Newsletter Umwelt □ Technik □ Vergabe Dreiunddreißigste Ausgabe, März 2015 Köln Von-Werth-Straße 2 50670 Köln T +49 (0)221 4207-0 F +49 (0)221 4207-255 Seite □ Novelle der Gewerbeabfallverordnung – erster Arbeitsentwurf liegt vor...................................................................................................................... 1 □ Bundesregierung soll Streichung der Heizwertklausel bis Ende 2016 angekündigt haben.......................................................................................... 2 □ Zur Zulässigkeit einer gewerblichen Sammlung von Sperrmüll.................... 3 □ Produktverantwortung: Neuer Weg für alte Kleider ....................................5 □ Neue Grundsatzentscheidung zum Begriff des Abfallerzeugers..................6 □ Abfallgebühren und Vor-Ort-Korrektur von Fehlbefüllungen – Zwischenbilanz aus aktuellem Anlass .............................................................9 □ Novellierung des Anhangs III der Richtlinie 2008/98/EG und des Europäischen Abfallverzeichnisses ................................................................. 11 □ Gebühren für die Begleitscheinbearbeitung im Nachweisverfahren ..........13 □ Erfordernis einer Sondernutzungserlaubnis für auf Privatgrundstücken aufgestellte Altkleidercontainer ................................. 14 □ Der Warenimporteur als Erstinverkehrbringer im Sinne der Verpackungsverordnung ................................................................................17 □ Anordnung einer Sicherheitsleistung für die Zeit nach Betriebseinstellung......................................................................................... 18 □ Bundesrat beschließt Änderungen der 4. BImSchV – strengere Anforderungen für Anlagen der Entsorgungswirtschaft ............................ 19 □ Anwendung des bauplanungsrechtlichen Fachplanungsprivilegs im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren............................... 21 □ Bundesverwaltungsgericht bekräftigt Rechtsprechung zur Auslegungsbekanntmachung bei Bebauungsplänen .................................. 23 □ Verantwortlichkeit für Grundwassersanierung nach Löscharbeiten ..........24 □ Grau ist alle Theorie – Satzungsrecht und Grundsatz der konkreten Vollständigkeit................................................................................................ 27 □ Übertragbarkeit der Rechtsprechung zu Untersuchungs- und Rügeobliegenheit beim Streckengeschäft auf Weiterlieferung der gekauften Ware an Subunternehmer des Käufers ......................................29 □ Schadstoffemission und Energieverbrauch als Zuschlagskriterien zulässig, dann aber hinreichend konkret! ....................................................30 □ Aktuelle Veröffentlichungen......................................................................... 32 □ Aktuelle Veranstaltungen.............................................................................. 33 Berlin Friedrichstraße 185 10117 Berlin T +49 (0)30 235122-0 F +49 (0)30 235122-23 Brüssel Avenue Louise 109 B - 1050 Bruxelles T +32 (0)2 7344446 F +32 (0)2 7344446 München Maximilianstraße 35A 80539 München T +49 (0)89 24218211 F+49 (0)89 24218300 □ Novelle der Gewerbeabfallverordnung – erster Arbeitsentwurf liegt vor oder wirtschaftlichen Unzumutbarkeit entfällt. Darüber, was mit Abfällen geschehen soll, die von dem Katalog der getrennt zu haltenden Fraktionen nicht erfasst sind, von vornherein als Gemisch anfallen oder unzulässigerweise vermischt worden sind, besagt der Arbeitsentwurf allerdings nichts. Diese für die Praxis wichtigen Fragen bleiben damit offen. Am 12.02.2015 hat das Bundesumweltministerium (BMUB) den ersten Arbeitsentwurf zur Novelle der Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV) vorgelegt. Damit reagiert das BMUB auf veränderte rechtliche Rahmenbedingungen seit Inkrafttreten der derzeit geltenden GewAbfV, etwa durch die Einführung der fünfstufigen Abfallhierarchie nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz. Mit der Novelle sollen die Getrennthaltung und das Recycling von gewerblichen Siedlungsabfällen sowie Bau- und Abbruchabfällen gestärkt und die Verordnung vollzugstauglicher gemacht werden. Erstmals sollen nun auch technische Anforderungen an Vorbehandlungsanlagen geregelt werden; der vorliegende Arbeitsentwurf sieht insoweit zum Beispiel vor, dass eine Vorbehandlungsanlage über Komponenten zur Separierung verschiedener Kunststoffsorten verfügt. Vorbehandlungsanlagen müssen darüber hinaus künftig eine Sortierquote von mindestens 85 Masseprozent erfüllen. Deutlich über das Ziel hinaus schießen dürften die neuen Dokumentationspflichten für Abfallerzeuger und -besitzer. So schreibt § 4 Abs. 3 des Arbeitsentwurfs vor, dass sich ein Erzeuger oder Besitzer von gewerblichen Siedlungsabfällen „bei Übergabe“ vorzubehandelnder Abfälle – dies muss wohl so verstanden werden, dass damit jede einzelne Übergabe gemeint ist – von dem Betreiber der Vorbehandlungsanlage bestätigen lassen muss, dass die Anlage die Anforderungen der neuen Verordnung erfüllt; zudem hat er sich die vorgeschriebene Dokumentation des Anlagenbetreibers sowie die Ergebnisse der letzten Fremdkontrolle vorlegen zu lassen. Wenn die Vorschrift dann noch zusätzlich verlangt, dass Erzeuger und Besitzer die Kenntnisnahme von diesen Informationen dem Anlagenbetreiber schriftlich bestätigen müssen, wird dies dem geregelten Lebenssachverhalt – dem alltäglichen Vorgang der Leerung eines Behälters mit gewöhnlichem Siedlungsabfall – nicht mehr annähernd gerecht und schafft eine nutzlose und praxisferne Bürokratie. Hier, wie an anderen Stellen des Entwurfs, wird noch erheblich nachzubessern sein. Der Arbeitsentwurf sieht eine Reihe wesentlicher Neuerungen gegenüber der geltenden Rechtslage vor: Dies zeigt sich schon an der für den Anwendungsbereich der Verordnung zentralen Neudefinition des Begriffs der gewerblichen Siedlungsabfälle, der zukünftig auch gewerbliche und industrielle Abfälle erfassen soll, die nach der Abfallverzeichnisverordnung nicht in Kapitel 20 einzustufen sind, aber nach Art, Schadstoffgehalt und Reaktionsverhalten wie Siedlungsabfälle entsorgt werden können. Ein Kernpunkt der Novelle besteht weiterhin darin, dass künftig die bisher in § 3 Abs. 2 GewAbfV vorgesehene Möglichkeit entfällt, statt einer Getrennthaltung eine gemischte Erfassung durchzuführen, wenn die gewerblichen Siedlungsabfälle einer Vorbehandlungsanlage zugeführt und dort in weitgehend gleicher Menge und stofflicher Reinheit wieder aussortiert werden. Eine gemischte Erfassung ist in dem Arbeitsentwurf nur noch für den Fall vorgesehen, dass die Getrennthaltung technisch unmöglich oder wirtschaftlich unzumutbar ist; in diesem Fall greift grundsätzlich eine Pflicht zur Vorbehandlung, die wiederum nur unter den Voraussetzungen der technischen Unmöglichkeit Die betroffenen Interessenverbände hatten bis zum 13.03.2015 Gelegenheit zur 1 Newsletter 01/15 Stellungnahme. Es ist zu erwarten, dass viel Kritik an einigen Grundentscheidungen des Novellierungsentwurfs ebenso wie an den Details einzelner Regelungen vorgebracht werden wird. Die Diskussion um die neue Gewerbeabfallverordnung, durch die der jetzt vorliegende Entwurf des BMUB sicherlich noch die eine oder andere wesentliche Veränderung erfahren wird, steht also noch ganz am Anfang. □ Bundesregierung soll Streichung der Heizwertklausel bis Ende 2016 angekündigt haben Die Bundesregierung soll in dem gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen unzureichender Umsetzung der fünfstufigen Abfallhierarchie des Art. 4 Abfallrahmenrichtlinie (AbfRRL) eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren erklärt haben, die Heizwertklausel bis Ende 2016 abschaffen zu wollen. Nach der in § 8 Abs. 3 Satz 1 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) geregelten Heizwertklausel, deren Anwendbarkeit davon abhängt, dass der Vorrang oder Gleichrang der energetischen Verwertung nicht in einer Rechtsverordnung nach § 8 Abs. 2 KrWG festgelegt ist, wird die Gleichrangigkeit der energetischen mit der stofflichen Verwertung vermutet, wenn der Heizwert des einzelnen Abfalls, ohne Vermischung mit anderen Stoffen, mindestens 11.000 Kilojoule pro Kilogramm beträgt. In der Praxis hat die Heizwertklausel zur Folge, dass Abfälle, bei denen die Durchführung eines Recyclingverfahrens möglich wäre, der grundsätzlich nachrangigen Hierarchienstufe der energetischen Verwertung in einer Müllverbrennungsanlage zugeführt werden können. Die Europäische Kommission hatte am 21.02.2014 gemäß Art. 258 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen unzureichender Umsetzung der Abfallhierarchie des Art. 4 AbfRRL eingeleitet. Im Rahmen ihrer Bewertung, die konkrete Ausgestaltung der unionsrechtlichen Vorgaben durch die §§ 6 ff. KrWG führe zu einer Verkürzung der fünfstufigen auf eine dreistufige Abfallhierarchie, hatte sich die Europäische Kommission unter anderem auf die Heizwertklausel bezogen. Die offenbar beabsichtigte Abschaffung der Heizwertklausel stellt einen ersten 2 Newsletter 01/15 Schritt auf dem Weg zu einer unionsrechtskonformen Umsetzung der Abfallhierarchie des Art. 4 AbfRRL durch die Vorschriften der §§ 6 ff. KrWG dar und ist deshalb zu begrüßen. Da sich die Kritik der Europäischen Kommission an der Umsetzung der fünfstufigen Abfallhierarchie im KrWG nicht auf die Heizwertklausel beschränkt, müssen weitere Schritte folgen. Aus Sicht der Abfallwirtschaft bleibt zu wünschen, dass die Bundesregierung die bestehende Chance ergreift, durch eine konsequente Umsetzung der fünfstufigen Abfallhierarchie im nationalen Recht Handlungsspielräume für mehr Recycling zu eröffnen. □ Zur Zulässigkeit einer gewerblichen Sammlung von Sperrmüll Mit dem Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) vom 18.02.2015 – 4 B 53/14 (Vorinstanz: Verwaltungsgericht Dresden, Beschl. v. 06.03.2014 – 3 L 1133/13) liegt, soweit ersichtlich, erstmalig eine oberverwaltungsgerichtliche Entscheidung zur Frage der Zulässigkeit einer gewerblichen Sammlung von Sperrmüll vor. Die Entscheidung enthält dabei konkrete Aussagen zu der in Literatur und Rechtsprechung durchaus kontrovers diskutierten Frage, wie die in § 17 Abs. 2 Satz 2 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) normierte Rückausnahme, nach der insbesondere „gemischte Abfälle aus privaten Haushaltungen“ einer gewerblichen (und gemeinnützigen) Sammlung nicht zugänglich sind, auszulegen ist. Inhalt und Reichweite der rechtlichen Rahmenbedingungen gewerblicher Sammlungen beschäftigen nach wie vor die Verwaltungsgerichte. Obwohl es der Rechtsprechung zwischenzeitlich gelungen ist, den §§ 17 und 18 KrWG eine gewisse „Kontur“ zu verleihen, sind nach wie vor viele Fragen im Einzelnen ungeklärt. So ist beispielswiese umstritten, ob bestimmte Abfallfraktionen, wie etwa Sperrmüll oder auch gemischte Bau- und Abbruchabfälle (aus privaten Haushaltungen), einer gewerblichen Sammlung überhaupt zugänglich sind. Der Streit entzündet sich dabei an § 17 Abs. 2 Satz 2 KrWG, der eine Rückausnahme zu § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 KrWG enthält und insofern bestimmt, dass „gemischte Abfälle aus privaten Haushaltungen und gefährliche Abfälle“ einer gewerblichen (und gemeinnützigen) Sammlung nicht zugänglich sind. Während etwa das Verwaltungsgericht (VG) Arnsberg (Urt. v. 09.12.2013 – 8 K 3508/12) die Auffassung vertritt, dass eine gewerbliche Sammlung von Sperrmüll i.S.d. ASN 20 03 07 AVV nicht zulässig ist, weil darin regelmäßig auch gemischte Abfälle i.S.v. § 17 Abs. 2 Satz 2 KrWG enthalten seien, erachtet das VG Dresden (Beschl. v. 06.03.2014 – 3 L 3 Newsletter 01/15 1133/13) unter Verweis auf die in der AVV enthaltene Differenzierung zwischen gemischten Siedlungsabfällen (ASN 20 03 01) und Sperrmüll (ASN 20 03 07) eine entsprechende gewerbliche Sammlung für zulässig. nützige) Sammlungen von Wertstoffgemischen hätte zulassen wollen, Sperrmüll hingegen in die Rückausnahme des § 17 Abs. 2 Satz 2 KrWG hätte einbeziehen wollen, er dies ausdrücklich geregelt hätte. Mit der Entscheidung des OVG wurde der Beschluss des VG Dresden nunmehr bestätigt und somit, soweit ersichtlich, erstmalig obergerichtlich geklärt, dass es sich bei Sperrmüll „nicht um gemischte Siedlungsabfälle i.S.v. § 17 Abs. 2 Satz 2 KrWG“ handelt. Im Ergebnis stellt das OVG somit eindeutig klar, dass Sperrmüll einer gewerblichen Sammlung grundsätzlich zugänglich ist und sich der Begriff der „gemischten Abfälle aus privaten Haushaltungen“ in § 17 Abs. 2 Satz 2 KrWG wohl nur auf gemischte Siedlungsabfälle nach ASN 20 03 01 der AVV beziehen dürfte. Überdies stellt sich das OVG damit auch gegen die von einigen Bundesländern erlassenen Vollzugshilfen, in denen die Zulässigkeit einer gewerblichen Sammlung von Sperrmüll auf Grund ihrer Eigenschaft als „Mischabfall“ abgelehnt wird. Abzuwarten bleibt jedoch, ob diese durchaus kontrovers diskutierte Frage von anderen OVG‘s bestätigt wird. Dabei stellte das OVG fest, dass auf Grund der Systematik der AVV der Begriff der „gemischten Abfälle aus