Beständig gegen abrasive und korrosive Medien

16 Verfahrenstechnik RostfReieR stahl
Beständig gegen abrasive
und korrosive Medien
Aggressive Reinigungsmittel und abrasive Lebensmittel stellen
Anlagen und Maschinen auf eine harte Probe. Gehärteter, rostfreier
Stahl vereint Vorteile in sich, die das Ausgangsmaterial nicht hat.
Daher lohnt sich ein Blick «hinter die Kulissen».
D
ie Lebensmittel- und Getränkeherstellung gehört zu den «Diven» unter
den Industriebereichen. Sie stellt hohe
Ansprüche an Maschinen, Prozesse, Produktion und Lagerung. Ein Aspekt tritt
dabei besonders in den Vordergrund –
die Reinigung. Alle Anlagenkomponenten und Maschinen die mit Lebensmitteln und Getränken in direktem Kontakt
stehen, müssen sich zu 100 Prozent reinigen lassen und das möglichst einfach.
Aggressive Reinigungsmedien wie Säuren oder Laugen töten und beseitigen unerwünschte Mikroorganismen. Doch auf
die Dauer können sie auch unerwünschte
Auswirkungen auf Anlagen und Maschi-
nen haben. So zum Beispiel, wenn der
häufige Einsatz der Reinigungsmittel zu
Lochfrass und anderen Defekten führt.
Auch abrasive Medien, wie Getreide,
Zucker, Nüsse oder Schokolade können
Spuren beim verwendeten Maschinenmaterial hinterlassen. Kleine Kratzer,
Risse oder Löcher sind optisch kaum zu
erkennen, doch sie genügen Mikroorganismen als ideale Brutstätte.
rostfreier stahl. Damit korrosionsbedingte Schäden erst gar nicht auftreten, verwenden viele Betriebe Anlagen
und Komponenten, die aus rostfreiem
Stahl gefertigt sind. Je nach Anwendung
kommen sogenannte Austenite (Chrom-
LebensmitteL-technoLogie 5/15
Nickel-Stahl) in V2Aund V4A-Qualitäten
zum Einsatz. Diese
sind
korrosionsbeständig, doch besitzen
sie einen Nachteil: Ihre Oberfläche ist
weich und entsprechend ungeeignet in
leicht abrasiven Umgebungen.
Martensitischer Stahl ist härter als
austenitischer und daher wesentlich
verschleissfester. Doch das Material ist
weniger korrosionsbeständig. Was also
tun, wenn Anwendungen wie beispielsweise in der Schokoladenproduktion eine
Kombination von Härte und Korrosionsbeständigkeit verlangt?
stahl härten mit hard-inox. Eine innovative Methode, die seit rund fünf Jahren erfolgreich auf dem Markt besteht,
ist in der Lage Härte und Beständigkeit
zu kombinieren und die Vorteile des
Ausgangsstahls mit der gewünschten
Zusatzfunktion auszustatten. Das HardInox-Verfahren hat zwei Ausprägungen:
Beim Hard-Inox-P-Verfahren bringen
Experten Stickstoff mit hoher Temperatur
in die Stahloberfläche ein und können so
Messer, regelkegel von Ventilen und andere komponenten sind mit der hard-inox-Behandlung optimal für ihren harten Job vorbereitet
LebensmitteL-technoLogie 5/15
die Härteumwandlung vollziehen. Das Resultat ist eine erhöhte Oberflächenhärte
mit einer verbesserten Korrosionsbeständigkeit. «Dieses Verfahren lässt sich gut
bei martensitischem Stahl nutzen. Wir
können damit bei diesem rostfreien Stahl
eine erhöhte Verschleissfestigkeit und
eine erhöhte Korrosionsbeständigkeit erzeugen», erklärt Patrick Margraf, Werkstoffingenieur bei der Härterei Gerster.
