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Industrie 4.0
Aufgaben der Produktionsplanung im
Kontext von Industrie 4.0
Thorben Kuprat, Jonas Mayer und Peter Nyhuis, Institut für Fabrikanlagen und Logistik,
Leibniz Universität Hannover
In heutigen Produktionssystemen leisten die Aufgaben der Produktionsplanung und -steuerung (PPS) einen erheblichen Beitrag zur effizienten Durchführung von Produktionsprozessen. Die entscheidende Schnittstelle zwischen
der prognosebasierten Planung und ihrer produktionsnahen Umsetzung bildet
der Austausch von Plan- und Rückmeldedaten. Es ist zu erwarten, dass sich Entwicklungen im Zuge der Industrie 4.0 in einer Steigerung der Datenqualität und
-aktualität widerspiegeln werden und so zu verbesserten Ergebnissen im Rahmen der Produktionsplanung führen. In dem vorliegenden Beitrag werden die
Aufgaben der Produktionsplanung hinsichtlich ihrer Entwicklungspotenziale
im Kontext der Industrie 4.0 beleuchtet.
In einem von Globalisierung, steigender Produktvariantenvielfalt und einer wachsenden
Marktdynamik geprägten Wettbewerbsumfeld stehen heutige Unternehmen vor der Herausforderung, eine hohe Logistikleistung bei
gleichzeitiger Minimierung der Logistikkosten
zu gewährleisten. Heutige PPS-Systeme sind
kaum noch in der Lage, diese Herausforderung
zu bewerkstelligen [1]. Als Antwort auf die genannten Entwicklungen und zum gleichzeitigen Ausbau der führenden Position des Produktionsstandorts Deutschland steht Industrie
4.0 im Fokus der Forschung und Industrie. Aufbauend auf einer durchgängigen Vernetzung
Cyber-Physischer Systeme (CPS) steht als zentrale Vision der Industrie 4.0 ein sich selbst organisierendes und steuerndes Netzwerk von
Arbeits-, Transport- und Lagersystemen [2]. In
diesem Zusammenhang stellen CPS um Sensoren und eingebettete Systeme erweiterte
physikalische Systeme innerhalb der Produktion dar, die mittels Aktoren auf physikalische
Vorgänge einwirken und über digitale Netze
untereinander verbunden sind [3, 4]. In einem
Verbund bilden CPS ein Cyber-Physisches Produktionssystem (CPPS). In einem CPPS tauschen CPS (bspw. Maschinen, Lagersysteme,
Betriebsmittel) eigenständig Informationen
aus, treffen Entscheidungen und steuern sich
gegenseitig [5].
Durch eine Vernetzung von CPS zu einem CPPS
ist die Notwendigkeit einer übergeordneten
Planung der Produktionsprozesse in Frage zu
stellen. Auf Basis von Kundendaten hinsichtlich
der Produktkonfigurationen und der Wunsch-
Functions of Production Planning in the
Context of Industrie 4.0
In today’s production systems the functions of
production planning and control (PPC) have a
significant impact on an efficient performance
of production processes. The decisive interface
between the prognosis based planning and
its operative realization can be seen in the exchange of plan data and production feedback
data. It is to be expected that developments in
the context of Industrie 4.0 lead to an increase
in data quality and actuality. Based on these
improvements improved production planning
results can be achieved. In the present paper
the main functions of production planning will
be discussed in detail and their development
potential with regard to Industrie 4.0 will be
pointed out.
termine stellt die Möglichkeit
einer durchgängigen Steuerung
der Produktionsprozesse durch
CPS ohne zentrale Planung ein
grundsätzlich vorstellbares, neuKeywords:
es Paradigma in der Produktion
production planning, Industry 4.0, cyber-physidar. Kurzfristige Störungen incal systems, cyber-physical production systems
nerhalb der Produktion können
durch die dezentralen Strukturen in CPPS am Entstehungsort durch CPS
kompensiert werden und Verzögerungen im
Auftragsabwicklungsprozess an nachfolgende
CPS kommuniziert werden. Direkte Kommunikationswege zwischen CPS erfordern anscheinend keine übergeordnete Planungsinstanz.
