FLUGBLATTWIE

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April 2015
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www.engels-kultur.de
Mariano Vargas. dama con perrito. Fotografie, Auflage 7 | Kölner Liste | © Galerie Klose
Das MeinungsMagazin
wer suchet, der findet
rheinart
KUNSTWANDEL IM APRIL
KUNST
SammelLeidenschaft
Objet trouvé
Installation
Malerei Manifest Fiktio
Partizipation Kritik
Ästhetik
Exploration Video Gaming Kontext
Partizipation
Kinetic Art
Mythos
Malerei
Kinetic
Art
Partizipation monochrom
Kritik
Obsession Manifes
monochrom
Ästhetik
Objet trouvé
MythosKontext
Konzep
Mimesis
Obsession
Mimesis Konzept Ästhetik analytisch
Kritik
Mythos
Manifest
Video Gaming
Partizipation
Objet trouvé
Fiktion
Kinetic
Art
Exploration
Fiktion
monochrom
Mythos
Exploration
Manifest
monochrom
Exploration
Video Gaming
Objet trouvé Fiktion
Fiktion
analytischÄsthetik
MythosPartizipation
Konzept Partizipation ÄsthetikMythos Malerei
monochrom
Objet trouvé
Malerei
Kinetic Art
Partizipation
analytisch Kritik
analytisch
Video Gaming
Fiktion
abstrakt
Mimesis
Mythos
Mythos
Kinetic
Art
konkret
Kontext
session
abstrakt analytisch
Mimesis
Kinetic
Art
Kritik
abstrakt
Malerei abstrakt
Obsession
Malerei
konkret Malerei
Objet trouvé
MythosFiktion
monochrom
Partizipation
Obsession
Partizipation
Exploration
konkret
abstrakt
Partizipation
Manifest Objet trouvé Mythos
Kritik
Exploration
analytisch
monochrom
Partizipation
Kritik
Kontext Konzept
Kinetic Art
onochrom
Partizipation
Action Painting
Processing
Ready-made
new media
sound and vision
Obsession
Digital culture
Fluxus
Raw material
Intervention
Pop Art
Informel
KUNST
Neo-Dada
Manifest
MUSEUMSLANDSCHAFT NRW
Kritik, Interviews und Links
Köln – choices.de
Düsseldorf – biograph.de
Ruhrgebiet – trailer-ruhr.de
Wuppertal – engels-kultur.de
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Das MeinungsMagazin
Wuppertalengels-kultur.de
April 2015
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www.engels-kultur.de
DIE GÄRTNERIN
VON VERSAILLES
EIN FILM VON ALAN RICKMAN
www.diegaertnerinvonversailles.de
Das MeinungsMagazin
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-kultur.de
Foto: Sebastian Hoppe
engels-Thema.
5 WOHNART
Wohnen zwischen demografischem Wandel
und Gentrifizierung
6 Themeninterview
Dr. Guido Spars über Stand und Zukunft des
Wohnens in Wuppertaler Quartieren
7 Zum Thema
Besuch im Stadtteilbüro des Vereins Aufbruch
am Arrenberg
In Holland und England leben tausende Hauswächter in leerstehenden Gebäuden
Bühne.
9 Auftritt
Die israelische Regisseurin Dedi Baron inszeniert
in Düsseldorf Hanoch Levins „Mord“
11 tanz nrw 15
12 Prolog
Wiederaufnahme, Premiere und Gastspiele
Literatur.
23 Textwelten
Deutsche Gegenwartsliteratur ist besser als ihr Ruf
Wortwahl
Buch-Empfehlungen des Monats
Comic Kultur
Comic-Empfehlungen des Monats
BÜHNE
Foto: Burghofbühne Dinslaken
Prolog
12
KINO
Mehr Meinung. Service. Hintergrund. – In NRW.
empfehlen | weitersagen | kommentieren
Alle Texte. Ihre Stimme. Filmkritik im FORUM.
Kino.
Musik.
13 Film des Monats – „In meinem Kopf ein
Universum“
14 Film-Kritik
15 Roter Teppich
Rainer Bock über „Dessau Dancers“, seine späte
Filmkarriere und den Glücksfall Michael Haneke
17 Hintergrund – „Die Gärtnerin von Versailles“
19 Hintergrund – „Nur eine Stunde Ruhe!“
21 Hintergrund – „Tod den Hippies!! Es lebe
der Punk!“
23 Gespräch zum Film
Andrea Roggon über ihren Film mit
Helge Schneider
24 Festival
Das Musikfestival AchtBrücken spürt
dem Klang der Politik nach
Kultur in NRW. überregional
10 Oper in NRW
Guy Joosten inszeniert „Die schweigsame Frau“ in
Essen
Musical in NRW
„West Side Story“ in Aachen / „Das Appartement“
in Neuss
11 Tanz in NRW
Das Festival tanz nrw 15 zeigt den Reichtum der
Tanzszene
24 Improvisierte Musik in NRW
44. Moerser Festival versammelt internationale Sets
26 Kunst in NRW
Sigmar Polke im Museum Ludwig in Köln
Theater in NRW
Liste mit immateriellem Kulturerbe verabschiedet
Klassik an der Ruhr
Der Philharmonische Chor lässt Gläser klingen
Film des Monats
„In meinem Kopf ein Universum“
13
KINO
Foto: Stefan Heidmann
Kunst.
25 kunst & gut
Jan Albers in der Von der Heydt-Kunsthalle
in Barmen
26 Kunstwandel
Die Kölner Liste im Dock.One am Mülheimer
Hafen
27 Kunst-Kalender NRW
engels spezial.
4 Intro – Zwei auf einen Streich
8 Innovation – Alternative Züchter trotzen den
großen Konzernen und erweitern die Palette
von Gemüse- und Getreidesorten
29 engelszungen
Auswahl – im April
Veranstaltungs-Empfehlungen des Monats
31 Impressum
Heute schon digitale Fingerabdrücke hinterlassen?
engelsKultur
Lesen Sie mehr auf www.engels-kultur.de!
Dieses Icon zeigt Ihnen den Weg.
Gespräch zum Film KUNST
23
kunst & gut
© Jan Albers, courtesy Van
Horn, Düsseldorf
25
-kultur.de
April 2015
Masse ist Macht, Foto: Sanje Gautam
Zwei auf einen Streich
engels + engels-kultur.de
Im Doppelpack mehr Service, Meinung und Hintergrund
Thema
6
Wohnen in Wuppertaler Quartieren
Dr. Guido Spars ist Professor für das Fachgebiet Ökonomie des Planens und Bauens an der
Uni Wuppertal. Im Interview spricht er über
Quartierentwicklung und das nicht unbedingt
schlechte, aber kuriose Image der Stadt nach
außen.
Dr. Guido Spars
Foto: privat
Film
15
Roter Teppich
Breakdancer in der DDR? Gab es tatsächlich.
Schauspieler Rainer Bock (50) spielt in Jan
Martin Scharfs neuem Film „Dessau Dancers“
(Start: 16.4.) den Trainer einer DDR-Breakdance-Gruppe. Wir trafen ihn zum Gespräch.
Rainer Bock
Film
Treffen sich Pegida, Hogesa, die Salafisten und die Antifa auf einer Demo…
was klingt wie ein schlechter Witz, fand Mitte März in Wuppertal statt. Mit
Lutz Bachmann, diesmal ohne Hitlerbart, und Konvertit Sven Lau war die
Crème de la crème verteten – viel mehr an Fußvolk aber dann auch nicht.
Während Pegida & Co ihre Mitglieder teils aus dem Umland herankarren
mussten und sich gerade mal 200 Salafisten versammelten, gingen laut Polizeiangaben 2000 Menschen gegen fundamentalistischen Islamismus und
Fremdenfeindlichkeit auf die Straße. Alles blieb angesichts der explosiven
Mischung, die in dieser Konstellation deutschlandweit noch nicht zusammengekommen war, verhältnismäßig ruhig. Die 1000 Polizisten konnten
sich auch mal gepflegt in der Nase popeln, gleiches galt leider auch für
die Einzelhändler, denn wer nicht demonstrierte, blieb lieber daheim. Der
Aufwand hat sich gelohnt und das Tal hat mit Weltoffenheit und Toleranz
gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.
Wer würde in so einer Stadt nicht wohnen wollen? Wuppertal ist aber auch
eine Stadt der Gegensätze mit „kuriosem Image“, wie es Dr. GUIDO SPARS,
Professor für das Fachgebiet Ökonomie des Planens und Bauens an der Uni,
im Interview formuliert. Mehr zum Wohnungsmarkt und Stadtentwicklung
im Tal in unserem April-Thema WOHNART.
Von der neuen Urbanität zu ruralem Retro. Auf unseren Grünen Seiten widmen wir uns SAATGUT-INITIATIVEN, die alte Gemüse- und Getreidesorten
vor dem Aussterben schützen und Konzernen die Stirn bieten.
Gewaltexzesse und rohe Brutalität blieben bei der oben erwähnten Demo
glücklicherweise aus. Am SCHAUSPIEL DÜSSELDORF fließt das Blut dafür
umso reichlicher, wenn die israelische Regisseurin DEDI BARON Hanoch
Levins MORD inszeniert. Weniger drastisch und schöngeistiger wird es auf
den Bühnen, wenn TANZ NRW vom 16.-28.4. in acht Städten, darunter auch
Wuppertal, einen choreographischen Blick auf neue Projekte wirft.
www.engels-kultur.de/gespraech-zum-film
Gespräch zum Film
Andrea Roggon hat den berühmten Mülheimer Unterhaltungskünstler Helge Schneider
in seinem Alltag begleitet. Wir sprachen mit
ihr über die Entstehung der Doku „Mülheim –
Texas. Helge Schneider hier und dort“ (Start:
23.4.).
Andrea Roggon
Foto: Stefan Heidmann
Ein bisschen Lokalpatriotismus ist auch erlaubt, wenn der in Wuppertal
geborene Maler JAN ALBERS mit seiner Ausstellung cOlOny cOlOr Werke
zeigt, die aus der Fläche in den dreidimensionalen Raum herausbrechen und
so künstlerische Strategien reflektiert. Zu sehen in der VON-DER-HEYDTKUNSTHALLE. Bei aller Heimatliebe tut aber auch ein Tapetenwechsel beizeiten gut. Die perfekte Gelegenheit hierzu bietet die Kunstmesse KÖLNER
LISTE, auf der Kunstliebhaber und -sammler fündig werden.
Filmkunst gibt es im April natürlich auch. Unser Film des Monats ist IN
MEINEM KOPF EIN UNIVERSUM. Der bewegende, nicht Betroffenheit heuchelnde Film des polnischen Regisseurs MACIEJ PIEPRZYCA handelt von
einem fälschlich für geistig behindert gehaltenen ALS-Kranken, dem die
motorischen Fähigkeiten zur Artikulation fehlen. Absurder wird es mit dem
Dokumentarfilm MÜLHEIM – TEXAS. HELGE SCHNEIDER HIER UND DORT.
Wir sprechen mit Regisseurin ANDREA ROGGON, die die singende Herrentorte im Alltag begleitet hat. Verrückt ist auch die Vorstellung, dass es in der
ehemaligen DDR eine Break-Dance-Gruppe gegeben haben soll. Wir sprechen mit RAINER BOCK, der in DESSAU DANCERS einen Tanztrainer mimt,
u.a. über seine späte Filmkarriere.
MAXI BRAUN
4
thema
 [email protected]
Wir freuen uns auf Post.
Zuschriften s.S. 31
My home is my castle, Foto: Benni Klemann
Operation im Gange, Patient stabil – Wohnen zwischen demografischem Wandel und Gentrifizierung
„Wuppertal stirbt“ heißt ein Song, den der Rapper dass die Menschen in Wuppertal investieren wolmeelman 2010 veröffentlicht hat. „Ich schlender‘ len. Und die, die Immobilien besitzen, verkaufen
durch das Tal, früher fühlte ich mich heimisch, nun auch nur, wenn sie gezwungen sind – als Anlage“,
stellten Ricarda Baltz
seh‘ ich Ruinen und
engels-Thema im April:
und Holger Wanzke vom
wünsch‘ mir, dass es
Gutachterausschuss für
nicht einbricht“, reimte
Grundstückswerte bei
meelman damals und
Wohnungsnot, Mietpreisexplosion, Leerstand und
der Veröffentlichung des
erlangte durch seinen
Quartiersentwicklung: Urbanität birgt Probleme,
aber auch Chancen für alternative Wohnformen in
Berichtes fest.
Song sogar bundesBallungsräumen. Wie wollen wir wohnen?
weite Beachtung. Er
Lesen Sie weitere Artikel zum Thema auch in:
Immobilien als Anlalag und liegt damit
ge? Wo sind die Leute,
auch nach wie vor
&
die laut „Gentrifizienicht falsch. Die Wahrrung“ schreien? Werden
heit tut manchmal
weh, aber es gibt Ecken in Wuppertal, die erinnern Nordstadt und Luisenviertel bald von Schwaben
eher an eine Zeit vor 70 Jahren als an eine 350.000 okkupiert, wie es eingeborene Berliner manchmal
Einwohner starke Großstadt im Westen der aktuell in Vierteln ihrer Stadt bemängeln? Davon ist Wuppertal sicherlich noch weit entfernt. Klar ist: Ohne
größten Volkswirtschaft Europas.
Der Song stieß nicht nur auf Gegenliebe. Was Menschen, die in Immobilien investieren, wird sich
meelman damals bezwecken wollte? Aufrütteln. das Stadtbild nicht verbessern. Altbau-Charme
Der Mann ist Wuppertaler durch und durch. Ihm schön und gut, aber die, die heutzutage in Althat einfach das Herz geblutet, er hatte die Be- bauten leben wollen, achten auch darauf, dass es
fürchtung, seine hoch verschuldete Heimatstadt nicht durchs Fenster zieht, die Heizung nicht den
verkommen zu sehen. Meelman hat auch nicht nur Geist aufgibt und es nicht durchs Dach tropft.
Kritik über Wuppertal losgelassen, er ist keiner der Wichtig im Wohnumfeld ist den Menschen auch,
oft verschrienen bergischen „Meckerköppe“. Es gibt dass sie etwas erleben können, ohne dass sie
viel mehr positive Songs von ihm, in denen er deut- gleich aus der Stadt fahren müssen. Kultur, Sport,
lich zeigt, wie wohl er sich in der Stadt fühlt. Dass Entspannung, Kinder bespaßen – welches Beispiel
man hier auch immer noch sehr gut leben und vor könnte besser taugen als die Nordbahntrasse? Die
allem wohnen kann.
ehemalige Eisenbahnstrecke ist ein Musterbeispiel
für bürgerschaftliches Engagement, fußt sie doch
Neben den Ecken, über die wir fürs erste den Mantel auf der Initiative eines Vereins. Der Wuppertalbedes Schweigens hüllen wollen, ist Wuppertal näm- wegung e.V. erkannte 2005 das Potenzial der stilllich auch extrem lebenswert. Anfang März erschien gelegten Trasse. Zehn Jahre später bevölkern die
der Grundstücksmarktbericht für das vergangene Menschen bei Sonnenschein den Rad- und FußJahr, in dem Gutachter aus der Immobilienbranche gängerweg, der sich von Vohwinkel nach Nächmehr als 3900 Kaufverträge analysierten. Grobes stebreck an der Talachse entlangschlängelt. An
Fazit: Ja, in Wuppertal Eigentum zu kaufen oder zu den Rändern der Trasse entwickeln sich Kultur und
bauen, wird teurer. Die Nachfrage ist aber dennoch Gewerbe. Cafés, Restaurants und Veranstaltungsungebrochen hoch. Ein gutes Zeichen: „Es zeigt, räume profitieren vom Zulauf.
WOHNART
5
Wer das in Wuppertal findet, kommt mit Sicherheit
seltener auf die Idee, nach Köln, Düsseldorf oder
Essen zu ziehen. Sowieso ist der Kampf mit den
Metropolen an Rhein und Ruhr in vollem Gange.
Das Preisniveau in Wuppertal ist trotz des Anstiegs
nach wie vor auch bei den Mieten niedrig. Ein Vergleich beim Immobilienportal immowelt.de zeigt
das deutlich. Die dort angebotenen Wohnungen
kosten in Wuppertal 5,65 Euro pro Quadratmeter.
In Essen sind es schon 6,85 Euro, in Düsseldorf sogar 9,80 Euro und in Köln stolze 10,55 Euro pro
Quadratmeter. Mal davon ab, dass man zum Arbeiten mit dem Zug innerhalb von einer guten Dreiviertelstunde in jeder der anderen Städte ist.
Und siehe da: Im vergangenen Jahr konnte sich
die Stadtspitze erstmals damit brüsten, dass der
Negativtrend der Einwohnerzahlen gestoppt sei.
Nachdem die Stadt in den letzten 25 Jahren von
rund 383.000 auf etwa 342.000 Bewohner geschrumpft war, auf jeden Fall ein Grund, um einmal
kurz durchzuatmen. Ob das so bleibt, ist fraglich.
Eine Studie des Büros für Quartierentwicklung (siehe auch unser Interview auf S. 6) geht weiter von
einem Bevölkerungsverlust durch den demographischen Wandel aus, wenn Weltkrisen beendet sind
und weniger Flüchtlinge nach Europa strömen. Quo
vadis, Wuppertal? Solange auf Projekten wie der
Nordbahntrasse gegangen wird, gibt es noch Hoffnung für den Wohnungsmarkt im Tal. Zitat meelman, aus „Lebenslang Schwebebahn“: „Wir machen
kein Fass auf, wir trinken lieber Dosenbier – und ich
hab‘ ‚ne wunderschöne Wohnung hier.“
FLORIAN SCHMITZ
Aktiv im Thema
www.quartierentwicklung.de
www.nordbahntrasse.de
www.aufbruch-am-arrenberg.de
thema
Ein bisschen mehr Stolz bitte! Foto: Ava Weiss
„Initiativen brauchen mehr Unterstützung“
Dr. Guido Spars über Stand und Zukunft des Wohnens in Wuppertaler Quartieren
engels: Herr Dr. Spars, als Fachmann für werden kann. Man darf aber nicht unterschätkommunale Wohnpolitik arbeiten Sie un- zen, dass Neubauten eine Anziehungskraft auf
ter anderem mit dem Wuppertaler Büro für potenzielle Neubürger haben können. Wer gut
Quartierentwicklung zusammen. Gibt es eine verdient und in Wuppertal eine neue Stelle antritt, möchte natürlich in einem
Haupterkenntnis aus ihrer
„Wuppertal hat nach außen
entsprechenden Wohnumfeld
letzten gemeinsamen Studie?
Dr. Guido Spars: Die Haupter- ein kurioses Image – nicht mal leben.
schlecht, aber kurios“
kenntnis ist, dass Wuppertal
Was sind weitere wichtige
trotz Zuwanderung nicht um
den demographischen Wandel herumkommt. Im Ansätze für das Quartiermanagement?
Moment mag das durch die hohe Zahl an Ein- Neben dem gezielten Neubau würde ich sagen,
wanderern ja noch gut aussehen, aber darauf dass es gut wäre, in problematischen Vierteln
sollten sich die Verantwortlichen nicht verlassen. den Anteil der selbstnutzenden WohnungseiWenn Weltkrisen ein Ende haben sollten, ebbt gentümer zu erhöhen. In anderen Städten wie
Rotterdam gibt es Modellprojekte, bei denen
auch der Strom der Zuwanderer ab.
Schrottimmobilien mit Kleinstpreisen an SelbstWie sind Sie bei der Forschung vorgegangen? nutzer veräußert wurden. Dadurch kommt eine
andere Klientel in Problemquartiere – auch mit
Waren Sie auch in den Vierteln unterwegs?
Natürlich haben wir umfangreiche statistische Blick auf Studenten. Urbane Quartiere in den
Daten ausgewertet. Wir sind aber auch in die Tallagen sollte man für Studenten attraktivieViertel gegangen und haben uns dort umgese- ren. Man sollte aus positiven Ansätzen in Vierhen. Große Überraschungen gab es allerdings teln wie der Nordstadt, in Ostersbaum oder dem
nicht, da wir die Stadt in den vergangenen Jah- Arrenberg lernen und ansässige Initiativen mehr
ren schon sehr gut kennengelernt haben. Es ist unterstützen, zum Beispiel durch das Städtebauaber durchaus eindrucksvoll, wenn man zum Bei- Förderprogramm „Soziale Stadt“.
spiel im Rehsiepen unterwegs ist und im Kopf die
Zahl von 23 Prozent Leerstand mitgebracht hat. Wie bewerten Sie es, dass viele Initiativen, die
Vor Ort sieht man dann, dass wirklich fast jedes die Stadtviertel aufwerten, aus privater Hand
kommen und nicht von Politik- oder Stadtseivierte Haus unbewohnt ist.
te?
Trotzdem hat sich Wuppertal zuletzt gebrü- Ich halte es für eine wesentliche Voraussetzung,
stet, keine sterbende Stadt mehr zu sein. Zu- dass diese Initiativen sich privat gründen. Es ist
und Abwanderung hielten sich die Waage. Ihre nicht Aufgabe der öffentlichen Hand, solche IniPrognose für die Zukunft wirkt trotzdem recht tiativen zu gründen, sondern sie zu unterstützen,
wenn sie aufkeimen. Es gibt in Wuppertal aber
düster.
Zunächst einmal empfinde ich den Begriff „ster- auch eine Menge Menschen, die kreativ und mobende Stadt“ als nicht richtig. Die Stadt stirbt tiviert sind. Denen muss man Raum geben und
nicht, sie schrumpft. Und wir gehen bis 2025 nur ihnen mit Fördermitteln und guten Rahmenbevon einem Minus von rund 5000 Haushalten aus. dingungen helfen. Die Nordbahntrasse ist dafür
Das bedeutet weniger Bewohner, ja, aber es ist ein Beispiel par excellence.
eben auch nicht extrem dramatisch.
Haben Sie zurzeit ein persönliches Lieblingsprojekt in den Quartieren?
Was bedeutet das für den Wohnungsmarkt?
Es bedeutet, dass es weitere Leerstände geben Wenn ich ehrlich bin, möchte ich jetzt keines
wird. Und dass in einzelnen Gegenden die Zahl hervorheben. Ich finde die Ansätze, die hier lauder Schrottimmobilien noch weiter wachsen wird. fen, egal ob auf dem Ölberg, bei der Nordbahntrasse oder dem Mirker Bahnhof, alle lobenswert
Heißt das, dass mehr auf die Karte Sanierung und gut, weil sie zeigen, dass die Stadt mehr Povon Bestand und weniger auf Neubau gesetzt tenzial hat als über Statistiken erfassbar ist.
werden sollte?
