzug und Abwehr. Der andere Punkt, der
wichtig ist, ist die emotionale Seite solcher Sachen: Sie
müssen ausstrahlen auf die Volksseele. Statt eigensinnigem
Trotz gegen die böse Welt sollen sie Neugier wecken, die
Lust, etwas zu wagen. Und das muss über Identifikationsfiguren laufen, über Vorbilder und über die Erinnerung an
Ereignisse, auf die man stolz sein darf.
JW: Das alles unterschreibe ich natürlich. Aber ich möchte
jetzt nicht sofort über konkrete Antworten auf das geschilderte Defizit reden, sondern mit der Analyse, der Standortbestimmung, anfangen. Und zwar aus der Sicht eines
international tätigen Unternehmers.
Dabei ist die primäre Einsicht, dass das Ende des Kalten
Krieges die objektive Lage des Landes in der Welt und insbesondere in Europa fundamental verändert hat. Dass sich das
allerdings noch nicht mit wünschenswerter Klarheit herumgesprochen hat, ist mir sofort aufgefallen, als ich nach fünf
Jahren (1987–1991) aus den USA zurückkam. Ob sicherheitspolitisch oder wirtschaftspraktisch: Die Kräfteverhältnisse, in die man Jahrzehnte lang eingebettet gewesen ist,
hatten sich beinahe schlagartig umgestellt. Ich war erstaunt,
wie verhalten – um nicht zu sagen: wurstig – in der schweizerischen Öffentlichkeit auf diese Tatsache reagiert wurde.
Die einen schienen ohne Weiteres anzunehmen, dass
es trotz allem so weitergeht wie bisher; dass die Nische, die
uns als neutralem Kleinstaat eine Komfortzone im Westen
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einräumte, in keiner Weise infrage gestellt werden würde.
Die anderen, die immerhin ahnten, dass etwas vorbei war,
trösteten sich mit dem Gedanken, ein Ausweg werde sich
dann schon ergeben. Doch das ist eine grandiose Fehleinschätzung. Denn tatsächlich befinden wir uns seit mehr als
20 Jahren in einer komplexen, schwierigen Situation. Erst
recht gilt das seit dem 9. Februar 2014, der Annahme der
Masseneinwanderungsinitiative. Und das ist nicht zuletzt
deswegen so, weil jede kühl-rationale Debatte sogleich
durch heftigste Emotionen durchkreuzt wird.
Nicht wenige Menschen sind seit ein paar Jahren in
eine diffuse, gereizte, von unklaren Befürchtungen getriebene Stimmung geraten, die gefährdet, was sich die Leute vor allem bewahren möchten: den hohen Lebensstandard des Landes, seine vielfältigen Integrationsleistungen,
die soziale Sicherheit, die institutionelle Bemühung
um Chancengleichheit durch ein exzellentes Bildungssystem usw. Doch das ist nicht auf ewig garantiert. Es zu
erhalten braucht unternehmerische Anstrengungen, und
das bedeutet: Risikofreude und ein hohes Maß an wirtschaftlicher Freiheit. Also erstens eine ganz andere als die
geschilderte Gefühlslage als Basis und zweitens keinen
ökonomischen Heimatschutz. Wer furchtsam und mutlos
ist, der ist rasch staatsgläubig und fordert von der öffentlichen Hand Dinge, die unvermeidlich lähmende Effekte
auf Privatinitiative und Unternehmergeist ausüben.
Zurück zur Überlegung, wie auf den Bruch von
»1989«, auf das Ende des Kalten Krieges und die damit
verbundenen Konsequenzen, zu reagieren wäre. Natürlich
spielt hier die Europafrage eine entscheidende Rolle. Eine
nicht-defensive Strategie, obwohl sie notwendig wäre,
scheint niemand zu haben. Mich interessierte einmal, wa127
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«Die Schweizermacher – Und was die Schweiz ausmacht», 2016
«Wir machen die Schweiz» – Gespräch vonNathaly Bachmann Frozza, Andreas Müller, Jobst Wagner und Georg Kohler
rum das so ist. Dabei bin ich nach vielen Gesprächen mit
Politikern zur unerfreulichen Erkenntnis gelangt, dass sie
die Meinung hegen, die beste Strategie sei, gar keine Strategie zu haben, auf Sicht zu fahren. Grob gesagt: Durchwursteln als Prinzip.
