Talentmanagement im Mittelstand Wie lassen sich Talente finden, fördern und binden? Februar 2016 Talentmanagement im Mittelstand | 2 Talentmanagement im Mittelstand Eine der wichtigsten Fragestellungen bei Führungskräften und Personalverantwortlichen Wertvolles Talentmanagement Talentmanagement hat sich in den letzten Jahren zu einer der wichtigsten Fragestellungen bei Führungskräften und Personalverantwortlichen etabliert. Auch im Mittelstand ist das Finden und Binden von gut ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein entscheidender Faktor, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens langfristig zu sichern. Doch wie kann Talentmanagement speziell im Mittelstand funktionieren? Welche Besonderheiten gibt es zu beachten und wie können praktische Maßnahmen aussehen? Im folgenden Whitepaper erfahren Mittelständler, wie sie Talente gewinnen, identifizieren, entwickeln und binden können. www.strametz.de Talentmanagement im Mittelstand | 3 1.1 Aktuelle Entwicklungen „Megatrends“ machen deutlich, warum Talentmanagement aktuell von großer Bedeutung ist: Demografischer Wandel: Bis zum Jahr 2030 werden 1 Mio. Fach- und Führungskräfte fehlen. Wertewandel: Der Wandel der Die Generation Y (nach 1982 geboren) und ihr verändertes Werteverständnis von Arbeit nimmt Arbeitswelt Einfluss auf die Arbeitswelt. Waren in den 80er Jahren noch „Karriere“, „Führung“ oder „ge- (be-)trifft auch steigertes Einkommen“ die angestrebten persönlichen Ziele, haben heutzutage andere Werte den Mittelstand. eine größere Bedeutung gewonnen. Verschiedene Studien und Befragungen belegen, dass diese Generation auf selbstbestimmtes Arbeiten, persönliche Weiterentwicklung, interessante und sinnvolle Aufgaben sowie ein gutes Verhältnis zwischen „Arbeit und Leben“ (Work-LifeBalance) achtet. Das veränderte Werteverständnis sollte ernst genommen werden, da diese Generation, auch aufgrund des Fachkräftemangels, ihre Bedürfnisse aktiv einfordert. Ignorieren Unternehmen deren Erwartungen, werden gute Talente das Unternehmen schnell wieder verlassen. Die aktuelle Diskussion über „Arbeit 4.0“ („Wie werden wir morgen arbeiten?“) zeigt aber auch, dass dieses Thema nicht nur die Generation Y betrifft. So hat beispielsweise das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Frühjahr einen Dialogprozess gestartet, um über „Arbeit 4.0“ eine breite Diskussion mit der Bevölkerung in Gang zu setzen ( www. arbeitenviernull.de). Flexibler und transparenter Arbeitsmarkt: Die Fluktuation hat sich in den Unternehmen erhöht und wird sich noch weiter verschärfen. Aktuelle Studien gehen davon aus, dass es zukünftig die Regel sein wird, den Arbeitgeber fünf bis sieben Mal im Laufe seines Erwerbslebens zu wechseln. Gleichzeitig erhöht sich zunehmend die Transparenz des Arbeitsmarktes. Karrierewebsites, Socialmediakanäle, Arbeitgeberwettbewerbe oder Bewertungsplattformen (wie www.kununu.de) geben direkte Einblicke in die Unternehmen und entlarven so manch gut gemeinte Hochglanzbroschüre. Das (Macht-) Verhältnis zwischen Unternehmen und Bewerbern dreht sich um. Unternehmen müssen sich mehr und mehr bei potenziellen Mitarbeitern bewerben und eine attraktive Unternehmenskultur vorweisen, um im Kampf um die Talente erfolgreich zu sein. www.strametz.de Talentmanagement im Mittelstand | 4 1.2 Definition Talentmanagement – die Grundlage Was aber versteht man unter „Talenten“? Von Personen mit „Talent“ wird dann gesprochen, wenn