Mammographiescreening und Gynäkologische Vorsorge: Aktuelle Kontroversen 2. Traunsteiner Krebskongress 18. April 2015 PD Dr. Christian Schindlbeck Frauenklinik, Klinikum Traunstein Klinikum Traunstein 1 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Der Spiegel, 30, 2014 Klinikum Traunstein 2 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Hintergrund des Mammographie-Screenings Mammakarzinom häufigster bösartiger Tumor von Frauen Inzidenz in D ca. 75.000 / Jahr (RKI 2014) Sterblichkeit ca. 18.000 / Jahr Zunahme der Inzidenz aber: Reduktion der Sterblichkeit seit Mitte der 90er Jahre! Ursache: Früherkennung? (Mammographie) Verbesserte Therapien? Klinikum Traunstein 3 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Reduziert das Mammographiescreening die Brustkrebs-Sterblichkeit? Insgesamt 11 random. Studien , z. T. aus den 1970er und 80er Jahren Independent UK Panel on Breast cancer Screening. The benefits and harms of breast cancer screening: an independent review. Lancet. 2012;380(9855):1778–1786. Klinikum Traunstein 4 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Independent UK Panel on Breast cancer Screening. The benefits and harms of breast cancer screening: an independent review. Lancet. 2012;380(9855):1778– 1786. Klinikum Traunstein 5 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München 2002 Beschluss des Dt. Bundestages zur Einführung eines Mammographiescreenings gemäß den „European quality assurance guidelines“ Einladungs-basiertes Screening für Frauen zwischen 50. und 70 LJ Aktuell haben 11 EU Staaten ein Screening Programm, in 7 ist dies im Aufbau Evaluationsbericht 2011: • Einladungsquote 93 % • 2,7 Mio Frauen nehmen jedes Jahr teil • Teilnehmerrate 56 % Klinikum Traunstein 6 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Deutsche Ergebnisse lt. Kooperationsgemeinschaft M.-Screening: - Von 1000 teilnehmende Frauen erhalten 952 einen negativen Befund, - 48 haben einen auffälligen Befund (recall-Rate, < 5%) 12 erhalten eine Biopsie, 6 davon haben Brustkrebs (50 % Positivität) Von diesen haben 19 % ein in situ Karzinom, 81% der entdeckten invasiven Karzinome sind < 2cm - Geschätzt: ohne Mammographie-Screening 5 Brustkrebs-bedingte Todesfälle pro 1000 Frauen, mit Screening 3 - 4, entspricht einer Reduktion von 20 % 1000 Frauen müssen gescreent werden, um 1-2 Brustkrebs-bedingte Todesfälle zu vermeiden Klinikum Traunstein 7 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Kritikpunkte: • Falsch-positive Befunde → unnötige invasive Abklärungen • Detektion von Vorstufen, die evtl. nie klinisch relevant werden (20 % DCIS) • Falsch-negative Befunde → 0,2 % Intervallkarzinome • Vorverlegung von Diagnosen, längeres Leben als Brustkrebs-Patientin • Kosten (ca. 220 Mio € / Jahr). • Bindung von Ressourcen Klinikum Traunstein 8 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Fazit: • Die Senkung der Brustkrebs-Sterblichkeit fällt vermutlich geringer aus als erhofft, ist aber vielleicht auch der falsche Zielparameter! • Die Entdeckung von Vor- und Frühstadien kann eine schonendere Therapie bedeuten, z. B. die Vermeidung von Chemotherapien • Die komplementäre Diagnostik aus Anamnese, klinischer Untersuchung, Mammographie und Sonographie (MRT) wäre besser (aber auch teurer!) • Entscheidend: individuelle Lebensqualität (für den einen mit, für den anderen ohne Vorsorge!) Screening: Ja! (nach objektiver Aufklärung der Patientin über die Vor- und Nachteile) Klinikum Traunstein 9 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München 62 j Pat, im Screening 11 x 10 x 11 mm großer susp. Herd re 5h 14.04.15 Histo: Mamma-CA, pT1c (12mm), G1, pN0 (0/2 SLN), ER / PR pos (12/6), HER2 neg. Empf.: Bestrahlung und antihormonelle Therapie Klinikum Traunstein 10 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Gynäkologische Vorsorge - Zervixkarzinom - Weltweit ist das Zervixkarzinom der zweithäufigste maligne Tumor der Frauen und steht an erster Stelle in der 3. Welt. - Weltweit ca. 530.000 neue Fälle pro Jahr, 275.000 Todesfälle - In Deutschland ca. 4600 Neuerkrankungen / Jahr - Inzidenz 1980: 20 / 100.000 / Jahr 2012: 8,2 / 100.000 Frauen Ursache des Rückgangs: KVU (seit 1971)! Klinikum