Thorben Kuprat M. Sc. ist wissenDie Grundlage für ein CPPS wird jedoch weiterhin, wie in vielen bestehenden Produktionssystemen implementiert, durch eine zentrale
Produktionsplanung zu bilden sein. Über miteinander vernetzte, dezentrale CPS wird die Produktionsplanung befähigt, eine kontinuierlich
sich selbst aktualisierende Planungsdatenbasis
zu schaffen [6]. Als wesentliche Aufgaben einer
zentralen Produktionsplanung innerhalb eines
CPPS sind bspw. eine aktuelle Datenhaltung
von Stamm-, Auftrags- und Rückmeldedaten
sowie die Bereitstellung eines Terminplans aller zu bearbeitender Aufträge zu nennen [7].
schaftlicher Mitarbeiter in der Fachgruppe Produktionsmanagement am
Institut für Fabrikanlagen und Logistik
der Leibniz Universität Hannover.
Jonas Mayer M.Sc. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Fachgruppe
Produktionsmanagement am Institut
für Fabrikanlagen und Logistik der
Leibniz Universität Hannover.
Aufgaben der Produktionsplanung
Der ursprüngliche Fokus der Produktionsplanung und -steuerung umfasst die Aufgaben
der Material- und Zeitwirtschaft. Über die Ausweitung des PPS-Begriffs durch Hackstein, die
Prof. Dr.-Ing. habil. Peter Nyhuis
leitet das Institut für Fabrikanlagen
und Logistik der Leibniz Universität
Hannover.
[email protected]
www.ifa.uni-hannover.de.
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Industrie 4.0
den vollständigen Produktionsprozess und
zusätzlich angegliederte Bereiche wie den
Einkauf oder den Versand miteinbezieht, adressiert die heutige Produktionsplanung und
-steuerung zunehmend das gesamte Unternehmensnetzwerk [8].
Die bereits 1989 durch Hackstein aufgezeigten Ziele der PPS wie bspw. eine hohe Termintreue, die Realisierung kurzer Durchlaufzeiten,
geringe Bestände und eine gleichmäßige und
hohe Auslastung der Kapazitäten [8, 9] gelten
auch noch heute als wesentliche wettbewerbsrelevante logistische Zielgrößen [10]. Eine
gleichzeitige Maximierung der Zielstellungen
durch die Erfüllung von Planungs- und Steuerungsaufgaben ist aufgrund konträrer Zielerreichungsstrategien jedoch nicht möglich. So
kann bspw. eine hohe Termintreue gegenüber
dem Kunden durch hohe Fertigwarenbestände
erreicht werden. Das ausgegebene Bestandsziel, möglichst geringe Halbfabrikat- und Fertigwarenbestände zu realisieren, wird dadurch
nicht unterstützt. Dieser Aspekt muss bei der
Durchführung planungs- und steuerungsrelevanter Entscheidungen berücksichtigt werden,
sodass je nach Unternehmensstruktur und Unternehmensziel unterschiedliche Zielprioritäten durch die PPS verfolgt werden können [9].
Bild 1: Planungs- und
Steuerungsebene innerhalb eines Cyber-Physischen Produktionssystems.
Einhergehend mit der Erweiterung des Geltungsbereiches für die PPS haben sich auch
die Aufgaben der PPS gewandelt. Der Produktionsplanung wurden von Hackstein die Funktionsgruppen Produktionsprogrammplanung,
Mengenplanung und Termin- und Kapazitätsplanung zugeordnet. Im Bereich der Produkti-
onssteuerung fallen sowohl die Auftragsveranlassung als auch die Auftragsüberwachung an
[9]. Im sogenannten Aachener PPS-Modell wird
zusätzlich zu den Kernaufgaben Produktionsprogrammplanung, Produktionsbedarfsplanung, Fremdbezugs- und Eigenfertigungsplanung und -steuerung auch die Einbettung des
Unternehmens in ein Unternehmensnetzwerk
berücksichtigt. Querschnittsaufgaben, die das
Auftrags- und Bestandsmanagement sowie
das Controlling umfassen, bilden ebenfalls einen Aufgabenschwerpunkt [8].