jemand eine besondere Veranlagung bzw. Begabung mitbringt. Talente sind demnach stabile, angeborene Denk,- Gefühls- und Verhaltensmuster eines Menschen, die produktiv eingesetzt werden können. Jedoch ist Talent weit mehr als das meist in der Gesellschaft verbreitete Verständnis einer speziellen musikalischen Begabung oder eines hohen Intelligenzquotienten. Talente können ganz vielschichtig sein - ob kreativ, technisch, analytisch, beziehungsorientiert, strategisch, sprachlich… - so einzigartig der Mensch, so facettenreich sind auch die Talente. Beim Talentmanagement muss jedes Unternehmen zunächst selbst definieren, was unter „Talent“ verstanden und wie das Talentmanagement ausgerichtet wird. Meist stehen zwei Fragen im Fokus: „So einzigartig der Mensch, so facettenreich sind auch die Talente.“ • Soll sich das Talentmanagement auf eine relativ kleine Gruppe von Mitarbeitern ausrichten, wie zum Beispiel auf sogenannte „High Potentials“ oder Führungskräfte? Meist wird diese Gruppe von Mitarbeitern in „Talentpools“ aufgenommen und durchläuft dann spezielle Entwicklungs- und Förderungsmaßnahmen. • Oder fasst man den Talentbegriff weiter und geht davon aus, dass jeder Mitarbeiter im Unternehmen über „Talent“ verfügt? Dann bestünde die Aufgabe von Führungskräften, Personalverantwortlichen und letztendlich der gesamten Organisation darin, dieses Talent zu entdecken und zu fördern. Für den Aufbau eines erfolgreichen Talentmanagements ist der Rückhalt der Geschäftsführung zwingende Voraussetzung. Diese muss Talentmanagement als wichtiges, unternehmensrelevantes Thema (an-)erkennen und aktiv vorantreiben. Sind Mitarbeiter aus den Personalabteilungen für die Umsetzung verantwortlich, muss die Geschäftsführung sicherstellen, dass die nötige „Rückendeckung“ auch aus den Fachabteilungen vorhanden ist. Die strategische Verankerung des Talentmanagements mit der Unternehmensstrategie ist von großer Bedeutung. Die Unternehmensstrategie zeigt Weg und Ziele auf, wie sich das Unternehmen in Zukunft entwickeln und positionieren möchte. Daran sollte sich auch die zukünftige Talentmanagementstrategie orientieren. www.strametz.de Talentmanagement im Mittelstand | 5 1.3 Talentgewinnung Steht beim klassischen Recruiting das kurzfristige Besetzen von vakanten Stellen im Vordergrund, setzt das Talentmanagement schon viel früher an, um gute Kandidaten frühzeitig anzusprechen und mit ihnen in Kontakt zu bleiben. Der Mittelstand hat an dieser Stelle eine besondere Herausforderung zu meistern. Im Kampf um die Talente steht er in direkter Konkurrenz zu den Großunternehmen. Auch ist bei den jungen Nachwuchskräften ein starker Trend zur Urbanisierung erkennbar. Unternehmen mit einem Standort in eher strukturschwachen oder ländlichen Regionen, müssen sich daher gut positionieren. Für den Mittelstand ergeben sich gute Chancen eine „echte“ Arbeitgebermarke aufzubauen, die weit mehr wert ist als so manche Hochglanzbroschüre. So können pragmatische Maßnahmen auch mit kleinem Budget initiiert werden, um sich bei den Talenten einen Namen zu machen. Ein möglicher Talentgewinnungsprozess wird im Folgenden analog zur „AIDA“ Formel aus dem Marketing dargestellt. Attention: Talente gewin- Potenzielle Kandidaten auf das Unternehmen aufmerksam machen. Junge Nachwuchskräfte nen mit Hilfe und Hochschulabsolventen berichten immer wieder, dass sie zwar oft den Wunsch verspüren der AIDA- in der jeweiligen Region beruflich