Züchtungskunde, 85, (3) S. 188–205, 2013, ISSN 0044-5401 © Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart Original Article Züchterische Möglichkeiten zur Emissionsminderung bei Deutschen Holsteins W. Brade1, U. Dämmgen2 und N. Reinsch3 Zusammenfassung Die Notwendigkeit der Minderung der Emissionen von luftverschmutzenden und Treibhausgasen ist weltweit von Bedeutung. Die Emissionen aus der Rinderhaltung sind beträchtlich. Eine gezielte genetisch-züchterische Einflussnahme auf die tierische Leistung lässt merkmalsspezifische Veränderungen in der Holsteinpopulation erwarten. Eine direkte Einflussnahme auf tierindividuelle gasförmige Emissionen ist zurzeit nicht gegeben. Der Züchter kann somit nur durch indirekte Maßnahmen wie eine angestrebt weitere Leistungssteigerung bei gleichzeitiger Konstanthaltung der Körpermasse der Kühe Einfluss auf die zugehörigen gasförmigen Emissionen je erzeugte Produkteinheit (Emission pro kg Milch oder kg Milcheiweiß) nehmen. Die weitere Steigerung der Milchmengenleistung (bei Vermeidung eines negativen genetischen Trends für den Milcheiweißgehalt) beeinflusst die Ausscheidungen von Stickstoff (N), Methan (CH4) und volatile solids (VS) des Einzeltieres insgesamt nur relativ gering. Mit Bezug auf die (energiekorrigierte) Milchleistung bzw. die produzierte Milcheiweißmenge kann jedoch gezeigt werden, dass die zu erwartenden Emissionen von luftverschmutzenden und Treibhausgasen klar von der Zuchtzielgestaltung abhängig sind. Eine weitere Steigerung der Milchleistung unter Beachtung des zugehörigen Milchfett-Milcheiweiß-Verhältnisses – bei gleichzeitiger Einflussnahme sowohl auf die Nutzungsdauer als auch auf den Milchharnstoffgehalt bzw. die Körpermasse der Tiere – lässt positive Effekte auf angestrebt abnehmende Umweltemissionen in der Milcherzeugung mit Holsteinrindern produktbezogen erwarten. Schlüsselwörter: Milchmenge, Emission, Treibhausgase, Ammoniak, Rinderzüchtung 1 Prof. Dr. Wilfried Brade, Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo); zurzeit: Leibniz-Institut (FBN) für Nutztierbiologie Dummerstorf, Wilhelm-Stahl-Allee 2, 18196 Dummerstorf, E-Mail: [email protected] 2 Dr. Ulrich Dämmgen, Dir. u. Prof. a.D., Johann Heinrich von Thünen-Institut, Institut für Agrarklimaschutz, Bundesallee 50, 38116 Braunschweig, E-Mail: [email protected] 3 Prof. Dr. Norbert Reinsch, Leibniz-Institut (FBN) für Nutztierbiologie Dummerstorf Wilhelm-StahlAlle 2, 18196 Dummerstorf, E-Mail: [email protected] Züchterische Möglichkeiten zur Emissionsminderung bei Deutschen Holsteins 189 Summary Breeding opportunities for reducing emissions in German Holsteins The need to reduce emissions of greenhouse gases and gaseous air pollutants is globally significant. The share of cattle husbandry is considerable. Specific changes in selected traits in the Holstein population can be expected from the application of differentiated breeding strategies. However, a specific exertion of influence on specific individual emission characteristics is not currently available. The breeder can thus influence the associated gaseous emissions produced per unit of product (emission per kg milk or kg of milk protein) by indirect means only, such as further improvement of animal performance while maintaining a constant body mass of cows. Any further increase in milk yield that avoids a negative genetic trend for milk protein content affects the release rates of nitrogen (N), methane (CH4) and volatile solids (VS) of the individual animal only marginally. It can be shown that the expected emissions of air pollutants and greenhouse gases are clearly dependent on the design of breeding goals, in particular with respect to the (energy-corrected) milk yield or milk protein content. A further increase in milk yield taking into account the associated milk fat-milk to milk protein-ratio in combination with simultaneous genetic influence on life time, milk urea content and body mass of animals will result in positive effects on environmental emissions from the viewpoint of the milk production with Holstein cattle. Keywords: Milk yield, emission, green house gases, ammonia, cattle breeding 1 Einleitung Der gegenwärtige Klimawandel wird den gesamten Landbau künftig weit reichend beeinflussen. Einerseits werden die Landwirte weltweit zur Milderung des Klimawandels beizutragen haben; andererseits werden sie durch die Erderwärmung um eine ausreichende Wasserversorgung für entsprechend hohe Erträge bangen müssen. Seriöse Berechnungen gehen von einer weltweiten Temperaturerhöhung zwischen 2 bis 4 K innerhalb der nächsten Jahrzehnte aus (vgl. Solomon et al., 2007a). Gleichzeitig werden Dürreperioden ebenso zunehmen wie Starkniederschläge. Der Klimawandel wirkt sich jedoch nicht nur auf den Pflanzenbau aus. Auch die gesamte Tierhaltung (z.B. Veränderungen im Keimmilieu bzw. weiterer Umweltfaktoren) wird betroffen