privaten Haushaltungen“ in § 17 Abs. 2 Satz 2 KrWG nur dahingehend auszulegen ist, dass „hiervon gemischte Siedlungsabfälle nach Unterziffer 20 03 01 erfasst sind“. Weder nach nationalem noch nach europäischem Abfallrecht sei es geboten, die Rückausnahme von der Überlassungspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 2 KrWG auch auf Sperrmüll zu erstrecken. Insbesondere den in Art. 16 Abfallrahmenrichtlinie enthaltenen Grundsätzen der Entsorgungsautarkie und Nähe werde bereits dadurch in ausreichender Art und Weise Rechnung getragen, dass eine Überlassungspflicht für Abfälle aus privaten Haushaltungen weiterhin dann besteht, soweit einer gewerblichen Sammlung überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Letztlich sei auch den Gesetzesmaterialen nichts anderes zu entnehmen. Das OVG verweist in diesem Zusammenhang auf das Gesetzgebungsverfahren, in dem die Bundesregierung dem Vorschlag des Bundesrates, die Rückausnahme in § 17 Abs. 2 Satz 2 KrWG auch um Wertstoffgemische zu erweitern, ausdrücklich nicht gefolgt war und vielmehr die Auffassung vertrat, dass gewerbliche Sammlungen nicht auf Monofraktionen zu beschränken sind und mit Ausnahme der gemischten Abfälle sämtliche Abfälle zur Verwertung erfassen könnten. Daraus folgt nach Ansicht des OVG letztlich, dass der Gesetzgeber dann, wenn er gewerbliche (und gemein- 4 Newsletter 01/15 □ Produktverantwortung: Weg für alte Kleider Neuer rückgeben zu können; den Aufwand, die Produkte nach Herstellern oder Vertreibern zu sortieren und unterschiedlichen Rücknahmesystemen zuzuführen, wird er in aller Regel nicht in Kauf nehmen. Das Verwaltungsgericht (VG) Würzburg hat in einem vielbeachteten Urteil entschieden, dass das filialenbasierte Rücknahmesystem für Altkleider eines großen Textileinzelhändlers auch insoweit rechtlich zulässig ist, als dort Textilien zurückgenommen werden, die von anderen Vertreibern stammen. Bundesweit streiten gewerbliche Sammler und Kommunen vor Gericht erbittert um den ersten Zugriff auf Altkleider aus privaten Haushalten. Jenseits dieser Auseinandersetzungen haben sich Unternehmen, die bundesweit Einzelhandel mit Bekleidung betreiben, dazu entschlossen, in ihren Verkaufsfilialen von ihren Kunden zurückgegebene Kleidung zurückzunehmen und dafür Gutschriften auszugeben, die beim nächsten Einkauf eingelöst werden können. Das gilt auch für Kleidung, die die Kunden nicht bei den betreffenden Unternehmen erworben haben. Die so zurückgenommenen Textilien werden durch drittbeauftragte Fachfirmen sortiert und weiter verwertet. Mit den kommunalen Überlassungspflichten sind solche Systeme vereinbar, weil diese nicht für Abfälle gelten, die in Wahrnehmung der Produktverantwortung freiwillig zurückgenommen werden. Streitig ist allerdings, ob die Systembetreiber neben den von ihnen selbst vertriebenen Textilien auch solche anderer Vertreiber zurücknehmen dürfen. Das VG Würzburg hat diese Frage am 10.02.2015 (4 K 13.1015) im Sinne der Systembetreiber bejaht. Das – noch nicht rechtskräftige – Urteil ist wegweisend für die Etablierung vergleichbarer Systeme und stärkt das Instrument der freiwilligen Produktverantwortung erheblich: Freiwillige Rücknahmesysteme können nur erfolgreich sein, wenn sie bei den Verbrauchern auf hinreichende Akzeptanz stoßen. Der Verbraucher erwartet jedoch, alte Produkte beim Erwerb neuer Ware zu- 5 Newsletter 01/15 □ Neue Grundsatzentscheidung zum Begriff des Abfallerzeugers Einsatz soweit wie möglich aufgefangen und zunächst zwischengelagert. Per Entsorgungsverfügung gab die zuständige Behörde der Anlagenbetreiberin die Beseitigung des Löschwassers auf, die dagegen Klage erhob. In seinem Urteil vom 15.10.2014 (7 C 1.13) hatte sich das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mit der Frage zu beschäftigen, ob eine Person, die im Zeitpunkt der Entstehung eines Abfalls nicht die tatsächliche Sachherrschaft über diesen hat, Abfallerzeuger im Sinne des Abfallrechts sein kann. Dies ist nach Ansicht des Gerichts (ausnahmsweise) möglich, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die eine Zurechnung der Abfallentstehung aufgrund von Risikosphären oder Fehlverhalten ermöglichen. Im Ergebnis hat das BVerwG den Begriff des Abfallerzeugers damit dem in anderen Bereichen des Ordnungsrechts verwendeten Begriff des Verursachers angenähert. Einen Anwendungsfall der neuen Rechtsprechung bildet nach dem kurz danach ergangenen Beschluss des BVerwG vom 24.10.2014 (7 C 2.13) die Beauftragung von Abbruch- und Räumungsarbeiten. Die rechtliche Besonderheit des Falles liegt darin, dass die Klägerin zu keinem Zeitpunkt Abfallbesitzer war. In dem Zeitpunkt, in dem das Löschwasser eingesetzt und dadurch zu Abfall wurde, lag die tatsächliche Sachherrschaft bei der Feuerwehr; die anschließende Zwischenlagerung erfolgte außerhalb des Betriebsgrundstückes, sodass auch in dieser Zeit kein Abfallbesitz der Anlagenbetreiberin vorlag. Die Rechtmäßigkeit der Entsorgungsverfügung und der Erfolg der Klage hingen somit davon ab, ob die Anlagenbetreiberin als Abfallerzeugerin anzusehen war, obwohl sie zu keinem Zeitpunkt Besitz an dem Löschwasser hatte und die Handlung, die unmittelbar zur Entstehung des Abfalls führte, nicht selbst vorgenommen hatte. Das BVerwG hat dies, ebenso wie das Oberverwaltungsgericht Münster in der Vorinstanz (vgl. hierzu die Beiträge in den Köhler & KlettNewslettern aus Dezember 2011, S. 7 f. sowie Juli 2010, S. 6 ff.), bejaht: Die abfallrechtlichen Grundpflichten zur ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung und zur gemeinwohlverträglichen Beseitigung von Abfällen richten sich, soweit nicht Überlassungspflichten eingreifen, an die Erzeuger und Besitzer von Abfällen. Nur diese Personen kommen daher als Adressaten von abfallrechtlichen Entsorgungsverfügungen in Betracht. In der Regel sind dabei der erste Abfallbesitzer und der Abfallerzeuger identisch. Mit der Frage, ob diese Regel ausnahmslos gilt, hat sich das BVerwG im Urteil vom 15.10.2014 beschäftigt. Das BVerwG stellt zur Begründung der Entscheidung zunächst auf den Wortlaut der gesetzlichen Definition für den Begriff Abfallerzeuger ab, die sich nach geltendem Recht in § 3 Abs. 8 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) findet. Danach ist Ersterzeuger – die Alternative der Zweiterzeugung durch Veränderung der Beschaffenheit oder Zusammensetzung von Abfällen kam von vornherein nicht in Betracht – derjenige, durch dessen Tätigkeit Abfälle anfallen. Dies sei im Regelfall derjenige, der im Zeitpunkt der Umwandlung einer Sache in Abfall die Sachherrschaft über sie ausgeübt und durch sein Verhalten die letzte Ursache für die Abfallentstehung gesetzt habe. Nur unter besonderen Umständen sei es möglich, aufgrund einer fallbezogenen Wertung eine andere, im Vorfeld der Abfallentstehung handelnde Person als Abfallerzeuger anzuse- Bei dem in Rede stehenden Abfall handelte es sich um Löschwasser, welches die Feuerwehr zur Bekämpfung eines Großbrandes auf dem Betriebsgelände einer immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlage zur physikalisch-chemischen Behandlung von gefährlichen Abfällen eingesetzt hatte. Dieses Löschwasser war mit perfluorierten Tensiden aus dem zugesetzten Schaummittel und betrieblichen Stoffen verunreinigt; es wurde bei dem 6 Newsletter 01/15 hen. Gefordert sei vom Wortlaut des Gesetzes eine Tätigkeit, die gerade für die Umwandlung des Stoffes oder Gegenstandes in Abfall wesentlich sei. Dabei handele es sich zwar typischerweise, aber nicht zwingend um eine Tätigkeit des unmittelbaren Besitzers, denn auch eine andere Person könne etwa durch eine schädigende Handlung in einer Weise auf eine Sache einwirken, dass diese zu Abfall wird. Wann der Ursachenbeitrag einer Person für die Entstehung von Abfall so wesentlich sei, dass der Abfall durch ihre Tätigkeit anfalle, lasse sich aus dem Gesetzeswortlaut nicht konkret beantworten; es könne jedoch in Anlehnung an die ordnungsrechtliche Terminologie zum Verhaltensstörer vom Erfordernis einer unmittelbaren Verursachung gesprochen werden, wobei Unmittelbarkeit typischerweise, aber nicht notwendig mit der zeitlich letzten Ursache gleichzusetzen sei. an Risikosphären oder Fehlverhalten anknüpfen, ebenfalls die Erzeugereigenschaft begründen. Dieses Verständnis entspreche auch Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, die einerseits durch den ordnungsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz und andererseits durch das Verursacherprinzip geprägt sei. Beide Grundsätze verlangten, bei Vorliegen besonderer Umstände, durch die sich bei wertender Betrachtung ein vorgelagertes Verhalten als wesentliche Ursache für die Abfallentstehung darstelle, die Person, die diese Ursache gesetzt hat, als Abfallerzeuger anzusehen. Im konkreten Fall sah das BVerwG das Verhalten der Klägerin, welches bei einer auf Risikosphären beruhenden wertenden Betrachtung dazu führe, dass sie Erzeuger des verunreinigten Löschwassers sei, in dem Betrieb der Anlage. Denn bei diesem handele es sich um eine gefahrgeneigte Tätigkeit. In der Anlage seien organische Abfälle behandelt worden, „die Abfälle bis hin zu gefährlichen Abfällen waren“; bei Störungen im Betriebsablauf hätten sich daraus Brand- und Explosionsgefahren ergeben können, die sich im tatsächlichen Geschehensablauf schließlich auch realisiert hätten. Die Gefahrgeneigtheit finde schließlich ihren Ausdruck in den gesetzlichen Regelungen über die Gefährdungshaftung, denen die Anlage unterlag. Der Gefahrgeneigtheit entspreche nach ordnungsrechtlichen Grundsätzen eine Störerverantwortung der Klägerin, für deren Wahrnehmung ihr allerdings wirksame Mittel gefehlt hätten, sodass eine effektive Gefahrenabwehr nur durch die Feuerwehr habe erfolgen können. Dies schaffe einen besonderen Bezug zwischen der privaten Gefahrenverursachung und der öffentlichen Gefahrenabwehr durch Löscharbeiten, der es rechtfertige, beides als natürliche Einheit zu sehen. Diese Wertung liege auch den Regelungen der Landesfeuerwehrgesetze zugrunde, die im Falle der Gefährdungshaftung Regressansprüche gegen Anlagenbetreiber vorsähen. Die Klägerin sei daher Abfallerzeugerin gewesen, sodass die an sie In systematischer Hinsicht spreche für die Möglichkeit eines Auseinanderfallens von Abfallerzeuger und erstem Abfallbesitzer zunächst, dass das Gesetz jeweils selbständige Definitionen des Abfallerzeugers und des Abfallbesitzers enthalte, wodurch verdeutlicht werde, dass der Abfallerzeuger nicht lediglich ein Unterfall des Abfallbesitzers sei. Besondere Bedeutung komme zudem dem unionsrechtlichen Bezug zur Abfallrahmenrichtlinie zu. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe in zwei Grundsatzentscheidungen – zum einen in der Rechtssache „Van de Walle“ und zum anderen in der Rechtssache „Commune de Mesquer“ – entschieden, dass Abfallerzeuger im Sinne der Abfallrahmenrichtlinie auch Personen sein könnten, die nicht die letzte Ursache für die Entstehung eines Abfalls gesetzt hätten und bei Entstehung des Abfalls nicht im Besitz des zu Abfall gewordenen Stoffes gewesen seien. Auch das Unionsrecht gehe somit zwar für den Regelfall von der Erzeugereigenschaft desjenigen aus, der die Sachherrschaft über die zu Abfall gewordene Sache im Zeitpunkt der Abfallentstehung habe. Vorgelagertes Verhalten anderer Personen könne aber aufgrund von Zurechnungserwägungen, die 7 Newsletter 01/15 gerichtete Beseitigungsverfügung rechtmäßig und die hiergegen gerichtete Klage unbegründet gewesen sei. scheidung jedoch weitere Rechtsunsicherheiten und damit Haftungsrisiken verbunden sein. Auf die im Urteil vom 15.10.2014 entwickelten Grundsätze hat das BVerwG nur wenige Tage später im Beschluss vom 24.10.2014 (7 C 2.13) zurückgegriffen. Hier ging es um Abfälle, die beim Abbruch einer abgebrannten Druckerei entstanden waren. Den Auftrag für die Abbrucharbeiten hatte eine Versicherung erteilt, die nach Einschätzung des BVerwG damit eigene Interessen an der Klärung der Brandursache verfolgte. Es spreche daher „Erhebliches“ dafür, dass sich die Versicherung das Tätigwerden des Abbruchunternehmers zurechnen lassen müsse und somit Abfallerzeugerin sei. Das BVerwG hat daher der Versicherung die Kosten des von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärten Verfahrens auferlegt. Die beiden dargestellten Entscheidungen des BVerwG bedeuten eine Ausweitung der Abfallerzeugereigenschaft, die der aus anderen Bereichen des Ordnungsrechts bekannten Verursacherhaftung nahe kommt. Ihre praktische Tragweite lässt sich allerdings noch nicht verlässlich überblicken. Während das Urteil vom 15.10.2014 durch die wiederholte Betonung des Grundsatzes, dass als Abfallerzeuger in der Regel nur derjenige in Betracht kommt, der im Zeitpunkt der Abfallentstehung den Besitz inne hat, und den mehrfachen Hinweis auf das Erfordernis besonderer Umstände des Einzelfalls für eine abweichende Beurteilung tendenziell den Ausnahmecharakter der Entscheidung in den Vordergrund stellt, ist angesichts des Beschlusses vom 24.10.2014, wonach bereits der alltägliche Umstand der Erteilung eines