Toxikologie I-5 apl. Prof. Dr. med. A. Lupp Institut für Pharmakologie und Toxikologie FSU Jena Drackendorfer Str. 1, 07747 Jena Tel.: (9)325678 e-Mail: [email protected] Toxikodynamik: spezielle toxische Effekte verschiedener Substanzen Gasförmige Verbindungen Gasförmige Verbindungen Atemgifte • Kohlenmonoxid = CO • Blausäure (HCN) und Cyanide • Schwefelwasserstoff = H2S • Reizgase (z.B. nitrose Gase, Ozon, Phosgen, Formaldehyd, Ammoniak, Salzsäure, Chlor, Brom) • Stickgase, z.B. CO2 Kohlenmonoxid = CO Kohlenmonoxid = CO Eigenschaften • farblos, geruchlos, geschmacklos • gleiche Dichte wie Luft → gleiche Verteilung Vorkommen • Produktion durch Mikroorganismen in den Weltmeeren; Oxidation von Methan (Faulgas) in der Troposphäre; Abbau von Chlorophyll aus Laub • Entstehung durch unvollständige Oxidation bei der Verbrennung von Kohlenwasserstoffen: - enthalten in Brandgasen: schlecht ziehende Öfen, Tabakrauch (3-5 Vol.% CO), Auspuffgase (ca. 20 Vol.% CO), Explosionsgase in Bergwerken, früher im Stadtgas enthalten (heutiges Erdgas enthält kein CO) Kohlenmonoxid = CO Wirkmechanismus • in den 4 Häm-Anteilen des Hämoglobins (Hb) Belegung der 6. Koordinationsstelle des Fe2+ • 220-fach höhere Affinität als O2 → Verdrängung von O2 aus Bindung • nur ca. 1/220 CO in der Atemluft (20 Vol.% O2) = 20/220 = 0,09 Vol.% ausreichend, um genausoviel Hb-CO wie Hb-O2 entstehen zu lassen • zusätzlich Haldane-Effekt = negative Kooperativität: je mehr CO gebunden, um so fester Bindung des Rest-O2, d.h. desto schlechter Versorgung der Organe mit O2 • Hb-CO-Bindung reversibel ⇒ Erhöhung der O2-Konzentration → neues Gleichgewicht • CO-Bindung auch an Myoglobin und Cytochrom P450 (jedoch Empfindlichkeit geringer) • placentagängig → CO-Exposition der Feten bei Raucherinnen; bleibende neurologische Schäden bei schwerer Vergiftung der Mütter Kohlenmonoxid = CO Vergiftung • O2-Mangel der Gewebe • CO2 (HCO3-)-Anstau, da von Hb-CO nicht transportiert • metabolische Lactatazidose (Übersäuerung mit Milchsäure) • Intoxikations-beeinflussende Faktoren: Zeitdauer der Einwirkung, O2-Bedarf des Körpers (schwere Arbeit), Hb-Gehalt Symptome • 10%: • ab 20%: Sehstörungen Kopfschmerz, Schwindel, Schwäche, Kurzatmigkeit, Herzklopfen • ab 30-40%: kirschrote Hautfarbe (Hb-CO kirschrot), Bewusstseinsstörungen, oberflächliche Atmung, erhöhte Krampfneigung • 50-80%: Koma, Zyanose, Schock, Cheyne-Stokes‘sche Atmung, Krämpfe, Lähmungen, erniedrigte Körpertemperatur • >80%: Tod in wenigen Minuten Kohlenmonoxid = CO Therapie • Patient sofort an frische Luft, Atemspende • Gabe von reinem O2, Hyperventilation, Überdruckbeatmung (3 bar) • Korrektur der Übersäuerung (Azidose) (Infusion von Natriumbikarbonat) bei Überleben einer schweren Vergiftung • aufgrund von Blutungen und Erweichungsherden im ZNS bleibende neurologische Schäden möglich: - Epilepsie - Parkinson-ähnliche Symptome - Schizophrenie-ähnliche Krankheitsbilder (Psychosen) • weitere Spätschäden: - Hautschäden (Blasenbildung) - Schädigung des Myoglobins → Rhabdomyolyse (Zerstörung der Muskelzellen), Nierenversagen infolge