Bei der Ausgestaltung des Produktionsprogramms werden sowohl bereits feststehende
Kunden- und betriebsinterne Aufträge als auch
zusätzliche prognostizierte Aufträge berücksichtigt. Ergebnis der Produktionsprogrammplanung ist eine Übersicht über die Anzahl an
Endprodukten, die je Planungseinheit (z. B. Woche oder Monat) zu produzieren sind.
Das Produktionsprogramm geht direkt in die
Produktionsbedarfsplanung als Eingangsgröße ein. Hier werden die Ressourcen, die für
die Realisierung des Produktionsprogrammes
notwendig sind, geplant. Dafür werden zunächst die Sekundärbedarfe ermittelt und sich
für eine geeignete Beschaffungsart (Fremdbezug oder Eigenfertigung) entschieden.
Anschließend gilt es zu ermitteln, welche Arbeitssysteme, welches Personal und welche
weiteren Betriebsmittel zur Realisierung der
eigenzufertigenden Teile benötigt werden.
Erste Terminierungen erfolgen ebenfalls in der
Produktionsbedarfsplanung auf einem groben
Planungslevel.
Cyber‐Physisches Produktionssystem
Planungs‐
ebene
Datenaustausch
Datenanpassung
Rückmelde‐
daten
Datenanpassung
Plan‐
daten
Daten‐
schnittstelle
Stamm‐
daten
Auftrags‐
daten
Datenaustausch
Steuerungs‐
ebene
Zulieferer
Produzierendes Unternehmen
Kunde
Lieferkette
Cyber‐Physische Systeme
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Die aus der Produktionsbedarfsplanung resultierenden
Ergebnisse gilt es in der Eigenfertigungsplanung weiter
zu detaillieren. Hier sind konkretere Informationen bzgl.
der Ressourcenverfügbarkeit
vorhanden. Eine detaillierte
Terminierung und Ressourcenplanung sowie die zentrale
Aufgabe der Losgrößenbestimmung erfolgt in diesem
Planungsschritt.
An diese Planungsschritte
schließt sich in einer weiteren und detaillierteren Realisierung des Produktionsprogrammes nun die Steuerung
der Eigenfertigung an. Hier
werden die in der Planung
vorgegebenen Maßgaben hin-
Industrie 4.0 Management 31 (2015) 2
Industrie 4.0
Genauigkeitsgrad der Planung [%]
Potenziale durch Industrie 4.0
Ungenauigkeit der Planungsverfahren
Verspätete Rückmeldung der Daten
Datenfehler
Störeinflüsse
Bild 2: Potenziale
hinsichtlich der Planungsgenauigkeit
durch Industrie 4.0
[9, 12].
sichtlich der Menge und der Termine mithilfe
von Steuerungsmaßnahmen (Auftragserzeugung, Auftragsfreigabe, Reihenfolgebildung
und Kapazitätssteuerung) realisiert [11].
Anforderungen an die Produktionsplanung im Kontext der Industrie 4.0
Als wesentliche Aufgabe der Produktionsplanung ist die Koordination von produktionsseitigen Entscheidungsträgern hinsichtlich eines
übergeordneten Zielsystems zu benennen. Alle
© Institut
für Fabrikanlagen
undim
Logistik
Entscheidungen,
die
Rahmen der Produktionssteuerung, bspw. durch CPS auszuführen
sind, sind auf dieses Zielsystem auszurichten.