Auftrags für Abriss- und Räumungsarbeiten ausreichen soll, einen Nichtbesitzer zum Abfallerzeuger werden zu lassen, nicht auszuschließen, dass von der Rechtsprechung keine hohen Anforderungen an das Vorliegen von besonderen Umständen des Einzelfalls gestellt werden. Wo die Grenzen genau verlaufen, wird die weitere Entwicklung zeigen. Vorerst dürften mit der Ent- 8 Newsletter 01/15 □ Abfallgebühren und Vor-OrtKorrektur von Fehlbefüllungen – Zwischenbilanz aus aktuellem Anlass Das Verursacherprinzip wird dadurch im Bereich der Abfallentsorgung unterlaufen. Den Mietern fehlt so der Anreiz zu der – oft ohnehin als lästig empfundenen – Vermeidung und Trennung von Abfällen. Typischerweise wird die Tendenz zu abfallwirtschaftlichem Desinteresse durch die Anonymität von Großwohnanlagen und die Sozialstruktur der dort lebenden Mieter verstärkt. Das Verwaltungsgericht (VG) Köln hat in fünf Musterverfahren durch Urteile vom 17.03.2015 – 14 K 5992/13, 14 K 5993/13, 14 K 5994/13, 14 K 6760/13 und 14 K 6796/13 – die von Wohnungsbauunternehmen angefochtenen Abfallgebührenbescheide der Stadt Köln aufgehoben. In den Entscheidungsgründen hat das Gericht ausgeführt, dass die Abfallgebühren der beklagten Stadt insgesamt nicht auf einer ausreichenden satzungsrechtlichen Grundlage beruhten, weil die zugrunde liegenden Gebührenmaßstäbe in der Abfallgebührensatzung nicht hinreichend festgelegt seien. Dies führe dazu, dass die in der Kalkulation für das Veranlagungsjahr 2013 ermittelten Gebührensätze je Behältergröße unwirksam seien. Diese Folgerungen gelten auch für die Veranlagungsjahre 2014 und 2015. Die Folgen dieser Situation bestehen regelmäßig in einem erhöhten Abfallaufkommen und in Fehlbefüllungen der Abfallbehälter. Durch derartige Fehlbefüllungen, insbesondere mit großvolumigen Verpackungen und sperrigen Gegenständen, wird die weitere Befüllung der Behälter verhindert, die Bereitstellung weiterer Gefäße erzwungen und die letztlich von allen Mietern gemeinsam zu tragende Gebührenlast in die Höhe getrieben – abgesehen davon, dass insoweit die gesetzlichen Ziele der Vermeidung, Trennung und Verwertung von Abfällen konterkariert werden. Die Vor-Ort-Korrektur von Fehlbefüllungen (Nachsortierung) ist wesentlicher Bestandteil der AbfallmanagementDienstleistungen. Diese dienen dem Ziel, auch bei Großwohnanlagen mit schwieriger Mieterschaft eine geordnete Entsorgung – insbesondere von Wertstoffen – zu gewährleisten. Zudem wird hierdurch die Sauberkeit und Hygiene der Behälterstandplätze verbessert. Den Urteilen des VG Köln vom 17.03.2015 liegen Rechtsstreitigkeiten über die abfallgebührenrechtliche Behandlung der im Rahmen von Abfallmanagement-Dienstleistungen praktizierten Vor-Ort-Korrektur von Fehlbefüllungen (sog. Nachsortierung) zugrunde. Wohnungsbauunternehmen lassen vielfach – vor allem in Großstädten – solche Dienstleistungen in großen Wohnanlagen erbringen, um die Vermeidung, Trennung und Verwertung von Abfällen zu fördern und das äußere Erscheinungsbild und die Hygiene der Behälterstandplätze zu verbessern. Die in dieser Hinsicht bestehenden Defizite beruhen darauf, dass es in großen Wohnanlagen schon aus Platzgründen unmöglich ist, jeder Wohneinheit oder jedem Haushalt einen eigenen Abfallbehälter zuzuweisen. Großwohnanlagen werden daher zentral entsorgt. Die dafür zu entrichtenden Gebühren werden in der Regel nach der Größe der Wohnfläche oder der Zahl der Mieter umgelegt – und zwar unabhängig davon, welche Abfallmenge der einzelne Mieter tatsächlich erzeugt hat. Trotz dieser Vorzüge bekämpfen die Kommunen seit Jahren die Vor-OrtKorrektur von Fehlbefüllungen, was sich nur mit dem verursachten Nebeneffekt eines verringerten Gebührenaufkommens erklären lässt. Das Mittel der kommunalen Repression waren zunächst abfallsatzungsrechtliche Verbote und Verbotsverfügungen, die damit begründet wurden, die Vor-Ort-Korrekt verstoße gegen die abfallrechtlichen Überlassungspflichten. Diese Versuche sind juristisch gescheitert (grundlegend dazu Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13.12.2007 – 7 C 42.07; Oberverwaltungsgericht für das Land 9 Newsletter 01/15 Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.09.2008 – 20 A 1661/06). Auch Versuche, die Vor-Ort-Korrektur mit arbeitsschutzrechtlichen Mitteln zu verbieten, waren erfolglos (dazu VG Düsseldorf, Beschluss vom 20.04.2010 – 3 L 1995/08). Streitgegenstand der vom VG Köln durch die Urteile vom 17.03.2015 entschiedenen Musterverfahren sowie einer Vielzahl gegenwärtig ruhend gestellter Parallelverfahren sind die vorbezeichneten Mehrgebühren für Abfallbehälter mit Nachsortierung. Die klagenden Wohnungsbauunternehmen sehen hierin eine wirkungsgleiche Fortsetzung der früheren, von der Stadt Köln angesichts der erhobenen Einwendungen aufgegebenen Gebührenzuschläge für die Nachsortierung. Sie machen geltend, dass diese Mehrgebühren gegen das Kostendeckungs- und das Äquivalenzprinzip, das Prinzip der Leistungsproportionalität, das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes und gegen die abfallrechtlichen Lenkungsziele gem. § 9 Abs. 2 Satz 3 des Abfallgesetzes für das Land NordrheinWestfalen verstoßen. Die Stadt Köln hat alsdann zu dem Mittel finanzieller Sanktionen gegriffen, indem sie in ihrer Abfallgebührensatzung (erstmalig für 2010) Gebührenzuschläge für die Nachsortierung, d.h. für die Vor-OrtKorrektur von Fehlbefüllungen, geregelt hat. Nachdem entsprechende Gebührenbescheide verwaltungsgerichtlich angefochten worden waren, hat die Stadt Köln Ende 2010 die Erhebung dieser Gebührenzuschläge ausgesetzt und schließlich aufgegeben. In den folgenden Jahren hat die Stadt Köln ihre Abfallgebührensatzung abermals geändert. Die Vorschriften über Gebührenzuschläge für die Nachsortierung von Abfallbehältern sind entfallen. Stattdessen sind in der Satzung die Kataloge der Gebührensätze für die verschiedenen Behälter erweitert worden. Dabei sind gesonderte Gebührensätze für Behälter mit Nachsortierung geregelt worden, welche gegenüber den Basissätzen der Gebühren für gleich große Behälter ohne Nachsortierung deutlich erhöht sind. Die Differenz zwischen den Basissätzen und den gesonderten, für Behälter mit Nachsortierung erhobenen Gebührensätzen lässt sich als Mehrgebühr für die Nachsortierung kennzeichnen. Diese Differenz beläuft sich im Veranlagungsjahr 2013 auf eine prozentuale, nach dem Behältervolumen unterschiedliche Erhöhung zwischen 15,77 % und 22,72 %. Das VG Köln hat diese Grundsatzfragen des Gebühren- und des Abfallrechts nicht entschieden, sondern sich hierzu nur in obiter dicta geäußert, die als solche für die Urteile vom 17.03.2015 keine tragende Bedeutung haben. Als entscheidungserheblich hat das Gericht angesehen, dass die Abfallgebührensatzung der Stadt Köln die Zuordnung und Verteilung der Kosten für Verwaltung und Logistik nicht, jedenfalls nicht klar, regelt. Diese Kosten seien – so das VG Köln – der Höhe nach erheblich. Sie dürften deshalb nicht vernachlässigt werden. Die Abfallgebührensatzung der Stadt Köln sei insofern unvollständig und keine taugliche Rechtsgrundlage für die Erhebung von Abfallgebühren. Infolgedessen sei auch die Gebührenkalkulation der Stadt nicht nachvollziehbar und rechtlich nicht zu halten. Die Gebührenbescheide der Stadt müssten deshalb aufgehoben werden, soweit sie angefochten sind. Die Stadt Köln hat die neu strukturierte Abfallgebührensatzung erstmalig der Erhebung der Abfallgebühren im Jahr 2013 zugrunde gelegt. Für die Jahre 2014 und 2015 ist die städtische Abfallgebührensatzung nicht mehr strukturell, sondern nur noch hinsichtlich einzelner Gebührensätze geändert worden. Beachtung verdient, dass das VG Köln die Berufung gegen die Urteile vom 17.03.2015 nicht zugelassen hat. Die Stadt kann somit diese Urteile nicht unmittelbar mit der Berufung angreifen. Sie kann lediglich binnen eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Urteilsausfertigun- 10 Newsletter 01/15 gen einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen. Über einen solchen Antrag müsste das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen entscheiden. □ Novellierung des Anhangs III der Richtlinie 2008/98/EG und des Europäischen Abfallverzeichnisses Änderungen der Stoffrichtlinie (Richtlinie 67/548/EG) und der Zubereitungsrichtlinie (Richtlinie 1999/45/EG) durch die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (sogenannte CLPVerordnung, CLP = classification, labeling and packaging) erforderten eine Novellierung des Anhangs III der Richtlinie 2008/98/EG sowie der Entscheidung 2000/532/EG über ein Europäisches Abfallverzeichnis. Die Novellierungen erfolgten am 18.12.2014 und sind ab dem 01.06.2015 anwendbar. Unklar ist derzeit, ob bis dahin die vom Bundesumweltministerium (BMUB) beabsichtigten Änderungen der Abfallverzeichnisverordnung (AVV) umgesetzt sein werden. Die gegenwärtige Rechts- und Entscheidungslage wird dadurch kompliziert, dass das VG Köln in den obiter dicta der Urteile vom 17.03.2015 ausgeführt hat, die umstrittenen Mehrgebühren für Abfallbehälter mit Nachsortierung seien als solche nicht zu beanstanden. Der modifizierte Volumenmaßstab nach § 1 Abs. 1 UAbs. 3 der städtischen Abfallgebührensatzung sei hinreichend bestimmt und in der Sache unbedenklich. Da das VG Köln indessen die Aufhebung der angefochtenen Gebührenbescheide allein auf die Unvollständigkeit der Abfallgebührensatzung hinsichtlich der Zuordnung und Verteilung der Verwaltungs- und Logistikkosten gestützt und deshalb in der Satzung keine taugliche Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung gesehen hat, ist der Streit über die Rechtmäßigkeit der Mehrgebühren für Abfallbehälter mit Nachsortierung unentschieden und für die künftige Rechtspraxis offen geblieben. In der Praxis der Entsorgungswirtschaft sind Fragen der Abgrenzung gefährlicher von nicht gefährlichen Abfällen regelmäßig von – teilweise erheblicher – Bedeutung. Welche Maßstäbe bei der Abgrenzung anzulegen sind, bestimmt sich zunächst und maßgeblich nach der AVV. Diese setzt die im Anhang III der Richtlinie 2008/98/EG sowie dem Europäischen Abfallverzeichnis enthaltenen europarechtlichen Vorgaben zur Unterscheidung gefährlicher von nicht gefährlichen Abfällen um bzw. nimmt auf diese Bezug. Der materielle Streit der Beteiligten über die Mehrgebühren für Abfallbehälter mit Nachsortierung ist durch die Urteile des VG Köln vom 17.03.2015 damit weder entschieden noch erledigt; vielmehr besteht er zwischen den Beteiligten fort. Der darüber geführte Streit wird gegenwärtig bundesweit ausgetragen, weil auch andere Kommunen für Abfallbehälter mit Nachsortierung erhöhte Gebühren oder entsprechend erhöhte privatrechtliche Entgelte erheben. Diese besondere Belastung wird aus der Sicht der Wohnungsbauunternehmen und der Abfallmanagement-Dienstleister der praktizierten, den abfallwirtschaftsrechtlichen Zielen dienenden Vor-Ort-Korrektur von Fehlbefüllungen nicht gerecht. Danach ist für die Abgrenzung gefährlicher von nicht gefährlichen Abfällen unter bestimmten Voraussetzungen auch auf sogenannte Gefahreneigenschaften (etwa giftig, gesundheitsschädlich, umweltgefährdend etc.) abzustellen. Ob ein Abfall diese Eigenschaften erfüllt, bestimmt sich im Wesentlichen nach den chemikalienrechtlichen Vorgaben der Stoffrichtlinie (Richtlinie 67/548/EG) und der Zubereitungsrichtlinie (Richtlinie 1999/45/EG). Diese enthalten Grenz- bzw. Konzentrationswerte und korrespondierende Vorgaben für deren Bestimmung. Stoff- und Zubereitungsrichtlinie sind durch die CLP-Verordnung geändert wor- 11 Newsletter 01/15 den. Diese führt ein neues System von Gefahreneigenschaften ein, das im Wesentlichen ab dem 01.06.2015 gilt. lige Auswirkungen auf Gewässer untersucht. Hinsichtlich der Bestimmung eines Abfalls als HP 14 („ökotoxisch“) verbleibt es bis auf Weiteres bei den Kriterien der Stoffrichtlinie. Denn der europäische Normgeber ist der Auffassung, dass weitere Studien erforderlich sind, um zu prüfen, ob auch hinsichtlich der gefahrenrelevanten Eigenschaft HP 14 („ökotoxisch“) die Vorgaben der CLP-Verordnung angewendet werden können. Ersetzung von Anhang III Der europäische Normgeber hat die ab dem 01.06.2015 geltenden Vorgaben der CLP-Verordnung zum Anlass genommen, Anhang III der Richtlinie 2008/98/EG durch die Verordnung (EU) Nr. 1357/2014 vom 18.12.2014 zu novellieren, indem die Bezugnahme des Anhangs III auf die Stoffund Zubereitungsrichtlinie durch Bezugnahmen auf die CLP-Verordnung ersetzt werden: Neues Europäisches Abfallverzeichnis Die Ersetzung des Anhangs III der Richtlinie 2008/98/EG machte eine Änderung des Europäischen Abfallverzeichnisses erforderlich. Diese erfolgte durch Beschluss der Kommission vom 18.12.2014 (2014/955/EU). - Im Zuge dieser Ersetzung wurden die gefahrenrelevanten Eigenschaften bzw. Gefährlichkeitsmerkmale der CLP-VO übernommen. Diese ersetzen die bisherigen in Anhang III enthaltenen gefahrenrelevanten Eigenschaften H 1 – H 15. Um insoweit Verwechselungen zu vermeiden, wurden sie in HP 1 – HP 15 umbenannt. - Seiner Regelungsstruktur nach entspricht das neue Europäische Abfallverzeichnis