Sicherlich sollte vermehrt geschaut werden, wie Spielt Wuppertal dieses Potenzial eigentlich
der Bestand sinnvoll umgebaut und genutzt aus?
6
Es gibt noch Luft nach oben. Zum einen geht es
um das Bewusstsein der Menschen. Man hat das
Gefühl, die Wuppertaler reden gar nicht so viel
über die guten Dinge, die in ihrer Stadt passieren.
Wuppertal hat nach außen ein kurioses Image
– nicht mal schlecht, aber kurios. Auch bei den
Initiativen selbst gibt es noch Potenzial, aber vor
allem in Sachen Unterstützung vonseiten der
Stadt. Weiteres Beispiel ist die Aktivierung der
Wupper. Dazu arbeiten wir aktuell mit Studenten
an einem Projekt. Wir wollen zeigen, wie Grundstücke am Wasser besser genutzt werden können.
Es gibt viele Möglichkeiten – zum Beispiel durch
Gewerbe aus dem Sportbereich oder einen Wupperstrand, an dem die Menschen ihre Freizeit verbringen können.
Der neue Grundstücksmarktbericht 2014 zeigt,
dass die Preise für Immobilien anziehen. Ist das
ein gutes Zeichen für mehr Qualität oder ein
schlechtes, weil sich weniger Leute Wohnen
leisten können?
Für den Markt in Wuppertal ist das ein gutes Zeichen. Zwar ist der Preisanstieg bei Immobilien ein
deutschlandweiter Trend, aber es zeigt, dass die
Leute bereit sind, auch in Wuppertal zu investieren. Das ist erstmal positiv. Der Preisanstieg lässt
aber auch Spielräume zu und löst nicht sofort aus,
dass man gleich die soziale Karte spielen muss, ob
Wohnen noch bezahlbar ist.
INTERVIEW: FLORIAN SCHMITZ
ZUR PERSON
Dr. Guido Spars (48) ist Professor für das Fachgebiet Ökonomie des Planens und Bauens an
der Uni Wuppertal.
Foto: privat
thema
Geräumig ja, gemütlich geht so: Wohnen im Fabrikleerstand, Foto: © annavaczi / fotolia.com
Am Arrenberg „geht grad viel“
Besuch im Stadtteilbüro des Vereins Aufbruch am Arrenberg
Der Arrenberg. Simonsstraße. Schauen wir uns
einmal um. Sanierte und glänzende Altbauten,
frisch gestrichen, oder zumindest in letzter Zeit,
wechseln sich ab. Mit Zweckbau aus der Nachkriegszeit, ob frische Fassade oder nicht. Dann
ein Haus mit einer vom Regen geschwärzten Fassade und Balkonen, die aussehen wie 80er-JahreOstblock-Hinterhof. Auf der anderen Straßenseite hat sich die Kunstwiese, eine Kunstschule für
Kinder, angesiedelt. Fröhliche Bilder im Schaufenster. Dann wieder Altbau, allerdings im Leerstand. Und schräg gegenüber die rote Backsteinfassade, in dem das Förderzentrum Arrenberg,
das Soulfood Café Simonz oder die Firma Proviel
ihrer Arbeit nachgehen.
Wuppertal ist eine Stadt der Gegensätze – das
sieht man in jedem Viertel, mitunter sogar innerhalb eines Straßenzuges. Das ist sogar statistisch
belegt. Die Bodenrichtwerte des Gutachterausschusses für Grundstückswerte ändern sich teilweise innerhalb von wenigen Metern. „Wir haben
manchmal innerhalb einer Straße sehr attraktive
Angebote neben sehr unattraktiven Immobilien“,
sagt der Ausschuss-Vorsitzende Holger Wanzke.
Das passt, wenn man durch das Viertel am Arrenberg schlendert. Es gibt halt überall noch was
zu tun.
Angekommen in Simonsstraße 49. Hier ist das
Stadtteilbüro des Vereins „Aufbruch am Arrenberg“. Seit sechs Jahren hat der Verein hier seine „Zentrale“ für alle, die einen Ansprechpartner
rund ums Quartier suchen. Ein Besucher spricht
über seine Wohnung im Briller Viertel. „Es kommt
häufiger vor, dass sich Menschen aus anderen
Quartieren bei uns über ihre Wohnungen beklagen“, sagt die Mitarbeiterin, die zwar Öffentlichkeitsarbeit für das Stadtteilbüro macht, ihren
Namen aber nicht veröffentlicht sehen möchte.
Jeden Tag von 8 bis 15 Uhr, dienstags und donnerstags bis 19 Uhr, hat das Büro geöffnet. Es
ist ein Baustein im großen Ganzen. „Die Leute
haben gehört und sagen uns das auch so, dass
‚am Arrenberg grad viel geht‘. Sie wollen mitmachen oder Infos haben, was so los ist. Das sind
Wohnen im Finanzamt
In Holland und England leben tausende Hauswächter in leerstehenden Gebäuden
Können Sie sich vorstellen, in einem Finanzamt
zu wohnen? Wo früher Akten gewälzt wurden?
In einem Schloss wahrscheinlich schon eher.
Aber das auch noch für eine geringe Miete? Da
muss es doch einen Haken geben. Ja, sagt sicherlich so mancher. Dafür muss man nämlich
als Hauswächter auf das eigentlich leerstehende
Gebäude aufpassen. In den Niederlanden und in
England wird dieses Konzept schon seit einiger
Zeit praktiziert. Menschen wohnen auf Zeit für
geringe Miete in Gebäuden, die leer stehen:
kommunale Ämter, Fabriken, alte Adelssitze.
Bis 2010 galt in Holland das Recht, in Häusern
wohnen zu dürfen, wenn sie mehr als ein Jahr
leer standen. Daraus entstand die Idee, Hausbesetzer in Gebäuden wohnen zu lassen, wenn sie
dafür Aufgaben übernehmen. Das Konzept wurde auf normale Mieter ausgeweitet. Die Vorteile
liegen auf der Hand. Die Menschen bekommen
für wenig Geld eine Unterkunft, und jemand
sorgt durch Anwesenheit dafür, dass es nicht zu
Vandalismus, illegalen Müllhalden oder Hausbesetzungen kommt. Jede Art von Verfall schlägt
sich schließlich auf den Wert des Hauses nieder.
Und: Behörden, Staat oder Eigentümer sparen
Geld, das sonst für die Bewachung der Gebäude
nötig wäre.
Vorreiter ist die Agentur Camelot Europe, die ein
„außergewöhnliches Wohnerlebnis“ verspricht.
Laut Aussage der Geschäftsführung gibt es in
den Niederlanden mittlerweile 50.000 Hauswächter. Das Unternehmen vermittelt nicht nur
Gebäude, um darin zu wohnen. Unter seinen
jüngsten Projekten hat die Agentur ein Bürogebäude in Haarlem, Niederlande. Ein perfektes
Beispiel für die Nutzung von leerstehenden Immobilien. „Als zwei ehemalige Kollegen waren
wir auf der Suche nach einem Raum für unser
Catering. In diesem ehemaligen Bürogebäude
fanden wir eine schön eingerichtete Küche mit
großzügiger Kantine“, wird einer der Geschäftsführer der untergekommenen Firma De Kantine
auf der Firmenwebseite zitiert. Das Gebäude
wurde in einen Workspace umgewandelt. Bis
es vom Eigentümer verkauft wird, können dort
Startups und Jungunternehmer wie die Macher
7
potenzielle Mieter und welche, die bereits hier
wohnen, aber auch Eigentümer oder Investoren“,
sagt die Mitarbeiterin. „Sie kommen auch aus
anderen Städten, viele aus Düsseldorf. Günstig
zu wohnen, viel los im Viertel, gut angebunden
an andere Großstädte – das ist attraktiv“, fügt
sie hinzu. Am Aufsteller im Fenster hängen Suchanfragen und Angebote für Wohnungen. Außerhalb allen Lobes für das Viertel fänden viele aber
auch eine Szenekneipe oder einen ähnlichen Ort
für Jugendliche gut.
Im Stadtteilbüro werden auch Veranstaltungen
geplant, zum Beispiel der Restaurant Day am 16.
Mai, bei dem Privatleute ein eigenes Restaurant
für einen Tag eröffnen. Natürlich warten die
„Arrenberger“ auch wieder auf ihr Stadtteilfest
2015, das am 12. September stattfindet. Viele
werden laut Stadtteilbüro erst bei diesem Fest
darauf aufmerksam, was das Quartier alles zu
bieten hat.
FLORIAN SCHMITZ
BLICK NACH
EUROPA
von De Kantine arbeiten. Laut Camelot ist das
Gebäude heute vollständig belegt.
Wer jetzt denkt, er könnte sich in einem Gebäude einmieten und rauschende Partys feiern,
liegt falsch. Das ist per Vertrag verboten. Sowieso gibt es eine Reihe von Auflagen. Besuch, der
länger als eine Nacht bleibt, oder von mehr als
zehn Gästen, muss angemeldet werden. Ebenso
verpflichtet sich der Hauswächter, einige Arbeiten selbstständig durchzuführen; darunter fallen
kleinere Reparaturen oder Rasenmähen. Natürlich ist auch die Kündigungsfrist von vier Wochen
nur etwas für flexible Menschen. Oft mieten sich
deshalb junge Leute, meist Studenten, ein.
Das Konzept schwappt nach Deutschland herüber: Zuletzt machte es Schlagzeilen, als Studenten im Herbst 2014 in das leerstehende
Finanzamt Münster-Stadt einzogen, um dort
günstig zu wohnen – und gleichzeitig Hauswächter zu sein.
FLORIAN SCHMITZ
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20
„Lichtkornroggen“ heißt diese biologisch gezüchtete Getreideart – für Böden, die wenig Wasser halten oder abbekommen, Foto: Getreidezüchtungsforschung Darzau
Mit lila Tomaten geht die Schutz-Saat auf
Alternative Züchter trotzen den großen Konzernen und erweitern die Palette von Gemüse- und Getreidesorten
Mal ehrlich: Hat man ihn in den vergangenen Wochen noch wahrgenommen, den Agrarökonomen,
der im Märzen seinen 300-PS-Ackerschlepper
mit Dreipunkthydraulik und klimatisierter Fahrerkabine anwirft? Der den Boden pflügt, eggt und
anschließend sät? Wohl kaum. Was am Ende auf
den Tellern des Verbrauchers landet, stammt im
besten Fall vom Wochenmarkt, meist muss das
Supermarktregal herhalten. Nur ein Bruchteil der
Kunden interessiert sich dafür, woher ihr Gemüse
stammt – Marokko, ah ja. Und aus welchen Samen es gezogen wurde, hat erst recht kein Verbraucher mehr auf dem Schirm. Sollte man aber.
Ein paar Fakten reichen aus, um eine Situation
zu beschreiben, die sich allmählich zum Problem
entwickelt hat: Trotz einer augenscheinlich großen Sortenpalette sind drei Viertel der ehemals
vorhandenen Kulturpflanzen aus dem Anbau verschwunden. „Wenn wir Glück haben, liegen sie
noch irgendwo in Gen-Banken“, hofft Oliver Willing, „wenn wir Pech haben, sind sie ganz weg.“
„Alte Sorten sind die Grundlage, aber nicht die Lösung“, sagt
Oliver Willing von der GLS-Zukunftsstiftung Landwirtschaft,
Foto: Tom Jost
Von dem, was noch da ist, gehören wiederum 75
Prozent zehn Großkonzernen, die diese Arten als
Hybrid-Saatgut verkaufen. Man kann sie nicht
aus der Ernte neu pflanzen, sondern muss jedes
Jahr neu kaufen. Wenn man so will: eine Form von
Kopierschutz. „Diese Saatgut-Grossisten sind oft
Chemiekonzerne“, sagt Dr. Susanne Gura. „Kein
Wunder, dass die mit Pflanzenschutzmitteln noch
mehr verdienen als mit ihren Saaten.“ Geschäftsführer der „Zukunftsstiftung Landwirtschaft“ ist
der eine, Vorsitzende des „Vereins zur Erhaltung
der Nutzpflanzenvielfalt“ (VEN) die andere. Beide
arbeiten mit durchaus unterschiedlichen Mitteln
daran, dieses Problem nachhaltig zu knacken.
Düsseldorf am ersten schönen Frühlingssamstag:
Draußen herrscht Biergartenwetter, im Geschwister-Scholl-Gymnasium drängeln sich Hunderte
von Gartenfreunden. Dort begegnen sie „Kaiser
Wilhelm“, einer historischen Apfelsorte, dem
Most von Streuobstwiesen, aber auch weißen
und lila Tomaten. Und am VEN-Tisch 18 verschiedenen Kartoffelsorten auf einmal. Wofür braucht
man die, wenn doch eigentlich schon die vier
Sorten aus dem Supermarkt zu viel sind? „Wissen
Sie, wie es Mitte des 19. Jahrhunderts in Irland
zur großen Hungersnot kam?“ fragt Gura zurück.
„Nun: Als sich die Kartoffelfäule durch einen Pilz
ausbreitete, gab es im ganzen Land nur zwei Sorten. Beide waren anfällig.“ Durch den Hunger
starb ein Achtel der damaligen irischen Bevölkerung. Was für die Mitte des 21. Jahrhunderts
bedeute, dass man eben „die ganze Palette“ brauche, um sieben bis neun Milliarden Menschen zu
ernähren.
Die Saatgutschützer treibt also nicht primär ein
nostalgisches Interesse. „Alte Sorten sind die
Grundlage, aber nicht die Lösung“, verdeutlicht
Oliver Willing, der mit seiner Stiftung im Hause
der ethisch-ökologischen Bochumer GLS-Bank
arbeitet. Heute gebe es andere Krankheiten und
Schädlinge, andere Wachstumsverhältnisse,
größere Klimaveränderungen. Darum müsse
der Mensch Pflanzen durch Züchtung anpassen
– quasi als Fortführung der Evolution. Mit den
Leuchten einer Pferdekutsche würde man sich
heute ja auch nicht nachts auf die Autobahn
wagen.
8
Die Zukunftsstiftung unterstützt deshalb Züchter und Gärtner in Deutschland, die „samenfeste
Sorten“ als Gegenentwurf zu den „Hybriden“ weiterentwickeln. Diese müssen für den Öko-Landbau
taugen, anderseits widerstandsfähiger sein als
ihre Ahnen; die Früchte sollen dennoch Form- und
Größenvorstellungen des Handels erfüllen … und
obendrein besser schmecken. Kein Wunder, dass
die züchterische Optimierung etwa einer Möhrensorte durchaus zehn Jahre dauern kann und eine
Million Euro verschlingt. Die Saatgut-Alternativbewegung ist jetzt 30 Jahre unterwegs, rund 120
Menschen beschäftigen sich in Deutschland mit
dem Schutz der kulturpflanzlichen Grundlagen.
Als Ende der 90er auch der Geschmack nachweisbar die konventionelle Produktion übertraf, war
das der Durchbruch. Aus Bochum werden solche
Obst-, Gemüse- und Getreideentwickler mit einer
Million Euro unterstützt, die jedes Jahr neu über
Spenden zusammengetragen werden muss.
Eines der obersten Gebote lautet natürlich: keine
Gentechnik! Aber auch anderen Verfahren stehen
die Züchter kritisch gegenüber: der CMS-Technik
etwa, die die Eigenschaften von Nutzpflanzen
über Zellfusionen verbindet. Beispielsweise gibt
es in Deutschland so gut wie keine Broccoli- oder
Blumenkohlsorte, die nicht via CMS gepimpt wurde. Nach der EU-Öko-Verordnung ist der Einsatz
solcher Samen durchaus erlaubt. Die großen BioVerbände Bioland, Demeter und Naturland haben
dagegen strikte Negativlisten für ihre Erzeuger
und Zulieferer aufgestellt. Für sie ist CMS „die
Einführung der Gentechnik durch die Hintertür“.
Als hätte man nicht schon Sorgen genug, droht
das transatlantische Handelsabkommen TTIP die
Lage noch schwieriger zu gestalten: „Man kann
erwarten, dass die bestehenden nationalen und
EU-Gesetzgebungen damit ausgehebelt werden“,
sieht Susanne Gura pessimistisch in den laufenden Prozess. „Die WTO will unbedingt Handelshemmnisse ausräumen. Das Verbot von gentechnisch veränderten Kulturpflanzen zählt zu solchen
Hindernissen.“
TOM JOST
Info: www.saatgutfonds.de
www.nutzpflanzenvielfalt.de
auftritt
Der Vater und sein toter Sohn, einsam das Land, schwer die Schuld, Foto: Sebastian Hoppe
Der Mensch ist nicht vollkommen
Die israelische Regisseurin Dedi Baron inszeniert in Düsseldorf Hanoch Levins „Mord“
Große Bilder, starke Gesten und leichte Steinblöcke. Das Land der Urväter ist
sandig, leer und öde, aber es ist beladen mit Schuld, Sühne, Rache und Blut.
Davon zeugen die ersten Breitwandbilder im Düsseldorfer Schauspielhaus
nicht. Die Kamerafahrt nach Google Earth rund um die Bühne zeigt nur
diesen beigen Wüstenklang mit ein paar Gebäuden. Dort also wird sich der
Mord abspielen, in dem es im gleichnamigen Theaterstück von Hanoch Levin
geht. Und es wird einer dieser unerklärlichen Gewaltexzesse sein, von denen
der Krieg sich ernährt und an denen die Menschen vorsätzlich zerbrechen.
Was kann das leisten im Rahmen der Jüdischen Kulturtage im Rheinland?
Außer dem Breitbildvideo ist nichts auf der Bühne, eine Fläche aus monolithischen Blöcken bildet die Szenerie. Die israelische Regisseurin Dedi
Baron konzentriert sich auf die Figuren im Spiel, die den jahrhundertelang
eingeschliffenen Mechanismen nicht entkommen können. Drei blutjunge
israelische Soldaten schleppen hier ihr Opfer an die Rampe der Blöcke, ein
fast totes Stück Fleisch, das nach seinem Vater bettelt, blutjunges palästinensisches Fleisch, das dennoch genüsslich-widerlich ins Jenseits befördert
wird, mit rohen Sprüchen und roher Gewalt. Nur einem scheint das auch
wirklich Spaß zu machen, die anderen beiden machen heroisch mit. Dies ist
keine Metapher auf ein Mitläufertum, dies ist ein Zitat auf reale Tatbestände. Wer erst einmal in der Gewaltspirale steckt, der hat keinen Anspruch
mehr auf Rechtfertigung. Selbst als der Vater des Jungen auftaucht, müssen
sie das Machtgehabe aufrecht halten, lügen, wiegeln ab, wer die Kalaschnikow in der Armbeuge hält, für den ist Wahrheit eben inexistent. Und eine
Antwort auf die Frage nach dem Warum kann natürlich auch niemand mehr
beantworten, hinterher. So funktioniert menschliche Geschichte seit den
Anfängen, ein kleiner Junge erklärt das im Video perfekt. Die Kinder werden es nicht verstehen und lachen, die Enkel werden darüber nichts mehr
wissen. Genau. Der singende Soldat im Hintergrund jedenfalls füllt stoisch
weiter Munition in die Schnellfeuergewehre.
Wenn der Frieden kommt, werden wir Nachbarn und gemeinsam feiern. Das
9
gilt für die Soldaten, aber nicht für den trauernden Vater, der auch um
die letzten Worte seines Sohnes betrogen wurde. Eine ästhetische Herangehensweise gibt es da nicht mehr – Auge um Auge, Zahn um Zahn. Was
sollte denn auch anders sein? Leise tönt das Spiritual „Motherless Child“
im Hintergrund, die feste Welt löst sich auf. Drei Jahre später lautet die
neue Devise: „Wir sind generell für Ruhe, doch der Hass sitzt immer noch
tief in den eigentlichen Verlierern und er schlägt eben dort zu, wo er nicht
nur nicht erwartet wird, sondern wo er selbst wieder ein neuer Katalysator
wird – auf einer Hochzeit. Es wird die zweite plakative Szene, die wunderbar
spielfreudig in Szene gesetzt und doch irgendwie von der Regie tiefengereinigt wirkt. Das junge Paar freut sich auf die Hochzeitsnacht, die Gäste sind
weit, da ist der Vater wieder da, mit Pistole. Es kommt wie es kommen muss:
Der Bräutigam wird erschossen, die unschuldige Braut vergewaltigt und anschließend auch erschossen. Wieder muss ein Vater sich entsetzen, wieder
kann die kommende Spirale nicht aufgehalten werden. Irgendwie macht
sich Hanoch Levin, der 1999 im Alter von 55 Jahren an Krebs starb, das alles
ein wenig einfach, selbst sein wohl nicht überwindbarer Pessimismus bleibt
ohne innere Stärke. Und selbst wenn Dedi Baron versucht, die Mechanismen
zu verallgemeinern und deutsche Lieder aus den 1930ern intonieren lässt
(Comedian Harmonists), Levin war definitiv kein Shakespeare.
Und so bleibt am Ende nur die Kausalität der Blutrache, irgendwann erwischen sie den Vater, er wird geköpft (den Maskenbildner-Realismus hätte
man sich übrigens hier schenken müssen) und dann taucht der Junge wieder
im Video auf und verkündet den neuen Krieg. Warum? Die Kinder werden es
nicht verstehen und lachen, die Enkel werden darüber nichts mehr wissen.
Auf ein neues Massaker. „Du und ich und der nächste Krieg.“ Kein Wunder
dass sie in Israel den Kriegstreiber Benjamin Netanjahu wiedergewählt haben.
PETER ORTMANN
„Mord“ | R: Dedi Baron | Mo 13.4., Fr 17.4. 19.30 Uhr, So 26.4. 18 Uhr
Schauspiel Düsseldorf | 0211 36 99 11
musical in NRW
oper in NRW
Liliana de Sousa als Carlotta und Franz Hawlata als Kapitän Morosus, Foto: Matthias Jung
„West Side Story“, Foto: Ludwig Koerfer
Jack Sparrow singt Oper
New Yorker Geschichten
Von Karsten Mark
Nur ein einziges Mal hat sich Richard Strauss an eine komische Oper gewagt.