erhöhter Myoglobinausscheidung Blausäure (HCN) und Cyanide Blausäure (HCN) und Cyanide Eigenschaften • schwache Säure, Salze (Cyanide): KCN (Cyankali), NaCN; Cyanide + HCl im Magen → HCN → rasche Resorption • CN--Ion toxisch wirksam • mögliche Aufnahme: inhalativ, peroral, transkutan • peroral Tod innerhalb von Minuten, inhalativ innerhalb von Sekunden • 100 ppm lebensgefährlich, 200-300 ppm tödlich Vorkommen • Brandgase, Tabakrauch • Bittermandeln, Kerne von Steinobst, Leinsamen • Anwendung in chemischen und galvanischen Betrieben, Stahlhärtung • Berliner Blau = Kaliumhexacyanoferrat (Antidot bei Thallium-Vergiftung); Nitroprussid-Na+ (Therapie hypertensive Krise, akute Herzinsuffizienz) Blausäure (HCN) und Cyanide Wirkmechanismus • Bindung an Fe3+ der Cytochromoxidase der Atmungskette in den Mitochondrien • Blockade der Atmungskette und damit der O2-Verwertung im Gewebe • Laktatazidose durch vermehrten anaeroben Stoffwechsel Vergiftungsbild • Bittermandelgeruch (genetisch bedingt von manchen Personen nicht wahrnehmbar !) • Kratzen im Hals, Erregung, Angstgefühle, vermehrte Atmung (Hyperpnoe), Kopfschmerzen, Herzklopfen • anfangs Rotfärbung der Haut (arterialisiertes venöses Blut) • später Zyanose, Bewusstlosigkeit, Krämpfe, Tod durch zentrale Atemlähmung, Herz-Kreislauf-Stillstand • bei Überleben neurologische Restschäden möglich Blausäure (HCN) und Cyanide Wirkmechanismus • Bindung an Fe3+ der Cytochromoxidase der Atmungskette in den Mitochondrien • Blockade der Atmungskette und damit der O2-Verwertung im Gewebe • Laktatazidose durch vermehrten anaeroben Stoffwechsel Vergiftungsbild • Bittermandelgeruch (genetisch bedingt von manchen Personen nicht wahrnehmbar !) • Kratzen im Hals, Erregung, Angstgefühle, vermehrte Atmung tödlicheHerzklopfen Dosis: (Hyperpnoe), Kopfschmerzen, HCN/kg Körpergewicht • anfangs Rotfärbung der1= mg Haut (arterialisiertes venöses Blut) bei Erwachsenen: • später Zyanose, Bewusstlosigkeit, Krämpfe, Tod durch zentrale 0,2 g Zyankali Atemlähmung, Herz-Kreislauf-Stillstand 50 bittere Mandeln • bei Überleben neurologische Restschäden möglich Blausäure (HCN) und Cyanide Therapie • künstliche Beatmung mit O2 (keine Mund-zu-Mund-Beatmung !) • Komplexbildung mit Co+, z.B. Hydroxycobolamin = Vitamin B12 (5g) (Cyanokit®) → Cyanocobolamin oder mit Co2-EDTA (jedoch Eigentoxizität) • Methämoglobinbildner: 4-Dimethylaminophenol (4-DMAP), Natriumnitrit: - CN- diffundiert von Fe3+ der Enzyme der Atmungskette zum Fe3+ des Met-Hb - 30-40% Met-Hb - nicht bei Rauchgasvergiftung (gleichzeitige CO-Intoxikation) • Na2S2O3: Steigerung der physiologischen Entgiftungskapazität: Cyanid + Thiosulfat → Thiocyanat (= Rhodanid); aber: langsamer Wirkungseintritt • Behandlung der Azidose (Übersäuerung) (Natriumbikarbonat) Blausäure (HCN) und Cyanide Therapie • künstliche Beatmung mit O2 (keine Mund-zu-Mund-Beatmung !) • Komplexbildung mit Co+, z.B. Hydroxycobolamin = Vitamin B12 (5g) (Cyanokit®) → Cyanocobolamin oder mit Co2-EDTA (jedoch Eigentoxizität) • Methämoglobinbildner: 4-Dimethylaminophenol (4-DMAP), Natriumnitrit: - CN- diffundiert von Fe3+ der Enzyme der Atmungskette zum Fe3+ des Met-Hb - 30-40% Met-Hb - nicht bei Rauchgasvergiftung (gleichzeitige CO-Intoxikation) • Na2S2O3: Steigerung der physiologischen Entgiftungskapazität: Cyanid + Thiosulfat → Thiocyanat (= Rhodanid); aber: langsamer Wirkungseintritt • Behandlung der Azidose (Übersäuerung) (Natriumbikarbonat) Blausäure (HCN) und Cyanide Therapie Schwefelwasserstoff (H2S) Schwefelwasserstoff (H2S) Eigenschaften • intensiv stechend riechend; niedrige Geruchsschwelle • in hohen Konzentrationen >200 ml/m3 Lähmung des Geruchssystems • spez. Gewicht 1,19 → bei geringer Luftbewegung Anreicherung am Boden Entstehung • Zersetzung von Eiweiß (schwefelhaltige Aminosäuren) durch Fäulnisbakterien (Klärgruben: Kloakengas bis 10% H2S) • Viskose-, Zellstoff-, Papierherstellung • Reaktion von Mineralsäuren mit Schwermetallsulfiden • Verhüttung von schwefelhaltigen Erzen, Erdölraffinerie • Freisetzung in Kohlegruben und Schwefelminen; in einigen Erdgasquellen enthalten (Kanada, Südwestfrankreich bis 15% H2S) Schwefelwasserstoff (H2S) Wirkmechanismus • Bindung von HS- an Fe3+ der Cytochromoxidase in den Mitochondrien → Blockade der Atmungskette • Lipophilie + Reaktion des Schwefels mit Disulfidbrücken / Schwermetallen: Hemmung weiterer Enzyme Vergiftungsbild • akut: - ab 10-50 ppm: Reizwirkung, tox. Lungenödem möglich, intrazellulärer O2-Mangel (Hypoxie) (Stoffwechsellähmung) - ab 500 ppm: Bewusstlosigkeit, zentrale Atemlähmung • chronisch: - Hornhautschädigung - Erhöhung des Atemwegswiderstandes, Lungenödem, Pneumonie - Herzmuskelschädigung Schwefelwasserstoff (H2S) Therapie • keine Antidot-Therapie möglich • Atemwege freihalten, Beatmung mit O2 • Behandlung der Übersäuerung (Azidose) (Natriumbikarbonat) • Lungenödemprophylaxe (Glucocorticoid) Selbstschutz des Helfers !! (Atemmaske, Sauerstoffgerät, Anseilen) Reizgase Reizgase Reizgase Schnitt durch einen Bronchus Epithel Muskulatur Lungengewebe Knorpel Reizgase Flimmerepithel Epithel mit Flimmerhärchen Reizgase Lungengewebe Alveolen Bronchiole Alveolen Reizgase Wirkmechanismus • chemisch reaktive Substanzen → Protein-Denaturierung, Schädigung der Atemwege bei Inhalation • je wasserlöslicher, desto geringer Eindringtiefe • je lipidlöslicher, desto tieferes Eindringen Vergiftungsbild • hydrophilere Substanzen: Augenreizung (Tränenfluss), Rachenreizung (Husten), Keldeckel- (Glottis-)ödem + Stimmritzenkrampf, Bronchiokonstriktion, Bronchialschleim ↑, Bronchitis, Bronchiopneumonie • lipophile Substanzen: toxisches Lungenödem typischerweise nach symptomfreier Latenz (Flüssigkeitsaustritt aus Kapillaren in Alveolen); bei Überleben → Lungenfibrose (bindegewebige Umwandlung) • Verätzung der Epithelien an Auge, Rachen, Luftröhre: Entzündung, Narbenbildung • allergisch-toxische Kontaktdermatitis, anaphylaktoide Reaktionen Reizgase Substanzen H2O-Löslichkeit Angriffsorte Stoffe hoch Auge Nasenraum Luftröhre NH3 HCl HCHO S2Cl2 Acrolein mittel Bronchien Bronchiolen SO2 Cl2 Br2 Säurechloride gering Bronchiolen Alveolen Kapillaren NO2 O3 COCl2 CdO Isocyanate