einzusteigen, doch manchmal gar nicht die unterschiedli- Formel. chen Karrieremöglichkeiten der Unternehmen kennen. Hier muss die Wahrnehmung erhöht werden: • Schulkooperationen: Schulen bieten meist sogar kostenfreie Möglichkeiten, das eigene Unternehmen zu präsentieren. Sei es auf Jobmessen, auf Karrieretagen, Tag der offenen Tür, Zusammenarbeit in Projekten oder durch Vorträge. Oft gibt es konkrete Ansprechpartner unter den Lehrern, die genau für diese Kooperationen verantwortlich sind. Diese gilt es anzusprechen. • Hochschulkooperationen: Um bei Absolventen von Hochschulen und Universitäten wahrgenommen zu werden, bieten sich neben den üblichen Jobmessen auch Kooperationen an. Der sogenannte „Career Service“, der mittlerweile an fast allen Hochschulen zu finden ist, dient als Türöffner. Der direkte Weg über die Lehrstühle oder Fachschaften ist auch interessant, da einige Hochschulprofessoren ihre Studenten sehr gut kennen und einen Kontakt herstellen können. Der Beziehungsaufbau zu den Lehrenden und Dozenten ist dabei das „A und O“ und bezieht sich zunächst auf einen rein fachlichen Austausch. Warum dann nicht mal die eigenen Fachkräfte aus dem Unternehmen fragen, ob nicht Interesse besteht hier aktiv zu werden? • Karriere- und Berufsmessen: Neben den Messen der Schulen und Hochschulen gibt es oftmals in jeder Region spezielle Karriere- und Berufsmessen. Eine regelmäßige und kontinuierliche Teilnahme kann bereits die Wahrnehmung bei potenziellen Bewerbern stark erhöhen. • Mitarbeiterempfehlungsprogramme: Lassen Sie Ihre Mitarbeiter zum Botschafter Ihres Unternehmens werden. Informieren Sie die Mitarbeiter regelmäßig über die Karrieremöglichkeiten im eigenen Unternehmen und animieren Sie, die Angebote im Freundes- oder Bekanntenkreis zu kommunizieren. www.strametz.de Talentmanagement im Mittelstand | 6 Interest: Welche Leistun- Haben potenzielle Kandidaten das Unternehmen auf dem Schirm, geht es nun darum auch gen macht mein ihr Interesse daran zu wecken. Die eigene Karriere Website bleibt immer noch der Dreh- und Unternehmen Angelpunkt, um für die Bewerber interessant zu sein. Punkten Sie als Mittelstand mit der per- besonders für sönlichen Note. Machen Sie deutlich, für welche Werte Ihr Unternehmen steht. Insbesondere Talente? gute Fachkräfte fragen sich vor ihrer Bewerbung, ob ihre Werte mit denen eines potenziellen Arbeitgebers übereinstimmen. Eng verbunden mit den Werten sind dann die speziellen Leistungen für Mitarbeiter. Überlegen Sie, welche besonderen Angebote ihr Unternehmen bietet und welche sich von anderen Unternehmen abgrenzen. Verleihen Sie Ihrer Website zudem echte Persönlichkeit, indem z.B. ein Mitarbeiter- oder Azubiblog betrieben und so die Unternehmenskultur nach außen kommuniziert wird. Lassen Sie Ihre Mitarbeiter ehrlich über den Unternehmensalltag berichten. Interviewen Sie Ihre Mitarbeiter und fragen Sie sie, warum sie gerade in diesem Unternehmen arbeiten. Ziel sollte sein, ein authentisches Bild vom Unternehmen abzubilden. Desire: Ist das Interesse potenzieller Kandidaten geweckt, sollte dann der Wunsch bei Bewerbern mit dem Unternehmen in Kontakt zu treten oder sogar dort zu arbeiten, erzeugt werden. Hürden müssen möglichst gering gehalten werden, um einen schnellen und flexiblen Einstieg zu gewährleisten. Ist den Interessenten klar wie Kontakt aufgenommen werden kann? Ein persönlicher Ansprechpartner ist unabdingbar. Er muss regelmäßig und