sein (Schwerin, 2012). In der Rinderzucht hat sich die Auswahl der Zuchttiere konsequenterweise an den zu erwartenden künftigen Bedingungen der Milcherzeugung zu orientieren. Leider sind die exakten Rahmenbedingungen für die Milcherzeugung in Deutschland bzw. Mitteleuropa (nach 2020) nur unzureichend abzuschätzen. Man darf jedoch davon ausgehen, dass die Holsteinrinder weiter spezialisiert auf Milchleistung und gleichzeitig auf weitere wichtige funktionale Merkmale (Nutzungsdauer etc.) bei auch zukünftiger Vernachlässigung der Fleischleistung züchterisch bearbeitet werden. Auch sollte zusätzlich davon ausgegangen werden, dass die Verwendung des Milcheiweißes immer wichtiger wird (Tab. 1): Als wichtigste Gründe für den stetig wachsenden Käsemarkt können der langfristige Trend in Richtung einer fettärmeren Ernährung und die zunehmende Angebotsvielfalt und verbesserte Präsentation von Käse im Einzelhandel ausgemacht werden. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen, womit die Milcheiweißerzeugung im Gegensatz zur Milch- 190 W. Brade, U. Dämmgen und N. Reinsch Tab. 1. Pro-Kopf-Verbrauch von Milchprodukten in Deutschland (in kg pro Kopf und Jahr) Per capita consumption of milk products in Germany (in kg per head and year) Produkt 1996 2005 2010 Konsummilch: 66,7 64,2 51,5 Milchfrischprodukte: davon Joghurt und Joghurterzeugnisse 23,0 13,1 28,5 16,9 29,9 17,8 7,6 7,3 7,6 6,4 5,7 6,0 20,3 9,7 8,8 1,4 22,1 10,5 9,7 1,6 22,8 10,5 6,7 1,6 fetthaltige Produkte: Sahne und Sahneerzeugnisse Butter eiweißhaltige Produkte: Käse gesamt (inkl. Schmelzkäse) Hart-, Schnitt- und Weichkäse Frischkäse und Quark Schmelzkäse Quelle: Brade et al. (2008, ergänzt durch Angaben des Milchindustrieverband, vgl. http://www.milchindustrie.de) fettproduktion auch im Selektionsprozess immer wichtiger wird (vgl. Brade, 1999; Brade et al., 2008). In dieser Arbeit soll beispielhaft der Einfluss gezielter züchterischer Maßnahmen auf den anthropogenen Treibhauseffekt – unter besonderer Berücksichtigung einer möglichen Einflussnahme bei der Milcherzeugung mit Holsteins – untersucht werden. Da die Emissionen der Treibhausgase (green house gases, GHG) mit denen der luftverschmutzenden Stoffe eng gekoppelt sind (Lachgas- (N2O-) und Ammoniak (NH3)-Emissionen bilden sich teilweise aus gleichen Stickstoff-Pools; z.B. Dämmgen und Hutchings, 2008), sollen auch die Emissionen von Ammoniak (NH3) betrachtet werden. 2 Methoden 2.1 Vorbemerkung Da aktuell keine genetischen Populationsparameter für tierindividuelle gasförmige Emissionen (z.B. Methan-(CH4)-Emissionen aus der Verdauung) für eine Holstein-Population vorliegen, wurde eine mehrstufige Vorgehensweise zur Kalkulation der zu erwartenden Emissionen bei differenzierter Zuchtzielgestaltung von Holsteinrindern gewählt: 1. Ableitung möglicher genetischer Fortschritte bei gleichzeitiger Einbeziehung differenzierter Merkmale auf Basis der Anwendung der klassischen Theorie der Indexselektion (vgl. Hazel, 1943; Cunningham, 1975; Falconer, 1984) unter der (vereinfachten) Voraussetzung, dass in der konventionellen Milcherzeugung die züchterische Einflussnahme praktisch nur über eine gezielte Auswahl der eingesetzten Vatertiere (d.h. Kuhväter) erfolgt (vgl. Brade, 1999, 2012), Züchterische Möglichkeiten zur Emissionsminderung bei Deutschen Holsteins 191 2. Kalkulation des Futterbedarfs auf der Grundlage gültiger Empfehlungen der GfE (2001) nach Dämmgen et al. (2009), 3. Bestimmung der zu erwartenden N-, CH4- und VS-Ausscheidungen sowie der NH3-, N2O- und CH4-Emissionen aus dem Wirtschaftsdüngermanagement mit Hilfe der entsprechenden Module des deutschen landwirtschaftlichen Emissionsmodells GAS-EM (vgl. Dämmgen et al., 2009, 2010, 2013; Haenel et al., 2012). Dabei werden Emissionen aus dem vorgelagerten Bereich (Futterbereitstellung) ebenso wenig berücksichtigt wie die sog. indirekten Emissionen. 2.2 Quantifizierung zu erwartender Zuchtfortschritte bei differenzierter Auslese der Vatertiere auf Basis der klassischen Selektionstheorie Die Problemstellung kann wie folgt beschrieben werden: Aus den im Rahmen der Nachkommenprüfung anfallenden Daten wird ein genetisch-ökonomisch begründeter Selektionsindex (I) für die genutzten Kuhväter gebildet. Die erforderlichen Indexgewichte (bi) werden so berechnet, dass die Korrelation zwischen Index und definiertem Gesamtzuchtwert T maximiert wird (vgl. z.B. Hazel, 1943; Henderson, 1963; Cunningham, 1975; Falconer, 1984). Eine Indexselektion (mit vorgegebener Intensität) lässt bei unterschiedlicher Definition des Gesamtzuchtwertes (T) sowie differenzierter Berücksichtigung verschiedener Merkmale variierende Zuchtfortschritte für den Gesamtzuchtwert (ΔGT) als auch für die Einzelmerkmale (ΔGi) erwarten. Diese verschiedenen (zu erwartenden) Zuchtfortschritte – insbesondere für die Einzelmerkmale (ΔGi) – können anschließend im Sinne eines Effizienzvergleiches