Leider ist diese Haltung in der Schweiz ebenso auf
vielen Politikfeldern zu beobachten. Wie man sich auf
das Jahrhundertproblem der Migration einstellen soll,
wird nicht wirklich ernsthaft diskutiert. Die Politik, oder
exakter: die politische Führung, hat Angst vor der Angst
der Leute. Kein Wunder, dass unter solchen Voraussetzungen niemand den Versuch unternimmt, das konservative Narrativ, das verspricht, alles bleibt gut, wenn wir
nur nichts Neues machen, durch eine Gegenerzählung
herauszufordern.
NBF: Noch ein kleiner Beitrag zur Standortbestimmung:
Was die Schweiz attraktiv macht, ist einerseits dieser freiheitliche Sinn, den Jobst Wagner durch die zunehmende
Versicherungsmentalität breiter Schichten zersetzt sieht.
Dass zur liberalen Freiheit Chancengleichheit gehört, hat
zwar zur Folge, dass auch bei uns, gerade im Bildungswesen, der Staat eine große Aufgabe hat. Aber immer nur in
der Balance mit privatautonomer Tätigkeit. Diese Balance
darf nicht verloren gehen. Und wenn in der direkten Demokratie Angst zum Ratgeber wird, dann gerät das Ganze aus dem Gleichgewicht. Ein Befund, der sich übrigens
auch dort zeigt, wo mir die Schweiz besonders gefällt: in
ihrer Natur. Ist denn alles, was unter dem Label der Ökologie manchmal sehr wirtschaftskritisch auftritt, immer
gut für die Erhaltung der Freiheit? Jedenfalls ruft es stets
und sofort nach staatlichen Regulierungen.
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«Die Schweizermacher – Und was die Schweiz ausmacht», 2016
«Wir machen die Schweiz» – Gespräch vonNathaly Bachmann Frozza, Andreas Müller, Jobst Wagner und Georg Kohler
JW: Nathaly Bachmann Frozza erinnert die Wichtigkeit
einer politischen Kultur, die wachsam ist für den sich vollziehenden Wirklichkeitswandel, die aber auch den Willen
zum Ausgleich, zur Kompromisssuche hat. Dieser Wille ist
unerlässlich, wie sich leicht an dem zeigen lässt, was mir an
der Schweiz – zum Beispiel im Vergleich zu den USA – besonders gefällt: Da ist erstens der Sinn für das Kulturelle,
der besonders auffällt, wenn man wieder aus Amerika zurückkehrt; diese Förderung und Pflege der Diversität, der
verschiedenen Traditionen, in den einzelnen Sprachregionen genauso wie in den 26 Kantonen. Die große Museumsdichte ist dafür ein Indikator. Zweitens die soziale Durchmischung, oder sagen wir vorsichtiger, die nicht allzu krasse
Separation der Gesellschaftsgruppen. Es gibt weder Armenghettos noch bewachte Reichenviertel. Und auf der Ebene
der Einkommen finden wir in der Schweiz (laut Gini-Index)
eine relativ ausgeglichene Verteilung. Der soziale Friede, der
die Schweiz seit Jahrzehnten auszeichnet, ist Ausdruck und
Resultat solcher soziologischer Fakten. Dazu gehört auch
– hier spricht der Unternehmer –, dass bei all dem ein liberaler Arbeitsmarkt möglich geblieben ist. Drittens: Ohne
eine politische Kultur, die die unterschiedlichen Interessen
einerseits ernst nimmt, andererseits aber alle Kontrahenten
zum Kompromiss nötigt, sind diese Dinge nicht zu erklären.
Polarisierungsstrategien spalten unser Land und seine Gesellschaft, die ihre Errungenschaften dem genauen Gegenteil verdankt – der Fähigkeit, Gegensätze zu vermitteln. Mir
scheint, dass dieses Talent zurzeit wenig Fürsprecher findet.
