alternovum | 1/2015

alternovum.
Das KWA Journal 1/2015
TITELTHEMA.
Lebensdienliche Sicherheit durch Hightech.
S.10
MENSCHEN.
BIRGIT KRIEGLER UND
HAUKE THOMAS.
S.20
KWA INTERVIEW.
KESSLER-ZWILLINGE:
FIT OHNE ROBOTIK.
S.12
BETREUTES
WOHNEN
ZU HAUSE.
S.34
Titelfoto: Werner Krüper;
Fotos obere Reihe: Stockbild, Sieglinde Hankele, Anton Krämer
Lebensdienliche Sicherheit
durch Hightech.
Titelthema.
10
KWA ExklusivInterview.
BEGLEITUNG
UND PFLEGE.
Diesem Entwurf (s)eines Menschenbildes ist nichts hinzuzufügen,
vielmehr findet sich diese Haltung glücklicherweise auch heute bei
der Auseinandersetzung um das Wertvolle des Menschen, auch
wenn er von Krankheit oder Pflegebedürftigkeit betroffen ist. Was
allerdings von Nell-Breuning nicht ermessen konnte, sind die umfassenden Herausforderungen, mit denen wir 2015 durch den demografischen Wandel konfrontiert sind und die uns in den kommenden
Jahren voll treffen werden.
Tagesbetreuung und
Tagespflege.
Alice und Ellen Kessler:
Fit ohne Robotik.
12
22
Impressum
Herausgeber
KWA Kuratorium Wohnen im Alter gAG
Biberger Straße 50, 82008 Unterhaching
Verantwortlicher Redakteur (V. i. S. d. P.)
Dr. Stefan Arend (Vorstand)
Biberger Straße 50, 82008 Unterhaching
Redaktion
Sieglinde Hankele
Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 089 66558-565, Fax: 089 66558-3565
E-Mail: [email protected]
Gestaltung und Layout
Klarelinie, Agentur für Gestaltung GmbH,
86919 Utting am Ammersee, www.klarelinie.de
Auflage/Erscheinungsweise
Druckauflage 1/2015: 28.000 Exemplare
ISSN 2199-2088
© KWA Kuratorium Wohnen im Alter
Blitzlicht.
04
Leben.
Begleitung und Pflege.
"Es ging mir noch nie so gut …" 22
Die Rezeption
06
Herzlich willkommen
24
Von der Muse geküsst
06
Sanfte Küche
25
Mein Nachbar heißt Kurstift 07
Gesundheit.
Netzwerke.
Mentales Training bei Schlaganfall 26
WWW – World Wide Wohnstift 08
Genesung durch Hightech
TITELTHEMA.
Novum.
Lebensdienliche Sicherheit
Bewege dich! 27
28
durch Hightech10
reisen.
alternovum. Das KWA Journal ist kostenlos.
Die Zusendung kann jederzeit storniert werden.
Bestellungen, Abbestellungen, Adressänderungen:
KWA Kuratorium Wohnen im Alter
Biberger Straße 50, 82008 Unterhaching
Tel.: 0800 5924636, Fax: 089 66558-547
E-Mail: [email protected]
Aus Gründen der Lesbarkeit wird bei den
meisten geschlechtsspezifischen Bezeichnungen
die männliche Form gewählt.
KWA Kuratorium Wohnen im Alter ist ein
gemeinnütziges Dienstleistungsunternehmen
und wurde 1966 in München gegründet.
KWA ist Mitglied im Paritätischen.
Bundesweit unterhält KWA 18 Einrichtungen,
darunter 14 Altenwohnstifte, eine eigene Klinik für
neurologische und geriatrische Rehabilitation, zwei
Pflegestifte und ein Bildungszentrum mit staatlich
anerkannten Berufsfach- und Fachschulen.
Fit ohne Robotik
Reiseglück …
Kegelbahn u. Kühlungsborn
20
KWA Club.