gegenübergestellt werden. Definiert man den Gesamtzuchtwert T – unter Beachtung der in der Tierzüchtung üblicherweise verwendeten Matrizennotation (vgl. z.B. Cunningham, 1975) – nach (1): T = v’ · Y (1) mit T v’ Y Gesamtzuchtwert Zeilenvektor, der die relativen ökonomischen Gewichte der m Merkmale in Y beschreibt Vektor der additiv-genotypischen Werte für die m Merkmale, die in den Gesamtzuchtwert eingehen und wendet zur Verbesserung des Gesamtzuchtwertes eine Indexselektion an, so lässt sich der interessierende Selektionsindex I mit (2) darstellen: I = b’ · X mit I b’ X Selektionsindex Zeilenvektor mit den n Wichtungsfaktoren des verwendeten Indexes Vektor für die n Indexvariablen (Informationsquellen) (2) 192 W. Brade, U. Dämmgen und N. Reinsch Der zu erwartende Zuchtfortschritt für den Gesamtzuchtwert (ΔGT) nach einer Generation gezielter Indexselektion kann wie folgt berechnet werden: ΔGT = i · rTI · σTI = i · σI (3) mit ΔGT i rTI σT σI zu erwartender Gesamt-Zuchtfortschritt standardisierte Selektionsintensität Korrelation zwischen definiertem Gesamtzuchtwert T und Index I Standardabweichung für den Gesamtzuchtwert T Standardabweichung für den Selektionsindex I Die für die zugehörigen Einzelmerkmale zu erwartenden Zuchtfortschritte (ΔGi) resultieren aus folgender Beziehung: b’ ⋅ G i b’ ⋅ Gi ΔG i = i -------------- = i ------------------------σI b’ ⋅ P ⋅ b (4) mit ΔGT Gi P b zu erwartender Gesamt-Zuchtfortschritt n mal m-Matrix der Kovarianzen zwischen den n Variablen in X und den m Merkmalen in Y (hier: Gi: i-te Spalte der G-Matrix) n mal n-Matrix der phänotypischen Kovarianzen zwischen den n Variablen in X jetzt: Spaltenvektor mit den n Wichtungsfaktoren des verwendeten Indexes (s. auch: b’) Die Beziehung (4) ermöglicht somit die Berechnung der interessierenden merkmals-spezifischen Zuchtfortschritte bei Anwendung eines klassischen Selektionsindexes1). Folgende genetische Populationsgrößen wurden in den nachfolgenden Kalkulationen vorausgesetzt (vgl. etwa Brade, 1999; Brade und Flachowsky, 2005; Stamer et al., 2010; Täubert et al., 2011, siehe Tab. 2 und 3). Das hohe Produktionsniveau entspricht den aktuellen Gegebenheiten in der Milcherzeugung mit Holsteins im nordwestlichen und östlichen Teil Deutschlands (Tab. 2). Die vorausgesetzten Merkmalszusammenhänge beinhalten zahlreiche Merkmalsantagonismen (z.B. Milchleistung und Nutzungsdauer, Milchleistung und Milchinhaltsstoffe), die den Züchtungsprozess erschweren (vgl. Brade, 1999; Brade, 2006). Da der Erhaltungsbedarf in der Fütterung der Milchkühe bekanntermaßen von der Körpermasse der Tiere bestimmt wird, erfolgte eine zusätzliche Einbeziehung auch dieses Merkmalskomplexes bei vorausgesetzt positiver genetischer Beziehung zwischen Milchleistung und Körpermasse (vgl. Tab. 3). 1 Vorausgesetzt wird hier eine konventionelle Auslese der Kuhväter auf der Basis einer klassischen Indexselektion; aufbauend auf eine systematische Nachkommenprüfung. So ist aktuell (noch) keine genombasierte Selektion bzgl. des Milchharnstoffgehaltes oder vorliegender Körpermasseveränderungen im Laktationsverlauf bei Holsteins gegeben. Die zusätzliche Berücksichtigung einer genombasierten Selektion bei der Vatertierauslese muss somit späteren Auswertungen vorbehalten bleiben. Züchterische Möglichkeiten zur Emissionsminderung bei Deutschen Holsteins 193 Tab. 2. Basiswerte zur Kalkulation möglicher Züchtungseffekte Basic data for the calculation of potential breeding effects Kenngröße Symbol Einheit Mittelwert (geschätzter Populationswert) Heritabilität (h²) Genetische Streuung (sg) Milchleistung Milchfettgehalt LM kg Kuh–1 a–1 8500 xRF % 4,05 xRP % 3,40 0,52 0,173 0,58 0,1165 0,35 603,4 MilchMilcheiweiß- harnstoffgehalt gehalt xMH mg kg–1 250 0,16 16,0 Nutzungsdauer Körpermasse ND d 825 KM kg Kuh–1 650 0,07 132,3 0,38 32,1 Tab. 3. Populationsgenetische Kenngrößen (h2 = Heritabilität, auf der Diagonalen, rp = phänotypische Korrelation, unterhalb der Diagonalen; rg = genetische Korrelation, oberhalb der Diagonalen) Genetic population parameters (h2 = heritability, on the diagonal, rp = phenotypic correlation, below the diagonal; rg = genetic correlation, above the diagonal) Merkmal LM xRF xRP xMH ND KM LM xRF xRP xMH ND KM 0,35 –0,22 –0,30 –0,05 0,02 0,12 –0,50 0,52 0,48 0,02 0,01 –0,02 –0,55 0,62 0,58 0,03 0,02 –0,03 –0,10 0,06 0,07 0,16 0,00 0,00 –0,12 0,03 0,05 0,00 0,07 0,00 0,28 –0,08 –0,10 0,00 –0,02 0,38 2.3 Annahmen zu Leistung und Futterzusammensetzung 2.3.1 Kälber Leistung: Kälber werden mit einem Gewicht von 41 kg Tier–1 geboren. Als Endgewicht werden 100 kg Tier–1 angesetzt. Dieses Gewicht wird nach 90 d erreicht. Die mittlere Gewichtszunahme beträgt 655 g Tier–1 d–1. Futter: In Dämmgen et al. (2013) sind Daten zur Futterzusammensetzung (Milch bzw. Milchaustauscher, Heu, Kraftfutter und Mineralfutter) zusammengestellt, die als repräsentativ angesehen werden. 