AM: Was eben gesagt worden ist, liefert den Einstieg
in das Thema der Narrative. Zur politischen Kultur der
Schweiz, die auf Gemeinsamkeit zielt, gehört noch ein an129
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deres, inzwischen beinahe altmodisch gewordenes Merkmal: das Milizprinzip. Also der Anspruch des Staates an
seine Bürger, zugunsten des Gemeinwohls oft sehr anspruchsvolle Aufgaben zu übernehmen; Funktionen, die
Engagement verlangen, aber nicht berufsmäßig ausgeübt
werden, sondern, mehr oder weniger, im Ehrenamt. Mit
solchen Tätigkeiten ist dann wie selbstverständlich eine
Praxiserfahrung verknüpft, die gewissermaßen von selbst
dafür sorgt, dass man die anderen als Partner in einem gemeinsamen Prozess versteht und nicht primär als Gegner
oder sogar als Feinde im Kampf um die Macht.
Leider sind die allgemeinen Tendenzen in Wirtschaft
und Gesellschaft diesem Prinzip nicht günstig gesinnt.
Überall sind Professionalisierung und Spezialisierung angesagt. Wer vorwärtskommen will, der will nicht Zeit in
Dinge investieren, die nicht unmittelbar karriererelevant
sind. Die schweizerischen Parteien wandeln sich gemäß dem
europäischen Trend immer mehr von mitgliederorientierten
zu wählerorientierten Parteien. Das bedeutet auch, dass heute diejenigen politischen Kräfte eindeutige Vorteile besitzen,
die dank großer Finanzmittel in ihrem institutionellen Kern
hoch professionell organisiert sind. Und wir werden nicht
lange darüber streiten, wenn ich sage, dass es die nationalkonservative Seite ist, die hier besonders gut positioniert ist.
So gesehen, ist es kein Zufall, dass das momentan einzig wirksame, professionell gemanagte Narrativ von dort
kommt und in den verschiedenen Kontexten erfolgreich
zur Geltung gebracht wird. Womit ich bei meiner zweiten
Feststellung bin. Unter den aktuellen Bedingungen ist professionelles Storytelling entscheidend. Durchsetzungsfähige
Politik muss mit einfachen, einleuchtenden Erzählungen
und Bildern operieren können. Komplizierte Argumente,
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graue Statistiken und Sowohl-als-auch-Überlegungen stören da nur. Und wie gesagt, all dies wird in der nationalkonservativen Öffentlichkeitsarbeit hervorragend gemacht.
Nun will ich jetzt ja nicht diese Strategie analysieren, sondern, zum einen, generell etwas über politische Strategien
sagen, zum anderen für ein liberales, auf die Zukunft mit
Optimismus und Neugierde reagierendes Narrativ werben.
Doch bleiben wir zunächst beim Stichwort »Angst«. Angst
ist ohne Zweifel ein zentraler Stoff für jede Art von Politik. Und man kann an der Weise, wie mit Ängsten politisch umgegangen wird, drei Muster politischer Führungsmacht erkennen. Sie darf man die drei verschiedenen
Strategien des »Amtsinhabers«, des »Demagogen« und des
»Staatsmannes« nennen.
Der Amtsinhaber ist derjenige, der auf Ängste am liebsten gar nicht eingeht. Er überspielt alles Unangenehme, beruft sich auf den normalen Lauf der Dinge; entweder weil er die Ängste nicht erkennt oder weil er selbst
diesen nicht gewachsen ist und sie per Verdrängung zu
bannen versucht. Das ist ein Politikmuster, das in der
Schweiz häufig vorkommt; Jobst Wagner hat zu Recht darauf hingewiesen. Dann gibt es den Demagogen. Er schürt
Ängste, weil er damit auf Machtzuwachs hofft. Schließlich
die schwierigste Rolle, die des Staatsmannes. Er schiebt
die Ängste nicht weg, er nimmt sie ernst. Aber er will
sie nicht zu seinen Gunsten steigern, sondern bearbeiten
und überwinden. Dadurch, dass er aufzeigt, dass wir sie
zu meistern vermögen. Also dadurch, dass er die Zukunft
nicht düster zeichnet, sondern auf die Möglichkeiten des
Besser-Werdens und auf die Chancen gemeinsamer Bewältigung dessen hinweist, was für viele furchterregend
am Horizont erscheint. So löst er Angstlähmungen und
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beseitigt die Politik des Demagogen, der die Leute erschreckt, um sie in die Arme desjenigen zu treiben, der
die einfachsten Rezepte verschreibt.