schnell auf Kontaktanfragen reagieren und diese auch pflegen. Am besten auf verschiedenen Wegen, damit Interessenten mit Ihrem Unternehmen möglichst einfach in den persönlichen Kontakt kommen. Bewerbertage, Tag der offenen Tür, Vergabe von Bachelor- und Masterarbeiten, Kurzpraktika oder 3 bis 6-monatige Praktika. Stellen Sie sicher, dass es sich nicht um Eintagsfliegen handelt, sondern diese Maßnahmen regelmäßig stattfinden. Daneben spielt auch eine qualitative Ausrichtung der Maßnahmen eine wichtige Rolle. Die Aufgaben und Tätigkeiten in den Praktika sollten herausfordernd und sinnvoll sein Action: Schaffen Sie Anreize für Talente, sich in Ihrem Unternehmen zu bewerben. Der Wunsch des Kandidaten sich zu bewerben ist geweckt. Nicht nur das, womöglich kann er sich vorstellen, ein festes Arbeitsverhältnis einzugehen. In dieser Phase sind einige erfolgskritische Maßnahmen zu berücksichtigen: es geht darum, sicherzustellen, dass der Kandidat sich ohne großen Aufwand bewerben kann, z.B. direkt über das eigene XING Profil. Dazu dienen etwa kurze Antwortmöglichkeiten, entweder auf die Bewerbung oder für die Einladung zum Vorstellungsgespräch, um den Bewerbern Wertschätzung und ein gutes Gefühl zu vermitteln. Ist das „klassische“ Vorstellungsgespräch noch zeitgemäß? Nicht selten fangen gute Kandidaten nur deshalb nicht bei einem Unternehmen an, da sie keine positiven Erfahrungen im Gespräch gemacht haben. Unternehmen sollten sich fragen, wie eine Kommunikation „auf Augenhöhe“ gelingen kann. www.strametz.de Talentmanagement im Mittelstand | 7 1.4 Talentidentifizierung Eine saubere und gründliche Talentidentifizierung ist das Herzstück jeden Talentmanagements. Folgende 4 Phasen können zu einer fundierten Entscheidung führen. POSITIONSANALYSE NOMINIERUNG POTENZIALANALYSE AUSWAHL 1. Phase: Zielpositionen-Bewertung Effektive Maß- Grundlage der Talentidentifizierung ist die Bewertung von Schlüsselpositionen. Diese können nahmen für eine direkt von der Geschäftsführung oder auch in der Zusammenarbeit von Geschäftsführung, aussagekräftige Führungskräften und HR-Verantwortlichen definiert werden. Bei der Bewertung geht es nicht Talentidentifi- zwingend um spezifische (aktuelle) Stellen, sondern um mögliche Schlüsselpositionen, die zierung. für das Unternehmen von Bedeutung sind. Es gilt bei der Bewertung zwei wichtige Aspekte zu berücksichtigen: Erstens sollte sich die Bewertung nicht nur auf die Führungsebene beschränken, sondern auch die Fachpositionen einbeziehen, die für Herausforderungen und für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens von hoher Bedeutung sind. Zweitens sollten die spezifischen Anforderungen an zukünftige Inhaber der Schlüsselpositionen festgelegt werden. 2. Phase: Nominierung In der Nominierungsphase wird definiert, welche generellen Mitarbeitergruppen für künftige Schlüsselpositionen in Frage kommen und Berücksichtigung finden. Auch der Nominierungsprozess sollte klar sein. Ein interessanter Trend: Jeder Mitarbeiter kann sich im Rahmen einer Selbstnominierung für einen Talentpool bewerben. Dies fördert Transparenz, Selbstverantwortung und verhindert, dass Talente verkannt werden oder von Führungskräften aus eigennützlichen Motiven nicht „aus der Hand gegeben werden“. 