2.3.2 Färsen Leistung: Im deutschen Emissionsinventar wird für Färsen ein Anfangsgewicht von 100 kg Tier–1 angenommen. Das Endgewicht ist 30 kg Tier–1 geringer als das Endgewicht der jeweiligen Milchkühe (siehe unten). Als Erstkalbealter werden einheitlich 26 Monate angenommen. Damit ergeben sich variable mittlere Gewichtszunahmen. Futter: Färsen verbringen zwei Drittel des Jahres auf der Weide. Das Futter setzt sich aus Weidegras, Grassilage, Maissilage und Kraftfutter zusammen. 194 W. Brade, U. Dämmgen und N. Reinsch 2.3.3 Milchkühe Leistung: Das nachfolgend verwendete (absolute) Leistungsniveau resultiert aus den in Tab. 2 angegebenen merkmalsspezifischen Basiswerten sowie den ermittelten genetischen Veränderungen – bei differenzierter Auslese der Vatertiere – in der Nachzucht der genutzten Kuhväter (vgl. Tab. 4). Konkret: Das merkmalsspezifische Leistungsniveau in der 1. Nachkommengeneration resultiert aus der Höhe des definierten Ausgangsniveaus (vgl. Tab. 2) plus/minus der kalkulierten merkmalspezifischen genetisch-züchterischen Veränderungen infolge gezielter Auslese der Vatertiere (vgl. Tab. 4). Da in dieser Arbeit vorzugsweise die Effekte einer differenzierten Selektionsstrategie interessieren, wurde bei allen weiteren Betrachtungen einheitlich weiter vorausgesetzt: ganzjährige Stallhaltung sowie Mais-/Grassilagefütterung bei zusätzlicher Verabreichung von Kraftfutter nach Bedarf. Die Gewichtszunahme der Kühe wurde (vereinfacht) einheitlich mit 30 kg pro Nutzungsdauer angenommen. Die Zwischenkalbezeit wird als Funktion der Milchleistung definiert (siehe Dämmgen et al., 2009). Die Trockenstehzeit wird nach GfE (2001) mit 42 Tagen angenommen. Futter: Das Grundfutter setzt sich aus Grassilage, Maissilage und Stroh zusammen, das Kraftfutter aus Rapsextraktionsschrot und MLF 18/3. Die Zusammensetzung der Rationen ist leistungsabhängig (Dämmgen et al., 2010). Eine Futteraufnahme auf der Weide findet nicht statt. 2.4 Weitere emissionserklärende Variablen und Berechnung typischer Emissionen 2.4.1 Stall und Weide Kälber werden ausschließlich im Stall in Einzelboxen oder Gruppenbuchten mit Einstreu gehalten. Färsen werden 8 Monate geweidet und stehen 4 Monate in Laufställen mit Flüssigmist. Milchkühe befinden sich ganzjährig im Boxenlaufstall mit Flüssigmist. Weidegang ist somit nicht vorgesehen. 2.4.2 Wirtschaftsdüngerlagerung und -ausbringung Der Festmist aus der Kälberproduktion nach dem Ausstallen auf vegetationslosen Boden breit verteilt ausgebracht und innerhalb von 12 h eingearbeitet. Der Flüssigmist aus der Färsen- und Milchkuhhaltung wird in Behältern mit Schwimmdecke gelagert, mit Schleppschläuchen auf unbewachsenen Boden ausgebracht und innerhalb von 4 h eingearbeitet. 2.5 Modellierung der Ausscheidungen 2.5.1 Futteraufnahme Die Futteraufnahme wird in Abhängigkeit von der tierischen Leistung (Gewicht, Gewichtszunahme, Milchleistung, Milchfett- und Milcheiweiß-Gehalt) und den Futtereigenschaften (TM-, ME- bzw. NEL-Gehalt) abgebildet. Für Milchkühe wird das von Dämmgen et al. (2009) beschriebene Verfahren verwendet, für Kälber und Färsen werden national angepasste Verfahren in Anlehnung an IPCC (2006) verwendet. Einzelheiten finden sich in Haenel et al. (2012). 2.5.2 Methan-Ausscheidungen Methan-Ausscheidungen bei der Verdauung werden für Milchkühe in Abhängigkeit von der Futteraufnahmerate und der Futterzusammensetzung nach Kirchgessner et al. (1995) berechnet. Die Vorgehensweise ist in Dämmgen et al. (2012) ausführlich beschrieben. Die Methan-Umwandlungsraten sind variabel. Die Ausscheidungen für Kälber 0 0 1 0 0 0 0 0 0 –1 0 0 0 0 0 0 1 0 spezialisierte Selektion auf ausgewählte Einzelmerkmale: 0 0,951 546,8 –0,081 –0,060 –1,5 0 0,968 –280,4 0,158 0,067 0,9 0 0,971 –306,9 0,099 0,107 1,0 0 0,893 57,2 –0,010 –0,007 –14,0 0 0,782 –76,6 0,005 0,006 0,0 –1 0,954 –157,6 0,013 0,011 0,0 –15,2 3,7 6,0 0,0 108,7 2,5 Variante (Zuchtziel) 8,4 1 (= Milchmenge ↑) –2,4 2 (= Fettgehalt ↑) –3,0 3 (= Eiweißgehalt ↑) 0,0 4 (= MHG ↓) –0,7 5 (= ND ↑) –29,1 6 (= KM ↓) berechnete Zuchtfortschritt in der Nachzucht (ΔGi) (s. 4. Gleichung im Text) ΔLM ΔxRF ΔxRP ΔxMH ND KM % % mg kg–1 d kg Kuh–1 kg Kuh–1 a–1 Selektion auf gleichzeitige Erhöhung der Milchleistung unter Beachtung der Milchinhaltsstoffe, des MHG, der KM und der ND: 0 0 –0,3 0,1 –0,2 0,944 539,8 –0,082 –0,060 –2,2 –0,7 6,4 7 0 280 –0,3 0,1 –0,4 0,927 495,3 –0,053 –0,023 –2,2 2,1 3,8 8 –10 280 –0,2 0,1 –0,4 0,915 424,0 –0,035 –0,001 –2,1 12,6 0,6 9 –10 280 –0,2 0,1 –0,4 0,908 350,4 –0,018 0,017 –2,0 19,9 –1,8 10 –10 280 –0,3 0,1 –0,3 0,903 239,7 0,006 0,041 –2,6 29,1 –2,4 11 –10 280 –0,6 0,1 –0,3 0,904 153,5 0,020 0,053 –4,4 32,8 –4,0 12 –10 280 –1,0 0,1 –0,4 0,903 136,2 0,017 0,048 –6,5 30,2 –6,3 13 –10 280 –1,0 0,1 –0,8 0,913 69,5 0,019 0,046 –5,7 27,4 –14,9 14 0 1 0 0 0 0 Sicherheit Zuchtwertschätzung r² (gesamt) Ausleseanteil Bullen: p = 