Dass auch der Staatsmann eine gute Geschichte, ein
Narrativ braucht, ist klar. Und das ist das Problem: Weder
wie es aussieht, noch wer es repräsentieren kann, ist in der
Schweiz unserer Tage zu erkennen. Diese Leerstelle muss
man zu füllen versuchen. Ich gebe zu, dass es einfacher
gesagt als getan ist.
GK: Das nationalkonservative Narrativ setzt sowohl historisch wie institutionell auf »das Volk«. Was mich daran stört,
ist die gleichzeitige Diskreditierung der sogenannten classe
politique, die Missachtung der rechtsstaatlichen Gewaltentrennung zwischen den direktdemokratischen Verfahren,
dem Parlament und der Jurisdikative. »Das Volk« – und das
bedeutet in concreto: die jeweilige Ja-Mehrheit, die in der
Regel nicht mehr darstellt als 20 –25 Prozent der Bevölkerung – soll als letzter Herrscher, oberster Richter und uneingeschränkt verbindlicher Gesetzgeber gelten.
Erstens ist das keineswegs die Idee unserer Bundesverfassung, die aus guten Gründen nur halbdirektdemokratische Verfahren enthält. Zweitens ist es mehr als kurzsichtig, wenn man leugnet, dass das jeweils aktiv partizipierende Volk immer auch eine durch zufällige Stimmungen
und durch professionelle Öffentlichkeitsarbeit beeinflussbare Menge ist. Eben darum gehören zur guten pluralistischen Demokratie rechtsstaatliche Schranken und die
cheques und balances der Gewaltenteilung.
Warum ich an diese elementaren Prinzipien erinnere?
Deshalb, weil wir – neben und mit dem noch nicht gefundenen Narrativ – die offensive Verteidigung der Rolle von
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Parlament und Gerichten benötigen. Und drittens: Weil es
ohne neue Persönlichkeiten, politische Führungsfiguren,
die die liberale Erfolgsstory der Schweiz glaubwürdig vertreten, nicht geht.
NBF: Einverstanden. Solche »Leuchttürme« der liberalen
Zukunftsschweiz sind derzeit nicht zu bezeichnen …
JW: … Was nicht heißt, dass es sie nie mehr geben kann.
Bloß möchte ich jetzt etwas anderes betonen: die Kraft und
Aufgabe der Zivilgesellschaft. »Zivilgesellschaft« meint nicht
dasselbe wie »Milizsystem«. Das Wesen der Zivilgesellschaft
besteht zwar auch in der Beteiligung der betroffenen Menschen in der Auseinandersetzung mit den Problemen des
sozialen Lebens, wie sie unter heutigen Bedingungen entspringen. Doch im Gegensatz zum altschweizerischen Milizprinzip verlangt zivilgesellschaftliches Engagement nicht
die gleiche Langzeitbindung und Praxisverpflichtung. Zivilgesellschaftliche Partizipation darf flüchtiger und weniger verbindlich sein; dafür erlaubt sie mehr Beweglichkeit,
den freieren Einsatz gegebener Potenziale.
Ich denke, dass es wichtig ist, diese Potenziale zu entfesseln, wo immer sie sich finden; bei den Jüngeren wie bei
den Älteren. Gruppen sollten entstehen, die sich auf Plattformen (wohl vor allem im Netz) treffen, die diskutieren
und eine gemeinsame Meinung, einen kollektiven Willen ausbilden – und natürlich auch Ideen, die das nationalkonservative Schweizbild konkurrenzieren und dessen
Schwächen benennen; im Verhältnis zu Europa beispielsweise und im Gegenzug zur geläufigen EU-Verteufelung.