Reizgase Substanzen H2O-Löslichkeit Angriffsorte Stoffe hoch Auge Nasenraum Luftröhre mittel Bronchien Bronchiolen SO2 Cl2 Br2 Säurechloride gering Bronchiolen Alveolen Kapillaren NO2 O3 COCl2 CdO Isocyanate Fließende Übergänge: Auch lipophile Substanzen können bei sehr hohen Konzentrationen bereits die oberen Luftwege schädigen, bevor sie die Alveolarregion erreichen und ein Lungenödem hervorrufen Beispiel: Methylisocyanat (Bhopal 1984) NH3 HCl HCHO S2Cl2 Acrolein Reizgase Toxisches Lungenödem Reizgase Lungenemphysem (= Lungenüberblähung) Reizgase Interstitielle Pneumonie und Lungenfibrose Reizgase Therapie • symptomatische Behandlung • Lungenödem-Prophylaxe: Glucocorticoid-Spray bzw. Glucocorticoide i.v. Reizgase (ausgewählte Stoffe) Substanzen H2O-Löslichkeit Angriffsorte Stoffe hoch Auge Nasenraum Luftröhre NH3 HCl HCHO S2Cl2 Acrolein mittel Bronchien Bronchiolen SO2 Cl2 Br2 Säurechloride gering Bronchiolen Alveolen Kapillaren NO2 O3 COCl2 CdO Isocyanate Reizgase (ausgewählte Stoffe) Substanzen H2O-Löslichkeit Angriffsorte Stoffe hoch Auge Nasenraum Luftröhre NH3 HCl HCHO S2Cl2 Acrolein mittel Bronchien Bronchiolen SO2 Cl2 Br2 Säurechloride gering Bronchiolen Alveolen Kapillaren NO2 O3 COCl2 CdO Isocyanate Reizgase (ausgewählte Stoffe) A.) Stickstoffoxide (NO, NO2) Vorkommen: • Autoabgase (bis 1000 ml/m3 NOx), Tabakrauch (bis 300 ml/m3 NOx) • Herstellung von Farben, Nitrozellulose, Düngemitteln, in Silos • Elektroschweißen NO: • farbloses Gas • keine Reizwirkung, jedoch Bildung von Methämoglobin, Blutplättchen-Aggregation ↓, Gefäßerweiterung • in Umwelt rasche Oxidation zu NO2 (bzw. N2O4) NO2: • rotbraunes Gas • Reizgas, geringe Wasserlöslichkeit, Radikalbildung, Lipidperoxidation → toxisches Lungenödem, Lungenemphysem (Lungenüberblähung), Lungenfibrose (bindegewebige Umwandlung von Lungengewebe) • ab 200 ml/m3 tödlich Reizgase (ausgewählte Stoffe) B.) Ozon (O3) • bläuliches Gas, stechender Geruch • starkes Oxidationsmittel, hohe Reaktivität, hohe Giftigkeit, steile DosisWirkungskurve Vorkommen: • Entstehung in Stratosphäre durch Reaktion von O2 mit UV-Licht → Konzentration in Stratosphäre 20 mg/m3, in oberer Troposphäre ca. 2 mg/m3 und in der unteren Troposphäre tagesabhängig zwischen 0,004 und 0,2 mg/m3 Luft Halbwertszeit in Troposphäre: 7 min • Desinfektion, Trinkwasseraufbereitung • Solarien, Photokopierer • Schutzgasschweißen • Kohlenwasserstoffe (Autoabgase) katalysieren Ozonbildung aus Stickoxyden im Sommersmog Reizgase (ausgewählte Stoffe) B.) Ozon (O3) • Bei körperlicher Anstrengung bis zu 90% Aufnahme über Lunge Wirkmechanismus: • Bildung von Hydroperoxiden (ROOH) und radikalischen HydroperoxidSpaltprodukten (ROO•, RO•), Superoxid-Anion-Radikalen (O2•-), Hydroxylradikalen (•OH); Reaktion mit SH-Gruppen ⇒ Oxidative Umwandlung von - Lipid-Doppelbindungen in Zellmembranen - Proteinen (Strukturproteine, Rezeptorproteine, Enzyme) - Hyaluronsäure ⇒ Zellschädigung aus: Taschenatlas der Toxikologie, Thieme-Verlag Reizgase (ausgewählte Stoffe) B.) Ozon (O3) Akute Toxizität: rasche (innerhalb von 60 Minuten) Schädigung der