8%; standardisierte Selektionsintensität i = 1,8584; getestete Töchterzahl je Bulle: 200 Töchter 0,15 0,15 0,10 0,08 0,06 0,05 0,05 0,05 1 0 0 0 0 0 Verwendete ökonomisch-genetische Gewichtsfaktoren (vi) xRF xRP xMH ND KM LM Tab. 4. Berechnete Zuchtfortschritte in der Nachzucht (ΔG) bei differenzierter Gestaltung der Auslese genutzter Kuhväter Calculated breeding progress in the offspring (ΔG) by differentiated selection of cow fathers used Züchterische Möglichkeiten zur Emissionsminderung bei Deutschen Holsteins 195 196 W. Brade, U. Dämmgen und N. Reinsch und Färsen werden nach IPCC (2006) mit konstanten Umwandlungsraten ermittelt (siehe Haenel et al., 2012). Bei Kälbern wird berücksichtigt, dass sie erst nach einigen Wochen Wiederkäuer sind (Dämmgen et al., 2013). 2.5.3 VS- und Stickstoff-Ausscheidungen Die Ausscheidungen von „volatile solids“2) (VS) werden unter Berücksichtigung der Verdaulichkeit für organische Masse berechnet (Dämmgen et al., 2011, 2012, 2013). Die renalen und fäkalen N-Ausscheidungen werden aus der N-Bilanz erhalten und berücksichtigen die N-Aufnahmerate mit dem Futter, die Verdaulichkeit von N, die N-Retention und die N-Ausscheidung mit Milch und Konzeptionsprodukten (Dämmgen et al., 2009, 2013). 2.6 Berechnung der Emissionen aus dem Wirtschaftsdünger-Management Die Berechnung folgt weitgehend den Empfehlungen der aktuellen Regelwerke der Klimarahmenkonvention (IPCC, 2006) und des Genfer Luftreinhalteabkommens (EMEP, 2007). Nationale Daten werden verwendet, wo immer das möglich ist. Details der Rechenverfahren sind im Folgenden angegeben. Sie entsprechen in den meisten Fällen Haenel et al. (2012), weichen aber in einigen Fällen davon ab. 2.6.1 Methan-Emissionen Die Methan-Freisetzung aus dem Lager wird aus der ins Lager eingetragenen Rate von VS mit Hilfe eines lagertypischen Emissionsfaktors berechnet, der die emissionsmindernde Wirkung der Schwimmdecke berücksichtigt (Dämmgen et al., 2012b). 2.6.2 Ammoniak-Emissionen Ammoniak (NH3) entsteht aus dem renal ausgeschiedenen N im Stall, im Lager sowie während und nach der Ausbringung. Die jeweiligen Emissionen sind den Einträgen in die genannten Subsysteme proportional (siehe Haenel et al., 2012). 2.6.3 Stickstoffmonoxid-Emissionen Die Stickstoffmonoxid- (NO-) Emissionen werden nach Stehfest und Bouwman (2006) aus den ins Lager eingetragenen N-Mengen berechnet. Der Emissionsfaktor beträgt EFfert, NO-N = 0,012 kg kg–1 NO-N. 2.6.4 Lachgas-Emissionen Lachgas- (N2O-) Emissionen entstehen im Lager (direkte Emissionen) sowie aus Böden und Gewässern, in die landwirtschaftsbürtige N-Mengen eingetragen werden (indirekte Emissionen). Die aus NH3- und NO-Emissionen herrührenden Ammonium- und Nitrat-N-Depositionen werden wie Mineraldünger behandelt. IPCC (2006) nimmt an, dass 30% der auf den Boden ausgebrachten N-Mengen durch Auswaschung in Oberflächen- und Grundwässer zur (indirekten) Lachgas-Freisetzung beitragen. Diese indirekten Emissionen werden in der IPCC-Klassifizierung der Quellgruppen nicht den Tieren zugeordnet. Sie werden deshalb hier auch nicht angegeben. 2 Als volatile solids wird der Glühverlust der Ausscheidungen bei 800°C bezeichnet. Züchterische Möglichkeiten zur Emissionsminderung bei Deutschen Holsteins 197 2.6.5 Äquivalente der Treibhausgas-Emissionen GHG-Emissionen werden in Kohlenstoffdioxid(CO2)-Äquivalenten (CO2-eq) angegeben. Diese werden entsprechend Solomon et al. (2007b) mit folgenden Umrechnungsfaktoren (global warming potentials, GWP) berechnet: GWPCH4 = 25 kg kg–1 CO2-eq GWPN2O = 298 kg kg–1 CO2-eq 2.7 Leistungsbezug der Ausscheidungen und Emissionen Betrachtet werden die Ausscheidungen und Emissionen während der Nutzungsdauer eines Tieres. Sie werden nachfolgend (summiert über alle Komponenten) je kg energiekorrigierter Milch (EKM) bzw. je kg Milcheiweiß angegeben. Die energiekorrigierte Milchleistung (LEKM) – standardisiert auf 4,0% Fett und 3,4% Eiweiß – wird auf Grundlage der kalkulierten Milchleistung und des Milcheiweiß- und Milchfettgehaltes nach folgender Formel berechnet (vgl. Spiekers und Potthast, 2004): a + b ⋅ x RF + c ⋅ x RP L EKM = ----------------------------------------------- ⋅ L M d (5) mit LEKM a b xRF c xRP d LM energiekorrigierte Milchleistung (in kg Kuh–1 a–1) Konstante (a = 1,05) Konstante (b = 0,38) Rohfettgehalt (in %) Konstante (c = 0,21) Rohproteingehalt (in %) Konstante (d = 3,28) Milchleistung (in kg Kuh–1 a–1) Die einheitliche Umrechnung auf EKM erscheint angezeigt, da sonst die Erzeugung einer ‚konzentrierten’ Milch systematisch benachteiligt werden würde. 