Im Rahmen der Produktionsplanung ist ein zielsystemorientiertes Grundgerüst hinsichtlich der
Bedarfs-, Termin- und Kapazitätsplanung zu erstellen. Dieses Grundgerüst stellt eine Planung
vorhandener Kapazitäten der CPS dar, wobei ein
steter Datenaustausch zwischen dem Planungssystem und der CPS für eine hohe Aktualität
und Güte der Planung sorgt. Kurzfristige Änderungen in der Auftragsreihenfolge, Maschinenausfälle oder Fehlteilsituationen können ohne
zeitliche Verzögerungen an die Produktionsplanung gemeldet und dort berücksichtigt werden.
Durch eine zentrale Planungsinstanz ist es möglich, Abhängigkeiten und Wirkzusammenhänge
zwischen CPS im Auftragsabwicklungsprozess
zu berücksichtigen.
Neben der zielsystemkonformen Ausrichtung
der produktionsseitigen CPS kommt der Produktionsplanung die Aufgabe zu, eine durchgehende Abstimmung zwischen Zulieferern,
der unternehmensinternen Auftragsabwicklung und dem Kunden zu ermöglichen. In
diesem Zusammenhang sind folgende Aufgabenfelder zu benennen, die im Kontext von
Industrie 4.0 durch eine zentrale Produktionsplanungsinstanz weiterhin zu bewerkstelligen
sein werden:
• Lieferkettenübergreifende Überwachung
des Auftragsfortschritts
• Prognostizierung zukünftiger Bedarfe im
Rahmen der Produktionsprogrammplanung
Zeit
• Langfristige Planung zukünftig notwendiger Kapazitäten (unternehmensintern und
-extern)
• Erstellung einer Planung in Form von Bedarfs-, Termin- und Kapazitätsplanung
Lieferkettenübergreifend bietet eine zentrale
Produktionsplanung die Möglichkeit, den Auftragsfortschritt zu überwachen und ggfs. Maßnahmen bei möglichen Terminverzögerungen
einzuleiten. Um eine bedarfsgerechte Materialversorgung in CPPS realisieren zu können,
ist eine Prognostizierung zukünftiger Bedarfe durchzuführen und Beschaffungsaufträge
sind zu vergeben. Insbesondere lange Wiederbeschaffungszeiten für Rohmaterialien oder
Zukaufteile machen eine langfristige Materialplanung notwendig. Aus einer zukunftsorientierten Produktionsprogrammplanung und
der hieraus prognostizierten Bedarfe lässt sich
das zukünftig bereitzustellende Kapazitätsangebot ableiten. Eine hohe Flexibilisierung von
Ressourcen im Zuge der Industrie 4.0 erleichtert die Anpassung des Kapazitätsangebots an
die tatsächliche Nachfrage. Nichtsdestotrotz
bleibt eine langfristige Kapazitätsplanung auf
Basis prognostizierter Bedarfe unabdingbar,
um auf starke Nachfrageschwankungen reagieren zu können. Zur Unterstützung der Steuerungsaufgaben von CPS bietet eine zentrale
Produktionsplanung die Möglichkeit, eine Planung hinsichtlich der Bedarfe, Auftragstermine
und notwendiger Kapazitäten durchzuführen.
Auf Basis dieser Planung kann im Anschluss
eine dezentrale Steuerung von Aufträgen unter Berücksichtigung terminlicher oder kapazitiver Restriktionen durch CPS erfolgen.
1
Zusammenfassend ist festzustellen, dass der
Produktionsplanung im Kontext der Industrie
4.0 insbesondere die Aufgabe zukommt, die
Koordination der übergeordneten Lieferkette
zu bewerkstelligen (Bild 1). Demgegenüber
werden Aufgaben der Produktionssteuerung
wie z. B. die Reihenfolgebildung von Aufträgen
durch CPS durchgeführt, wobei sie sich nach
wie vor direkt auf die Ergebnisse der Planung
berufen.
13
Industrie 4.0
Literatur
[1] Westkämper, E.; Bauernhansl,
T.:
Produktionssteuerung.
In: Schuh, G.; Stich, V. (Hrsg):
Enterprise-Integration. Berlin
Heidelberg 2014.
