Thema: Handchirurgie - Ärzteblatt Thüringen

Fachbeiträge – Thema
Thema: Handchirurgie
Die Prothetik des Handgelenkes
Reinhard Friedel
Einleitung
Der totale Gelenkersatz für Hüfte, Kniegelenk und Schulter gehört heute in unfallchirurgisch-orthopädischen Einrichtungen zu den standardisierten Routineeingriffen. Derzeit werden in Deutschland jährlich ca. 135.000 Hüfttotalendoprothesen implantiert. Im Gegensatz
dazu liegt die Zahl der implantierten
Handgelenkprothesen bei etwa 100 (Unfallchirurg 2/2005). Die Handgelenkendoprothetik ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinesfalls als standardisierter
Eingriff bei Panarthrosen des Handgelenkes allgemein anerkannt. In vielen
Einrichtungen gilt die Handgelenkarthrodese bei ausgedehnter Destruktion
des Radiokarpalgelenkes oder bei rheumatischer Zerstörung immer noch als
Therapie der Wahl. Die komplette Versteifung des Handgelenkes ist jedoch
eine unphysiologische und die Funktion
des Handgelenkes erheblich einschränkende Maßnahme. Bei der posttraumatischen Handgelenkarthrose konnte gezeigt werden, daß die signifikante
Schmerzreduktion mit deutlicher Funktionseinschränkung erkauft werden
muß. In der Literatur wird angegeben,
daß bei bis zu 30 % der Patienten nach
Handgelenkarthrodese noch Beschwerden persistieren. Darüber hinaus klagen
Patienten bei der kompletten Handgelenkversteifung über zum Teil erhebliche
Einschränkungen bei Tätigkeiten des
täglichen Lebens. Nach Untersuchungen
von Brumfield und Mitarbeiter ist ein
durchschnittlicher Bewegungsradius des
Handgelenkes von 50 Grad Extension /
Flexion für die meisten Tätigkeiten des
täglichen Lebens ausreichend.
Alternative Verfahren wie Teilversteifungen und Resektion der proximalen Reihe
(PRCE) zeigen eine vergleichbare
Ausgabe 11 / 2007 18. Jahrgang
Schmerz­reduktion bei deutlich besserer
Restfunktion des Handgelenkes. Prommersberger und Krimmer konnten zeigen, daß nach der radio-skapho-lunären
Fusion die Griffkraft um 21 kp, bei der
STT-Fusion um 6 kp und bei der mediokarpalen Teilarthrodese (Four-corner Fusion) um 30 kp verbessert werden konnte.
Alle drei Operationstechniken führten
zu einer signifikanten Veminderung der
Schmerzen bei vertretbarer Restbeweglichkeit. Es konnte gezeigt werden, daß
mit der RSL-Fusion bei Destruktion des
radio-karpalen Gelenkabschnittes, mit
der STT-Fusion bei STT-Arthrose und
Lunatumnekrose sowie skapholunärer
Dissoziation und mit der mediokarpalen
Teilarthrodese bei karpalem Kollaps moderne und leistungsfähige Verfahren zur
Verfügung stehen, die im Vergleich zur
kompletten Handgelenkarthrodese ein
besseres funktionelles Ergebnis erzielen.
Die Schmerzreduktion der drei genannten Verfahren ist mit der kompletten
Handgelenkarthodese durchaus vergleich­
bar. Bei noch guter Restbeweglichkeit des
Handgelenkes leistet die Denervierung
nach Wilhelm zumindestens für einen
begrenzten Zeitraum gute Dienste.
Geschichte der
Handgelenkendoprothetik
Basierend auf biomechanischen und klinischen Erkenntnissen, hat in den letzten
20 Jahren ein stetiger Entwicklungsprozeß in der Handgelenkprothetik stattgefunden.
Um der hochkomplexen physiologischen
und anatomischen Situation des Handgelenkes gerecht zu werden, wurden bereits in den 1960er Jahren weiche Silastikprothesen nach Swanson eingeführt.