1935 erlebte „Die schweigsame Frau“ eine erfolgreiche Uraufführung und verschwand dann schnell in der Versenkung. Die Nazis hatten dafür gesorgt, weil
Strauss den Namen des jüdischen Librettisten
Stefan Zweig nicht unter den Teppich kehren
„Joosten zieht wahrlich
wollte. Alle Wiederbelebungsversuche nach
alle Register“
dem Krieg blieben weitgehend vergeblich.
„Die schweigsame Frau“ ist auf kaum einer Opernbühne zu finden. Das Essener
Aalto-Theater startet nun einen neuen Versuch. Regisseur Guy Joosten hat sie
neu inszeniert und ist sich bewusst, dass Straussens Humor eher speziell war.
„Man muss Strauss schon kennen, damit es lustig wird“, hatte Joosten vor
der Essener Premiere gesagt. Als Vorab-Entschuldigung muss man das glücklicherweise nicht verstehen, denn Joosten zieht wahrlich alle Register, um den
drei Aufzügen ein Höchstmaß an Komik zu entlocken. Herausgekommen ist
eine schrille, bunte Version, die wirkungsvoll und gekonnt mit Filmzitaten und
Elementen der Commedia dell´arte gewürzt ist.
Von Rolf-Ruediger Hamacher
Was wäre die „West Side Story“ ohne die geniale Choreografie von Jerome
Robbins. Ähnliches gilt auch für die Inszenierung von Ewa Teilmans, die sich
den niederländischen Choreografen Joost Vrouenraets mit ins Boot holte. Der
Béjart-Schüler gewinnt mit seiner 24-köp„Wenn die Tanz-Truppe
figen Tanz-Truppe dem Musical-Klassiker
spielen muss, beginnt das
völlig neue Reize ab. Seine Anleihen bei
Dilemma der Inszenierung“
klassischem Ballett, Modern Dance, Break
Dance bis hin zu Martial-Arts-Elementen führen zu außergewöhnlichen Choreografien. Wie etwa beim Aufeinandertreffen der Gangs: Die Schläge treffen den
entfernt stehenden Gegner nur virtuell, wir sehen aber die Wirkung. Aber wenn
die Tanz-Truppe spielen muss, beginnt das Dilemma der Inszenierung: Da radebrecht der Anführer der einheimischen Jets (gespielt von US-Bariton Benjamin
Wert): „Dieses Viertel gehört uns“ – und schon glaubt man den Konflikt mit den
puertoricanischen Einwanderern nicht, deren Banden-Anführer Bernardo von
einem Deutschen (Philipp Manuel Rothkopf) verkörpert wird. Noch abstruser
wird es, wenn Teilmans den Chilenen Patricio Arroyo als waschechten US-Boy
Tony auf den Balkon schickt, um seine Maria (Rosemarie Weissgerber) anzusingen. Und ihr typischer „Regie-Theater“-Einfall, zu Beginn und am Ende eine gealterte Maria (Irena Orawiec) auftreten zu lassen, die den halbnackten Tänzern
die Sixpacks befingern darf, wirkt allzu bedeutungsschwanger. So scheitert die
Inszenierung letztlich, wenn auch auf hohem tänzerischen Niveau.
Guy Joosten inszeniert „Die schweigsame Frau“ in Essen
Hauptfigur ist der alte Kapitän Morosus, der bei seinen Seefahrten offenbar
allerhand Dublonen eingeheimst hat. Joosten und Ausstattungs-Altmeister
Johannes Leiacker zeigen eine ergraute Version des Kino-Piraten Jack Sparrow, der auf einer Insel in seiner Schatztruhe haust. Darum herum wuselt
die Haushälterin in einem papageienbunten Glitzerkostüm und feudelt die
Kakteen ab. Leider kann sie nie die Klappe halten, was der alte Pirat schon
deshalb kaum ertragen kann, weil er vom lauten Kanonendonner ein Problem
mit seinen Ohren hat.
Eine schweigsame Frau soll her – möglichst jung und folgsam. Die schüchterne
„Timidia“ scheint genau zu passen, doch in Wahrheit ist sie die verkleidete
Ehefrau des enterbten Neffen, die dem Alten eine Lektion erteilen soll. Die
Geschichte nach einer englischen Komödie aus dem 17. Jh. hat es mehrfach
auf die Opernbühne geschafft. Deutlich bekannter als Straussens Version ist
Donizettis „Don Pasquale“. Zweigs Libretto hat mehr Tiefgang, aber auch mehr
Längen. Eine spritzige Komödie ist es nicht.
Vor allem Strauss-Fans dürfte die Essener Inszenierung locken, und die werden auch musikalisch nicht enttäuscht. Dirigent Martyn Brabbins leitet die
Essener Philharmoniker mitunter mit leicht angezogener Handbremse. Das ist
gut für einen differenzierten Klang und schont die Sänger,
die solche Rücksichtnahme allerdings kaum nötig haben.
Allen voran dominiert Franz Hawlata als alter Pirat den
Abend. Eigentlich ist er viel zu cool und charismatisch, um
als einfältiger Alter durchzugehen. Seine stimmliche und
physische Präsenz ist enorm. Julia Bauer ist als vermeintlich „schweigsame Frau“ eine ebenbürtige Partnerin, die
Karsten Mark
Journalist mit Schwer- sehr schön zwischen der lammfrommem Timidia und der
punkt (Musik-)Theater kratzbürstigen Aminta changiert.
„Die schweigsame Frau“ | 1.4., 22.4., 24.4., 30.4. je 19.30 Uhr, 4.4. 19 Uhr,
19.4. 16.30 Uhr | Aalto-Theater, Essen | 0201 812 22 00
„West Side Story“ in Aachen / „Das Appartement“ in Neuss
„Promises, Promises“, wie das 1968 uraufgeführte Musical im Original heißt,
war eines der ersten auf einem Kultfilm („The Apartment“,1960) beruhenden
Musicals. Es erzählt vom New Yorker Büroangestellten Chuck, der sein Apartment seinen Vorgesetzten für deren Schäferstündchen leiht und damit die Karriereleiter hochklettert. Erst als Fran, die Geliebte seines Chefs, die er heimlich
liebt, in seiner Wohnung einen Selbstmordversuch unternimmt, erkennt er das
Absurde seines Verhaltens und sie ihre Liebe zu ihm.
Natürlich kann diese tragikomische Gesellschaftssatire auch ohne Musik bestehen – und vielleicht war das ein Beweggrund des Rheinischen Landestheater
Neuss, sie mit einem reinen Schauspieler-Ensemble auf die Bühne zu bringen.
Aber das mit seinen Musical-Inszenierungen nicht gerade glücklich agierende
Haus übernimmt sich auch diesmal. Juan Miguel Verdugo Garcia und seine
Band geben zwar ihr Bestes, um Bacharachs eingängige
Melodien („I‘ll Never Fall in Love Again“) auf die Sänger
zu übertragen: aber wo keine Stimme ist und nur eine
schwachbrüstige Tonanlage zur Verfügung steht, bleibt alle
Mühe umsonst. Zumal man den Songs durch die unnötige
Eindeutschung auch noch ihren rhythmischen Verve nahm.
Was bleibt, ist eine von Regisseur Thorsten Duit gut getimte
Rolf-R. Hamacher
Hochschuldozent
und Beirat des Film- Boulevard-Komödie. Vorgetragen von einem schauspielekritikerverbandes
risch überzeugenden Ensemble in hübschem Bühnenbild.
„West Side Story“ | Theater Aachen | 4.4., 19.4., 28.4., 30.4. 19.30 Uhr
0241 478 42 44
„Das Appartement“ | Rheinisches Landestheater Neuss | Do 23.4. 20 Uhr
0211 27 40 00
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tanz in NRW
„Der letzte Schrei“, Foto: Roger Rossel
Tanz satt
Das Festival tanz nrw 15 zeigt den Reichtum der Tanzszene
Von Thomas Linden
Vom Bindestrichland hat man gerne gesprochen, und damit NordrheinWestfalen gemeint, das Bundesland in dem zwei Regionen in einen Verwaltungstopf gesperrt wurden, die historisch nicht viel miteinander zu tun hatten.
In der Kultur hat die Neugierde der Menschen immer dazu geführt, dass man
über den Zaun schaute. Die Tanzkunst
lockt ihr Publikum in NRW schon seit
„Das Tanz-Land NRW
Jahren in die Metropolen am Rhein. Aus
braucht Nachwuchs“
Westfalen würde man sich noch ein wenig mehr Zuspruch wünschen. So startet das Festival tanz nrw 15 in diesem
Frühjahr in acht Städten, siebenmal im Rheinland (Bonn, Köln, Düsseldorf,
Wuppertal, Krefeld, Essen und Viersen) und einmal in Münster, im bewährten
Pumpenhaus.
Das Programm eignet sich gut für den Einstieg ins Metier oder um sich über
den Stand der gegenwärtigen Ästhetik zu informieren. 17 Ensembles zeigen
19 Produktionen vom 16. bis 28. April, alle Arbeiten entstanden in NRW, so
dass das Festival als Blütenlese den Gruppen noch einmal Aufführungsmöglichkeiten in der Region bieten kann. Gestartet wird in drei Städten. So zeigt
am Eröffnungswochenende Felix Bürkle aus Düsseldorf in der Kölner TanzFaktur seine aufsehenerregende Choreographie „you, the other“, in der er den
Moment erforscht, in dem die Erotik zwischen zwei Menschen zündet. Im
Carlsgarten vor dem Depot des Kölner Schauspiels präsentiert Angie Hiesl eine
Performance, die das Spiel mit den Identitäten probt.
Die magischen Bildwelten der Märchen zaubern Reut Shemesh und das Duo
Overhead Project mit „The Boy, Who Cries Wolf“ auf die Bühne des Tanzhauses.
Eine subtile, bildgewaltige Produktion, die sich in die Erinnerung eingräbt. Für
Düsseldorf bietet Köln das Beste mit dem MichaelDouglas Kollektiv und seiner
Ensemble-Produktion „Golden Trash“, die 2013 den Kölner Tanzpreis gewann.
Mit großer Verve zeigt die Truppe, wie sich Beziehungen zwischen Körpern
herstellen und wieder auflösen. Eine Produktion, die anschaulich demonstriert,
wie erzählerisch Tanz sein kann, ohne dass dabei eine Geschichte erzählt werden müsste.
Wie der Körper aus den zweidimensionalen Bildern der erotischen Verheißung
zu einem realen Objekt im Raum wird, und wie er seinen Chic verliert und
darüber seine Sinnlichkeit gewinnt, zeigt Ben J. Riepe in Essen auf PACT Zollverein, wo er den dritten Teil seines Großprojekts „Der letzte Schrei“ vorstellt.
Der 4. Teil ist dann am 23. April in der Generatorenhalle in Viersen zu sehen.
Das Tanz-Land NRW braucht Nachwuchs, deshalb startet
mit der Reihe „Sprungbrett“ in diesem Jahr ein Projekt für
junge Choreografen, das eine Brücke zwischen dem Studium und dem Eintritt in die Tanzszene schlagen soll. Drei
Wochen haben die Akteure in Residenzen am Rhein mit
professionellen Coaches gearbeitet, um dann in verschiedenen Städten ihre Arbeiten vorzustellen. Darüber hinaus
Thomas Linden
lädt das Festival wieder zu Workshops ein und bietet mit
Journalist und Jurymitglied des Kölner Kinder- dem Besuch der Studios einiger ausgesuchter Choreou. Jugendtheaterpreises grafen den Blick in die Werkstätten der Tanzkunst.
tanz nrw 15 | 16.4.-28.4. | www.tanz-nrw-15.de
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#f30,3&
'&-%
11
JEF
prolog
2015
April
................................
04.04.
SALON DE SALSA
. . . . . . . . . . ^ĂůƐĂŝƐĐŽ
...........
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JETHRO TULL'S
IAN ANDERSON & BAND
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16.04.+17.04.
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TROCKENBLUMEN
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.....................
19.04.
SALSA IN DER CITY
. . . . . . . Open
. . . . .Air
. . .Disco
......
24.04.
ÖZCAN COSAR
. . . . . . . . . . . . Comedy
.........
25.+26.04.
DIE BARMER
KÜCHENOPER
. . . . . . . ,ĞŝŵĂƩŚĞĂƚĞƌ
..............
30.04.
KABARETT
NOTBREMSE
. . .Jubiläumsprogramm
..................
Preview Preview
. . . . . .Preview
...............
01.05.
STAUBKIND
. . . . . . . . . . . . . . . Rock
......
07.05.
KAY RAY
. . . . . . . . . . . . Comedy
.........
tĂůĚďƺŚŶĞ,ĂƌĚƚ28.+29.08.
FEUERTAL FESTIVAL
. . . . . . . . . . . .Open
. . . . .Air
....
24.09.
AXXIS
. . . . . . . . . .Heavy
. . . . . Rock
......
26.09.
WOLF MAAHN & BAND
Rock
................................
Live
Club Barmen
Geschwister-Scholl-Platz - Wuppertal
www.liveclub-barmen.de
„Liebesbriefe an Hitler“, Foto: Burghofbühne Dinslaken
Mit Vollgas ins Glück
Wiederaufnahme, Premiere und Gastspiele
Dem außergewöhnlichen Anlass geschuldet soll ausnahmsweise ein kurzer
Blick auf einen besonderen musikalischen Nebenschauplatz geworfen werden:
Jethro Tull’s Ian Anderson gastiert in der Stadthalle. Und zwar in Zusammenarbeit mit dem Sinfonieorchester und der Kantorei Gemarke. Nach dem Gastspiel
Procol Harums vor zwei Jahren an gleicher Stelle wird das voraussichtlich ein
Konzertglanzlicht sondergleichen. Ein Stück Musikgeschichte trifft auf regionale Könner, eine solche Kombination gibt’s eben nur im Bergischen.
Wie so viele andere Bühnen brachte das Kinder- und Jugendtheater im vergangenen September den bildgewaltigen Roman „Tschick“ des inzwischen
verstorbenen Autoren Wolfgang Herrndorf als Theateradaption an den Start.
„Tschick“ ist die Geschichte zweier Teenager, die eine ungewöhnliche Freundschaft verbindet, auf einer abenteuerlichen Fahrt durch Ostdeutschland. In
einem geklauten Lada brettern Maik, Sohn aus augenscheinlich gutem Hause,
und der russischstämmige Tschick, optisch und vom Benehmen aus einer anderen Gesellschaftsschicht, durch die Welt, und das ist so spannend, witzig und
wirklichkeitsnah erzählt, dass das Buch nicht nur bei Jugendlichen, sondern
auch bei Erwachsenen ankommt. Und die Theaterinszenierung ebenso – sonst
wäre sie jetzt nicht wieder aufgenommen worden.
Und auch im TalTonTheater tut sich wieder was: Die Komödie „37 Ansichtskarten“ wird von den ambitionierten Laien ins Rennen geschickt. Die von Michael
McKeever verfasste Komödie changiert zwischen Humor à la Monty Python
und purem Klamauk, präsentiert merkwürdige Charaktere und tiefschürfende
Weisheiten. Einige Jahre war Avery, Sohn des Hauses, auf Europatour. Als hübschestes Mitbringsel hat er Gillian am Gepäck. Die hatte er vor der SuttonSippschaft als „etwas exzentrisch“ gewarnt. Allerdings hat sich in Averys Abwesenheit einiges getan. Die tot geglaubte Großmutter steht wieder in den
Pantoffeln, die Mutter hat offensichtlich den Verstand verloren, Papi spielt
neuerdings nachts Golf, und die Tante ist Geschäftsfrau. Sie betreibt eine gut
funktionierende Sex-Hotline für Senioren.
Ihn „merkwürdig“ zu nennen, wäre ein schlimmer Euphemismus. Ob über Adolf
Hitler je alles gesagt sein wird? Die Lit.Lounge widmet sich in einer szenischen
Lesung dem Diktator. Die Landestheater Burghofbühne Dinslaken ist im Theater
und Konzerthaus Solingens, um „Liebsbriefe an Hitler“ darzubieten. Der war
zu seiner Zeit angesagt wie jetzt ein Popstar, die meisten Briefschreiberinnen
wollten ihn nur einmal aus der Nähe sehen, seinen „gutmütigen Blick“. Freudvoll schickten sie ihm selbstgebackenen Kuchen und Handarbeiten. Tituliert
als „Purzelchen“, „Wölfchen“, „Herzensadolf“, „mein lieber zuckersüßer Adolf“
oder auch „Majestät“ ist nicht der Inhalt obzön. „Obszön sind die Umstände,
unter denen diese brieflichen Herzensergießungen entstanden – Dokumente
von grausiger Demut und Verblendung“, heißt es dazu in der Vorankündigung.
VALESKA VON DOLEGA
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„37 Ansichtskarten“ | Sa 25.4.(P) 20 Uhr | TalTon Theater
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„Tschick“ | Di 14.4. 18 Uhr | Kinder- und Jugendtheater, Bundesallee 222
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Mit freundlicher Unterstützung:
Förderverein HDJ & LCB
„Liebesbriefe an Hitler“ | Mo 27.4. 19.30 Uhr | Theater und Konzerthaus
Solingen
12
film des monats
Mateus (Dawid Ogrodnik) versucht, sich mitzuteilen
Dämmerzustand
„In meinem Kopf ein Universum“ von Maciej Pieprzyca
grund seiner Behinderung nicht vermitteln. Über zwei Jahrzehnte lang lebt er
in diesem tragischen Dämmerzustand, bis ein Zufall das Schicksal wendet.
Bewegende Erzählung einer tragischen Fehldiagnose.
C Unkonventionelles Behindertendrama
„Jeder weiß: Man spielt nie einen Vollbehinderten! Dustin Hoffman, ‚Rain
Man‘: Hat ‘nen Behinderten gespielt, nur der konnte auch was. Autistisch ja,
aber nicht behindert. Oder Tom Hanks, ‚Forrest Gump‘: Langsam, ja, aber er
hat Nixon amüsiert und ‘nen Ping-Pong-Wettbewerb gewonnen. Das ist
nicht behindert. Frag Sean Penn, 2001, ‚Ich bin Sam‘ – der Vollbehinderte ist
leer ausgegangen!“ Soweit ein (gekürztes) Zitat aus der Hollywoodsatire
„Tropic Thunder“. Robert Downey junior erklärt darin in der Rolle eines überambitionierten Method Actors die Regeln Hollywoods. Seine Ausführungen
sind zynisch, aber sie sind nicht grundlegend verkehrt. So heimste erst kürzlich Eddie Redmayne als Stephen Hawking, sprich als hochbegabter ALSPatient den Oscar ein („Die Entdeckung der Unendlichkeit“). Schlussendlich
setzen derlei Dramen bloß jene Political correctness um, wonach behinderte
Menschen nicht als behindert, sondern als alternativ begabt zu betiteln sind.
Dem Leid ein Schnippchen schlagen
Derzeit starten verstärkt Spielfilme über körperlich behinderte oder tragisch
erkrankte Menschen. Vor allem Hollywood setzt alles daran, dem Leid, ja selbst
dem sicheren Tod eines Protagonisten vorm Abspann noch ein Schnippchen zu
schlagen. Da bildet das Alzheimer-Drama „Still Alice“ nur eine Ausnahme der
Regel. Eine Regel, die in diesem Monat von „Das Glück an meiner Seite“ bereits
wieder bestätigt wird. Dabei ist ein gewisses Glück im Unglück des anderen gar
nicht anrüchig, schweißt doch das traurige Schicksal des einen seine Begleiter
oftmals zusammen, versöhnt und erdet alle Beteiligten. Für Hollywood allerdings ist eine solche Fügung zwanghafter Standard. Wenn der Protagonist
stirbt, wird vor dem finalen Black noch schnell ein Baby geboren. Oder das
Sterben des einen verpasst dem anderen den Kick zurück ins Leben.
Während sich Hollywood zurzeit verstärkt mit ALS- und Alzheimer-Dramen
auseinandersetzt und damit vor allem den tragisch bewussten Kontrollverlust
thematisiert, setzt Frankreich auf Feel-trotzdem-Good-Behindertendramen wie
„Ziemlich beste Freunde“. Deutschland hat Til Schweiger („Honig im Kopf“). Und
Polen? Ja, Sie lesen richtig: Polen. Unser Nachbarland beschert uns nämlich in
diesem Monat das auf wahren Begebenheiten beruhende Drama „In meinem
Kopf ein Universum“. Erzählt wird die Geschichte des jungen Mateus (Dawid
Ogrodnik), der an einer zerebralen Bewegungsstörung leidet und bereits in früher Kindheit von den Ärzten als geistig behindert eingestuft wird. Die Diagnose
allerdings ist ein Irrtum, Mateus ist bei klarem Verstand. Nur kann er dies aufMein Film, mein Kino, meine Meinung
13
Einfach auch mal schelmisch
Dieser Film ist zuerst einmal deshalb herausragend, weil Hauptdarsteller
Dawid Ogrodnik („Ida“) schlichtweg brilliert und mit seiner Leistung OscarGewinner Eddie Redmayne mit einem Wimperzucken in den Schatten stellt.
Vor allem aber nähert sich das Drama völlig unvoreingenommen und fernab
üblicher Konventionen seiner Geschichte. Es verzichtet auf standardisierte
(Nicht-)Betroffenheit und gibt sich stattdessen einfach auch mal schelmisch.
Dies gelingt nicht zuletzt über den Einsatz der Musik (Bartosz Chajdecki), bei
der vor allem ein schon surreal munter gepfiffenes Thema ins Ohr geht. Zum
anderen sorgt der Off-Kommentar des Protagonisten, der sich gegenüber seinen Mitmenschen zu keinem Zeitpunkt verbal mitteilen kann, für vielerlei
Einblicke, die auch vor Selbstironie und Zynismus nicht Halt machen. Der Film
behält durchweg den Ernst und den Respekt vor seinem Thema. Nur wirkt
kaum etwas konstruiert oder herkömmlich. Regisseur Maciej Pieprzyca inszeniert schlicht, frei und klein.
