KLINIKUM BAD BRAMSTEDT FibroMyalgieSyndrom Eine Informationszusammenstellung der Abteilung Psychologie Dr. Mario Fox, Leitung psychosozialer Dienst www.mariofox.de Zentrum für Gelenke, Wirbelsäule, Muskulatur, Nerven und Gefäße Fibromyalgiesyndrom Themenfolge – – – – – – – Definition Diagnostik Hinweise auf Ätiologie: physiologische Befunde vegetative Symptome und funktionelle Störungen psychische Beeinträchtigungen Psychologie der Schmerzchronifizierung Therapiemöglichkeiten Die mitgeteilten Hinweise auf Definition, Ätiologie, Diagnostik und Therapie stehen in Übereinstimmung mit der interdisziplinären S3-Leitlinie zum FMS, 2008, Revision 2013 Referent: Dr. Mario Fox, Leitender Psychologe Klinikum Bad Bramstedt KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 2 Fibromyalgiesyndrom (FMS): Was ist das? FMS gilt als eigenständige Schmerzerkrankung und zeigt Funktionsstörungen in folgenden Bereichen Dysfunktionale Schmerzverarbeitung Muskulatur (muskuläre Dysbalancen) gelenknahe Bereiche Motorik, Bewegung und Haltung vegetative Funktionen psychosoziale Risikofaktoren Nervensystem: Verknüpfung zwischen Störungen der zentralen und peripheren Verarbeitung von Schmerzen und Stressoren KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 3 Fibromyalgiesyndrom (FMS): Was ist das? Definition FMS: chronische (mehr als drei Monate) muskuloskelettale Schmerzen in mehreren Körperregionen FMS ist eine neuromuskuläre Funktionsstörung (= kein erklärender medizinischer Krankheitsfaktor) bei der Verarbeitung von Schmerz-Reizen FMS zeigt generell erniedrigte Schmerzschwellen an vielerlei Orten der Bewegungsorgane KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 4 FMS: Diagnostik Hauptkriterien nicht lokal begrenzte, sondern generalisierte chronische Schmerzen in mindestens drei Körperregionen (Quadranten): sog. „chronic widespread pain“ chronische Schmerzen in den Übergängen von Muskeln zu Sehnen, in Bereichen der Wirbelsäule und anderer Gelenke und Knochen (Brustbein, Schulter, Ellenbogen, Finger, Hand, Hüfte, Knie, u. a.) sowie im Bindegewebe Bei normalen Blutwerten und Röntgenbefunden KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 5 Symptome beim FMS Symptome sind vielfältig bei komplexen Beschwerden Hauptsymptome: chronische Schmerzen in unterschiedlichen Körperregionen Weitere Kernsymptome: Schlafstörungen, Erschöpfbarkeit, Müdigkeit, Merk-und Konzentrationsschwächen Vegetative Beschwerden Psychische Verstimmungen KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 6 FMS: Begleitende Symptome Vegetative und funktionelle Störungen und Symptome kalte Akren: Finger, Zehen, Hände, Füße, Nase trockener Mund, gereizte Zunge, verstopfte Nase Schwitzen, Frieren brüchige Nägel, Haarausfälle Hautrötungen, Hautausschläge, Nesselausschläge, Juckreiz Schwellungen (ohne auffällige Röntgenbefunde und Blutwerte) an Händen, Füßen, Gesicht >15 min. Morgensteifigkeit orthostatische Beschwerden (lagewechselabhängiger Schwindel, Schwitzen, etc.), Gleichgewichtsstörungen Tremor, Muskelzittern (Hände) Herzrhythmusstörungen abhängig vom Ein- & Ausatmen KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 7 FMS: Begleitende Symptome Vegetative und funktionelle Störungen und Symptome Schlafstörungen Müdigkeit, Erschöpfung Kognitive Störungen: Konzentrationsstörungen, Merkfähigkeitsstörungen Kopfschmerzen vom Spannungstypus Gesichtsschmerzen, nächtliches Zähneknirschen, Schlafapnoe, RLS Magen-, Darmbeschwerden, chronische Unterbauchschmerzen, Blähungen Urogenitale Beschwerden: Reizblase: Schmerzen beim Wasserlassen, häufiges Wasserlassen, Vulva - Schmerzen, schmerzhafter GV Regelbeschwerden, Globusgefühl („Kloß im Hals“), Schluckstörung Neigung zu allergischen Reaktionen, Allergien Funktionelle Atembeschwerden (Empfindungen von Atemhemmung) Funktionelle kardiale Beschwerden (Druckgefühle) Sensibilitätsstörungen (Dysästhesien) Missempfindungen (Parästhesien), Taubheits- und Kribbelempfindungen Sensorische Hypervigilanz (überbetonte Sinnesempfindungen): Ohrgeräusche, Chemikalien-, Geruchs-, Licht- und Lärmüberempfindlichkeiten, empfindliche Augen, unnormale Geschmacksempfindungen KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 8 FMS: Diagnostik Hinweise (Keine Beweise!) Erhöhter Druckschmerz an mindestens 11 von 18 definierten Punkten (Tender Points) an Muskel-Sehnenansätzen Stress und TP- Anzahl korrelieren Auch außerhalb der TP sind an diversen Kontrollpunkten Druckschmerzempfindlichkeiten möglich Nicht notwendig für die Diagnose; ab 2010 wird die Tenderpointuntersuchung nicht (!) mehr empfohlen KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 9 FMS: Diagnostische Schwierigkeiten Diagnoseabsicherung Problem: Viele andere rheumatische Erkrankungen ähneln dem FMS diese nicht übersehen und abklären bzw. ausschließen Ausschluss einer Hypothyreose, einer übermäßigen Kalziumphosphatansammlung und einer Hypokaliämie allerdings: Gefahr medizinischer Überaktivitäten beim sekundären FMS können Medikamente (z. B. Kortison) bei der Behandlung anderer einhergehender Grunderkrankungen helfen, nicht aber beim FMS (ist keine entzündliche Erkrankung, zeigt keine auffälligen Laborwerte) Komorbidität bei FMS- Diagnose möglich KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 10 FMS: Diagnostischer Ablauf Patient mit chronischen Schmerzen in mehreren Körperregionen > 3 Monate Keine spezifische körperliche Befunde und Laborwerte Teil 1: Widespread-Pain-Index (WPI) Teil 2a und 2b: Symptom Severity Scale (SSS) WPI > 6 , SSS > 4 oder WPI zw. 3 – 6 , SSS>8 FMS- Diagnose nach ACR- Kriterien Symptomkriterien SSS Syndrom: Vegetative und funktionelle Störungen wie: Schlafstörungen, Müdigkeit, Erschöpfbarkeit, Konzentrationsstörungen Muskelschmerzen, Steifigkeits- und Schwellungsempfindungen an Händen und Füßen und Gesicht, etc. KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 11 Teil 1: Widespread-Pain-Index (WPI) „Großflächigen Schmerzindex“ folgende 19 Zonen sind potenziell schmerzhaft: Schultergürtel links Schultergürtel rechts Oberarm links Oberarm rechts Unterarm links Unterarm rechts Hüfte links Hüfte rechts Oberschenkel links Oberschenkel rechst Unterschenkel links Unterschenkel rechts KLINIKUM BADBRAMSTEDT Kiefer links Kiefer rechts Brustkorb Bauch Nacken Oberer Rücken Unterer Rücken Keine Zone Punktzahl variiert dann zwischen 0 und 19 Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 12 Teil 2: Symptom Severity Score (SSS) „Symptom- Schweregrad-Punktzahl“ Teil 2a: Müdigkeit Nicht erholsamer Schlaf Merk- und Konzentrationsstörungen Auswertung: jeweils von 0 (keine Problem) bis 3 (dauerhaft) Punkte also von 0 bis maximal 9 Punkten KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 13 Teil 2: Symptom Severity Score (SSS) „Symptom- Schweregrad-Punktzahl“ Teil 2b: Symptomliste der letzten Woche : Muskelschmerzen Reizdarm Ermüdung Denk- und Erinnerungsprobleme Muskelschwäche Spannungskopfschmerzen Bauchschmerzen Benommenheit, Kribbeln Schwindel Schlaflosigkeit Depressive Verstimmung Verstopfung Durchfall Unterbauchschmerzen Übelkeit Nervosität Brustschmerzen Verschwommenes Sehen Fieber Mundtrockenheit Juckreiz KLINIKUM BADBRAMSTEDT Kurzatmigkeit Kalte Hände, kalte Füße Nesselsucht