Corporate Newsletter April 2015

Corporate
Inhalt
Im Fokus
Mehr Frauen in
Führungspositionen – Die
„gesetzliche Frauenquote“ kommt
4
Zeitliche Begrenzung der
Nachhaftung der herrschenden
Gesellschaft bei Beendigung eines
Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrags
12
Trends
W&I Insurance – Versicherung von
Garantierisiken beim
Unternehmenskaufvertrag
6
Aktuelle Urteile
Zum Erfordernis der Zustimmung
der Hauptversammlung für die
Erstattung von staatlichen
Geldsanktionen gegenüber
Vorstandsmitgliedern
Zur Löschung eines länger als drei
Jahre im Handelsregister
eingetragenen nichtigen
Hauptversammlungsbeschlusses 10
8
Distanzierung von
Bestimmtheitsgrundsatz und
Kernbereichslehre bei
Personengesellschaften
14
Zur Vorlagepflicht von Due
Diligence Berichten im Rahmen
einer Betriebsprüfung
16
APRIL
Newsletter April 2015
Corporate April 2015
Der Hogan Lovells Corporate Newsletter informiert Sie
in kompakter Form über Trends und aktuelle Ereignisse
in allen Bereichen des Gesellschaftsrechts und M&A,
einschließlich Corporate Litigation.
Dieser Newsletter ersetzt keine rechtliche Beratung. Für
Ihre konkreten Fälle dürfen Sie sich nicht auf die hier
enthaltenen Angaben verlassen, da wir insoweit keine
Haftung übernehmen.
Wenn Sie nähere Informationen zu den behandelten
Themen benötigen, so erhalten Sie diese von Ihrem
Hogan Lovells-Anwalt, der Sie berät, oder bei den im
jeweiligen Beitrag genannten Ansprechpartnern.
Wenn Sie uns noch nicht kennen: Testen Sie uns!
Wir freuen uns auf Sie.
Ihre Corporate-Redaktion
[email protected]
1
2
Der Corporate Newsletter ist auch als E-Mail Newsletter
erhältlich. Falls Sie den Newsletter nicht mehr erhalten
möchten, teilen Sie uns dies bitte mit.
Der Corporate Newsletter wird herausgegeben von
Hogan Lovells International LLP, Praxisgruppe
Corporate Deutschland
Corporate April 2015
Corporate April 2015
Editorial
Liebe Leserin,
lieber Leser,
die April-Ausgabe unseres Newsletters eröffnen wir mit
einem Beitrag zum vor wenigen Tagen vom Bundestag
und vom Bundesrat verabschiedeten Gesetz zur
Einführung einer Frauenquote. Fixe Mindestquote,
Zielgröße: Welche Unternehmen ab welchen
Zeitpunkten welchen Verpflichtungen unterworfen
werden, stellen wir in unserem Fokus-Beitrag dar.
Die Versicherung von Garantien und Freistellungen
eines Unternehmenskaufvertrags gewinnt immer mehr
an Bedeutung. Wir geben Ihnen zu diesem M&A-Trend
wichtige Hinweise für die Praxis.
Wie immer beleuchten wir interessante
Gerichtsentscheidungen der letzten Monate.
Der Bundesgerichtshof hat sich zu den
Voraussetzungen geäußert, unter denen die
Gesellschaft einem Vorstandsmitglied Geldsanktionen
erstatten darf, die gegen das Vorstandsmitglied
verhängt werden. Er hat entschieden, wie lange ein
Aktionär die Löschung eines nichtigen Hauptversammlungsbeschlusses aus dem Handelsregister
anregen kann. Auch hat er die zeitlichen Grenzen
aufgezeigt, innerhalb derer der Gläubiger einer
abhängigen Gesellschaft seinen Anspruch auf
Sicherheitsleistung nach Beendigung eines
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags
geltend machen kann. In Gesellschaftsverträgen von
Personengesellschaften finden sich häufig einfache
Mehrheitsklauseln für Beschlussfassungen der
Gesellschafter. Die Wirksamkeit dieser Klauseln
unterwirft der BGH nun neuen Maßstäben.
Ebenfalls von hoher praktischer Relevanz ist eine im
vorläufigen Rechtsschutz ergangene Entscheidung des
Finanzgerichts Münster zu der Frage, ob ein
Betriebsprüfer die Vorlage von Due Diligence-Berichten
verlangen darf.
Ihre Praxisgruppe Corporate
3
4
Corporate April 2015
Im Fokus
Mehr Frauen in Führungspositionen - Die "gesetzliche Frauenquote" kommt
Am 6. März 2015 hat der Bundestag den von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurf des
„Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von
Frauen und Männern an
Führungspositionen“ verabschiedet. Der Bundesrat
folgte am 27. März 2015 der Ausschussempfehlung
und rief nicht den Vermittlungsausschuss an, so dass
das Gesetz bald in Kraft treten wird. Ab dem 1. Januar
2016 werden dann Großunternehmen, die
börsennotiert und paritätisch mitbestimmt sind, in ihren
Aufsichtsräten für Frauen und Männer eine Quote von
30 Prozent erreichen müssen. Mittelgroße
Unternehmen müssen sich schon dieses Jahr, nämlich
bis zum 30. September 2015, Ziele für die Erhöhung
des Frauenanteils in Führungspositionen setzen.
Die gesetzlichen Neuerungen im Überblick
Um die neuen Vorschriften nachvollziehen zu können,
ist die Unterscheidung der beiden Regelungskomplexe
entscheidend: Neu eingeführt wird einerseits eine starre
Geschlechterquote von jeweils mindestens 30 Prozent
Frauen und Männern („fixe Mindestquote“) für die
Aufsichtsräte der etwa 108 großen, börsennotierten und
paritätisch mitbestimmten Unternehmen. Andererseits
werden die vorgenannten großen Unternehmen sowie
weitere, mittelgroße Unternehmen (insgesamt ca.
3.500) verpflichtet, zur Erhöhung des Frauenanteils auf
den Führungsebenen sog. Zielgrößen festzulegen.
Fixe Mindestquote im Aufsichtsrat
Der Anwendungsbereich der Regelungen zur fixen
Mindestquote erfasst damit nur diejenigen
Unternehmen, die zum einen börsennotiert sind und für
die zum anderen das Mitbestimmungsgesetz, das
Montan-Mitbestimmungsgesetz oder das
Mitbestimmungsergänzungsgesetz gilt. Diese Gesetze
schreiben die Bildung eines paritätisch mitbestimmten
Aufsichtsrats vor, in dem die Arbeitnehmer
zahlenmäßig genauso vertreten sind wie die
Anteilseigner der Gesellschaft. Voraussetzung für die
Anwendbarkeit des Mitbestimmungsgesetzes, das in
der Praxis die größte Relevanz hat, ist, dass das
Unternehmen mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt
oder sich zurechnen lassen muss. Die Bundesregierung
geht davon aus, dass etwa 108 Unternehmen in
Deutschland die fixe Mindestquote erfüllen werden
müssen. Regelmäßig werden dies die großen
Publikumsgesellschaften sein, die als
Aktiengesellschaften (AG) oder Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) organisiert sind.
Hinzu kommen noch Europäische Gesellschaften (SE)
sowie diejenigen Unternehmen, die aus einer
grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgegangen sind, und die ebenfalls börsennotiert und
paritätisch mitbestimmt sind – insoweit gelten aber ein
paar Besonderheiten.