Traunstein Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Altersgipfel Zervix-Ca: 40-45 Jahre Klinikum Traunstein Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Zervixkarzinom – Ursache Humanes Papilloma Virus (HPV) Wichtigster Faktor für die Entstehung eines Zervixkarzinoms: Infektion mit versch. Typen (>100 bekannt) von HPV Übertragung v. a. sexuell, auch durch Schmierinfektionen Low risk: Typ 6,11, v.a. Condylomata accuminata (Feigwarzen) High risk: Typ 16,18,31,33,35, Nachweis bei >95 der ZervixCAs Impfung möglich und sinnvoll! Klinikum Traunstein Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Zervixkarzinom – HPV Klinikum Traunstein Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München HPV-Infektion • Prävalenz HPV bei Frauen 15. - 20. Lj: 40 % (>35. Lj: 5%) • Persistenz 20-40 % • HPV-HR positiv: 5 -40 % entwickeln zytologische Auffälligkeiten Kofaktoren, die das Risiko von HPV-positiven Frauen beeinflussen, ein invasives Karzinom zu entwickeln, sind • Rauchen! • Immunsuppression • HIV-Infektion • andere genitale Infektionen (Chlamydien, Herpes) Klinikum Traunstein Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Primäre HPV-Testung anstatt PAP-Abstrich? Frauenarzt, 55, 9 / 2014 Klinikum Traunstein Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Vergleich Zytologie vs. HPV-Test -Canadian Cervical Cancer Screening Trial (CCCaST): 10154 Frauen 30 – 69 Jahre, Sensitivität für CIN II-III bei HPV Test höher (Mayrand et al., NEJM 2007) -Ronco et al., Lancet Oncol 2010, Ital. Studie, 87370 Frauen: Reduktion von Fällen mit Zervix-CA (0 vs 9 Fälle) bei Kontrolluntersuchung -Population Based Screening Study Amsterdam (POBASCAM): 40000 Frauen 30-59 Jahre: weniger CIN III Fälle nach HPV Testung (Rijkaart et al., Lancet Oncol. 2012) -Leinonen et al, Finnland: 100000 Frauen HPV falls positiv Zytologie vs prim Zytologie: höhere Sensitivität durch HPV Test -Katki et al, Lancet Oncol 2010: 331818 Frauen, niedrigste Inzidenz ZervixCa durch Kombination HPV-Test und Zytologie Höhere Sensitivität für CIN II-III durch HPV-Test Höhere Spezifität der Zytologie Häufigere Detektion von CIN II durch prim. HPV-Test: Übertherapie? Klinikum Traunstein Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Amerikanische Empfehlungen (ACOG): - Beginn mit 21. Lj. - 21 – 29 Lj: Zytologie alle 3 Jahre - Ab 30 Lj: Zytologie alle 3 Jahre oder Zytologie + HPVTest alle 5 Jahre - bis 65 Lj., falls kein Risiko - kein Screening nach Hysterektomie American Society for Colposcopy and Cervical Pathology (ASCCP): „Can consider primary HPV testing every three years for women age ≥ 25 years“ Klinikum Traunstein Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Deutsche Situation - Neuorganisation des Screenings? IQWiG rapid report 11.06.2014: „..für den Endpunkt CIN III und invasives Zervixkarzinom ergab sich ein Hinweis auf einen Nutzen einer HPV-Diagnostik allein oder in Kombination …Konnte keine Empfehlung für eine bestimmte Screeningstrategie ausgesprochen werden. Bisher „opportunistisches Screening“ mit Empfehlung der jährlichen KVU „Krebsfrüherkennungs- und Registergesetz“ (KFRG) vom 3. April 2013 – Nationaler Krebsplan: § 25a, 1, Untersuchungen zur Früherkennung von Krebserkrankungen….…sollen als organisierte Krebsfrüherkennungsprogramme angeboten werden. Diese Programme umfassen … die regelmäßige Einladung der Versicherten in Textform zur Früherkennungsuntersuchung „ AWMF-Leitlinie „HPV-Infektion / präinvasive Läsionen des weiblichen Genitale: Prävention, Diagnostik und Therapie“ zur Zeit in Überarbeitung Klinikum Traunstein 19 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Fazit: Ergänzung um HPV Testung in bestimmten Kollektiven sinnvoll Aber: Das deutsche Krebsvorsorge-Modell incl. PAP-Test ist ein Erfolgsmodell! Die jährliche gyn. Untersuchung dient mehreren Zielen: Inspektion des Genitale, Tastuntersuchung (Myome, Endometriose?), Sonographie, Brustuntersuchung, Beratung: Kontrazeption, Kinderwunsch, Hormonsubstitution, Lifestyle u. v. m Klinikum Traunstein 20 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Vielen Dank! Klinikum Traunstein 21 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München
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