3 Ergebnisse 3.1 Berechnete Zuchtfortschritte Nachfolgend sind die zu erwartenden genetisch-züchterischen Veränderungen in der Nachkommenschaft differenziert ausgelesener Besamungsbullen zusammengestellt (vgl. Beziehungen (1) bis (4)). Zunächst wurde – zwecks Abschätzung (maximal) möglicher merkmalsspezifischer Selektionserfolge – eine einseitig spezialisierte Auslese der Kuhväter vorausgesetzt (obere 6 Zeilen in Tab. 4), anschließend eine gleichzeitige Auslese der genutzten Vatertiere bei (sehr) differenzierter Gewichtung der verschiedenen Merkmalskomplexe vorgenommen. Da in einer früheren Betrachtung bereits die Vorzüge einer Steigerung der Milchleistung – unter Beachtung des Milchfett-Milcheiweiß-Verhältnisses (FEV) – hinsichtlich entstehender gasförmiger Emissionen gezeigt wurde (Brade et al., 2008), erfolgte – bei kombinierter Bewertung der verschiedenen Merkmale – eine positive Bewertung 198 W. Brade, U. Dämmgen und N. Reinsch des Milcheiweißgehaltes bei gleichzeitig negativer Gewichtung des Milchfettgehaltes (Tab. 4). Hier sei an dieser Stelle ergänzt angemerkt, dass hohe Körpermassen auch einen höheren Erhaltungsbedarf bedingen. 3.2 Berechnete Ausscheidungen Aus Tabelle 4 werden die in Tabelle 5 aufgeführten Eingangsdaten für die Berechnung der Ausscheidungen und Emissionen abgeleitet. Die je Tier ausgeschiedenen Mengen an CH4 aus der Verdauung, VS, N (renal und fäkal sowie renal) sind in Tabelle 5 zusammengestellt. Diese Größen sind die durch den Zuchtfortschritt beeinflussten Größen. Sowohl die Emissionen von CH4 aus dem Lager als auch die Emissionen der N-Spezies N2O, NO und NH3 sind in erheblichen Maß von den Managementbedingungen abhängig. Bei gegebenem Wirtschaftsdüngermanagement (gleichem Stall und Lager, gleicher Ausbringung und Einarbeitung) sind die CH4-Emissionen den VS-Ausscheidungen proportional, die N2O-Emissionen den N-Ausscheidungen (renal und fäkal) und die NH3-Ausscheidungen den renalen N-Ausscheidungen. Tab. 5. Eingangsdaten für die Berechnung der Ausscheidungen und Emissionen Input data for the calculation of excretions and emissions Variante Milchleistung kg Tier–1 a–1 Anfangsgewicht kg Tier–1 Endgewicht kg Tier–1 Nutzungsdauer a Milchfettgehalt % Milcheiweißgehalt % Basis 8500,0 620,0 650,0 2,26 4,05 3,40 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 9046,8 8219,6 8193,1 8557,2 8423,4 8342,4 9039,8 8995,3 8924,0 8850,4 8739,7 8653,5 8636,2 8569,5 628,4 617,6 617,0 620,0 619,3 590,9 626,4 623,8 620,6 618,2 617,6 616,0 613,7 605,1 658,4 647,6 647,0 650,0 649,3 620,9 656,4 653,8 650,6 648,2 647,6 646,0 643,7 635,1 2,22 2,27 2,28 2,26 2,56 2,27 2,26 2,27 2,29 2,31 2,34 2,35 2,34 2,34 3,97 4,21 4,15 4,04 4,06 4,06 3,97 4,00 4,02 4,03 4,06 4,07 4,07 4,07 3,34 3,47 3,51 3,39 3,41 3,41 3,34 3,38 3,40 3,42 3,44 3,45 3,45 3,45 A B 6500,0 7000,0 470,0 470,0 500,0 500,0 2,33 2,40 4,30 4,15 3,70 3,70 Züchterische Möglichkeiten zur Emissionsminderung bei Deutschen Holsteins 199 Tab. 6. Erwartete Freisetzungen von Methan aus der Verdauung, volatile solids, Stickstoff aus Kot und Harn sowie Stickstoff aus Harn je Tier (Summe aus Freisetzungen bei Kalb, Färse und Kuh) bei differenzierter Zuchtzielgestaltung Expected amounts released of methane from enteric fermentation, volatile solids, nitrogen with faeces and urine, nitrogen with urine per animal (total of calf, heifer and cow) resulting from differentiated breeding strategy Variante Methan relativ VS aus relativ N relativ N relativ aus Ver- (gegenKot (gegenrenal (gegenrenal (gegendauung über Basis) über Basis) und fäkal über Basis) über Basis) kg Tier–1 % kg Tier–1 % kg Tier–1 % kg Tier–1 % CH4 VS N N Basis 383,8 100,0 4,323 100,0 349,2 100,0 189,5 100,0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 382,0 384,0 384,3 384,2 424,1 382,7 387,6 388,7 392,4 394,7 397,5 398,2 397,0 395,1 99,5 100,1 100,1 100,1 110,5 99,7 101,0 101,3 102,2 102,9 103,6 103,8 103,4 103,0 4,319 4,325 4,325 4,329 4,769 4,299 4,380 4,393 4,432 4,457 4,485 4,491 4,475 4,450 99,9 100,0 100,1 100,1 110,3 99,5 101,3 101,6 102,5 103,1 103,8 103,9 103,5 102,9 353,9 349,2 346,8 350,1 381,4 345,6 358,4 359,1 361,3 362,4 363,4 363,0 361,7 359,0 101,4 100,0 99,3 100,3 109,2 99,0 102,7 102,8 103,5 103,8 104,1 104,0 103,6 102,8 190,6 190,4 188,5 189,9 205,9 189,1 193,0 193,2 194,4 195,1 195,7 195,7 195,2 194,4 100,6 100,5 99,5 100,2 108,7 99,8 101,8 101,9 102,6 102,9 103,3 103,3 103,0 102,6 A B 361,9 374,2 94,3 97,5 3,971 4,123 91,9 95,4 290,4 304,6 83,2 87,2 161,0 167,4 85,0 88,4 3.3 Emissionen der Basisvariante Nur die Emissionen, die den Tieren direkt zugeordnet werden können, werden im folgenden betrachtet. Die N2O-Emissionen, die nach der Ausbringung im Boden entstehen, werden bei der gängigen Einteilung (IPCC, 1996, 2006) dem Boden als Quelle zugeordnet. Die indirekten Emissionen sind in so erheblichem Maß vom Wirtschaftsdüngermanagement abhängig, dass ihre Betrachtung nicht sinnvoll erscheint. Die bearbeiteten Varianten zeichnen sich durch ein sehr emissionsarmes Wirtschaftsdüngermanagement aus: CH4-Emissionen aus dem Lager können bei fehlender Schwimmdecke um mehr als die Hälfte höher sein; NH3-Emissionen aus Lager und Ausbringung können mehr als das Doppelte betragen. Die erhaltenen Emissionen von CH4 und N2O schließen ebenso keine Anteile aus dem vorgelagerten Bereich der Futterbereitstellung ein. Ein Vergleich der Emissionen mit solchen von Lebenszyklen (life cycle analysis, carbon footprints) ist nicht möglich. 