02
Tegernsee u. Timmelsjoch
21
NEU! Betreutes Wohnen zu Hause34
alternovum | 1/2015
12
nicht ersetzen
14
Liebe zum Beruf,
Verständnis und Empathie
Blickwinkel.
Pflegestärkungsgesetz I 29
Ausbildung.
Technik kann Pflege entlasten,
16
Moderne Technik für eine humane Pflege. Der Nestor der katholischen Soziallehre Oswald von Nell-Breuning (1890–1991) hat
bereits vor 50 Jahren in seiner Schrift über das Alter darauf hingewiesen, dass „die wachsende Zahl der pflegebedürftigen Menschen […]
eine entsprechend wachsende Zahl von Kräften, die in pflegerischen
Berufen wirken [erfordert]. In dem, was diesem beruflichen Wirken
eigen ist und seinen Kerngehalt ausmacht, gibt es keinen Ersatz des
menschlichen Faktors durch die Technik, denn hier geht es ja gerade
darum, dass der Mensch dem Mitmenschen, dem verlassenen, müden, traurigen, entmutigten, Rat und Hilfe suchenden Mitmenschen,
seine Person und seine Zeit schenkt. Unterhalten kann ihn auch das
Radio, aber ihm das Bewusstsein geben, dass er nicht nur immer noch
Glied der menschlichen Gesellschaft ist, sondern auch als solches
gewertet und behandelt wird, das kann nur der andere Mensch.“
30
Weiterbildung.
Wir können anhand der uns zugänglichen Zahlen die Zukunft der
Pflege und Betreuung in den Jahren 2020, 2025 oder 2030 schon
recht gut erahnen: Aufgrund des enormen Rückgangs der Geburtenraten seit der Zeit, als von Nell-Breuning seinen Text schrieb, werden
„humane Ressourcen“ knapper, sprich: helfende, pflegende Hände.
Und wir können recht gut voraussagen, wie viele Menschen bei uns
in den kommenden Jahren auf Hilfe und Unterstützung angewiesen
sein werden. Zudem wissen wir um die gesellschaftlichen Veränderungen durch immer mehr Einpersonenhaushalte und zeitlebens
kinderlos bleibende Paare. Von daher wird der Wunsch des Soziallehrers von Nell-Breuning wohl nicht in Erfüllung gehen. Wir werden
auch Technik brauchen, um Menschen begleiten und pflegen zu
können. Wir werden Technik brauchen, die dem auf Unterstützung
Angewiesenen dient, die Pflegenden entlastet und ihnen so Zeit für
Beziehungsarbeit ermöglicht. Auch wenn es überraschend klingen
mag: Wir werden Technik brauchen, damit Pflege auch künftig
human bleiben kann.
Foto: Stockbild
Inhalt.
Editorial.
Umgang m. Demenz ist erlernbar 31
Engagement.
KWA Stiftsbeiräte 17
Sternstunden.
Gärtner und GenieSSer.
18
Göttliche Musik …
32
… und gute Unterhaltung.
33
Menschen.
Dr. Stefan Arend, KWA Vorstand
03
Fotos: Stockbilder
Blitzlicht.
Wussten Sie schon, dass …
Pflegebündnis Mittelbaden
Mehr als 40 Unternehmen und Institutionen,
vom kleinen ambulanten Dienst bis zum großen regionalen Altenhilfeträger, von Altenpflegeschulen bis hin zur Agentur für Arbeit, ziehen
im Pflegebündnis Mittelbaden an einem Strang
und machen sich vor allem für zwei Ziele stark:
KWA Mitglied ist bei „United Against Waste“? Die
Schonung von Ressourcen und der nachhaltige Umgang
mit Lebensmitteln stehen für KBS Geschäftsführer Thomas Schurr dabei im Vordergrund. Ein erklärtes Ziel des
eingetragenen Vereins ist es, ein breites Bewusstsein für
die Verschwendung von Lebensmitteln zu schaffen.
