Roland Joffé - Nicolas Hennemann

DVD
n e w s , g o o d i e s & g i v e a w ay s
Roland Joffé
Vi er Frag en an d en britisch en Reg isseu r
06
Die unter Joffés Regie entstandenen „Killing Fields” und „Mission” sind oscarprämierte Klassiker.
Mit „Glaube, Blut und Vaterland”
(jetzt erhältlich) widmete sich
der 66-jährige Brite erneut grossen Themen rund um Geschichte
und Religion. Wie war Ihre Reaktion, als Ihnen das Projekt
angeboten wurde?
Ich bin kein besonders religiöser
Mensch. Aber ich bin von Religion fasziniert. Ein Grund war meine Faszination
mit der Rolle, die die Kirche zur Zeit des
spanischen Bürgerkriegs spielte. In vielerlei
Hinsicht war die Kirche an beiden Fronten
vertreten. Der Sozialismus ist stark vom
Christentum geprägt, gleichzeitig hatte die
Kirche großen Einfluss auf die vorherrschende Hierarchie. Ich wollte mich auf einen
Priester konzentrieren und wie er mit dieser
Situation umging. Ich wollte außerdem jede
Polemik vermeiden. Es werden viele polemische Filme gedreht, die sich alle im Kreis
drehen. Um das zu vermeiden, fing ich an, in
der Geschichtsliteratur nach Ereignissen zu
suchen, in denen die Menschen nach ihrem
Herzen, nicht nach der Ideologie gehandelt
haben. Ich sah eine DVD mit Filmaufnahmen von Josemaría Escrivá in Argentinien.
Er sprach dort vor einigen tausend Leuten.
Ein junges Mädchen vertraute ihm an, dass
es zum katholischen Glauben wechseln, aber
nicht ihre jüdischen Eltern verärgern wollte.
Und Josemaría antwortete ihr, ohne einen
Moment zu zögern: „Mein liebes Mädchen,
die eigenen Eltern zu ehren, ist Gott sehr,
sehr wichtig. Du trägst Gott in deinem Herzen. Er würde nicht von dir verlangen, etwas
zu tun, was deine Eltern verärgern würde.”
Das ist mein Idealbild von dem, was Religion sein sollte: aufgeschlossen, engagiert und
zutiefst menschlich.
Nach welchen Qualitäten suchen Sie bei Ihren
Schauspielern?
Ich suche bei ihnen nach einer Art
und Weise, wie sie ihren Charakteren entsprechen. Ich suche nach Schauspielern,
die von Natur aus die für eine Rolle benötigten Qualitäten verkörpern. Charlie Cox
strahlt diese selbe liebenswerte Wärme aus,
die auch Josemaría besaß. Charlie nahm die
Rolle sehr ernst und da ich meine Schauspieler gerne improvisieren lasse, fühlte ich,
dass er in diese Rolle hineinwachsen würde. Wes hingegen war eine geplagte Seele.
Der Schmerz und die Qualen, die ihm gegen Ende des Films ins Gesicht geschrieben
sind, kann man nicht schauspielern, solange
man sie nicht selber erlebt hat. Olga ist die
Greta Garbo unserer Zeit, ihr steht noch
eine große Karriere bevor. Sie strahlt diese
jugendliche, ausgelassene Leidenschaft aus.
Meiner Meinung nach ist große Schauspielerei nicht die Schauspielerei, sondern das
„Sein”. Meine Aufgabe als Regisseur besteht darin, den Schauspielern einen Raum
zu schaffen, in dem sie mit der Rolle eins
werden können. Ich gebe den Schauspielern
emotionale Erinnerungen, etwa durch Musik oder Geschichten. Und Stück für Stück
lernen sie, das Innenleben des Charakters
zu verstehen. Eine sehr sanfte, osmotische
Herangehensweise, die tolle Ergebnisse hervorbringen kann.
Manolo, der Erzähler des Films, wäre aufgrund
seiner Handlungen in jedem anderen Film der Böse-
wicht. Gab es Sorgen darüber, dass der „bad guy“ in
Ihrem Film der Protagonist ist?
Manolo ist ein Teil von mir. Ein Teil
von allen Menschen, die kein Ziel im Leben haben. Das ist der zentrale Punkt des
Films, aus zweierlei Gründen. Erstens hätte
Josemaría gesagt: „Dreht keinen Film über
mich, dreht einen Film über die Welt, in der
ich lebe.” Zweitens: Der Gedanke, einen –
im christlichen Sinne – Sünder zu verstehen, sollte das Thema des Films werden.
Mich faszinierte die Frage, ob ich diese Figur erschaffen könnte, die diese innere Leere für den Zuschauer so spürbar macht, dass
man sich wünscht, dass er am Ende seinen
Frieden findet. So etwas habe ich bis jetzt
nur in sehr wenigen Filmen gesehen. Es
geht gewissermaßen um die Auswirkungen
des Kriegs, aber in erster Linie geht es um
das Leben selbst. Religion ist ein Teil des
Lebens. Die Gesellschaft, in der wir heute
leben, gründet sich auf der Religion. In der
Wissenschaft hat sich vielerorts der Gedanke etabliert, dass der Mensch nur ein Sack
voller zusammengewürfelter Chemikalien
ist und alles im Leben nur rein zufällig geschieht. Meiner Meinung nach ist das eine
sehr traurige Vorstellung ohne jede Poesie.
Ich denke, dass der Mensch viel komplexer
ist, als es diese Einstellung zum Leben erklären würde.
Erzählen Sie uns etwas über ihr aktuelles Projekt!
Ich arbeite zur Zeit an einem komplett andersartigen Film mit dem Namen
„Singularity”, der in Indien, Australien und
Großbritannien gedreht wird. Ein Liebesfilm mit Quantenphysik. Josh Hartnett ist
großartig in der Hauptrolle. Bipasha Basu
– eine wunderbare indische Schauspielerin – spielt ebenfalls mit. Sie ist ein großer
Star in Indien und ich denke, dass sie nach
diesem Film auch in Europa ein großer Star
sein wird.
Nicolas Hennemann