Sächsischer Landtag 6. Wahlperiode DRUCKSACHE 6/ zu Drs 6/777 Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Drs 6/777 Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplanes des Freistaates Sachsen für die Haushaltsjahre 2015 und 2016 und die Festlegung der Finanzausgleichsmassen und der Verbundquoten in den Jahren 2015 und 2016 Thema: Rahmenbedingungen für die Integration von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern verbessern I. Der Landtag stellt fest: 1. Im Jahr 2014 haben mehr als 200.000 Asylsuchende die Bundesrepublik Deutschland erreicht. Das bedeutet für Sachsen eine Aufnahme von 11.786 Asylsuchenden. Angesichts der fortdauernden Krisen und Kriege z.B. in Syrien und im Irak wird sich die Zahl der Asylsuchenden in absehbarer Zeit nicht verringern. 2. Wir brauchen im Freistaat Sachsen eine menschenrechtsbasierte und auf Teilhabe ausgerichtete, gut koordinierte, organisierte und transparente Asyl- und Flüchtlingspolitik. Der Freistaat, seine Landkreise, Kreisfreien Städte und Gemeinden und die zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteure stehen vor Aufgaben, die herausfordernd sind, deren Bewältigung jedoch nicht unmöglich ist. 3. Wir begrüßen, dass es im Freistaat Sachsen eine breite zivilgesellschaftliche Basis gibt, die sich für das Wohl von Asylsuchenden engagiert. Diesem Einsatz gebührt unsere außerordentliche Wertschätzung. 4. Tatsächlich existieren haushaltsrelevante Lücken struktureller Art, die die Integration von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern im Freistaat Sachsen erschweren. Diese zeigen sich unter anderem darin, dass Dresden, den 21. April 2015 b.w. Volkmar Zschocke, MdL und Fraktion Eingegangen am: Ausgegeben am: 1 a) es in der Erstaufnahmeeinrichtung und in ihren „Zweigstellen“ und „Notunterkünften“ keine Asyl(verfahrens)beratung gibt; b) es für Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die nicht zur Zielgruppe der Migrationsberatungsstellen (MBE) und Jugendmigrationsdienste (JMD) gehören, keine den MBE und JMD vergleichbare Beratungsinfrastruktur gibt; c) die Migrationsberatungsstellen und Jugendmigrationsdienste keine Kofinanzierung vom Freistaat Sachsen erhalten; d) Flüchtlingssozialarbeit nicht flächendeckend und bedarfsorientiert etabliert ist; e) der Sächsische Flüchtlingsrat keine Förderung durch den Freistaat zum Betreiben einer Geschäftsstelle erhält; f) es für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge keine zentrales Clearingverfahren gibt, so dass der Umgang mit dieser sensiblen Zielgruppe in den verschiedenen Regionen Sachsens höchst unterschiedlich ist; g) Erzieherinnen und Erzieher in Kindertagesstätten nicht ausreichend für die Belange von Kindern aus Flüchtlingsfamilien sensibilisiert sind; h) es nicht genügend Lehrpersonal für den Einsatz in Deutsch-als-Zweitsprache-Klassen gibt. 5. Vor diesem Hintergrund wäre es notwendig gewesen, im Doppelhaushalt 2015/2016 ein „Finanzpaket“ mit dem Ziel der besseren Integration von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern in Höhe von 15.392.250,0 Euro (2015: 6.684.200,0 Euro, 2016: 8.708.050,0 Euro) zusammenzustellen. Dieses hätte folgende Maßnahmen beinhalten müssen: a) In jeder regulären Erstaufnahmeeinrichtung im Freistaat Sachsen soll mit mindestens zwei Personalstellen (VzÄ) die unabhängige Asyl(verfahrens)beratung in Form einer Verweisberatung für Asylbewerberinnen und Asylbewerber sichergestellt werden. Dafür werden 414.250,00 Euro vorgesehen. b) Für die Etablierung von unabhängiger Beratung für Asylbewerberinnen und Asylbewerber werden Mittel in Höhe von 3.590.000,00 Euro zur Verfügung gestellt. Damit sollen an allen Standorten der MBE und JMD auch Beratungsangebote für Asylbewerberinnen und Asylbewerbern geschaffen werden. c) Mit 3.590.000,00 Euro soll jeweils eine zusätzliche Personalstelle (VzÄ) in allen MBEs und JMDs im Freistaat Sachsen geschaffen werden. d) Mit der Aufstockung der Mittel für Flüchtlingssozialarbeit in Höhe von 6.129.000,00 EURO soll diese mit einem Schlüssel von 1 zu 80 realisiert werden. e) Den Sächsische Flüchtlingsrat e.V. erhält Mittel in Höhe von 100.000,00 EURO zur Unterhaltung einer Geschäftsstelle. f) Zur Erstaufnahme unbegleiteter, minderjähriger Flüchtlinge soll eine Clearingstelle geschaffen werden. Dafür werden Mittel in Höhe von 680.000,00 EURO vorgesehen. Mit diesen Mitteln sollen 12 stationäre Plätze geschaffen werden. 