Augenbindehaut und des oberen Atemtraktes Einatmen von > 0,2 mg O3/m3 Luft für 1-2 Stunden • Reizungen im Augen-, Nasen-, Rachenbereich (Tränenfluss, Nasenlaufen, Husten) • Leistungsminderung Einatmen von 2-10 mg O3/m3 Luft für 1-2 Stunden • Tränenfluss, Verminderung der Sehschärfe, Nasenlaufen • Husten • Atemnot (Dyspnoe), Blauverfärbung (Zyanose) • toxisches Lungenödem Kinder reagieren empfindlicher als Erwachsene ! Reizgase (ausgewählte Stoffe) B.) Ozon (O3) Chronische Toxizität: Einatmen von 0,5-1 mg O3/m3 Luft: ⇒ Folgen: • Bronchiolitis • Lungenemphysem • Lungenfibrose • Zunahme (Hyperplasie) von Alveolarzellen (Typ I) • Verminderung der Ziliarfunktion des Flimmerepithels • reduzierte Sauerstoffradikalproduktion in Makrophagen ⇒ erhöhte Infektanfälligkeit aus: Taschenatlas der Toxikologie, Thieme-Verlag Reizgase (ausgewählte Stoffe) B.) Ozon (O3) Therapie: bei akuter Vergiftung mit >2 mg O3/m3 Luft • Lungenödem-Prophylaxe: Glucocorticoid-Spray • symptomatische Behandlung • Antioxidantien Luftbelastung und Smog B.) Ozon (O3) Sommersmog = Photochemischer Smog = Los-Angeles-Smog • beruhend auf der Wirkung photochemischer Oxidantien • Hauptkomponenten: - Ozon - Stickstoffoxide (NOx) - Aldehyde - Peroxyacetylnitrate - Kohlenwasserstoffe • Bildung der Photooxidantien bei Sonnenbestrahlung in der Atmosphäre • Bildungsrate bei austauscharmen Wetterlagen besonders groß • typisch für Städte wie Los Angeles (sonnig, viel Verkehr, Kessellage) • photochemische Oxidantien: Reizwirkung auf Auge und Luftwege, reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit Reizgase (ausgewählte Stoffe) B.) Ozon (O3) Tagesgang der Ozonkonzentration für einen Julitag, Los Angeles, 1976 Einatmen von > 0,2 mg O3/m3 Luft für 1-2 Stunden •Reizungen im Augen-, Nasen-, Rachenbereich (Tränenfluss, Nasenlaufen, Husten) •Leistungsminderung aus: Aktories et al.: Allgem. Spez. Pharmakol. Toxikol. Reizgase (ausgewählte Stoffe) B.) Ozon (O3) Grenzwerte für Ozonbelastungen, Wirkungen und maximal gemessene Ozonkonzentration (Einstundenmittelwerte) aus: Aktories et al.: Allgem. Spez. Pharmakol. Toxikol. Reizgase (ausgewählte Stoffe) C.) Phosgen (COCl2) O • farblos, Geruch nach fauligem Heu C Vorkommen: Cl Cl • Kampfstoff im 1. Weltkrieg, Terrorgas • Zwischenprodukt für organ. Synthesen z.B. zur Diisocyanat-Herstellung (Basis für Polyurethane) • Entstehung beim Erhitzen bestimmter chlorierter Kohlenwasserstoffe (CCl4, Chloroform, Trichlorethylen) Vergiftung: • sehr geringe Wasserlöslichkeit, stärkst wirksames Lungenödem-Gas • Hydrolyse zu Salzsäure, Reaktion mit freien Aminogruppen von Proteinen • Lungenödem erst nach mehreren Stunden Latenzzeit ohne vorherige Reizwahrnehmung ! • Therapie: hohe Dosen an Hexamethylentetramin • Spätfolgen: Asthma bronchiale, Lungenemphysem, Lungenfibrose Reizgase (ausgewählte Stoffe) D.) Cadmium-Oxid (CdO) Vorkommen: • Entstehung beim Schmelzen von Cd, Schweißen und Schneidbrennen von Cd-haltigen Legierungen Vergiftung: • Lungen-Ödem erst nach mehreren Tagen Latenzzeit Therapie: • Lungenödem-Prophylaxe: Glucocorticoid-Spray