Wie wichtig das wäre, zeigt sich an simplen Sachverhalten. Weil es kaum eine zivilgesellschaftlich dicht geführ133
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te Debatte gibt, sind viele Begriffe und Tatsachen für die
meisten Menschen nur »schwarze Wolken«, Begriffe, die
für das Verständnis gegenwärtiger Politikprobleme aber
unabdingbar sind. Wer weiß schon präzise, was »bilaterale
Verträge« bedeutet; wer weiß, was die »Souveränität« ist,
auf die sich die SVP immer wieder beruft? Gleiches gilt
für Schlagworte wie »Unabhängigkeit« und »Neutralität«.
Sie sind effektiv, aber nicht als klare Konzepte, sondern als
emotional wirksamer Nebel.
Ich habe jetzt vom Europa-Problem der Schweiz gesprochen. Nicht weniger dringlich wären alle Fragen, die
mit Migration, Immigration, Überalterung verbunden
sind. In der direktdemokratischen Öffentlichkeit werden
sie und die mit ihnen verknüpften Probleme nicht wirklich
tiefgehend erörtert. Sondern zugedeckt mit furchterregenden Stichworten wie »Asylchaos«. Kurz: In der direktdemokratischen Schweiz wäre es eigentlich unverzichtbar,
dass man sich bei entscheidenden Problemen nicht bloß
durchwurstelt, weder auf Regierungsebene noch im Volk.
NBF: Zivilgesellschaftliche, öffentliche Arbeit an den Begriffen ist nötig; sicher. Doch deren Ergebnisse werden nur
dann in den Köpfen verankert bleiben, wenn sie zugleich
an persönlichen Erfahrungen haften. Beispielsweise daran,
was es heißt, am Flughafen einmal dort stehen und warten
zu müssen, wo sich jetzt alle Nicht-EU-Bürger beziehungsweise Nicht-Angehörigen der Schengenländer versammeln. Und ein Weiteres; speziell die europäische Verflechtung und die damit notwendig gewordene »transnationale
Führung« betreffend: Wenn die Menschen das Gefühl haben, im EU-Kontext werde normalerweise über die Köpfe
hinweg, alternativlos, entschieden, dann wird das bald mit
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Misstrauen quittiert oder, was nicht weniger schlimm ist,
mit Gleichgültigkeit. Die komplexe Situation, in der wir
existieren, fordert nicht nur Respekt vor der Regierung;
sie braucht vor allem einen Führungsstil, der sich um die
positive Zustimmung der Bevölkerung kümmert. Ich gebe
zu, dass damit ein Basisproblem transnationaler Politik angesprochen ist, nämlich deren »Demokratiedefizit«. Wer die
Schweizer Mentalität kennt, weiß, wie schwierig es ist, auf
die entsprechende Euro-Skepsis zu antworten.
AM: Einverstanden. Aber das neue Narrativ, für dessen
Entwicklung und Durchsetzung ich einstehe, will ein
schweizerisches Selbstverständnis beliebt machen, das generell auf Nicht-Pessimismus, Nicht-Einigelung, auf Zuversicht, Lernf ähigkeit und Weltoffenheit programmiert
ist. Auch das Europa-Problem erscheint in seinem Licht
dann nicht mehr als Inbegriff drohender Überwältigung,
gegen die man alle Kräfte der Abwehr auf bieten muss,
sondern als etwas, das zwar herausfordernd und kompliziert, aber durch vernünftige Dosierung zwischen Souveränitätsgedanken und Anpassungsbereitschaft überwindbar
ist. In solcher Perspektive begegnet das erwähnte Demokratiedefizit nicht mehr als etwas, das uns den gewissermaßen absoluten Widerstand wie damals, in der Epoche
des Dritten Reiches, abverlangt.
Ich möchte, dass der Einigelungsreflex vieler Schweizer unterbrochen wird, auf den sich das nationalkonservative »Marignanonarrativ« so zuverlässig verlassen darf.
