Corporate Inhalt Im Fokus Mehr Frauen in Führungspositionen – Die „gesetzliche Frauenquote“ kommt 4 Zeitliche Begrenzung der Nachhaftung der herrschenden Gesellschaft bei Beendigung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags 12 Trends W&I Insurance – Versicherung von Garantierisiken beim Unternehmenskaufvertrag 6 Aktuelle Urteile Zum Erfordernis der Zustimmung der Hauptversammlung für die Erstattung von staatlichen Geldsanktionen gegenüber Vorstandsmitgliedern Zur Löschung eines länger als drei Jahre im Handelsregister eingetragenen nichtigen Hauptversammlungsbeschlusses 10 8 Distanzierung von Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre bei Personengesellschaften 14 Zur Vorlagepflicht von Due Diligence Berichten im Rahmen einer Betriebsprüfung 16 APRIL Newsletter April 2015 Corporate April 2015 Der Hogan Lovells Corporate Newsletter informiert Sie in kompakter Form über Trends und aktuelle Ereignisse in allen Bereichen des Gesellschaftsrechts und M&A, einschließlich Corporate Litigation. Dieser Newsletter ersetzt keine rechtliche Beratung. Für Ihre konkreten Fälle dürfen Sie sich nicht auf die hier enthaltenen Angaben verlassen, da wir insoweit keine Haftung übernehmen. Wenn Sie nähere Informationen zu den behandelten Themen benötigen, so erhalten Sie diese von Ihrem Hogan Lovells-Anwalt, der Sie berät, oder bei den im jeweiligen Beitrag genannten Ansprechpartnern. Wenn Sie uns noch nicht kennen: Testen Sie uns! Wir freuen uns auf Sie. Ihre Corporate-Redaktion [email protected] 1 2 Der Corporate Newsletter ist auch als E-Mail Newsletter erhältlich. Falls Sie den Newsletter nicht mehr erhalten möchten, teilen Sie uns dies bitte mit. Der Corporate Newsletter wird herausgegeben von Hogan Lovells International LLP, Praxisgruppe Corporate Deutschland Corporate April 2015 Corporate April 2015 Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, die April-Ausgabe unseres Newsletters eröffnen wir mit einem Beitrag zum vor wenigen Tagen vom Bundestag und vom Bundesrat verabschiedeten Gesetz zur Einführung einer Frauenquote. Fixe Mindestquote, Zielgröße: Welche Unternehmen ab welchen Zeitpunkten welchen Verpflichtungen unterworfen werden, stellen wir in unserem Fokus-Beitrag dar. Die Versicherung von Garantien und Freistellungen eines Unternehmenskaufvertrags gewinnt immer mehr an Bedeutung. Wir geben Ihnen zu diesem M&A-Trend wichtige Hinweise für die Praxis. Wie immer beleuchten wir interessante Gerichtsentscheidungen der letzten Monate. Der Bundesgerichtshof hat sich zu den Voraussetzungen geäußert, unter denen die Gesellschaft einem Vorstandsmitglied Geldsanktionen erstatten darf, die gegen das Vorstandsmitglied verhängt werden. Er hat entschieden, wie lange ein Aktionär die Löschung eines nichtigen Hauptversammlungsbeschlusses aus dem Handelsregister anregen kann. Auch hat er die zeitlichen Grenzen aufgezeigt, innerhalb derer der Gläubiger einer abhängigen Gesellschaft seinen Anspruch auf Sicherheitsleistung nach Beendigung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags geltend machen kann. In Gesellschaftsverträgen von Personengesellschaften finden sich häufig einfache Mehrheitsklauseln für Beschlussfassungen der Gesellschafter. Die Wirksamkeit dieser Klauseln unterwirft der BGH nun neuen Maßstäben. Ebenfalls von hoher praktischer Relevanz ist eine im vorläufigen Rechtsschutz ergangene Entscheidung des Finanzgerichts Münster zu der Frage, ob ein Betriebsprüfer die Vorlage von Due Diligence-Berichten verlangen darf. Ihre Praxisgruppe Corporate 3 4 Corporate April 2015 Im Fokus Mehr Frauen in Führungspositionen - Die "gesetzliche Frauenquote" kommt Am 6. März 2015 hat der Bundestag den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf des „Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen“ verabschiedet. Der Bundesrat folgte am 27. März 2015 der Ausschussempfehlung und rief nicht den Vermittlungsausschuss an, so dass das Gesetz bald in Kraft treten wird. Ab dem 1. Januar 2016 werden dann Großunternehmen, die börsennotiert und paritätisch mitbestimmt sind, in ihren Aufsichtsräten für Frauen und Männer eine Quote von 30 Prozent erreichen müssen. Mittelgroße Unternehmen müssen sich schon dieses Jahr, nämlich bis zum 30. September 2015, Ziele für die Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen setzen. Die gesetzlichen Neuerungen im Überblick Um die neuen Vorschriften nachvollziehen zu können, ist die Unterscheidung der beiden Regelungskomplexe entscheidend: Neu eingeführt wird einerseits eine starre Geschlechterquote von jeweils mindestens 30 Prozent Frauen und Männern („fixe Mindestquote“) für die Aufsichtsräte der etwa 108 großen, börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen. Andererseits werden die vorgenannten großen Unternehmen sowie weitere, mittelgroße Unternehmen (insgesamt ca. 3.500) verpflichtet, zur Erhöhung des Frauenanteils auf den Führungsebenen sog. Zielgrößen festzulegen. Fixe Mindestquote im Aufsichtsrat Der Anwendungsbereich der Regelungen zur fixen Mindestquote erfasst damit nur diejenigen Unternehmen, die zum einen börsennotiert sind und für die zum anderen das Mitbestimmungsgesetz, das Montan-Mitbestimmungsgesetz oder das Mitbestimmungsergänzungsgesetz gilt. Diese Gesetze schreiben die Bildung eines paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrats vor, in dem die Arbeitnehmer zahlenmäßig genauso vertreten sind wie die Anteilseigner der Gesellschaft. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Mitbestimmungsgesetzes, das in der Praxis die größte Relevanz hat, ist, dass das Unternehmen mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt oder sich zurechnen lassen muss. Die Bundesregierung geht davon aus, dass etwa 108 Unternehmen in Deutschland die fixe Mindestquote erfüllen werden müssen. Regelmäßig werden dies die großen Publikumsgesellschaften sein, die als Aktiengesellschaften (AG) oder Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) organisiert sind. Hinzu kommen noch Europäische Gesellschaften (SE) sowie diejenigen Unternehmen, die aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgegangen sind, und die ebenfalls börsennotiert und paritätisch mitbestimmt sind – insoweit gelten aber ein paar Besonderheiten. Zielgrößen Deutlich mehr Unternehmen, nach Schätzung der Bundesregierung einschließlich der etwa 108 großen Unternehmen ca. 3.500, werden in Zukunft regelmäßig, erstmalig bis spätestens zum 30. September 2015, Zielgrößen für die Erhöhung des Frauenanteils an Führungspositionen, d.h. für Aufsichtsrat, Leitungsorgan (z.B. Vorstand, Geschäftsführer) und die beiden obersten Führungsebenen unterhalb des Leitungsorgans, festlegen müssen. Betroffen sind alle Unternehmen, die börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen. Dies können neben Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Europäischen Gesellschaften auch Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), eingetragene Genossenschaften oder Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit sein. Eine paritätische Mitbestimmung, d.h. eine gleiche Anzahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat, ist nicht zwingend Voraussetzung, um in den Anwendungsbereich der Zielgrößenvorschriften zu fallen. Es ist also z.B. ausreichend, wenn eine GmbH in den Geltungsbereich des Drittelbeteiligungsgesetzes fällt, was in aller Regel der Fall sein wird, wenn die GmbH mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt oder sich im Konzernzusammenhang zurechnen lassen muss. Zusammen mit den Zielgrößen ist zudem eine Frist festzusetzen, innerhalb derer die Unternehmen ihre selbstgesteckten Ziele erreichen wollen. Die erste Frist darf nicht über den 30. Juni 2017 hinaus andauern. In Corporate April 2015 der Folgezeit dürfen die Fristen zur Erreichung der Zielgrößen jeweils längstens fünf Jahre betragen. Da die Festsetzungen, d.h. Zielgrößen und Frist, veröffentlicht werden müssen, erhofft sich der Gesetzgeber durch den Druck der Öffentlichkeit eine gewisse Disziplinierung. Echte Sanktionen für das Verfehlen der festgelegten Zielgrößen sind dagegen nicht vorgesehen. Jedoch müssen bei Nichterreichung der selbstgesetzten Ziele die Gründe öffentlich gemacht werden (Prinzip des „comply or explain“). Erstmalige Bildung mitbestimmter Aufsichtsräte aus Anlass der „Frauenquote“? Die neuen gesetzlichen Vorgaben knüpfen hinsichtlich der Pflicht, Zielgrößen festzulegen, daran an, ob eine Gesellschaft der Mitbestimmung unterliegt. Demnach spricht der Gesetzeswortlaut dafür, dass es nicht darauf ankommt, ob eine Gesellschaft auch tatsächlich einen (drittel-) mitbestimmten Aufsichtsrat gebildet hat, sondern nur darauf, ob ein solcher zu bilden wäre. Auch die Begründung des Gesetzes weist in diese Richtung. In der Praxis gibt es jedoch viele Unternehmen, die – gleich aus welchen Gründen – trotz der generellen Anwendbarkeit z.B. des Drittelbeteiligungsgesetzes oder des Mitbestimmungsgesetzes auf das Unternehmen keinen (drittel-) mitbestimmten Aufsichtsrat gebildet haben. Für diese Unternehmen stellt sich jetzt die kritische Frage, ob das baldige Inkrafttreten der neuen Vorschriften zum Anlass genommen werden muss, nun erstmals (und zeitnah) einen Aufsichtsrat zu bilden, in dem die Arbeitnehmer ihr Mitbestimmungsrecht ausüben können. Die Nichtbeachtung der gesetzlichen Pflicht z.B. einer in den Geltungsbereich des Drittelbeteiligungsgesetzes fallenden GmbH, einen drittelmitbestimmten Aufsichtsrat zu bilden, stellt zwar eine Pflichtverletzung der Geschäftsführer dieser GmbH dar, die dem Grunde nach zu Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegenüber den Geschäftsführern führt. Da es bislang in aller Regel jedoch unwahrscheinlich war, dass aus dieser Pflichtverletzung ein bezifferbarer Schaden der Gesellschaft entstand, war das praktische Risiko einer Inanspruchnahme der Geschäftsführer gering. Dies könnte sich durch die neuen gesetzlichen Regelungen ändern. Denn die festgelegten Zielgrößen sind in die Erklärung zur Unternehmensführung aufzunehmen, die Teil des Lageberichts der Gesellschaft nach dem Handelsgesetzbuch ist. Wird gegen diese Berichtspflicht verstoßen, kann dies eine Ordnungswidrigkeit darstellen, die mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro geahndet werden könnte. Es ist momentan noch unklar, inwieweit die zuständigen Behörden Verstöße gegen die neuen Berichtspflichten verfolgen und ahnden werden. Daneben könnte die Berichterstattung über die „gesetzliche Frauenquote“ in den Medien dazu führen, 5 dass die Arbeitnehmer(-vertretungen) in Unternehmen, die in den Geltungsbereich des Drittelbeteiligungsgesetzes oder des Mitbestimmungsgesetzes fallen, ein Verfahren zur Bildung eines (drittel)mitbestimmten Aufsichtsrats betreiben. Jedenfalls dann, wenn ein nicht börsennotiertes Unternehmen durch die Festlegung von Zielgrößen mittelbar zu erkennen gibt, dass es selber davon ausgeht, in den Geltungsbereich eines der genannten Gesetze zu fallen, droht die Einleitung eines gerichtlichen Statusverfahrens, etwa auf Antrag des (Gesamt-) Betriebsrats oder einer im Unternehmen vertretenen Gewerkschaft. Moritz Langemann Associate, München T +49 (89) 29012 141 [email protected] 6 Corporate April 2015 Trends W&I Insurance - Versicherung von Garantierisiken beim Unternehmenskauf Seit Jahren bieten Versicherer für Garantien und Freistellungen in Unternehmenskaufverträgen Versicherungslösungen (sog. Warranties & Indemnities Insurance) an, ohne dass diese bislang eine große praktische Rolle gespielt hätten. Die Prozesse für den Abschluss von Versicherungen galten als langwierig, die Prämien als zu teuer. Dies hat sich geändert. Die Zahl der Anbieter ist gestiegen, die Konditionen haben sich über den Wettbewerb verbessert. Auch – und das ist vielleicht am wichtigsten – haben sich die Prozesse für den Abschluss einer Versicherung so vereinfacht, dass sie sich unproblematisch in einen herkömmlichen M&AProzess einbauen lassen. Garantien und Freistellungen werden in Unternehmenskaufverträgen regelmäßig sehr kontrovers verhandelt. Seitens des Käufers besteht das Bedürfnis, bestimmte Annahmen hinsichtlich des erworbenen Unternehmens durch Garantien abzusichern und Freistellungen für bereits identifizierte Risiken zu vereinbaren. Die Verkäufer hingegen möchten ihr Risiko, für Garantieverletzungen und Freistellungen zu haften, auf ein Minimum reduzieren. Praxistipp: Gerade bei schwierigen Verhandlungen über Garantien und Freistellungen und scheinbar unauflösbaren Konflikten sollten die Parteien die Möglichkeit einer Versicherung entsprechender Risiken in Erwägung ziehen. Was kostet eine W&I Insurance? Die Versicherung von Garantien und Freistellungen kostet zwischen 1 % und 2,5 % des versicherten Risikos. Da die Mindestprämie je nach Versicherer ca. EUR 60.000 beträgt, rechnet sich eine Versicherung bereits ab einem versicherten Risiko von ca. EUR 6 Millionen. Der Garantienehmer muss dabei typischerweise einen Selbstbehalt von 1 % des Unternehmenswertes übernehmen. Praxistipp: Eine W&I Insurance ist kein StandardProdukt, sondern wird für eine bestimmte Transaktion maßgeschneidert. Der