Reizgase (ausgewählte Stoffe) E.) Isocyanate Vorkommen: • Ausgangs- und Zwischenprodukte z.B. von Kunststoffen (Polyurethane), Wasch- und Klebemitteln • Bhopal 1984: Ausströmen von Methylisocyanat (H3C-NCO) aus Leck eines unterirdischen Tanks: über 2500 Tote, über 3000 Verletzte Vergiftung: • heftige Entzündungsreaktionen: Hornhauttrübung, Bronchitis, Pneumonie, Lungenödem, Erbrechen, gastrointestinale Beschwerden, Krämpfe • 100 ppm während 10 Minuten inhaliert tödlich Therapie: • Augenverletzungen: gründliches Spülen; Glucocorticoid-haltige Salbe • Prophylaxe eines Lungenödems: Glucocorticoid-Spray Reizgase (ausgewählte Stoffe) Substanzen H2O-Löslichkeit Angriffsorte Stoffe hoch Auge Larynx Trachea NH3 HCl HCHO S2Cl2 Acrolein mittel Bronchien Bronchiolen SO2 Cl2 Br2 Säurechloride gering Bronchiolen Alveolen Kapillaren NO2 O3 COCl2 CdO Isocyanate Reizgase (ausgewählte Stoffe) F.) Schwefeldioxid (SO2) Vorkommen: • Verbrennung von Schwefel und von schwefelhaltigen fossilen Brennstoffen (Kohle, Heizöl) → hoher SO2-Gehalt der Atmosphäre → „saurer Regen“ (SO2, SO3, H2SO4) unter Smogbedingungen teilweise bedenkliche SO2 - bzw. SO3Konzentrationen • Konservierung von Nahrungsmitteln, Ausräuchern von Fässern (Wein) • Schädlingsbekämpfung • Bleichmittel • Herstellung von Schwefelsäure • Gewinnung von Zellstoff (Sulfitverfahren) Reizgase (ausgewählte Stoffe) F.) Schwefeldioxid (SO2) Vergiftung: • reizend und schleimhautschädigend am Auge und an den Atemwegen: - Tränenfluss, Nießreiz - Husten - Stimmritzenkrampf - Lungenödem • > 400 ml/m3 tödlich • „Smog-Katastrophen“, z.B. in London → Übersterblichkeit Therapie: • Sauerstoffbeatmung • Glucocorticoid-Spray Reizgase (ausgewählte Stoffe) F.) Schwefeldioxid (SO2) Wintersmog = Saurer Smog = Londonsmog basierend auf dem Geschehen in London 1952: • austauscharme Wetterlage (Inversionslage mit geringen Windgeschwindigkeiten) • nasskalte Bedingungen • hohe Konzentrationen an SO2 (bis1,3 ppm), H2SO3, H2SO4 • hoher Schwebstoffgehalt (Ruß, bis 4,5 mg/m3) ⇒ innerhalb von 2 Wochen Tod von ca. 4000 Menschen aus: Taschenatlas der Toxikologie, Thieme-Verlag Reizgase (ausgewählte Stoffe) F.) Schwefeldioxid (SO2) Wintersmog = Saurer Smog = Londonsmog Schwefeldioxid- und Rauchkonzentrationen während einer Wintersmogepisode und Todesfälle/Tag im Großraum London, Dezember 1952 aus: Aktories et al.: Allgem. Spez. Pharmakol. Toxikol. Reizgase (ausgewählte Stoffe) F.) Schwefeldioxid (SO2) Saurer Regen • Säurewirkung auf Blätter und Wurzeln • wesentlicher Verursacher des „Waldsterbens“ • SO2 bzw. seine Folgeprodukte H2SO3, H2SO4, Ammoniumsalze, Salpetersäuretröpfchen (HNO3, Folgeprodukt von NOx) • auch Zerstörung von Gebäuden und Denkmälern aus: Taschenatlas der Toxikologie, Thieme-Verlag Reizgase (ausgewählte Stoffe) Substanzen H2O-Löslichkeit Angriffsorte Stoffe hoch Auge Larynx Trachea NH3 HCl HCHO S2Cl2 Acrolein mittel Bronchien Bronchiolen SO2 Cl2 Br2 Säurechloride gering Bronchiolen Alveolen Kapillaren NO2 O3 COCl2 CdO Isocyanate Reizgase (ausgewählte Stoffe) G.) Formaldehyd (HCHO) • stechend-erstickender