im Wesentlichen dem alten. So verbleibt es dabei, dass bestimmte mit einem Sternchen (*) versehene Abfälle als gefährlich gelten. Bei Abfällen, den sowohl gefahrenrelevante als auch nicht gefahrenrelevante Abfallschlüssel zugeordnet werden können (sogenannte Spiegeleinträge), wird die Entscheidung darüber, ob der Abfall gefährlich oder nicht gefährlich ist, nach wie vor letztlich anhand einer Analytik getroffen werden. - Die früheren Gefahreneigenschaften H 5 („gesundheitsschädlich“), H 6 („giftig“), H 12 („Abfälle, die bei der Berührung mit Wasser, Luft oder Säure ein giftiges oder sehr giftiges Gas abscheiden“) und H 15 („Abfälle, die nach der Beseitigung auf irgendeine Weise die Entstehung eines anderen Stoffes bewirken können, z.B. ein Auslaugprodukt, das eine der oben genannten Eigenschaften aufweist“) sind neu definiert worden. - Geändert wurden die Beschreibungen diverser Abfallschlüssel. Dies gilt insbesondere für die Gruppe 16 02 (Abfälle aus elektrischen und elektronischen Geräten) - Für das Gefährlichkeitsmerkmal HP 10 („reproduktionstoxisch“) gelten künftig verschärfte Konzentrationsgrenzen. - Aufgenommen wurden drei neue gefährliche Abfälle (bestimmte Rotschlämme aus der Aluminiumoxidherstellung = 01 03 10*; metallisches Quecksilber = 16 03 07*; teilweise stabilisiertes Quecksilber = 19 03 08*). - Aus der CLP-VO nicht übernommen wurde dagegen die Kriterien für die Bestimmung der Gefahreneigenschaft HP 14 („ökotoxisch“ = Abfall, der unmittelbare oder mittelbare Gefahren für einen oder mehrere Umweltbereiche darstellt oder darstellen kann). Unter Zuhilfenahme dieses Kriteriums wird ermittelt, ob Konzentrationen von gefährlichen Stoffen im Abfall dazu führen können, dass der Abfall nachteilige Auswirkungen auf Umweltbereiche haben kann; dabei werden nachtei- - Zudem legt das geänderte Europäische Abfallverzeichnis fest, dass die im geänderten Anhang III der Richtlinie 2008/98/EG festgelegten Konzentrationsgrenzwerte nicht für reine Metalllegierungen in massiver Form gelten, die nicht durch gefährliche Stoffe verunreinigt sind. 12 Newsletter 01/15 Gebühren für die Begleitscheinbearbeitung im Nachweisverfahren Als gefährlich angesehene Abfalllegierungen sind im Verzeichnis eigens aufgeführt und mit einem Sternchen (*) versehen. □ Änderung der AVV Der neue Anhang III der Richtlinie 2008/98/EG sowie das geänderte Europäische Abfallverzeichnis sind ab dem 01.06.2015 anwendbar. Derzeit ist nicht absehbar, ob bis dahin die, wie zu hören ist, vom BMUB beabsichtigte Anpassung der AVV realisiert sein wird. Die Erhebung von Gebühren bei der Prüfung von Begleitscheinen im Rahmen der Nachweisführung gehört seit längerem zur gängigen Praxis in einer Reihe von Bundesländern. Aktualität erhält dieses Thema durch zwei Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Koblenz und des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom Ende letzten Jahres sowie aufgrund des Umstandes, dass einige Behörden Bearbeitungsgebühren auch für die automatisierte Fehlerprüfung im Rahmen des elektronischen Abfallnachweisverfahrens erheben. Die Erhebung von Gebühren bei der Überwachung der Nachweisführung ist in vielen Ländern (wie etwa Hamburg, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Bayern, Sachsen-Anhalt) gängige Praxis. Zuletzt haben sich das OVG Koblenz und das BVerwG Ende 2014 mit der Rechtsmäßigkeit von Gebühren für die Kontrolle von Begleitscheinen befasst und die Gebührenerhebung grundsätzlich für rechtmäßig befunden. Nach dem BVerwG (Beschl. v. 15.10.2014 – 9 B 1.14) kann die Überprüfung abfallrechtlicher Begleitscheine durch Landesrecht mit einer Gebühr belegt werden. Das BVerwG stellt fest, dass die Begleitscheine innerhalb des systematischen Zusammenhangs aus Vorab- und Verbleibkontrolle einen wesentlichen Teil der Überprüfung des Entsorgungsvorgangs darstellen, dessen Ordnungsgemäßheit der zuständigen Behörde insgesamt nachzuweisen ist. Das BVerwG liegt damit auf der Linie des OVG Koblenz, das im Urteil vom 10.12.2014 (Az. 6 A 10051/14) festgestellt hat, dass die Prüfung von Begleitscheinen im Rahmen der Verbleibskontrolle eine notwendige Amtshandlung darstellt, für die auch eine Gebühr erhoben werden dürfe. Dabei sei eine Gebühr pro Begleitschein in Höhe von fünf bis zehn Euro nicht zu beanstanden. 13 Newsletter 01/15 Eine besondere Aktualität erhält das Thema der Bearbeitungsgebühren für die Prüfung von Begleitscheinen derzeit dadurch, dass einige Behörden nunmehr auch Gebühren für fehlerhafte Begleitscheine erheben. So setzen Behörden Bearbeitungsgebühren pro Begleitschein fest, wenn sie bei der automatisierten Prüfung von Begleitscheinen im behördlichen Überwachungssystem ASYS etwa auf vermeintliche Fehler beim Zeitpunkt der Signatur stoßen. Dies betrifft insbesondere auch die Diskussion um den Zeitpunkt der Entsorgersignatur. So interpretieren einige Behörden die Nachweisverordnung (NachweisV) entgegen ihrem Wortlaut dahin, dass die Signatur unmittelbar nach Anlieferung an der Entsorgungsanlage zu leisten ist. Nach der NachweisV ist hingegen auf den Zeitpunkt der Annahme abzustellen, der aufgrund erforderlicher Prüfungen des Abfalls jedoch nach dem Anlieferdatum liegen kann, weil auch dann erst die Annahme zur ordnungsgemäßen Entsorgung erklärt werden kann (siehe hierzu den Köhler & Klett Newsletter 05/13, S. 6 f.). Unabhängig von dieser inhaltlichen Frage dürfte hierbei auch von Bedeutung sein, ob bei einer automatisiert durchgeführten Prüfung mit einer ebenso automatisierten Fehlermeldung die Höhe einer „Bearbeitungsgebühr“ in einem groben Missverhältnis zu den Kosten der Amtshandlung steht. Nach dem OVG Saarlouis (Urt. v. 13.03.2013 – 3 A 202/11) liegt ein grobes Missverhältnis zwischen Gebühr und den Kosten der Amtshandlung vor, wenn die Gebühr die Kosten der Amtshandlung um mehr als hundert Prozent übersteigt. Da eine verspätete Signatur im Nachhinein nicht zu korrigieren ist und sich die Amtshandlung der Behörde in der Fehlerfeststellung erschöpft, stellt sich die Frage nach der Rechtfertigung der Gebührenhöhe. □ Erfordernis einer Sondernutzungserlaubnis für auf Privatgrundstücken aufgestellte Altkleidercontainer Bislang entsprach es der herrschenden Rechtsprechung, dass für auf Privatgrundstücken aufgestellte Altkleidercontainer eine Sondernutzungserlaubnis benötigt wird, wenn sie von der Straße bzw. dem Gehweg aus befüllbar sind (Oberverwaltungsgericht – OVG – NRW, Beschl. v. 15.07.1999 – 23 B 334/99). Das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden ist dieser Rechtsprechung des OVG NRW, welche zuletzt unter anderem durch das VG Neustadt a.d. Weinstraße (Beschl. v. 27.02.2013 – 4 L 90/13.NW), das VG Mainz (Beschl. v. 12.03.2014 – 6 L 123/14.MZ) und durch das VG Saarlouis (Urt. v. 10.09.2014 – 6 K 475/14) bestätigt wurde, entgegengetreten (Beschl. v. 09.01.2015 – 7 L 1576/14.WI). In dem vom VG Wiesbaden zu entscheidenden Fall hatte die Antragstellerin, eine gewerbliche Sammlerin, Altkleidercontainer auf Privatgrundstücken in Wiesbaden aufgestellt. Die Container waren mit der Adresse der Antragstellerin versehen. Die Antragstellerin hatte die Container teilweise direkt an der Grundstücksgrenze, aber auch bis zu einem halben Meter entfernt von der Straße auf den Privatgrundstücken aufgestellt. Die Landeshauptstadt Wiesbaden brachte an den Containern daraufhin einen Zettel an, um der Antragstellerin sinngemäß mitzuteilen, dass ihre Container ohne erforderliche Sondernutzungserlaubnis aufgestellt worden und daher bis zu einer von der Behörde gesetzten Frist zu entfernen seien; ansonsten würden die Container per Ersatzvornahme entfernt werden. Soweit die Antragstellerin die von der Antragsgegnerin angebrachten Zettel wahrnahm, legte sie Widerspruch ein. Nachdem die Antragstellerin die Container nicht entfernt hatte, entfernte die Landeshauptstadt Wiesbaden diese. Mit Bescheid forderte sie von der Antrag- 14 Newsletter 01/15 stellerin die Kosten für die Entfernung und Verwahrung der Container. Weiterhin teilte die Landeshauptstadt Wiesbaden mit, dass die Container längstens zwei Monate nach Zahlungsaufforderung in Verwahrung bleiben würden. Begleiche die Antragstellerin innerhalb dieser Zeit nicht die Kosten und hole die Container ab, würden die Container verwertet oder entsorgt. dernutzung gem. § 16 Abs. 1 HStrG vorliege. Das VG Wiesbaden führt zur Frage des Umfangs des Gemeingebrauchs unter anderem aus, dass unter Gemeingebrauch das jedermann zustehende subjektive öffentliche Recht zu verstehen sei, eine öffentliche Straße im Rahmen der Widmung ohne besondere Zulassung zu Zwecken des Verkehrs zu nutzen (§ 14 HStrG). Darüber hinaus sei bei innerörtlichen Straßen die Nutzung der Straße durch ihre Aufenthalts- und Erschließungsfunktion für die Anliegergeschäfte gekennzeichnet, das heißt dem Verkehr komme auch eine sogenannte kommunikative Komponente zu. Daher diene die Straße auch dem geschäftlichen und kommunikativen Verkehr in vielfältiger Weise. Somit sei entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin auch der geschäftliche Verkehr wesentlicher Bestandteil des öffentlichen Verkehrs im Sinne des Gemeingebrauchs. Selbst wenn die mit dem Befüllen der Container verbundenen Handlungen keine Vorgänge darstellen würden, die überwiegend dem öffentlichen Verkehr dienten, sondern der gewerblichen Betätigung des Aufstellers zuzurechnen seien, müsste im Einzelnen von der Antragsgegnerin dargelegt werden, in welcher Distanz die Container von der Straße entfernt gestanden hätten und ob die Klappe des Altkleidercontainers eventuell von den der Straße abgewandten Seiten zu bedienen gewesen wäre. Auch könne in dem Abholen der Altkleider aus dem Altkleidercontainer, der auf privatem Grund steht, keine Sondernutzung liegen, da sich das dafür erforderliche Überqueren des öffentlichen Gehwegs nicht von der Belieferung eines Geschäfts mit Waren von einem Lieferfahrzeug aus unterscheide. Das hiergegen durch die Antragstellerin vor dem VG Wiesbaden eingeleitete Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hatte Erfolg. Das VG Wiesbaden hat festgestellt, dass bereits die Entfernung der Container rechtswidrig war. Zwar seien die per Zettel angebrachten Beseitigungsaufforderungen als Verwaltungsakte zu qualifizieren gewesen. Sie seien jedoch nicht vollstreckbar gewesen, da sie nicht bestandskräftig geworden wären. Zudem seien die Verwaltungsakte der Antragstellerin nicht bekannt gegeben worden, soweit sie keine Kenntnis von diesen hatte. In den Fällen, in denen die Antragstellerin jedoch Kenntnis von den angebrachten Zetteln hatte, hätte sie ordnungsgemäß Widerspruch eingelegt und somit die Bestandskraft der Verwaltungsakte gehemmt. Ferner fehle es an einer Zustellung der Verwaltungsakte, welche aber Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Vollstreckung sei. Schließlich sei ungeachtet der formellen Mängel der Verwaltungsakte darauf hinzuweisen, dass die Beseitigungsanordnung nicht auf § 17a Abs. 1 Satz 1 Hessisches Straßengesetz (HStrG) hätte gestützt werden können. Nach dieser Norm kann die zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung einer Straße anordnen, wenn die Benutzung ohne die erforderliche Sondernutzungserlaubnis erfolgt. Dies sei aber nicht der Fall, da das Aufstellen der Altkleidercontainer auf Privatgrundstücken nicht über den Gemeingebrauch hinausgehe und somit bereits keine Son- Die Entscheidung des VG Wiesbaden ist zu begrüßen. Die Frage, ob für das Aufstellen von Altkleidercontainern auf Privatgrundstücken eine Sondernutzungserlaubnis erforderlich ist, wird vom Gesetz nicht eindeutig beantwortet und wirft daher erhebliche Rechtsunsicherheiten bei gewerblichen Sammlern auf. Gegen eine 15 Newsletter 01/15 Sondernutzung spricht zunächst, dass sich der Altkleidercontainer nicht im öffentlichen Straßenraum befindet. Grundsätzlich liegt eine Überschreitung des Gemeingebrauchs erst vor, wenn die Anlage in den Straßenraum hineinragt – was aber vorliegend nicht der Fall war. Weiterhin ist die vom OVG NRW vertretene Ansicht fraglich, dass die mit der Befüllung des Altkleidercontainers verbundenen Handlungen – Lektüre einer Gebrauchsanweisung, Öffnen einer Klappe, Einwerfen von Schuhen oder Kleidung – den Gemeingebrauch anderer Verkehrsteilnehmer beeinträchtigt. Denn dadurch, dass sich der Altkleidercontainer gerade nicht im öffentlichen Straßenraum befindet, spielen sich diese Vorgänge am Rande der Straße bzw. bereits teilweise auf dem Privatgrundstück ab. Eine vergleichbare Beeinträchtigung, wie sie etwa von Warenautomaten im öffentlichen Verkehrsraum ausgeht, dürfte gerade nicht vorliegen. Dies spricht dafür, dass die Befüllung von Altkleidercontainern als vom Gemeingebrauch umfasster geschäftlicher und kommunikativer Vorgang i.S. der Entscheidung des VG Wiesbaden zu beurteilen ist. denn nach der Rechtsprechung sind solche Verstöße auch bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit von gewerblichen Sammlern beachtlich. Unabhängig von der Entscheidung des VG Wiesbaden ist nach wie vor bei der Aufstellung von Altkleidercontainern auf