Ohrgeräusche Brechreiz Sodbrennen Geschwüre in der Mundschleimhaut Geschmacksminderung Geruchsempfindlichkeiten Krampfanfälle Trockene Augen Luftnot Appetitverlust Hautausschlag Sonnenlichtempfindlichkeit Hörstörungen Empfindliche Haut Haarausfall Häufiges Wasserlassen Schmerzhaftes Wasserlassen Blasenkrämpfe Auswertung 0 Symptome : 0 Punkte 1-10 Symptome : 1 Punkt 11-24 Symptome: 2 Punkte 25 oder mehr : 3 Punkte Teil 2b: von 0 Punkten bis maximal 3 Punkten auswertbar Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 14 FMS: Diagnostische Besonderheiten alleinige Ursache des FMS bisher weder im Blut noch in Strukturen nachweisbar vielerlei weitgehend unbekannte Ursachen lösen das FMS aus, das mit hoher Variabilität, also unterschiedlichem Beschwerdegard verläuft Dysfunktionale Stressverarbeitung ätiologisch bedeutsam im fortgeschrittenen Lebensalter bei circa einem Drittel spontane Besserungen möglich FMS ist nicht lebensbedrohlich und bewirkt keine organischen Schädigungen nicht die Lebensdauer ist bedroht, sondern die Lebensqualität Ungünstige Prädiktoren: vorzeitige Berentung, hohe Stressbelastungen, initial hohes Beeinträchtigungsniveau, wenig Bewegung; Komorbidität mit rheumatischen Erkrankungen Günstige Prädiktoren: Körperliche Aktivität, gute soziale Kontakte, gute Partnerschaft, selbstaktives Schmerzmanagement KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 15 FMS: Vorkommen (Prävalenz) Spitze bei 45 - 59jährigen Frauen FMS- Patienten sind zu ca. 80% bis 90% Frauen Prävalenzrate von 1 bis 2% der Bevölkerung, in D und USA bei ca. 5% FMS- Diagnose wird durchschnittlich erst 8,5 Jahre nach Symptombeginn gestellt Symptombeginn bei mehr als einem Drittel der FMS- Patientinnen sind Lumbalgien und Cervialgien ca. 80% zeigen vegetative und funktionelle Störungen 30 bis 80% zeigen psychische, affektive Störungen FMS- Patientinnen werden dreimal mehr operiert als der Durchschnittobschon operative Eingriffe beim FMS sinnlos sind! KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 16 FMS: Hinweise zur Ätiologie Pathophysiologie (unklare Ursache-Wirkungs-Relation, nicht spezifisch, moderate Effekte) Störungen sowie Schädigungen in Stressverarbeitungssystemen: hyper- und hypoaktive autonome Stressreaktionen Hypocortisolismus, stressassoziierte Veränderungen der Hypothalamus- HypophysenNebennierenrindenachse Schwächung des serotonergen Systems durch epigenetische Veränderungen (Polymorphismen) erhöhte Schmerzempfindlichkeit durch zentrale Sensibilisierung sowie durch geschwächte endogene Schmerzhemmung und erniedrigte Schmerzschwellen bei noxischen Reizen, mangelnde Hemmung der zentralen sensorischen Reizverarbeitung (überspanntes ZNS) übermäßige Ansammlungen von Kalziumphosphaten, Niereninsuffizienz, aber auch Hypokaliämie Mangel an ATP (Zellenergie) mehr Substanz P im Liquor und in peripheren Muskeln (uneinheitlich) verminderte Ausschüttung von Wachstumshormonen erhöhte proinflammatorische und verminderte antiinflammatorische Zytokine (uneinheitlich) erniedrigter Spiegel der Metaboliten von Dopamin sowie Serotonin auf Estrogenrezeptoren Konkurrenz zwischen Östrogenen und Serotonin (Opioiden) im Vergleich zu Männern bei Frauen stärkere Beteiligung des limbischen Systems bei der Bewertung von Schmerzreizen Hypoxie in Muskulatur (uneinheitlich) und pH-Wert unter 6 bewirken Erregung von Nozizeptoren genetische Faktoren, eventuell Defekte auf X-Chromosom Unfallfolgen (uneinheitlich) Neuropathie: Schäden (Atrophien) der kleinen schmerzleitenden und temperaturfühlenden Nervenfasern im Muskel- und Hautgewebe KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 