Die Silikonprothese (1. Generation) ist
Prof. Dr. Wolfgang Pfister
Dr. Reinhard Friedel
vom Konstruktionsprinzip ein dynamischer Platzhalter und war letztlich die
große Version der bewährten SwansonFingergelenkprothese. Die Gelenkstabilisierung und langfristige Korrektur der
Gelenkfehlstellung sind abhängig von
der Rekonstruktion der Weichteilführung im Sinne des „encapsulation process“. Die Silikonspacer konnten die resultierenden Kräfte im Handgelenk nicht
kompensieren. Trotz der Weiterentwicklung zum festeren HP-Elastomer - spacer
(1974) und die Einführung von Titan
Grommets (Stützschalen) 1984 konnten
Materialermüdungsbrüche und Silikon­
abriebsynovialitis mit zystischem Knochenumbau nicht verhindert werden.
Nach anfänglich guten Ergebnissen mit
der Swanson-Arthroplastik zeigte der Literaturvergleich, daß nach durchschnittlich 5 Jahren mit einer dramatischen Verschlechterung der klinischen und radiologischen Ergebnisse zu rechnen war.
Die katastrophalen Spätergebnisse der
Swanson-Spacer beschleunigten die Entwicklung neuer arthroplastischer Techniken zum Ersatz des destruierten Handgelenkes.
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Die 2. Generation der Handgelenkprothesen wurde simultan in den frühen
1970er Jahren von Volz und Meuli für
Patienten mit Rheumatoidarthritis entwickelt. Es handelte sich um zementiert
verankerte Zweikomponentenprothesen
mit einer Metall-Polyethylenfläche. Beide
Prothesen hatten eine karpale Komponente mit 2 stems zur Fixation im 2. und
3. Metakarpalknochen. Die Meuli-Prothese verwirklichte in Anlehnung an die
Hüftendoprothetik das Kugelgelenk, welches theoretisch eine höhere Beweglichkeit als im normalen Handgelenk ermöglichte. Das ungekoppelte Design und das
nach radial verschobene Rotationszentrum führten regelmäßig zu einer ulnaren Deviationsfehlstellung. Die Lockerung und Dislokation der radialen Komponente wurden oft zum Problem. Die
stems erodierten dorsal durch die Ossa
metacarpalia und der radiale Kopf migrierte in Richtung Karpaltunnel, was
sehr häufig zum Karpaltunnelsyndrom
führte. Trotz Verbesserung des Designs
(MWP3 Protasul, zementfrei 1986) konnte die resultierende Imbalance und die
Lockerungstendenz nur unwesentlich
korrigiert werden. 1997 berichtete Meuli
über 40 Implantate bei 35 Patienten, welche die Meuli-III-Prothese (Titan, zementfrei) erhielten, die 1986 eingeführt
wurde. 38 Patienten waren zur Nachuntersuchung mit einem Follow-up von 5,5
Jahren erschienen. 33 Patienten berichteten über eine deutliche Verbesserung bei
Tätigkeiten des täglichen Lebens. Bei 8
Patienten mit radiologischen Lockerungszeichen waren Revisionsoperationen erforderlich. Durch die Modifikation konnte nur das Problem der Dysbalance infolge der inkorrekten Drehpunktrekonstruktion erfolgreich gelöst werden. Unverändert hoch war mit 22% der Anteil
der karpalen Lockerung, so daß dieser
Prothesentyp nahezu vollständig verlassen wurde.
Die Volz-Prothese hatte ein teilweise gekoppeltes Design, welches eine ausgedehnte Flexions-/ Extensionsbewegung
bei reduzierter Radial-/ Ulnarabduktion
und nahezu keine Rotation erlaubte. Obwohl dieser Prothesentyp eine geringere
Lockerungsrate zeigte, hatte das modifizierte Kugeldesign ähnliche ImbalanceProbleme wie die Meuli-Prothese. Lam-
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berta berichtete 1980 über 30 Patienten
mit Volz-Prothesen mit einem Follow-up
von 5,5 Jahren. Davon klagten 22% über
Imbalance-Probleme, und bei 12 % waren
Revisionsoperationen erforderlich. Menon berichtete über eine Komplikationsrate von 44 % und eine erforderliche Reoperationsrate von 33 % bei 18 Patienten.