Privatgrundstücken Vorsicht geboten. Denn die vom VG Wiesbaden vertretene Ansicht stellt zurzeit noch eine Mindermeinung dar. Ob sich andere Verwaltungsgerichte der Entscheidung des VG Wiesbaden anschließen, bleibt abzuwarten. Es empfiehlt sich daher Altkleidercontainer vorsichtshalber so auf Privatgrundstücken aufzustellen, dass sie nicht von der öffentlichen Straße aus befüllbar sind. Alternativ besteht auch die Möglichkeit sich von der zuständigen Behörde – vor der geplanten Aufstellung des Containers – zusichern zu lassen, dass das Aufstellen des Containers keiner Sondernutzung bedarf. Andernfalls besteht das Risiko einer unerlaubten Sondernutzung, welche grundsätzlich eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Darüber hinaus können Verstöße gegen das Straßenrecht weitreichende Folgen haben, 16 Newsletter 01/15 □ Der Warenimporteur als Erstinverkehrbringer im Sinne der Verpackungsverordnung Im konkreten Fall war die Klägerin als Herstellerin i.S.d. § 3 Abs. 8, 2. Alt. VerpackV und daher als gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 VerpackV systembeteiligungspflichtige Erstinverkehrbringerin einzuordnen, weil sie nach ihrem Internetauftritt und nach den Ausführungen ihres Prozessbevollmächtigten Lebensmittel aus dem osteuropäischen Raum eigenverantwortlich einführt und an Großhandels- und Einzelhandelsunternehmen im Bundesgebiet abgibt. Durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) NRW vom 09.12.2014 – 20 A 2234/12 – wird die verpackungsrechtliche Einordnung des Warenimporteurs als Erstinverkehrbringer für den Rechtsanwender erleichtert. Gleichwohl ist weiterhin aufgrund einer wertenden Betrachtung zu entscheiden, wer bei der Einfuhr verpackter Waren als Importeur die rechtliche Verantwortung für die betreffenden Waren trägt. Demnach schafft die zitierte Gerichtsentscheidung ein Stück Rechtssicherheit in den zahlreichen Untiefen des geltenden Verpackungsrechts. Hersteller und Vertreiber, die mit Ware befüllte Verkaufsverpackungen nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 S. 1 Verpackungsverordnung (VerpackV) erstmals in Verkehr bringen, müssen sich mit diesen Verpackungen an einem Rücknahmesystem i.S.d. § 6 Abs. 3 VerpackV beteiligen. Gemäß § 3 Abs. 8, 2. Alt. VerpackV ist Hersteller auch derjenige, der Verpackungen in den Geltungsbereich der Verordnung einführt. Nach den Ausführungen des OVG NRW ist hierbei in Fällen des Warenimports derjenige als Erstinverkehrbringer i.S.d. § 6 Abs. 1 S. 1 VerpackV und daher als systembeteiligungspflichtiger Hersteller einzuordnen, der im Zeitpunkt des Grenzübertritts die rechtliche Verantwortung für die Ware trägt. Die danach entscheidende rechtliche Verantwortung soll hierbei dem Importeur verpackter Waren zuzuweisen sein. Argumentativ bezieht sich das OVG NRW sowohl auf die Entstehungsgeschichte des § 3 Abs. 8 VerpackV, als auch auf die Einschätzungen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) sowie des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB). Mit Blick auf die vorzunehmende wertende Betrachtung stellt das OVG NRW klar, dass sich die Einordnung als rechtlich verantwortlicher Importeur nicht allein danach beurteilt, wer zum Zeitpunkt des Grenzübertritts zivilrechtlich Eigentümer der Ware ist. 17 Newsletter 01/15 □ Anordnung einer Sicherheitsleistung für die Zeit nach Betriebseinstellung tende Lösung dargestellt hätte. Da das Material nach dem Ansinnen der Klägerin dauerhaft auf dem Anlagengelände verweilen solle, beabsichtige sie ein endgültiges Lagern des Materials unter Ausschluss der Kreislaufwirtschaft, mithin ein Ablagern von Abfall, das ihr indes nicht erlaubt sei. Denn die ursprüngliche Genehmigung gestatte nur ein Lagern, nicht aber ein Ablagern von Abfällen. Dies folge unter anderem aus den Nebenbestimmungen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, die nur ein „Zwischenlagern“ gestatteten, bzw. die Anlage als „Zwischenlagerplatz“ bezeichneten. Ein langes Verweilen von Abfällen an derselben Stelle schlage nicht in ein „Ablagern“ um, wenn das gelagerte Material nicht auf Dauer auf dem Gelände bleiben solle. Der VGH verweist zur Begründung auf Nr. 8.14 des Anhangs 1 zur 4. Verordnung zur Durchführung des BImSchG (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen – 4. BImSchV), wonach Anlagen zum Lagern von Abfällen über einen Zeitraum von über einem Jahr genehmigungsbedürftig sind. Aus der Verwendung des Rechtsbegriffs „Lagern“ folge, dass ein längeres Lagern von Abfällen auch in der 4. BImSchV nicht als Ablagern angesehen werde. Über die erforderliche abfallrechtliche Zulassung zum Ablagern verfüge die Klägerin nicht. § 17 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) regelt in Abs. 4a die Möglichkeit, gegenüber Betreibern von Abfallentsorgungsanlagen eine Sicherheitsleistung zur Erfüllung der Pflichten nach Betriebseinstellung anzuordnen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat nun entschieden, dass bei Festsetzung einer Sicherheitsleistung nach § 17 BImSchG die Möglichkeit einer dauerhaften Ablagerung von Abfällen auf dem Betriebsgelände nicht zu berücksichtigen ist, wenn für die Ablagerung nicht die erforderliche abfallrechtliche Zulassung vorliegt (VGH, Beschluss vom 30.09.2014 – 22 ZB 13.579). Die Klägerin betreibt eine Bauschuttrecyclinganlage auf Grundlage einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Der Betrieb der Anlage ist bis zur Endverfüllung des gesamten Deponiegeländes, spätestens jedoch bis zum 30.11.2016 gestattet. Nach einer Änderungsanzeige durch die Klägerin vom 16.01.2012 änderte das Landratsamt mit Bescheid vom 14.02.2012 Nebenbestimmungen des ursprünglichen Genehmigungsbescheides ab und verpflichtete die Klägerin in einem weiteren Bescheid, spätestens innerhalb von acht Wochen nach dessen Bestandskraft für die Bauschuttrecyclinganlage eine Sicherheitsleistung in Höhe von 125.425,00 € zu erbringen. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin erfolglos Klage vor dem Verwaltungsgericht Augsburg (VG). Der Antrag auf Zulassung der Berufung vor dem VGH blieb ohne Erfolg. Auch die Kostenermittlung durch das Landratsamt befand der VGH für rechtmäßig. Allein die theoretische Möglichkeit, dass die Behörde durch Beauftragung Dritter mit dem Brechen von verbliebenem Bauschutt Erlöse erzielen könnte, führe nicht zur Verringerung der Höhe der Sicherheitsleistung. Die Entscheidung des VGH bestätigt die bisherige Rechtsprechung zur Sicherheitsleistung für Abfallentsorgungsanlagen im Wege nachträglicher Anordnungen. Bei der Ermittlung der Höhe der Sicherheitsleistung muss die Behörde die Möglichkeit, dass auf dem Anlagengelände dauerhaft Abfälle abgelagert werden können, nicht beachten, wenn eine entspre- Der VGH folgte nicht der Auffassung der Klägerin, ihr hätte anstelle einer Sicherheitsleistung die Möglichkeit eingeräumt werden müssen, das auf der Anlage befindliche Material dort zu belassen, da dies gegenüber der existenzvernichtenden Forderung nach Beibringung einer Sicherheitsleistung eine deutlich weniger belas- 18 Newsletter 01/15 chende abfallrechtliche Zulassung nicht vorliegt. □ Bundesrat beschließt Änderungen der 4. BImSchV – strengere Anforderungen für Anlagen der Entsorgungswirtschaft Anlässlich der Umsetzung der Energieeffizienzrichtlinie 2012/27/EU in deutsches Recht beabsichtigt das Bundesumweltministerium (BMUB) Änderungen der 4. BImSchV (vgl. hierzu den Köhler & Klett Newsletter 03/14, S. 4 ff.). Der Bundesrat hat am 06.03.2015 – neben redaktionellen – diverse inhaltliche Änderungen der 4. BImSchV beschlossen. Diese betreffen in erster Linie nach dem BundesImmissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftige Anlagen der Entsorgungswirtschaft, namentlich den Typ der „Anlage zur sonstigen Behandlung“ von gefährlichen/nicht gefährlichen Abfällen. Abzuwarten bleibt, ob die Bundesregierung die 4. BImSchV nach den Maßgaben des Beschlusses des Bundesrates vom 06.03.2015 ändern wird. - Anlagen zur sonstigen Behandlung von gefährlichen Abfällen mit einer Durchsatzkapazität von 10 t oder mehr je Tag sollen künftig im Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung („G“) genehmigt werden müssen. Zudem erhalten sie den Status einer IED-Anlage (Nr. 8.11.2.1 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV). Die bisherige Regelung in Nr. 8.11.2.1 in der Fassung der 4. BImSchV vom 02.05.2013, wonach dieser Anlagentyp ab einer Durchsatzleistung von 1 t oder mehr je Tag lediglich im vereinfachten Genehmigungsverfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung („V“) zu genehmigen war und keinen IED-Status hatte, soll entfallen. Anlagen zur mechanischen Behandlung von gefährlichen Abfällen, Anlagen zum Sieben, Trennen, Sortieren derartiger Abfälle und sonstige Anlagen der Entsorgungswirtschaft, die genehmigungsrechtlich als „Anlagen zur sonstigen Behandlung von gefährlichen Abfällen“ einzuordnen sind, sind daher künftig ab einer Durchsatzkapazität von 10 t oder mehr je Tag im deutlich aufwändigeren und in der 19 Newsletter 01/15 Regel auch langwierigeren Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung zu genehmigen. Zudem und maßgeblich unterliegen sie den materiellrechtlichen Anforderungen an IEDAnlagen, deren Erfüllung für die Anlagenbetreiber mit erheblichem Mehraufwand einhergehen kann; insoweit ist vor allem auf den Ausgangszustandsbericht zu verweisen. Rechtslage auch – ab einer Durchsatzkapazität von 10 t oder mehr je Tag im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu genehmigen sein und haben auch künftig keinen IED-Status (Nr. 8.11.2.4). - Die Genehmigungsbedürftigkeit von Anlagen zur biologischen Behandlung von Gülle durch anaerobe Vergärung zum Zwecke der Biogaserzeugung (Nr. 8.6.3) soll auch künftig unabhängig von der Abfalleigenschaft der in der Biogasanlage eingesetzten Gülle bestehen. Dadurch soll die im Vollzug oftmals streitige Frage, ob Gülle Abfall im Rechtssinne ist oder nicht, umgangen werden. Hier ist der Bundesrat dem Vorschlag der Ausschüsse gefolgt und hat sein ursprüngliches Ansinnen, aus Gründen der Einheitlichkeit der Regelungen unter Nr. 8 des Anhangs 1 der 4. BImSchV auch für Gülle die Abfalleigenschaft zu fordern, aufgegeben; insoweit soll es bei der bisherigen Rechtslage bleiben. Dabei hatten sich nicht nur die Verbände der Abfallwirtschaft, sondern auch der federführende Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie der Wirtschaftsausschuss gegen die Neuregelung ausgesprochen. Sie gehe über die Vorgaben der IED hinaus. Die vorgesehene Regelung würde einen Auffangtatbestand schaffen, nach dem z.B. auch die Behandlung von Elektronikschrott ab einer Kapazität von 10 t je Tag eine IEDAnlage darstellen würde. Alternativ hatten die Ausschüsse eine ergänzende Regelung in Nr. 8.11.1 Spalte b) Nr. 7 vorgeschlagen, wonach lediglich Anlagen zur sonstigen Behandlung von gefährlichen Abfällen „zur Verwertung oder Rückgewinnung von anderen organischen Stoffen als Metallen und Metallverbindungen“ ab 10 t oder mehr je Tag im Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung zu genehmigen sein sollten und den IED-Status erhalten sollten, es im Übrigen aber bei der Regelung in Nr. 8.11.2.1 in der Fassung vom 02.05.2013 bleiben sollte. Der Bundesrat ist diesem Vorschlag nicht gefolgt. - Neu ist zudem, dass Anlagen zur sonstigen Behandlung nicht gefährlicher Abfälle mit einer Durchsatzleistung von 50 t oder mehr je Tag den Status einer IEDAnlage erhalten und im Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung zu genehmigen sind, wenn in ihnen (nicht gefährliche) Abfälle für die Verbrennung vorbehandelt oder (nicht gefährliche) Schlacken oder Aschen behandelt werden (Nr. 8.11.2.3). Die übrigen Anlagen zur sonstigen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen sollen dagegen – wie unter der bisherigen 20 Newsletter 01/15 □ Anwendung des bauplanungsrechtlichen Fachplanungsprivilegs im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren sich darüber hinweggesetzt, dass sie ihr Einvernehmen verweigert habe bzw. dieses nur mit im Bescheid vom 20.12.2012 unzureichend berücksichtigten Maßgaben erteilt habe. Die Klage hatte aufschiebende Wirkung, so dass die Antragstellerin von der ihr erteilten Genehmigung keinen Gebrauch machen konnte. Die Antragstellerin hatte beim Landratsamt vergeblich die Anordnung der sofortigen Vollziehung der ihr erteilten Genehmigung beantragt, sodass sich der BayVGH mit dem Antrag auf sofortige Vollziehung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu befassen hatte. Das vom Bayerischen Verwaltungsgericht (BayVGH) mit Beschluss vom 04.09.2013 – 22 AS 13.40052 – entschiedene einstweilige Rechtsschutzverfahren war auf die Anordnung des Sofortvollzugs einer der Antragsstellerin erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gerichtet. Diese betraf eine Anlage zur zeitweiligen Lagerung von gefährlichen und nicht gefährlichen Abfällen, zur Lagerung von Eisenund Nichteisenschrotten einschließlich Autowracks und zur Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen (Nrn. 8.9 Spalte 