Garantienehmer kann dabei selbst bestimmen, welche Risiken er versichern möchte. So ist es beispielsweise empfehlenswert, lediglich das Risiko aus operativen Garantien bis zu dem vertraglich vereinbarten Haftungshöchstbetrag zu versichern, nicht eine weitergehende Haftung aus gesellschaftsrechtlichen Garantien, aus welchen das Haftungsrisiko aus Sicht des Garantiegebers typischerweise überschaubar ist. Für welche Transaktionen eignet sich eine W&I Insurance? Versicherer sind typischerweise nur bereit, Garantien und Freistellungen zu versichern, wenn die Transaktion (jedenfalls) auf Erwerberseite professionell begleitet und eine Due Diligence-Prüfung durchgeführt wurde. Die Versicherer führen eine eigene, sehr kursorische Due Diligence-Prüfung durch und prüfen insbesondere die vorhandenen Due Diligence Berichte auf einer NonReliance-Basis auf Plausibilität. Wer schließt die Versicherung ab? Sowohl die Verkäufer als auch die Käufer können eine entsprechende Police abschließen. Etwa 70 % der Policen sind sog. Buyer-Policen, also von den Käufern abgeschlossene Versicherungen. In diesem Fall vereinbaren Verkäufer und Käufer zwar bestimmte Garantien, schließen jedoch die Haftung des Verkäufers in dem Umfang aus, in welchem der Käufer den Versicherungsschutz erwirbt. Praxistipp: Insbesondere als Käufer ist eine M&A Versicherung interessant. Für eine vergleichsweise geringe Prämie lässt sich so ein höherer Schutz erzielen, als ihn der Verkäufer zu gewähren bereit ist. Wie lange dauert der Prozess zum Abschluss einer W&I Insurance? Mit entsprechender Vorbereitung lässt sich eine W&I Insurance innerhalb von etwa 2 bis 3 Wochen abschließen. Zunächst empfiehlt es sich, ggf. über einen Makler verschiedene Angebote einholen zu lassen. Hierfür schließen die Parteien mit dem Makler und den Versicherern übliche NDAs. Dem Versicherer Corporate April 2015 7 werden sodann alle relevanten Transaktionsdokumente zur Verfügung gestellt (insbesondere Information Memorandum, Due Diligence Berichte, Kaufvertragsentwürfe). Den Versicherer interessieren hier insbesondere auch alle ausgetauschten Vertragsversionen, um anhand der Mark-ups ein Gefühl für die kritischen Garantiethemen zu entwickeln. Parallel kann bereits die Police verhandelt werden. Vor dem Abschluss der Police findet ein sog. Underwriting Call statt, in welchem dem Versicherer alle Fragen zur Transaktion beantwortet werden. Zeitgleich mit dem Signing wird dann die Versicherung abgeschlossen. Praxistipp: Häufig lohnt sich die Einschaltung von Versicherungsmaklern. Die Makler werden aus der Versicherungsprämie bezahlt und verursachen daher keine Mehrkosten für die Parteien. Gleichzeitig helfen sie, geeignete Versicherungen zu identifizieren, die Angebote zu bewerten und marktübliche Konditionen zu verhandeln. Bewertung Eine W&I Insurance kann eine gute Möglichkeit darstellen, für eine vergleichsweise günstige Prämie die Haftung des Verkäufers zu reduzieren. Im Ergebnis kann eine Versicherung zu einem Win-Win für die Parteien führen: Der Verkäufer reduziert seine Haftung und der Käufer erhöht seinen vertraglichen Schutz. Nikolas Zirngibl Partner, München T +49 (89) 29012 131 [email protected] 8 Corporate April 2015 Aktuelle Urteile Zum Erfordernis der Zustimmung der Hauptversammlung für die Erstattung von staatlichen Geldsanktionen gegenüber Vorstandsmitgliedern BGH, Urteil vom 8. Juli 2014 – II ZR 174/13 Der Bundesgerichtshof hat in dieser bedeutsamen Entscheidung dazu Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft Vorstandmitgliedern die Erstattung von staatlichen Geldsanktionen ohne zusätzliche Zustimmung der Hauptversammlung zusagen kann. Entscheidendes Kriterium ist, ob gleichzeitig eine Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds gegenüber der Aktiengesellschaft gegeben ist. Soweit eine solche Pflichtverletzung gegenüber der Aktiengesellschaft vorliegt, ist neben dem Aufsichtsratsbeschluss eine zusätzlich Zustimmung der Hauptversammlung und die Beachtung der weiteren Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG erforderlich. Andernfalls kann der Aufsichtsrat die Zusage gegenüber dem Vorstandsmitglied allein treffen. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Einem Vorstandsmitglied wurden im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens diverse Straftaten vorgeworfen (u.a. Betrug, Untreue und Bilanzfälschung). Die betroffene Aktiengesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat, ging davon aus, dass diese Vorwürfe nicht stichhaltig seien. Dennoch wurden das Anstellungsund das Organverhältnis auf Grundlage eines Aufsichtsratsbeschlusses durch Aufhebungsvertrag beendet. Im Aufhebungsvertrag wurde dem Vorstandsmitglied zugesagt, dass die Gesellschaft staatliche Geldsanktionen – soweit rechtlich zulässig – übernehmen werde, falls solche aus dem Ermittlungsverfahren resultieren sollten. Im Gegenzug solle sich das Vorstandsmitglied u.a. mit der Beendigung des Strafverfahrens gegen die Bezahlung einer Geldauflage einverstanden erklären. In der Folge wurde dem Vorstandsmitglied ein Darlehen über EUR 50.000 gewährt, das er zur Begleichung einer im Rahmen von § 153a StPO verhängten Geldauflage verwendete. Im Nachgang verlangte die Aktiengesellschaft die Rückzahlung des gewährten Darlehens. Das ehemalige Vorstandsmitglied hielt der Rückforderung entgegen, dass sich die Aktiengesellschaft wirksam zur Übernahme der Geldsanktion verpflichtet habe. Das Landgericht Stade und das OLG Celle gaben dem Vorstandsmitglied Recht. Die Entscheidung des BGH: Der Bundesgerichtshof folgte den Instanzgerichten nicht. Er entschied, dass der Aufsichtsrat die Übernahme einer staatlichen Geldsanktion durch die Gesellschaft nicht wirksam beschließen könne, soweit das zugrundeliegende Verhalten gleichzeitig eine Pflichtwidrigkeit gegenüber der Gesellschaft darstelle. Entsprechend § 93 Abs. 3 Satz 4 AktG sei in einem solchen Fall die Übernahme von staatlichen Geldsanktionen Aufgabe der Hauptversammlung. Die entsprechende Anwendung von § 93 Abs. 3 Satz 4 AktG rechtfertige sich durch den Zweck der Norm. Die Vorschrift diene dem Schutz des Gesellschaftsvermögens und der Minderheitsaktionäre. Mit der Zahlung der Geldsanktion werde der Gesellschaft ein bewusster Vermögensnachteil zugefügt, obwohl die Belastung nach der Wertung von § 93 Abs. 1 AktG bei Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit gegenüber der Gesellschaft vom Vorstandsmitglied selbst zu tragen sei. Zudem sei zu beachten, dass das Vermögen der Gesellschaft wirtschaftlich nicht dem Aufsichtsrat zustehe, sondern den