Auffallend ist, dass dieses Behindertendrama, anders als die meisten zitierten
Filme, in einem geerdeten Lebensumfeld angesiedelt ist. Fast alle Protagonisten ähnlicher aktueller Filme – „Ziemlich beste Freunde“ treibt es auf die
Spitze – entstammen einem gehoben bürgerlichen, finanziell abgesicherten
Umfeld, was ihnen die monetäre Sorge und die Verlegung in eine Pflegeanstalt
erspart. Das ist dramaturgisch nachvollziehbar, da sich die Geschichte damit
ungetrübt auf das Leid des Opfers fokussieren kann. Doch notwendig ist das
nicht, wie dieser Film beweist. Mateus entstammt einer Arbeiterfamilie, die
Kasse ist klein, doch das Herz daheim ist groß. Und wenn es mal nicht weiter
geht, muss Mateus in ein Heim, und die Geschichte geht trotzdem weiter.
„In meinem Kopf“ ist erfrischend anders, weil er innerhalb jener Genrewelle
neue Akzente setzt. Auch wenn er ganz im Sinne von „Tropic Thunder“ von keinem „Vollbehinderten“ erzählt – Mateus ist es nicht, nur denken alle, er wäre
es. Auch dieses Drama schlägt dem Leid am Ende noch ein Schnippchen. Aber
es bewegt uns dabei so anders und ist deshalb in diesem Monat unsere besondere Empfehlung.
HARTMUT ERNST
IN MEINEM KOPF EIN UNIVERSUM Seattle: Bester Hauptdarsteller, D. Ogrodnik
PL 2013 - Drama - 111 Min - ab 6 J. - Regie: Maciej Pieprzyca
mit: Dawid Ogrodnik, Kamil Tkacz, Dorota Kolak
-kultur.de
Start: 9.4.
Me
Mein
e in
i Lesezeichen
film-kritik
Gegensätze ziehen sich an: Kate (Hilary Swank) und Bec (Emmy Rossum)
Thomas (James Franco) auf tragischer, bildprächtiger Schicksalsbewältigung
Ziemlich beste Freundinnen
Das Leben aus den Fugen
„Das Glück an meiner Seite” von George C. Wolfe
„Every Thing Will Be Fine“ von Wim Wenders
Die ALS-Patientin Kate freundet sich mit ihrer unkonventionellen Pflegerin Bec an.
C Gefühlvolles Krankheitsdrama
Ein Schriftsteller, der ein Kind überfährt, versucht mit seiner Schuld klarzukommen.
C Kammerspiel um ein Trauma
Mit der 2014 durch die sozialen Netzwerke schwappenden „Ice Bucket
Challenge“ wurde weltweit das Interesse auf die seltene Nervenkrankheit ALS
gerichtet, für die es nach wie vor keine Heilung gibt und die ihre Patienten
innerhalb kürzester Zeit körperlich enorm abbauen lässt. Auch einige Filmemacher scheint die Aktion mit dem Eiskübelwasser inspiriert zu haben, denn
innerhalb der letzten Monate ist „Das Glück an meiner Seite“ nun bereits der
dritte Spielfilm, der sich mit ALS auseinandersetzt. Das Stephen-HawkingBiopic „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ stellt dabei sicherlich eher einen
Ausnahmefall dar, weil der berühmte Astrophysiker bereits seit Jahrzehnten
und deswegen überdurchschnittlich lange mit seiner Krankheit lebt. In Christian
Züberts „Hin und weg“ stand mit Florian David Fitz ein jugendlicher Sympathieträger im Mittelpunkt, der sich angesichts seiner ausweglosen Diagnose zu
einem sehr radikalen Schritt entschließt, den der Film auf lebensbejahende
und völlig unsentimentale Weise einfängt.
Seit dem Tanzfilm „Pina“ scheint sich Wim Wenders in das 3-D Format verliebt
zu haben und setzt die Technik erstmals in einem Genre ein, das dem Actionaffinen 3-D Kino diametral entgegensteht: im (erweiterten) Kammerspiel. Wie er
uns mit fotografisch kadrierten Bildern die Räume öffnet und auch in die
Charaktere eintauchen lässt, das ist großes, humanistisches Kino voller Empathie, das die Frage nach Schuld und Vergebung durch das wahrhaftige Spiel der
Darsteller eine berührende Alltäglichkeit verleiht. Das zerrissene Innenleben des
Schriftstellers findet im verstörenden Soundtrack des Oscar-Preisträgers
Alexandre Desplat seine kongeniale Entsprechung. ROLF-RUEDIGER HAMACHER
Diese Attribute kann man George C. Wolfes („Das Lächeln der Sterne“) Film
„Das Glück an meiner Seite“ nur sehr bedingt zusprechen. Man merkt dem
Gesamtergebnis schon des Öfteren an, dass sein Regisseur sich mit seiner
vorangegangenen Nicholas-Sparks-Adaption bereits in eher sentimentaleren
Gefilden ausgetobt hatte. Dennoch kann sich sein Film sehen lassen, nicht
zuletzt, weil Oscar-Preisträgerin Hilary Swank („Million Dollar Baby“) hier
erneut eine preiswürdige Darstellung zuwege bringt. Sie spielt eine 35-jährige Konzertpianistin, die durch das Auftreten von ALS vollkommen aus ihren
gewohnten Bahnen geworfen wird. Bald schon bringt sie nichts mehr alleine
zustande und ist auf eine ständige Betreuerin angewiesen, die sie schließlich
in der schnodderigen Lebenskünstlerin Bec (Emmy Rossum) findet. Kates Ehemann Evan (Josh Duhamel) möchte die unkonventionelle Göre zwar so schnell
wie möglich wieder loswerden, aber Kate selbst ist von Becs ungeschliffenem
Charme begeistert, weswegen sich die beiden gegensätzlichen Frauen
schließlich miteinander anfreunden. Die Parallelen zum französischen Kinohit
„Ziemlich beste Freunde“ sind besonders in der ersten Hälfte des Films nicht
von der Hand zu weisen, werden sich aber zwangsläufig am Ende in eine andere Richtung entwickeln, da ALS eben tödlich verläuft. Auf dem Weg zum
unvermeidlich tragischen Finale, das filmisch jedoch auf recht dezente Weise
gelöst wurde, vermitteln uns die Filmemacher einige entscheidende Erkenntnisse, die um Themen wie Hoffnung, Freundschaft und den Wert des Lebens
kreisen. Auch die Tatsache, dass einem sterbenskranken Menschen nicht
unbedingt damit gedient ist, ihm trügerische Zuversicht zu vermitteln, bringt
Wolfes Film auf angenehm unspektakuläre Weise überzeugend herüber.
FRANK BRENNER
engels verlost 2x2 Karten.
E-Mail bis 19.4. an [email protected], Kennwort: Glück
DAS GLÜCK AN MEINER SEITE
USA 2014 - Drama - 102 Min - ab 6 J. - Regie: George C. Wolfe
mit: Hilary Swank, Emmy Rossum, Josh Duhamel
Mein Film, mein Kino, meine Meinung
engels verlost 1x2 Karten.
E-Mail bis 5.4.
05.04.
[email protected],Kennwort:
Kennwort:Every
EveryThing
Thing
an an
[email protected],
EVERY THING WILL BE FINE
D/CDN/S/N 2015 - Drama - 118 Min - Regie: Wim Wenders
mit: James Franco, Charlotte Gainsbourg, Rachel McAdams
Start: 2.4.
Eine verhängnisvolle Affäre: Esther (Stéphanie Cléau) und Julien (Mathieu Almaric)
Verstrickt in die Liebe
„Das blaue Zimmer“ von Mathieu Amalric
Eine leidenschaftliche Affäre reißt bürgerliche Lebensträume in den Tod.
C Intelligentes Erotikdrama
Julien führt ein scheinbar glückliches Familienleben. Als er jedoch seine Jugendbekannte Esther wiedertrifft, ist die gegenseitige Attraktion so stark, dass
die beiden sich immer wieder in einem Hotelzimmer treffen und alle Versuche,
das Verhältnis zu beenden, scheitern. Amalric adaptiert den Krimi von Georges
Simenon grandios. In Rückblenden und bald aus dem Gerichtssaal heraus, wird
vergeblich versucht, eine Rationalisierung zu finden für ein Begehren, das zwei
Menschen das Leben kosten wird. Der Film zeigt nicht nur die Kapitulation der
Sprache vor den Affekten, sondern auch die Unmöglichkeit einer den Verhältnissen äußerlich bleibenden Objektivität. So ist die Wahrheit, die am Ende aufscheint, Erkenntnis einer komplexen Verstricktheit aller Protagonisten, wie sie
nur das Medium Film so eindringlich zeigen kann.
SILVIA BAHL
DAS BLAUE ZIMMER
Start: 16.4.
F 2014 - Drama - 76 Min - Regie: Mathieu Amalric
mit: Léa Drucker, Mathieu Amalric, Stéphanie Cléau
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Start: 2.4.
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roter teppich
Im Original-DDR-Trainingsanzug: Rainer Bock (links) in „Dessau Dancers“
„Beim Film ist man meist intellektuell unterfordert“
Rainer Bock über „Dessau Dancers“, seine späte Filmkarriere und den Glücksfall Michael Haneke
Rainer Bock wurde 1954 in Kiel geboren und ratschik zu zeigen. Die Biografie dieses Mannes ist
debütierte mit 28 Jahren auf den Bühnen seiner ja insofern witzig, weil behauptet wird, er wäre
Heimatstadt. Nach vielfältigen Theaterengage- der zweite Assistenztrainer der DDR-Turnerriege
ments, u.a. am Residenztheater in München, bei den Olympischen Spielen in Moskau gewesen
wurde er durch seine Rollen in „Im Winter ein (lacht). Als Breakdancetrainer wittert er in der
Jahr“ und „Das weiße Band“ schließlich auch Betreuung der Jugendlichen die Chance seines Lebens und erwirbt sich damit eine
zum gern besetzten Filmschauspieler. Seitdem stand er für „In der Figur steckt mehr als Pseudo-Autorität.
nur eine graue DDR-Maus“
Christian Petzold („Barbara“),
Wie war die Zusammenarbeit
Steven Spielberg („Gefährten“),
Quentin Tarantino („Inglourious Basterds“) und mit Wolfgang Stumph, der in den letzten JahTil Schweiger („Schutzengel“) vor der Kamera. ren der DDR dort noch zu einem der größten
Ab dem 16. April ist er im Kino in „Dessau Dan- Publikumslieblinge geworden ist?
cers“ als Trainer einer DDR-Breakdance-Gruppe Das war ganz wunderbar. Man kennt ihn ja auch
aus solchen Kontexten. Er hat einen großen Humor
zu sehen.
und sieht die Zeit, auch weil er sie selbst erfahren
engels: Herr Bock, was faszinierte Sie am mei- hat, mit ganz kritischen Augen. Er kann sich aber
sten an „Dessau Dancers“ und gab den Aus- auch aus einer kabarettistischen Sicht und Denkweise heraus unheimlich lustig machen darüber
schlag für Ihre Zusage?
Rainer Bock: Ausschlaggebend war zunächst na- und das gleichzeitig sehr ernst verkaufen.
türlich das Drehbuch, das ist immer der Grund,
warum man zu- oder absagt. Das war eine Sicht Sie waren fast fünfzig, als Sie zum ersten Mal
auf diese Zeit und das DDR-Regime aus einer ganz in größeren Rollen vor der Kamera gestanden
anderen Perspektive. Ich habe mich schon öfter haben…
damit beschäftigt, und es interessiert mich noch Ja, das stimmt. Das muss an unserer Schauspielnach wie vor. Genauso, wie mich auch die noch klasse gelegen haben, Axel Prahl hat seine Karriere
ältere deutsche Vergangenheit immer wieder inte- auch erst mit Anfang vierzig gemacht (lacht). Prahl
ressiert. In diesem Fall wusste ich zunächst einmal und ich waren zusammen in einer Schauspielklasüberhaupt nichts davon, dass es diese Breakdance- se. Ich habe jahrelang Theater gespielt und mit
Bewegung tatsächlich gegeben hatte. Davon war dem Medium eher ein wenig gefremdelt, vielleicht
ich sehr überrascht und hielt das für eine fiktio- das Medium auch mit mir, das ist durchaus mögnale Behauptung. Aber nach einigen Recherchen lich. Vor dem „Weißen Band“ habe ich auch schon
erkannte ich, dass die Geschichte auf Tatsachen Filme gedreht, aber dadurch geriet dann doch ein
beruht. Natürlich sind die Liebesgeschichte und bisschen mehr der Fokus auf mich. Die Theaterarviele kleine Nebenhandlungen erfunden, aber beit hatte mich zuvor einfach ausgefüllt. Ich habe
grundsätzlich ist das damals so abgelaufen. Die- über Heidelberg, Mannheim, Stuttgart bis nach
se Form des Aufbegehrens und des Sich-nicht- München mit den gleichen Regisseuren und Kolkonform-machen-Wollens mit der Doktrin fand legen eine Kontinuität am Theater aufgebaut, bei
ich spannend. In der Figur steckt mehr als nur eine der sich künstlerische Arbeit ungleich besser entwickeln konnte als beim Drehen. Ich mochte auch
graue DDR-Maus.
das Familiäre des Ensembles sehr gerne.
Ihre Rolle hat enorm viele Facetten. Zu Beginn
ist sie der Schinder, dann wird sie zum Sym- Haben Sie denn trotz komplexerer Zeitpläne für
pathieträger bevor sie sich am Ende noch mal Dreharbeiten noch Gelegenheit zum Theaterspielen?
anders entwickelt.
Genau das hat mir Spaß gemacht! Es wäre für mich In den letzten vier Jahren hat es immer sehr gut
stinklangweilig gewesen, einfach nur einen Appa- geklappt, im Winter eine Theaterproduktion zu
Mit
-kultur.de beginnt die Filmwoche
15
machen. Vor vier Jahren war das in Düsseldorf,
und in den letzten drei Jahren in Zürich. Das macht
mir immer großen Spaß und ist auch wichtig, weil
Dreharbeiten einen meistens intellektuell ein bisschen unterfordern. Ich sage das mit aller Vorsicht,
weil es natürlich auch Rollen gibt, mit denen man
sich stark auseinandersetzen muss, aber diese Projekte sind da doch eher seltener. Und das ist am
Theater das Tolle, dass man sich über Wochen zutiefst in etwas versenken kann.
Kommt die Unterforderung beim Drehen durch
das Häppchenweise und das Diskontinuierliche?
Nein, dadurch, dass alles so wahnsinnig viel Geld
kostet und man deswegen keine Zeit hat, etwas
auszuprobieren. Man darf sich das nicht so vorstellen, dass man am Set für eine Szene stundenlang künstlerische Arbeit investiert. Wenn man bedenkt, dass ein „Tatort“ früher 26 bis 27 Drehtage
hatte und heute nur noch 21, das Pensum mit 90
Minuten aber das gleiche ist, dann kann man sich
vorstellen, wo diese Zeit verloren geht, nämlich
im künstlerisch-kreativen Prozess, und das ist so
schade. Das merkt man auch irgendwann deutlich,
deswegen darf diese Tendenz nicht weitergehen,
sondern muss gestoppt werden!
„Das weiße Band“ war die Initialzündung Ihrer
Kinokarriere, die Sie auch zu Spielberg, Tarantino oder De Palma geführt hat. Wie sehen Sie
diese Traumkarriere der letzten Jahre nun aus
der Retrospektive?
Einfach wunderbar, ich habe viel Glück gehabt. Der
Film mit Michael Haneke war einfach ein Glücksfall. Dass ich dabei sein durfte, war ein Glücksfall.
Ich habe es sehr genossen, diese Chance nutzen zu
können. Ich sehe das aber mittlerweile auch ganz
gelassen, weil ich weiß, wie das Gewerbe ist und
dass es Schwankungen unterliegt. Das, was ich erlebt habe, kann mir aber keiner mehr nehmen, und
da sind wunderbare Geschichten dabei gewesen.
INTERVIEW: FRANK BRENNER
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film-kritik
Auch mal ganz ohne Quatsch: Helge Schneider gibt Einblicke
Nathalie (Chantal Lauby) stellt sich den Macken ihres pensionierten Gatten (Michel Blanc)
Guten Tach. Auf Wiedersehen.
Rentenkrise
„Mülheim – Texas. Helge Schneider hier und dort“ von Andrea Roggon
„Zu Ende ist alles erst am Schluss“ von Jean-Paul Rouve
Wer ist eigentlich Helge Schneider? Und wenn ja, wieviele?
C Eine dokumentarische Annäherung
Ein junger, angehender Autor gerät in familiäre Turbulenzen.
C Charmante Tragikomödie
Klar gibt es inzwischen an allen Ecken und Enden des Internets biografische
Informationen über Helge Schneider, auch wenn dieser mindestens so gerne
wie Stefan Raab auf seine Privatsphäre achtet. 1992 hat er sogar schon mal
eine Autobiografie – zumindest den 1. Teil davon – mit dem schönen Titel
„Guten Tach. Auf Wiedersehen.“ veröffentlicht. Viel spannender ist aber doch,
was der Mann über Kunst im Allgemeinen und seine Kunst im Speziellen zu
sagen hätte. Das hat sich auch die Regisseurin Andrea Roggen gedacht und
hat ihn an alle möglichen Orte begleitet, erzählen lassen, auch mal mit Fragen
konfrontiert oder einfach nur herumalbern lassen. Herausgekommen ist dabei
eine Dokumentation, die in seinem wirren Mix aus Alltag, Arbeit und surrealem Traum auch ein Programm von Schneider sein könnte.. CHRISTIAN MEYER
Der Großvater ist gestorben und die Oma soll ins Altersheim, Papa verfällt
irrationalen Launen, als er in die Rente entlassen wird und krampfhaft versucht, seinem Alltag einen neuen Sinn zu geben. Mama verlangt schließlich
sogar nach der Scheidung. Dabei möchte der junge Literaturstudent Romain
doch nur an seinem Debüt-Roman arbeiten. Doch die vielen Familienangelegenheiten halten ihn ziemlich in Atem. In seinem Regiedebüt erzählt
Jean-Paul Rouve in unbeschwerter und ganz charmanter Manier von den
großen und kleinen Turbulenzen des Familieneinerleis, sowie der individuellen Sinnsuche im Leben.
MÜLHEIM – TEXAS: HELGE SCHNEIDER HIER UND DORT
D 2015 - Porträt / Biographie - 89 Min - Regie: Andrea Roggon
mit: Helge Schneider
Start: 23.4.
Claire (Anaïs Demoustier) eröffnen sich neue Welten
Anders als die Anderen
„Eine neue Freundin“ von François Ozon
Claire und David stecken tief im Gender-Trouble.
C Warmherziges Melodrama
Als Laura stirbt, Claires beste Freundin seit Kindertagen, hinterlässt sie ihren
Mann David (Romain Duris) und ein Baby. Weil Claire (Anaïs Demoustier) versprochen hat, sich um die beiden zu kümmern, besucht sie schon bald David
und findet ihn in Frauenkleidern vor. Anfangs schockiert, dann fasziniert von
Davids Neigung, entfaltet sich eine intime Freundschaft zwischen den beiden.
Das Geheimnis behalten sie für sich, doch die Beziehung bleibt nicht unproblematisch. François Ozon macht ziemlich gleichmäßig im Wechsel ernste
Dramen und überzeichnete Melodramen. Dies hier ist Letzteres, ohne dass der
Film seine Figuren dadurch diskreditieren würde. Ein warmherziger Film, der
allen Abweichungen zum Gender-Mainstream seinen Respekt erweist.
Romain Esnard ist ein junger Literaturstudent und neuer Nachtportier in
einem Hotel, wo er sich möglicherweise sogar der Arbeit an einem Roman
widmen kann. Doch daran ist bald gar nicht mehr zu denken, denn nachdem sein Großvater kürzlich verstorben und sein Papa Michel in Rente
gegangen ist, geht alles drunter und drüber. Während seine Mutter von dem
wachsenden Irrsinn des unterbeschäftigten Vaters in die Verzweiflung getrieben wird, kämpft auch Großmutter Madeleine gegen die Tücken ihrer
neuen Verlassenheit. Als sie Zuhause von einer Treppe stürzt, verfrachten
sie ihre Söhne kurzerhand ins Seniorenheim. Doch zwischen all den Dementen und Pflegefällen findet es die geistig wache Oma Madeleine einfach nur
scheußlich. Trotz Romains regelmäßigen Besuchen und gut gemeinten Aufmunterungsversuchen nimmt sie eines schönen Tages Reißaus und verschwindet spurlos. Der anschließende Aufruhr ist groß. Papa Michel ist ganz
außer sich vor Sorge! Hinzu kommt, dass seine Frau plötzlich von einem
„Neuen“ redet und jäh die Scheidung verlangt. Als Romain dann eine an ihn
adressierte Postkarte von seiner Großmutter im Briefkasten vorfindet, folgt
er dem kleinen Hinweis, den sie enthält und reist schnurstracks in die Normandie, um nach ihr zu suchen.
Zugegeben, „Zuende ist alles erst am Schluss“ erfindet das Rad der Familienkomödie nicht neu, ist in seiner Umsetzung zwischen Melancholie und
lebensbejahender Heiterkeit aber allemal sehr liebenswert. Das Drehbuch,
welches Jean-Paul Rouve gemeinsam mit Romanautor David Foenkinos
leinwandgerecht adaptierte, ist zudem pfiffiger konstruiert, als man im
ersten Augenblick meinen könnte. Wie Haupt- und Nebenfiguren ineinander greifen und zwischen den ernsteren und komödiantischen Aspekten
variiert wird, ist von großer erzählerischer Raffinesse. Dass die Suche nach
sich selbst und der persönlichen Substanz im Leben nicht oberflächlich geraten ist, liegt an der Art der Inszenierung, als auch an dem sympathischen
und spielfreudigen Schauspielensemble, das Rouve für seinen Film um sich
versammeln konnte.
Zum Ende schließt sich der Kreis, der mit einer Beerdigung begann, symbolisch für den Zyklus des Lebens. Ein leichthumoriger, nachdenklicher kleiner
Film zum mit- und wohlfühlen.
NATHANAEL BROHAMMER
CHRISTIAN MEYER
EINE NEUE FREUNDIN
F 2014 - Drama - 107 Min - ab 12 J. - Regie: François Ozon
mit: Romain Duris, Anaïs Demoustier, Raphaël Personnaz
Mein Film, mein Kino, meine Meinung
ZU ENDE IST ALLES ERST AM SCHLUSS
Start: 26.3.
F 2014 - Komödie / Drama - 94 Min - o. Altersb. - Regie: Jean-Paul Rouve
mit: Michel Blanc, Annie Cordy, Mathieu Spinosi
Start: 26.3.