Blütenpracht in der Rosenau
Hightech in der Pflege aus Teenagersicht
Schülerinnen des Edith-Stein-Gymnasiums München
saßen zusammen mit ihrer Lehrerin Rita Heinemann und
Schulleiter Manfred Zimmermann unter den Zuhörern
des KWA Symposiums 2015. Was haben sie aus der Fachtagung zu „lebensdienlicher Sicherheit durch Hightech“
mitgenommen? „Besonders interessant waren die vielen
Möglichkeiten, die man hat, um sein Leben im Alter
durch Technik komfortabler und sicherer zu machen.
Und die Fragestellung, welche ethischen Probleme auf
die Menschen zukommen“, sagt Sophie Reif. Weiteres
Feedback der Schülerinnen ist auf www.alternovum.de
zu finden. Dass die Schülerinnen zum Symposium
kamen, liegt an der regen Kooperation des KWA GeorgBrauchle-Hauses mit dem Edith-Stein-Gymnasium.
04
alternovum | 1/2015
Nach ausführlichen Besprechungen und Planungen war es Anfang November 2014 so weit:
Die 70.000 Blumenzwiebeln, die der Altenhilfeverein e. V. Konstanz gespendet hatte, konnten im
Park des Pflegehauses Loretto und im Park des
Wohnstifts an den dafür vorgesehenen Stellen
eingegraben werden: damit die Rosenau noch
schöner wird! Gärtner von der Insel Mainau,
Schüler der Geschwister-Scholl-Schule, des Ellenrieder-Gymnasiums, des Heinrich-Suso-Gymnasiums sowie des Hegne Marianum unterstützten
Mitarbeiter des KWA Parkstifts Rosenau tatkräftig
beim Eingraben der Zwiebeln. Was eingegraben
wurde, hat inzwischen seine Pracht entfaltet und
ist in einem Online-Bilderalbum zu sehen auf
www.alternovum.de. Ein herzliches Dankeschön
den Spendern und den zahlreichen Helfern!
Die Altenpflege soll den Stellenwert in der
öffentlichen Wahrnehmung erhalten, der ihr
zusteht. Altenpflege ist schließlich eine tragende Säule in der Versorgung großer Bevölkerungsteile. So arbeitet das Bündnis auf vielen
Plattformen, um die Öffentlichkeit dafür zu
sensibilisieren, welche Rahmenbedingungen
und Bedürfnisse es zu erfüllen gilt. Die vielfältigen und verantwortungsvollen Berufsbilder,
die die Altenpflege zu bieten hat, sind vielen
potenziellen Bewerbern nicht bewusst. Dass
mittlerweile gerade im Bereich der Fachkräfte
mit einer dreijährigen Ausbildung gute Gehälter
bezahlt werden, beste Berufsperspektiven mit
attraktiven Weiterbildungsangeboten bestehen
oder eine gute Vereinbarkeit mit Familie und
Beruf zunehmend ermöglicht wird, ist wenig
bekannt. Dass gerade mittlere und große Träger
von Senioreneinrichtungen auch interessante
Karriereoptionen bieten, wird ebenfalls kaum
realisiert. Deshalb möchte das Bündnis aufklären. Zudem will das Bündnis dem Irrglauben begegnen, dass einzelne Pflegeskandale
stellvertretend für eine ganze Branche stehen.
Kaum eine Branche hat derart regelmäßige
Prüfszenarien zu durchlaufen und so eng
gefasste Dokumentationen zu erbringen wie
Institutionen der Altenpflege.
Die Erfahrungen des ersten Jahres des Pflegebündnisses Mittelbaden sind äußerst
ermutigend. Zahlreiche Einladungen zu
Ausbildungsmessen, zu Symposien und zu
Gründungsinitiativen ähnlicher Vereinigungen
zeigen, dass das Bündnis gebraucht wird.