Zielgrößen
Deutlich mehr Unternehmen, nach Schätzung der
Bundesregierung einschließlich der etwa 108 großen
Unternehmen ca. 3.500, werden in Zukunft regelmäßig,
erstmalig bis spätestens zum 30. September 2015,
Zielgrößen für die Erhöhung des Frauenanteils an
Führungspositionen, d.h. für Aufsichtsrat,
Leitungsorgan (z.B. Vorstand, Geschäftsführer) und die
beiden obersten Führungsebenen unterhalb des
Leitungsorgans, festlegen müssen. Betroffen sind alle
Unternehmen, die börsennotiert sind oder der
Mitbestimmung unterliegen. Dies können neben
Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf
Aktien und Europäischen Gesellschaften auch
Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH),
eingetragene Genossenschaften oder Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit sein. Eine paritätische
Mitbestimmung, d.h. eine gleiche Anzahl von
Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern im
Aufsichtsrat, ist nicht zwingend Voraussetzung, um in
den Anwendungsbereich der Zielgrößenvorschriften zu
fallen. Es ist also z.B. ausreichend, wenn eine GmbH in
den Geltungsbereich des Drittelbeteiligungsgesetzes
fällt, was in aller Regel der Fall sein wird, wenn die
GmbH mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt oder sich
im Konzernzusammenhang zurechnen lassen muss.
Zusammen mit den Zielgrößen ist zudem eine Frist
festzusetzen, innerhalb derer die Unternehmen ihre
selbstgesteckten Ziele erreichen wollen. Die erste Frist
darf nicht über den 30. Juni 2017 hinaus andauern. In
Corporate April 2015
der Folgezeit dürfen die Fristen zur Erreichung der
Zielgrößen jeweils längstens fünf Jahre betragen. Da
die Festsetzungen, d.h. Zielgrößen und Frist,
veröffentlicht werden müssen, erhofft sich der
Gesetzgeber durch den Druck der Öffentlichkeit eine
gewisse Disziplinierung. Echte Sanktionen für das
Verfehlen der festgelegten Zielgrößen sind dagegen
nicht vorgesehen. Jedoch müssen bei Nichterreichung
der selbstgesetzten Ziele die Gründe öffentlich gemacht
werden (Prinzip des „comply or explain“).
Erstmalige Bildung mitbestimmter Aufsichtsräte
aus Anlass der „Frauenquote“?
Die neuen gesetzlichen Vorgaben knüpfen hinsichtlich
der Pflicht, Zielgrößen festzulegen, daran an, ob eine
Gesellschaft der Mitbestimmung unterliegt. Demnach
spricht der Gesetzeswortlaut dafür, dass es nicht darauf
ankommt, ob eine Gesellschaft auch tatsächlich einen
(drittel-) mitbestimmten Aufsichtsrat gebildet hat,
sondern nur darauf, ob ein solcher zu bilden wäre. Auch
die Begründung des Gesetzes weist in diese Richtung.
In der Praxis gibt es jedoch viele Unternehmen, die –
gleich aus welchen Gründen – trotz der generellen
Anwendbarkeit z.B. des Drittelbeteiligungsgesetzes
oder des Mitbestimmungsgesetzes auf das
Unternehmen keinen (drittel-) mitbestimmten
Aufsichtsrat gebildet haben. Für diese Unternehmen
stellt sich jetzt die kritische Frage, ob das baldige
Inkrafttreten der neuen Vorschriften zum Anlass
genommen werden muss, nun erstmals (und zeitnah)
einen Aufsichtsrat zu bilden, in dem die Arbeitnehmer
ihr Mitbestimmungsrecht ausüben können. Die
Nichtbeachtung der gesetzlichen Pflicht z.B. einer in
den Geltungsbereich des Drittelbeteiligungsgesetzes
fallenden GmbH, einen drittelmitbestimmten
Aufsichtsrat zu bilden, stellt zwar eine Pflichtverletzung
der Geschäftsführer dieser GmbH dar, die dem Grunde
nach zu Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft
gegenüber den Geschäftsführern führt. Da es bislang in
aller Regel jedoch unwahrscheinlich war, dass aus
dieser Pflichtverletzung ein bezifferbarer Schaden der
Gesellschaft entstand, war das praktische Risiko einer
Inanspruchnahme der Geschäftsführer gering. Dies
könnte sich durch die neuen gesetzlichen Regelungen
ändern. Denn die festgelegten Zielgrößen sind in die
Erklärung zur Unternehmensführung aufzunehmen, die
Teil des Lageberichts der Gesellschaft nach dem
Handelsgesetzbuch ist. Wird gegen diese
Berichtspflicht verstoßen, kann dies eine Ordnungswidrigkeit darstellen, die mit einem Bußgeld von bis zu
50.000 Euro geahndet werden könnte. Es ist momentan
noch unklar, inwieweit die zuständigen Behörden
Verstöße gegen die neuen Berichtspflichten verfolgen
und ahnden werden.
Daneben könnte die Berichterstattung über die
„gesetzliche Frauenquote“ in den Medien dazu führen,
5
dass die Arbeitnehmer(-vertretungen) in Unternehmen,
die in den Geltungsbereich des Drittelbeteiligungsgesetzes oder des Mitbestimmungsgesetzes fallen, ein Verfahren zur Bildung eines (drittel)mitbestimmten Aufsichtsrats betreiben. Jedenfalls
dann, wenn ein nicht börsennotiertes Unternehmen
durch die Festlegung von Zielgrößen mittelbar zu
erkennen gibt, dass es selber davon ausgeht, in den
Geltungsbereich eines der genannten Gesetze zu
fallen, droht die Einleitung eines gerichtlichen
Statusverfahrens, etwa auf Antrag des (Gesamt-)
Betriebsrats oder einer im Unternehmen vertretenen
Gewerkschaft.
Moritz Langemann
Associate, München
T +49 (89) 29012 141
[email protected]
6
Corporate April 2015
Trends
W&I Insurance - Versicherung von Garantierisiken beim Unternehmenskauf
Seit Jahren bieten Versicherer für Garantien und
Freistellungen in Unternehmenskaufverträgen
Versicherungslösungen (sog. Warranties &
Indemnities Insurance) an, ohne dass diese bislang
eine große praktische Rolle gespielt hätten. Die
Prozesse für den Abschluss von Versicherungen
galten als langwierig, die Prämien als zu teuer.
Dies hat sich geändert. Die Zahl der Anbieter ist
gestiegen, die Konditionen haben sich über den
Wettbewerb verbessert. Auch – und das ist vielleicht
am wichtigsten – haben sich die Prozesse für den
Abschluss einer Versicherung so vereinfacht, dass sie
sich unproblematisch in einen herkömmlichen M&AProzess einbauen lassen.
Garantien und Freistellungen werden in
Unternehmenskaufverträgen regelmäßig sehr
kontrovers verhandelt. Seitens des Käufers besteht das
Bedürfnis, bestimmte Annahmen hinsichtlich des
erworbenen Unternehmens durch Garantien
abzusichern und Freistellungen für bereits identifizierte
Risiken zu vereinbaren. Die Verkäufer hingegen
möchten ihr Risiko, für Garantieverletzungen und
Freistellungen zu haften, auf ein Minimum reduzieren.
Praxistipp: Gerade bei schwierigen Verhandlungen
über Garantien und Freistellungen und scheinbar
unauflösbaren Konflikten sollten die Parteien die
Möglichkeit einer Versicherung entsprechender Risiken
in Erwägung ziehen.
Was kostet eine W&I Insurance?
Die Versicherung von Garantien und Freistellungen
kostet zwischen 1 % und 2,5 % des versicherten
Risikos. Da die Mindestprämie je nach Versicherer ca.
EUR 60.000 beträgt, rechnet sich eine Versicherung
bereits ab einem versicherten Risiko von ca. EUR 6
Millionen.
Der Garantienehmer muss dabei typischerweise einen
Selbstbehalt von 1 % des Unternehmenswertes
übernehmen.
