Fall 13 Personenrecht

Prof. Dr. Thomas Koller
Frühlingssemester 2015
PRIVATRECHTLICHE ÜBUNGEN
FALL 13
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Personenrecht
Fall 1
Stretchlimousine
Der 12-jährige F ist ein begeisterter Informatik-Freak. Er sitzt zu Hause stundenlang vor dem
Computer und surft im Internet. Zudem hat er sich bei einem Gratisanbieter einen E-MailAccount eingerichtet. In der Schule hat er verschiedene gute Kollegen, die demselben Hobby
frönen. Eines Tages erzählen ihm diese Kollegen, dass sie sich bei einer Versteigerungsplattform angemeldet und dort schon verschiedene „coole“ Spiele und DVDs ersteigert hätten. Das funktioniere allerdings nur, wenn man sich bei der erstmaligen Anmeldung bei der
Versteigerungsplattform als mehr als 18 Jahre alt bezeichne.
F will natürlich nicht hinter seinen Kollegen zurückstehen und meldet sich daher zu Hause
umgehend ebenfalls bei dieser Plattform an. Bei der Eingabe des Geburtstags schummelt er
so, dass er als 19-jähriger erscheint. Anschliessend kann er sich problemlos einloggen. Daraufhin surft er während rund einer Viertelstunden auf der Plattform herum und schaut sich
verschiedene Angebote an. Dabei stösst er auf eine Stretchlimousine, die zur Versteigerung
angeboten wird. Alternativ kann das Fahrzeug für Fr. 25‘000.— sofort gekauft werden. Neugierig klickt F den Button „Sofort kaufen“ an und anschliessend auch den BestätigungsButton. Daraufhin verlässt er die Versteigerungsplattform. Als er kurz darauf seine Mail-Box
anschaut, stellt er mit Schrecken fest, dass ihn der Anbieter der Stretchlimousine um Zahlung des Kaufpreises auf sein Konto bittet und ihn um einen Anruf ersucht, damit die Übergabe des Wagens geregelt werden kann. Kleinlaut beichtet er seinen Eltern den Vorfall, welche gar nicht erfreut sind und den Anbieter sofort orientieren. Dieser beharrt auf Erfüllung
und droht mit Schadenersatzforderungen. Wie ist die Rechtslage?
Fall 2
Die reisefreudige Gymnasiastin
Die 16 ½-jährige Gymnasiastin A hat bei der X Bank ein Konto eröffnet. Von der Bank hat sie
ein Kontokärtchen erhalten, mit dem sie bei Geldautomaten Bargeld beziehen kann. Dabei
sind Kontoüberziehungen bis Fr. 2'000.— möglich, welche innert höchstens drei Monaten
ausgeglichen werden müssen.
Mit Zustimmung ihrer Eltern arbeitet sie in den Ferien als Aushilfe in einem Geschäft. Den
Lohn lässt sie sich jeweils auf das Bankkonto überweisen.
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Kurz darauf tritt A mit einer Freundin eine Ferienreise ins Ausland an. Während dieser Reise
tätigt sie verschiedene Bargeldbezüge. Als sie wieder nach Hause kommt, hat sie ihr Konto
um Fr. 1'900.-- überzogen.
a) War A rechtlich in der Lage, über ihr Kontoguthaben zu verfügen?
b) Hat die Bank gegen A Ansprüche aus der Kontoüberziehung?
Fall 3
Lapsa suam non post solidabit virgo ruinam – oder vielleicht
doch?
Die 17-jährige C stammt aus einer strenggläubigen Familie. Sie ist mit dem gleichaltrigen D
verlobt, der ebenfalls einer strenggläubigen Familie angehört. Die beiden Familien sind sich
einig, dass C und D möglichst rasch nach Vollendung des 18. Altersjahres heiraten sollen.
C hatte vor zwei Monaten mit einem flüchtigen Bekannten Geschlechtsverkehr. Ihr Verlobter
und die beiden Familien wissen nichts davon.
a) C erzählt die Geschichte ihrer Mutter. Diese fürchtet um den Ruf der Tochter und der
Familie in den religiösen Kreisen, in denen sie verkehren. Deshalb verlangt sie gebieterisch, dass sich C einer Hymenrekonstruktion unterzieht. C ist damit nicht einverstanden.
b) C will auf keinen Fall, dass die Geschichte bekannt wird und bittet ihre Frauenärztin
um eine Hymenrekonstruktion. Die Ärztin bietet solche Eingriffe grundsätzlich an und
verlangt dafür Fr. 2‘000.— (die Krankenkasse übernimmt diese Kosten nicht). Nun ist
sie aber nicht sicher, ob sie den Eingriff ohne Zustimmung der Eltern von C vornehmen darf.
c) Wie wäre die Rechtslage, wenn C schwanger geworden wäre und ohne Wissen und
Zustimmung der Eltern eine legale Abtreibung vornehmen lassen möchte, deren Kosten von der Krankenkasse übernommen würden?
Fall 4
Luftgewehr
Der fünfzehnjährige X übergab dem zwölf Jahre alten Y ein Luftgewehr mit Munition, weil er
befürchtete, von seinem Vater bestraft zu werden, wenn dieser entdecken sollte, dass er das
Gewehr entgegen dem ausdrücklichen Verbot von zuhause weggenommen und dazu noch
Munition gekauft hatte. In der Folge hantierte Y im Beisein anderer Kinder auf einer belebten
Strasse am Gewehr herum. In der Meinung, das Gewehr sei nicht geladen, gab er zunächst
einen Schuss auf J ab, ohne damit einen Schaden anzurichten. Hierauf lud er das Gewehr
und drückte erneut ab, wobei der Schuss das linke Auge von O traf, das in der Folge vollständig erblindete. Wer haftet gegenüber wem?
Besprechung:
27./28. Mai 2015