Unterstützt wird diese Arbeit auch durch das
KWA Parkstift Hahnhof. Neben einer aktiven
Mitgliedschaft arbeitet Stiftsdirektor Marco
Kuhn-Schönbeck auch aktiv im Vorstand mit.
Mehr dazu unter:
www.pflegebuendnis-mittelbaden.de.
Fortbildung
Am 4. Mai 2015 startet am KWA Bildungszentrum in Pfarrkirchen eine berufsbegleitende Aufbauweiterbildung für Pflegedienstleitung nach der AVPfleWoqG. In den
acht Blockwochen mit insgesamt 264 Stunden Unterricht wird fachliches Wissen zur
Führung und Organisation einer Pflegeeinheit vermittelt. Ein hochkarätiges Dozententeam wird die Teilnehmer sorgfältig auf die Abschlussprüfungen vorbereiten.
Gewaltprävention, deeskalierende Strategien und Elemente der Selbstbehauptung
stehen im Fokus des eintägigen Pädagogik-Seminars „Herausforderndes Verhalten
in Pflege und Betreuung“ am 10. Juni 2015 unter der Leitung von Thomas Groß
und Joachim Huber-Rypacek. Weitere Fortbildungsangebote finden Interessierte
unter www.kwa-bildungszentrum.de. Noch sind einzelne Plätze frei.
05
Gast und Mitarbeiterin des Kurstifts
Foto: Jacob Wawer
Foto: Werner Krüper
Foto: Werner Krüper
Leben.
KWA Stift Brunneck
Caroline Oetker Stift
Die Rezeption als Ort der
Begegnung und Kompetenz
Das Wort „Rezeption“ stammt aus
dem Lateinischen „recipere“ und bedeutet „aufnehmen“. In diesem Sinne
erfüllt es die wesentlichen Merkmale der Tätigkeit an der Rezeption.
Dort nehmen die Mitarbeiter zum
einen die eintretenden Besucher
oder Bewohner auf, zum anderen
auch Informationen, die sie dann
koordiniert weiterleiten. Wikipedia
schreibt zudem: „Die Rezeption ist
nicht nur Schnittstelle zwischen Gast
und Hotel, sondern auch zwischen
allen anderen Abteilungen im Haus,
wie Restaurant, Küche, Etage“ und:
„Sie koordiniert die Zusammenarbeit
zwischen den Abteilungen und ist
zusätzlich Ansprechpartner für Lieferanten und Handwerker.“
So ist das den meisten von uns
bekannt und vertraut. Die Mitarbeiter an der Rezeption haben eine
wesentliche Aufgabe. Kompetenz,
Freundlichkeit und eine authentisch
gelebte Dienstleistungshaltung gehören dazu. Es ist doch immer der erste
06
alternovum | 1/2015
Eindruck in einem Haus, der für ein
nachhaltiges Empfinden sorgt.
Die Anforderungen an das Rezeptionsteam haben sich in den vergangenen Jahren allerdings verändert.
Heute ziehen zum Teil auch hochbetagte Menschen in ein Stift ein. So
ist es wichtig, dass Rezeptionsmitarbeiter neben dem Erfüllen originärer
Aufgaben auch ein offenes Ohr für
Sorgen und Nöte von Bewohnern
und Angehörigen haben, Hilfestellung
anbieten, wo es angezeigt scheint –
und bei intensivem Beratungsbedarf
den Kontakt zu Kollegen herstellen,
die auch fachlich komplexe Fragen
kompetent beantworten.
In allen Servicebereichen ist es uns
ein großes Anliegen, auch die Würde
von Menschen mit demenziellen
Veränderungen zu achten und ihnen
mit Wertschätzung zu begegnen.
Fortbildungen bringen entsprechende Sicherheit.