Praxistipp: Eine W&I Insurance ist kein StandardProdukt, sondern wird für eine bestimmte Transaktion
maßgeschneidert. Der Garantienehmer kann dabei
selbst bestimmen, welche Risiken er versichern
möchte. So ist es beispielsweise empfehlenswert,
lediglich das Risiko aus operativen Garantien bis zu
dem vertraglich vereinbarten Haftungshöchstbetrag zu
versichern, nicht eine weitergehende Haftung aus
gesellschaftsrechtlichen Garantien, aus welchen das
Haftungsrisiko aus Sicht des Garantiegebers
typischerweise überschaubar ist.
Für welche Transaktionen eignet sich eine W&I
Insurance?
Versicherer sind typischerweise nur bereit, Garantien
und Freistellungen zu versichern, wenn die Transaktion
(jedenfalls) auf Erwerberseite professionell begleitet
und eine Due Diligence-Prüfung durchgeführt wurde.
Die Versicherer führen eine eigene, sehr kursorische
Due Diligence-Prüfung durch und prüfen insbesondere
die vorhandenen Due Diligence Berichte auf einer NonReliance-Basis auf Plausibilität.
Wer schließt die Versicherung ab?
Sowohl die Verkäufer als auch die Käufer können eine
entsprechende Police abschließen. Etwa 70 % der
Policen sind sog. Buyer-Policen, also von den Käufern
abgeschlossene Versicherungen. In diesem Fall
vereinbaren Verkäufer und Käufer zwar bestimmte
Garantien, schließen jedoch die Haftung des
Verkäufers in dem Umfang aus, in welchem der Käufer
den Versicherungsschutz erwirbt.
Praxistipp: Insbesondere als Käufer ist eine M&A
Versicherung interessant. Für eine vergleichsweise
geringe Prämie lässt sich so ein höherer Schutz
erzielen, als ihn der Verkäufer zu gewähren bereit ist.
Wie lange dauert der Prozess zum Abschluss einer
W&I Insurance?
Mit entsprechender Vorbereitung lässt sich eine W&I
Insurance innerhalb von etwa 2 bis 3 Wochen
abschließen. Zunächst empfiehlt es sich, ggf. über
einen Makler verschiedene Angebote einholen zu
lassen. Hierfür schließen die Parteien mit dem Makler
und den Versicherern übliche NDAs. Dem Versicherer
Corporate April 2015
7
werden sodann alle relevanten Transaktionsdokumente
zur Verfügung gestellt (insbesondere Information
Memorandum, Due Diligence Berichte,
Kaufvertragsentwürfe). Den Versicherer interessieren
hier insbesondere auch alle ausgetauschten
Vertragsversionen, um anhand der Mark-ups ein Gefühl
für die kritischen Garantiethemen zu entwickeln.
Parallel kann bereits die Police verhandelt werden. Vor
dem Abschluss der Police findet ein sog. Underwriting
Call statt, in welchem dem Versicherer alle Fragen zur
Transaktion beantwortet werden. Zeitgleich mit dem
Signing wird dann die Versicherung abgeschlossen.
Praxistipp: Häufig lohnt sich die Einschaltung von
Versicherungsmaklern. Die Makler werden aus der
Versicherungsprämie bezahlt und verursachen daher
keine Mehrkosten für die Parteien. Gleichzeitig helfen
sie, geeignete Versicherungen zu identifizieren, die
Angebote zu bewerten und marktübliche Konditionen zu
verhandeln.
Bewertung
Eine W&I Insurance kann eine gute Möglichkeit
darstellen, für eine vergleichsweise günstige Prämie die
Haftung des Verkäufers zu reduzieren. Im Ergebnis
kann eine Versicherung zu einem Win-Win für die
Parteien führen: Der Verkäufer reduziert seine Haftung
und der Käufer erhöht seinen vertraglichen Schutz.
Nikolas Zirngibl
Partner, München
T +49 (89) 29012 131
[email protected]
8
Corporate April 2015
Aktuelle Urteile
Zum Erfordernis der Zustimmung der Hauptversammlung für die Erstattung von staatlichen
Geldsanktionen gegenüber Vorstandsmitgliedern
BGH, Urteil vom 8. Juli 2014 – II ZR 174/13
Der Bundesgerichtshof hat in dieser bedeutsamen
Entscheidung dazu Stellung genommen, unter
welchen Voraussetzungen der Aufsichtsrat einer
Aktiengesellschaft Vorstandmitgliedern die Erstattung
von staatlichen Geldsanktionen ohne zusätzliche
Zustimmung der Hauptversammlung zusagen kann.
Entscheidendes Kriterium ist, ob gleichzeitig eine
Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds gegenüber
der Aktiengesellschaft gegeben ist. Soweit eine solche
Pflichtverletzung gegenüber der Aktiengesellschaft
vorliegt, ist neben dem Aufsichtsratsbeschluss eine
zusätzlich Zustimmung der Hauptversammlung und
die Beachtung der weiteren Voraussetzungen des
§ 93 Abs. 4 Satz 3 AktG erforderlich. Andernfalls kann
der Aufsichtsrat die Zusage gegenüber dem
Vorstandsmitglied allein treffen.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt
zugrunde:
Einem Vorstandsmitglied wurden im Rahmen eines
Ermittlungsverfahrens diverse Straftaten vorgeworfen
(u.a. Betrug, Untreue und Bilanzfälschung). Die
betroffene Aktiengesellschaft, vertreten durch den
Aufsichtsrat, ging davon aus, dass diese Vorwürfe nicht
stichhaltig seien. Dennoch wurden das Anstellungsund das Organverhältnis auf Grundlage eines
Aufsichtsratsbeschlusses durch Aufhebungsvertrag
beendet. Im Aufhebungsvertrag wurde dem
Vorstandsmitglied zugesagt, dass die Gesellschaft
staatliche Geldsanktionen – soweit rechtlich zulässig –
übernehmen werde, falls solche aus dem
Ermittlungsverfahren resultieren sollten. Im Gegenzug
solle sich das Vorstandsmitglied u.a. mit der
Beendigung des Strafverfahrens gegen die Bezahlung
einer Geldauflage einverstanden erklären. In der Folge
wurde dem Vorstandsmitglied ein Darlehen über EUR
50.000 gewährt, das er zur Begleichung einer im
Rahmen von § 153a StPO verhängten Geldauflage
verwendete. Im Nachgang verlangte die
Aktiengesellschaft die Rückzahlung des gewährten
Darlehens. Das ehemalige Vorstandsmitglied hielt der
Rückforderung entgegen, dass sich die
Aktiengesellschaft wirksam zur Übernahme der
Geldsanktion verpflichtet habe. Das Landgericht Stade
und das OLG Celle gaben dem Vorstandsmitglied
Recht.
Die Entscheidung des BGH:
Der Bundesgerichtshof folgte den Instanzgerichten
nicht. Er entschied, dass der Aufsichtsrat die
Übernahme einer staatlichen Geldsanktion durch die
Gesellschaft nicht wirksam beschließen könne, soweit
das zugrundeliegende Verhalten gleichzeitig eine
Pflichtwidrigkeit gegenüber der Gesellschaft darstelle.
Entsprechend § 93 Abs. 3 Satz 4 AktG sei in einem
solchen Fall die Übernahme von staatlichen
Geldsanktionen Aufgabe der Hauptversammlung. Die
entsprechende Anwendung von § 93 Abs. 3 Satz 4
AktG rechtfertige sich durch den Zweck der Norm. Die
Vorschrift diene dem Schutz des Gesellschaftsvermögens und der Minderheitsaktionäre. Mit der
Zahlung der Geldsanktion werde der Gesellschaft ein
bewusster Vermögensnachteil zugefügt, obwohl die
Belastung nach der Wertung von § 93 Abs. 1 AktG bei
Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit gegenüber der
Gesellschaft vom Vorstandsmitglied selbst zu tragen
sei. Zudem sei zu beachten, dass das Vermögen der
Gesellschaft wirtschaftlich nicht dem Aufsichtsrat
zustehe, sondern den Aktionären. Diese hätten daher
auch über das Eingehen eines bewussten
Vermögensnachteils der Gesellschaft zu entscheiden.