200 W. Brade, U. Dämmgen und N. Reinsch Abbildung 1 veranschaulicht, dass der jeweilige Anteil der Emissionen des Kalbs sehr gering, der der Färse gering ist im Vergleich zu denen der Kuh. Sie lässt außerdem bei NH3 und CH4 die Anteile der unterschiedlichen Quellen erkennen. 3.4 Produktbezogene Emissionen Die errechneten GHG-Emissionen – dargestellt als CO2-Äquivalente je kg EKM bzw. je kg Milcheiweißmenge – sind nachfolgend dargestellt (Tab. 7): Bereits eine konsequente Selektion auf Erhöhung der Milchleistung führt zu einer bemerkenswerten Reduzierung zugehöriger gasförmiger Emissionen (vgl. Tab. 7, Variante 1). Bei gleichzeitig zusätzlicher Beachtung des FEV, des Milchharnstoffgehaltes, der Nutzungsdauer sowie (weitestgehender) Konstanthaltung der Körpermasse im Selektionsprozess sind weitere Emissionsminderungen zu erwarten. Eine stärkere Reduzierung der Körpermasse der Milchkühe ist – infolge einer damit gleichzeitig verbundenen Minderung des Zuchtfortschrittes bezüglich der Milchleistung – jedoch weniger empfehlenswert (vgl. Variante 14). Sehr interessant sind auch die berechneten NH3-Emissionen (in g NH3 je kg EKM bzw. kg je kg MP). Auch hier zeigen die zu erwartenden Werte eine deutliche Zuchtzielabhängigkeit. So erhöhen sich die NH3-Emissionen vor allem dann, wenn eine einseitige Betonung vor allem des Milchfettgehaltes im Zuchtziel erfolgt (Tab. 8). Insgesamt besteht kein allgemein erkennbarer Zusammenhang zwischen GHG- und NH3-Emissionen. Jedoch fallen die kleinsten produktbezogenen Emissionen in den Varianten 8 bis 12 zusammen. Abb. 1. Methan- und Ammoniak-Emissionen je Tier (Basis-Variante), aufgeschlüsselt nach Entstehungsort Methane and ammonia emissions per animal (base line scenario), broken down to the locations of origin Züchterische Möglichkeiten zur Emissionsminderung bei Deutschen Holsteins 201 Tab. 7. Erwartete Treibhausgasemissionen (in kg CO2-eq je kg EKM bzw. kg CO2-eq je kg Milcheiweiß) bei differenzierter Zuchtzielgestaltung (günstigste Werte hervorgehoben) Expected greenhouse gas emissions (GHG in CO2-eq per kg EKM and CO2-eq per kg milk protein) resulting from differentiated breeding strategy (most favourable results emphasized) Variante GHG-Emissionen je kg EKM1) absolut relativ (gegenüber Basis) % kg (kg EKM)–1 CO2-eq GHG-Emissionen je kg MP2) Absolut relativ (gegenüber Basis) kg (kg MP)–1 % CO2-eq Basis 0,610 100,0 18,07 100,0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 0,590 0,615 0,618 0,608 0,602 0,615 0,589 0,588 0,589 0,590 0,593 0,595 0,597 0,600 96,8 100,7 101,2 99,6 98,6 100,9 96,5 96,4 96,5 96,7 97,1 97,6 97,9 98,4 17,57 18,26 18,06 18,01 17,81 18,21 17,52 17,41 17,37 17,37 17,40 17,46 17,52 17,63 97,2 101,0 99,9 99,7 98,5 100,8 97,0 96,3 96,1 96,1 96,3 96,6 97,0 97,6 1) EKM = energiekorrigierte Milchmenge; 2) MP = Milchproteinmenge (in kg) Bildet man das aktuelle Leistungsniveau unter spezifischer Nutzung sehr leichter Schwarzbuntkühe (mit nur ca. 500 kg Lebendmasse, Varianten A und B) vergleichsweise ab (d.h. „irischer“ bzw. „neuseeländischer Ansatz“), so zeigt sich, dass auch in diesem Fall ein hohes Produktionsniveau anzustreben wäre (s. Tab. 9), um die Emissionen je Einheit des Produkts niedrig zu halten. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die gleichzeitige Einbeziehung verschiedener Merkmale generell sinnvoll ist. Allerdings führt offensichtlich die Überbetonung eines speziellen Merkmalskomplexes im Zuchtziel (z.B. weitere Erhöhung des Milchfettgehaltes, überproportionale Reduzierungen in den Komplexen ‚Milchharnstoffgehalt‘ und/ oder ‚Körpermasse‘) im Vergleich zur vorrangigen Verbesserung der Milchleistung dazu, dass nicht notwendigerweise das größtmögliche Minderungspotential je Produkteinheit erreicht wird. 202 W. Brade, U. Dämmgen und N. Reinsch Tab. 8. Erwartete Ammoniakemissionen (in kg je kg EKM bzw. kg je kg Milcheiweiß) bei differenzierter Zuchtzielgestaltung (günstigste Werte hervorgehoben) Expected ammonia emissions (in g per kg EKM and kg per kg milk protein) resulting from differentiated breeding strategy (most favourable values emphasized) Variante NH3-Emissionen je kg EKM1) absolut relativ (gegenüber Basis) % g (kg EKM)–1 NH3 NH3-Emissionen je kg MP2) absolut relativ (gegenüber Basis) kg (kg MP)–1 NH3 % Basis 3,54 100,0 0,1050 100,0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 3,47 3,58 3,56 3,53 3,47 3,55 3,46 3,45 3,44 3,44 3,44 3,45 3,46 3,47 98,0 101,1 100,4 99,7 98,0 100,1 97,7 97,3 97,1 97,1 97,2 97,4 97,6 97,9 0,1034 0,1064 0,1040 0,1047 0,1028 0,1050 0,1030 0,1021 0,1015 0,1013 0,1011 0,1012 0,1015 0,1019 98,5 101,4 99,1 99,8 97,9 100,0 98,1 