16
-kultur.de Forum
hintergrund
Sabine De Barra bringt den Hofstaat zum Erblühen
Salle de Bal
„Die Gärtnerin von Versailles“ von Alan Rickman
Eine Landschaftsgärtnerin darf den Garten des Sonnenkönigs mitgestalten.
C Historisches Drama
Sonnenkönig Ludwig XIV. (Alan Rickman) wünscht eine Gartenanlage für seine
Hauptresidenz, das einstige Jagdschloss Versailles, das er zum Palast ausbauen ließ. Sein Gartenarchitekt André Le Nôtre (Matthias Schoenaerts, „Der
Geschmack von Rost und Knochen“) sucht versierte Gestalter und stößt dabei
auf die selbstbewusste Witwe Sabine De Barra (Kate Winslet). Ordnung trifft
dabei auf Chaos: Während Anders als Le Nôtre gestalterisch auf Symmetrie
setzt, lebt die eigenwillige Landschaftsgärtnerin ihre kreative Arbeit bevorzugt
anarchisch aus. Trotzdem bekommt sie nach kurzem Zögern den Job und
gleich ein ganz besonderes Projekt zugewiesen: Den Salle de Bal, einen Ballsaal,
gebettet unter freiem Himmel, umgeben von Wasserspielen. Eine beträchtliche
Herausforderung, liegt das Grundstück doch im Sumpfland. Doch Sabine De
Barra entpuppt sich als klug, kreativ und willensstark und verschafft sich damit
selbst bei Zweiflern und Konkurrenten Respekt. Philippe von Frankreich
(Stanley Tucci, „Der Teufel trägt Prada“), Herzog von Orléans und Bruder des
Königs, wird einer ihrer Bewunderer. Vor allem aber gewinnt sie schleichend
die Zuneigung Le Nôtres, der allerdings verheiratet ist. Madame Le Nôtre
(Helen McCrory) indes ist zwar auch kein Kind von Traurigkeit, zeigt sich aber
alles andere als amüsiert über die Liaison ihres Gatten und holt zum Gegenschlag aus.
Der britische Künstler Alan Rickman ist weniger für seine erste Regiearbeit,
„The Winters Guest“ von 1997, bekannt, als durch seine Auftritte vor der
Kamera. Rickman war John McClaines erster Gegner in „Stirb langsam“, spielte den Sheriff von Nottingham in „Robin Hood – König der Diebe“ und in der
„Harry-Potter-Reihe den zwielichtigen Lehrmeister Severus Snape. Und doch
ist er mehr als nur ein großer Schurke. So spielte Rickman neben Kate Winslet
in „Sinn und Sinnlichkeit“. Winslet („Titanic“, „Der Vorleser“) wiederum übernimmt nun die weibliche Hauptrolle in Rickmans zweiter Regiearbeit. Eine
moderne, selbstbewusste Frau im Frankreich des 17. Jahrhunderts. Vielschichtig erzählt das historische Drama von zwei leidenschaftlichen Künstlern, die sich trotz kreativer Differenzen über das gemeinsame Projekt und
den gegenseitigen Respekt vor der Arbeit des anderen einander annähern. Der
Garten von Versailles war schon mannigfach prächtige Kulisse für Dramen
und Abenteuer rund um den Hofstaat des Sonnenkönigs. Rickman nun liefert
zwar auch einen Kostümfilm, vor allem aber rückt hier die Kulisse in den
Fokus des Geschehens und übernimmt damit eine der Hauptrollen. Nebenher
widmet sich Rickman dabei ganz klassisch den Eskapaden, Intrigen und
Affären zu Hofe.
Der Regisseur erzählt eine opulent ausgestattete, romantische Liebesgeschichte. Ein tragisches und komisches Historiendrama. Und nicht zuletzt
eine moderne Geschichte über eine starke Frau, die sich im maskulin dominierten Umfeld am Hofe des Sonnenkönigs durchzusetzen versteht. Und die
dem König auf Augenhöhe begegnet. Wenn auch eher zufällig, als sie ihm auf
dem Anwesen begegnet und irrtümlich für einen Gärtner hält. Doch so etwas
erdet ja den Größenwahn mitunter ungemein. Zumindest vorübergehend.
HARTMUT ERNST
DIE GÄRTNERIN VON VERSAILLES konnte vor Redaktionsschluss nicht gesehen werden
GB 2014 - Drama - 116 Min - Regie: Alan Rickman
mit: Kate Winslet, Matthias Schoenaerts, Alan Rickman
Start: 30.4.
Am Rande – DIE GÄRTNERIN VON VERSAILLES
Der Gärtner von Versailles hatte alle Hände voll zu tun: Die Außenanlagen des Schlosses erstrecken sich über 60 Hektar – das entspricht 1.100
Fußballfeldern oder 150 Volksgärten. Neben circa 200.000 Bäumen und
weit über 1.000 Fontänen gibt es den „grand canal“, der sich über mehr
als 5 Kilometer erstreckt. Bei diesen Ausmaßen verwundert es nicht, dass
die Bewässerung der Anlage stets eine große Herausforderung darstellte.
Da die Brunnen nicht alle gleichzeitig betrieben werden konnten, wurden immer nur jene Fontänen angeschaltet, die der König gerade sehen
konnte. Und um dem enormen Wasserbedarf Herr zu werden, ließ Ludwig
XIV. schließlich die Maschine von Marly bauen: Diese zapfte Wasser aus
Mit
-kultur.de beginnt die Filmwoche
17
der Seine ab und pumpte es 100 Meter hinauf, um es in die Gärten von
Versailles umzuleiten. Doch auch damit ließ sich der Wasserbedarf, der
größer war als der von Paris, nicht komplett decken. Es gab Pläne, weitere
Flüsse nach Versailles umzuleiten, aber diese wurden vom Ausbruch des
Pfälzischen Erbfolgekrieges zunichte gemacht. Letztendlich machten Bewässerungsanlagen schätzungsweise ein Drittel der Baukosten von Versailles aus. Womöglich hätte der Sonnenkönig besser einmal nach Japan
geschaut, wo seit Jahrhunderten Steingärten gebaut werden, in denen
auf Wasser ganz verzichtet wird, während Steine und Moose die Formen
des Wassers nachahmen.
JON WITTE
-kultur.de
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i Lesezeichen
film-kritik
Best Exotic Marigold Hotel 2
Home – Ein smektakulärer Trip
IUSA/GB 2014 - Komödie / Drama - 123 Min - Regie: John Madden
Start: 2.4.
Judi Dench, Maggie Smith, Bill Nighy & Co. erleben auch in der Fortsetzung turbulente Liebschaften, Altersmarotten und Missverständnisse vor indischer Urlaubskulisse. Die Komödie wartet mit Darstellern von Weltrang und geschliffenen Dialogen auf, sowie mit der sympathischen Einsicht, dass auch Menschen
im hohen Alter noch pubertär und unbeholfen durchs Leben gehen.
CS
USA 2015 - Trickfilm / Komödie - Regie: Tim Johnson
Start: 26.3.
Der Außerirdische Oh kommt auf seinem Heimatplaneten nicht sonderlich gut
klar und landet auf der Flucht auf der Erde. Dort trifft er auf das Mädchen Tip,
mit dem er sich auf eine Reise um den ganzen Globus begibt. Das Animationsabenteuer ist „die erste postapokalyptische animierte Road-Movie-BuddyKomödie samt Invasion von Außerirdischen“, sagt Regisseur Tim Johnson. Oh!
HE
Warte, bis es dunkel wird
Verfehlung
D 2014 - Drama - 95 Min - ab 12 J. - Regie: Gerd Schneider
Start: 26.3.
Einem Priester wird sexueller Missbrauch vorgeworfen. Sein langjähriger
Freund und Kollege stürzt in tiefe Zweifel. Das klerikale Umfeld setzt alles
daran, den Fall zu vertuschen und die Fallhöhe zu relativieren. Die hier dargestellte peinliche Haltung der Kirche und deren eigennützige, geradezu absurde Auslegung christlicher Werte ist erschütternd, weil so wahr.
HE
GOUDEN KALF 2014
Publikumspreis
REMBRANDT AWARD 2014
Bester holländischer Film
USA 2014 - Thriller / Horror - 86 Min - ab 16 J. - Regie: A. Gomez-Rejon
Start: 9.4
Der Slasher-Streifen „The Town that Dreaded Sundown” von 1976 folgte der
blutigen Spur eines maskierten Killers in einer texanischen Grenzgemeinde.
Dieser Film spinnt die Geschichte gewitzt fort. Regisseur Alfonso Gomez-Rejon
findet den eleganten Zugang, indem er dem Vorbild huldigt, eigene filmische
Akzente setzt und Gore-Freunde befriedigt. Und das ohne FSK-Einwände. HE
Cake
USA 2014 - Drama / Komödie - 102 Min - Regie: Daniel Barnz
Start: 9.4.
Claire (Jennifer Aniston, „Wir sind die Millers“) ist am Ende. Ihre emotionalen
Probleme hinterlassen auch physische Spuren, Alkohol- und Medikamentenmissbrauch gepaart mit cholerischen Ausfällen haben den Gatten und
Freunde gleichermaßen vergrault. Der Selbstmord einer Frau aus der Selbsthilfegruppe gibt Claire neue Impulse. Krankheitsdrama von Daniel Barnz. HE
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AB 9. APRIL 2015 IM KINO!
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Avengers: Age of Ultron
USA 2015 - Action / Science Fiction - 150 Min - Regie: Joss Whedon
Start: 23.4
Es geht mittlerweile wild zu im Kino-Comic-Universum. War früher noch alles
übersichtlich, kämpft heute jeder gegen jeden oder, wie hier, mit jedem. Das hat
bereits im ersten Teil der „Avengers“ ganz gut funktioniert. Hier bekommt die
gebündelte Power noch Unterstützung durch Scarlet Witch und Quicksilver –
und Baron Wolfgang von Strucker (Thomas Kretschmann) als neuen Gegner. HE
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hintergrund
Aus einer Stunde Ruhe wird bloß die Ruhe vor dem Sturm
Heimisches Chaos
„Nur eine Stunde Ruhe!“ von Patrice Leconte
Michel will einfach nur eine Schallplatte hören – aber er kommt nicht zur Ruhe.
C Turbulente Situationskomödie
Der französische Regisseur Patrice Leconte begann seine Karriere in den 70er
Jahren als Gagschreiber und Zeichner, bevor er mit Christian Clavier in der
Hauptrolle einige überaus erfolgreiche Mainstreamkomödien („Die Strandflitzer“, „Sonne, Sex und Schneegestöber“) inszenierte. Seinen größten internationalen Ruhm erlangte er nach einem Imagewechsel in den späten 80er
Jahren mit der Georges-Simenon-Verfilmung „Die Verlobung des Monsieur
Hire“, bevor er seit einigen Jahren wieder im Komödiengenre aktiv ist („Mein
bester Freund“). Seinen frühen Freund Clavier hat er dabei nie so richtig aus
den Augen verloren, mit ihm zusammen 2006 beispielsweise die „Strandflitzer“-Fortsetzung „Les bronzés 3: Amis pour la vie“ inszeniert. Da scheint es
ein nahe liegender Schritt gewesen zu sein, Christian Clavier nun auch in der
einnehmenden Hauptrolle in Lecontes neuestem Film „Nur eine Stunde
Ruhe!“ zu besetzen. Im zugrunde liegenden Bühnenstück von Florian Zeller
hatte die Rolle zwar noch erfolgreich Fabrice Luchini gespielt, der nun aber
für die Filmversion nicht schon wieder diesen Unsympathen spielen wollte.
Für Clavier indes war das eine weitere Paraderolle seines breiten Repertoires,
hatte er doch erst kürzlich in „Monsieur Claude und seine Töchter“ mit
immensem Erfolg einen ganz ähnlichen, von Vorurteilen und Egoismus geprägten Mann dargestellt.
In „Nur eine Stunde Ruhe!“ findet Michel Leproux (Christian Clavier) auf dem
Trödelmarkt eine alte Schallplatte, die er schon sein ganzes Leben lang
gesucht hatte. Voller Vorfreude, sie endlich hören zu können, eilt er nach
Hause. Doch der Zufall will es, dass seine Wohnung an diesem Tag im Chaos
versinkt. Seine Geliebte (Valérie Bonneton) bittet zur Aussprache, auch seine
Frau (Carole Bouquet) hat Michel etwas zu beichten, der umtriebige Nachbar (Stéphane De Groodt) organisiert eine Hausparty, und im Zimmer des
mittlerweile erwachsenen Sohnes sind Schwarzarbeiter damit beschäftigt,
Wände einzureißen – und ganz nebenbei für einen Wasserrohrbruch zu sorgen. An die benötigte Stille, um sich mit Hingabe dem Neuerwerb zu widmen, ist da gar nicht zu denken. Den Bühnenursprung merkt man Lecontes
Film zwar nach wie vor an, was sich allerdings nicht nachteilig bemerkbar
macht. Seine rasante Inszenierung und das punktgenaue Spiel seines gut
besetzten Hauptdarstellers sowie einige formidabel gecastete Nebenrollen
(u.a. Rossy de Palma aus den Pedro-Almodóvar-Filmen als spanische
Haushaltshilfe, Jean-Pierre Marielle in einem Gastauftritt gegen Ende) lassen den turbulenten Ulk wie im Flug vorübergehen. Die Geschichte selbst ist
nicht sonderlich tiefsinnig, sondern speist sich in erster Linie aus einigen
slapstickhaften Verwicklungen und den Unwägbarkeiten von Murphys Gesetz, aber das exzellente Komödientiming auf allen Ebenen und ein liebenswert-versöhnlicher Schluss können für diese nette Komödie einnehmen.
FRANK BRENNER
NUR EINE STUNDE RUHE!
F 2014 - Komödie - 79 Min - Regie: Patrice Leconte
mit: Christian Clavier, Carole Bouquet, Valérie Bonneton
Start: 16.4.
Am Rande – NUR EINE STUNDE RUHE!
Die französische Komödie ist heute ohne den Schauspieler und Drehbuchautoren Christian Clavier (62) schwer vorzustellen. Er ist der bekannteste Protagonist der Theatergruppe des Splendid, einem Pariser
Theater-Café, das er 1974 zusammen mit Autoren und Schauspielern
gründete, die zum Teil seine Schulfreunde gewesen waren. Die Filmkarriere verdankt er besonders den gemeinsam umgesetzten Filmen, die zunächst auf den eigenen Bühnenstücken basierten, darunter vor allem die
Cluburlaub-Parodie „Die Strandflitzer“ (1978), deren Erfolg direkt eine
Fortsetzung verlangte, und der Kultfilm „Da graust sich ja der Weihnachtsmann“ (1982). Leider schafften es manche der Filme nicht nach
Deutschland. Anders sah es 1993 mit dem Hit „Die Besucher“ aus, eine
Mit
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von Clavier mitverfasste Zeitreise-Komödie, in der er an der Seite von
Jean Reno spielte. Duo-Qualitäten konnte er auch mit Gérard Depardieu entfalten, sowohl in der teuren Actionkomödie „Die Schutzengel“
(1995) wie auch als Asterix in den ersten beiden Asterix-und-ObelixVerfilmungen. „Monsieur Claude und seine Töchter“ wurde nach einem
dritten „Strandflitzer“-Film letztes Jahr einer seiner größten Hits, der
auch in Deutschland 3,8 Millionen Zuschauer ins Kino lockte. Der Erfolg
bei allen Altersgruppen führte dazu, dass er mittlerweile nach London
flüchtete, um halbwegs normal leben zu können.
JAN SCHLIECKER
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EIN FILM VON ANDRE A ROGGON
Der gescheiterte Held
HELGE SCHNEIDER
HIER UND DORT
Seht ihr denn nicht, was passiert?
„Elser – Er hätte die Welt verändert“ von Oliver Hirschbiegel
Oliver Hirschbiegel („Der Untergang“) erzählt von einem Überzeugungstäter.
C Drama über den gescheiterten Hitlerattentäter
„Man muss was anderes machen, bald und radikal.“ Eigentlich war Georg
Elser, der lebenslustige Schreiner aus der Schwäbischen Alb, nicht politisch.
Irgendwann aber erkennt er, dass Hitler schlecht ist für Deutschland und
plant allein und autark ein Attentat auf den Diktator. Durch Zufall entgeht
Hitler der Explosion, Elser wird gefasst und verhört. Man glaubt ihm nicht den
Alleingang und will die Namen der Hintermänner, zur Not unter Folter. Oliver
Hirschbiegel spiegelt Elsers Martyrium nach der Festnahme und vollzieht die
Veränderung Elsers vom unbedarften Frauenschwarm zum Überzeugungstäter nach. Das Ergebnis ist ein packendes Drama. Das Portrait eines einsamen
Helden und seiner Zeit, in dem Christian Friedel („Das weiße Band“) in der
Titelrolle besticht.
HARTMUT ERNST
ELSER Bayerischer Filmp. 2015: Produzentenpreis, B. Ausserer, O. Schündler
D 2015 - Drama / Biographie - 114 Min - ab 12 J. - Regie: Oliver Hirschbiegel
mit: Christian Friedel, Katharina Schüttler, Burghart Klaußner
Start: 9.4.
Maeve (Bojana Novakovic) hat ganz besondere Wünsche an Paul (Josh Lawson)
Sex, Lügen und Libido
„Der kleine Tod. Eine Komödie über Sex.“ von Josh Lawson
Eine Handvoll Paare suchen und finden neue sexuelle Spielarten.
C Freche, reife Gesellschaftssatire
Somnophilie, Dacryphilie, Telefon-Skatologie. Kennen Sie nicht? Nun, nach
diesem Film schon. Denn diese und andere erotische Spielarten werden in diesem sinnlich-amüsanten Episodenreigen mehr oder weniger erfolgreich ausgelebt. Ganz selbstverständlich und unaufgeregt, aber mit einem mitunter
auch mal derben Augenzwinkern, nähert sich der Australier Josh Lawson ausgefalleneren Varianten des sexuellen Miteinanders. Mal artig, mal abartig,
aber immer menschlich. Vor allem aber völlig unverkrampft, sprich ohne
pubertären Kicherwitz oder vermeintlichem Sadomasoskandal, über den sich
Hollywood bevorzugt der Materie nähert. In der australischen Variante bleibt
einem auch mal das Lachen im Halse stecken, aber am Ende der letzten
Episode ist man tief gerührt, versprochen.
HARTMUT ERNST
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Mit
-kultur.de beginnt die Filmwoche
DER KLEINE TOD. EINE KOMÖDIE ÜBER SEX. Thessaloniki: Publikumspreis, J. Lawson
AU 2014 - Komödie - 96 Min - ab 12 J. - Regie: Josh Lawson
mit: Bojana Novakovic, Josh Lawson, Alan Dukes
Start: 9.4.
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hintergrund
Aus dem Kabinett der schrägen Persönlichkeiten: Blixa Bargeld (Alexander Scheer)
Lektion in Anarchie
„Tod den Hippies!! Es lebe der Punk!“ von Oskar Roehler
Stimmungsbild des Westberliner Nachtlebens in den 80er Jahren.
C Skurrile Komödie
Robert (Tom Schilling) hat genug vom Hippie-Kult auf seiner Schule und
haut ab nach Westberlin. Sein alter Kumpel Schwarz (Wilson Gonzalez
Ochsenknecht) besitzt dort eine Peep-Show, bei der Robert als Putzkraft
anheuert. Ab jetzt heißt es Wichskabinen sauber machen und den Mädchen
„Schweinsbraten“ servieren. Dabei verliebt er sich in Sanja (Emilia Schüle),
eine amerikanische Nachtclubtänzerin. Zwischen der legendären Bar
„Risiko“ und ihren Anarcho-Behausungen lassen sich die beiden gestrandeten Seelen durch die Berliner Nacht treiben.
Verfallene Bauten, billiger Schnaps und jede Menge Platz zum Sein – WestBerlin Anfang der 80er klingt nach Anarchie pur, und so erweckt dieser Film
doch eine gewisse Wehmut, nicht dabei gewesen zu sein. Kein Plan, keine
Zukunft, das Leben nehmen, wie es kommt. Ist es nicht das, wonach sich der
Öko-Spießer von heute insgeheim sehnt? Oskar Roehler bedient diese
Sehnsucht mit einer gehörigen Portion Ironie und Skurrilitäten an jeder Ecke
und bezieht sich dabei auf seinen autobiografisch geprägten Roman „Mein
Leben als Affenarsch“.
Ob Hannelore Hoger als Ex-Frau vom RAF-Kassenwart über einen geplanten
Mord fabuliert oder Frederick Lau als schwuler Nazi im Fetischmilieu seine
Erfüllung findet: Oskar Roehlers Kabinett der schrägen Persönlichkeiten kann
sich sehen lassen. Wobei einige Figuren eher Karikaturen ähneln als vielfältigen Charakteren und man sich bei mancher Szene fragt, ob leichtes Overacting
und Text-wie-abgelesen- sprechen als Stilmittel verstanden werden. Ist aber
wurscht, denn die wahren Gefühle zeigt Tom Schilling in der Rolle als Robert.
Es verletzt ihn, dass seine Mutter im Fernsehen davon redet, ihn besser hätte
abtreiben lassen sollen, und sein Vater nur „die Gudrun” von der RAF zu lieben scheint.
Auch mit Selbstreferenzen wird nicht gespart, so denkt man bei Hannelore
Hoger zunächst unfreiwillig an Bella Block mit Fetischhut und bei genauerem
Hinsehen an Röhlers Film „Die Unberührbare“ aus dem Jahr 2000 mit Hannelore
Elsner. Auch thematisch passt die Verbindung: Während Oskar Roehler in „Die
Unberührbare“ die Zeit nach dem Mauerfall verarbeitet, beschäftigt er sich in
„Tod den Hippies!! Es lebe der Punk!“ mit der Zeit davor.
Die größte Huldigung erhält jedoch die legendäre Bar „Risiko“ in Berlin-Kreuzberg. Dort tummelte sich vor 25 Jahren von Wim Wenders bis Nick Cave alles,
was Rang und Namen hatte, bzw. alles, was total dicht sein wollte.
Auch wenn der Film hier und da dramaturgisch etwas holperig ist, taugt er
doch als skurriles Stimmungsbild West-Berlins der 80er Jahre. Mal bunt, mal
schwarzweiß, mit vielen Popkultur-Zitaten und einer ordentlichen Dosis
schwarzem Humor kann man sich getrost mit ein paar Freunden und einem
sprudelnden Kaltgetränk auf den Weg nach Absurdistan machen.