Peter Wendt
Von der Muse
geküsst
KWA Kurstift Bad Dürrheim
Mein Nachbar heißt
Kurstift
Musikalische Begegnungen,
Sonntagsmatinee, Singstunden sowie Sport und Spiel
wecken die Lebensgeister.
Was zeichnet das Leben im Wohnstift
aus? Worin liegt der Vorteil gegenüber
dem Leben in den eigenen vier Wänden? Der größte Vorteil liegt sicherlich darin, dass Bewohner durch das
Leben in einer Hausgemeinschaft ein
soziales Umfeld haben. Hier können
sie selbstständig Kontakte pflegen und
sich in die Gemeinschaft einbringen.
Gerade bei eingeschränkter Mobilität
erweist sich das private Zuhause oft
als „goldener Käfig“.
Auch wenn die Wohnung im Wohnstift meist kleiner ist als die vorherige:
Durch die Gemeinschaftsräume ist
der Lebensraum im Alltag groß und
vielfältig. Sowohl der Park als auch
Schwimmbad und Café sind barrierefrei zugänglich. Das Café im Stift
Brunneck ist für viele Bewohner ihr
zweites Wohnzimmer – so wie man
es dem Österreicher nachsagt. Es ist
gemütlich und lädt zum Verweilen
ein. Hier gibt es viele Gelegenheiten,
Gemeinschaft und Kultur zu erleben.
Das KWA Kurstift Bad Dürrheim ist fester Bestandteil der Stadt.
Immer mehr Bürger interessieren sich dafür, wie das Leben
im Haus aussieht.
Musik und die schönen Künste
spielen im Leben der Bewohner
eine große Rolle. Viele musizieren,
malen oder zeichnen selbst, teils in
der Wohnung, teils in Gemeinschaft.
Dass das Stift Brunneck ein besonders musisches Haus ist, spiegelt
auch das Veranstaltungsprogramm
wider: Lesungen, Vorträge und Konzertmatineen bereichern den Alltag.
Seit diesem Frühjahr gibt es zudem
Musiknachmittage, die verschiedene
Musikgenres und Generationen
verbinden. Unter dem Motto „Musikalische Begegnungen“ präsentieren Bewohner, Angehörige und
Freunde des Hauses Stücke auf ihren
Lieblingsinstrumenten. Dabei treffen
auch mal Klavier und Westerngitarre
aufeinander.
Das anregende Milieu und gesundheitsfördernde Angebote tragen
dazu bei, dass Stiftsbewohner aktiv
bleiben. Beim Gedächtnistraining
und auch bei Sport und Spiel wird
überdies viel gelacht.
Gisela Hüttis
13 Jahre lang blickte Gertrude Baumgarts auf dem Weg zur Arbeit auf
die erleuchteten Fenster des Kurstifts
und fragte sich, wie das Haus von
innen aussieht. Den Tag der offenen
Tür zum Kurstiftsjubiläum nutzte sie,
um es endlich zu erfahren. „Ich bin
überrascht, wie hell und gemütlich es
hier ist und was den Bewohnern geboten wird“, sagt Baumgarts. „Und ein
wenig ärgere ich mich darüber, dass
ich nicht schon früher gekommen bin.
Schließlich sind die Menschen, die
hier wohnen, meine Nachbarn.“
So wie Gertrude Baumgarts geht es
auch anderen, die das Kurstift nur von
außen kennen. Die sehen, dass Menschen aller Generationen im Kurstift
ein- und ausgehen, dass Bewohner
mit dem KWA Bus ins Zentrum von
Bad Dürrheim fahren oder in Richtung
Salinensee spazieren gehen. So hat
jeder eine eigene Vorstellung davon,
wie Menschen im Kurstift leben.
„Dass Stiftsbewohner eine eigene
Wohnung haben, war mir nicht klar.
Ich habe gedacht, dass sie wie in
einem Pflegeheim in Zimmern leben.
