Turo Pedretti. Eine Retrospektive Kunstmuseum Solothurn, Ganzes Parterre: 7. März bis 25. Mai 2015 Der Bündner Künstler Turo (Arturo) Pedretti (1896 ̶ 1964) gehört zu den bedeutenden Schweizer Malern, die nach dem Zweiten Weltkrieg der Gegenständlichkeit treu blieben und in ihrer Auseinandersetzung mit der expressionistischen Maltradition des eigenen Landes, vor allem mit Giovanni Giacometti (1868 ̶ 1933) und Cuno Amiet (1868 ̶ 1961), aber auch mit Ernst Ludwig Kirchner (1880 ̶ 1938), Edvard Munch (1863 ̶ 1944) und Henri Matisse (1869 ̶ 1954), neue Wege fanden. Mit der umfangreichen, rund 100 Exponate umfassenden Ausstellung, die Meisterwerke aus 50 Schaffensjahren, von 1914 bis 1964 zusammenfasst, wird retrospektive Gültigkeit angestrebt. Zugleich ermöglicht ein Schwerpunkt auf der Kunst der fünfziger Jahre eine Revision der gegenständlichen Nachkriegskunst, die oft unterschätzt wird. Einem ähnlichen Ziel widmete sich 2012 bereits die Solothurner Ausstellung Treidelpfade. Gegenständliche Schweizer Malerei aus der Sammlung (1920 ̶ 1970), in der auch zwei Werke von Turo Pedretti zu sehen waren. Zu Solothurn pflegte der Künstler enge Verbindungen: Hier fand im Todesjahr 1964 die letzte Einzelausstellung des Künstlers statt, eine unter dem Patronat des Kunstvereins Solothurn stehende Präsentation im hiesigen Berufsschulhaus. Bereits 1953 war er, wohl auf Vorschlag des Solothurner Sammlers und Museumskustos Josef Müller (1887 ̶ 1977), als Gast zur Weihnachtsausstellung ins Museum eingeladen. Die letzten Museumsausstellungen für Turo Pedretti liegen lange zurück: 1996 zeigte das Segantini Museum St. Moritz eine grosse Werkauswahl zum 100. Geburtstag, und 1984 waren dem Künstler Einzelausstellungen im Bündner Kunstmuseum Chur und in der Kartause Ittingen gewidmet. Seit kurzem findet das Werk neue Aufmerksamkeit: Eine neue Monographie mit begleitendem Film zum Leben und Schaffen des Künstlers ist erschienen, die als Begleitpublikation zu unserer Ausstellung angeboten wird. Die Retrospektive ist weitgehend chronologisch angelegt und erstreckt sich über alle sieben Säle des Parterres. Die von Pedretti häufig verwendeten Gattungen Landschaft, (Selbst-)Porträt, Stillleben, Genre- und Tierbild sind alle vertreten. Punktuell werden sie in Motivgruppen zusammen gezogen; oft aber entscheidet die spezifische Palette oder der Malduktus über die jeweiligen Nachbarschaften. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den zauberhaften Winter- und Nachtlandschaften sowie auf den Tierbildern des passionierten Jägers, Fischers und Hundefreundes. Die existenzielle Thematik, die sich vorerst an Jagdstillleben zeigt, wird im eindringlichen Spätwerk auch in Darstellungen von trauernden oder alten Menschen spürbar. Mit den letzten Bildern der 1960er Jahre, in denen der Malduktus immer freier, die Farbe immer dünner wird, findet die Ausstellung ihren eindrucksvollen Abschluss. Neben Pedrettis Gemälden, die zuweilen durch ihre zarte Poesie, weit häufiger aber durch ihre vitale Kraft und Verdichtung überzeugen, wird auch eine Auswahl seiner meisterhaften Aquarelle gezeigt. Ihre zeichnerische Fulminanz und Entschiedenheit, aber auch ihr Einbezug des weissen Grundes haben seine Malerei wesentlich geprägt. In Vitrinen ausgelegte Fotos und Dokumente, u.a. zum fatalen Lawinenniedergang von 1951, bei dem die Familie ihr Haus in Samedan verlor, doch mit viel Glück ihr Leben retten konnte, erklären die enge Verbindung zwischen Biografie und Schaffen. Dank der engen Zusammenarbeit mit den Erben des Nachlasses, die uns aus einer reichen Zahl von Werken auswählen liessen, kann das Schaffen nun in seiner ganzen Breite und Qualität vorgestellt werden. Daneben sind Meisterwerke aus privatem und öffentlichem Besitz zu sehen, vor allem aus dem Bündner Kunstmuseum Chur. Ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm (siehe Einladungskarte) trägt zur Vermittlung des Schaffens, seiner Themen und Rezeption bei. Christoph Vögele
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