Trotz Verbesserung des Designs der VolzProthese mit Annäherung der Rotationszentrums an die Achse des Os capitatum
wurde diese Technik weitestgehend verlassen. Die erste teilgekoppelte Prothese
wurde 1977 von Figgie et al. entwickelt.
Eine locker gekoppelte zentrale Achse ermöglichte eine volle Extension / Flexion
und 15 Grad Radial- und Ulnardeviation.
Über die Spätergebnisse der teilgekoppelten trisphärischen Figgi-Prothese gibt es
nur wenige Publikationen. 1989 berichteten die Erfinder der Prothese über 35
Patienten mit einem durchschnittlichen
Nachuntersuchungszeitraum von 9 Jahren. Bei 6 Patienten wurden durchgescheuerte Sehnen beobachtet. Sieben
Patienten zeigten röntgenologische Lockerungszeichen, und bei 2 Patienten waren Revisionsoperationen erforderlich.
1997 berichteten Lorei et al. über 87 Patienten mit einem durchschnittlichen
Nachbeobachtungszeitraum von 8,7 Jahren. Bei über 9% waren Revisionsoperationen durchgeführt worden. Davon waren 5 Arthrodesen, 1 Resektionsarthroplastik und 3 Implantatwechsel erforderlich.
Auf Grund der beschriebenen Probleme
mit dem Kugeldesign entwickelten Cooney und Beckenbaught aus der MayoKlinik 1983 eine anatomische ungekoppelte Prothese (BIAX-Prothese). Zeitgleich wurde in Frankreich von Alnot
die GUEPAR-Prothese entwickelt. Beide
Hand­gelenkprothesen waren teilzementiert und hatte eine transversal orientierte ellipsoidale Gelenkfläche, welche der
natürlichen radio-karpalen antero-posterioren Gelenkkontur sehr ähnlich war.
Bei der BIAX- Prothese wurde der Karpus, bei der GUEPAR der Radiusanteil
zementiert. Die radiale Komponente wurde mit einem einzelnen großen stem
zum Os metacarpale IV und einem kleineren stem zur Basis des 2. Os metacarpale versehen. Die distale Komponente
hatte eine porös gestrahlte Oberfläche
zur Zementfixation. 1996 berichteten
Cobb und Beckenbaugh über 46 Patienten mit BIAX- Implantaten mit einem
Follow-up von 6,5 Jahren. 62 % zeigten
eine deutliche Besserung, 30 % eine Besserung, und nur bei 4% zeigte sich eine
deutliche Verschlechterung.
Der mittlere „Range of motion“ lag bei 36
Grad Extension, 29 Grad Flexion, 10 Grad
Radialdeviation und 20 Grad Ulnardeviation. 8 Patienten wurde eine Lockerung
der distalen Komponente, 1 Infektion, 1
Luxation und 1 Patient mit erheblicher
Bewegungseinschränkung beobachtet.
Zur Revisionsarthroplastik und für Patienten mit Osteoporose wurde eine Modifikation mit Fixation in der distalen Komponente in mehreren Metakarpalia entwickelt. Trotzdem blieb auch bei der BIAX-Prothese die Lockerung der distalen
Komponente ein ungelöstes Problem.