Zudem werde auf diese Weise einer „kollegialen
Verschonung“ des Vorstands oder einer
„Selbstenthaftung der Organe“ vorgebeugt. Ein
Aufsichtsrat könne schon unter eigenen
haftungsrechtlichen Gesichtspunkten – z.B. wegen
unzureichender Kontrolle des Vorstands – ein Interesse
daran haben, dass Pflichtverletzungen von
Vorstandsmitgliedern nicht bekannt würden.
Soweit es dagegen an einer Pflichtverletzung des
Vorstandsmitglieds fehle, kommt eine Ersatzpflicht nach
§ 93 Abs. 2 AktG von vornherein nicht in Betracht, so
dass auch für die Anwendung der Sonderregelung in
§ 93 Abs. 3 Satz 4 AktG kein Platz ist. In diesem Fall
könne der Aufsichtsrat allein über eine Übernahme von
Geldsanktionen gegen das Vorstandsmitglied durch die
Gesellschaft entscheiden. Ob eine Pflichtverletzung
Corporate April 2015
vorliege, sei dabei eine „Frage des Erkenntnisbereichs“
und daher einer gerichtlichen Überprüfung vollständig
zugänglich – es bestehe insoweit kein
Ermessensspielraum des Aufsichtsrats.
Dass das Vorstandsmitglied schließlich dazu
beigetragen habe, eine öffentliche Erörterung der
Strafvorwürfe in einer Hauptverhandlung zu vermeiden,
sei keine Leistung, die einem potentiellen
Erstattungsanspruch der Gesellschaft entgegen
gehalten werden könne. Ein entsprechendes Verhalten
könne den aus der Übernahme der Geldsanktion
resultierenden Vermögensnachteil nicht ausgleichen.
Der Bundesgerichtshof verwies die Sache an das
Berufungsgericht zur weiteren Sachaufklärung zurück.
Zu klären sei insbesondere, ob das möglicherweise
strafrechtliche Verhalten des ehemaligen
Vorstandsmitglieds gleichzeitig als Pflichtverletzung
gegenüber der Gesellschaft anzusehen sei.
Das bedeutet für Sie:
Der Bundesgerichtshof hat sich mit seiner
Entscheidung der herrschenden Meinung in der
Literatur angeschlossen – insoweit kann die
Entscheidung nicht wirklich als Überraschung
bezeichnet werden. Dennoch existiert eine durchaus
verbreitete Praxis, insbesondere Geldauflagen nach
§ 153a StPO durch die Gesellschaft übernehmen zu
lassen, nicht zuletzt um einer Veröffentlichung der
Strafvorwürfe und den daraus folgenden Imageschäden
für das Unternehmen vorzubeugen. Dieses Vorgehen
wird in Zukunft nicht unwesentlich erschwert. Der
Aufsichtsrat wird zunächst die Frage zu klären haben,
ob dem Vorstandsmitglied tatsächlich eine Pflichtverletzung zur Last zu legen ist. Dabei wird er sich nach
den höchstrichterlichen Grundsätzen regelmäßig auf
Experten-Gutachten stützten müssen, will er nicht
selbst eine unmittelbare Haftung riskieren. Soweit nach
entsprechender Aufklärung eine Pflichtverletzung
überzeugend und plausibel ausgeschlossen werden
kann, bleibt es bei der bisherigen Praxis, dass der
Aufsichtsrat alleine entscheiden kann. Andernfalls ist
eine Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich,
die zudem erst drei Jahre nach Anspruchsentstehung
gewährt werden kann (§ 93 Abs. 4 Satz 3 AktG), was
ein entsprechendes Vorgehen in doppelter Hinsicht
impraktikabel macht. Ein Ausweg aus diesem Dilemma
könnte möglicherweise durch eine angemessene
Ausgestaltung variabler Vorstandsbezüge erfolgen,
wobei vor offensichtlichen Umgehungstatbeständen zu
warnen ist.
Der Bundesgerichtshof hat sich mit seiner
Entscheidung der herrschenden Meinung in der
Literatur angeschlossen – insoweit kann die
Entscheidung nicht wirklich als Überraschung
9
bezeichnet werden. Dennoch existiert eine durchaus
verbreitete Praxis, insbesondere Geldauflagen nach
§ 153a StPO durch die Gesellschaft übernehmen zu
lassen, nicht zuletzt um einer Veröffentlichung der
Strafvorwürfe und den daraus folgenden Imageschäden
für das Unternehmen vorzubeugen. Dieses Vorgehen
wird in Zukunft nicht unwesentlich erschwert. Der
Aufsichtsrat wird zunächst die Frage zu klären haben,
ob dem Vorstandsmitglied tatsächlich eine Pflichtverletzung zur Last zu legen ist. Dabei wird er sich nach
den höchstrichterlichen Grundsätzen regelmäßig auf
Experten-Gutachten stützten müssen, will er nicht
selbst eine unmittelbare Haftung riskieren. Soweit nach
entsprechender Aufklärung eine Pflichtverletzung
überzeugend und plausibel ausgeschlossen werden
kann, bleibt es bei der bisherigen Praxis, dass der
Aufsichtsrat alleine entscheiden kann. Andernfalls ist
eine Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich,
die zudem erst drei Jahre nach Anspruchsentstehung
gewährt werden kann (§ 93 Abs. 4 Satz 3 AktG), was
ein entsprechendes Vorgehen in doppelter Hinsicht
impraktikabel macht. Ein Ausweg aus diesem Dilemma
könnte möglicherweise durch eine angemessene
Ausgestaltung variabler Vorstandsbezüge erfolgen,
wobei vor offensichtlichen Umgehungstatbeständen zu
warnen ist.
Olaf Gärtner
Partner, München
T +49 (89) 29012 239
[email protected]
10
Corporate April 2015
Aktuelle Urteile
Zur Löschung eines länger als drei Jahre im Handelsregister eingetragenen nichtigen
Hauptversammlungsbeschlusses
BGH, 15. Juli 2014, II ZB 18/13
Der BGH hat entschieden, dass einem Aktionär, der
beim Registergericht die Löschung eines länger als
drei Jahre im Handelsregister eingetragenen
Beschlusses der Hauptversammlung als nichtig
anregt, gegen den zurückweisenden Beschluss des
Registergerichts mangels Beschwerdebefugnis kein
Rechtsmittel zusteht.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu
Grunde:
Der Beteiligte B ist Aktionär der nicht börsennotierten AAG. In einer Hauptversammlung der A-AG im
September 2004 wurde die Satzung der A-AG teilweise
neu gefasst. Nach der für die Entscheidung
maßgeblichen Änderungen der Satzung sollten sich die
Aktionäre in einer Hauptversammlung der A-AG (nur)
durch bestimmte Bevollmächtigte vertreten lassen
können. Der Hauptversammlungsbeschluss wurde im
November 2004 in das Handelsregister eingetragen.
Der Beteiligte B war der Ansicht, durch die Satzung in
der geänderten Fassung würden die Rechte der
Aktionäre in unzulässiger Weise eingeschränkt. Er
wollte die Löschung des Beschlusses im Handelsregister nach §§ 398, 395 FamFG erreichen. §§398,
395 FamFG sehen vor, dass nichtige
Hauptversammlungsbeschlüsse von Amts wegen
gelöscht werden können. Der Beteiligte B regte eine
solche Löschung gegenüber dem Registergericht an.
Zu diesem Zeitpunkt war der Beschluss bereits seit
mehr als drei Jahren im Handelsregister eingetragen.