So verschieden wie die Bewohner
sind, so unterschiedlich sind auch ihre
Appartements eingerichtet“, berichtet
Baumgarts. Sie durfte sich einige anschauen. Bei einem Rundgang durch
das Kurstift entdeckte die Nachbarin
auch besondere Räume. Neben der
Sauna und dem kleinen Laden hat es
ihr ein Raum besonders angetan: das
englische Kaminzimmer. Nachdem
sie in einem der großen Ledersessel
Platz genommen hatte, kam sie zum
Schluss: „Genauso sieht in meiner
Vorstellung das perfekte Wohnzimmer
aus.“
Ähnlich wie Gertrude Baumgarts sind
auch andere, die zum ersten Mal ins
Haus kommen, beeindruckt von den
Räumen, Menschen und Möglichkeiten. Mit einem Besuch des Kurstifts
verändert sich nicht nur die Vorstellung
vom Leben im Haus. Es verändert sich
auch der Blick auf die Vielfalt der
Wohnformen im Alter.
Christina Gilly
07
Fotos: Andrea Daiger
Foto: Stockbild
Netzwerke.
>
Volker Schulze
Hannelore Schulze
Astrid Braun
Gemäß einer Onlinestudie von ARD und ZDF nutzt die Altersgruppe 60+
das Internet mehr denn je. Während im Jahr 2003 gerade einmal 13 Prozent
der über Sechzigjährigen online gingen, waren es im Jahr 2014 gut 45 Prozent. Das Interesse am Internet steigt auch unter den Bewohnern von KWA
Wohnstiften stetig. Andrea Daiger, zuständig für die Kundenbetreuung im
KWA Parkstift St. Ulrich, hat sich mit vier bekennenden „Surfern“ unterhalten, sie gefragt, wofür sie Internet nutzen und was ihnen daran gefällt.
KWA Parkstift St. Ulrich
Ilse Zschache
WWW –
World Wide Wohnstift
In der Wohnung des Ehepaars Hannelore und Volker Schulze gibt es zwei
Computer-Bildschirme, zwei Tastaturen und zwei Mäuse. Hannelore
Schulze erledigt mit ihrer Ausrüstung
alles Schriftliche, bearbeitet digitale
Aufnahmen mit einem Bildbearbeitungsprogramm und gestaltet auf dem
Bildschirm auch Glückwunschkarten.
Dass Briefe nicht mehr von Hand geschrieben werden, findet sie einerseits
schade, andererseits schätzt sie, dass
sie ihre Texte mit schöner Schrift und
08
alternovum | 1/2015
attraktiven Bildern kreativ gestalten
kann. Online informiert sie sich gerne,
beispielsweise über medizinische
Begriffe. Hannelore Schulze betont
jedoch: „Mit diesen Informationen
muss man sehr kritisch umgehen.“ Die
72-Jährige hat 18 Jahre PC-Erfahrung.
Auf die Anfänge blickt sie mit einem
Schmunzeln zurück: „Mein Mann hat
damals einen Macintosh-Computer in
unser Arbeitszimmer gestellt, mit folgender Anleitung: Haube ab, einschalten, schreiben, speichern, ausschalten,
Haube drauf.“ Sie hat sich vieles selbst
beigebracht. Vor einigen Jahren hat sie
einen VHS-Kurs für Senioren besucht,
speziell zur Internetnutzung.
Der 73-jährige Ehemann nutzte
Computer ab 1983 zunächst beruflich.
Seit 1996 bewegt Volker Schulze sich
auch im Internet. Heute nutzt er es
vor allem für E-Mails, ebenso zum
Einkaufen und Onlinebanking. Offline
arbeitet er viel mit Excel und anderen
Office-Programmen. „Computer und
Internet gehören für uns beide längst
zum täglichen Leben.“ Was ihn am
Internet begeistert? „Vor allem die
weltweite Vernetzung und die damit
verbundene Möglichkeit der Informationsbeschaffung. Und die Möglichkeit,
mit dem Computer Informationen
auszuwerten.“ Dass das World Wide
Web und die Arbeit am PC viel Zeit
rauben können, ist dem Paar bewusst.