Ein Beispiel für die andere Möglichkeit, auf Zukunft zu
reagieren, ist Obamas berühmtes »Yes, we can«. Eine charismatische Formel, ausgesprochen von einer charismatischen Figur, die an die Kraft und das Selbstbewusstsein ei135
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ner Nation appelliert und auf deren historisch gut belegte
Gewissheit bauen darf, sich immer wieder neu erfunden
und bewährt zu haben; offensiv und nicht durch Isolationismus und die Wiederholung alter Rezepte; indem sie
eben Dinge getan hat, die neu und anders und, das vor
allem, der Zeit entsprechend waren.
Warum sollte Entsprechendes nicht auch in unserem
Lande gelingen? Dass in der Schweiz das Charisma einer
Person nicht zur Geltung kommen könne, ist evidentermaßen falsch, Christoph Blocher ist der lebende Gegenbeweis.
GK: Ich möchte das Bisherige zusammenfassen: Erstens plädieren Jobst Wagner und Nathaly Bachmann Frozza für ein
zivilgesellschaftliches Engagement, das im herkömmlichen
Muster des schweizerischen Milizsystems nicht ohne Weiteres Platz findet. Wir sind – das ist hier Konsens – an einer geschichtlichen Wegscheide, die in der direktdemokratischen
Nation eine breite Diskussion provozieren muss – und nicht
ein von Stereotypen gesteuertes Igelverhalten. Zweitens
sollte versucht werden, diejenigen zu mobilisieren, die nicht
bereits vom »Marignanomodell« überzeugt sind; also die
schweigende Mehrheit, um es etwas kühn zu formulieren.
Drittens geht es nicht ohne Personen, die mit ihrem Gesicht und ihrer Ausstrahlung einen Fokus der Öffentlichkeit
zu bilden imstande sind. Viertens muss eine Erzählung, ein
Narrativ, formuliert werden, das die Schweiz auf Zukunftslust und -meisterung eicht; dabei inhaltlich gegen gewisse
antieuropäische Klischees opponiert, die im Grunde doch
sehr unschweizerisch sind, denn die Schweiz ist seit mindestens 100 Jahren vor allem dank ihrer Bereitschaft, sich europäisch zu öffnen, wirtschaftlich und kulturell erfolgreich
gewesen. Und schließlich wäre es wichtig, Botschafter des
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neuen Modells in der jüngeren Bevölkerung zu finden und
zu etablieren, also mit Mitteln und Strategien zu operieren,
die auch die U40 erreicht, nicht lediglich die Ü50.
Nun also, wie sähen die konkreten Konturen eines
solchen Zukunftsnarrativs aus?
AM: Genau dort liegt noch das aktuelle Problem. Denn
natürlich kann man nicht einfach die richtige Geschichte
aus dem Ärmel ziehen. Um das derzeitige Schweigekartell
über die Zukunft zu brechen, müssen wir uns erst einmal
klarmachen, dass uns damit etwas Wichtiges fehlt. Ohne
dieses Bewusstsein wird auch das beste Narrativ nicht
wirken können. Darüber hinaus glaube ich aber, dass es
gar nicht so schwierig ist, ein starkes Zukunftsmodell zu
entwickeln. Man müsste nur mit überzeugenden Beispielen erzählen, wie die Schweiz heute wirklich ist. Nämlich alles andere als sich abschottend. Sie ist im Gegenteil seit
Langem ausgesprochen integrationsfreudig und zwar sehr
konkret; 50 Prozent der Eheschließungen zum Beispiel
sind derzeit binational. Wir sind tatsächlich ein Volk von
»Schweizermachern«; nicht im Sinn des isolationistischen
Max Bodmer, vielmehr in der Art von Moritz Fischer …
GK: Genau! Lyssys »Schweizermacher« – der Film liefert
ein ebenso liebens- wie glaubwürdiges Zukunftsnarrativ.
Man denke nur an die Schlusssequenz: Der von Bill Ramsey gespielte Jazzer, der Schweizer werden möchte, spielt
die Nationalhymne; besser gesagt, er variiert, verjazzt und
verjüngt sie. Und sie klingt prächtig!