2 Buchstabe b), 8.11 Spalte 2 Buchstabe b) bb) und 8.12. Spalte 2 Buchstaben a) und b) im Anhang zur 4. BImSchV in der Fassung vom 14.03.1997). Die von der beigeladenen Stadt geltend gemachten Bedenken gegen die bauplanungsrechtliche Gebietsverträglichkeit der Anlage waren bei der Genehmigungserteilung von dem Landratsamt nicht in die Abwägung eingestellt worden. Deswegen hatte der Antrag auf Anordnung des Sofortvollzugs keinen Erfolg. Der Antrag erforderte eine Interessenabwägung des Gerichts. Dabei waren die gleichrangigen Rechtspositionen der Antragstellerin als privatem Unternehmen einerseits und der durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz geschützten Gemeinde andererseits zu berücksichtigen. Dem Gericht erschien dabei zweifelhaft, ob die in die Abwägungsentscheidung des Landratsamts einzustellenden städtebaulichen Belange der beigeladenen Stadt hinreichend berücksichtigt worden waren. Dazu ging der BayVGH von der Geltung des Fachplanungsprivilegs in § 38 Satz 1 Alternative 2 BauGB aus, so dass sich die Gemeinde nicht auf §§ 31, 36 BauGB berufen könne. Denn bei der Anlage der Antragstellerin handele es sich um eine öffentlich zugängliche Beseitigungsanlage im Sinne des § 38 Satz 1 Alternative 2 BauGB. Damit entfiele das verfahrensrechtliche Erfordernis des Einvernehmens. Zwar sei die beigeladene Stadt formell beteiligt worden, nicht jedoch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 38 Satz 1 BauGB, sondern deswegen, weil das Landratsamt fälschlicherweise das Einvernehmen der Gemeinde für notwendig erachtet hatte. Dieser Umstand habe auch bei der gebundenen Entscheidung für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung Bedeutung, weil infolge der Ausdehnung des Fachplanungsprivilegs in § 38 Satz 1 BauGB auf das immissionsschutzrechtliche Die Antragstellerin erhielt unter dem 20.12.2012 von dem Landratsamt die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der Abfallentsorgungsanlage. Dabei ging das Landratsamt davon aus, dass die Beigeladene ihr gemeindliches Einvernehmen nach § 36 BauGB erteilt habe und gewährte daraufhin der Antragstellerin gemäß § 31 Abs. 2 BauGB verschiedene erforderliche Befreiungen von den Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans. Die Beigeladene hat daraufhin Klage gegen die der Antragstellerin erteilte Genehmigung erhoben, über die im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung des BayVGH noch nicht entschieden war. Mit der Klage hat die beigeladene Stadt geltend gemacht, das Landratsamt habe 21 Newsletter 01/15 Genehmigungsverfahren dieses um ein planerisches Element angereichert werde, so dass in einem Teilbereich eine Abwägung stattzufinden habe. nem Gewerbegebiet ausgegangen werden kann, bleibt der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten. Der von der beigeladenen Stadt geltend gemachte Einwand, die streitgegenständliche Anlage diene auch der Lagerung gefährlicher Abfälle und sei deswegen grundsätzlich in einem Gewerbegebiet unzulässig, richtiger Standort sei vielmehr in einem Industriegebiet, könne auf eine nachhaltige Störung der kommunalen Planung hindeuten. Er stelle damit einen berücksichtigungsbedürftigen städtebaulichen Belang dar. Denn ein immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiger Lagerplatz auch für gefährliche Abfälle sei bei typisierender Betrachtung in einem Gewerbegebiet wohl nicht gebietsverträglich. Die erforderliche Abwägung sei vom Landratsamt nicht vorgenommen worden. Die Erwägungen des Landratsamts, die in den Nebenbestimmungen zur immissionsschutzrechtlichen Genehmigung aufgenommen worden seien und im Übrigen zeigten, dass es sich mit den Bedenken der Beigeladenen auseinandergesetzt habe, könnten nicht die notwendige Abwägung ersetzen. Dies gelte schon deshalb, weil das Landratsamt zu Unrecht von der Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens ausgegangen sei. Anzumerken bleibt zur Entscheidung des BayVGH allerdings, dass die streitgegenständliche Anlage nach dem Anlagentyp der 4. BImSchV nicht als „Abfallbeseitigungsanlage“ im Sinne von § 38 Satz 1 Alternative 2 BauGB, sondern als Abfallverwertungsanlage einzuordnen sein dürfte. Damit kommt ihr auch bei öffentlicher Zugänglichkeit das Fachplanungsprivileg nicht zu. Mithin war die beigeladene Stadt nicht gehindert, das verweigerte Einvernehmen geltend zu machen. Ob unter den konkreten Bedingungen des Einzelfalls von einer „Atypik“ und damit der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit bei der Beurteilung der Gebietsverträglichkeit der streitgegenständlichen Anlage in ei- 22 Newsletter 01/15 □ Bundesverwaltungsgericht bekräftigt Rechtsprechung zur Auslegungsbekanntmachung bei Bebauungsplänen von der Gemeinde in das Verfahren einzuführen und so zur Grundlage der Abwägungsentscheidung zu machen. In einer weiteren Entscheidung vom selben Tag (Urteil vom 11.09.2014 – Az.: 4 CN 3.14) hat das BVerwG entschieden, dass einem Antragsteller in einem Normenkontrollverfahren die Präklusion von Einwendungen und damit die Unzulässigkeit des Verfahrens nach § 47 Abs. 2a Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht entgegen gehalten werden kann, wenn die Bekanntmachung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 BauGB nicht ordnungsgemäß war. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die Bekanntmachung nicht die ausreichenden Angaben dazu enthalten hatte, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar waren. In zwei Entscheidungen vom 11.09.2014 hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) seine strenge Rechtsprechung zur Unwirksamkeit der Auslegungsbekanntmachung im Bebauungsplanverfahren nach § 3 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) im Zusammenhang mit dem Hinweis auf vorhandene Umweltinformationen bekräftigt. In der ersten Entscheidung (Urteil vom 11.09.2014 – Az.: 4 CN 1.14) hat das BVerwG zunächst bestätigt, dass es nicht ausreichend ist, in der öffentlichen Bekanntmachung zur Auslegung des Bebauungsplans einen Hinweis auf den Umweltbericht und „andere umweltrelevante Stellungnahmen allgemeiner Art“ zu geben. Vielmehr seien die Gemeinden verpflichtet, die in den vorhandenen Stellungnahmen und Unterlagen behandelten Umweltthemen nach Themenblöcken zusammenzufassen und diese in der Auslegungsbekanntmachung schlagwortartig zu charakterisieren. Das Gericht betont, dass das Europäische Unionsrecht und § 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 BauGB auf die „verfügbaren“ umweltbezogenen Informationen abstelle und der Gemeinde daraus keine Befugnis zur Selektion der bekannt zu machenden Umweltinformationen zustehe. Das BVerwG hat eindeutig klargestellt, dass der Eintritt der Rechtsfolge des § 47 Abs. 2a VwGO, also der Präklusion und damit der Unzulässigkeit des Normenkontrollantrags, davon anhängt, dass die ortsübliche Bekanntmachung des Orts und der Dauer der Auslegung des Planentwurfs sowie die Angabe zu den verfügbaren Umweltinformationen ordnungsgemäß erfolgt ist. In diesem Zusammenhang hat das BVerwG auch betont, dass für die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags ohne Bedeutung ist, ob der Verstoß gegen die Vorschriften über die Auslegungsbekanntmachung nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB nach Ablauf der Jahresfrist unbeachtlich geworden ist. Denn diese Vorschrift regelt die Unbeachtlichkeit von formellen Fehlern für die Wirksamkeit eines Bebauungsplans, verhält sich aber weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrer systematischen Stellung zur Zulässigkeit eines Normenkontrollantrags (BVerwG, a. a. O., Rn. 13). In dieser Entscheidung fügt das BVerwG ausdrücklich hinzu, dass der strikte Wortlaut und der unionsrechtliche Hintergrund keinen Raum für etwaige Ausnahmen in Bezug auf die Angaben, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, lassen. Auch wenn die Umweltinformationen geringfügig und unwesentlich seien, könne die Gemeinde nicht darauf verzichten, in der Auslegungsbekanntmachung die Öffentlichkeit genau zu informieren, um der Anstoßwirkung der Auslegung der Bebauungsplanunterlagen nachzukommen. Auch etwaige bisher unbekannte Umweltbelange seien Die beiden neuen Urteile des BVerwG bestätigen, dass die Städte und Gemeinden besondere Sorgfalt an den Inhalt der Auslegungsbekanntmachung für Bebauungspläne, insbesondere im Hinblick auf die 23 Newsletter 01/15 vorhandenen Umweltinformationen, anlegen müssen, um die Rechtswirksamkeit von Bebauungsplänen insoweit nicht zu gefährden. □ Verantwortlichkeit für Grundwassersanierung nach Löscharbeiten Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in einem wegweisenden Beschluss vom 16.02.2000 – 1 BvR 242/91, 315/99 – die ordnungsrechtliche Zustandsstörerhaftung des Grundstückseigentümers aus Gründen des grundrechtlichen Eigentumsschutzes beschränkt. Danach beruht die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers zwar auf einer zulässigen Inhaltsund Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG). Sie ist jedoch nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Der Weg von diesen verfassungsrechtlichen Erkenntnissen bis zu konkreten Schlussfolgerungen und Einzelfallentscheidungen der Rechtspraxis ist jedoch lang und vielfach verschlungen. Davon zeugt ein noch nicht rechtskräftiges, gleichwohl aber beachtenswertes Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Karlsruhe vom 11.11.2014 – 6 K 2682/12 – zu den Voraussetzungen und Schranken der ordnungsrechtlichen Zustandsstörerhaftung des Grundstückseigentümers für eine Grundwassersanierung, die infolge von Löscharbeiten der Feuerwehr und einer Kontamination des Bodens und des Grundwassers erforderlich geworden war. Das VG Karlsruhe hat die daraufhin gegen die klagende Grundstückseigentümerin erlassenen Sanierungsanordnungen und Gebührenbescheide aufgehoben, weil die städtische Ordnungsbehörde die vom BVerfG entwickelten Zumutbarkeitsgrenzen der Zustandsstörerhaftung nicht hinreichend beachtet hatte. Dem Urteil des VG Karlsruhe lag der Fall eines Großbrandes zugrunde, der aus ungeklärter Ursache von einem auf dem Grundstück der Klägerin abgestellten Lastkraftwagen der Mieterin ausgegangen war. Das Feuer hatte auf weitere Fahrzeuge und eine Lagerhalle übergegriffen. Diese brannte völlig ab. Um einen Feuerüberschlag auf benachbarte, ihrerseits an ein Wohngebiet angrenzende Hallen zu vermeiden, hatte der Einsatzlei- 24 Newsletter 01/15 ter der städtischen Feuerwehr den Einsatz schaumbildender Löschmittel angeordnet. Diese enthielten wassergefährdende Tenside. Das Schaummittel durfte im Zeitpunkt des Einsatzes nicht mehr in Verkehr gebracht werden; die vor einem bestimmten Stichtag in Verkehr gebrachten Schäume durften jedoch im Zeitpunkt des Einsatzes aufgebraucht werden. Im Falle des geschilderten Brandes hielt sich der Einsatz der Löschmittel im Rahmen der gesetzlichen Fristen. Das Löschwasser mit den wassergefährdenden Tensiden gelangte über zwei auf dem Grundstück befindliche Mulden-Rigolensysteme in das Grundwasser. fende rechtliche Bedenken, weil die klagende Grundstückseigentümerin in den angefochtenen Bescheiden ohne einen Kostenbeschränkungsvorbehalt zur Sanierung verpflichtet worden ist. Das VG Karlsruhe hat die Sanierungsanordnungen deshalb wegen Unverhältnismäßigkeit als ermessensfehlerhaft angesehen. Offengelassen hat das VG Karlsruhe die vorgelagerten Rechtsfragen der Störerauswahl. Dies betrifft zum einen die Frage, ob die beklagte Stadt – wegen der schadensursächlichen Maßnahmen ihrer Feuerwehr – selbst als Handlungsstörerin verantwortlich ist. Es sei – so das VG Karlsruhe – nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Behörde sich bei tatsächlich ungeklärter oder rechtlich ungesicherter Verhaltensverantwortlichkeit im Interesse einer alsbaldigen Durchführung der Untersuchungsmaßnahmen an den Zustandsverantwortlichen, hier also an die Grundstückseigentümerin, hält (so schon Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 18.04.2007 – 22 ZB 07.222; Oberverwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 17.05.2000 – 5 BF 31/96; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg – VGH BW, Urteil vom 10.05.1990 – 5 S 1847/89). Insoweit sei entscheidend, dass es zum maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung „wohl nicht hinreichend wahrscheinlich war, dass die Feuerwehr der Beklagten durch den Einsatz des Schaumes als Störer in Betracht kam“. Die städtische Ordnungsbehörde ordnete gegenüber der klagenden Grundstückseigentümerin an, dass diese auf eigene Kosten zahlreiche aufwendige Gefahrenerkundungs- und Grundwassersanierungsmaßnahmen durchzuführen habe. Hinsichtlich mehrerer Maßnahmen ordnete die städtische Ordnungsbehörde zuvor angedrohte Ersatzvornahmen an. Für sämtliche Amtshandlungen erhob die beklagte Stadt durch gesonderte Bescheide Gebühren. Die klagende Grundstückseigentümerin erhob – nach erfolglosen Widerspruchsverfahren – verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklage gegen alle vorerwähnten Sanierungsanordnungen, die diesbezüglichen Festsetzungen der