NINA HEINRICHS
TOD DEN HIPPIES!! ES LEBE DER PUNK!
D 2015 - Drama - 104 Min - ab 16 J. - Regie: Oskar Roehler
mit: Tom Schilling, Wilson Gonzalez Ochsenknecht, Emilia Schüle
Start: 26.3.
Am Rande – TOD DEN HIPPIES!! ES LEBE DER PUNK!
Ob Emos, Skins, Skater, Rocker oder Raver – die Welt der Jugendsubkulturen ist ein reicher Fundus für Kuriositäten und fortgeschrittenes
Nerdtum, oder wird zumindest von Außenstehenden häufig so wahrgenommen. Ist man jedoch ein „Insider“ und versteht die diversen Codes
und Symbole, öffnen sich faszinierende und komplexe Parallelwelten.
Heutzutage scheint es, als habe sich jedes noch so spezifische Sub-subGenre einer Jugendkultur bequem in seiner Nische eingerichtet und alle
Spielarten existierten friedlich nebeneinander her. Das Internet hat hier
womöglich zu mehr gegenseitigem Verständnis, aber auch mehr Abschottung geführt. Das war in den späten 70ern noch anders, die Anzahl der
vorangegangen Nachkriegs-Jugendkulturen war noch beinahe an einer
Mit
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Hand abzuzählen und für eine emporkommende Szene gehörte es sich,
sich nicht nur vom Establishment, sondern insbesondere von den älteren
Bewegungen abzugrenzen, ein fast schon ritueller Generationenkonflikt.
Die friedliebenden Hippies, die in den 60ern noch als Protest gegen ihre
Elterngeneration auftraten, wurden ein paar Jahre später von der Jugend
als zunehmend angepasst und verlogen wahrgenommen, berühmt ist der
Sex Pistols-Slogan „Never Trust a Hippie“. Doch auch die Punks konnten
nicht die ewig rebellierende Jugend pachten, Altpunks gibt es heute genauso wie Althippies, einige von ihnen gehören sogar zum Establishment.
BENJAMIN SEIM
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film-kritik
Der Kaufhaus Cop 2
Die Coopers – Schlimmer geht immer
Halbe Brüder
USA 2014 - Komödie - Regie: Andy Fickman - mit:
Kevin James, R. Rodriguez, N. McDonough Start: 16.4.
USA 2014 - Komödie - 81 Min - Regie: Miguel Arteta
mit: Steve Carell, Jennifer Garner
Start: 9.4.
D 2015 - Komödie - 116 Min - Regie: Christian Alvart
mit: Sido, Fahri Yardim, Tedros Teclebrhan Start: 9.4.
Beleibt und ungeschickt, das funktioniert in Hollywood noch immer. Und deshalb darf Kevin James
noch einmal ran als trotteliger Sicherheitsbeamter
Paul Blart. Den verschlägt es diesmal nach Las
Vegas, „der am besten bewachte Ort der Welt“,
haha. Diebe haben es in großem Stil auf die Stadt
abgesehen, Blart funkt dazwischen. Mit Slapstick,
Sprüchen und Gewicht.
HE
Alles läuft Bestens bei den Coopers. Außer beim
Jüngsten, der gerade den schlimmsten Tag in seinem
Leben durchlebt. Und da der Rest darauf pfeift, verflucht Alexander den Clan, und siehe da, am nächsten Tag geht für alle alles schief. Familienkomödie
über den Wert von Zusammenhalt. Und über
schlechte Tage, die nun mal mit dazu gehören. HE
Ein deutscher Familienvater, ein verweichlichter Türke und ein rappender Afrikaner verlieren ihre Mutter
und erfahren beim Notar, dass sie Halbbrüder sind.
Nun winkt allen dreien eine Erbschaft, doch Mutters
Wille erlegt ihnen Zusammenhalt auf, und das ist
nicht die letzte Herausforderung auf ihrem Roadtrip
gen Norddeutschland. Komödie.
HE
Fast & Furious 7
Run All Night
Mara und der Feuerbringer
USA 2015 - Action - 140 Min - Regie: James Wan - mit:
Dwayne Johnson, M. Rodriguez, Paul Walker Start: 1.4.
USA 2015 - Action - Regie: Jaume Collet-Serra
mit: Liam Neeson, J. Kinnaman, Ed Harris Start: 16.4.
D 2015 - Fantasy - 94 Min - Regie: Tommy Krappweis
mit: L. Prent, Jan J. Liefers, Esther Schweins Start: 2.4.
Paul Walker hat abgedankt, nun sitzen Jason
Statham erneut und Kurt Russell erstmals mit
hinterm Steuer. Ian (Statham), Owens Bruder, begibt
sich auf Rachefeldzug, da mischen natürlich auch
Dom Toretto (Vin Diesel) und seine Copiloten mit.
Freie Fahrt für freie Amerikaner – „Saw“-Regisseur
James Wan arrangiert diesmal Tempo, Crashs und
Testosteron für die geneigte Zielgruppe.
HE
Nach seinem kleinen, doch durchaus gelungenen
Actionthriller „Non-Stop“ setzt Regisseur Jaume
Collet-Serra erneut auf Liam Neeson. Der verkörpert
den ehemaligen und mittlerweile recht abgebrannten Killer Jimmy. Der muss sich seiner Vergangenheit stellen, als ein Detektiv und einstmals Verbündete Jagd auf ihn machen und das Leben von
Jimmys Sohn gefährden. Actionthriller.
HE
Dieser deutschen Fantasy-Produktion, dem der erste
Teil einer Romantrilogie zugrunde liegt, bedient sich
der nordisch-germanischen Götterwelt und begleitet die vierzehnjährige Mara auf einer abenteuerlichen Reise. Die Außenseiterin erfährt, dass sie eine
Seherin ist und den Weltuntergang verhindern kann.
Mit Jan Josef Liefers, Christoph Maria Herbst und
einem Lindwurm.
HE
Gespensterjäger
The Pyramid – Grab des Grauens
Winnetous Sohn
D/A/IR 2015 - Fantasy - 90 Min - Regie: Tobi Baumann
mit: Anke Engelke, Chr. Tramitz, Milo Parker Start: 2.4
USA 2014 - Horror - 89 Min - Regie: Grégory Levasseur
mit: Ashley Hinshaw, Denis O'Hare
Start: 16.4.
D 2015 - Kinderfilm - 91 Min - Regie: André Erkau
mit: Lorenzo Germeno, Tristan Göbel
Start: 9.4.
Schleimmonster, Dämonen und Gespensterjäger: In
dieser deutschen Produktion darf nun erst einmal
Anke Engelke als Gespensterjägerin Hedwig Kümmelsaft bösen Geistern den Garaus machen. Freches
Abenteuer von Tobi Baumann.
HE
Wehe, man stört den Schlaf der Toten! Eine Handvoll US-Archäologen kann es mal wieder nicht lassen. Die Forscher purzeln in Ägypten in eine alte,
ungewöhnliche, weil dreiseitige Pyramide und verlaufen sich. Schon bald stellen sie fest, dass in dem
gruftigen Labyrinth Arges lauert. Mumien-Spuk von
Alexander Ajas Kollege Grégory Levasseur.
HE
Nach „Son of Rambow“ tritt nun der kleine Max in
die Fußstapfen eines großen Kriegervorbilds. Als die
Karl-May-Festspiele die Rolle von Winnetous Sohn
ausschreiben, tut Max alles dafür, sie zu bekommen. Familienabenteuer.
HE
engels verlost 2 Pakete mit Hörbuch und T-Shirt. E-Mail bis 5.4.
an [email protected], Kennwort: Gespensterjäger
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engels verlost 1 Paket mit u. a. 2 Karten. E-Mail bis 12.4. an
[email protected], Kennwort: Winnetous Sohn
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textwelten
wortwahl
Kill Your Ideals!
In diesen Büchern lauert das Bodenlose
Österreicherin Doris Knecht („Wald“), Foto: Pamela Rußmann
Nicht originell, aber substanziell
Deutsche Gegenwartsliteratur ist besser als ihr Ruf
Autoren scheint in Deutschland so etwas wie die notorische Rolle des Prügelknaben vorbehalten zu sein. Mit schöner Regelmäßigkeit beklagen sich die jeweiligen Kritikergenerationen in ihren Feuilletons über die fehlende Qualität der
literarischen Zunft. Es gäbe zu viele Autoren, mäkeln die einen, man solle sie mit
Stipendien durch die Welt schicken, meinen die anderen, und Florian Kessler,
inzwischen Lektor beim Hanser Verlag, beklagt sich über fehlende Originalität
der literarischen Erzeugnisse.
Ulla Lenze gehört etwa zu jenen Autorinnen, die man in die Fremde geschickt
hat. Die Stadt Köln finanzierte ihr einen Aufenthalt in Istanbul. Eine ausgesprochen lohnende Investition, wie sich jetzt zeigt. Denn die 42-Jährige legt in diesem Frühjahr unter dem Titel „Die endlose Stadt“ einen Roman vor, der eines der
interessantesten Porträts der Stadt Istanbul liefert, das je in deutscher Sprache
geschrieben wurden. Die Geschichte spielt in Berlin, am Bosporus und im indischen Mumbai und erzählt von Holle, einer Künstlerin, die sich bei einem Aufenthalt in Istanbul in einen Imbissbesitzer verliebt. Aber Holle steht zwischen
zwei Männern, denn da ist noch Christoph Wanka, ein reicher Geschäftsmann,
der kräftig in Kunst investiert. Mit großer Reife, die sich in plastischen Charakteren und realistischen Bildern zeigt, erzählt Ulla Lenze vom Konflikt zwischen
Kunst und Geld. Ein Roman, der konsequent aus der weiblichen Perspektive geschrieben ist. Nehmen und Geben, was heißt das für die eigene Integrität, wie
hängen Käuflichkeit, Begehren und Unabhängigkeit zusammen? Fragen, denen
sie subtil nachgeht, während sie zugleich eine packende Geschichte entwickelt.
Auch Doris Knecht stellt diesen Konflikt ins Zentrum ihres Romans „Wald“. Ihre
Heldin Marian hat alles verloren, Geld, Firma und Ansehen, nun geht es um das
nackte Überleben in einem kleinen Haus in den Alpen, dem letzten möglichen
Rückzugsort. Doris Knecht macht ernst, denn wir erleben, wie die Frau aus der
Großstadt fischen lernt, wie sie Gemüse stiehlt und in Abhängigkeit zum Großbauern Franz gerät. Von ihm erhält sie sporadische Unterstützung und liefert
erotische Dienstleistungen. Ist das eine Beziehung, selbstbestimmte Ausbeutung, ein Taktieren, oder sind doch Gefühle im Spiel? Doris Knecht bewegt sich
hautnah an der körperlichen Realität und erzeugt damit ein soghaftes Leseerlebnis. Ein Text voller Melancholie, Humor und Sinnlichkeit ist Doris Knecht
gelungen, der unsere gesellschaftliche Realität aus der weiblichen Perspektive
durchleuchtet und ein klug vorbereitetes Finale bietet.
Nicht originell, dafür aber substanziell in seiner Sprache und der Dichte seiner
Reflexion erweist sich das „Zeitreisetagebuch“ von Anne Weber, das sie jetzt
unter dem Titel „Ahnen“ publiziert. Der Titel bezieht sich auf die Erforschung
der Lebensgeschichte ihres Urgroßvaters Florens Christian Rang (1864-1924),
einem evangelischen Pfarrer, der mit Hugo von Hofmannsthal und Walter Benjamin korrespondierte. Zugleich beschreibt er aber auch den Prozess, mit dem
wir uns tastend in die Welt der Vorfahren hinein zu imaginieren versuchen. Ein
großartiger Text, der mit poetischer Genauigkeit eine Vorstellung von der Nähe
und Fremdheit gibt, die sich zwischen uns und unseren Vorfahren auftut. Was
heißt es heute, deutsch zu sein, Anne Weber gibt Antworten, die auch in der
nächsten Generation noch Gültigkeit besitzen.
THOMAS LINDEN
Ulla Lenze: „Die endlose Stadt“ | Frankfurter Verlagsanstalt | 256 S. | 19,90 €
Doris Knecht: „Wald“ | Rowohlt Berlin | 272 S. | 19,95 €
Anne Weber: „Ahnen“ | S. Fischer Verlag | 268 S. | 19,99 €
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Puh, Ute Mahlers Fotozyklus „Zusammenleben“ [HatjeCantz] zieht einem die
Schuhe aus. Es ist ein trauriger, schmerzhafter Sog, in den man beim Anblick
der privaten Momentaufnahmen aus zwei Jahrzehnten DDR fällt. Ob trotzigen
Blickes oder kindlich unbeleckt, ob ewig verliebt oder jugendlich rebellisch,
über sämtlichen Protagonisten liegt eine Unausweichlichkeit, die ins Herz
sticht. Wir sind. Nicht mehr. Irgendwann kommt der Punkt, an dem sich all
unsere hoffnungsvolle, eifrigst betriebene Sinn-Aufladung der Existenz in Luft
auflöst. / Nicht anders verhält es sich mit den Randgestalten auf Jens Eisels St.
Pauli. Sie flackern wie die „Hafenlichter“ [Piper], erträumen und erhoffen sich
des Nachts zweifelhafte Erfolge, um mit der Morgendämmerung zu erlöschen,
unterzugehen im grauen Hamburger Schmuddelwetter, vergessen auf dem kulturhistorischen Abstellgleis. Naive Sozialromantik?! Oder doch eine Infragestellung der grundsätzlichen Relevanz von Wünschen und Zielen …
Der gute alte Brenner macht sich da jedenfalls nichts mehr vor. Wolf Haas‘
Kultkommissar weiß und wittert: Ja, die Russinnen. Die sind schon ‘ne Verlockung, wie sie da so im Internet mit sich und ihren Vorzügen prunken. Aber Obacht. Lieber die Herta an der Hand, als die „Brennerova“ [Hoffmann & Campe]
auf dem Dach. Natürlich kann er doch nicht die Finger von der Tastatur lassen
und steht plötzlich mit abgehakten Händen da, wenn auch nicht seinen eigenen. Einfach genial krude, im Zeichen aberwitziger Gewalt, nicht zuletzt gegenüber der Sprache – und der menschlichen Intelligenz. / An der zweifelt man
auch in Arthur Larrues der anarchistischen Künstlergruppe „Wojna“ [Wagenbach] gewidmetem Debutroman. Ob das ausgemergelte Protestkollektiv, die in
UdSSR-Idealen klebengebliebene Rentnerin oder der trotzig das Gesetz selbst
gegen eigene Widerstände verteidigende Sergeant, sie alle lieben, kämpfen für
ihr Russland, gegeneinander, obwohl sich das, was sich Russland nennt, ‘nen
feuchten Kehrricht für sie interessiert. Ein bitterböser Fall von Realsatire, bei
dem einem gar nicht zu Lachen zumute ist.
Im Grunde verhält es sich da mit dem Leben wie mit bewusstseinserweiternden
Drogen: Die Bodenlosigkeit unserer Existenz wird schnell zum Horrortrip, wenn
man nicht ein paar standfeste Compañeros an seiner Seite hat. Da mag der
unbeleckte Teenie Jack in Joe R. Lansdales grandios morastigem Coming-ofAge-Western zwar zunächst zweifeln, aber bessere Gefährten als das Auftragsmördertrio, bestehend aus einem belesenen Liliputaner, einer schwarzen
Dampfwalze und einem unberechenbaren Keiler, gibt es kaum. Erst recht nicht,
um sich durch „Das Dickicht“ [Tropen] zu schlagen und seine Schwester aus
den Fängen einer abgefeimten Gangsterbande zu befreien. / Was die beruflichen Fähigkeiten angeht, wäre Leonard March auch keine schlechte Wahl
gewesen. Doch Dave Zeltsermans „Killer“ [pulp master] hat nach seiner Haftentlassung viel zu sehr mit sich und seiner Geschichte zu kämpfen. Die einen
verzeihen ihm nicht die 28 Auftragsmorde, die anderen nicht den Verrat seines
Mafiabosses – während er selbst versucht, ein respektables Leben zu beginnen.
Womit wir wieder bei der Crux wären: Was heißt denn schon respektabel? Und
warum haben wir das alle so freiwillig verinnerlicht? Kill your ideals!
LARS ALBAT
engels verlost je 3 Exemplare von:
„Brennerova“ von Wolf Haas (Hörbuch), Hoffmann & Campe,
„Hafenlichter“ von Jens Eisel, Koch, Neft & Oetinger,
„Zusammenleben“ von Ute Mahler, Hatje Cantz Verlag.
E-Mail (mit jeweiligem Kennwort) bis 19.4. an [email protected],
Kennwort (bitte je nur 1 angeben): Brennerova/Hafenlichter/Zusammenleben
festival
improvisierte musik in NRW
Moerser Stadtmusikant Colin Stetson
Horchen auf den Klang der Politik: Ensemble Garage, Foto: Manfred Daams
Musikalische Ausrufezeichen
Aura intakt
„AchtBrücken“, das Kölner Festival für Neue Musik, findet in diesem Jahr bereits zum fünften Mal statt. Längst hat es sich emanzipiert vom Ruf der MusikTriennale, aus der es hervorgegangen ist. Die war als eines der weltweit größten
Festivals, das Klassik, Jazz und Weltmusik zusammenbrachte, zwar deutlich
größer angelegt als AchtBrücken, fand dafür aber nicht jährlich, sondern nur
alle drei Jahre satt. Nach sechs Ausgaben zwischen 1994 und 2010 entschied
man sich, 2011 mit AchtBrücken einen neuen Weg zu gehen. Seitdem gibt es
jedes Jahr ein spannendes Programm, das sich um ein übergeordnetes Thema
gruppiert. Standen bei den ersten Ausgaben noch bedeutende Komponisten
und deren Einfluss thematisch im Mittelpunkt – 2011 Pierre Boulez und 2012
John Cage – wurde der Rahmen im dritten Jahr schon größer gezogen: 2013
widmete man sich dem Griechen Iannis Xenakis und im Anschluss an dessen
elektroakustische Experimente auch der elektronischen Musik im Allgemeinen.
Das wiederum ermöglichte es dem Festival, sich der populären Musik zu öffnen.
Im letzten Jahr stand dann György Ligeti im musikalischen Zentrum, zugleich
widmete man sich der Technisierung und der damit einhergehenden Rhythmisierung der Gesellschaft. „Im Puls“ war das Schlagwort. Wenn vom 30. April
bis zum 10. Mai die diesjährige Ausgabe von AchtBrücken im gesamten Kölner
Stadtgebiet raumgreifend auflebt, dann lautet die Kernfrage so schlicht wie
tagesaktuell naheliegend: „Musik. Politik?“. Eine Frage, die man bei Vokalmusik
wohl noch relativ einfach beantworten kann. Bei Instrumentalmusik wird das
schon schwieriger.
Als musikalisches Zentrum hat das fünfköpfige Team der Künstlerischen Leitung unter der Gesamtleitung von Louwrens Langevoort, Intendant der Kölner
Philharmonie, den niederländischen Komponisten Louis Andriessen ausgewählt,
der in seiner Arbeit stets politisch war. Ganze vierzehn Werke von Andriessen
aus der Zeit zwischen 1970 und 2013 werden bei AchtBrücken aufgeführt. Darunter sind „De Staat“, das Andriessen 1976 zum internationalen Durchbruch
verhalf sowie „M is for Man, Music, Mozart“, die Musik zum gleichnamigen
Film von Peter Greenaway. Neben Andriessens Stücken stehen weitere Werke
namhafter Komponisten wie Hans Werner Henze, Luigi Nono, Heiner Goebbels,
Luciano Berio, Paul Dessau oder Georg Katzer auf dem Programm. Darunter
sind 23 Uraufführungen, so auch die zehn „Hymnen für ein nicht existierendes
Land“, die AchtBrücken in Auftrag gegeben hat.
Der Popmusik nähert man sich mit Konzerten der digitalen Technorocker Atari
Teenage Riot, einer Kollaboration der lateinamerikanischen Sängerinnen Ana
Tijoux und Susana Braca und einem musikalisch-theatralischen Abend von und
mit Schorsch Kamerun. Für Jazzfans gibt es einen Abend mit dem VocaleseStar Kurt Elling, der Jazz-Standards interpretiert. Neben weltbekannten Orchestern wie dem New York Philharmonic oder den Wiener Philharmonikern
sorgen namhafte Klangkörper wie Ensemble intercontemporain, Ensemble Modern, Ensemble Musikfabrik, Klangforum Wien oder das Ensemble Garage für
die Umsetzung der Stücke. Als Aufführungsort steht die Philharmonie im Zentrum, weitere Veranstaltungsorte verteilen sich über das gesamte Stadtgebiet,
einzelne Konzerte finden auch im öffentlichen Raum statt.
Von Maxi Braun
Für das Moers Festival war es in den letzten Jahren finanziell oft kniffelig.
Da half auch die Tradition als international anerkanntes New Jazz Festival
nicht. Zu den Sparmaßnahmen gehörten 2014 die Verabschiedung vom Flair
eines Niederrhein-Woodstock und der Umzug in eine Festspielhalle. Die Atmosphäre hat sich verändert, die Aura eines Experimentierfeldes blieb intakt, wie
die erfolgreiche Bilanz von 12.000 Besuchern im letzten Jahr belegt. Saniert
ist Moers aber nicht. Diesmal fallen
dem Sparzwang z.B. zwei Schulpro- „Die Akustik der Festspielhalle
jekte frühkindlicher Musikförderung
schmeichelt Big Bands wie
zum Opfer. In der Institution des
auch dem intimen Set“
„Improviser in Residence“ bleibt die
Nachwuchsförderung aber implizit erhalten. 2015 wird der Saxofonist und
Klarinettist Hayden Chisholm nicht nur Konzerte und Projekte organisieren,
sondern auch mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Der Neuseeländer löste
bereits im Januar die Pianistin Julia Hülsmann als Improviser ab. Zur Eröffnung spielt er mit dem Lucerne Jazz Orchestra auf. Gefolgt von The Nest,
hinter dem Christoph Clöser steckt, Mastermind des Doom/Metal&AmbientProjekts Bohren & der Club of Gore. Den Abschluss am Freitag liefert mit den
Family Jones Singers ein Gospel-Funk-Oktett aus Texas, das Reiner Michalke
erst im Januar in einem kleinen New Yorker Club entdeckte.