2 g) Das Projekt „Willkommenskitas“ soll von derzeit vier auf 20 Kindertageseinrichtungen ausgeweitet werden. Dafür werden Mittel in Höhe von 555.000,00 EURO benötigt. h) Mit zusätzlichen Mitteln in Höhe von 300.000,00 EURO sollen weitere 72 Lehrkräfte zum Einsatz im Fach Deutsch als Zweitsprache (DaZ) fortgebildet werden. Begründung: In der Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz, in der die Asylbewerberinnen und Asylbewerber zunächst untergebracht werden, existiert kein explizites Beratungsangebot. Der Verein "AG In-und Ausländer" e.V. bietet wöchentlich für zwei Stunden ehrenamtlich in einem Bus außerhalb der Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz Beratung für Asylbewerberinnen und Asylbewerber an. In Schneeberg gibt es täglich ein Angebot für Asylverfahrensberatung, das von der Diakonie finanziert wird. Der Beratungsbedarf bei den neu in Sachsen ankommenden Menschen ist dagegen immens hoch. Realisiert werden soll mit den veranschlagten Mittel eine Verweisberatung in Bezug auf Fragen zum Asylverfahren, zu den Behandlungsmöglichkeiten traumatisierter Menschen, zur Gesundheitsversorgung, zum Schulbesuch, zu Arbeitsmöglichkeiten, zur Berufsanerkennung etc. Dafür sollen sechs Personalstellen (VzÄ) geschaffen werden. Asylbewerberinnen und Asylbewerber gehören nicht zur Zielgruppe der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) und der Jugendmigrationsdienste (JMD). Beraten werden von den MBE und JMD prioritär Neuzuwanderer, d.h. Spätaussiedler, deren Ehegatten und Abkömmlinge im Sinne der §§ 4 und 7 Bundesvertriebenengesetz bis zu drei Jahre nach Einreise in das Bundesgebiet, Ausländer, die sich dauerhaft im Sinne des § 44 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) im Bundesgebiet aufhalten, bis zu drei Jahre nach Einreise in das Bundesgebiet bzw. bis zu drei Jahre nach Erlangung des auf Dauer angelegten Aufenthaltsstatus, freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger, deutsche Staatsangehörige, die nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen und in besonderer Weise integrationsbedürftig sind sowie Ausländer, die Inhaber eines Aufenthaltstitels nach § 23 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 104a Abs. 1 Satz 2 oder nach § 104a Abs.l Satz 1 AufenthG (Altfallregelung) sind, können auf das Angebot zurückgreifen, wenn sie nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen und in besonderer Weise integrationsbedürftig sind (siehe Förderrichtlinien der MBE, GMBl 2010, S. 260 ff.). Bei den MBE und JMD handelt es sich demnach um ein den Integrationskurs ergänzendes Beratungsangebot. Im Freistaat Sachsen existiert kein den MBE und JMD vergleichbares Netz an Beratungsangeboten für Asylbewerberinnen und Asylbewerber (siehe Kleine Anfrage Drs. 6/265). In den Kreisfreien Städten werden zum Teil Beratungsangebote für diese Zielgruppe vorgehalten, im ländlichen Raum existieren dagegen kaum Strukturen. Die vorhandenen Angebote decken den Bedarf nicht ansatzweise ab. Der Beratungsbedarf der Asylbewerberinnen und Asylbewerber ist nachvollziehbarer Weise groß und betrifft Fragen des Asylverfahrens, der Integrationsmöglichkeiten in Schule, Kita, Arbeitsmarkt und Ehrenamt, des Spracherwerbs, der gesundheitlichen Versorgung etc. Dieser Beratungsbedarf kann nicht von den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern in den