Aktionären. Diese hätten daher auch über das Eingehen eines bewussten Vermögensnachteils der Gesellschaft zu entscheiden. Zudem werde auf diese Weise einer „kollegialen Verschonung“ des Vorstands oder einer „Selbstenthaftung der Organe“ vorgebeugt. Ein Aufsichtsrat könne schon unter eigenen haftungsrechtlichen Gesichtspunkten – z.B. wegen unzureichender Kontrolle des Vorstands – ein Interesse daran haben, dass Pflichtverletzungen von Vorstandsmitgliedern nicht bekannt würden. Soweit es dagegen an einer Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds fehle, kommt eine Ersatzpflicht nach § 93 Abs. 2 AktG von vornherein nicht in Betracht, so dass auch für die Anwendung der Sonderregelung in § 93 Abs. 3 Satz 4 AktG kein Platz ist. In diesem Fall könne der Aufsichtsrat allein über eine Übernahme von Geldsanktionen gegen das Vorstandsmitglied durch die Gesellschaft entscheiden. Ob eine Pflichtverletzung Corporate April 2015 vorliege, sei dabei eine „Frage des Erkenntnisbereichs“ und daher einer gerichtlichen Überprüfung vollständig zugänglich – es bestehe insoweit kein Ermessensspielraum des Aufsichtsrats. Dass das Vorstandsmitglied schließlich dazu beigetragen habe, eine öffentliche Erörterung der Strafvorwürfe in einer Hauptverhandlung zu vermeiden, sei keine Leistung, die einem potentiellen Erstattungsanspruch der Gesellschaft entgegen gehalten werden könne. Ein entsprechendes Verhalten könne den aus der Übernahme der Geldsanktion resultierenden Vermögensnachteil nicht ausgleichen. Der Bundesgerichtshof verwies die Sache an das Berufungsgericht zur weiteren Sachaufklärung zurück. Zu klären sei insbesondere, ob das möglicherweise strafrechtliche Verhalten des ehemaligen Vorstandsmitglieds gleichzeitig als Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft anzusehen sei. Das bedeutet für Sie: Der Bundesgerichtshof hat sich mit seiner Entscheidung der herrschenden Meinung in der Literatur angeschlossen – insoweit kann die Entscheidung nicht wirklich als Überraschung bezeichnet werden. Dennoch existiert eine durchaus verbreitete Praxis, insbesondere Geldauflagen nach § 153a StPO durch die Gesellschaft übernehmen zu lassen, nicht zuletzt um einer Veröffentlichung der Strafvorwürfe und den daraus folgenden Imageschäden für das Unternehmen vorzubeugen. Dieses Vorgehen wird in Zukunft nicht unwesentlich erschwert. Der Aufsichtsrat wird zunächst die Frage zu klären haben, ob dem Vorstandsmitglied tatsächlich eine Pflichtverletzung zur Last zu legen ist. Dabei wird er sich nach den höchstrichterlichen Grundsätzen regelmäßig auf Experten-Gutachten stützten müssen, will er nicht selbst eine unmittelbare Haftung riskieren. Soweit nach entsprechender Aufklärung eine Pflichtverletzung überzeugend und plausibel ausgeschlossen werden kann, bleibt es bei der bisherigen Praxis, dass der Aufsichtsrat alleine entscheiden kann. Andernfalls ist eine Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich, die zudem erst drei Jahre nach Anspruchsentstehung gewährt werden kann (§ 93 Abs. 4 Satz 3 AktG), was ein entsprechendes Vorgehen in doppelter Hinsicht impraktikabel macht. Ein Ausweg aus diesem Dilemma könnte möglicherweise durch eine angemessene Ausgestaltung variabler Vorstandsbezüge erfolgen, wobei vor offensichtlichen Umgehungstatbeständen zu warnen ist. Der Bundesgerichtshof hat sich mit seiner Entscheidung der herrschenden Meinung in der Literatur angeschlossen – insoweit kann die Entscheidung nicht wirklich als Überraschung 9 bezeichnet werden. Dennoch existiert eine durchaus verbreitete Praxis, insbesondere Geldauflagen nach § 153a StPO durch die Gesellschaft übernehmen zu lassen, nicht zuletzt um einer Veröffentlichung der Strafvorwürfe und den daraus folgenden Imageschäden für das Unternehmen vorzubeugen. Dieses Vorgehen wird in Zukunft nicht unwesentlich erschwert. Der Aufsichtsrat wird zunächst die Frage zu klären haben, ob dem Vorstandsmitglied tatsächlich eine Pflichtverletzung zur Last zu legen ist. Dabei wird er sich nach den höchstrichterlichen Grundsätzen regelmäßig auf Experten-Gutachten stützten müssen, will er nicht selbst eine unmittelbare Haftung riskieren. Soweit nach entsprechender Aufklärung eine Pflichtverletzung überzeugend und plausibel ausgeschlossen werden kann, bleibt es bei der bisherigen Praxis, dass der Aufsichtsrat alleine entscheiden kann. Andernfalls ist eine Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich, die zudem erst drei Jahre nach Anspruchsentstehung gewährt werden kann (§ 93 Abs. 4 Satz 3 AktG), was ein entsprechendes Vorgehen in doppelter Hinsicht impraktikabel macht. Ein Ausweg aus diesem Dilemma könnte möglicherweise durch eine angemessene Ausgestaltung variabler Vorstandsbezüge erfolgen, wobei vor offensichtlichen Umgehungstatbeständen zu warnen ist. Olaf Gärtner Partner, München T +49 (89) 29012 239 [email protected] 10 Corporate April 2015 Aktuelle Urteile Zur Löschung eines länger als drei Jahre im Handelsregister eingetragenen nichtigen Hauptversammlungsbeschlusses BGH, 15. Juli 2014, II ZB 18/13 Der BGH hat entschieden, dass einem Aktionär, der beim Registergericht die Löschung eines länger als drei Jahre im Handelsregister eingetragenen Beschlusses der Hauptversammlung als nichtig anregt, gegen den zurückweisenden Beschluss des Registergerichts mangels Beschwerdebefugnis kein Rechtsmittel zusteht. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Beteiligte B ist Aktionär der nicht börsennotierten AAG. In einer Hauptversammlung der A-AG im September 2004 wurde die Satzung der A-AG teilweise neu gefasst. Nach der für die Entscheidung maßgeblichen Änderungen der Satzung sollten sich die Aktionäre in einer Hauptversammlung der A-AG (nur) durch bestimmte Bevollmächtigte vertreten lassen können. Der Hauptversammlungsbeschluss wurde im November 2004 in das Handelsregister eingetragen. Der Beteiligte B war der Ansicht, durch die Satzung in der geänderten Fassung würden die Rechte der Aktionäre in unzulässiger Weise eingeschränkt. Er wollte die Löschung des Beschlusses im Handelsregister nach §§ 398, 395 FamFG erreichen. §§398, 395 FamFG sehen vor, dass nichtige Hauptversammlungsbeschlüsse von Amts wegen gelöscht werden können. Der Beteiligte B regte eine solche Löschung gegenüber dem Registergericht an. Zu diesem Zeitpunkt war der Beschluss bereits seit mehr als drei Jahren im Handelsregister eingetragen. Das Registergericht wies diese Anregung durch Beschluss zurück. Das daraufhin von dem Beteiligten B angerufene Beschwerdegericht gab dem Beteiligten B Recht und wies das Registergericht an, den