Das Hard-Inox-S-Verfahren ist im
Prinzip eine Art des Nitrierens, das bei
relativ tiefen Temperaturen stattfindet. «Damit können wir austenitischen
Werkstoffen, die von ihrer Struktur ‹butterweich› aber korrosionsbeständig sind,
eine harte Oberfläche verleihen. Die
Korrosionsbeständigkeit bleibt erhalten,
doch wir können gleichzeitig die Härte
um das drei- bis sechsfache des Grundmaterials erhöhen», sagt der Experte.
Beide Verfahren erzeugen eine sogenannte Diffusionsschicht, die eine
neue Struktur in die Oberfläche bringt.
Somit kann auch bei starker Belastung
die Schicht nicht «abplatzen», sondern
ist ein untrennbarer Teil der Oberfläche.
RostfReieR stahl Verfahrenstechnik 17
Trotz der Korrosionsbeständigkeit haben
die Fachleute der Härterei ein Phänomen
festgestellt: «Bei starken Säuren kann die
Oberfläche anlaufen und dunkel werden.
Doch das ist weder Korrosion noch Oxidation. Es ist lediglich eine Farbänderung,
die keine Auswirkung auf die Materialeigenschaften oder auf Lebensmittel hat.
Der Stahl ist tadellos und absolut sicher
für die Nutzung in der Getränke- und Lebensmittelindustrie», meint Margraf.
einsatz in der Praxis. Aufgrund der
besonderen Eigenschaften der gehärteten Stähle ist ihr Einsatzgebiet gross. Besonders in hygienesensiblen Bereichen,
in denen Unternehmen teilweise mehrmals täglich mit aggressiven Reinigungsmedien arbeiten, ist eine hohe Standfestigkeit gefordert.Auch auf dem Gebiet der
abrasiven Lebensmittel, wie etwa in der
Schokoladenherstellung, sind gehärtete
Werkstoffe dem Ausgangsmaterial weit
überlegen. Ventile, Pumpen, Messer oder
Dichtungsgehäuse aus gehärtetem Stahl
sind bereits erfolgreich im Einsatz. Echte
Praxistauglichkeit erlangt ein gehärteter,
rostfreier Stahl erst, wenn er seine Korro-
sionsbeständigkeit nach dem Härten beibehält. Dies war bisher mit klassischen
Verfahren nicht generell der Fall.
Gleich zu Beginn und nicht erst mittendrin. Die Entscheidung gehärtete Werkstoffe zu nutzen, sollte nicht erst fallen,
wenn es bereits zu Problemen gekommen ist. Für den Spezialisten ist der Anfang einer Planung der beste Zeitpunkt:
«Die Idee in der Lebensmitteltechnologie,
gehärtete Inox-Werkstoffe zu verwenden,
ist noch nicht sehr weit verbreitet. Daher
kommt es häufig vor, dass Anlagen- und
Maschinenkomponenten aus nicht gehärteten Werkstoffen immer wieder zum
Problemfall werden, die teure Reparaturen oder gar den kompletten Austausch
zur Folge haben. Das geht auf die Dauer
ins Geld, was sich jedoch vermeiden lässt.
Planen Lebensmittelbetriebe die Anschaffung oder den Retrofit einer Anlage, lohnt
es sich, in der Planungsphase mehrere
Partner an einen Tisch zu holen. So sollte
neben dem Planungsingenieur und dem
Anlagenbauer auch ein Werkstoffexperte
im Team sitzen, denn zusammen lassen
sich optimale Lösungen erarbeiten und
Schwachstellen gleich von Anfang an
verhindern», meint der Fachmann. Doch
auch bei wiederkehrenden Problemen
ist es für gehärteten Stahl nicht zu spät.
Die Experten sehen sich vor Ort die Situation an und können werkstoffbedingte
Verbesserungen vorschlagen. Bei Unsicherheiten, ob eine Massnahme erfolgversprechend ist, können die Fachleute
auch verschiedene Versuche durchführen
und so die Materialoptimierung anpassen. Eine Beratung ist in jedem Fall eine
Chance zur Verbesserung der Anlagenund Maschinenverfügbarkeit.
Redaktion l
Weitere informationen:
hard-inox-stähle lassen sich für unterschiedliche anwendungen nutzen, z. B für Medizintechnik
härterei Gerster aG, www.gerster.ch