Kretschmar berichtete 2004 anläßlich
des 45. Symposiums der DAH in Bad
Neustadt über die Ergebnisse von 42 BIAX-Prothesen, welche von 2001 – 2003
implantiert worden waren. Es handelte
sich überwiegend um Patienten mit posttraumatischen Arthrosen. Nach anfänglich guten Ergebnissen (1 Jahr) zeigten
sich im weiteren Verlauf erhebliche Probleme mit der distalen Komponente mit
Lockerungen, Dislokation und Polyäthylenabschliff. Fünf BIAX-Prothesen wurden in Handgelenkarthrodesen umgewandelt. Bei 4 Patienten erfolgte die Umwandlung der BIAX-Prothese in die
Universal-II-Prothese der Fa. KMI. In 2
Fällen war die Entfernung von störenden
Knochenfragmenten erforderlich. In 3
Fällen war die sekundäre Ellenkopfresektion wegen fortschreitender Arthrose des
DRUG notwendig.
Die von Menon 1988 entwickelte ungekoppelte UTW-Prothese (Universal Total
Wrist; 3. Generation) verfügte über ein
völlig neues Design der karpalen Komponente. Die Fixation der karpalen Komponente erfolgte nun über einen zentralen
stem zum Os capitatum und über 2 weitere Schrauben in den radialen und ulnaren Teil des Karpus. Somit wurde die
biomechanisch ungünstige starre Verbindung zu den Metakarpalia verlassen
und damit die Kraftübertragung dem natürlichen Handgelenk angepaßt. Es er-
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folgte zusätzlich eine interkarpale Arthrodese mit Spongiosaanteilen des resezierten Karpus. Die Gelenkoberfläche
des karpalen Trägers entspricht sehr genau der Gelenkkontur der proximalen
karpalen Reihe. Die radiale Komponente
erhielt die physiologische Inklination des
Radius von 20 Grad. Über verschiedenen
Größen des Polyethyleninlets wurde die
erforderliche Weichteilspannung einstellbar. Die gegebenenfalls später erforderliche Versteifung des Handgelenkes wird
durch das Konzept der limitierten Resektion des Karpus erleichtert.
Tatsächlich zeigten die ersten veröffentlichten Ergebnisse von Menon bei 37
UTW-Prothesen innerhalb von 6,7 Jahren in keinem Falle eine Lockerung des
karpalen Trägers. In einer weiteren Studie mit 57 Patienten wurde in 2 Fällen die
Lockerung der zementierten radialen
Komponente beobachtet. Die UTW-Prothese führte in 90 % der Fälle zu einer
guten Schmerzreduktion und einem range of motion (ROM) von 36 Grad Extension, 41 Grad Flexion 7 Grad Radialabduktion und 13 Grad Ulnardeviation. Bei 6
von 57 Patienten wurden Luxationen beobachtet, die teilweise durch operationstechnische Fehler bedingt waren.
In unserem Krankengut beobachteten
wir nur eine Luxation einer UTW-I-Prothese nach Implantation nicht zueinander passender Größen (radiale Komponente: small, karpale Komponente: medium). Nach Austausch der karpalen Komponente und temporärer Anlage eines
Fixateur externe zeigte sich ein glatter
weiterer Verlauf.
Die noch vorhandene Luxationstendenz
der UTW-I-Prothese führte nach ausgiebigen biomechanischen Untersuchungen
durch Brian Adams et al. (Orthopädische
Klinik der Universität Iowa) zur Entwicklung der UTW-II-Prothese, welche im 1.
Quartal 2003 in Europa zum klinischen
Einsatz kam (Abb. 1). Der karpale Träger
wie auch der Schaft verfügen über eine
zusätzliche Titanium-Porous-CoatingBeschichtung zur Verbesserung des
Knocheneinwachs­verhaltens. Die zementfreie Implantation und der Erhalt
des Radioulnargelenkes sind mit dem
neuen Design möglich. Das Offset der
radialen Komponente ermöglicht einen
Ausgabe 11 / 2007 18. Jahrgang
Abb.1. Total Wrist Implant, “UNI2”, designed durch Prof. Brian Adams, Orthopädische
Klinik der Universität Iowa und des KMI Engineering Department.
anatomisch angepaßten Sitz des Implantates. Das Poly-Design erzeugt durch seine semi-ellipsoidale Form (American
Football) einen flächenhaften Kontakt
mit weniger Abrieb. Das ursprüngliche
Poly-Design der UTW-Prothese verfügte
nur über eine punktförmige Kraftübertragung. Das Polyethyleninlet überdeckt
den Metallträger vollständig und wird im
Gegensatz zum UTW-Inlet eingeklippt.