entsprechenden Beschluss zu löschen. Hiergegen erhob die A-AG Rechtsbeschwerde beim BGH. Die Entscheidung des BGH: Der BGH hob den Beschluss des Beschwerdegerichts auf und verwarf die Beschwerde des Beteiligten B gegen den ablehnenden Beschluss des Registergerichts als unzulässig. Das Registergericht war damit im Ergebnis nicht verpflichtet, den Beschluss der Hauptversammlung im Handelsregister zu löschen. Als Begründung führte der BGH aus, eine Löschung nichtiger Hauptversammlungsbeschlüsse erfolge gemäß §§ 398, 395 FamFG nur von Amts wegen oder auf Antrag der berufsständischen Organe, wenn durch ihren Inhalt zwingende gesetzliche Vorschriften verletzt werden oder ihre Beseitigung im öffentlichen Interesse erforderlich erscheint. Als Aktionär habe der Beteiligte B kein Antragsrecht. Folglich fehle es ihm an einer Beschwerdebefugnis nach § 59 Abs. 1 FamFG, um den ablehnenden Beschluss des Registergerichts anzufechten. Nach § 59 Abs. 2 FamFG steht neben einem Antragsteller eine Beschwerdebefugnis auch demjenigen zu, der durch einen Beschluss in eigenen subjektiven Rechte beeinträchtigt ist. Dies sei für den Beteiligten B nicht der Fall. Der BGH begründet das Fehlen eines subjektiven Rechts damit, dass der Beschluss bereits länger als drei Jahre im Handelsregister eingetragen war, und damit eine etwaige Nichtigkeit gemäß § 242 Abs. 2 S. 1 AktG nicht mehr geltend gemacht werden kann (der BGH ließ dabei offen, ob der Beschluss tatsächlich nichtig ist und falls ja, ob diese auf § 241 S. 1 Nr. 1, 3 oder 4 AktG beruht). Damit habe der einzelne Aktionär kein subjektives Recht mehr, von den Wirkungen des Beschlusses verschont zu bleiben und daher greife der angefochtene Beschluss nicht in eine Rechtsstellung des Beteiligten B ein. Im Schrifttum ist diese Auffassung umstritten. So wird auch vertreten, dem einzelnen Aktionär sei dann ein Beschwerderecht einzuräumen, wenn der nach § 242 Abs. 1 AktG geheilte Hauptversammlungsbeschluss ihn in einem Individualrecht beeinträchtigt, insbesondere sein Mitgliedschaftsrecht einschränkt. Der BGH erteilt dieser Auffassung unter Berufung aus Sinn und Zweck des Amtslöschungsverfahrens sowie unter Verweis auf die Heilungswirkung des § 242 Abs. 1 AktG eine Absage. Das Amtslöschungsverfahren sei nicht im Interesse einzelner Aktionäre eingerichtet worden, sondern diene dem Schutz der Allgemeinheit. Aus diesem Grund sei es nicht als Antragsverfahren ausgestaltet worden. Der einzelne Aktionär sei mit der Möglichkeit der Nichtigkeitsklage (§ 249 AktG) ausreichend geschützt. Für eine zusätzliche Corporate April 2015 11 Beschwerdebefugnis des Aktionärs im Rahmen von § 59 AktG bestehe kein schützenswertes Interesse. Das bedeutet für Sie: Für die Praxis wird durch die Entscheidung klar, dass Aktionäre eine etwaige Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen nach Ablauf von drei Jahren ab Eintragung in das Handelsregister nicht mehr geltend gemacht machen können – wegen der Heilungswirkung des § 242 Abs. 1 AktG nicht durch Nichtigkeitsklage und mangels Antragsrecht bzw. Beschwerdebefugnis auch nicht im Amtslöschungsverfahren nach §§ 398, 395 FamFG. Da dies auch dann gilt, wenn Aktionäre durch vermeintlich nichtige Beschlüsse in individuellen Rechten beeinträchtigt sein können, ist in der Praxis auf den Lauf der Dreijahresfrist genau zu achten. Die Möglichkeit einer Löschung von Amts wegen ohne Beteiligung eines Aktionärs wird durch die Entscheidung nicht berührt. Dr. Malte Ingwersen Associate, Düsseldorf T +49 (211) 1368 445 [email protected] 12 Corporate April 2015 Aktuelle Urteile Zeitliche Begrenzung der Nachhaftung der herrschenden Gesellschaft bei Beendigung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags BGH, Urteil vom 7. Oktober 2014 - II ZR 361/13 begrenzt sind, die vor Ablauf von fünf Jahren nach der Bekanntmachung fällig werden. Der BGH setzt sich in der vorliegenden Entscheidung mit der zeitlichen Begrenzung des Anspruchs der Gläubiger einer abhängigen Gesellschaft auf Sicherheitsleistung gegen die herrschende Gesellschaft nach Beendigung eines Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrags auseinander. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die s.GmbH U. schloss im Dezember 2007 mit der Klägerin einen Mietvertrag für die Dauer von 15 Jahren über ein eigens zu diesem Zweck errichtetes gewerbliches Objekt. Bereits zuvor, im Jahr 2006, hatte die Beklagte als herrschendes Unternehmen mit der s.GmbH U. für die Dauer von 10 Jahren einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen. Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag wurde im Jahr 2010 vorzeitig durch Aufhebungsvertrag beendet. Die Eintragung der Aufhebung wurde am 17. Januar 2011 im Handelsregister bekannt gemacht. Die Beklagte gab gegenüber der Klägerin analog § 303 Abs. 3 AktG ein Bürgschaftsversprechen ab, das zeitlich bis zum 16. Januar 2016 befristet ist. Mit der Klage verlangte die Klägerin von der Beklagten Sicherheitsleistung in konkret bestimmter Höhe für einen über den 16. Januar 2016 hinausgehenden Zeitraum. Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Die Entscheidung des BGH: Der BGH hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen und hat entschieden, dass Ansprüche der Gläubiger einer abhängigen Gesellschaft auf eine Sicherheitsleistung für Verbindlichkeiten, die bis zur Bekanntmachung der Eintragung der Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags begründet, aber erst danach fällig werden, entsprechend den Nachhaftungsregeln gemäß §§ 26, 160 HGB und § 327 Abs. 4 AktG auf Ansprüche Zunächst führt der BGH in seiner Entscheidung aus, dass der Rechtsgedanke des § 302 AktG auch im Vertragskonzern mit einer abhängigen GmbH entsprechend anzuwenden sei. Der in § 303 AktG normierte Sicherungsanspruch erstrecke sich auf alle vor diesem Zeitpunkt begründeten Forderungen, enthalte aber keine Regelung im Hinblick auf die zeitliche Begrenzung der Nachhaftung der herrschenden Gesellschaft nach Aufhebung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags. Bislang ist in derartigen Fallkonstellationen im Schrifttum streitig gewesen, ob der Anspruch auf Sicherheitsleistung entsprechend den Nachhaftungsregelungen gemäß §§ 26, 160 HGB und § 327 Abs. 4 AktG auf eine fünfjährige Nachhaftung zeitlich zu begrenzen oder - entsprechend einer früheren Entscheidung des Senats (BGH, Urteil vom 18. März 1996 - II ZR 299/94) - auf ein konkret zu bestimmendes Sicherungsinteresse des jeweiligen Gläubigers abzustellen sei. Der BGH schließt sich in der vorliegenden Entscheidung - entgegen