Seit zehn Jahren künstlerischer Leiter in Moers, kuratiert Michalke durchaus subjektiv und nach eigenem Gusto. Nicht jeder Gig sagt da jedem Besucher gleichermaßen zu, aber Offenheit gehört bei Fans der Improvisierten
Musik zum guten Ton. Die Herkunft der KünstlerInnen ist so vielseitig wie die
musikalischen Stile, die sie pflegen. Neben hauptsächlich europäischen und
US-amerikanischen Formationen, bilden Bassekou Kouyaté aus Mali oder das
Ziad Rajab Trio, dessen Wurzeln in Aleppo liegen, die exotische Ausnahme.
Die Akustik der Festspielhalle schmeichelt Big Bands wie auch dem intimen
Set. Über die Verpflichtung Colin Stetsons dürfte sich keiner beschweren. Der
Multiinstrumentalist arbeitete schon mit Tom Waits oder Feist und sprengt
gern die Grenzen Improvisierter Musik. Besonders vielversprechend ist sowohl
seine Kollaboration mit Sarah Neufeld, Violinistin der kanadischen Indierockband Arcade Fire, als auch Stetsons Interpretation der „Symphony of Sorrowful Songs“ des Komponisten Henryk Mikolaj Górecki. Die Variationen sind
noch offen, viel tiefes Holz wird wohl dabei sein. Der mit einem elfköpfigen
Orchester aufgeführten Sinfonie liegen drei Texte der polnischen Geschichte
zugrunde, alle handeln von Kriegsleid in verschiedenen Epochen. Wie Stetsons Variation auch ausfallen wird, auch in ihrer puren Instrumentalität wird
sie allein der Vorlage wegen eine politische Dimension enthalten. Wie jede
Kunstform spiegelt Improvisierte Musik das Lebensgefühl des Moments, in der
sie entsteht; ihre Reaktionszeit ist nur weitaus kürzer, aktueller. Die kriegerischen Konflikte unserer Gegenwart werden bei Stetson nonverbal anklingen.
Im Fokus steht aber auch 2015 das musikalische Programm, das erneut mit
dem Abgefahrenen liebäugelt und mit der Belastbarkeit und Offenheit des
Publikums experimentiert.
AchtBrücken – Musik für Köln | 30.4.-10.5. | diverse Orte
www.achtbruecken.de
Moers Festival | 22.-25.5. | Festivalhalle Moers, Venloer Straße
www.moers-festival.de
Das Musikfestival AchtBrücken spürt dem Klang der Politik nach
CHRISTIAN MEYER
44. Moerser Festival versammelt internationale Sets
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kunst & gut
Jan Albers, thrEEhundrEdtwEntytwobEautyupanddown, 2013, Sprühfarbe auf Polystyrol und Holz, 240 x 150 x 13 cm (Ausschnitt), © Jan Albers, courtesy Van Horn, Düsseldorf
Natur und Urbanität
Jan Albers in der Von der Heydt-Kunsthalle in Barmen
Manche der Bilder tragen die Spuren gewaltiger Schlachten. Sie erinnern, gesehen wie aus der Vogelperspektive, an die Einschläge von Meteoriten oder
an Erdverschiebungen. Gestein driftet in glatten Schnitten auseinander. Die
changierende Monochromie aus lichten Grün- oder Blautönen lässt hingegen
an den Raureif im Unterholz oder Lichtspiegelungen der ruhigen See denken.
In einem anderen Reliefbild, in dem Keile als Raster in verschiedene Richtungen angeordnet sind, wirken die Kippungen wie die Konstruktion einer
Stadt. Oder doch die Facettenaugen von Insekten, monumental vergrößert …
Jan Albers nickt im Atelier in Düsseldorf. So sehr er vom Leben in der Großstadt geprägt ist, so wichtig ist ihm doch die Erfahrung der Natur.
Der Farbauftrag wirkt häufig immateriell und verweht, was daran liegt, dass
Albers die Farbe sprayt und mittels tonaler Verschiebungen und eines mehrschichtigen Auftrags Effekte von Licht und Schatten erzeugt. Andere Bilder
tragen die Farbe als pudriges Pigment. Bei einem Bild aus Keilen, welche mit
Graphit überzogen sind, hat Albers das Schwarz so mit dem Pinsel aufgetragen, dass die unterschiedliche Anlage der Schrägen betont ist. Immer aber
lösen die meist lebensgroßen Bilder, die mit der Bewegung des Betrachters
„funktionieren“ und gegenstandsfrei, ja, teils konstruktiv zu rubrizieren sind,
Anklänge an Seherfahrungen aus.
Jan Albers wurde 1971 in Wuppertal geboren und ist in Namibia aufgewachsen, er hat an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Jan Dibbets studiert. Dibbets handelt seit den 1970er Jahren konzeptuell mit der Natur und mit Phänomenen des Sehens in Fotosequenzen und Fotocollagen. Dagegen plädierte
etwa die Generation der „Jungen Wilden“ für die Sinnlichkeit und Spontaneität im Umgang mit Farbe und (autobiografischem) Motiv. Ein jüngerer Künstler wie Jan Albers demonstriert hingegen, aus der heutigen Perspektive, die
Mittel und Bestandteile der Malerei als Auftrag auf Strukturen. Er befragt die
Macht des Faktischen in Zeiten des Virtuellen.
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Albers provoziert in seinen Bildern die Gleichzeitigkeit von Präsenz und Absenz, scheinbarer Monotonie und offensichtlichem Ereignis. Eine wichtige
Rolle kommt dem „Körperlichen“ des Bildträgers zu. Gegeben ist ein raffiniertes Wechselspiel von Anlockung und dem Halten auf Abstand: Die Objektbilder sind durch Plexiglashauben geschützt, so dass sie von der Seite – wie im
Schnitt durch Gesteinsschichten – zu sehen sind. Sie forcieren das Vorbeilaufen und beziehen den Ausstellungsraum ein. In der Kunsthalle Barmen steigert
Albers das, indem er einzelne Wandflächen monochrom gestrichen hat und
die Räume durch Einbauten verengt und an anderer Stelle im Abstand der
Hängung öffnet und zusätzlich mit Weite „auflädt“. Der Eindruck des „Schönen“ weicht in den Bildern zunehmend dem Eindruck prozessualer Deformation. Die große Ordnung in den Bildern ist mit dem Eindruck von Chaos verbunden, die kontemplative Sammlung schlägt in brodelnde, kaum zu fassende
Unruhe um. Schließlich äußert sich in der Bildentstehung körperliche Energie,
vollzogen etwa mit der Kettensäge, die in die Styrodurblöcke schneidet und
diesen mit ihrer grünspanigen Farbigkeit und den vegetativ anmutenden Versehrungen die Anmutungen von Korallenreliefs verleiht. Die Reliefs, für die
Karosserieteile mit Maschinenkraft gepresst und mit monochromer Farbe
überzogen sind, betonen hingegen das Konstruktive technischer Vorgänge …
In der Kunsthalle Barmen zeigt Jan Albers jetzt Arbeiten der letzten drei, vier
Jahre, aber doch ist das Spektrum an Bildfindungen und Themen enorm: Jedes
Bild erzählt seine eigene Geschichte.
THOMAS HIRSCH
„Jan Albers – cOlOny cOlOr“ | bis 28.6. | Von der Heydt-Kunsthalle in
Wuppertal-Barmen | 0202 563 65 71
kunstwandel
kunst in NRW
Raum für die Kunst der Kölner Liste
Abb. 1
Besucher als Findungskommissar
Ernsthaft ironisch
Eigentlich ist das modernes Raubrittertum. Hier wird gefeilscht wie auf dem
Bauernmarkt, hier wird gefälscht, betrogen und gelogen. Kunst ist längst
abgekoppelt von der Kunst selbst. Was heute als wichtiges Werk definiert
wird, entscheiden immer häufiger Protagonisten, die entweder mit der Materie selbst überhaupt nichts zu tun haben (Banker, Hedgefonds-Manager,
Kriminelle) oder solche, die an hohen Preisen partizipieren, ohne selbst
tatsächlich involviert zu sein, der Fall Achenbach ist da sicher aktuell ein
gutes Beispiel. Die Kunstfälscher Helene und Wolfgang Beltracchi seien als
Beweis für die These genannt. Aber es gibt sie natürlich noch, die Arbeiten
ohne merkwürdige Provenienz, ohne Potential als Kunstaktie, ohne Wenn
und Aber. Man muss sie eben nur finden.
Von Thomas Hirsch
Eine Retrospektive ist immer eine heikle Sache. Sie hat die Verpflichtung,
alle relevanten Werkphasen zu berücksichtigen und weckt die Erwartung
auf neue Erkenntnisse. Für die Ausstellung von Sigmar Polke in Köln bedeutete dies, eine Vielzahl künstlerischer
Medien und experimenteller Methoden
„Höhere Wesen befahlen“
einzubeziehen. Polke, der 1941 in Schlesien geboren wurde, an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Gerhard Hoehme und K.O. Götz studiert hat und später Professor in Hamburg war, ist
2010 in Köln gestorben. Seit langem gehört er mit Baselitz, Anselm Kiefer
und Gerhard Richter zu den weltweit renommierten Malern aus Deutschland. Das überrascht insofern, als sich sein Werk wie ein Chamäleon verhält und jeder schnellen Rubrizierung entzieht. Es ist aufregend disparat.
Ausgehend von der realistischen Malerei, in der er sich auch mit der Abstraktion auseinandersetzt und die Pop Art berührt, schlägt Polke frühzeitig
verschiedene stilistische Modi ein. Seit Beginn der 80er Jahre erneuert er
sein Werk sozusagen, indem er mit wechselnden Malmaterialien und mit
chemischen Methoden arbeitet und transparente Folien als Leinwände verwendet oder diese wiederum durch Folien verdeckt. Diese Hinterfragung
der Malerei selbst – neben die u.a. das Filmen und die Fotografie sowie
Objekte treten – verdeckt ein bisschen, dass Polke ein zutiefst gesellschaftskritischer Künstler war. Zusammen mit Gerhard Richter, Manfred Kuttner
und Konrad Lueg hatte er 1963 den „Kapitalistischen Realismus“ als Stilrichtung proklamiert. Polkes zentrales Thema ist das gesellschaftliche Leben
in Deutschland in blühenden wirtschaftlichen Zeiten mit der Verdrängung
der Nazi-Verbrechen. Zur nachdenklichen Ironie und Doppelbödigkeit trägt
bei, dass er auf die kitschigen Rapporte bedruckter Stoffe malt oder seine
Darstellungen aus Rasterpunkten aufbaut. Er wehrte sich gegen die Vorstellung vom Künstler als Genie und kokettierte dazu mit der Kraft des Übersinnlichen. „Höhere Wesen befahlen: rechte obere Ecke schwarz malen!“
(1969) heißt eines seiner bekanntesten, in Köln ausgestellten Gemälde: In
eine weiß gemalte Leinwand ragt von oben eine schräge schwarze Fläche,
im unteren Bereich ist wie mit Schreibmaschine der Titel notiert. So war das
mit der Kunst und den Erwartungshaltungen.
Die Kölner Liste im Dock.One am Mülheimer Hafen
Die Messe „Kölner Liste“ ist eine solche Entdeckermesse für zeitgenössische
Kunst. Hier kann der Sammler, oder der, der es noch werden will, durch
30 Galerieprogramme und Projekträume flanieren, auf der Suche nach dem
kommenden Star oder dem Lieblingswerk des Spaziergangs. Erschwinglich
ist das alles allemal, gemäßigtes Preissegment ist da der verschleiernde
Fachbegriff, der natürlich auch signalisiert: Hier gibt’s wohl nichts für einen
Apfel oder ein Ei. Wählen kann man zwischen Malerei, Zeichnungen und
Grafik über Skulpturen bis hin zu Installationen, Video-Kunst und Performance. Einfach ist der Kunstkauf eben nicht, und vergessen Sie den Begriff
Wachstumspotential, der ist genauso irreführend wie der Begriff Gewinnchance. Gekauft werden sollte ausschließlich nach Gefallen und nicht nach
monetären Erwägungen. Das geht meistens schief.
Anders ist das natürlich in der Parallelmesse Art Cologne. Hier versucht man,
das Niveau von Basel oder Maastricht zu erreichen. Selbst ein Kaufhaus für
Reiche zu werden, die auch gern einmal Unsummen für Alte Meister hinblättern, weil sie irgendwie gar nicht mehr wissen wohin mit den hinterzogenen griechischen Steuergeldern. Kein Wunder also, dass der Weltkunstmarkt im vergangenen Jahr einen Rekordumsatz von 51 Milliarden Euro
erwirtschaftet hat. Angesichts dieser Entwicklung nimmt die Kölner Liste
ihre Aufgabe, Kunstliebhabern und jungen Sammlern eine Orientierungsplattform zu bieten, sehr ernst. Die Galerien und Projekträume, die im The
New Yorker | Dock.One ausstellen, zeigen eben auch den kreativen Nachwuchs, und da ist es erstaunlich, dass neben den technischen Spielereien
und der immer jungen Fotografie, ausgerechnet die Malerei wieder auf dem
Vormarsch zu sein scheint. Ein Van-Gogh-Aquarell für zehn Millionen Dollar, wie in Maastricht angeboten, wird man auf der Kölner Liste 2015 nicht
finden, dafür aber vielleicht das eindrucksvolle Portrait einer freizügigen
Lady mit Schlange von Mariano-Vargas oder eine moderne Historienmetapher wie „Samsons Küsse für Dalila“. Und eins ist klar: Wer sucht, der wird
immer irgendwie gefunden.
Sigmar Polke im Museum Ludwig in Köln
Thomas Hirsch
Kunsthistoriker,
Kurator und Journalist
PETER ORTMANN
Werkschauen mochte er nicht, hatte aber eingewilligt,
als eine Anfrage aus der sicheren Ferne, vom Museum of
Modern Art in New York kam. Vorbereitet vom MOMA
und der Tate Modern in London, ist diese Retrospektive
nun in Köln zu sehen. In seiner gediegenen Schau versucht das Museum Ludwig den Maler und den kritischen
Künstler gleichermaßen herauszuarbeiten. Ob Polke diese museale Wertschätzung gefallen hätte?
„Sigmar Polke – Alibis“ | bis 5.7. | Museum Ludwig in Köln
0221 22 12 61 65
Kölner Liste | Do 16.4. - So 19.4. | Dock.One, Köln | kölner-liste.org
Abb 1: Sigmar Polke, Fensterfront, 1994 © The Estate of Sigmar Polke / VG Bild-Kunst Bonn,
Foto: Rheinisches Bildarchiv
26
kunst-kalender
KREFELD – Haus Esters/Haus Lange
www.kunstmuseenkrefeld.de
Imi Knoebel / David Reed bis 23.8.
Zwei international arrivierte Vertreter der
gegenstandsfreien Malerei, die Farbe und
deren Präsenz behandeln und dazu völlig
verschiedene Wege einschlagen
LEVERKUSEN – Museum Morsbroich
www.museum-morsbroich.de
more Konzeption Conception now
bis 19.4.
Ausgehend von einer Ausstellung zur
Konzeptkunst 1969 am selben Ort,
werden konzeptuelle künstlerische
Beiträge der jüngsten Zeit präsentiert
MARL – Skulpturenmuseum Glaskasten
www.skulpturenmuseum-glaskasten-marl.de
Gerlinde Beck bis 12.4.
Vorgestellt werden die
Raumchoreografien und Klangstraßen der
Bildhauerin (1930-2006), die mit einem
stereometrischen Vokabular Musik und
Tanz umschreibt
MÜLHEIM – Kunstmuseum
www.kunstmuseum-mh.de
Konturen des Alltags bis 26.4.
Vier Künstler aus Israel, die mit
unterschiedlichen, meist auf der
Zeichnung basierenden Medien das
Prekäre und Gewöhnliche ihres Alltags
aufgreifen
OBERHAUSEN – Ludwiggalerie
www.ludwiggalerie.de
hobbypopMUSEUM, Raving Gardens, 2010, Installationsansicht Eastside Projects Birmingham, © hobbypopMUSEUM, Ausstellung Neuer Kunstverein
Museumslandschaft NRW
PADERBORN – Städtische Galerie
AHLEN – Kunstmuseum
www.kunstmuseum-ahlen.de
Arnulf Rainer bis 26.4.
Werkschau zum 85. Geburtstag des
großen österreichischen Künstlers, der v.a.
mit seinen eruptiven Durchstreichungen
des eigenen Porträts bekannt wurde
DORTMUND – Museum Ostwall
HERFORD – Marta
www.museumostwall.dortmund.de
marta-herford.de
Arche Noah bis 12.4.
Anhand von Kunst der Moderne bis heute
wird beleuchtet, wie sich unser Verhältnis
zur Tierwelt gewandelt hat und heute
Wissenschaft als Thema mitschwingt
BEDBURG-HAU – Museum Moyland
(Un)möglich! bis 31.5.
Reale und fiktive, teils auch „unmögliche“
Architekturen und Konzepte von
Künstlern wie Theo van Doesburg über
Constant bis hin zu Thomas Schütte und
Caroline Bayer
DÜSSELDORF – K20
moyland.de
www.kunstsammlung.de
Around the World bis 26.4.
Farbfotografie vor 1914 aus der
Sammlung des Bankiers Albert Kahn,
die heute hohe ethnographische,
dokumentarische und künstlerische
Bedeutung besitzt.
Günther Uecker bis 10.5.
Der Düsseldorfer „Nagel“-Künstler und
Hauptvertreter der ZERO-Bewegung mit
mehreren wichtigen Installationen und
Nagelreliefs zum 85. Geburtstag
BOCHUM – Kunstmuseum
www.kunstmuseumbochum.de
Charlotte Salomon bis 25.5.
Die rund 800, ergreifenden Blätter der
Bildfolge „Leben? Oder Theater?“ der
jüdischen Künstlerin, die 26-jährig im KZ
Auschwitz ermordet wurde
Herlinde Koelbl bis 3.5.
Werkschau der Münchner Fotografin,
die v.a. mit ihren Langzeitstudien
von Politikern bekannt wurde und
systematisch Aspekte der deutschen
Gesellschaft untersucht
KÖLN – Museum für Angewandte Kunst
DUISBURG – Museum Küppersmühle
www.makk.de
System Design bis 7.6.
Systeme als ordnungs- und
chaosstiftende bildnerische und
funktionale Verfahren im Design der
letzten 100 Jahre mit Werken u.a. von
Breuer und Wagenfeld
www.museum-kueppersmuehle.de
KÖLN – Käthe Kollwitz Museum
Ralph Fleck bis 26.4.
Eine Übersicht zum Freiburger Maler,
der mit seiner „malerischen“, anfänglich
expressiven Malerei Bücherregale,
Stadtansichten, Alpen u.a. in Reihen
festhält
www.kollwitz.de
BONN – Bundeskunsthalle
DUISBURG – Lehmbruck Museum
www.kah-bonn.de
www.lehmbruckmuseum.de
KÖLN – Museum Ludwig
Karl Lagerfeld bis 13.9.
Karl Lagerfelds Beiträge zur Mode – als
Skizze, Fotografie, Accessoire, Kulisse
und fertiges Kleidungsstück – in einem
Überblick, der sechs Jahrzehnte umfasst
Wiebke Siem bis 19.4.
Mit ihren realistischen gegenständlichen
und figürlichen Fragmenten thematisiert
Wiebke Siem (*1954) die Erinnerung an
alltägliche Geborgenheit und Kindheit
BONN – Kunstmuseum
ESSEN – Museum Folkwang
www.kunstmuseum-bonn.de
www.museum-folkwang.de
KÖLN – Museum für Ostasiatische Kunst
Larry Sultan bis 17.5.
Der kalifornische Fotograf (19462009) mit seiner ersten deutschen
Retrospektive, die seinen konzeptuellen
Ansatz und seine investigative
Dokumentation verdeutlicht
Detlef Orlopp bis 19.4.
Werkschau des Fotografen (*1937)
mit den frühen Porträts und den
zeitlich entrückten s/w-Aufnahmen
von Landschaftsstrukturen und
Wasseroberflächen
Boro – Stoffe des Lebens bis 2.8.
Eindrucksvolle Flicken-Kleidungen, die
von der japanischen Landbevölkerung
aus eigentlich kostbaren BaumwollGewändern zusammengenäht wurden
Karin Kneffel bis 19.4.
Die wichtige, in Düsseldorf lebende, an
der Münchner Kunstakademie lehrende
gegenständliche Malerin mit ihren
Aquarellen vor allem der letzten Jahre
www.museum-ludwig.de
Sigmar Polke 14.3.-5.7.
Retrospektive zum berühmten Künstler,
der in seiner oft gesellschaftskritischen
Malerei experimentell gearbeitet und
auch Filme, Fotografien, Objekte u.a.
geschaffen hat
www.museenkoeln.de
KÖLN – Römisch-Germanisches Museum
BOTTROP – Museum Quadrat
HAGEN – Osthaus Museum
www.quadrat-bottrop.de
www.osthausmuseum.de
Ricarda Saro bis 24.5.
Der aus Spanien stammende Maler mit
seinen gegenstandsfreien bildnerischen
Untersuchungen der Farbe und von
Farbwirkungen im schichtweisen Auftrag
Hundertwasser bis 10.5.
Werkschau des österreichischen Universalkünstlers, der mit seinen Gemälden
und Architekturen und mit seinem
ökologischen Engagement berühmt wurde
www.museenkoeln.de
27
Göbekli Tepe bis 26.4.
Vorgestellt werden die archäologischen
Ausgrabungen am Berg Göbekli Tepe
in der Südosttürkei, wo sich im frühen
Neolithikum ein Bergheiligtum befand
www.brueghel-ausstellung.de
Die Brueghel-Familie bis 21.6.
Die berühmte flämische Malerfamilie aus
dem 16. und 17. Jahrhundert mit vier
Generationen, die sich unterschiedlichen
motivischen Schwerpunkten widmeten
REMAGEN – Bahnhof Rolandseck
www.arpmuseum.org
Revolution der Bilder bis 6.9.
Eine Ausstellung der Kunstkammer Rau
zu drei Jahrhunderten französischer
Malerei mit Werken etwa von Claude
Monet, Poussin und Auguste Renoir
SIEGEN – Museum für Gegenwartskunst
www.mgk-siegen.de
Lucian Freud und das Tier bis 7.6.