Damit wurde eine höhere Rotationsstabilität erreicht.
Auch beim Instrumentarium wurden
deutliche Fortschritte erzielt. Das integrierte Resektionsraspelsystem gewährleistet einen exakten Implantatsitz. Die
modulare Bohrführung und eine zusätzliche Größe X-small führten zu einer
deutlichen Verbesserung des alten Instrumentariums.
Ziel der prothetischen Versorgung
des Handgelenkes
Trotz der Forderung der Frühsynovektomie und einem differenzierten Therapiekonzept bei der destruktiven Rheumatoid­
arthritis des Handgelenkes muß bei ca.
20 % mit fortschreitenden Destruktionen
der Larson-Stadien 4–5 gerechnet werden. Die Versteifung des Handgelenkes
bei ausgedehntem Knochenverlust gewährleistet beim Rheumatiker auch heute noch eine dauerhafte stabile und
schmerzfreie Funktion. Etwas günstiger
liegen die Verhältnisse bei posttraumatischen und deshalb meist einseitigen De-
struktionen des Handgelenkes, da hier
keine generelle Schädigung des Weichteilmantels vorliegt (Synovialitiden, Sehnenrupturen).
Gerade beim Rheumapatienten mit Tendenz zur multiplen Gelenkzerstörung
fehlen die notwendigen Kompensationsmöglichkeiten der Nachbargelenke. Einschneidende Funktionsdefizite der gesamten Extremität sind zu erwarten.
Deshalb wird die Indikation zur Versteifung des Handgelenkes beim Rheumapatienten auf deutlich instabile Handgelenke mit ausgeprägten knöchernen Mutilationen, zusätzlichen Sehnenrupturen
und Fehlschlägen nach Prothesenversorgung beschränkt. Schmerzhaft destruierte Handgelenke der Larson-Stadien 4–5
mit ausreichendem Knochenlager, intakten Handgelenkmotoren und korrigierbarer Weichteildysbalance sind Indikationen
zur prothetischen Versorgung mit Prothesentypen der 3. Generation (UTW II,
Moje-Prothese). Diese Prothesentypen
der 3. Generation ermöglichen auch den
Rückzug auf die Handgelenkarthrodese.
Um der Schlüsselrolle des Handgelenkes
für die Gebrauchsfunktion der gesamten
Hand gerecht zu werden, muß die rekonstruktive Versorgung ein schmerzfreies
und ausreichend stabiles Gelenk mit einem funktionellen Bewegungsradius sicherstellen. Dabei ist die Bedeutung der
dominanten Hand durchaus mit zu
berücksichtigen. Posttraumatische Destruktionen des Handgelenkes bieten auf
Grund des einseitigen Vorkommens, der
meist intakten Nachbargelenke und der
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fehlenden generalisierten destruktiven
Synovialitis prinzipiell günstigere Bedingungen für die Handgelenkprothetik.
Beide Patientengruppen sind deshalb bei
der Indikationsstellung und dem Outcome keinesfalls vergleichbar.
Allgemeine Ziele der Behandlung:
Schmerzreduktion,
Erhalt einer basalen Beweglichkeit
(50 Grad ROM),
funktionell günstigere Alternative zur
Totalversteifung,
Verbesserung der Lebensqualität,
dauerhafte Lösung.
Indikationen für die Handgelenk­
prothese
Die aktuelle Literaturübersicht über gängige Handgelenkprothesen der 3. Generation bestätigt, daß die moderne Handgelenkprothetik noch weit hinter den Erfolgen der Hüft- und Knieendoprothetik
hinterherhinkt. Im Zentrum der Entscheidung Arthrodese oder Prothese
steht der individuelle Patient mit seiner
objektiven Situation, seinen Wünschen
und seinem Funktionsanspruch. Das Alter und der Beruf des Patienten spielen
eine wesentliche Rolle bei der Indikationsstellung. Die heute zur Verfügung
stehenden Handgelenkprothesen sind
keinesfalls für Schwerarbeiter geeignet.