Das Registergericht wies diese Anregung durch
Beschluss zurück. Das daraufhin von dem Beteiligten B
angerufene Beschwerdegericht gab dem Beteiligten B
Recht und wies das Registergericht an, den
entsprechenden Beschluss zu löschen. Hiergegen
erhob die A-AG Rechtsbeschwerde beim BGH.
Die Entscheidung des BGH:
Der BGH hob den Beschluss des Beschwerdegerichts
auf und verwarf die Beschwerde des Beteiligten B
gegen den ablehnenden Beschluss des
Registergerichts als unzulässig. Das Registergericht
war damit im Ergebnis nicht verpflichtet, den Beschluss
der Hauptversammlung im Handelsregister zu löschen.
Als Begründung führte der BGH aus, eine Löschung
nichtiger Hauptversammlungsbeschlüsse erfolge
gemäß §§ 398, 395 FamFG nur von Amts wegen oder
auf Antrag der berufsständischen Organe, wenn durch
ihren Inhalt zwingende gesetzliche Vorschriften verletzt
werden oder ihre Beseitigung im öffentlichen Interesse
erforderlich erscheint. Als Aktionär habe der Beteiligte B
kein Antragsrecht. Folglich fehle es ihm an einer
Beschwerdebefugnis nach § 59 Abs. 1 FamFG, um den
ablehnenden Beschluss des Registergerichts
anzufechten. Nach § 59 Abs. 2 FamFG steht neben
einem Antragsteller eine Beschwerdebefugnis auch
demjenigen zu, der durch einen Beschluss in eigenen
subjektiven Rechte beeinträchtigt ist. Dies sei für den
Beteiligten B nicht der Fall. Der BGH begründet das
Fehlen eines subjektiven Rechts damit, dass der
Beschluss bereits länger als drei Jahre im Handelsregister eingetragen war, und damit eine etwaige
Nichtigkeit gemäß § 242 Abs. 2 S. 1 AktG nicht mehr
geltend gemacht werden kann (der BGH ließ dabei
offen, ob der Beschluss tatsächlich nichtig ist und falls
ja, ob diese auf § 241 S. 1 Nr. 1, 3 oder 4 AktG beruht).
Damit habe der einzelne Aktionär kein subjektives
Recht mehr, von den Wirkungen des Beschlusses
verschont zu bleiben und daher greife der angefochtene
Beschluss nicht in eine Rechtsstellung des Beteiligten B
ein.
Im Schrifttum ist diese Auffassung umstritten. So wird
auch vertreten, dem einzelnen Aktionär sei dann ein
Beschwerderecht einzuräumen, wenn der nach § 242
Abs. 1 AktG geheilte Hauptversammlungsbeschluss ihn
in einem Individualrecht beeinträchtigt, insbesondere
sein Mitgliedschaftsrecht einschränkt. Der BGH erteilt
dieser Auffassung unter Berufung aus Sinn und Zweck
des Amtslöschungsverfahrens sowie unter Verweis auf
die Heilungswirkung des § 242 Abs. 1 AktG eine
Absage. Das Amtslöschungsverfahren sei nicht im
Interesse einzelner Aktionäre eingerichtet worden,
sondern diene dem Schutz der Allgemeinheit. Aus
diesem Grund sei es nicht als Antragsverfahren
ausgestaltet worden. Der einzelne Aktionär sei mit der
Möglichkeit der Nichtigkeitsklage (§ 249 AktG)
ausreichend geschützt. Für eine zusätzliche
Corporate April 2015
11
Beschwerdebefugnis des Aktionärs im Rahmen von
§ 59 AktG bestehe kein schützenswertes Interesse.
Das bedeutet für Sie:
Für die Praxis wird durch die Entscheidung klar, dass
Aktionäre eine etwaige Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen nach Ablauf von drei Jahren
ab Eintragung in das Handelsregister nicht mehr
geltend gemacht machen können – wegen der
Heilungswirkung des § 242 Abs. 1 AktG nicht durch
Nichtigkeitsklage und mangels Antragsrecht bzw.
Beschwerdebefugnis auch nicht im
Amtslöschungsverfahren nach §§ 398, 395 FamFG. Da
dies auch dann gilt, wenn Aktionäre durch vermeintlich
nichtige Beschlüsse in individuellen Rechten
beeinträchtigt sein können, ist in der Praxis auf den
Lauf der Dreijahresfrist genau zu achten. Die
Möglichkeit einer Löschung von Amts wegen ohne
Beteiligung eines Aktionärs wird durch die
Entscheidung nicht berührt.
Dr. Malte Ingwersen
Associate, Düsseldorf
T +49 (211) 1368 445
[email protected]
12
Corporate April 2015
Aktuelle Urteile
Zeitliche Begrenzung der Nachhaftung der herrschenden Gesellschaft bei Beendigung eines
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags
BGH, Urteil vom 7. Oktober 2014 - II ZR 361/13
begrenzt sind, die vor Ablauf von fünf Jahren nach der
Bekanntmachung fällig werden.
Der BGH setzt sich in der vorliegenden Entscheidung
mit der zeitlichen Begrenzung des Anspruchs der
Gläubiger einer abhängigen Gesellschaft auf
Sicherheitsleistung gegen die herrschende
Gesellschaft nach Beendigung eines Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrags auseinander.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt
zugrunde:
Die s.GmbH U. schloss im Dezember 2007 mit der
Klägerin einen Mietvertrag für die Dauer von 15 Jahren
über ein eigens zu diesem Zweck errichtetes
gewerbliches Objekt. Bereits zuvor, im Jahr 2006, hatte
die Beklagte als herrschendes Unternehmen mit der
s.GmbH U. für die Dauer von 10 Jahren einen
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag
abgeschlossen. Der Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrag wurde im Jahr 2010 vorzeitig
durch Aufhebungsvertrag beendet. Die Eintragung der
Aufhebung wurde am 17. Januar 2011 im Handelsregister bekannt gemacht. Die Beklagte gab gegenüber
der Klägerin analog § 303 Abs. 3 AktG ein
Bürgschaftsversprechen ab, das zeitlich bis zum
16. Januar 2016 befristet ist.
Mit der Klage verlangte die Klägerin von der Beklagten
Sicherheitsleistung in konkret bestimmter Höhe für
einen über den 16. Januar 2016 hinausgehenden
Zeitraum. Die Klage blieb in allen Instanzen ohne
Erfolg.
Die Entscheidung des BGH:
Der BGH hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen
und hat entschieden, dass Ansprüche der Gläubiger
einer abhängigen Gesellschaft auf eine Sicherheitsleistung für Verbindlichkeiten, die bis zur
Bekanntmachung der Eintragung der Beendigung des
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags
begründet, aber erst danach fällig werden,
entsprechend den Nachhaftungsregeln gemäß §§ 26,
160 HGB und § 327 Abs. 4 AktG auf Ansprüche
Zunächst führt der BGH in seiner Entscheidung aus,
dass der Rechtsgedanke des § 302 AktG auch im
Vertragskonzern mit einer abhängigen GmbH
entsprechend anzuwenden sei. Der in § 303 AktG
normierte Sicherungsanspruch erstrecke sich auf alle
vor diesem Zeitpunkt begründeten Forderungen,
enthalte aber keine Regelung im Hinblick auf die
zeitliche Begrenzung der Nachhaftung der
herrschenden Gesellschaft nach Aufhebung eines
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags.