Gemeinschaftsunterkünften abgedeckt werden. Diese Beratungslücke soll mit den veranschlagten Mitteln geschlossen werden. Insgesamt sollen 52 Personalstellen (VzÄ) geschaffen werden, die an bestehende Strukturen wie Migrationsberatung, Jugendmigrationsdienste oder andere geeignete Stellen angeschlossen werden sollen. In der „Förderrichtlinie zur Durchführung einer Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE)“ des Bundesministeriums des Innern heißt es in 5.6 „[…] Es liegt im gesamtgesellschaftlichen Interesse, das vom Bund finanzierte Grundberatungsangebot durch ein finanzielles Engagement der Bundesländer und/oder der Kommunen zu ergänzen. […]“ (GMBl 2010, S. 260). Bislang beteiligt sich der Freisstaat Sachsen weder an der Finanzierung der Migrationsberatung noch der Jugendmigrationsdienste (siehe Kleine Anfrage Drs. 6/265). Der Beratungsbedarf ist allerdings groß und kann mit den vorhandenen personellen Ressourcen nur schlecht abgedeckt werden. Mit den 3 veranschlagten Mitteln soll jeweils eine volle Personalstelle für die in Sachsen 52 ansässigen Migrationsberatungen und Jugendmigrationsdienste geschaffen werden. Die Erwartungen an Flüchtlingssozialarbeit sind vielfältig. Sie reichen von der Begleitung und Beratung der Asylsuchenden, Konfliktmanagement in den Gemeinschaftsunterkünften, Außenkommunikation mit der Nachbarschaft und der Gemeinde bis zur aufsuchenden Beratung bei dezentraler Unterbringung. Mit einem Schlüssel von 1 zu 150 können diese Aufgaben nicht realisiert werden. Mit der geplanten Mittelaufstockung in diesem Titel soll Flüchtlingssozialarbeit mit einem Schlüssel von 1 zu 80 ermöglicht werden. Bislang erhält der Sächsische Flüchtlingsrat keine Förderung aus dem Landeshaushalt zur Absicherung der Institution (siehe Kleine Anfrage Drs. 6/755). Neben dem Freistaat Sachsen verzichtet nur der Freistaat Bayern auf eine Landesförderung. Mit den veranschlagten Mitteln soll diese Organisation, die die Interessen der Flüchtlinge vertritt, gestärkt werden, indem die Unterhaltung einer Geschäftsstelle gefördert wird. Die neu einzurichtende Clearingstelle (Erstaufnahmeeinrichtung) ist eine Einrichtung, die alle Aufgaben übernimmt, die im Zusammenhang mit der Erstversorgung von unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen notwendig sind. Hier erfolgt die Unterbringung und Betreuung der minderjährigen Flüchtlingskinder bis zur Beendigung des Clearingverfahrens. Das primäre Ziel des Clearingverfahrens ist die Klärung der Situation der unbegleiteten Minderjährigen (Identität, Familienzusammenführung, nötige Hilfen, Unterbringung, Inobhutnahme, Vormundschaft, Perspektiven). Die Dauer des Clearingverfahrens hängt von der aktuellen Situation des/der Jugendlichen und seines/ihres jeweiligen Bedarfs ab. Mit Stand 01. Dezember 2014 sind 117 minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge nach Sachsen eingereist (siehe Kleine Anfrage Drs. 6/205). Seit 2014 gibt es in Sachsen in einem bundesweit einmaligen Projekt sogenannte Willkommens-KITAs. Flüchtlingskindern soll dabei die Eingewöhnung im neuen Umfeld erleichtert werden. Dazu werden Schulungen für das Kita-Personal, Beratung vor Ort sowie Netzwerkarbeit angeboten. Mit der bereitgestellten Summe sollen künftig 20 statt bisher lediglich vier Einrichtungen unterstützt werden (siehe Kleine Anfrage Drs. 6/183). Seit Oktober 2013 werden 18 Lehrkräfte für den Einsatz im Fach DaZ fortgebildet. Der Bedarf liegt jedoch deutlich höher (siehe Kleine Anfrage Drs. 6/415). Auch in den letzten Einstellungsrunden konnten trotz einer bevorzugten Berücksichtigung von DaZ-Lehrkräften nicht alle Stellen entsprechend besetzt werden. Deshalb müssen im Bereich der Lehrerfort- und weiterbildung zusätzlich Mittel bereitgestellt werden, um professionellen Unterricht gerade in den Vorbereitungsklassen und -gruppen zu gewährleisten. 4
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