17 FMS: medikamentöse Therapie Motto: Medikamente können die Symptome bestenfalls lindern, aber nicht die Grunderkrankung heilen! Typische Psychopharmaka (trizyklische Antidepressiva) bzw. selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI): z.B. Amitriptylin, (Saroten), Doxepin (Aponal ), Imipramin (Tofranil ), Clomipramin (Anafranil ): mild schlaffördernd und stimmungsaufhellend; Besserungsrate aber nur bei 27% Noradrenalin-Serotonin-WAH (SNRI: Duloxetin): kurzfristig erfolgreich bei circa 30% selektive Noradrenalin-Dopamin-WAH (NDRI) wie Bupropion (Elontril ), weniger NW als SSRI weitere SSRI: z.B. Tropisetron (Navoban ) in der Dosis von 2mg i.V., maximal 3-5 Injektionen circa 40% erfolgreich, Citalopram nicht wirkungsvoll klassische Analgetika (NSAR: nichtsteroidale Antirheumatika): Ibuprofen, Paracetamol, Diclofenac, Celebrex, Meloxicam, etc.: meist erfolglos Opioide: nur Tramadol wirkt etwas, kurzfristig, exaktes Management nötig Antiepileptikum: z. B. Pregabalin (Lyrica): kurzfristige Besserungsrate etwa 30-50% Muskelrelaxantien: nicht wirkungsvoll beim FMS Von Schlaf- und Beruhigungsmittel (Benzo- und Z-Drugs) ist abzuraten (starkes Abhängigkeitspotenzial, über 1,5 Millionen Benzodiazepin-Abhängige in D, ein Drittel aller Oberschenkelhalsbrüche und anderer Sturzfolgen gehen darauf zurück, auch sog. Schusseligkeiten, Demenzen, „Tranigkeit“, „Wurschtigkeit“, Vitalitätsverluste, d.h. auch, dass langfristig die Symptome verstärkt werden, gegen die diese Mittel eingenommen werden…) MERKE: Allgemein gilt, dass fast alle Medikamente nicht nur NW haben, sondern deren Nutzen oft weniger stark ist als deren Nichtnutzen! Medikamente sind die dritthäufigste Todesursache! (vgl. Peter Götzsche: Die tödliche Medizin und organisierte Kriminalität, riva, 2015) Von psychoaktiven Medikamenten ist eher abzuraten, weil jegliche unabhängig gewonnenen Nutzennachweise fehlen. Es besteht bei regelmäßiger Einnahme dieser Substanzen stets die Gefahr, körpereigene physiologische Neurotransmitter- und Hormonsysteme zu zerstören. Nur bei unerträglichen Schmerzen und bei gleichzeitiger Verhaltenstherapie anzuraten. KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 18 Besser: gesunde Ernährung statt Medikamente Serotonin- / Melatoninmangel und Ernährung Serotoninmangel bewirkt auch Melatoninmangel. Serotonin wirkt stimmungsaufhellend, entspannend, beruhigend, schlaffördernd, antidepressiv und schmerzhemmend Melatonin ist als „Schlafhormon“ schlafanstoßend, antioxidativ und immunregulierend Besser als durch Medikamente lassen sich Serotonin und Melatonin über eine tryptophanreiche Ernährung sichern: Milch, Eier, Käse wie Parmesan, Emmentaler, Edamer, Meeresfische (Omega3-Fettsäuren) wie Hering, Lachs, Sardellen, Makrele, farbintensives Obst: Beeren, Banane, Ananas, Kiwi, Melone; Gemüse: Kohlsprossen wie Broccoli (sogar gegen Krebs wirksam) und andere Kohlgemüse, Soja- und (Mungo-) Bohnen, Erbsen, Avocados, Aubergine, Tomate, Kohlgemüse, Haferflocken, Weizenkeime, Schokolade (mit über 70% Kakao-Anteil); Nüsse: Walnüsse, Pecannüsse, auch Erd- und Haselnüsse, Pinienkerne, Sonnenblumenkerne, Pistazien auch wichtig: gutes Olivenöl, Rapsöl, Zwiebeln, Knoblauch, Kaffee (aber nur ganze Bohnen!), Kakao „Mediterrane Kost“ (s.o.) hat protektive Wirkung auf Herz-Kreislauf (durch nitrierte Fettsäuren blutdrucksenkend) und wirkt lebensverlängernd (Länge der Telomere korreliert mit Diät-Score [0 bis10] zur mediterranen Kost; pro zusätzlichem Punkt ein Gewinn von 1,5 Lebensjahren) Zusätzlich wichtig: Beerenfrüchte, Chili, Curry, Paprika, Pellkartoffeln