Bislang ist in derartigen Fallkonstellationen im
Schrifttum streitig gewesen, ob der Anspruch auf
Sicherheitsleistung entsprechend den Nachhaftungsregelungen gemäß §§ 26, 160 HGB und § 327
Abs. 4 AktG auf eine fünfjährige Nachhaftung zeitlich zu
begrenzen oder - entsprechend einer früheren
Entscheidung des Senats (BGH, Urteil vom 18. März
1996 - II ZR 299/94) - auf ein konkret zu bestimmendes
Sicherungsinteresse des jeweiligen Gläubigers
abzustellen sei. Der BGH schließt sich in der
vorliegenden Entscheidung - entgegen seiner früheren
Entscheidung - der Ansicht des Berufungsgerichts an,
welches davon ausgeht, dass im Hinblick auf die
zeitliche Begrenzung der Nachhaftung bei § 303 AktG
eine unbeabsichtigte, planwidrige Regelungslücke
bestehe, die über eine analoge Anwendung der §§ 26,
160 HGB und § 327 Abs. 4 AktG zu schließen und die
Haftung des vormals herrschenden Unternehmens
nach Beendigung des Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrags auf eine fünfjährige
Nachhaftung zu begrenzen sei. Weder die
Gesetzesmaterialien zum
Nachhaftungsbegrenzungsgesetz noch sonstige
Anhaltspunkte ließen darauf schließen, dass der
Gesetzgeber in § 303 AktG bewusst von einer
zeitlichen Begrenzung der Sicherheitsleistung
abgesehen habe. Zudem sei auch die Interessenlage
mit jener beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus
einer Personenhandelsgesellschaft vergleichbar. In
beiden Fällen habe der Gläubiger, der das jeweilige
Rechtsverhältnis mit Blick auf die Zahlungsfähigkeit
seines Haftungsschuldners eingegangen ist, laut BGH
keinen Anspruch auf den Fortbestand des
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages und
Corporate April 2015
der damit verbundenen Verlustausgleichspflicht
zugunsten der beherrschten Gesellschaft bzw. auf den
Verbleib des ausscheidenden Gesellschafters in der
Gesellschaft. Zudem sei die Begrenzung der
Nachhaftung auf fünf Jahre auch vor dem Hintergrund
gerechtfertigt, dass das Risiko der finanziellen
Abhängigkeit der vormals beherrschten Gesellschaft
vom herrschenden Unternehmen mit jedem Jahr nach
Beendigung des Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrages sinke.
Der BGH hat außerdem festgestellt, dass sich ein
Anspruch der Klägerin auf Sicherheitsleistung auch
nicht aufgrund eines vorvertraglichen
Schadensersatzanspruches (culpa in contrahendo,
§§280 Abs. 1, 311 Abs. 3 BGB) ergibt, da der Klägerin
danach allenfalls ein Ersatz des Vertrauensschadens somit die Fortzahlung des geschuldeten Mietzinses jedoch nicht die Leistung von Sicherheit zugebilligt
werden könne.
Das bedeutet für Sie:
Mit der Einführung der zeitlichen Begrenzung der
Nachhaftung auf fünf Jahre analog §§ 26, 160 HGB und
§ 327 Abs. 4 AktG schafft der BGH eine klare und
rechtssichere Lösung, die die insbesondere bei
Dauerschuldverhältnissen bestehende Gefahr für das
vormals herrschende Unternehmen bei Beendigung
eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags
einer Endloshaftung ausgesetzt zu sein,
interessengerecht löst. Auch im Hinblick auf die
Durchführung von M&A-Transaktionen hat die
Entscheidung des BGH praktische Relevanz. In diesem
Zusammenhang stellt sich häufig die Frage, in welcher
Höhe der Verkäufer den Gläubigern der zu
veräußernden Zielgesellschaft bei Beendigung des
Unternehmensvertrages zum Closing Sicherheit zu
leisten hat. Bei Geltung der fünfjährigen Nachhaftungsregelungen kann die Höhe der
Sicherheitsleistung künftig verlässlich kalkuliert und
entsprechend im Unternehmenskaufvertrag
wirtschaftlich zwischen den Parteien abgebildet werden.
Aus Sicht des Gläubigers eines beherrschten
Unternehmens kann es künftig sinnvoll sein, bei noch
nicht abgeschlossenen Dauerschuldverhältnissen auf
eine zusätzliche vertragliche Absicherung durch die
Konzernobergesellschaft (etwa durch die Übernahme
einer Bürgschaft oder Garantie) zu bestehen, die auch
nach Beendigung des Unternehmensvertrages und der
fünfjährigen Nachhaftung dem Sicherungsbedürfnis
ausreichend Rechnung trägt. Bei bereits
abgeschlossenen Verträgen ist eine nachträgliche
vertragliche Absicherung grundsätzlich ebenfalls
denkbar. Allerdings setzt diese nachträgliche
Vertragsänderung das Einverständnis des
13
herrschenden Unternehmens voraus, das vermutlich
nur in Ausnahmefällen gegeben sein dürfte.
Laura Annemarie Rosca
Associate, Frankfurt
T +49 (69) 96 236 441
[email protected]
14
Corporate April 2015
Aktuelle Urteile
Distanzierung von Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre bei
Personenhandelsgesellschaften
BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 – II ZR 84/13
Der BGH hat die bisher geltenden Einschränkungen
für Mehrheitsbeschlüsse bei Personenhandelsgesellschaften aufgegeben. Dies betrifft
insbesondere den Bestimmtheitsgrundsatz, nach dem
sich allgemeine Mehrheitsklauseln nur auf
gewöhnliche, vorhersehbare oder im
Gesellschaftsvertrag ausdrücklich vorgesehene
Beschlussgegenstände beziehen können, sowie die
Kernbereichslehre, nach der Eingriffe in den
Kernbereich der Gesellschaftsrechte nur zulässig sind,
wenn der Beschluss nicht in (absolut oder relativ)
unverzichtbare Mitgliedschaftsrechte eingreift.
Nunmehr gilt, dass die formelle Legitimation eines
Mehrheitsbeschlusses der Gesellschafterversammlung sich, ohne Rücksicht darauf, ob es sich
um ein gewöhnliches, ein außergewöhnliches oder ein
Grundlagengeschäft handelt, aus einer allgemeinen
Mehrheitsklausel im Gesellschaftsvertrag ergeben
kann. Eine Inhaltskontrolle findet nicht mehr auf dieser
formellen Ebene statt, sondern wird auf materieller
Ebene dadurch gezogen, dass eine konkrete
Abwägung der Interessen der Gesellschaft mit der
Zumutbarkeit der Entscheidung für den betroffenen
Gesellschafter erfolgt.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt
zugrunde:
Der Kläger ist Kommanditist einer GmbH & Co. KG, der
sich mit seinen Mitgesellschaftern – einem weiteren
Kommanditisten sowie der GmbH als Komplementär –
um die Wirksamkeit eines mit einfacher Mehrheit - aber
gegen seine Stimme - gefassten
Gesellschafterbeschlusses streitet.
Die Gesellschafterversammlung hatte in diesem
Beschluss der Übertragung der Kommanditanteile des
Klägers auf eine Stiftung zugestimmt. Der
Gesellschaftsvertrag verlangte für die Verfügung über
Gesellschaftsanteile eine solche Zustimmung, wobei
nach der allgemeinen Mehrheitsklausel des
Gesellschaftsvertrags Beschlüsse der
Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit
gefasst werden, sofern nicht im Gesellschaftsvertrag
selbst oder im Gesetz etwas anderes geregelt ist.
Obwohl eine abweichende Regelung hier nicht
ersichtlich war, folgten die Instanzgerichte der
klägerischen Auffassung, nach der sich eine allgemeine
Mehrheitsklausel nach dem sogenannten
Bestimmtheitsgrundsatz nur auf gewöhnliche
Beschlussgegenstände bezieht, während die
Zustimmung zur Abtretung des Kommanditanteils als
außergewöhnlicher Beschlussgegenstand der
Einstimmigkeit bedürfe.
Die Entscheidung des BGH:
Der BGH gab der Revision der Beklagten statt und hält
den mit einfacher Mehrheit gefassten Beschluss für
wirksam.