3. Phase: Potenzialanalyse In dieser Phase geht es um die Diagnose des nötigen Potenzials und die Eignung für kommende Schlüsselpositionen. Der Mensch ist vielschichtig und einzigartig. Mit der folgenden 5-Stufen-Systematik können die einzigartigen Potenziale der Mitarbeiter entdeckt werden. www.strametz.de Talentmanagement im Mittelstand Talente: Talente sind produktiv einsetzbare, angeborene Denk-Gefühls- und Verhaltensmuster eines Menschen. | 8 05 Wissen/Erfahrung 04 Charakter: Charakter bezeichnet vorbildliches, verantwortungsvolles und integres Verhalten in unterschiedlichen Situationen. Handlungskompetenzen Eigenschaften: Eigenschaften beschreiben die persönliche Art und Weise, wie Mitarbeiter Aufgaben erledigen und mit Menschen interagieren. Charakter Handlungskompetenzen: Kompetenzen sind wiederholbare Verhaltensweisen in komplexen, unerwarteten und offenen Situationen, die erfolgreiche Ergebnisse liefern. Wissen/Erfahrungen: Das spezifische Wissen und berufliche Erfahrungen, die jemand in einem bestimmten beruflichen Kontext gesammelt hat. 03 Eigenschaften 02 ERGEBNIS: Differenziertes Talentprofil 01 Talent Auf letzteres sollte nicht der große Schwerpunkt gelegt werden, da Wissen und Erfahrungen noch am ehesten gelernt und entwickelt werden können. Die unterschiedlichen Aspekte der Persönlichkeit können mittlerweile sehr gut über bestimmte Online-Testverfahren abgebildet werden. Sie werden kostengünstig und schnell durchgeführt und geben Aufschluss über die noch „unentdeckten“ Potenziale. Zusammen mit der Einschätzung des direkten Vorgesetzten des Talents ergibt sich somit ein differenziertes Profil. Abbildung 1: Potenzialanalyse 4. Phase: Auswahl Geschäftsführung, Führungskräfte und HR-Verantwortliche sollten sich von den Kandidaten einen eigenen Eindruck machen. Bewährt haben sich sogenannte halbstrukturierte Interviews, in denen allen Kandidaten zuvor festgelegte Fragen gestellt werden, aber auch noch die Möglichkeit besteht, Zwischen- bzw. weitere Fragen einzubauen. Eine weitere, gut ergänzende Maßnahme ist, die Kandidaten eine Präsentation zu zukünftigen unternehmensrelevanten Themen halten zu lassen. Zusammen mit der Rückmeldung der direkten Führungskräfte und der Analyse der Testergebnisse der Potenzialanalyse ergibt sich dann ein komplettes Bild. www.strametz.de Talentmanagement im Mittelstand | 9 1.5 Talententwicklung Die Förderung von Talenten beginnt mit einem realistischen Entwicklungsplan, der auf einer Potenzialanalyse aufbaut. Vorhandene Stärken werden deutlich, aber auch persönliche Entwicklungsfelder werden konkretisiert. Wie können diese Potenziale identifiziert werden? Auf was sollte der zukünftige Entwicklungsplan den Schwerpunkt legen? Für die Identifizierung des Potenzials eignet sich ein „Dreiklang“ bezüglich des Blicks auf die Persönlichkeit und verschiedenen Rückmelde- und Reflexionsmethoden. Bitten Sie zunächst Ihre Talente eine Selbsteinschätzung ihres Potenzials vorzunehmen. Folgende Leitfragen geben Orientierung: Stärken/Schwächen: Welche Aufgaben/Tätigkeiten fallen mir leicht? Wo habe ich bisher überdurchschnittliche Leistungen erzielt? Bei welchen Tätigkeiten empfinde ich Freude und erhalte ich Energie? Welche Aufgaben fallen mir schwer? Bei welchen Tätigkeiten muss ich große Anstrengungen unternehmen, um mein Ziel zu erreichen? Interesse: Welche (unternehmensrelevanten) Themen begeistern mich? In welchen Bereichen möchte ich mich weiterentwickeln? Welche Themen bewegen mich und mit welchen möchte ich mich in Zukunft beschäftigen und dazu lernen? Ideales Umfeld: Welches Arbeitsumfeld benötige ich, um überdurchschnittliche