[2]Russwurm, S.: Software: Die
Zukunft der Industrie. In:
Sendler, U. (Hrsg): Industrie
4.0 – Beherrschung der industriellen Komplexität mit SysLM. Berlin Heidelberg 2013, S.
21-36.
[3] Broy M.; Geisberger E. (Hrsg):
Integrierte Forschungsagenda Cyber-Physical Systems
(acatech STUDIE). Heidelberg
2012.
[4]acatech (Hrsg): Cyber-Physical Systems: Driving force for
innovation in mobility, health,
energy and production (acatech POSITION PAPER), Heidelberg u. a. 2011.
[5]
acatech
(Hrsg):
Umsetzungsempfehlungen für das
Zukunftsprojekt
Industrie
4.0 – Abschlussbericht des
Arbeitskreises Industrie 4.0.
2013.
[6] Reinhart, G. u. a.: Cyber-physische Produktionssysteme:
Produktivitäts- und Flexibilitätssteigerung durch die
Vernetzung
intelligenter
Systeme in der Fabrik. In: wt
Werkstattstechnik online 103
(2013) 2, S. 84-89.
[7]Spath, D. (Hrsg): Ganschar,
O.; Gerlach, S.; Hämmerle, M.;
Krause, T.; Schlund, S.: Produktionsarbeit der Zukunft – Industrie 4.0. Stuttgart 2013.
[8]Schuh, G. (Hrsg): Produktionsplanung und -steuerung.
Grundlagen, Gestaltung und
Konzepte, 3. Auflage. Berlin
Heidelberg 2006.
[9] Hackstein, R.: Produktionsplanung und -steuerung (PPS).
Ein Handbuch für die Betriebspraxis. Düsseldorf 1989.
[10]
Nyhuis, P.; Wiendahl, H.-P.:
Fundamentals of Production
Logistics. Theory, Tools and
Applications. Berlin 2009.
[11]
Lödding, H.: Verfahren der
Fertigungssteuerung, 2. Auflage. Berlin Heidelberg 2008.
[12]Thomas, W.: Entwicklung
und Erprobung einer Methode zur Bestimmung der
Wirtschaftlichkeit organisatorischer Maßnahmen in der
Fertigungssteuerung. Dissertation, Aachen TH 1979.
[13]Forrester, J. W.: Industrial Dynamics. Cambridge, Mass.
1969.
[14]Nyhuis, P.; Mayer, J.; Kuprat, T.:
Die Bedeutung von Industrie
4.0 als Enabler für logistische
Modelle. In: Kersten, W.; Koller, H.; Lödding, H. (Hrsg): Industrie 4.0 – Wie intelligente
Vernetzung und kognitive
Systeme unsere Arbeit verändern. Schriftenreihe der
Hochschulgruppe für Arbeitsund Betriebsorganisation e. V.
(HAB). Berlin 2014, S. 79-100.
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Einfluss von Industrie 4.0 auf die Aufgaben der Produktionsplanung
Produktionsprogrammplanung
Wesentliche Eingangsgrößen für die Produktionsprogrammplanung sind neben den bereits eingegangenen und als fix anzusehenden
Kundenaufträgen Prognosen über zukünftig
eingehende Kundenaufträge. Prognosen werden mit zunehmendem Planungshorizont ungenauer (Bild 2). Neben den Ungenauigkeiten
im Planungsverfahren sowie Datenfehler und
verspätete Datenrückmeldungen sorgen vor
allem die Störeinflüsse für eine Abnahme der
Prognosegenauigkeit mit zunehmendem Planungshorizont [9].