Nötig auch ausreichende Zufuhr von Vitamin B6: in Vollkornprodukten, Kartoffeln, Bananen, Hülsenfrüchte wie Linsen, Hirse; Spinat, Leber, Fleisch und Meeresfisch Zusätzlich: mehr basische Lebensmittel, um den PH-Wert auszubalancieren, also z.B. Kartoffeln, Lauch, Zwiebeln, Hülsenfrüchte, Banane, Vollkorn-Brot Achtung: keine zusätzliche Kalziumzufuhr als Nahrungsergänzung (Herzinfarktrisiko)! Und keine industriell verarbeiteten Fertiggerichte! Etwas Fleisch von Weidetieren und mehr Pflanzen. Beachte: Fette sind gesund! Ausnahme: Transfette (in Chips, Fertigbackwaren, etc.) KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 19 Hypokaliämie und Ernährung Kalium erwirkt als intrazellulärer essenzieller Mineralstoff die Bioelektrizität der Zellmembranen, bewirkt also die neuromuskuläre Reizbarkeit, Blutdruck (beachte Schlaganfallrisiko), protektive Gefäßfunktionen, Säure-BasenGleichgewicht, etc. Natrium als Gegenspieler wird heutzutage drastisch vermehrt durch die salzüberreiche Nahrung eingenommen (vor der Einführung der Landwirtschaft pro Tag durchschnittlich 0,8 g, heute 3-4g; Kalium dagegen vorher 10,5 g , heute 3,4g, heutige Empfehlung für ein ausgewogenes Natrium-Kalium-Gleichgewicht : 4,7 g/Tag) Nahrungsmittel mit hohem Kaliumgehalt: Aprikosen, Tomatenmark, Rote Bete, Rosinen, Orangen (-saft), Datteln, Esskastanien, Vollkorn, Kartoffeln, Bohnen, Banane, Schokolade ab 70% Kakaoanteil Achtung: keine zusätzlichen reinen Kaliumpräparate (Risiko für Nierenversagen)! Generell gilt, Vitamine, Mineralien und Spurenelemente nicht über entsprechende Präparate einzunehmen, sondern über Nahrungsmittel. Als ein sehr wertvolles Nahrungsmittel gelten Schwarzkümmel oder Schwarzkümmelöl (der Sorte Kara siva), Chili und auch Curry. KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 20 Was ist Schmerz DEFINITION (Internationale Gesellschaft zur Erforschung des Schmerzes) Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das einhergeht mit tatsächlicher oder potenzieller Gewebeschädigung KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 21 Schmerz Chronische Schmerzen zeigen sich in ähnlichen neuronalen Netzwerken und ähnlichen Hirnarealen, die auch bei Stressreaktionen aktiviert werden Schmerz ist für den Organismus auch ein biopsychologischer Stressor Diese neuropsychologischen Zusammenhänge erklären auch, warum psychosoziale Einflussfaktoren das Schmerzerleben beeinflussen Psychische Beeinträchtigungen können daher wie Schmerzen erlebt werden, insbesondere Identitätskrisen wie Einsamkeit, Ausgegrenztsein und Verlust geliebter Menschen Frühkindliche psych. traumatisierende Erfahrungen erhöhen durch „neurobiologische Narben“ u.U. die Stress- und Schmerzvulnerabilität im Erwachsenenalter; wenn dann im Erwachsenenalter Krisen auftreten, können sie chronische Schmerzzustände auslösen KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 22 Traumatisierung Schwächung der Stressverarbeitungssysteme Schwächung der Selbstberuhigungssysteme Schwächung der Schmerzverarbeitungssysteme (Epi-) Genetische Veränderungen in den serotonergen Systemen Schwächung der Impulshemmung, Kontroll- und rationalen Steuerungssysteme Schwächung der Bindungs- und Empathiesysteme Emotionale Konditionierungen Überreagibilität in entsprechend bewerteten Bedrohungssituationen Bei Männern: eher Aggression, Gewalt gegen andere und sich selbst KLINIKUM BADBRAMSTEDT Psychische Störungen Bei Frauen: eher Selbstverletzungen, Ängste, Depression, Schlafstörungen, Schmerzen Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 23 FMS: Hinweise zur Ätiologie Psychopathologie (unklare Ursache-Wirkungs-Relation, nicht spezifisch, moderate Effekte) Krankenhausaufenthalte, schwere infektiöse Erkrankungen in der Kindheit Kindheitsbelastungen wie Misshandlung, Missbrauch, emotionale Vernachlässigung (nachweisbar nur bei FMS-Patientinnen in klinischen Einrichtungen, nicht in der Gesamtpopulation) Risikofaktoren sind auch pränatale Belastungen wie Infektionen der Mutter, Alkoholismus und Rauchen (toxische und epigenetische Schäden), sozialer Stress wie Armut oder Misshandlungen der Mutter, ungewollte Schwangerschaft, häufiges Schwangerschaftserbrechen, Frühgeburt, aber auch zu hohes Geburtsgewicht (über 4500 Gramm: eventuell Schwangerschaftsdiabetes) Belastende Lebensereignisse, schwere Krisen im Erwachsenenalter Alltagsbelastungen wie Arbeitsplatzstress, mechanisch einseitige oder monotone Arbeitsplatzbelastungen, Unkollegialität, Arbeitsplatzunzufriedenheit Frühe Schmerzerfahrungen, mehrere Krankenhausaufenthalte Affektive Störungen wie Depression und Ängste als Komorbidität gelten als Risikofaktor Somatisierung (körperliche Beschwerden als Antwort auf psychosozialen Stress, maladaptive Stressbewältigung) Lernen, Krankheitsgewinne (durch übermäßige Zuwendung oder Schonung nach Schmerzäußerungen verbaler wie vor allem auch nonverbaler Art),maladaptive Schmerzbewältigung (wie übermäßige Passivität oder dysfunktionale Durchhaltestrategien, Katastrophisieren und exzessive Medikamenteneinnahme) Risikoverhaltensweisen: Rauchen, „Couch-Potato“, ungesunde Ernährung KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 24 FMS: Begleitende Symptome Psychische Beeinträchtigungen mangelnde Stressbewältigungskompetenz, hohe Stressanfälligkeit, mangelnde Widerstandskraft (Hardiness) Unruhe, Getriebensein, Nervosität, Angespanntsein hohe Beeindruckbarkeit, leichte Beeinflussbarkeit, hyperreagibel auf Toxine, mangelnde Habituation an belastende Ereignisse mangelnde Emotionssteuerung, hohe Durchlässigkeit, Stimmungsschwankungen, emotionale Labilität histrionische Persönlichkeitszüge, exaltierter Gefühlsausdruck, Dramatisierungen, Egozentrismus Neigung zu ängstlichen Reaktionen, Ängste, Schuld- und Schamgefühle, Selbstverunsicherung, Selbstwertdefizite intensive Selbstbeobachtung, überzogene Krankheitsfurcht depressive Verstimmungen mangelndes Selbstwertgefühl, Selbstunsicherheit, zu wenig Selbstwirksamkeit und schwache internale Kontrollüberzeugung KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 25 FMS: Psychische Beeinträchtigungen mangelnde Selbstbehauptung und Durchsetzungsfähigkeit Selbstüberforderung, eigene Leistungsgrenzen nicht anerkennen (speziell in der Fürsorge anderen gegenüber), mangelnde Selbstfürsorge, Hyperaktivität als Selbstwertregulierung unreife Konfliktbewältigungsstrategien übermäßige Suche nach Selbstbestätigung durch andere, dauerndes Anerkennungsverlangen, Bindungsunsicherheit, Selbstbezogenheit, leichte Kränkbarkeit Perfektionismus, Zwänge, Versagensängste sich nicht angemessen wehren können: Erfahrungen von Misshandlung und Missbrauch sowie emotionale Vernachlässigung als Auslöser von Auslieferungsstress, Muster der Gefügigkeit KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 26 FMS: Beeinträchtigte Alltagsfunktionen Handicaps in der Alltagsbewältigung – – – – – – – Beruf Haushalt Freizeit Teilnahme an sozialen Aktivitäten Partnerschaft und Familie Selbstwert Lebenszufriedenheit KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 27 FMS: Therapiekonzept FMS vielerlei Ursachen Therapie vielerlei Ansätze Therapiesäulen Aufklärung: Schulung, Informationen zu FMS und Bewältigungsstrategien, partizipative