Die Prüfung der formellen Legitimation des
Gesellschafterbeschlusses habe ausschließlich durch
Auslegung des Gesellschaftsvertrags nach den
allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 157
BGB) zu erfolgen. Der frühere Bestimmtheitsgrundsatz
bilde hierbei weder eine Schranke dahingehend, dass
Grundlagengeschäfte oder außergewöhnliche
Geschäfte von allgemeinen Mehrheitsklauseln nicht
erfasst sind, noch lässt sich aus ihm eine anderweitige
restriktive Auslegung solcher Klauseln ableiten. Soweit
in früheren Urteilen gefordert wurde, dass solche
Klauseln sich „eindeutig“ auf den jeweiligen
Beschlussgegenstand beziehen müssen, sei insoweit
nur die Eindeutigkeit nach erfolgter Auslegung gemeint.
Abzugrenzen sei die im Urteil besprochene Situation
aber von solchen Gesellschafterbeschlüssen, deren
materielle Wirksamkeit von der Zustimmung eines
Gesellschafters abhängig ist, wie es bei der
Beitragserhöhung nach § 707 BGB der Fall sei. Hier sei
weiterhin eine eindeutige Regelung im Gesellschaftsvertrag notwendig, in der Ausmaß und Umfang der
Pflicht bestimmt sind. Denn hier gehe es nicht um die
Frage der formellen Wirksamkeit des Beschlusses,
sondern um die materielle Frage, ob eine antizipierte
Zustimmung des Gesellschafters selbst vorliegt. Die
Unbestimmtheit mache hier folglich nicht den Beschluss
rechtswidrig, sondern führe nur zu einer relativen
Unwirksamkeit des Beschlusses gegenüber dem
einzelnen Gesellschafter.
Corporate April 2015
Im vorliegenden Fall lag nach Auslegung des Vertrags
die formelle Legitimation zur Fassung des Beschlusses
durch einfache Mehrheit nach dem BGH nahe, auch
wenn aus revisionsrechtlichen Gründen nur eine
Zurückverweisung an das Berufungsgericht erfolgte.
Insbesondere wird klargestellt, dass die Verfügung über
die Mitgliedschaft keine Vertragsänderung darstellt, die
nach dem Gesellschaftsvertrag Einstimmigkeit
erfordert.
Von der formellen Legitimation zu trennen ist jedoch die
inhaltliche (materielle) Wirksamkeit des Beschlusses.
Hier prüft der BGH einen Verstoß gegen den
Minderheitenschutz, insbesondere also die Einhaltung
des Gleichbehandlungsgrundsatzes und der
gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht. Hierbei sei nicht
abstrakt und ohne Berücksichtigung der konkreten
Gesellschaftsstruktur und der etwaigen besonderen
Stellung des betroffenen Gesellschafters auf die
Betroffenheit bestimmter Kernbereiche abzustellen,
sondern es sei eine Abwägung der individuellen
Rechtsstellung des Gesellschafters mit dem Interesse
der Gesellschaft am Eingriff in seine rechtliche und
vermögensmäßige Position in der Gesellschaft
vorzunehmen. Dabei sei hier zu berücksichtigen, dass
der Gesellschafterbeschluss zur Zustimmung der
Abtretung des Kommanditanteils lediglich
Voraussetzung der Übertragung ist, aber keine Pflicht
des Klägers zur Übertragung begründe. Die Frage, ob
eine solche Pflicht besteht, war Gegenstand eines
anderen Rechtsstreits, ist für die Wirksamkeit des
Beschlusses als solchem jedoch nicht relevant: Besteht
die Pflicht, ist die Zustimmung nicht treuwidrig, besteht
sie nicht, hat der Zustimmungsbeschluss keine
Rechtsfolgen.
Das bedeutet für Sie:
Das Urteil schafft Klarheit im Bereich des
Personengesellschaftsrechts, indem der frühere
Bestimmtheitsgrundsatz nun ausdrücklich aufgegeben
wird. Das reduziert die Angreifbarkeit von
Mehrheitsentscheidungen aus formalen Gesichtspunkten mit der Begründung, dass es sich um ein
außergewöhnliches Geschäft handele. Katalogartige
Aufzählungen des „Ungewöhnlichkeitsbereichs“
möglicher Gesellschaftsbeschlüsse im Gesellschaftsvertrag sind damit nicht mehr notwendig. Es bleibt
jedoch zu beachten, dass ausdrückliche Regelungen
trotzdem die Anwendung und Auslegung des
Gesellschaftsvertrags erleichtern. Der BGH weist
zudem klarstellend darauf hin, dass zur Auslegung nicht
nur die schriftlichen Regelungen heranzuziehen sind,
sondern sämtliche relevante Begleitumstände.
Zugleich erfolgt auf materieller Ebene eine Absage an
die sog. Kernbereichslehre, die durch eine individuelle
Verhältnismäßigkeitsprüfung abgelöst wird. Die
15
Einschränkung „soweit im Interesse der Gesellschaft
geboten und dem Gesellschafter zumutbar“ wird hierbei
in Zukunft zum maßgeblichen Streitpunkt werden.
Ausgenommen von dieser Abwägung bleiben freilich
weiterhin die unverzichtbaren Mitgliedschaftsrechte,
denn wenn diese schon nicht vertraglich aufgehoben
werden können, kann dies auch nicht im Wege eines
Mehrheitsbeschlusses erfolgen.
Inwieweit im Rahmen der sonstigen Abwägung
jedenfalls teilweise auf die zur Kernbereichslehre
entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden kann,
bleibt abzuwarten.
Michael Sinhart
Partner, Frankfurt
T +49 (69) 96236 287
[email protected]
Marc Häuser
Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Frankfurt
T +49 (69) 96236 287
[email protected]
16
Corporate April 2015
Aktuelle Urteile
Zur Vorlagepflicht von Due Diligence Berichten im Rahmen einer Betriebsprüfung
Finanzgericht Münster, Beschluss vom 18. August 2014 – 6 V 1932/14 AO
Nach Auffassung des Finanzgerichts bestehen
ernstliche Zweifel daran, ob ein Due Diligence Bericht
eine vorlagepflichtige Urkunde bzw. eine sonstige
vorlagepflichtige Unterlage ist. Auch wenn es sich bei
einem Due Diligence Bericht um eine solche Urkunde
bzw. Unterlage handeln sollte, ist ernstlich zweifelhaft,
ob ein Dokument stets insgesamt vorlagepflichtig ist,
auch wenn nur eine einzige möglicherweise
steuerliche relevante Aussage enthalten ist und ob
stets das vollständige Originaldokument vorzulegen
ist.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt
zugrunde:
Die Antragstellerin, eine Holding GmbH, hatte an ihren
Alleingesellschafter Anteile an einer Beteiligungs-GmbH
& Co. KG veräußert. Der Betriebsprüfer war der
Auffassung, dass eine Überprüfung der
Angemessenheit des Kaufpreises erforderlich sei, da
die vorgelegte Berechnung des Unternehmenswertes
durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft arg
vereinfacht und daher für einen Angemessenheitsnachweis nicht hinreichend sei. Daher forderte er die
Antragstellerin auf, unter anderem die Unterlagen zu
einer zuvor, aus einem anderen Anlass durchgeführten
Due Diligence Prüfung vorzulegen.
Die Antragstellerin kam der Aufforderung zur Vorlage
der Due Diligence Unterlagen nach, in dem sie eine
teilweise „geweißte“ Kopie des Due Diligence Berichts
übermittelte. Daraufhin forderte der Betriebsprüfer die
Antragstellerin mit dem streitgegenständlichen
Vorlageersuchen zur Übermittlung des vollständigen
Due Diligence Berichts auf. Denn es sei nach
Auffassung des antragsgegnerischen Finanzamtes zu
vermuten, dass die „geweißten“ Passagen
besteuerungsrelevante Tatsachen enthalten. Ein
Dokument sei insgesamt vorlagepflichtig, wenn es nur
eine einzige möglicherweise steuerrechtlich relevante
Aussage enthalte. Demgegenüber vertrat die
Antragstellerin die Auffassung, dass die „geweißten“
Passagen lediglich Beurteilungen, Würdigungen oder
Ergebnisse von rechtlichen oder wirtschaftlichen
Prüfungen enthalten, welche für die Beurteilung des
steuerlichen Sachverhalts nicht von Bedeutung seien.