seiner früheren Entscheidung - der Ansicht des Berufungsgerichts an, welches davon ausgeht, dass im Hinblick auf die zeitliche Begrenzung der Nachhaftung bei § 303 AktG eine unbeabsichtigte, planwidrige Regelungslücke bestehe, die über eine analoge Anwendung der §§ 26, 160 HGB und § 327 Abs. 4 AktG zu schließen und die Haftung des vormals herrschenden Unternehmens nach Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags auf eine fünfjährige Nachhaftung zu begrenzen sei. Weder die Gesetzesmaterialien zum Nachhaftungsbegrenzungsgesetz noch sonstige Anhaltspunkte ließen darauf schließen, dass der Gesetzgeber in § 303 AktG bewusst von einer zeitlichen Begrenzung der Sicherheitsleistung abgesehen habe. Zudem sei auch die Interessenlage mit jener beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personenhandelsgesellschaft vergleichbar. In beiden Fällen habe der Gläubiger, der das jeweilige Rechtsverhältnis mit Blick auf die Zahlungsfähigkeit seines Haftungsschuldners eingegangen ist, laut BGH keinen Anspruch auf den Fortbestand des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages und Corporate April 2015 der damit verbundenen Verlustausgleichspflicht zugunsten der beherrschten Gesellschaft bzw. auf den Verbleib des ausscheidenden Gesellschafters in der Gesellschaft. Zudem sei die Begrenzung der Nachhaftung auf fünf Jahre auch vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass das Risiko der finanziellen Abhängigkeit der vormals beherrschten Gesellschaft vom herrschenden Unternehmen mit jedem Jahr nach Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages sinke. Der BGH hat außerdem festgestellt, dass sich ein Anspruch der Klägerin auf Sicherheitsleistung auch nicht aufgrund eines vorvertraglichen Schadensersatzanspruches (culpa in contrahendo, §§280 Abs. 1, 311 Abs. 3 BGB) ergibt, da der Klägerin danach allenfalls ein Ersatz des Vertrauensschadens somit die Fortzahlung des geschuldeten Mietzinses jedoch nicht die Leistung von Sicherheit zugebilligt werden könne. Das bedeutet für Sie: Mit der Einführung der zeitlichen Begrenzung der Nachhaftung auf fünf Jahre analog §§ 26, 160 HGB und § 327 Abs. 4 AktG schafft der BGH eine klare und rechtssichere Lösung, die die insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen bestehende Gefahr für das vormals herrschende Unternehmen bei Beendigung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags einer Endloshaftung ausgesetzt zu sein, interessengerecht löst. Auch im Hinblick auf die Durchführung von M&A-Transaktionen hat die Entscheidung des BGH praktische Relevanz. In diesem Zusammenhang stellt sich häufig die Frage, in welcher Höhe der Verkäufer den Gläubigern der zu veräußernden Zielgesellschaft bei Beendigung des Unternehmensvertrages zum Closing Sicherheit zu leisten hat. Bei Geltung der fünfjährigen Nachhaftungsregelungen kann die Höhe der Sicherheitsleistung künftig verlässlich kalkuliert und entsprechend im Unternehmenskaufvertrag wirtschaftlich zwischen den Parteien abgebildet werden. Aus Sicht des Gläubigers eines beherrschten Unternehmens kann es künftig sinnvoll sein, bei noch nicht abgeschlossenen Dauerschuldverhältnissen auf eine zusätzliche vertragliche Absicherung durch die Konzernobergesellschaft (etwa durch die Übernahme einer Bürgschaft oder Garantie) zu bestehen, die auch nach Beendigung des Unternehmensvertrages und der fünfjährigen Nachhaftung dem Sicherungsbedürfnis ausreichend Rechnung trägt. Bei bereits abgeschlossenen Verträgen ist eine nachträgliche vertragliche Absicherung grundsätzlich ebenfalls denkbar. Allerdings setzt diese nachträgliche Vertragsänderung das Einverständnis des 13 herrschenden Unternehmens voraus, das vermutlich nur in Ausnahmefällen gegeben sein dürfte. Laura Annemarie Rosca Associate, Frankfurt T +49 (69) 96 236 441 [email protected] 14 Corporate April 2015 Aktuelle Urteile Distanzierung von Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre bei Personenhandelsgesellschaften BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 – II ZR 84/13 Der BGH hat die bisher geltenden Einschränkungen für Mehrheitsbeschlüsse bei Personenhandelsgesellschaften aufgegeben. Dies betrifft insbesondere den Bestimmtheitsgrundsatz, nach dem sich allgemeine Mehrheitsklauseln nur auf gewöhnliche, vorhersehbare oder im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich vorgesehene Beschlussgegenstände beziehen können, sowie die Kernbereichslehre, nach der Eingriffe in den Kernbereich der Gesellschaftsrechte nur zulässig sind, wenn der Beschluss nicht in (absolut oder relativ) unverzichtbare Mitgliedschaftsrechte eingreift. Nunmehr gilt, dass die formelle Legitimation eines Mehrheitsbeschlusses der Gesellschafterversammlung sich, ohne Rücksicht darauf, ob es sich um ein gewöhnliches, ein außergewöhnliches oder ein Grundlagengeschäft handelt, aus einer allgemeinen Mehrheitsklausel im Gesellschaftsvertrag ergeben kann. Eine Inhaltskontrolle findet nicht mehr auf dieser formellen Ebene statt, sondern wird auf materieller Ebene dadurch gezogen, dass eine konkrete Abwägung der Interessen der Gesellschaft mit der Zumutbarkeit der Entscheidung für den betroffenen Gesellschafter erfolgt. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger ist Kommanditist einer GmbH & Co. KG, der sich mit seinen Mitgesellschaftern – einem weiteren Kommanditisten sowie der GmbH als Komplementär – um die Wirksamkeit eines mit einfacher Mehrheit - aber gegen seine Stimme - gefassten Gesellschafterbeschlusses streitet. Die Gesellschafterversammlung hatte in diesem Beschluss der Übertragung der Kommanditanteile des Klägers auf eine Stiftung zugestimmt. Der Gesellschaftsvertrag verlangte für die Verfügung über Gesellschaftsanteile eine solche Zustimmung, wobei nach der allgemeinen Mehrheitsklausel des Gesellschaftsvertrags Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit gefasst werden, sofern nicht im Gesellschaftsvertrag selbst oder im Gesetz etwas anderes geregelt ist. Obwohl eine abweichende Regelung hier nicht ersichtlich war, folgten die Instanzgerichte der klägerischen Auffassung, nach der sich eine allgemeine Mehrheitsklausel nach dem sogenannten Bestimmtheitsgrundsatz nur auf gewöhnliche Beschlussgegenstände bezieht, während die Zustimmung zur Abtretung des Kommanditanteils als außergewöhnlicher Beschlussgegenstand der Einstimmigkeit bedürfe. Die Entscheidung des BGH: Der BGH gab der Revision der Beklagten statt und hält den mit einfacher Mehrheit gefassten Beschluss für wirksam. Die Prüfung der formellen Legitimation des Gesellschafterbeschlusses