Geruch Vorkommen: • Desinfektionsmittel (Räume; 35% FA mit 1,5-facher Menge an Wasser) • Konservierung von Geweben (Anatomie/Histologie) • Textilindustrie, Möbelindustrie akute Vergiftung: • Dampf sehr wasserlöslich → nur oberflächliche Reizung von Augen und Nase, Asthmaanfälle durch Sensibilisierung der Bronchien • ab 30-50 ml/m3 auch Lungenödem möglich • oral: schwere Protein-Denaturierung → Korrosionen im Magen-Darm-Trakt 10-20 ml 35%ige Formalinlösung tödlich • Abbau zu Ameisensäure → schwere Azidose (Übersäuerung des Körpers) Reizgase (ausgewählte Stoffe) G.) Formaldehyd (HCHO) Konzentrationsabhängige irritative Effekte bei akuter inhalativer Aufnahme von Formaldehyd Reizerscheinungen ab Konzentration [ml/m3] geruchliche Wahrnehmung 0,125 (0,05) Reizung der Augen 0,1 Reizung des Kehlkopfes 0,5 Reizung der Atemwege, leichtes Stechen in Nase/Rachen 2-3 akute Atemstörung mit starkem Husten, Brennen in Nase und Rachen, Tränenfluss Schleimhautnekrosen, Kehlkopfschwellung, Stimmritzenkrampf, Lungenödem, Lebensgefahr 10-20 30-50 Reizgase (ausgewählte Stoffe) G.) Formaldehyd (HCHO) chronische Vergiftung: • Augenbindehautreizungen, chron. Schnupfen, allergisches Kontaktekzem • leichte histopathologische Veränderungen der Nasenschleimhaut • lebenslange Exposition von Ratten gegenüber sehr hohen Formaldehydkonzentrationen (15 ml/m3): erhöhtes Risiko für NasennebenhöhlenTumoren • beim Menschen keine Hinweise für kanzerogene Wirkung Therapie akute Vergiftung: • bei oraler Aufnahme: Aktivkohle, Korrektur der Übersäuerung (Azidose) (Natriumbikarbonat) • bei inhalativer Aufnahme: Glucocorticoid-Spray Stickgase Stickgase Wirkmechanismus • toxikologisch weitgehend wirkungslose Gase • in hohen Konzentrationen Verdrängung des O2 in der Atemluft O2-Gehalt Luft normal: 21 Vol.%; Grenze: 9-14 Vol.% Substanzen • Edelgase, N2; auch narkotische Komponente (Tiefenrausch beim Tauchen) • Grenzfälle zwischen Stick- und Narkosegasen: - Lachgas (Distickstoffmonoxid; N2O) - halogenierte aliphatische Kohlenwasserstoffe mit hohem Fluorgehalt (Fluorcarbone, z.B. CF4, CF3Cl, CF2Cl2, CFCl3, C2F4Cl): niedriger Siedepunkt, als Verdampferflüssigkeit in Kältemaschinen und als Treibmittel in Sprühdosen („Frigene“) • CO2 Stickgase Wirkmechanismus • toxikologisch weitgehend wirkungslose Gase • in hohen Konzentrationen Verdrängung des O2 in der Atemluft O2-Gehalt Luft normal: 21 Vol.%; Grenze: 9-14 Vol.% Substanzen • Edelgase, N2; auch narkotische Komponente (Tiefenrausch beim Tauchen) • Grenzfälle zwischen Stick- und Narkosegasen: - Lachgas (Distickstoffmonoxid; N2O) - halogenierte aliphatische Kohlenwasserstoffe mit hohem Fluorgehalt (Fluorcarbone, z.B. CF4, CF3Cl, CF2Cl2, CFCl3, C2F4Cl) niedriger Siedepunkt, als Verdampferflüssigkeit in Kältemaschinen und als Treibmittel in Sprühdosen („Frigene“) • CO2 Stickgase (CO2) Kohlendioxid (CO2) Vorkommen • bei Zersetzung organischen Materials • schwerer als Luft → Anreicherung am Boden von Gärkellern, Silos, Brunnen, Höhlen Vergiftung • normale Konzentration 3-4 Vol.% • geringe Konzentrationen (bis 5 Vol.