97,2 96,7 96,5 96,3 96,5 96,7 97,1 1) EKM = energiekorrigierte Milchmenge; 2) MP = Milchproteinmenge (in kg) Tab. 9. Erwartete gasförmige Emissionen je kg EKM bei vorausgesetzt extrem niedrigen Körpermassen der Milchkühe Expected gaseous emissions per kg of ECM assuming an extremely low body mass of dairy cows LEKM kg Kuh–1 a–1 6500 7000 xRF % xRP % xMH mg kg–1 ND d 4,30 4,15 3,70 3,70 240 240 850 875 KM EGHG ENH3 Anmerkung kg Kuh–1 kg (kg EKM)–1 g (kg EKM)–1 (Variante in Tab. 5) CO2-eq NH3 500 500 0,687 0,653 3,48 3,35 A B Züchterische Möglichkeiten zur Emissionsminderung bei Deutschen Holsteins 203 4 Diskussion In Deutschland werden aktuell mit ca. 4 Mio. Kühen jährlich etwa 29,5 Mio. t Milch in zurzeit (noch) ca. 90.000 landwirtschaftlichen Betrieben erzeugt. Ca. 65% der produzierten Milch basiert auf der Nutzung von Holsteinkühen. Die züchterische Bearbeitung der Holsteinpopulation mit dem Ziel der Reduzierung gasförmiger Emissionen erlaubt eine Minderung von ca. 0,03 kg CO2-eq je kg EKM innerhalb einer Generation (vgl. Tab. 6; Basisvariante im Vergleich zu Varianten 7 bis 9). Dieser Effekt wirkt relativ klein. Rechnet man jedoch dieses Resultat auf die gesamte deutsche Milcherzeugung mit Holsteinrindern hoch, kommt man auf ein mögliches Emissionsminderungspotential durch eine gezielte Milchrinderzüchtung von jährlich ca. 575 kt CO2-eq gegenüber der aktuellen (Ausgangs-)Situation bereits in der 1. Nachkommengeneration. Weitere Einsparungen ergeben sich, wenn zusätzlich die mögliche Abnahme des notwendigen Kuhbestandes infolge weiter verbesserter Milchleistungen eingerechnet werden: Bei Anwendung der Variante 9 ergibt sich beispielsweise ein Zuchtfortschritt von + 390 kg EKM je Kuh in der Nachkommengeneration. Bei vorausgesetzt konstanter Milcherzeugung mit Holsteinrindern könnte folglich der bundesweite Holstein-Kuhbestand um weitere ca. 92.700 Kühe in ca. vier bis fünf Jahren abnehmen. Das entspricht zusätzlich einer Abnahme der CO2-eq gegenüber der Ausgangssituation in Höhe von ca. 3,5%. Die Betrachtung der NH3-Emissionen führt zu ähnlichen Ergebnissen. Die Bedeutung einer Minderung der NH3-Emissionsraten ist jedoch angesichts des großen Anteils der Rinderhaltung an der nationalen Gesamtemission größer als die Emissionsminderung bei GHG. Der Kritiker dürfte anmerken, dass in der vorliegenden Arbeit die Fleischleistung unberücksichtigt bleibt. In der Tat werden Holsteinrinder nicht auf Fleischleistung selektiert; sicherlich auch zukünftig nicht! Zehetmeier et al. (2012) und Zehetmeier und Heissenhuber (2012) diskutieren Szenarien mit gleichzeitiger Berücksichtigung sowohl der Milch- als auch Fleischleistung mit Rindern. Unbeantwortet bleibt hier aber die Frage, warum die Rindfleischproduktion, die unvergleichlich stärker mit GHG-Emissionen (speziell bei Nutzung von Mutterkühen) gegenüber der Milcherzeugung belastet ist, konstant auf hohem Produktionsniveau (in Deutschland) gehalten werden soll. Fleisch lässt sich auch mit anderen Wiederkäuern (z.B. Schafen) bzw. mit Tierarten (Geflügel, Schwein) erzeugen, die nicht eines so starken Leistungs- und Erhaltungsbedarfs für die Muttertiere bedürfen wie eine vergleichsweise ‚wenig reproduktionsfreundliche’ Mutterkuh mit nur 0,8 bis 0,9 Kälbern je Kuh und Jahr. Auch wurden bisher generell in der gesamten uns bekannten Fachliteratur die zwischenzeitlich vorhandenen biotechnischen Möglichkeiten, die Fleischleistung von spezialisierten Rinderrassen (Holsteins) zu erhöhen, nur unzureichend beleuchtet. An dieser Stelle sei beispielsweise an die mögliche Nutzung von geschlechtssortiertem Sperma ausgewählter Fleischrinderrassen (z.B. Weiß-Blaue-Belgier) zur systematischen Erzeugung männlicher Kreuzungstiere zur Mast erinnert. Zweifellos bedarf es hier weiterer Untersuchungen mit Einbeziehung von systematischen Kreuzungen in Rinderzuchtprogrammen. Ein langfristiges Ziel züchterischer Aktivitäten wäre die direkte genetisch-züchterische Einflussnahme z.B. auf die tierindividuellen CH4-Emissionen und N-Ausscheidungen. Die prinzipiell denkbare Etablierung einer unmittelbaren genombasierten Selektion auf Minderung gasförmiger Emissionen im Rahmen der Milch- und Rindfleischproduktion scheitert zurzeit jedoch einfach daran, dass weltweit (!) keine Lernstichprobe zur Prüfung und Bewertung zugehöriger genetischer Informationen (z.B. SNP-Marker) aktuell erstellt werden kann (siehe z.B. Täubert et al., 2011). 204 W. Brade, U. Dämmgen und N. Reinsch Dem Züchter bleibt somit gegenwärtig nur indirekt Einfluss auf die gasförmigen Emissionen je erzeugte Produkteinheit (kg Milch je Kuh und Jahr) zu nehmen (vgl. z.B. Varianten 9 oder 10). Die Praxis wäre gut beraten, diese Möglichkeit bereits jetzt anzunehmen. Die direkte genombasierte Selektion bleibt sicherlich eine Arbeit auch noch zukünftiger Tierzüchtergenerationen. 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