Die im Zuge von Industrie 4.0 zunehmende
lieferkettenübergreifende Vernetzung eines
Unternehmens mit sämtlichen Zulieferern und
Kunden und dem damit einhergehenden Datenaustausch wird zukünftig die Produktionsprogrammplanung unterstützen. Die für die
Prognoseerstellung unabdingbare Datenbasis
wird schnell und über unternehmensübergreifende IT-Systeme den entsprechenden
Planungsstellen zur Verfügung gestellt. Auf
Störeinflüsse und mögliche Datenfehler kann
sofort reagiert werden und die Datenbasis wird
selbstständig angepasst. Aufgrund der kurzen
Reaktionszeiten können kürzere Planungshorizonte realisiert werden und somit ungenaue
Langzeitprognosen vermieden werden. Der
hinsichtlich Zeit und Datenqualität verbesserte
Informationsaustausch entlang der gesamten
Lieferkette vermindert die negativen Auswirkungen des sogenannten Bullwhip-Effekts.
Hierbei handelt es sich um eine Informationsasymmetrie zwischen den Akteuren einer Lieferkette, die aufgrund der zeitlichen Verzögerung hinsichtlich der Informationsbereitstellung entsteht. Diese Verzögerungen spiegeln
sich in steigenden Nachfrageschwankungen
entlang der Lieferkette und daraus resultierenden Planungsschwierigkeiten wider [13].
Durch eine schnelle Bereitstellung aktuellster
Daten innerhalb der Unternehmenslieferkette
lässt sich dieser Effekt minimieren.
Produktionsbedarfsplanung
Die mit Industrie 4.0 einhergehende neuartige
Datensituation, die durch eine entsprechende
Sensorik-Aktorik-Interaktion den Planungsstellen bereitgestellt wird, können die Fertigungssituationen echtzeitnah beschrieben werden.
Auf Störungen, wie bspw. Maschinenausfälle,
kapazitive oder logistische Engpässe, kann
umgehend reagiert und diese in der Planung
berücksichtigt werden.
Die Produktionsbedarfsplanung als elementarer Planungsschritt im Bereich der Kapazitätsund Terminplanung wird ebenfalls von einer
verbesserten Datenqualität profitieren. Auf
Grundlage nahezu echtzeitnaher Rückmeldungen lassen sich Stamm- und Plandaten regelmäßig in kurzen Abständen überprüfen und
anpassen. Korrekte Aussagen über die aktuellen Systemzustände und über das Leistungsvermögen von Kapazitäten erlauben eine auf
die jeweilige Fertigungssituation abgestimmte
Produktionsbedarfsplanung. In Kombination
mit den Auftragsdaten werden die Stammdaten für eine genauere Planung der notwendigen Kapazitäten und einer bereits detaillierter
abgestimmten Terminplanung führen.
Eigenfertigungsplanung
Auch die Eigenfertigungsplanung greift im
Zuge von Industrie 4.0 auf eine deutlich verbesserte Datenbasis zurück. Durch die bereits
angesprochenen Verbesserungen der Stammdaten (bspw. Übergangszeiten) wird auch die
Planungsbasis für zukünftige Eigenfertigungsplanungsperioden verbessert [14]. Die in der
Eigenfertigungsplanung schwerpunktmäßig
durchzuführende Termin- und Kapazitätsfeinplanung ist auf Grundlage aktuellster Daten
aus der Produktion umzusetzen. Die ebenfalls
in dem Planungsschritt angesiedelte Losgrößenberechnung kann nahezu dynamisch erfolgen und somit Durchlaufzeiten und der WIP
stetig optimiert werden.
Fazit
Die mit Industrie 4.0 einhergehende neuartige
Datensituation hinsichtlich Datenvielfalt und
-qualität wird die Produktionsplanung nachhaltig beeinflussen. Auch die Vision einer selbststeuernden Fabrik, bei der sämtliche CPS miteinander agieren, macht eine zentrale Planung
keinesfalls obsolet. Vielmehr dient die Produktionsplanung als Instanz, die die Optimierung des
Gesamtsystems zum Fokus hat und die Grundlage für die Selbststeuerung von CPS liefert.
Schlüsselwörter:
Produktionsplanung, Industrie 4.0, Cyber-Physische Systeme, Cyber-Physische Produktionssysteme
Industrie 4.0 Management 31 (2015) 2