Doch er ist sich sicher: „Wir lassen
uns vom Computer und vom Internet
nicht versklaven!“
Die 83-jährige Stiftsbewohnerin Astrid
Braun verrät: „Ich kaufe im Internet
ein und tätige online auch meine
Bankgeschäfte. Meine Visitenkarten
sowie Glückwunschkarten und Etiketten für Briefe gestalte ich mit Hilfe des
Internets. Außerdem beschäftige ich
mich mit der Mediathek und dem LeoWörterbuch.“ Sie schätzt vor allem die
Vielseitigkeit des Mediums Internet
und die Schnelligkeit. Deshalb hat
sie auch einen E-Mail-Account. „Eine
Antwort per E-Mail erreicht mich
schneller als ein Brief“, sagt die Seniorin. Mit dem Computer arbeitet sie
seit 2002. Zunächst hat sie einen Kurs
belegt, ihre Kenntnisse dann durch Privatstunden vertieft. Heute geht sie mit
einem Laptop ins Netz. Astrid Brauns
Erkenntnis: „Im Grunde genommen
ist es gar nicht so schwer, wie man es
sich vorstellt.“ Wie sie auf das Internet
kam? Dazu sagt sie: „Ich war neugierig. Und wenn man einmal dran ist,
kann man nicht mehr loslassen.“
Und wofür nutzt die 87-jährige Ilse
Zschache Internet? „Für alles!“ Sie
schreibt E-Mails an die Familie, nimmt
mit ihrem Tablet Fotos auf und versendet sie. Zudem recherchiert sie
online Dinge, die sie interessieren –
beispielsweise unbekannte Beilagen,
die auf dem Speiseplan stehen. Auch
Schach, Solitaire und Memory spielt
sie auf ihrem Tablet. Am Internet mag
sie, dass sie damit den Zugang zur
Welt behält. Die 87-Jährige führt aus:
„So weiß ich immer, was gerade passiert. Dank Internet kann ich auch die
Verbindungen zu meinen Freunden
in der ganzen Welt aufrechterhalten,
und ihnen beispielsweise mit einem
Bild von mir zeitnah eine Freude
machen.“ Umgekehrt freut sich Ilse
Zschache, dass sie durch tagesaktuelle Bilder und Berichte, die ihre Kinder via Internet schicken, an Reisen
der Familie teilnehmen kann. Auch
mit den Enkelkindern kommuniziert
sie online. Sie nutzt das Internet seit
zwei Jahren. Die Kinder und Enkel
haben ihr zum 85. Geburtstag ein
iPad geschenkt. Sie waren der Meinung: Unsere Oma muss das haben.
Und die Oma schwärmt: „Es ist sehr
platzsparend. Für uns Bewohner
eines Wohnstiftes ist das gerade richtig. – Ich kann mir nicht mehr vorstellen, ohne mein iPad zu leben.“
Andrea Daiger, Sieglinde Hankele
09
Foto: Stockbild
Titelthema.
Lebensdienliche
Sicherheit
durch Hightech
Das waren noch Zeiten, als der
Hausnotruf als Innovation und
moderne Technik galt. Kennen Sie
Smartwatches? Die intelligenten
Uhren, die stets anzeigen, wann Sie
wo sind oder waren, und das nicht
nur Ihnen. Kennen Sie smartband?
Ein Armreif, der den Blutdruck misst,
den Puls beobachtet und gesundheitliche Krisensituationen anzeigt,
ebenso wie den Kalorienverbrauch –
millionenfach verkauft. Auch Unterwäsche, die vor einem Herzinfarkt
warnt, ist ebenso auf dem Markt wie
der Schrittzähler im Sport-BH. All
diese technischen Innovationen
werden auch und gerade für ältere
Menschen entwickelt. Unter dem
Oberbegriff der „assistiven Technologien“ wurden Milliarden investiert.