Entscheidungsfindung, Training eines proaktiven Schmerzmanagements Psychologie: kognitiv-verhaltenstherapeutische Schmerztherapie, Stressbewältigung, Selbstwirksamkeit, Stressresistenz, Genusstraining, Achtsamkeitstraining, Imaginationsverfahren, Entspannungstherapie, Selbstsicherheit, Selbstwertstärkung, Bindungssicherheit, psychische Komorbiditäten, Schlaftraining Medizin: Informationen zum Krankheitsbild, Medikation (Amitriptylin, Fluoxetin, Paracetamol) Bewegungstherapie: aerobes Kraft- und Ausdauertraining, Funktionstraining: Beginn unterfordernd, sanft ansteigend; Qi-Gong; Stretching ZIEL: den durch zu viel Schonung bedingten Leistungsabfall auszugleichen Physikalische Therapie: Reiztherapie (Wärme, Kälte), sanfte Massagen, Bäder Behandler vermitteln in patientenzenrierter Kommunikation Wissen und dadurch Selbst-Sicherheit, Akzeptanz, Permissivität, Bewegungsfreude; neben der Behandlerkompetenz ist auch das vertrauensvolle Beziehungsangebot zwischen Behandler und Patientin maßgeblich KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 28 FMS: Therapiekonzept Motto: FMS nicht heilbar, aber behandelbar Therapieziele Stärkung des Schmerz- und Stressmanagements Stärkung des Selbstwerts und der Bindungssicherheit Aktivitäten stärken, die die Teilhabe an wichtigen privaten, gesellschaftlichen und beruflichen Lebensbereichen sichern Funktionsfähigkeit im Alltag stärken durch moderates Training von: Fitness, Ausdauer, Kraft Stressbewältigung, Schmerzbewältigung, Selbstwirksamkeit, Robustheit, Stressresistenz Selbstversorgungsfähigkeit, Selbststeuerung Beschwerdereduktion, Akzeptanz von Restbeschwerden Perspektivenwechsel Erhalt von Lebensqualität trotz Schmerzen KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 29 Nutzlose oder schädliche Therapieempfehlungen Operationen jeglicher Art Lasertherapien Magnetfeldtherapien TENS Chiropraktische Eingriffe Diverse Medikamente: Mydocalm, Benzodiazepine, Z-Substanzen, Fluctin, etc. Beachte: Psychoaktive Medikamente haben stets NW, z.B. Atemhemmungen, die wiederum schnelle Ermüd- und Erschöpfbarkeit, Schwindel und Sturzgefahr erhöhen KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 30 Psychologie der Schmerzchronifizierung Sinnesempfindung, Wahrnehmung Bewertung, Denken Emotionen, Gefühle Motorik, Verhalten KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 31 Psychologie der Schmerzchronifizierung Sinnesempfindung, Wahrnehmung •hohe Aufmerksamkeit •besondere Beachtung, Hinlenken •keine Ablenkung •ängstliche Selbstbeobachtung (Beipackzettel-Effekt) KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 32 Psychologie der Schmerzchronifizierung Bewertung, Denken •Hilf- und Hoffnungslosigkeit, Selbstunsicherheit •mangelnder Selbstwert •Pessimismus, negatives Denken •Katastrophendenken •externale Kontrollüberzeugung •unangemessenes Schmerzmodell •Überidentifikation mit den Beschwerden •Beschwerden als Lebensinhalt KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 33 Psychologie der Schmerzchronifizierung Emotionen, Gefühle •Ängstlichkeit •Resignation •Depressivität •Ärger, Aggressivität •hohe Erregbarkeit, Durchlässigkeit •mangelnde Emotionssteuerung •generell schlechte Stimmung •Lebensunzufriedenheit KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 34 Psychologie der Schmerzchronifizierung Motorik, Verhalten •übermäßiges Schon- und Vermeidungsverhalten •Passivität, körperliche Inaktivität •soziale Inaktivität, Rückzug •permanente verbale Schmerzmitteilungen •automatisierte nonverbale Schmerzäußerungen •Krankheitsgewinne •mangelnde Stressbewältigungskompetenz •mangelnde