Man sollte sich auch sehr hüten, durch
Senkung der Indikationsschwelle „Erfahrungen“ mit einem neuen Prothesentyp
zu sammeln, um einer möglichen Mengenregelung gerecht zu werden. Strenge
Indikationsstellung, gute Patientencompliance, ausgefeilte atraumatische Operationstechnik und eine lückenlose individuelle Nachsorge sind Garanten für gute
Spätergebnisse mit der heute zur Verfügung stehenden Handgelenkprothetik.
Alternative Verfahren wie Teilarthrodesen, Arthrodesen und Denervierung des
Handgelenkes sollten vor Indikationsstellung mit dem Patienten ausgiebig besprochen und in eine mögliche Therapieoption einbezogen werden. Das Einholen
einer Zweitmeinung durch Patienten
und /oder Operateur ist eine durchaus
positive Ergänzung zur definitiven Indikationsstellung. Die Verbesserung der
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Er­­geb­nisse und der direkte Vergleich des
Outcome werden in den nächsten Jahren
durch die Aufnahme der Handgelenkprothetik in das nationale Prothesenregister (Prof. Martini, Heidelberg) möglich
werden. Die Patienten erhalten ein Merkblatt zum Aufklärungsgespräch, in dem
noch einmal Behandlung, Erfolgsaussichten, Operationstechnik, Komplikationen und erforderliche Nachbehandlung
mit einfachen Worten erklärt werden.
Zusätzlich erhalten die Patienten einen
Prothesenpaß mit Hinweisen auf den
Prothesentyp und das Implantationsdatum. Ähnlich wie bei Herzklappenpatienten sollen nachfolgende kleinere Eingriffe wie Zahnextraktionen usw. unter
Antibiotikaschutz durchgeführt werden,
um hämatogene Protheseninfektionen
zu vermeiden.
Die Indikationen ergeben sich aus dem
therapieresistenten Handgelenkschmerz
bei:
degenerativer Handgelenkarthrose,
posttraumatischer Arthrose,
SLAC und SNAC-Wrist,
arthritischer Zerstörung des Handgelenkes,
Ankylosen, nicht korrigierbaren
Fehlstellungen, Instabilität,
infektbedingten Destruktionen des
Handgelenkes.
Kontraindikationen:
chronische persistierende Infektion,
systemische Infektionen,
dystropher porotischer Knochen,
unzureichende lokale Weichteilver­
hältnisse,
Schwerarbeiter,
unzureichende Compliance des
Patienten.
Nachbehandlung nach Arthroplastik
des Handgelenkes
Die Patienten erhalten postoperativ für 4
Wochen eine dorsale Unterarmschiene,
welche einen freien Faustschluß ermöglicht. In der 1. Woche werden Bewegungsübungen der Finger, des Ellenbogengelenkes und der Schulter mit Entstauung
durch Lagerung und Lymphdrainage
durchgeführt. Die Patienten verbleiben
mindestens 14 Tage unter stationärer
Kontrolle. Die meistens vorhandene massive Schwellung des Handrückens bedarf
einer zusätzlichen medikamentösen Therapie mit einem Antiphlogistikum sowie
Bromelain.
Ab der 2. postoperativen Woche erfolgt
die temporäre Freigabe aus der Schiene
mit aktiven Bewegungsübungen bis
30/0/30 Grad Extension und Flexion.
Abb.2a. 70jährige Patientin mit einer Panarthrose des rechten Handgelenkes ohne
erinnerliches Trauma. Präoperativ bestehen nur noch schmerzhafte Wackelbewegungen des
Handgelenkes mit „karpalem Kollaps“.
