Béatrice Stucki Gewerkschaftssekretärin bern Monbijoustrasse 61 3007 Bern Fon 031 371 67 45 Fax 031 372 42 37 [email protected] [email protected] Bern, 21. April 2015 Erziehungsdirektion des Kantons Bern Herrn Regierungsrat Bernhard Pulver Sulgeneckstrasse 70 3005 Bern Bildungsstrategie 2016; Vernehmlassung Sehr geehrter Herr Erziehungsdirektor Sehr geehrte Damen und Herren Wir danken Ihnen bestens für die Gelegenheit, zu Ihrem Entwurf der Bildungsstrategie 2016 Stellung nehmen zu können. Neben dem gewerkschaftlichen Fokus auf die Arbeits- und Anstellungsbedingungen werden wir uns auch zu bildungspolitischen Themen äussern. Wir haben mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, dass die Erziehungsdirektion unter der Leitung von Herrn Regierungsrat Pulver bemüht ist, Ruhe in den Schulalltag zu bringen und die „Reformitis“ auf ein Minimum zu beschränken. Trotzdem lassen die Ergebnis der Belastungsumfrage des Verbandes der Lehrpersonen Kanton Bern LEBE aufhorchen: hier sind die Reformen und Änderungen immer noch Belastungsfaktor Nummer 1. Diesem Aspekt muss in der Bildungsstrategie zwingend Aufmerksamkeit geschenkt werden, insbesondere auch mit Blick auf die Einführung des Lehrplan21. Damit steht ein grosser Aufwand, auch bezüglich Weiterbildungen, an. Zu den einzelnen Kapiteln Kapitel 1: Grundlagen, Grundsätze, Herausforderungen Wir schätzen die formulierten Grundsätze, wie beispielsweise die aktive Beteiligung der Lehrpersonen und Schulleiter/innen an der Weiterentwicklung des Unterrichts oder die Absichtserklärung, dass die Anstellungs- und Arbeitsbedingungen sowie die Entlöhnung zeitgemäss sein sollen. Wichtig aus Sicht des vpod ist sicher auch die finanzielle Stabilität, die angestrebt wird. All dies ist für eine zukunftsorientierte Bildungspolitik zwingend. Viele der in Kapitel 1.2 aufgenommenen Themen sind aus Sicht des vpod elementar und wir bedauern, dass sie nur kurz aufgegriffen und wenig vertieft werden: Schweizerischer Verband des Personals öffentlicher Dienste ssp Syndicat suisse des services publics Ssp Sindacato svizzero dei servizi pubblici ssp Sindicat svizzer dals servetschs publics Seite 2 Chancengleichheit Es fehlt ein Verweis auf das Thema der Abschaffung von Noten und Versuchen von selektionsfreien Schulmodellen. Weiter sind Themen wie Integration bzw. Inklusion elementar für die Chancengleichheit von Schüler/innen mit einer Beeinträchtigung. In diesem Zusammenhang weisen wir auch auf die UN-Behindertenrechtskonvention hin, welche von der Schweiz unterzeichnet worden ist. Verbunden damit ist die Verpflichtung zur Chancengleichheit, zu einem inklusiven Bildungssystem auf allen Ebenen und zu lebenslangem Lernen mit dem Ziel, Menschen mit einer Behinderung die volle Teilnahme in der Gesellschaft zu ermöglichen. Kinder mit einer Behinderung dürfen auf keiner Stufe der Bildungsphase aus dem öffentlichen Bildungswesen ausgeschlossen werden. Sie sollen die Schulen in ihrer Wohngemeinde absolvieren, dazu notwendige Einrichtungen sind zu gewährleisten, ebenso der notwendige Support. Die strukturellen Massnahmen sind individuell so anzupassen, dass ein maximaler schulischer wie sozialer Erfolg und die volle Inklusion erreicht werden. Der Artikel regelt weiter den Zugang zu Braille-Schrift (Punktschrift) oder Gebärdensprache. Ganz wichtig sind aber auch Aussagen zur Ausbildung der Lehrkräfte und insbesondere die Forderung, auch Lehrkräfte mit einer Behinderung auszubilden. Angesichts dieser Verpflichtung und dem bereits bekannten Anstieg der Zahl von Kindern mit zusätzlichem Bedarf an Begleitung in der Schule (höhere Überlebenschancen von Kindern mit einer Behinderung; Vermehrte Diagnose von Asperger-Autismus / Asperger-Syndrom muss die Bildungsstrategie des Kantons Bern diesbezüglich zwingend ergänzt werden. Übergänge und Durchlässigkeit Zur grösstmöglichen Durchlässigkeit müsste aus Sicht des vpod angestrebt werden, dass die Schüler/innen von der Eingangsstufe bis zum neunten Schuljahr in derselben Klasse verbleiben können. Kapitel 2: Bildung im Kanton Bern – Rückblick und Stand der Arbeiten Die Übersicht über die zahlreichen Projekte ist sehr interessant und zeigt auf, an wie vielen „Fronten“ in den letzten Jahren in der Bildungspolitik gearbeitet worden ist. Dies ist beeindruckend und dafür gebührt ein Dank sowohl Ihrer Direktion wie auch den Lehrpersonen, die für die Umsetzung