AM: Es ist bemerkenswert, welche tiefe mentale Diskrepanz zwischen dem besteht, was in den letzten gut 30
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Jahren geschehen ist, in denen – gewissermaßen – viele Italiener helvetisiert und die Fußballnationalmannschaft mit
Balkan- und sonstiger Immigrantenhilfe wieder auf beachtliches Niveau gebracht wurde, und der seinerzeitigen
Schwarzenbach-Argumentation in den 1970ern, die vor
exakt diesen Vorgängen mit der Parole der »Überfremdung« warnte. Sozusagen unter der Hand hat die Schweiz
also die »Nationale Aktion« Lügen gestraft. Bloß scheint
sie sich dessen nicht bewusst zu sein und orientiert sich
stattdessen an Ängsten, die sie selbst widerlegt hat.
So vieles hat sich in der Wirklichkeit verändert – und
in der politischen Gegenwart reüssiert eine Erzählung, die
das Gegenteil behauptet. Diese Diskrepanz wäre zu beleuchten, zugleich mit der Feststellung, dass die in der letzten Generation neu formierte Schweiz doch großartig ist.
Und dann muss man nur noch betonen, dass die Richtung
offensichtlich stimmt und ergo, wenn wir ihr weiter folgen,
auch die Zukunft gelingt. Wir brauchen keine heroischen
Anstrengungen; normales Selbstvertrauen genügt und das
Wissen, dass die Schweiz nur wurde, was sie ist, weil sie
sich den Anforderungen neuer, ungewohnter Situationen
nie entzogen hat, sondern stets anzupassen verstand.
JW: Bin ganz Ihrer Meinung. Freilich darf man nicht vergessen, dass im Jahre 2016 Immigration / Migration nicht
mehr das Gleiche bedeuten wie vor 30, 40 Jahren. Dennoch
haben Sie recht: Die Schweiz sollte sich nach wie vor als
Einwanderungsland begreifen. Das ist die eine Seite. Die
andere ist die Tatsache, dass die weltweiten Migrationsbewegungen, die heute den europäischen Westen erreichen,
eine ganz eigene – und gewiss transnationale – Strategie
erfordern. Die Schweiz – und nicht nur sie! – ist diesem
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Problem, das stärker als vor 40 Jahren, auch ein kulturelles
Problem ist, noch viel zu wenig auf den Grund gegangen.
Vor »Überfremdung« sollten wir keine Angst haben, doch
unsere fundamentalen Wertvorstellungen der liberalen,
den Prinzipien der individuellen Autonomie verpflichteten
Gesellschaftsordnung müssen wir verteidigen. Integration
darf nicht bedeuten, unsere Kernideen, die in der Verfassung formuliert sind, dem Anspruch beispielsweise eines
Schariarechtsbegriffs zu opfern. Auf dieser Ebene der Auseinandersetzung sehe ich Defizite …
Dass man mich richtig versteht. Ich bin natürlich
nicht für ein Minarettverbot, ich will lediglich betonen,
dass das Thema »Kultur« im Zusammenhang der aktuellen
Migrationsbewegungen doch noch wichtig ist. Und dass
es zivilgesellschaftlich breit bearbeitet werden muss. Was
ich in der notwendigen Dichte und Intensität noch nicht
erkennen kann. Wir reden hier ja nicht von den Diskursen, die in den sogenannten Funktionseliten geschehen,
sondern von einer Meinungs- und Willensbildung, die
großmehrheitlich effektiv ist. Die neuen Migrationsbewegungen sind im Übrigen nicht der einzige Bereich, wo
ich dieses zivilgesellschaftliche Manko sehe, aber darüber
haben wir ja bereits gesprochen.