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Gelenke und zusätzlichen synovialitischen Sehnenschäden.
Andererseits muß man feststellen, daß
Patienten mit einseitiger Arthrodese
und Arthroplastik auf der anderen Seite
die prothetische Versorgung mit
schmerzgeminderter Restbeweglichkeit
der Versteifung des Handgelenkes vorziehen. Mit der UTW-II- Arthroplastik
steht eine moderne ungekoppelte
Handgelenkprothese der 3. Generation
zur Verfügung, mit der seit fast 20 Jahren gute Erfahrungen bestehen. Bei
strenger Patientenauswahl und subtiler
Operationstechnik sind unsere Erfahrungen bezüglich Schmerzreduktion,
Patientenzufriedenheit und Beweglichkeit mit einem Follow-up bis zu 6 Jahren als sehr gut einzuschätzen.
Abb. 2b. Verlaufskontrolle 6 Wochen nach Implantation einer zementfreien UTW-IIProthese mit Erhalt des distalen Radio-Ulnargelenkes. Die Beweglichkeit des rechten
Handgelenkes ist schmerzfrei durchführbar und liegt bei: Extension 35 Grad, Flexion 10
Grad, Radialabduktion 20 Grad, Ulnarabduktion 10 Grad. Pronation und Supination sind
vollständig möglich.
Die aktive Radial- und Ulnaraduktion
wird mit 10 Grad begrenzt. Supination
und Pronation werden aktiv vollständig
durchgeführt.
Ab der 5. Woche wird die Schiene nur
noch als Nachtlagerungsschiene verwendet. Es kann zusätzlich gegen Widerstand und passiv geübt werden.
Ab der 9. – 12. Woche wird die Belastung schrittweise aufgebaut.
Ab dem 3. Monat ist eine normale Belastung möglich. Generell sind auf Dauer
Schlag, Gewalt und schwere Kraftanwendungen zu vermeiden. Nach stationärer Entlassung sind wöchentliche
ambulante Kontrollen erforderlich.
Vorstellungen zur Nachbehandlung
und Nachuntersuchung in der operierenden Klinik sollten nach der Operation, nach 4 Wochen, 8 Wochen, 12 Wochen und 6 Monaten mit Röntgenkontrollen erfolgen. Weitere Nachuntersuchungen werden nach 1 Jahr, 3 Jahren
und 10 Jahren durchgeführt. Wir haben
seit 2001 mit der Implantation von
UTW-Prothesen bei Patienten mit posttraumatischen und degenerativen Destruktionen des Handgelenkes begon-
Ausgabe 11 / 2007 18. Jahrgang
nen. Bei den 8 bisher operierten Patienten konnte eine signifikante Schmerzreduktion mit deutlicher Verbesserung
der Kraft und Beweglichkeit erreicht
werden.
Bei 6 Patienten wurde der präoperative
DASH-Wert ( Disability Arm and Shoulder) von 72 auf 43 verbessert. Alle Patienten würden einer prothetischen Versorgung erneut zustimmen. An Komplikationen beobachteten wir eine operationstechnisch bedingte Luxation und
eine Strecksehnenruptur (Abb2a, 2b).
Über ähnlich gute Ergebnisse wird von
Kretschmar et al. nach einer ersten Serie von 20 UTW-II-Prothesen berichtet.
Literatur beim Verfasser.
Dr. med. Reinhard Friedel
Unfallchirurg/ Handchirurg
Oberarzt
Leiter Funktionsbereich Hand-, Mikround Plastische Chirurgie
Klinik für Unfall- Hand- und
Wiederherstellungschirurgie
Universitätsklinikum Jena
Erlanger Allee 101
07740 Jena
Zusammenfassung
Die Handgelenkarthrodese ist auch
heute noch eine sichere Methode zur
Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung nach irreversibler Destruktion des gesamten Hahndgelenkes. Dies
gilt insbesondere für die rheumatische
Arthritis mit sehr eingeschränkter
Knochenqualität, Beteiligung multipler
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