Entspannungsfähigkeit •andauernde Selbstüberforderung, überfordernde Durchhaltestrategien, mangelnde Selbstbehauptung KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 35 Psychologische Hilfen bei chronischen Schmerzen Erhalt von Lebensqualität auch bei Schmerzen mehr Lebensqualität = weniger Schmerzen bessere Stimmung = weniger Schmerzen körperliches Wohlbefinden = weniger Schmerzen Zentrale Frage Was brauchen Sie- außerhalb des Schmerzerlebens- für Ihre Lebensqualität? Wie verbessern Sie Ihre Lebenskunst? Nicht fragen: Wie vermeide ich Schmerzen? Sondern: Wie erhöhe ich meine Lebensqualität… KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 36 Bereiche der Lebenskunst Körperliche Aktivität aktiv sein Freude an Bewegung Spazierengehen, Wandern Spiel, Tanz Sport: Ausdauertraining und meditative Bewegungstherapien KLINIKUM BADBRAMSTEDT Sinnlichkeit liebevoller Umgang mit eigenem Körper Körperbewusstsein eigenen Körper pflegen angenehme körperliche Empfindungen suchen Wärmeanwendungen Thermalbäder Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 37 Bereiche der Lebenskunst Bindung soziales Netz Liebe, Partnerschaft Zärtlichkeit, Sexualität Familie Freundschaft Kollegialität soziales Engagement KLINIKUM BADBRAMSTEDT Lebenssinn geistige Aktivität Lebensphilosophie Werthaltungen Zielvorstellungen Sinn für Kunst und Kultur Kreativität Naturerleben Sinn für Wissenschaft Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 38 Bereiche der Lebenskunst Tätigsein Arbeit Hobby Herausforderungen suchen sich persönlich weiter entwickeln Durchsetzungsfähigkeit Widerstandsfähigkeit Selbstdisziplin KLINIKUM BADBRAMSTEDT Kohärenzsinn Selbstwirksamkeit Verstehbarkeit Handhabbarkeit Sinnhaftigkeit Selbstsicherheit, Autonomie Persönliche Freiheit Selbstverantwortlichkeit persönliche Ressourcen Befähigung, Fertigkeiten Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 39 Bereiche der Lebenskunst Genussfähigkeit Achtsamkeit Bewusstheit Gegenwartserleben Lebensfreude Maßhalten Gesunde Ernährung Sinn für Stil KLINIKUM BADBRAMSTEDT Erholungsfähigkeit Pflege des Schlafes, des Wach-Schlaf-Rhythmus Sinn für Muße Entspannungsübungen Stressbewältigung Kontemplationsfähigkeit Spiritualität Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 40 Schmerz-Teufelskreis Schlafstörungen mangelnde Erholung verstärkte SCHMERZINTENSITÄT Passivität Rückzug Vermeidung KLINIKUM BADBRAMSTEDT Verstimmung Resignation Erschöpfbarkeit Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 41 Schmerz-Engelskreis erholsamer Schlaf Entspannungspausen abgeschwächte SCHMERZINTENSITÄT Aktivität Teilhabe KLINIKUM BADBRAMSTEDT angenehme Stimmung Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 42 FMS: Zusammenfassung FMS ist ein generalisierter nicht-entzündlicher Schmerz ohne medizinisch auffälligen Befund, der vornehmlich einhergeht mit vegetativen Störungen folgender Art: nicht erholsamer Schlaf, Müdigkeit, Erschöpfbarkeit Schwellungen, Morgensteifigkeit Beschwerden im Magen-Darm-Trakt sowie in urogenitalen Bereichen Ätiologisch bedeutsam ist vornehmlich die maladaptive Stressbewältigung (dysfunktionale Bewältigungsstrategien wie Erstarren, Flucht, meist frühkindlich erworben durch erlernte Bindungsunsicherheit und Ängste vor Kontrollverlust) Auffälliges Spezifikum: fast nur Frauen sind betroffen! Therapieziele: Schmerzbewältigung durch effektivere Stressbewältigung, durch Aufbau sicherer Bindungserfahrungen, Sicherung der Lebensqualität trotz Schmerzen, Ausdauertraining KLINIKUM BADBRAMSTEDT Dr. Fox, 16.06.2015 Seite 43
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