Ersatzvornahme und die Gebührenbescheide. Wenn das VG Karlsruhe dazu anmerkt, dem Widerspruchsbescheid sei nicht zu entnehmen, dass aus ex ante-Sicht der Schaumeinsatz rechtswidrig gewesen sei, mag diese Beurteilung angehen. Ob aber – wie das VG Karlsruhe des Weiteren unterstellt – die Feuerwehr der Beklagten die ordnungsrechtlich relevante Gefahrenschwelle nicht überschritten hat, erscheint in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durchaus zweifelhaft. Das VG Karlsruhe hat in seinem Urteil vom 11.11.2014 die zulässige Klage für begründet erachtet und die angefochtenen Sanierungsanordnungen, Ersatzvornahmefestsetzungen und Gebührenbescheide in ihrer Gesamtheit aufgehoben. Nach der Erkenntnis des VG Karlsruhe sind alle vorgenannten Verfügungen und Bescheide – in Gestalt der Widerspruchsbescheide des Regierungspräsidiums Karlsruhe – rechtswidrig ergangen. Sie verletzten demgemäß die Klägerin in ihren Rechten. Zum anderen hat das VG Karlsruhe die fehlende Einbeziehung der Mieterin in die Störerauswahl als problematisch erkannt, da der beklagten Stadt von Beginn der Gegen die Sanierungsanordnungen bestehen – so das VG Karlsruhe – durchgrei- 25 Newsletter 01/15 Sanierungsmaßnahmen an die Existenz der Mieterin bekannt war. Beachtenswert erscheint insoweit das obiter dictum des VG Karlsruhe, einiges spreche dafür, dass es sich bei der erstmals im Klageverfahren erfolgten Einbeziehung der Mieterin in die Störerauswahl „nicht um ein zulässiges Nachschieben von Ermessenserwägungen, sondern um eine erstmalige Ermessensausübung handeln dürfte, die im Klageverfahren nicht nachgeholt werden kann“. fahr, die von dem Grundstück ausgeht, aus Naturereignissen, aus der Allgemeinheit zuzurechnenden Ursachen oder von nicht Nutzungsberechtigten herrührt (VG Karlsruhe, ebenda). Nach diesen Maßstäben hätte es – so das VG Karlsruhe – im Hinblick auf die eigentumsrechtliche Opfergrenze spätestens im Widerspruchsverfahren einer Aufklärung bedurft, ob die Sanierungskosten den Verkehrswert des Grundstücks nach der Sanierung übersteigen. Hierzu wäre – wie das Gericht hinzufügt – die Einholung einer konkreten situationsbezogenen fachkundigen Bewertung des Verkehrswertes des Grundstücks nach der Sanierung geboten gewesen. Im Anschluss daran hätte auf der Grundlage des Gutachtens eine Ermessensentscheidung erfolgen müssen, in welcher Höhe die Zustandshaftung der in Anspruch genommenen Grundstückseigentümerin verhältnismäßig und zumutbar ist. Für die verwaltungsgerichtliche Aufhebung der angefochtenen Sanierungsanordnungen sowie der diesbezüglichen Ersatzvornahmefestsetzungen und Gebührenbescheide war indessen der Rückgriff auf die Rechtsprechung des BVerfG zum Eigentumsschutz und zur rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeit ausschlaggebend. Die ordnungsrechtliche Zustandshaftung ist danach zwar Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG), derzufolge der Eigentümer verpflichtet ist, die von dem Grundstück ausgehenden Gefahren zu beseitigen. Die Sozialbindung wird jedoch durch das Übermaßverbot begrenzt, das nur erforderliche und im Hinblick auf den Zweck angemessene und zumutbare Grundrechtsbeeinträchtigungen zulässt (so VG Karlsruhe, Urteil vom 11.11.2014 – 6 K 2682/12 – im Anschluss an BVerfG, Beschluss vom 16.02.2000 – 1 BvR 242/91, 315/99). Im entschiedenen Fall waren nach Auffassung der beklagten Stadt Sanierungskosten in Höhe von ca. 1,176 Mio. Euro angefallen. Das Regierungspräsidium Karlsruhe ist im Widerspruchsbescheid von einem reinen Grundstückswert von 466.200 Euro ausgegangen. Bei dieser Sachlage war nach der Erkenntnis des VG Karlsruhe ohne Weiteres davon auszugehen, dass die grundrechtliche Opfergrenze überschritten war. Angesichts dessen war ein Absehen von einem Kostenvorbehalt oder einer Haftungsbegrenzung nicht gerechtfertigt. Vielmehr hätte „als Entscheidungsgrundlage für eine aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zu treffende Ermessensentscheidung eine konkrete situationsbezogene fachkundige Bewertung des Verkehrswertes des Grundstücks der Klägerin nach Sanierung vorgenommen werden müssen“ (so schon VGH BW, Urteil vom 08.03.2013 – 10 S 1190/09, Rn. 63 ff.). Auf dieser Grundlage hätte dann – unter Berücksichtigung ggfls. weiterer Zumutbarkeitsgesichtspunkte – eine Entscheidung über eine Haftungsbegrenzung erfolgen müssen (VG Karlsruhe, Urteil vom 11.11.2014 – 6 K 2682/12, Rn. 58). Danach kann zur Bestimmung der Grenze dessen, was einem Eigentümer an Belastungen zugemutet werden darf, das Verhältnis des finanziellen Aufwands zu dem Verkehrswert des betroffenen Grundstücks nach Durchführung der Sanierung als Anhaltspunkt dienen. Wird der Verkehrswert von den Kosten überschritten, entfällt in der Regel das grundrechtlich geschützte Interesse des Eigentümers an einem künftigen privatnützigen Gebrauch des Grundstücks (BVerfG, Beschluss vom 16.02.2000 – 1 BvR 242/91, 315/99; VG Karlsruhe, Urteil vom 11.11.2014 – 6 K 2682/12, Rn. 50). Eine diese Grenzen überschreitende Belastung kann namentlich dann unzumutbar sein, wenn die Ge- 26 Newsletter 01/15 Aufgrund der Aufhebung der Sanierungsanordnungen waren, wie das VG Karlsruhe konsequent entschieden hat, auch die Ersatzvornahmefestsetzungen und die Gebührenbescheide der beklagten Stadt aufzuheben. □ Grau ist alle Theorie – Satzungsrecht und Grundsatz der konkreten Vollständigkeit In dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (OVG) vom 14.01.2015 – OVG 9 S 44.14 – ging es um die Frage, ob die einem Beitragsbescheid zu Grunde liegende Beitragssatzung wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der konkreten Vollständigkeit unwirksam ist. Das VG Karlsruhe hat gem. § 124 a Abs. 1 Satz 1 und § 124 Abs. 2 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung die Berufung gegen das Urteil vom 11.11.2014 zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Somit ist davon auszugehen, dass der zugrunde liegende Verwaltungsrechtsstreit vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg fortgesetzt wird. Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) (VG) hatte in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen einen Beitragsbescheid angeordnet. Die dem Beitragsbescheid zu Grunde liegende Beitragssatzung hielt das VG für unwirksam, weil der Satzungsgeber – ein Zweckverband – geregelt hatte, dass die Beitragserhebung nach einem kombinierten Vollgeschossmaßstab durch Multiplikation der bevorteilten Grundstücksfläche mit der zulässigen Geschossfläche vorzunehmen sei. Nach Auffassung des VG fehlte in der Satzung eine Bestimmung, wie die Anzahl der Vollgeschosse zu ermitteln sei, wenn ein Bebauungsplan nur eine Geschossflächenzahl bzw. Grundflächenzahl festsetze und weder aus dem Bebauungsplan noch aus der Umgebungsbebauung abzuleiten sei, wie hoch zulässigerweise gebaut werden dürfe. Das OVG hat auf Antrag des Zweckverbandes den Beschluss des VG zur Sicherung des Rangs des Beitrags als einer auf dem Grundstück ruhenden öffentlichen Last vorläufig außer Vollzug gesetzt. Im Übrigen ist dem Urteil des VG Karlsruhe zu entnehmen, dass die klagende Grundstückseigentümerin – parallel zu dem Verwaltungsrechtsstreit – im ordentlichen Rechtsweg eine Klage gegen die Stadt auf Schadensersatz aus Amtshaftung (§ 839 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Verbindung mit Art. 34 GG) erhoben hat. In diesem Rechtsstreit hat das Landgericht Baden-Baden durch Urteil vom 24.07.2014 – 3 O 4/11 – der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Das Berufungsverfahren ist vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe anhängig. Im Hinblick darauf hat das VG Karlsruhe in seinem Urteil vom 11.11.2014 angemerkt, dass im Zeitpunkt seines Urteils noch nicht zweifelsfrei feststand, dass der Schaumeinsatz rechtswidrig war. Dieses Nebeneinander der Klageverfahren im Verwaltungsrechtsweg und im ordentlichen Rechtsweg beruht auf der historisch bedingten, für die Amtshaftung geltenden Rechtswegklausel (Art. 34 Satz 3 GG). Die hierdurch bedingte Aufspaltung des Rechtsweges ist für die Effektivität des Rechtsschutzes misslich und deshalb oft, wenn auch bisher vergeblich, kritisiert worden. Somit bleibt das doppelspurige Vorgehen im Verwaltungs- und Zivilrechtsweg der Rechtspraxis und somit auch der anwaltlichen Beratung vorgegeben. Das OVG hält die Entscheidung des VG für offensichtlich fehlerhaft, weil das VG den Grundsatz der konkreten Vollständigkeit nicht richtig angewendet hat. Im Anschlussbeitragsrecht muss der Satzungsgeber zwar nach ständiger Rechtsprechung des OVG den Verteilungsmaßstab für alle im Versorgungsgebiet in Betracht kommenden Anwendungsfälle regeln, um den Grundsatz der konkreten Vollständigkeit einzuhalten. Der Grundsatz der konkreten Vollständigkeit ver- 27 Newsletter 01/15 langt aus Sicht des OVG aber nicht, dass in der Satzung ein Beitragsmaßstab für alle „irgendwie denkbaren“ Fälle geregelt sein muss. Der Satzungsgeber sei vielmehr nur gehalten, eine Maßstabsregelung für die realistischerweise zu erwartenden Fälle zu treffen. Ein Bebauungsplan, der nur Festsetzungen zur Geschossflächenzahl oder zur Grundflächenzahl, aber keine Festsetzungen zur zulässigen Zahl der Vollgeschosse oder zur zulässigen Höhe bzw. Baumassenzahl für Baukörper enthält, ist nach Auffassung des OVG kein realistischerweise zu erwartender Fall. Das OVG weist darauf hin, dass ein solcher Bebauungsplan rechtswidrig sein dürfte, weil ihm die städtebaulich ordnende Funktion fehlt. Unbeschadet dessen sei realistischerweise nicht zu erwarten, dass eine Gemeinde als Plangeber den Aufwand eines Bebauungsplanungsverfahrens für einen derart rudimentären Plan betreiben würde. lungsmaßstäbe allerdings weiterhin den Zweckverbänden. Zur Vermeidung einer Verletzung des Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit sind deshalb sowohl bei der Gestaltung der Beitragssatzung als auch bei der Kalkulation alle in Betracht kommenden Anwendungsfälle sorgfältig und umfassend zu ermitteln. Mit der zitierten Entscheidung fügt das OVG seiner Rechtsprechung zum Grundsatz der konkreten Vollständigkeit der Beitragsmaßstäbe eine weitere Facette hinzu. Das OVG folgt damit nicht der in der Verwaltungsgerichtsbarkeit oft verfolgten extensiven Auslegung und Anwendung des Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit, die teilweise auf eine Regelung aller „denkbaren“, d.h. theoretisch möglichen Beitragsmaßstäbe abstellt. Das OVG verfolgt hier vielmehr die Linie, dass es erforderlich ist, aber auch ausreicht, dass der Satzungsgeber bei der Aufstellung der Beitragssatzung sorgfältig prüft, welche Beitragsmaßstäbe in seinem Verbandsgebiet tatsächlich zu erwarten sind. Die theoretische Möglichkeit, dass verbandsangehörige Kommunen Bebauungspläne ohne städtebauliche Ordnungsfunktion erlassen könnten, muss ein Zweckverband dagegen grundsätzlich nicht berücksichtigen. Auch nach der zitierten Entscheidung des OVG obliegt die Ermittlung der „realistischerweise zu erwartenden“ Veranlagungsfälle und der daraus abzuleitenden Anwendungsfälle und Vertei- 28 Newsletter 01/15 □ Übertragbarkeit der Rechtsprechung zu Untersuchungs- und Rügeobliegenheit beim Streckengeschäft auf Weiterlieferung der gekauften Ware an Subunternehmer des Käufers ist der Fall, wenn beide Parteien Kaufmann im Sinne des Handelsrechts sind und ein Kaufvertrag geschlossen wurde. Da § 377 HGB nach der gesetzlichen Konzeption keine Anwendung auf Werkverträge findet, kann der Abgrenzung zwischen Kauf- und Werkvertrag im Einzelfall entscheidende Bedeutung zukommen, weil davon abhängt, ob Rügeobliegenheiten bestanden, deren Nichtbeachtung zu einem Anspruchsausschluss führt. Die Abgrenzung zwischen Kauf- und Werkvertrag richtet sich ausschließlich nach dem jeweiligen Vertragsgegenstand. Während beim Kaufvertrag der Schwerpunkt auf der Übergabe und Verschaffung des Eigentums an einer fertigen Sache liegt, steht beim Werkvertrag die Erstellung eines bestimmten Werkes im Vordergrund. Große praktische Bedeutung haben die Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten z.B. bei Verträgen über die Lieferung von Baustoffen wie Sand, Steinen, Zement, etc., da auf diese Verträge regelmäßig nicht die werkvertraglichen, sondern die Vorschriften über den Handelskauf Anwendung finden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 08.04.2014 (VIII ZR 91/13) entschieden, dass die zum Streckengeschäft entwickelte Rechtsprechung zur kaufmännischen Untersuchungs- und Rügeobliegenheit entsprechend anwendbar ist, wenn der Verkäufer die Ware beim Käufer abliefert und dieser die Ware unmittelbar an seinen Subunternehmer weiterliefert. Gemäß § 377 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB) hat der Käufer einer Ware diese unverzüglich nach Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen. Kommt ein Käufer dieser Verpflichtung nicht nach, ist dies mit erheblichen rechtlichen Auswirkungen verbunden. Denn unterlässt der Käufer die Anzeige, gilt die Ware gemäß § 377 Abs. 2 HGB als genehmigt und der Verkäufer ist berechtigt, etwaige von dem Käufer geltend gemachte Ansprüche und Rechte in Bezug auf den Mangel zurückzuweisen. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn es sich um einen Mangel handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war. Zeigt sich ein solcher Mangel erst später, muss die Anzeige unverzüglich nach der Entdeckung gemacht werden. Andernfalls gilt die Ware auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt (§ 377 Abs. 3 HGB). Neben Kaufverträgen gelten die Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten des § 377 HGB aufgrund einer entsprechenden Anordnung in § 381 Abs. 2 HGB auch für sogenannte Werklieferungsverträge, d.h. für Verträge, die die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen zum Gegenstand haben. Bei anderen Verträgen finden die Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten des § 377 HGB dagegen nur Anwendung, wenn dies entsprechend vertraglich vereinbart worden ist. Beim Handel mit Waren nimmt ein Zwischenhändler die Ware oft nicht selbst physisch in Empfang, sondern der Verkäufer liefert die Ware auf Geheiß des Zwischenhändlers unmittelbar an den Abnehmer des Zwischenhändlers. Die Rechtsprechung hat für diese sog. Streckengeschäfte den Grundsatz entwickelt, dass der weiterverkaufende Zwischenhändler die Untersuchung des Kaufobjekts nicht In der Praxis ist zunächst von besonderer Bedeutung, wann die Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten des § 377 HGB auf einen Vertrag überhaupt Anwendung finden. § 377 HGB findet unmittelbar zunächst nur auf Kaufverträge Anwendung, die für beide Parteien ein Handelskauf sind. Dies 29 Newsletter 01/15 selbst durchführen muss, sondern seinem Abnehmer überlassen darf, er dann aber dafür zu sorgen hat, dass der Abnehmer ihn oder den Verkäufer sobald wie möglich von Mängeln unterrichtet. Kommt es dabei beim Abnehmer zu vermeidbaren Verzögerungen, muss der Zwischenhändler sich diese zurechnen lassen. Eine wegen solch einer Verzögerung nicht rechtzeitig erfolgte Rüge führt dann dazu, dass die Ware in Bezug auf den nicht rechtzeitig gerügten Mangel als genehmigt gilt. Dies wiederum hat zur Folge, dass die Ansprüche ausgeschlossen sind, die dem Zwischenhändler im Falle einer rechtzeitigen Rüge wegen des Mangels zugestanden hätten. □ Schadstoffemission und Energieverbrauch als Zuschlagskriterien zulässig, dann aber hinreichend konkret! Zunehmend zeichnet sich im Vergaberecht eine Beachtung von umweltbezogenen Belangen ab. So verlangt die Vergabeverordnung (VgV) in § 4 Abs. 4 ausdrücklich eine Berücksichtigung von Schadstoffemissionen und Energieverbrauch im Rahmen der Wertung. Insofern hatte sich jüngst die Vergabekammer Westfalen mit einer Vergabe zu befassen, in der entsprechende Zuschlagskriterien vorgegeben waren. Gleichwohl befreite diese Forderung den Auftraggeber nicht davon, dem Grundsatz einer hinreichenden Leistungsbeschreibung nachzukommen und die konkreten Vorgaben zur Bewertung dieser Kriterien offenzulegen. Daran mangelte es zum Teil noch (Beschluss vom 03.02.2015 – VK 1-1/15). Mit Beschluss vom 08.04.2014 hat der BGH entschieden, dass die Grundsätze zum Streckengeschäft wegen der vergleichbaren Interessenlage entsprechend gelten, wenn die Ware vom Verkäufer an einen Subunternehmer des Käufers geliefert wird, der die Ware in dessen Auftrag verwenden soll. Auch in diesem Fall muss daher darauf geachtet werden, dass sichergestellt ist, dass der Subunternehmer die an ihn weitergelieferte Ware unverzüglich prüft und etwaige Mängel rechtzeitig rügt. Sachverhalt Der Auftraggeber (Antragsgegner) schrieb in einem offenen Verfahren nach der VOL/A die Altpapiersammlung für einen Zeitraum von sieben Jahren aus. Dabei war nach einer Konkretisierung der Vergabeunterlagen Leistungsgegenstand die Einsammlung, der Transport und die Verwertung der Abfallfraktion. Detailvorgaben im Zusammenhang mit der Verwertung, wie die Angabe der Verwertungsanlage und der Transportentfernung zu dieser, wurden nicht mehr verlangt. Als Zuschlagskriterium hatte der Antragsgegner vorgegeben, dass zu 75 % der Preis ohne Kraftstoffkosten, zu 15 % die Kosten des Energieverbrauchs (Kraftstoffe für Fahrzeuge bei der Einsammlung) und zu 10 % die Schadstoffemission der Fahrzeuge in die Wertung einfließen sollen. Wertungsmaßstab für den Preis sollte die Höhe des Nettogesamtpreises eines Angebotes pro Jahr ohne Kraftstoffkosten sein. Der Erlös aus der Verwertung des vermarkteten Altpapiers war von diesem abzuziehen. Gleichzeitig war den Vergabeunterlagen eine Bewertungsmatrix mit verschiedenen Berechnungsformeln bei- Im Zusammenhang mit der rechtzeitigen Wahrnehmung von Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten werden in der Praxis viele Fehler gemacht. Diese wiegen besonders schwer, weil diese Fehler später nicht mehr geheilt werden und zu einem endgültigen Anspruchsverlust führen können. Solche Fehler können am besten vermieden werden, wenn mit dem Abnehmer/Subunternehmer vertraglich Regelungen über die Wahrnehmung der Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten vereinbart werden, die die sehr allgemein gehaltenen gesetzlichen Vorschriften konkretisieren und besser handhabbar machen. 30 Newsletter 01/15 gefügt, nach denen eine Bewertung der Angebote anhand von Punktzahlen vorgenommen werden konnte. Maßgeblich für die Zuschlagserteilung sollte sodann die Gesamtpunktzahl für die Einzelergebnisse sein. In einem Preisblatt bzw. einem Angebotsblatt hatten die Bieter verschiedene Preispositionen anzugeben. Das waren unter anderem Kosten für die Leistungen ohne Kraftstoffkosten. Des Weiteren waren die Kraftstoffkosten für die Sammlung, den Transport und die Verwertung einzutragen. Entscheidung Die Antragstellerin begehrte zu Recht und mit Erfolg die Nachprüfung des Vergabeverfahrens. Die Vergabekammer Westfalen war insofern davon überzeugt, dass der Antragsgegner eine fehlerhafte Wertungsentscheidung vorgenommen hatte. Für den Wertungsvorgang sei aufgrund der abgefragten Angaben nicht die erforderliche Vergleichbarkeit der Angebote gewährleistet gewesen. Insofern seien zwar gemäß § 4 Abs. 4 VgV gerade bei der Vergabe von Dienstleistungen, welche die Nutzung energieverbrauchsrelevanter Waren, Geräte und Ausrüstung erfordern, Kriterien wie die Schadstoffemission und der Energieverbrauch grundsätzlich wertbar. Eine darauf gerichtete Wertung der Angebote könne aber nur dann gelingen, wenn die Leistungsbeschreibung hinsichtlich der geforderten Angebotsangaben für alle Bieter eindeutig gewesen sei und in gleicher Weise verstanden werden musste. Allein dadurch werde gewährleistet, dass vergleichbare Angebote eingereicht würden, auf welche die Zuschlagskriterien bei der Bewertung objektiv und einheitlich anzuwenden seien. Der Grundsatz der Gleichbehandlung schließe diese Verpflichtung zur Transparenz ein. Daher müsse der öffentliche Auftraggeber nach den von ihm geforderten Angaben und den hierzu festgelegten Zuschlagskriterien in der Lage sein, die Angebote effektiv sowie einheitlich zu prüfen. Die Antragstellerin rügte die Vorgaben in den Vergabeunterlagen und führte insofern aus, dass die bloße Abfrage der Kraftstoffkosten nicht hinreichend sei, um eine Bewertung der Schadstoffemission und des Energieverbrauchs vornehmen zu können. Vielmehr hätten zusätzlich die jeweiligen Verbrauchswerte je Fahrzeug und Kraftstoffart abgefragt werden müssen. Der Antragsgegner wies die Rüge zurück. Die Antragstellerin strengte daraufhin zunächst kein Nachprüfungsverfahren an. Sodann führte der Antragsgegner die Wertung der Angebote durch und nahm hinsichtlich der Kalkulation der Kraftstoffkosten bei dem bisherigen Bestbieter (Beigeladene) eine Aufklärung vor. Fraglich waren dabei insbesondere die Kosten für den Transport zur Verwertungsanlage. Nach Auskunft der Beigeladenen lagen noch keine abschließenden Angebote von Verwertungsanlagen vor. Es sollten jedoch keine gesonderten Kosten für den Transport zu diesen anfallen. Der Zuschlag sollte im Ergebnis an die Beigeladene erteilt werden. Dem wurden die Vergabeunterlagen vorliegend nicht gerecht. Die Bieter hatten feststellbar bereits die Vergabeunterlagen dahingehend unterschiedlich verstanden, ob die Kosten des Transportes zur Verwertungsanlage (bspw. Papierfabrik) ebenfalls auszuweisen waren. Die diesbezüglichen Detailangaben sowie einheitliche Bestimmungen der Entfernung zur Verwertungsanlage wurden im Laufe der Angebotsfrist entfernt. Demnach konnten keine vergleichbaren Angebote eingereicht werden, auf welche die Zuschlagskriterien zu den Fahrzeugkosten einheitliche Anwendung finden konnten, da einzelne Bieter die Kosten für den Transport zur Verwertungsanlage angegeben hat- Diese Wertungsentscheidung rügte die Antragstellerin abermals im Hinblick auf das Kriterium der Kraftstoffkosten. Dieses sei derart indifferent, dass keine vergleichbaren Angebote vorlägen, die gewertet worden seien. Mangels Abhilfe der Rüge leitete die Antragstellerin ein Nachprüfungsverfahren ein. 31 Newsletter 01/15 Aktuelle Veröffentlichungen ten und andere – wie die Beigeladene – nicht. □ Praxishinweis Die vorstehende Entscheidung verdeutlicht einmal mehr, dass es nicht ausreichend ist, wenn der Auftraggeber der Vorgaben gemäß § 4 Abs. 4 VgV lediglich insofern nachkommt, als dass die Schadstoffemission und die Energieeffizienz als Zuschlagskriterien vorgegeben werden. Dies korrespondiert vielmehr mit der Pflicht des Auftraggebers, die gleichen Angaben von den Bietern mit dem Angebot abzuverlangen und eine eindeutige Bewertungsmatrix vorzugeben, welche eine objektive und einheitliche Bewertung der Angebote hinsichtlich der vorgenannten Kriterien zulassen. Daran mangelt es in der Praxis teilweise nicht selten. Insofern muss sich der Auftraggeber bereits im Vorfeld im Klaren darüber sein, wie und auf welchen Angebotsangaben beruhend er die vorgegebenen Zuschlagskriterien zu prüfen gedenkt. Dabei sind insbesondere die Vorgaben zur Bewertung von Schadstoffemissionen häufig wenig eindeutig, weil keine konkreten Vorgaben zur Berechnungs- und Bewertungsmethode bestimmt wurden. In diesen Fällen ist nach der vorstehenden Entscheidung aber erst recht keine objektive und einheitliche Bewertung möglich. Daher empfiehlt es sich, die Vorgabe von Zuschlagskriterien zur Schadstoffemission und Energieeffizienz vor Ablauf der Angebotsfrist umfassend zu prüfen und im Zweifel zu beanstanden. Dr. Anno Oexle und Thomas Lammers Unsichere Zeiten für gewerbliche Sammler in: Recycling Almanach 2015, S. 53 ff. Dr. Markus Pauly und Dr. Maren Heidmann Wem gehört der Schrott ? in: RECYCLING Almanach 2015, S. 156 ff. Dr. Anno Oexle und Thomas Lammers B2B: Umstrittener Zugriff in: RECYCLING magazin 10/2014, S. 28 f. 32 Newsletter 01/15 □ Aktuelle Veranstaltungen – Auswahl – 10.06.2015 Umsetzung der Industrieemissionsrichtlinie Referent: Dr. Rainer Geesmann veranstaltet durch die TÜV Rheinland Akademie GmbH in Nürnberg 22.04.2015 Aktuelles Abfallrecht – Neuerungen für Unternehmen Referent: Dr. Markus W. Pauly veranstaltet durch die IHK Koblenz in Koblenz 15.06.2015 Seminar „Gefahrgut” Referent: Ludolf C. Ernst veranstaltet durch die Rhenus eonova GmbH in Berlin 23.04.2015 Workshop „Anschluss- und Benutzungszwang in Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung” Referent: Ludolf C. Ernst veranstaltet durch das Institut für Wirtschaft und Umwelt e.V. in Magdeburg 17.06.2015 Handeln und Makeln mit Abfällen Referent: Dr. Anno Oexle durch den BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. in Berlin 28.04.2015 Konflikte zwischen Hochwasserschutz und Städtebaurecht Referent: Prof. Dr. Rüdiger Breuer veranstaltet durch den Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e.V. in Hannover 23.06.2015 Abfallrecht II – Abfall- und Immissionsschutzrecht – Referent: Dr. Anno Oexle, Dr. Rainer Geesmann veranstaltet durch den BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. in Köln 11.05.2015 Abfallrecht I – Erfassung und Transport – Referent: Dr. Anno Oexle veranstaltet durch den BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. in Köln ________________________________ Autoren dieses Newsletters sind: Büro Köln Rechtsanwalt Prof. Dr. W. Klett Rechtsanwalt Dr. M. W. Pauly Rechtsanwalt Dr. Oexle Rechtsanwalt Dr. A. de Diego Rechtsanwalt Dr. R. Geesmann Rechtsanwalt Prof. Dr. R. Breuer Rechtsanwalt Dr. H. Weishaupt Rechtsanwältin Dr. M. Heidmann Rechtsanwältin C. Radeloff Rechtsanwalt T. Lammers Rechtsanwalt Dr. M. Peine Rechtsanwältin Dr. N. Otoo Rechtsanwältin V. Eske 15.05.2015 Grenzüberschreitende Abfallverbringung Referent: Dr. Anno Oexle veranstaltet durch den BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. in Köln 28.05.2015 Grenzüberschreitende Abfallverbringung Referent: Dr. Anno Oexle veranstaltet durch den BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. in Berlin Büro Berlin Rechtsanwalt L. Ernst 09.06.2015 Fachtagung Umwelt 2015 Referent: Dr. Anne-Louise Schümer veranstaltet durch die TÜV NORD Akademie GmbH & Co. KG in Hamburg Büro München Rechtsanwalt R. Volpert 33 Newsletter 01/15
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