Gegen das Vorlageersuchen legte die Antragstellerin
erfolglos Einspruch ein. In der Hauptsache hat das
Finanzgericht Münster noch nicht entschieden (Az. 6 K
1931/14). Über den Antrag auf Aussetzung der
Vollziehung hat das Finanzgericht Münster mit dem hier
zitierten Beschluss entschieden.
Die Entscheidung des Finanzgerichts Münster:
Der Senat sah den Antrag auf Aussetzung der
Vollziehung als begründet an, da ernstliche Zweifel an
der Rechtsmäßigkeit des Vorlageersuchens in zweierlei
Hinsicht bestanden.
Die eine Aussetzung rechtfertigenden Zweifel
resultieren bereits daraus, dass die Frage, ob ein Due
Diligence Bericht als vorlagepflichtige Urkunde bzw.
Unterlage anzusehen ist, höchstrichterlich bislang nicht
entschieden ist und dies in der Literatur kontrovers
diskutiert wird. Der Umstand, dass in einem DueDiligence-Bericht regelmäßig Passagen vermischt
werden, in denen einerseits Tatsachen wiedergegeben
und andererseits Sachverhalt gewürdigt und/oder
juristisch bewertet werden, gibt auch nach Ansicht des
Senats Anlass, die Vorlagepflicht in Frage zu stellen
oder diese zumindest bestimmten Einschränkungen zu
unterwerfen.
Über die Frage der abstrakten Vorlageverpflichtung
hinaus bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des konkreten Vorlageersuchens. Denn es
erscheint nach Ansicht des Senats zweifelhaft, ob ein
Dokument, welches möglicherweise nur eine einzige
steuerlich relevante Aussage enthält, stets insgesamt
vorlagepflichtig ist und ob stets das vollständige
Originaldokument vorzulegen ist. Entgegen der
Auffassung des antragsgegnerischen Finanzamtes sei
die Grenze der Rechtmäßigkeit nicht erst dann
überschritten, wenn Unterlagen, die objektiv unter
keinem möglichen Gesichtspunkt steuerliche Relevanz
aufweisen, angefordert werden. Sind Unterlagen
möglicherweise steuerlich relevant, sei vielmehr
ebenfalls eine differenzierte Einzelfallentscheidung
geboten. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes
Corporate April 2015
zur Vorlagepflicht von Aufsichtsrats- und
Vorstandsprotokollen hält der Senat insoweit für
entsprechend anwendbar. Danach sind diejenigen
Protokolle von der Vorlagepflicht ausgeschlossen, von
denen die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft
glaubhaft versichern, dass sie keine steuerlich
relevanten Tatsachen enthalten und keine Zweifel an
der Richtigkeit dieser Versicherung bestehen.
Im Rahmen der gebotenen Einzelfallbetrachtung seien
die berechtigten Informationsinteressen der Finanzverwaltung und die schutzwürdigen Belange des
Unternehmens gegeneinander abzuwägen. Je geringer
dabei die Erwartung sei, dass der Due Diligence Bericht
steuerlich relevante Tatsachen enthält und je größer
damit die Gefahr eines Eingriffs in innere Angelegenheiten des Unternehmens sei, desto höher dürften die
Anforderungen an die Ermessenserwägungen der
Finanzverwaltung sein.
Im Streitfall sah der Senat die Tatsachen, dass der
tatsächlichen Kaufpreisfindung ein eigenständiges und
offengelegtes Bewertungsverfahren zugrunde gelegt
wurde und der Due Diligence Bericht bereits im Vorjahr
und in anderem Zusammenhang erstellt wurde,
insoweit als relevant an.
Das bedeutet für Sie:
Es handelt sich um eine Entscheidung lediglich im
einstweiligen Rechtsschutz, so dass der Ausgang des
Hauptsachverfahrens mit Spannung zu erwarten ist.
Folgende Schlüsse können bereits jetzt gezogen
werden:
•
Die maßgeblichen Erwägungen des Finanzgerichts
Münster sind über Due Diligence Berichte hinaus
auf sämtliche Dokumente übertragbar, in denen
Informationen enthalten sind, die nicht offengelegt
werden müssen (z. B. Würdigungen, Bewertungen,
Risikoeinschätzungen; sog. „Urkunden besonderer
Art“).
•
Auf Vorlageersuchen ist mit der gebotenen
Sorgfalt zu reagieren. Stets ist zu prüfen, ob die
angefragte Unterlage überhaupt steuerrelevante
Tatsachen enthält. Ist dies der Fall, kommt eine
nur auszugsweise Vorlage in Betracht.
•
Dem Vorlageersuchen kann durch Vorlage der
Dokumentation, welche der „Urkunde besonderer
Art“ zugrunde liegt, die Grundlage entzogen
werden.
•
Dieser abgestuften Vorlagepflicht sollte bereits bei
dem Verfassen der die steuerplanerisch
durchgeführte Maßnahmen begleitenden
Dokumente (Due Diligence Bericht, Fairness
17
Opinion etc.) Rechnung getragen werden, in dem
auf eine saubere und nachvollziehbare Trennung
von Sachverhaltsfeststellungen einerseits und
Würdigungen, Bewertungen und
Risikoeinschätzungen andererseits Wert gelegt
wird.
•
Ausführlicher zu dem Thema bereits:
Dörr/Geißelmeier/Mayr NWB Fach 17, S. 2081 ff.
Nico Neukam
Senior Associate, Düsseldorf
T +49 (211) 1368 485
[email protected]
www.hoganlovells.com
Hogan Lovells hat Büros in:
Alicante
Amsterdam
Baltimore
Brüssel
Budapest*
Caracas
Colorado Springs
Denver
Dschidda*
Dubai
Düsseldorf
Frankfurt am Main
Hamburg
Hanoi
Ho Chi Minh Stadt
Hongkong
Houston
Jakarta*
Johannesburg
London
Los Angeles
Luxemburg
Madrid
Mailand
Mexiko-Stadt
Miami
Monterrey
Moskau
München
New York
Northern Virginia
Paris
Peking
Philadelphia
Riad*
Rio de Janeiro
Rom
San Francisco
São Paulo
Schanghai
Silicon Valley
Singapur
Tokio
Ulaanbaatar
Warschau
Washington DC
Zagreb*
"Hogan Lovells" oder die "Sozietät" ist eine internationale Anwaltssozietät, zu der Hogan Lovells International LLP und Hogan Lovells US LLP und ihnen nahestehende
Gesellschaften gehören.
Die Bezeichnung "Partner" beschreibt einen Partner oder ein Mitglied von Hogan Lovells International LLP, Hogan Lovells US LLP oder einer der ihnen nahestehenden
Gesellschaften oder einen Mitarbeiter oder Berater mit entsprechender Stellung. Einzelne Personen, die als Partner bezeichnet werden, aber nicht Mitglieder von Hogan Lovells
International LLP sind, verfügen nicht über eine Qualifikation, die der von Mitgliedern entspricht.
Weitere Informationen über Hogan Lovells, die Partner und deren Qualifikationen, finden Sie unter www.hoganlovells.com.
Sofern Fallstudien dargestellt sind, garantieren die dort erzielten Ergebnisse nicht einen ähnlichen Ausgang für andere Mandanten. Anwaltswerbung.
©Hogan Lovells 2015. Alle Rechte vorbehalten.
*Kooperationsbüros