Leistungen zu erzielen? Möchte ich mich fachlich spezialisieren oder eine Führungsposition anstreben? Welche Art von Tätigkeiten liegen mir: große Herausforderungen, Interaktion im Team, Verbesserung von Prozessen? Stärken & Schwächen Interesse ideales Umfeld Dann sollte eine Fremdeinschätzung durch die jeweilige Führungskraft und von ein bis zwei Kollegen aus dem näheren Umfeld erfolgen. Abbildung 2: Selbsteinschätzung Aus diesem Potenzialprofil lässt sich ein individueller Entwicklungsplan ableiten, der aus einem Maßnahmenportfolio besteht. An dieser Stelle erfolgt die kurze Vorstellung zwei dieser Maßnahmen, die speziell im Mittelstand gut umgesetzt werden können: Stretching jobs „Die PS müssen Talenten sollten zeitlich befristete Projekte übertragen werden, die auf der einen Seite heraus- auf die Straße fordernd sind, also hohe Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten beinhalten, auf der anderen gebracht Seite aber auch für das Unternehmen von hoher Bedeutung sind, wie etwa strategische The- werden.“ men. Sind mehrere Talente im Talentmanagementprogramm vorhanden, können auch Teams an einer wichtigen Aufgabenstellung zusammen arbeiten und innovative Lösungsvorschläge kreieren. Insgesamt sollte sichergestellt werden, dass sich die Aufgaben auf jeden Fall von den mit der derzeitigen Funktion verbundenen Tätigkeiten unterscheiden. www.strametz.de Talentmanagement im Mittelstand | 10 Mentoring und Coaching Schaffen Sie Möglichkeiten, dass Ihre Talente sich aktiv mit ihrem Entwicklungsprozess auseinandersetzen. Beim Mentoring geht es schwerpunktmäßig um die Weitergabe von Wissen und kann sehr gut von erfahrenen Personen gewährleistet werden. Dafür eignen sich nicht nur Kollegen aus den eigenen Reihen, sondern auch welche aus anderen Unternehmen. Warum nicht mal Kontakt zu befreundeten Unternehmen oder Zulieferern aufnehmen und nachfragen, ob Interesse an einem unternehmensübergreifenden Mentoringprogramm besteht? Hilfestellung durch Coaching sollte in Betracht gezogen werden, wenn spezielle Themen aus der Potenzialanalyse wie Selbstorganisation oder Kommunikation anstehen. Externe Coaches können mit dem entsprechenden Thema beauftragt werden. 1.6 Talentbindung Talente werden am stärksten durch eine für sie attraktive Unternehmenskultur an das Unternehmen gebunden. Dies ist einer der wichtigsten und gleichzeitig schwierigsten Schritte, da Kultur immer das ganze Unternehmen umfasst und auch nicht von „heute auf morgen“ verändert werden kann. Unternehmen sollten alles daran setzen ihre Kräfte zu konzentrieren, eine attraktive Arbeitsumgebung zu schaffen, um Talente langfristig zu binden. Folgende Kulturanker sind nach unseren Erkenntnissen sowie verschiedenen Studien, besonders relevant: Die Kultur des Unternehmens ist entscheidend für die langfristige Bindung von Talenten. • Ausgewogene Work-Life-Balance: Vertrauensarbeitszeit, flexibles bzw. mobiles Arbeiten, Zeit für die persönliche Entwicklung, Gesundheitsmanagement etc. • Transparente Unternehmenspolitik: Talente sollten Zugang zu strategischen Informationen erhalten und aktiv an der Unternehmensentwicklung teilhaben. Zum Beispiel kann dies durch sogenannte „Kamingespräche“ ermöglicht werden. Dabei treffen sich Talente regelmäßig mit den Geschäftsführern, um sich über die aktuelle Unternehmensentwicklung auszutauschen. Dies ist nicht nur eine große Wertschätzung gegenüber den Talenten, auch die Führung bekommt