habe ausschließlich durch Auslegung des Gesellschaftsvertrags nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 157 BGB) zu erfolgen. Der frühere Bestimmtheitsgrundsatz bilde hierbei weder eine Schranke dahingehend, dass Grundlagengeschäfte oder außergewöhnliche Geschäfte von allgemeinen Mehrheitsklauseln nicht erfasst sind, noch lässt sich aus ihm eine anderweitige restriktive Auslegung solcher Klauseln ableiten. Soweit in früheren Urteilen gefordert wurde, dass solche Klauseln sich „eindeutig“ auf den jeweiligen Beschlussgegenstand beziehen müssen, sei insoweit nur die Eindeutigkeit nach erfolgter Auslegung gemeint. Abzugrenzen sei die im Urteil besprochene Situation aber von solchen Gesellschafterbeschlüssen, deren materielle Wirksamkeit von der Zustimmung eines Gesellschafters abhängig ist, wie es bei der Beitragserhöhung nach § 707 BGB der Fall sei. Hier sei weiterhin eine eindeutige Regelung im Gesellschaftsvertrag notwendig, in der Ausmaß und Umfang der Pflicht bestimmt sind. Denn hier gehe es nicht um die Frage der formellen Wirksamkeit des Beschlusses, sondern um die materielle Frage, ob eine antizipierte Zustimmung des Gesellschafters selbst vorliegt. Die Unbestimmtheit mache hier folglich nicht den Beschluss rechtswidrig, sondern führe nur zu einer relativen Unwirksamkeit des Beschlusses gegenüber dem einzelnen Gesellschafter. Corporate April 2015 Im vorliegenden Fall lag nach Auslegung des Vertrags die formelle Legitimation zur Fassung des Beschlusses durch einfache Mehrheit nach dem BGH nahe, auch wenn aus revisionsrechtlichen Gründen nur eine Zurückverweisung an das Berufungsgericht erfolgte. Insbesondere wird klargestellt, dass die Verfügung über die Mitgliedschaft keine Vertragsänderung darstellt, die nach dem Gesellschaftsvertrag Einstimmigkeit erfordert. Von der formellen Legitimation zu trennen ist jedoch die inhaltliche (materielle) Wirksamkeit des Beschlusses. Hier prüft der BGH einen Verstoß gegen den Minderheitenschutz, insbesondere also die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht. Hierbei sei nicht abstrakt und ohne Berücksichtigung der konkreten Gesellschaftsstruktur und der etwaigen besonderen Stellung des betroffenen Gesellschafters auf die Betroffenheit bestimmter Kernbereiche abzustellen, sondern es sei eine Abwägung der individuellen Rechtsstellung des Gesellschafters mit dem Interesse der Gesellschaft am Eingriff in seine rechtliche und vermögensmäßige Position in der Gesellschaft vorzunehmen. Dabei sei hier zu berücksichtigen, dass der Gesellschafterbeschluss zur Zustimmung der Abtretung des Kommanditanteils lediglich Voraussetzung der Übertragung ist, aber keine Pflicht des Klägers zur Übertragung begründe. Die Frage, ob eine solche Pflicht besteht, war Gegenstand eines anderen Rechtsstreits, ist für die Wirksamkeit des Beschlusses als solchem jedoch nicht relevant: Besteht die Pflicht, ist die Zustimmung nicht treuwidrig, besteht sie nicht, hat der Zustimmungsbeschluss keine Rechtsfolgen. Das bedeutet für Sie: Das Urteil schafft Klarheit im Bereich des Personengesellschaftsrechts, indem der frühere Bestimmtheitsgrundsatz nun ausdrücklich aufgegeben wird. Das reduziert die Angreifbarkeit von Mehrheitsentscheidungen aus formalen Gesichtspunkten mit der Begründung, dass es sich um ein außergewöhnliches Geschäft handele. Katalogartige Aufzählungen des „Ungewöhnlichkeitsbereichs“ möglicher Gesellschaftsbeschlüsse im Gesellschaftsvertrag sind damit nicht mehr notwendig. Es bleibt jedoch zu beachten, dass ausdrückliche Regelungen trotzdem die Anwendung und Auslegung des Gesellschaftsvertrags erleichtern. Der BGH weist zudem klarstellend darauf hin, dass zur Auslegung nicht nur die schriftlichen Regelungen heranzuziehen sind, sondern sämtliche relevante Begleitumstände. Zugleich erfolgt auf materieller Ebene eine Absage an die sog. Kernbereichslehre, die durch eine individuelle Verhältnismäßigkeitsprüfung abgelöst wird. Die 15 Einschränkung „soweit im Interesse der Gesellschaft geboten und dem Gesellschafter zumutbar“ wird hierbei in Zukunft zum maßgeblichen Streitpunkt werden. Ausgenommen von dieser Abwägung bleiben freilich weiterhin die unverzichtbaren Mitgliedschaftsrechte, denn wenn diese schon nicht vertraglich aufgehoben werden können, kann dies auch nicht im Wege eines Mehrheitsbeschlusses erfolgen. Inwieweit im Rahmen der sonstigen Abwägung jedenfalls teilweise auf die zur Kernbereichslehre entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden kann, bleibt abzuwarten. Michael Sinhart Partner, Frankfurt T +49 (69) 96236 287 [email protected] Marc Häuser Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Frankfurt T +49 (69) 96236 287 [email protected] 16 Corporate April 2015 Aktuelle Urteile Zur Vorlagepflicht von Due Diligence Berichten im Rahmen einer Betriebsprüfung Finanzgericht Münster, Beschluss vom 18. August 2014 – 6 V 1932/14 AO Nach Auffassung des Finanzgerichts bestehen ernstliche Zweifel daran, ob ein Due Diligence Bericht eine vorlagepflichtige Urkunde bzw. eine sonstige vorlagepflichtige Unterlage ist. Auch wenn es sich bei einem Due Diligence Bericht um eine solche Urkunde bzw. Unterlage handeln sollte, ist ernstlich zweifelhaft, ob ein Dokument stets insgesamt vorlagepflichtig ist, auch wenn nur eine einzige möglicherweise steuerliche relevante Aussage enthalten ist und ob stets das vollständige Originaldokument vorzulegen ist. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Antragstellerin, eine Holding GmbH, hatte an ihren Alleingesellschafter Anteile an einer Beteiligungs-GmbH & Co. KG veräußert. Der Betriebsprüfer war der Auffassung, dass eine Überprüfung der Angemessenheit des Kaufpreises erforderlich sei, da die vorgelegte Berechnung des Unternehmenswertes durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft arg vereinfacht und daher für einen Angemessenheitsnachweis nicht hinreichend sei. Daher forderte er die Antragstellerin auf, unter anderem die Unterlagen zu einer zuvor, aus einem anderen Anlass durchgeführten Due Diligence Prüfung vorzulegen. Die Antragstellerin kam der Aufforderung zur Vorlage der Due Diligence Unterlagen nach, in dem sie eine teilweise „geweißte“ Kopie des Due Diligence Berichts übermittelte. Daraufhin forderte der Betriebsprüfer die Antragstellerin mit dem streitgegenständlichen Vorlageersuchen zur Übermittlung des vollständigen Due Diligence Berichts auf. Denn es sei nach Auffassung des antragsgegnerischen Finanzamtes zu vermuten, dass die „geweißten“ Passagen besteuerungsrelevante Tatsachen enthalten. Ein Dokument