der Projekte letztlich verantwortlich sind. Wir nehmen zu folgenden Projekten Stellung: Familienfreundliche Schule Aus Sicht des vpod kann dieses Projekt nicht als abgeschlossen gelten. Obwohl die Grundlagen vorhanden sind, muss aus unserer Sicht der Kanton weiterhin aktiv bleiben, Tagesschulen propagieren und fördern. Wichtig wären auch Vorschläge in Richtung Ganztagesschulen und insbesondere der Anstoss von Angeboten zur Betreuung der Schulkinder während den Ferien. Aus gewerkschaftlicher Sicht sollte der Kanton auch klare Anstellungsbedingungen für alle Mitarbeitenden an Tagesschulen definieren. Insbesondere kleine Gemeinden scheinen mit dieser Aufgabe überfordert, wie entsprechende Anfragen der Anstellungsbehörden bei uns zeigen. Integrativere Volksschule Die Integration von Kindern mit erhöhtem Begleitungsbedarf scheint sich gemäss Rückmeldungen, die wir erhalten, gut etabliert zu haben. Hingegen nehmen wir mit Besorgnis zur Kenntnis, dass einige heilpädagogische Schulen lange Wartelisten haben und Eltern oft grosse Schwierigkeiten haben, einen geeigneten Schulstandort für ihr Kind zu finden. Es ist deshalb Seite 3 dringend, dass dieser Bereich endlich in der Erziehungsdirektion zusammengefasst wird und so aus einer Hand geplant und umgesetzt werden kann. Weiter weisen wir auf unsere Bemerkungen zum Thema Chancengleichheit hin. Aus Sicht des vpod kann dieses Kapitel deshalb noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden. Personalpolitik Anstellungspolitik Wir nehmen die Absicht des Regierungsrates, für ein konkurrenzfähiges Gehalt für die Lehrpersonen besorgt zu sein, mit Genugtuung zur Kenntnis. Bleibt zu hoffen, dass das Parlament die entsprechenden, notwendigen Mittel zur Verfügung stellen wird. Stärkung und Unterstützung der Schulleitungen und Lehrpersonen Das Aufrechterhalten entlastender Massnahmen für Lehrpersonen und Schulleitungen ist aus gewerkschaftlicher Sicht dringend. Dazu gehört jedoch auch, dass Doppelspurigkeiten vermieden werden und der administrative Aufwand auf einem Minimum gehalten wird. Der „Papierkram“ wird von vielen Lehrpersonen als belastend empfunden und oftmals wird dessen Sinn in Frage gestellt. Kapitel 3: Strategische Ausrichtung der kantonalen Bildungspolitik Die drei Handlungsfelder Pädagogischer Dialog, Anstellungsbedingungen und Stabile Rahmenbedingungen und die dazu formulierten Unterkapitel erachten wir als wichtig und informativ. Volksschule und Mittelschule In diesem Abschnitt fehlt uns eine Aussage zur Förderung von Mädchen/jungen Frauen im Bereich der MINT-Fächer. Mit Blick auf Gleichberechtigung und Fachkräftemangel fehlt diese wichtige Gender-Frage völlig. In einem Kapitel, welches die strategische Ausrichtung beschreibt, muss aus Sicht des vpod dazu eine Aussage erfolgen. Berufsbildung und Hochschulen Mit Besorgnis nehmen wir zur Kenntnis, dass der Anteil Anstellungen, welche über Drittmittel finanziert wird, mehr und mehr zunimmt. Dies führt für die Dozent/innen und wissenschaftlichen Mitarbeitenden immer mehr zu häufig sehr unsicheren und damit oft prekären Anstellungen. Es ist uns deshalb ein grosses Anliegen, dass der Regierungsrat die Finanzierung dieser Bildungsinstitutionen nicht der Wirtschaft überlässt, sondern diese Institute mit ausreichender Finanzierung sichert. Wir sind überzeugt, dass der in Kapital 3.2.3 erwähnte fehlende wissenschaftliche Nachwuchs auch abhängig ist von der erwähnten Prekarisierung aufgrund der unsicheren Einkommen. Nach der Abstimmung vom 9. Februar 2014 zur „Masseneinwanderungs-Initiative“ besteht die Gefahr, dass die schweizerischen Hochschulen vom internationalen Austausch in Forschung und Entwicklung abgeschnitten werden. Wie will der Regierungsrat der Gefahr dieser Isolation begegnen? Was ist seine Strategie? Dazu fehlt eine Aussage in der vorliegenden Bildungsstrategie, was entsprechend ergänzt werden sollte. In der Strategie fehlt auch eine Absichtserklärung zur Berner Fachhochschule: Wo positioniert sich die Schule im gesamtschweizerischen Kontext? Wie stellt sich der Regierungsrat zur Standortfrage? Wir regen an, hier Ergänzungen vorzunehmen. Seite 4 Wir danken Ihnen, wenn Sie unsere Anregungen und Bedenken bei der Überarbeitung der Bildungsstrategie aufnehmen. Mit bestem Dank und freundlichen Grüssen Béatrice Stucki, Gewerkschaftssekretärin
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