%): respiratorische Azidose durch verstärkte Atmung (Hyperventilation) (durch Erregung des Karotissinus und des Atemzentrums) • Carbogen 5%CO2/95% O2 zur Atemstimulation bei manchen Vergiftungen • > 5 Vol.% narkotisch; > 50 Vol.% rasch tödlich • permanente Einatmung: Einlagerung von CO2 als Carbonat in Knochen → Vermehrung der harten Knochensubstanz (Untersee-, Raumfahrten) Tabakrauch Tabakrauch Toxische Stoffe ca. 1000 Substanzen, unter anderem: • Kanzerogene - polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH), z.B. Benzanthrazen, Benzo[a]pyren - Nitrosamine und aromatische Amine, z.B. 4-Aminobiphenyl, 2-Naphthylamin, 2-Toluidin, Anilin - Aldehyde, z.B. Acetaldehyd, Formaldehyd - Benzol, Toluol - organische Verbindungen, z.B. Ethylen, Ethylenoxid, Acrylnitril, Vinylchlorid - kanzerogene Metalle, z.B. Cadmium, Chrom, Nickel, Vanadium, Arsen, Polonium 210 (α-Strahler) • HCN, NO, NO2, CO, HCl Tabakrauch Kinetik und Metabolismus von Nikotin • abhängig von Zufuhr: - über die Haut (Nikotinpflaster): langsam - Schnupfen: Resorption über Nasenschleimhaut: langsam - Kautabak: Resorption über Mundhöhle und Magen: langsam - Rauchen: Resorption über Mund- und Nasenschleimhaut, Alveolarwände: praktisch vollständig, rasch und stoßweise • ZNS-gängig • placenta-, muttermilchgängig • > 90% Metabolisierung in Leber → Pyridinmethylaminobuttersäure + Kotinin • Halbwertszeit ca. 2 Stunden Tabakrauch Wirkungen von Nikotin • Bindung an nikotinerge Rezeptoren in autonomen Ganglien, Nebennierenmark, motorische Endplatte, ZNS • akute Effekte: - Herz-Kreislauf: Gefäßverengung, Herzfrequenz ↑, Blutdruck ↑ (Sympathikus-Wirkung) - Magen-Darm-Trakt: Muskeltonus ↑, Magensäure ↑, Defäkation ↑ (Parasympathikus-Wirkung) - ZNS: Erregung, Tremor, Atemstimulation, Übelkeit, Erbrechen • Intoxikation: - Kreislaufversagen, Schock, Krampfanfälle, Atemlähmung - Letaldosis: 40-60 mg - bei Kindern: Intoxikation bereits bei Verschlucken einer Zigarette Tabakrauch Chronische Schäden durch Tabakrauch • Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Schlaganfall, koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt, Aortenaneurysma, periphere arterielle Verschlusskrankheit • Karzinome: - Bronchialkarzinom (Risiko mit frühem Beginn, Dauer und Dosis ↑) - Karzinome der Mundhöhle, des Rachens, der Speiseröhre - Karzinome der Bauchspeicheldrüse, der Niere, der Harnblase • Grundumsatz ↑ → Körpergewicht ↓ ⇒ Raucherkachexie • Magen- /Darmerkrankungen: Geschwüre (Ulcera) • Geschmacksvermögen ↓, chron. Entzündung der Luftwege, häufige Infekte, chron. Husten → Hernien („Brüche“: Bauchdecke, Leiste, Zwerchfell), Lungenemphysem (Lungenüberblähung) • Schwangerschaft: Uterusreagibilität ↑: Fehl- / Frühgeburten, Herzfrequenz des Feten ↑, Geburtsgewicht ↓, Fehlbildungen ↑ Tabakrauch aus: Taschenatlas der Toxikologie, Thieme-Verlag Tabakrauch Nichtraucherlunge vs. Raucherlunge Thrombus in Halsschlagader Tabakrauch Lungenkrebsrisiko aus: Dekant, Vamvakas, Toxikologie Tabakrauch Frühgeburtenhäufigkeit aus: Dekant, Vamvakas, Toxikologie
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