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Zahl der fremdenfeindlichen Straftaten in Deutschland verdoppelt
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Zahl der fremdenfeindlichen Straftaten in Deutschland verdoppelt
Bericht: Christian Bergmann, Franziska Hentsch
Mohammed Mshinsh:
Frauen mit Kopftuch werden auf der Straße angegriffen, geschubst, beleidigt und diese
Geschichte höre ich fast jeden Tag in der letzten Zeit.
José Paca:
Dann lacht er, „Guck mal der Neger, jetzt mach ich dich kalt!“ und dann nimmt er eine
Pistole und sagt „Schau noch mal Neger, jetzt zerplatz ich deinen Schädel!“
José Paca aus Angola lebt seit 28 Jahren in Erfurt. Mohammed Mshinsh, geboren in Syrien,
seit 16 Jahren in Halle. Beide sind deutsche Staatsbürger, haben hier ein Zuhause und Arbeit
gefunden. Doch seit einigen Monaten werden sie oft wegen ihrer Herkunft angefeindet.
Deutschland verändert sich, auch für sie, die voll integriert sind. Die Stimmung ist enthemmt.
Gewalt - an der Tagesordnung. Leidtragende dieser Entwicklung sind vor allem Menschen
anderer Herkunft, egal wie lange sie hier schon leben.
Deutschlandweit hat sich im letzten Jahr die Zahl fremdenfeindlicher Straftaten fast
verdoppelt. Tendenz für 2016: steigend. Wie sich das im Alltag anfühlt, erlebt Familie
Mshinsh immer häufiger. Mara Mhsishn ist erst seit einigen Jahren hier und hat nach
verschiedenen Vorkommnissen mittlerweile Angst, allein vor die Tür zu gehen.
Marah:
Abends traue ich mich nicht mehr hieraus, wenn es dunkler ist, bleib ich lieber zu Hause.
Wenn nicht so viele Menschen da sind, kann es zu Problemen kommen, da hab ich Angst.
Aus gutem Grund. Marah Mshinsh erlebt seit etwa einem Jahr häufiger, dass Menschen sie
auf offener Straße heftig beleidigen und sie hasserfüllt anschauen. Vor allem in der
Straßenbahn. Teilweise ganz offen, direkt ins Gesicht.
Doch nicht nur auf der Straße sondern auch in Behörden sind Aggressionen gegenüber
Fremden spürbar. Mohammed Mshinsh begleitet syrische Flüchtlinge auf Ämter und
berichtet, dass sich im letzten Jahr die Haltung der Angestellten verändert hat. Sie seien oft
unfreundlich, schreien sogar. Verachtung stehe in den Gesichtern der Beamten.
Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers
verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Mohammed Mshinsh:
Das wird immer schlechter und schlechter, diese Missverständnisse, wenn der Flüchtling
auch sich schlecht behandelt fühlt, oder schlecht behandelt, der bleibt ruhig, der reagiert
sich nicht dagegen, weil er weiß, jetzt wird seine Akte behandelt er bleibt ganz ruhig,
obwohl er wird ganz schlecht behandelt.
Familie Mshinsh lebt gerne in Deutschland, Mohammed kann als Autohändler gut für die
Familie sorgen. Doch in den letzten Monaten macht er sich Gedanken vor allem um die
Zukunft seiner Kinder.
Mohammed Mshinsh:
Die Angst ist immer größer und größer. Aber in solchen Situationen will man nicht gerne
bleiben, wenn man diesen Hass auch merkt und dass man unwillkommen ist, dann
natürlich ich möchte nicht gern hier sein.
Der Anstieg fremdenfeindlicher Straftaten in Deutschland ist besorgniserregend. Besonders
extrem: in Sachsen haben sich die Zahlen im vergangenen Jahr knapp verdreifacht. In
Sachsen-Anhalt sogar fast vervierfacht. Das hat die Bundestagsabgeordnete Petra Pau durch
monatliche Anfragen beim Bundesinnenministerium zusammengetragen. Für sie sind die
Zahlen alarmierend:
Petra Pau: Unser Grundproblem, das zeigen auch diese Statistiken, ist ein tief in der Mitte
der Gesellschaft verwurzelter Rassismus, der längst nicht mehr nur durch organisierte
Rechtsextreme auch in Taten umgesetzt wird.
Das hat auch José Paca erlebt. Vor eineinhalb Jahren wurde ihm hier mitten in Erfurt mit
Mord gedroht.
José Paca:
Hier konnte mein Ende sein, habe ich gespürt mein Leben sein Ende.
Zwei Männer bedrängen ihn. Einer hat eine Pistole bei sich, der andere zückt ein Messer José Paca fürchtet um sein Leben.
Und er drehte sich hier, immer mit seinem Finger zu mir gegen meine Nase. Und alle
möglichen Beleidigungen. „Wir werden dich hier rauskriegen, irgendwie“ und dann lachte
er „jetzt machst du dir in die Hose, Bimbo?“ Wo sind deine Verräterfreunde? Du denkst du
bist der König hier?“
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Die Täter wurden nie ermittelt. Auch wegen solcher Aktionen hat es sich José Paca zur
Aufgabe gemacht, anderen Migranten zu helfen. So wie Familie Dagajew. José Paca
unterstützt sie bei alltäglichen Problemen, durch seine Mithilfe konnte sogar die
Krebserkrankung der Tochter entdeckt werden.
„Naja er hat uns sehr geholfen, er hat uns zum Beispiel zum Krankenhaus gefahren und
dort auch alles mit den Ärzten geregelt.
José Paca kam vor 28 Jahren in die DDR, um einen Beruf zu lernen. Seitdem lebt er hier,
arbeitet im Ausländerbeirat der Stadt Erfurt. Für sein Engagement hat er sogar das
Bundesverdienstkreuz erhalten.
Hier ist mein Bundesverdienstkreuz, das ist eine große Würde, die von der Anerkennung
der Bundesrepublik, aber trotzdem wenn ich auf der Straße bin, schützt mich sehr wenig,
denn von vornherein werde ich gesehen als Ausländer.
Für andere Fremde ist José Paca eine Vertrauensperson. Im letzten Jahr war er immer
häufiger Ansprechpartner für Gewaltopfern. Seine wichtigste Botschaft: nie den Mut
verlieren.
Viele, die zu mir kommen, die sagen, was sollen wir tun. Vielleicht werde ich hier sterben?
Sag ich „nein, werden sie nicht“ Kopf hoch, stell Anzeige oder hol immer Beistand.
Resigniert nicht.
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