sei insgesamt vorlagepflichtig, wenn es nur eine einzige möglicherweise steuerrechtlich relevante Aussage enthalte. Demgegenüber vertrat die Antragstellerin die Auffassung, dass die „geweißten“ Passagen lediglich Beurteilungen, Würdigungen oder Ergebnisse von rechtlichen oder wirtschaftlichen Prüfungen enthalten, welche für die Beurteilung des steuerlichen Sachverhalts nicht von Bedeutung seien. Gegen das Vorlageersuchen legte die Antragstellerin erfolglos Einspruch ein. In der Hauptsache hat das Finanzgericht Münster noch nicht entschieden (Az. 6 K 1931/14). Über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat das Finanzgericht Münster mit dem hier zitierten Beschluss entschieden. Die Entscheidung des Finanzgerichts Münster: Der Senat sah den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als begründet an, da ernstliche Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des Vorlageersuchens in zweierlei Hinsicht bestanden. Die eine Aussetzung rechtfertigenden Zweifel resultieren bereits daraus, dass die Frage, ob ein Due Diligence Bericht als vorlagepflichtige Urkunde bzw. Unterlage anzusehen ist, höchstrichterlich bislang nicht entschieden ist und dies in der Literatur kontrovers diskutiert wird. Der Umstand, dass in einem DueDiligence-Bericht regelmäßig Passagen vermischt werden, in denen einerseits Tatsachen wiedergegeben und andererseits Sachverhalt gewürdigt und/oder juristisch bewertet werden, gibt auch nach Ansicht des Senats Anlass, die Vorlagepflicht in Frage zu stellen oder diese zumindest bestimmten Einschränkungen zu unterwerfen. Über die Frage der abstrakten Vorlageverpflichtung hinaus bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des konkreten Vorlageersuchens. Denn es erscheint nach Ansicht des Senats zweifelhaft, ob ein Dokument, welches möglicherweise nur eine einzige steuerlich relevante Aussage enthält, stets insgesamt vorlagepflichtig ist und ob stets das vollständige Originaldokument vorzulegen ist. Entgegen der Auffassung des antragsgegnerischen Finanzamtes sei die Grenze der Rechtmäßigkeit nicht erst dann überschritten, wenn Unterlagen, die objektiv unter keinem möglichen Gesichtspunkt steuerliche Relevanz aufweisen, angefordert werden. Sind Unterlagen möglicherweise steuerlich relevant, sei vielmehr ebenfalls eine differenzierte Einzelfallentscheidung geboten. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes Corporate April 2015 zur Vorlagepflicht von Aufsichtsrats- und Vorstandsprotokollen hält der Senat insoweit für entsprechend anwendbar. Danach sind diejenigen Protokolle von der Vorlagepflicht ausgeschlossen, von denen die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft glaubhaft versichern, dass sie keine steuerlich relevanten Tatsachen enthalten und keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Versicherung bestehen. Im Rahmen der gebotenen Einzelfallbetrachtung seien die berechtigten Informationsinteressen der Finanzverwaltung und die schutzwürdigen Belange des Unternehmens gegeneinander abzuwägen. Je geringer dabei die Erwartung sei, dass der Due Diligence Bericht steuerlich relevante Tatsachen enthält und je größer damit die Gefahr eines Eingriffs in innere Angelegenheiten des Unternehmens sei, desto höher dürften die Anforderungen an die Ermessenserwägungen der Finanzverwaltung sein. Im Streitfall sah der Senat die Tatsachen, dass der tatsächlichen Kaufpreisfindung ein eigenständiges und offengelegtes Bewertungsverfahren zugrunde gelegt wurde und der Due Diligence Bericht bereits im Vorjahr und in anderem Zusammenhang erstellt wurde, insoweit als relevant an. Das bedeutet für Sie: Es handelt sich um eine Entscheidung lediglich im einstweiligen Rechtsschutz, so dass der Ausgang des Hauptsachverfahrens mit Spannung zu erwarten ist. Folgende Schlüsse können bereits jetzt gezogen werden: • Die maßgeblichen Erwägungen des Finanzgerichts Münster sind über Due Diligence Berichte hinaus auf sämtliche Dokumente übertragbar, in denen Informationen enthalten sind, die nicht offengelegt werden müssen (z. B. Würdigungen, Bewertungen, Risikoeinschätzungen; sog. „Urkunden besonderer Art“). • Auf Vorlageersuchen ist mit der gebotenen Sorgfalt zu reagieren. Stets ist zu prüfen, ob die angefragte Unterlage überhaupt steuerrelevante Tatsachen enthält. Ist dies der Fall, kommt eine nur auszugsweise Vorlage in Betracht. • Dem Vorlageersuchen kann durch Vorlage der Dokumentation, welche der „Urkunde besonderer Art“ zugrunde liegt, die Grundlage entzogen werden. • Dieser abgestuften Vorlagepflicht sollte bereits bei dem Verfassen der die steuerplanerisch durchgeführte Maßnahmen begleitenden Dokumente (Due Diligence Bericht, Fairness 17 Opinion etc.) Rechnung getragen werden, in dem auf eine saubere und nachvollziehbare Trennung von Sachverhaltsfeststellungen einerseits und Würdigungen, Bewertungen und Risikoeinschätzungen andererseits Wert gelegt wird. • Ausführlicher zu dem Thema bereits: Dörr/Geißelmeier/Mayr NWB Fach 17, S. 2081 ff. Nico Neukam Senior Associate, Düsseldorf T +49 (211) 1368 485 [email protected] www.hoganlovells.com Hogan Lovells hat Büros in: Alicante Amsterdam Baltimore Brüssel Budapest* Caracas Colorado Springs Denver Dschidda* Dubai Düsseldorf Frankfurt am Main Hamburg Hanoi Ho Chi Minh Stadt Hongkong Houston Jakarta* Johannesburg London Los Angeles Luxemburg Madrid Mailand Mexiko-Stadt Miami Monterrey Moskau München New York Northern Virginia Paris Peking Philadelphia Riad* Rio de Janeiro Rom San Francisco São Paulo Schanghai Silicon Valley Singapur Tokio Ulaanbaatar Warschau Washington DC Zagreb* "Hogan Lovells" oder die "Sozietät" ist eine internationale Anwaltssozietät, zu der Hogan Lovells International LLP und Hogan Lovells US LLP und ihnen nahestehende Gesellschaften gehören. Die Bezeichnung "Partner" beschreibt einen Partner oder ein Mitglied von Hogan Lovells International LLP, Hogan Lovells US LLP oder einer der ihnen nahestehenden Gesellschaften oder einen Mitarbeiter oder Berater mit entsprechender Stellung. Einzelne Personen, die als Partner bezeichnet werden, aber nicht Mitglieder von Hogan Lovells International LLP sind, verfügen nicht über eine Qualifikation, die der von Mitgliedern entspricht. Weitere Informationen über Hogan Lovells, die Partner und deren Qualifikationen, finden Sie unter www.hoganlovells.com. Sofern Fallstudien dargestellt sind, garantieren die dort erzielten Ergebnisse nicht einen ähnlichen Ausgang für andere Mandanten. Anwaltswerbung. ©Hogan Lovells 2015. Alle Rechte vorbehalten. *Kooperationsbüros
© Copyright 2024 ExpyDoc