Tierdarstellungen, teils in Verbindung mit
Menschen, des britischen Malers (19222011), der mit drastisch realistischen
Porträts berühmt wurde
WUPPERTAL – Neuer Kunstverein
www.neuerkunstvereinwuppertal.de
hobbypopMUSEUM 18.4.-10.5.
Die aus Düsseldorf stammende Gruppe
mit sechs Künstlern bzw. Architekten,
die in der Zusammenarbeit vor Ort
eine begehbare malerische Installation
schaffen
WUPPERTAL – Von der Heydt-Kunsthalle
www.von-der-heydt-kunsthalle.de
Jan Albers bis 28.6.
Neuere Arbeiten des Düsseldorfer
Künstlers (geb. 1971), der in der
Auseinandersetzung mit Farbe und
Struktur Malerei als Medium befragt
WUPPERTAL – Waldfrieden
www.skulpturenpark-waldfrieden.de
Erwin Wurm 11.4.-12.7.
Der angesagte österreichische Künstler,
der in seinen Werken der skulpturalen
Verfasstheit des menschlichen Körpers
nachgeht, hier nun am Modus Haus
Empfehlungen von Thomas Hirsch
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The New Yorker | DOCK.ONE
Hafenstraße 1 | 51063 Köln
Do – Sa 13 – 21 h | So 10 – 18 h mit ArtBrunch
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Die Entdeckermesse für
zeitgenössische Kunst in Köln,-
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zungen
auswahl
Bühne
DÜSSELDORF
CAPITOL THEATER
Fr 8.5. – Di 16.8.
tap dogs
mit
-zungen
das Kindertheater des Monats April. Die
Geschichte handelt von einem Mann wie
Du und Ich, einem Menschen, der nach
und nach seine Lebensgeschichte erzählt.
Er beschreibt die Glücksmomente und die
Enttäuschungen, die er erleben musste,
seine Sehnsüchte und die Momente, in
denen er aufgab oder scheiterte. Egal,
ob Märchen, Realität oder nur eine nebensächliche Erzählung – am Ende sind
die Zuschauer ein klein wenig erfahrener
und um eine Geschichte des Lebens reicher.
Info: 0202 563 64 44
LCB
Foto: I. Arndt, Montage: K. Nikolic
Fr 24.4. 20 Uhr
Özcan Cosar
Barmen 26. Juni 1860
Foto: Ralf Brinkhoff
Lieber Friedrich,
Wie Du siehst bin ich Gott sei Dank wieder so weit, Dir selbst einige
Zeilen zu schreiben, obgleich die Hand noch etwas zitternd ist. Meine Krankheit ist überstanden u. ich würde mich darüber ganz froh
fühlen, wenn das Gefühl, daß der Vater nicht mehr bei uns ist, diese
Freude nicht störte u. mich dann fast traurig stimmte. Doch es ist
Gottes Wille so gewesen u. wir werden einst mal einsehn, daß er gut
war. Ich schreibe eigentlich heute, weil ich in Unruhe bin, daß wir
so lange keinen Brief von Dir gehabt haben, u. ich denke immer, es
könnte noch Schwierigkeiten geben mit G. Ermen wegen des Contracts. Schreibe uns also recht bald. Da ich nun seit 8 Tagen wieder
an die Luft gegangen bin u. ich auch fühle, daß ich alle Tage kräftiger
werde, so habe ich meine Abreise nach Engelskirchen auf nächsten
Montag festgesetzt u. hoffe der Aufenthalt auf dem stillen Lande
wird mir wohl thun, ich fühle mich nicht behaglich unter Menschen,
die mir nicht sehr nahe stehn. Emil hatte in der vorigen Woche wieder
große Sorge um seinen kleinen Knaben, die Aerzte fürchteten eine
Gehirnentzündung, doch ist nach den heutigen Nachrichten die Gefahr vorüber.
Von hier lassen Dich Alle herzlich grüßen u. hoffe recht bald auf gute
Nachrichten von Dir.
In seiner Garage brachte der Australier
Dein Perry sich nach der Schule gemeinsam mit Freunden den Stepptanz bei.
Abgeschreckt von den spärlichen Berufsmöglichkeiten arbeitete er schließlich jedoch als Stahlbauschlosser, bis er
nach einigen Jahren erneut den Sprung
ins Showbusiness wagte – und auch
schaffte. Mit seinen Schulfreunden rief
er die Formation Tap Brothers ins Leben,
die später in tap dogs umbenannt wurde.
Geprägt von seinem beruflichen Hintergrund verband er schnelle Stepptanzelemente mit dem industriellen Bühnenbild
einer Baustelle und schuf so eine moderne Show. Seit ihrer Gründung haben tap
dogs in rund 330 Städten getanzt und elf
internationale Auszeichnungen erhalten.
Tanz und Percussion in einer energiegeladenen Mischung.
Info: 0211 15 92 62 60
engels verlost 3x2 Karten für den 8.5.
E-Mail bis zum 26.4. an
[email protected],
Kennwort: tap dogs
DIE BÖRSE
Sa 11.4. 20 Uhr
Lisa Feller: Guter Sex ist teuer
Mit treuer Liebe
Deine Mutter Elise
MÜLLERS
MARIONETTEN-THEATER
Sa 11.4., So 19.4., Mi 22.4., So 26.4.
je 16 Uhr
Aschenputtel
Alleinerziehende Mutter sucht Zärtlichkeit – so könnte das neue Comedyprogramm von Lisa Feller untertitelt sein.
Zwischen Herdprämie und seichten
Bondage-Filmchen macht sich Feller
Gedanken über die Zeit nach Scheidung
von Mann und Heim, denn für Frau mit
Kind über 35 muss es doch mehr geben
als Legokisten und Puppenhäuser. Schonungslos analysiert Feller die eigentlich
wichtigsten Jahre des weiblichen Geschlechts, die zwischen Kind und Kegel
auf der Suche nach Sex und Zärtlichkeit
sind, denn das Leben hat doch gerade
erst begonnen, richtig Spaß zu machen.
Info: 0202 24 32 20
engels zungen in der Engels-Stadt:
Wir lassen Zeitgenossen des
Kapitalisten und Revolutionärs zu
Wort kommen, zitieren Briefe an
Wuppertals berühmten Sohn.
Engels‘ Vater, Friedrich Engels senior,
war am 20. März 1860 im Alter von 63
Jahren gestorben. Zusammen mit seinem Teilhaber Gottfried Ermen hatte
er Ende der 1830er Jahre in Engelskirchen an der Agger eine Textilfabrik
gegründet. In der dortigen Familienvilla suchte Elise Engels etwas Ruhe.
Özcan Cosar ist Stuttgarter mit Wurzeln im Bosporus. Seine Internationalität merkt man ihm an, besonders dann,
wenn er auf der Bühne steht und die
deutschen und türkischen Eigenheiten
unter die Lupe und auf’s Korn nimmt.
Dabei begeistert er mit Spontaneität,
schauspielerischem Können und einem
pointierten Humor – eine Mischung, die
die Lachmuskeln der Zuschauer wahrlich
strapaziert. Dabei kann sich Cosar aus einem reichen Erfahrungsschatz bedienen,
war er doch unter anderem als Zahnarzthelfer und Breakdancer tätig. Bei Özcan
Cosar wird deutsch-türkischer Alltag
erlebbar, immer mit einem zwinkernden
Auge natürlich.
Info: 0202 563 64 44
Quellenangabe: Marx-Engels-Gesamtausgabe, Briefwechsel, Band 11, Berlin
2005, S. 65; die Abbildung zeigt Friedrich
Engels senior.
29
LCB
Di 21.4. 9.30 Uhr & 11 Uhr
Nebensache – Theater Grüne Sosse
„Nebensache – Theater Grüne Sosse“ ist
Foto: Müllers Marionetten-Theater
Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen – wer kennt es nicht,
das wunderbare Märchen der Gebrüder
Grimm über das arme Aschenputtel, das
am Ende doch ihr Glück findet. Als der
König des Landes nämlich eine neue Königin sucht, macht sich Aschenputtel mit
Hilfe der guten Fee auf den Weg in das
königliche Schloss. Dabei muss sie allerlei Schwierigkeiten über sich ergehen
lassen, denn die bösen Stiefschwestern
und die böse Stiefmutter versuchen alles,
das Aschenputtel davon abzuhalten, den
König zu treffen. Schließlich ist es ein
Schuh, der zum Happy End führt. Liebevoll wird das Märchen durch die hand-
auswahl
gearbeiteten Puppen des MarionettenTheaters inszeniert.
Info: 0202 70 55 43 68
bebahn“ (1927) und „Waren Sie schon in
Elberfeld?“ (1925).
Info: 0202 870 48 15
MÜLLERS
MARIONETTEN-THEATER
GEMARKER KIRCHE
Fr 17.4. 19.30 Uhr
Konzert mit Manfred Lemm
und Ensemble
Fr 17.4. 16 Uhr
Der große Strawinsky-Abend
Foto: Müllers Marionetten-Theater
Ein Abend, zwei Stücke: Mit „Der Feuervogel“ und „Le sacre du printemps“ (Die
Frühlingsweihe) verbindet der Abend die
Musik des russischen Komponisten Igor
Strawinski in zwei Stücken miteinander,
die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Während der „Feuervogel“ ein märchenhaftes Ballett ist, kunstvoll inszeniert
durch die liebevoll handgefertigten Marionetten, präsentiert das zweite Stück
eine utopische Gesellschaft, zu deren
Riten die Sonnenanbetung und die Opferung von Menschen gehört. Und während
im ersten vor allem der Tanz der zwölf
Jungfrauen eine filigrane Herausforderung für die Marionettenkünstler ist,
stehen im zweiten eher die Grobheit sich
holzartig bewegender Puppen im Vordergrund, entsprechend des archaischen
Gedankens des Stücks.
Info: 0202 70 55 43 68
TALTONTHEATER
Sa 4.4. 20 Uhr
Michael Eller:
Zwischen Rocker & Rollator
Fragile Matt – das ist echte irische Musik, so wie man sie sich vorstellt: Gefühlvoll, aber auch fetzig und lebendig
erklingt der mehrstimmige Gesang, der
die Sehnsucht nach dem rauen irischen
Klima schürt. Seit 2008 existiert Fragile
Matt, eigentlich durch einen Zufall gegründet. Von einem typischen irischen
Pub in Doolin aus, startete das Fragile
Matt-Fieber und zog nicht nur durch
Irland, sondern vor allem auch nach
Deutschland und Holland. Liebhaber irischer Musik werden begeistert sein.
Info: 0202 69 85 19 33
BANDFABRIK
Di 14.4. 20 Uhr
Ikarus
Arbeitsjacke (noragi), spätes 19. Jahrhundert,
mit Indigo und Färberdistel gefärbte Baumwolle, Sammlung Stephen Szczepanek
Die Band Ikarus kommt aus der Schweiz.
Vor kurzem erschien ihr Debut-Album
„Echo“, das zwischen Sturm und Stille angesiedelt, einen höchst gegensätzlichen
Klangraum erzeugt. Die Schweizer Musiker und Sänger begeistern vor allem mit
ihrer Stimmenvielfalt, die im Mittelpunkt
ihrer Präsenz steht. Dabei beglücken sie
ihr Publikum mit musikalischer Improvisation und einer Minimalistik, die die
Grenze zwischen Traum und Realität verschwinden lässt.
Info: 0202 69 85 19 33
Swing Kabarett Revue
BANDFABRIK
Fr 10.4. 20 Uhr
Fragile Matt
bis 2.8., Di-So 11-17 Uhr
Boro – Stoffe des Lebens
Di 29.4. 20.30 Uhr
Dave Douglas
So 26.4. 19 Uhr
Musik
KÖLN
MUSEUM FÜR
OSTASIATISCHE KUNST
KÖLN
STADTGARTEN
CAFÉ ISLAND
Michael Eller lebt so richtig den Rock ’n‘
Roll: mit Harley, Haartolle und Lederklamotten. Doch so zeitlos der rockige Musik- und Lebensstil ist, so schnell vergeht
die Zeit, wenn man ein menschliches
Wesen ist. Das musste auch Eller erfahren, und so hat er es zu seiner Mission
gemacht, dem Alterungsprozess mit viel
Humor und Sarkasmus zu begegnen.
Dabei macht er vor keinen gesellschaftlichen Kuriositäten halt. Charmant ist
er dabei nicht immer, aber als Rocker
pflegt man schließlich auch ein gewisses
Image. Zwischen Vorgestern und Heute,
so zeigt Eller seinem Publikum, gibt es
mehr als nur den Ernst des Lebens.
Info: 0211 27 40 00
Der Krakauer Tischler Mordechaj Gebirtig
ist die langjährige Faszination des Musikers Manfred Lemm. Zusammen mit seinem Ensemble aus zwei Folkloristen und
drei Sinfonikern hat er über 50 jiddische
Lieder des Krakauers vertont und veröffentlicht. Bekannt wurde Lemm auch
durch sein Programm „Erinnern für die
Zukunft“. Dabei bietet er Workshops für
Kinder und Jugendliche an, mit dem Ziel,
ihnen die jiddische Kultur und Lebensweise näher zu bringen. Sein aktuelles
Werk, das Lemm in einem mehrtägigen
Workshop mit Kindern aus Tschechien
aus Kosice, der Slowakai und Herne zusammenstellte, wird in einem Abschlusskonzert präsentiert. Dabei wird Lemm
durch sein Ensemble und durch einige
Gastmusiker aus Polen unterstützt.
Info: 0202 97 44 00
H 32 cm, © Carl Hager
Der Titel „PQP“ - eigentlich die Abkürzung für Plusquamperfekt – verweist auf
die Vergangenheit und die Gleichwertigkeit der Beiträge und gibt Rätsel auf. Wie
der Düsseldorfer Bildhauer Carl Hager
arbeitet die Berliner Malerin Sabine Bokelberg an der Grenze von kristallklarer
Behauptung und Andeutung, von Stabilität und Fragilität. Bei beiden Künstlern
kommt der Linie eine besondere Bedeutung zwischen formaler Substanz und
inhaltlicher Zuweisung zu. Spannend!
Info: 0173 261 11 15
Die Swing Soirée laden zur Record Release Party: Sängerin Annette Konrad,
Mr. Mike Rafalczyk an Mikrofon, Posaune
und Trombone, Martin Langer mit Kontrabass und Sousaphone sowie Pianist
Wolfgang Eichler stehen seit mehr als
zwei Jahren zusammen auf der Bühne
und nehmen ihr Publikum mit auf eine
Zeitreise zurück in die Jahre, als Swing
und Charleston die Welt der Musik prägten. Über 200 Musiktitel sind seitdem
auf der Bühne performt worden, in originalgetreuer Aufmachung, versteht sich.
Jetzt ist es endlich soweit: 19 Titel sind
auf dem ersten Album der Swing Soirée
verewigt, unter ihnen natürlich die Gassenhauer „Mädel, fahr´ mit mir Schwe-
Foto: Mark Guiliana
Dave Douglas ist ein erfolgreicher amerikanischer Jazztrompeter und Komponist, der seine Musik mit elektronischen
Klängen ebenso versehen kann wie mit
klassischen Kompositionen. Seit Beginn
dieses Jahres ist Douglas mit seinem
neuesten Bandprojekt High Risk auf Tour.
Im Gepäck hat er dabei das kürzlich fertig gestellte Album, das vor allem durch
Improvisation und elektronische Klänge
geprägt ist. Zusammen mit Shigeto, Marc
Guiliana und Jonathan Maron wird er auf
der Bühne stehen und seine neuesten
Songs präsentieren.
Info: 0221 952 99 40
Vorgestellt werden die Flicken-Kleidungen der japanischen Landbevölkerung zwischen 1850 und 1950. Grundlage sind die abgetragenen, aus wertvollen
Baumwollstoffen genähten Kleider,
welche die japanische Oberschicht den
Bauern günstig verkauft hat. Im Zusammennähen der Teile entstehen RecyclingTextilien, geschaffen in Handarbeit mit
natürlichen Materialien, einerseits puristischer Ausdruck von Armut, andererseits kunstfertige Einzelstücke. Ergänzt
wird die Ausstellung um buddhistische
Mönchsumhänge aus der Sammlung des
Museums für Ostasiatische Kunst.
Info: 0221 22 12 86 10
KÖLN
DOCK ONE / MÜLHEIMER HAFEN
16.-19.4., Do-Sa 13-21, So 10-18 Uhr
Kölner Liste
Kunst
GRÖLLE PASS:PROJECTS
bis 3.5., Mi-Fr 16-19, Sa 11-15 Uhr
Sabine Bokelberg : Carl Hager
Carl Hager, Eule, 2014, Spanndraht,
30
Stellplan der Kojen, Foto: Kölner Liste
Inspiriert von der Berliner Liste, versucht
diese Kunstmesse in ihrer zweiten Auflage parallel zur Art Cologne neue Galerien
und junge Künstler zu entdecken, die –
abseits ausgetretener und vom Markt
diktierter Pfade – mit ihren Werken noch
erschwinglich sind. Die Galerien kommen
aus der ganzen Welt, ein Schwerpunkt
liegt auf realistischer Kunst. Bestimmt
sehr sehenswert.
Info: www.kölner-liste.org
auswahl
SKULPTURENPARK
WALDFRIEDEN
POST
11.4.-21.6., Di-So 10-19 Uhr
AN DIE REDAKTION
Erwin Wurm
THATCHER UND IHRE
TÖCHTER
Foto: Rhein-Antik
Erwin Wurm, Fat House (2003/2011), Mixed
Media, Video, © E. Wurm, Foto: Jesse Willems,
courtesy Galerie Thaddaeus Ropac
Erwin Wurm (*1954) gehört zu den angesagten Künstlern Österreichs, eine
Museumsausstellung folgt auch hierzulande auf die andere. In seiner multimedialen Kunst geht er von alltäglichen
Beobachtungen aus, die einen Bezug zu
unserem leiblichen Körper besitzen. Dies
gilt ebenso für die Werkgruppe der weitgehend skulpturalen Häuser, welche die
Formen und Verfassungen von Menschen
annehmen und skurril und erschreckend
zugleich sind – sie werden nun, entstanden über Jahre, in Wuppertal vorgestellt.
Info: 0202 47 89 81 20
Diverses
SCHOKOLADENMUSEUM
So 5.4. & Mo 6.4. je 11 bis 18 Uhr
Antikmarkt
Bücher, Plattenspieler und Lampenschirme, die alle an die gute alte Zeit erinnern. Nostalgie ist angesagt, wenn wie
jedes Jahr die Tore des Antikmarktes vor
dem Kölner Schokoladenmuseum öffnen.
Deutsche und internationale Aussteller
präsentieren ihre schmucken Waren. Sie
laden die Besucher dazu ein, in der Vergangenheit zu schwelgen und tatsächlich sogar die eine oder andere Rarität
aus vergangenen Zeiten zu erstehen.
Inmitten der schmucken Rheinpromenade geht es ums Feilschen, Anschauen
und Kaufen – ein Tag, der garantiert zum
Erlebnis wird.
Info: 02232 290 06 33
betr.: Thema 0315
FRAUENMENSCHEN
Dass mehr Frauen in der Politik in irgendeiner Form erstrebenswert wären,
erschließt sich mir nicht, zumindest
nicht als Selbstzweck. Noch immer hat
sich die britische Gesellschaft nicht
von der neoliberalen Knechtschaft
einer Margaret Thatcher erholt, die
Heerscharen von Arbeitern ins Elend
stürzte, und heute sehen wir, wie eine
Ursula von der Leyen mit strenger Miene Werbung für einen wachsenden Militarismus macht. Und was hat uns die
schon bald ewige Kanzlerin in bald 12
Jahren Regentschaft gebracht? Nein,
ich kann der Frauenquote in der Politik
beim besten Willen nichts abgewinnen.
Günther
ZUSAMMENGESTELLT VON: THOMAS
HIRSCH, ANNA LENKEWITZ, ALINA SEICHE, CHRISTIAN STEINBRINK, JON WITTE
IMPRESSUM
Herausgeber:
engels-kultur Verlag
Joachim Berndt, Büro Bochum
Dr.-C.-Otto-Str. 196, 44879 Bochum
Tel: 0234-94191-0, Fax: -91
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Chefredaktion: Maxi Braun (v.i.S.d.P.)
Red. Mitarbeit an dieser Ausgabe:
Lars Albat, Silvia Bahl, Frank Brenner,
Nathanael Brohammer, Valeska von Dolega, Hartmut Ernst, Sanje Gautam, Tom
Jost, Rolf-Ruediger Hamacher, Nina Heinrichs, Thomas Hirsch, Anna Lenkewitz,
Thomas Linden, Jules Lux, Karsten Mark,
Christian Meyer, Peter Ortmann, Jan
Schliecker, Carla Schmidt, Florian Schmitz,
Alina Seiche, Benjamin Seim, Christian
Steinbrink, Jon Witte, Hans-Christoph
Zimmermann, Andreas Zolper
Projektleitung: Birgit Michels
Veranstalter-Infos an:
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Heute schon digitale Fingerabdrücke hinterlassen?
engelsKultur
präsentiert: Show
APASSIONATA –
DIE GOLDENE SPUR
Die Erfolgsshow kehrt zurück: Erzähler Pierre nimmt das Publikum mit auf eine Reise
in seine Jugend, die ihn des Nachts in ein
Museum verschlägt. Als dieses Museum auf
einmal zum Leben erwacht, findet sich Pierre inmitten einer fantastischen Welt wieder, der Gefühle von Liebe, Freundschaft
und Freiheit zu Grunde liegen. Mensch und
Pferd begegnen sich in abenteuerlicher Action, lustigen Showeinlagen und ergreifender Harmonie.
ISS DOME
Theodorstraße 281
40472 Düsseldorf
0211 89 277 00
Die Auflage unterliegt der ständigen Kontrolle der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der
Verbreitung von Werbeträgern.
Durch Berndt Media
werden auch folgende Kultur-, Kino- und
Bildungsmagazine (Köln, Ruhrgebiet, Aachen und Düsseldorf) vertreten:
klimaneutral
natureOffice.com | DE-294-057838
engels verlost 3x2 Karten.
E-Mail bis 24.5. an
[email protected]
Kennwort: „Apassionata“
31
So 31.5. 14 Uhr
gedruckt
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April 2015
Das MeinungsMagazin
NUR EINE STUNDE RUHE!
EIN FILM VON PATRICE LECONTE
facebook.com/einestunderuhe
ab 16.4. im Kino