NBF: Es wäre noch so viel zu sagen! Zum Zukunftsnarrativ; zu den Dingen, auf die es anspielen sollte, zu seiner
zeitgerechten netztauglichen Gestalt. Außerdem möchte
ich, dass die Schweiz fehlerfreundlicher würde. Dass man,
ohne für den Rest des Lebens gebrandmarkt zu sein, scheitern darf. Und um breitenwirksam zu werden, müssen wir
auch auf »Botschafter« jenseits der etablierten Politikszene
setzen. Warum darf nicht auch Roger Federer für eine of139
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«Wir machen die Schweiz» – Gespräch vonNathaly Bachmann Frozza, Andreas Müller, Jobst Wagner und Georg Kohler
fene, liberale, anpassungsfähige Schweiz sprechen? Dann
scheint mir das Thema »Bildung«, genauer: Staatsbürgerund Staatsbürgerinnenkunde ein Feld zu sein, das wir bis
jetzt eher unterschätzt haben. Die Defizite in Hinsicht auf
Kategorien wie »Neutralität«, »Souveränität« oder »bilaterale Verträge« haben ihren Ursprung genau hier.
Wie dem immer sei: Zivilgesellschaftliches Engagement für die Zukunft einer offenen Schweiz muss die
Social-Media-Welt der Gegenwart noch viel besser durchdringen, als es heute der Fall ist. Daran sollten wir arbeiten. Vom Geist der Zuversicht getragen und nach dem
Motto »Wir machen – jetzt – die Schweiz!«
Nathaly Bachmann Frozza, 1980, ist Unternehmerin (Wirtschaftspsychologin, Universität Zürich). Sie ist Inhaberin der Consultingfirma Essence Relations GmbH und berät Kunden in der strategischen
Kommunikation. Gleichzeitig ist sie Geschäftsführerin der Bürgerinitiative StrategieDialog21 (SD21). Die Diskussionsplattform setzt
sich parteiübergreifend für eine sachliche Auseinandersetzung mit der
Zukunft der Schweiz ein, wobei unternehmerische Freiheit, liberale
Werte und eine offene Volkswirtschaft im Zentrum stehen.
Andreas Müller, 1965, Lic. phil, MAES, ist Vizedirektor von Avenir
Suisse und betreut schwergewichtig staats- und gesellschaftspolitische Themen. Er ist u.a. Herausgeber der Publikation »Bürgerstaat
und Staatsbürger: Milizpolitik zwischen Mythos und Moderne«
(NZZ Libro, 2015). Nach dem Studium der Geografie in Lausanne
absolvierte er den »Master of Advanced European Studies« an der
Universität Basel. Er war persönlicher Mitarbeiter von Bundesrat
Johann Schneider-Ammann und Kommunikationsberater der Bundesräte Pascal Couchepin und Didier Burkhalter.
Georg Kohler, Prof. em. Dr. phil. Lic. iur., 1945, studierte Philosophie und
Jurisprudenz in Zürich und Basel. Nach seiner Habilitation in Philosophie lehrte er zunächst in München. 1994–2010 Ordinarius für Philosophie an der Universität Zürich, mit besonderer Berücksichtigung der
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«Wir machen die Schweiz» – Gespräch vonNathaly Bachmann Frozza, Andreas Müller, Jobst Wagner und Georg Kohler
Politischen Philosophie. Zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Praktischen
und Politischen Philosophie, zur Ästhetik und zu den Gegenwartsproblemen der Schweiz. 2005 erschien im rüffer&rub Sachbuchverlag »Über
das Böse, das Glück und andere Rätsel«, 2010 »Bürgertugend und Willensnation. Über den Gemeinsinn und die Schweiz« imVerlag NZZ libro.
Jobst Wagner, 1959, ist Unternehmer ( Jurist, Universität Bern). Seit
2000 leitet er als Verwaltungsratspräsident die REHAU-Gruppe,
ein globales Familienunternehmen mit Sitz in Muri bei Bern, das
im Bereich der Polymerverarbeitung tätig ist. Er ist Initiant und
Förderbeirat des StrategieDialog21, Stiftungsrat AVENIR Suisse, Aktionär und Verwaltungsrat der SMH Verlag AG, die den
»Schweizer Monat« herausgibt, und Präsident der Stiftung Kunsthalle Bern.
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«Wir machen die Schweiz» – Gespräch vonNathaly Bachmann Frozza, Andreas Müller, Jobst Wagner und Georg Kohler