Brigitte Pothmers Auswertung der Anfrage

Brigitte Pothmer, MdB
Sprecherin für Arbeitsmarktpolitik
Mai 2015
Hintergrund
Die im Haushaltstitel 1101/685 11 aufgeführten Verpflichtungsermächtigungen (VE) gestatten es den
Jobcentern, über das laufende HH-Jahr hinausgehende, mehrjährige Maßnahmen zu planen und zu
bewilligen. Hierfür sind bei den „Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“ (einschließlich der
Bundesprogramme) aktuell ausgewiesen:
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fällig (ausgabewirksam) im Haushaltsjahr 2016: bis zu 1,400 Milliarden Euro
im Haushaltsjahr 2017: bis zu 600 Millionen Euro
im Haushaltsjahr 2018: bis zu 150 Millionen Euro
im Haushaltsjahr 2019: bis zu 50 Millionen Euro
im Haushaltsjahr 2020: bis zu 10 Millionen Euro
in den Haushaltsjahren 2021 bis 2023: jeweils bis zu 5 Millionen Euro
Mitte März wurden die Jobcenter über die Höhe der ihnen zur Verfügung stehenden VEs ab 2016
informiert. Demnach bekommen sie
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2016: 1.055.500.000 Euro (75,4 Prozent der VE für das Haushaltsjahr 2016)
2017: 270.600.000 Euro (45,1 Prozent der VE für 2017)
2018: 77.200.000 Euro (51,5 Prozent der VE für 2018)
2019: 26.700.000 Euro (53,4 Prozent der VE für 2019)
2020: 6.830.000 Euro (68,3 Prozent der VE für 2020)
2021 bis 2023: jeweils 4.000.000 Euro (jeweils 80 Prozent der jeweiligen VE)
Der Rest der VE ist demnach für die Bundesprogramme (ESF-Programm für Langzeitarbeitslose und
Teilhabeprogramm) vorgesehen. Ursprünglich war vorgesehen, dass den Jobcentern 2016 95 Prozent
und 2017 100 Prozent der VE zur Verfügung stehen sollten. Demgegenüber sind die jetzigen
Mittelzuweisungen erheblich reduziert.
Infolgedessen hat sich zum Beispiel das Land Bremen an den Bund gewendet und protestiert, ebenso
die Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit (siehe jeweils Anlage). Auch der deutsche
Landkreistag hat sich Ende April der Kritik angeschlossen.1
Unterrichtung im Ausschuss
In einer Unterrichtung im Ausschuss für Arbeit und Soziales am 06.05.15 hat das Bundesministerium
für Arbeit und Soziales (BMAS) auf Antrag von Bündnis90/Die Grünen über sein Vorgehen berichtet.
Zur Begründung für die Kürzungen der VE wurde angegeben, dass dies dem geplanten
Bundesprogramm „Soziale Teilhabe“ geschuldet sei. Das sei bei den Haushaltsberatungen für 2015
noch nicht etatreif gewesen. Erst jetzt stünde fest, in welchem Umfang dafür VE fällig würden. BMAS
stünde in Verhandlungen mit dem Bundesfinanzministerium über eine Lösung, bis jetzt sei aber keine
Einigung erzielt worden. Die Bundesregierung argumentierte darüber hinaus, dass trotz der
Reduzierung immer noch mehr VE für Eingliederungsmaßnahmen nach dem SGB II zur Verfügung, als
zuvor in Anspruch genommen worden waren.
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http://www.landkreistag.de/presseforum/pressemitteilungen/1654-pressemitteilung-vom-30-april-2015.html
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Bewertung
Aktuell sind bei den Jobcentern rund 4,3 Millionen erwerbsfähige Leistungsbezieher, darunter knapp
2 Millionen Arbeitsuchende gemeldet. Die Bundesprogramme wenden sich an 43.000 Personen, also
2 Prozent der Arbeitsuchenden. Es ist mehr als unverhältnismäßig, wenn durch die VE-Bindungen des
Bundes ein Viertel (2016), mehr als die Hälfte der Mittel (2017) und in den nachfolgenden Jahren gut
die Hälfte der zur Verfügung stehenden Mittel gebunden werden. Die Spielräume der Jobcenter
werden dadurch erheblich eingeschränkt.
Die Nachricht ereilte die Jobcenter mitten in den Programm- und Finanzplanungen für die
kommenden Jahre. Beabsichtigte Maßnahmen wurden damit von heute auf morgen infrage gestellt,
zum Teil mussten bereits veröffentlichte Ausschreibungen zurückgezogen werden. An der Substanz
der Kritik ändern auch die Nachverhandlungen des BMAS mit dem Finanzminister nichts. Mitte März
wurden die Jobcenter vor vollendete Tatsachen gestellt, mehr als sechs Wochen später gibt es für sie
immer noch keinen neuen Sachstand.
Auch das Argument des BMAS, es stünden trotz der Kürzungen mehr VE als im Vorjahr zur
Verfügung, überzeugt nicht. Es lässt außer Acht, dass die Jobcenter endlich mehr in längerfristige
Maßnahmen insbesondere für Langzeitarbeitslose investieren müssen, wenn sie erfolgreicher und
nachhaltiger als bisher arbeiten wollen. Auch das neue Programm Assistierte Ausbildung erfordert
mehrjährige Mittelbindungen.
Das BMAS wusste immer, dass es für das Programm Soziale Teilhabe VE binden muss. Selbst wenn
die konkrete Höhe bei den Haushaltsberatungen 2015 noch nicht fest stand, hätte es dafür Vorsorge
treffen und höhere VE anmelden müssen. Das BMAS muss sich jetzt endlich schleunigst für eine
grundsätzliche Erhöhung der VE einsetzen, damit die Sonderprogramme andere langfristige
Maßnahmen nicht unmöglich machen. Nur so können die Jobcenter der politischen Forderung nach
langfristig und nachhaltig angelegten Maßnahmen für Arbeitslose auch tatsächlich nachkommen.
Die Reduzierung der VE wurde ohne vorherige Kommunikation oder Absprache vom Bund
vorgenommen. Das kann nur als kommunikativer Dilettantismus eingestuft werden, vertrauensvolle
und transparente Zusammenarbeit sieht anders aus.
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