wertvolle Impulse. • Regelmäßige Potenzialgespräche: Talente sollten einerseits regelmäßig Rückmeldung über ihre Leistung und Entwicklung erhalten, anderseits auf Basis des Potenzialanalyse gemeinsame Ziele für die zukünftige Entwicklung definieren. • Fordernde Förderung: Herausfordernde Projekte, die eine hohe Relevanz für das Unternehmen haben. Wichtig ist, dass passende Projekte im Einklang des Potenzials (Stärken/Schwächen, Interessen, ideales Umfeld) ausgewählt werden. Dies steigert nicht nur die Motivation, sondern gewährleistet auch sehr gute Ergebnisse. www.strametz.de Talentmanagement im Mittelstand | 11 Fazit/Umsetzung Für eine erfolgreiche Einführung eines Talentmanagement-Ansatzes kann sich durchaus die Frage ergeben, wo überhaupt anzufangen ist. Im Folgenden sollen drei konkrete Ideen vorgestellt werden, die bereits eine gute Grundlage für den Start bieten: Workshop: Insbesondere in der Anfangsphase zum Thema Talentmanagement empfiehlt sich ein Workshop, um ein gemeinsames Verständnis und die zukünftige Ausrichtung zu definieren. Folgende Fragen sind relevant: • Was verstehen wir unter Talent? • Wie kann eine zukünftige Ausrichtung im Sinne der Unternehmensstrategie erfolgen? • Welche Ziele sollen mit dem Talentmanagement erreicht werden? • Wer wird für das Talentmanagement verantwortlich sein? • Wie können wir sicherstellen, dass das Talentmanagement erfolgreich ist? Talentmanagementkonzept durch Talente entwickeln lassen: Warum nicht direkt den potenziellen Talenten im Unternehmen ein Projekt für das neue Talentmanagementkonzept übertragen? So bietet man nicht nur eine herausfordernde und strategisch wichtige Aufgabe, sondern macht die Betroffenen zu Beteiligten. Zugleich wird Identität geschaffen und die Ernsthaftigkeit des Themas unterstrichen. Talentlandkarte bei ausgewählter Zielgruppe entwerfen: Definieren sie eine Pilotgruppe, z.B. junge Nachwuchskräfte, die weniger als zwei Jahre im Unternehmen sind. Mit und für diese Talente wird ein Talentcheck gemacht, d.h. es werden die Potenziale, Interessen und Möglichkeiten im Unternehmen erhoben und in einem einfachen Verfahren gematcht. Dabei erfährt man recht schnell, was sich die Talente wünschen, was sie erreichen könnten und was das Unternehmen auch perspektivisch bieten kann. So erhält man eine erste einfache Talentlandkarte. Ausblick Der Trend geht dahin, dass sich die Prozesse im Talentmanagement umkehren werden. Suchte man bisher bei bestimmten, definierten Stellenanforderungen nach Potenzialträgern, wird man künftig kontinuierlich Talente identifizieren und entwickeln, ohne konkrete Stellen im Blick zu haben. Die Unternehmen werden für die vorhandenen Talente passende Stellen suchen bzw. schaffen und nicht andersherum aufgrund eines Besetzungsbedarfs Talente suchen. www.strametz.de Talentmanagement im Mittelstand | 12 Die Autoren: Philipp Apke Berater für Talentmanagement [email protected] Michael Kühner Geschäftsführer Bildnachweis: Infografiken (Strametz & Associates GmbH) • Titelbild (Shutterstock - Goodluz), Seite 2 (Shutterstock - Pressmaster) [email protected] Zentrale Strametz & Associates GmbH • Josef-Wirmer-Straße 4 • 34414 Hansestadt Warburg Telefon: +49 (0)5641 77 64 0-0 • Telefax: +49 (0)5641 77 64 0-11 • E-Mail: [email protected] Weitere Standorte in Deutschland Bremen • Darmstadt • Düsseldorf • Nürnberg • Ravensburg www.strametz.de
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