Da sind die Trekking-Systeme, die als
10
alternovum | 1/2015
Navigations- und Notfallhilfen bei
Mobilität außer Haus Anwendung
finden. Da sind die Therapieroboter,
die Einsamkeitsgefühle durch künstliche Interaktion lindern sollen und
affektives Nähebedürfnis durch
sensorische Präsenz. Da sind Robotik-Systeme, die der Pflegeerleichterung dienen. Ist das lebensdienliche
Technik?
Kommt darauf an, ist die ausweichende Antwort, die jeder Jurist und
Ethiker parat hat, wenn es um die
Bewertung komplexer Fragestellungen geht. Dienen sie der Aufrechterhaltung persönlicher Selbstständigkeit und der eigenverantwortlichen
Lebensführung, mag man sie willkommen heißen. Sie können beispielsweise in ländlichen Regionen
dazu beitragen, dass auch bei geringer Arztdichte die medizinische
„Vorsicht ist geboten,
wenn Hightech zur
unsichtbaren Überwachung wird.“
Vorsicht ist geboten, wenn Hightech
zur unsichtbaren Überwachung wird
und so Privatheit und Intimität in
dramatischer Weise tangieren kann.
Wollen Sie immer überwacht sein?
Vermutlich nicht. Das Fürsorgebedürfnis von Professionellen, aber
auch von Angehörigen führt mitunter
zum Wunsch nach ständiger Erreichbarkeit und Kontrolle. Vorsicht ist
auch hier geboten. Doch gilt das
auch für Menschen mit hirnorganischen Veränderungen, für Menschen mit Demenz? Hier ist die Sorge
besonders groß, dass etwas passieren
kann und sich die Menschen Schaden zufügen. In diesem Fall kann
GPS-Technik ein Segen sein und
dazu beitragen, den Bewegungsspielraum von örtlich desorientierten
Menschen zu erweitern, ohne dass
man sich Sorgen machen muss, die
Person nicht wiederzufinden. Aber
bitte nur im Einzelfall und gut ausgehandelt. Und mit Respekt vor dem
Selbstbestimmungsrecht und der
Privatheit der jeweiligen Person!
Begleitung von Patienten gesichert
wird. Sie erhöhen die Erreichbarkeit
professioneller Dienste und können
einen wesentlichen Beitrag zur
Effizienz von Versorgungssystemen
leisten. Sie können auch dort einen
für viele Menschen wichtigen Beitrag
leisten, wo sie die Autonomie stärken. Nur was heißt Autonomie? Geht
es in jedem Fall um die Unabhängigkeit von fremden Hilfen? Man spricht
auch von der relationalen Autonomie, von der Autonomie, die immer
den Anderen, das Gegenüber
braucht. Technische Hilfssysteme
dürfen jedenfalls nicht dazu führen,
dass sich die Solidarität von Familien,
von Freunden oder in der Nachbarschaft rückbildet. Technik darf
Sorgebeziehungen weder entwerten
noch als altmodisch erscheinen
lassen.
Und wie wär’s mit der Robbe Paro,
dem Roboter, der so einfühlsam sein
kann, die Einsamkeit vertreibt und
Fürsorgereflexe bei auf Pflege angewiesenen Menschen auslöst – als
Beziehungsersatz für Einsame? Hier
ist Täuschung im Spiel, hier werden
Gefühlszustände manipuliert. Sie
dürfen keinesfalls ein menschliches,
Sorge tragendes Umfeld ersetzen.
Das gilt auch für die professionelle
Helferbeziehung. Der Arzt, die
Pflegekraft und andere Helfende sind
auf den Blickkontakt und die leibliche Gegenwart verwiesen, um ihre
Professionalität entfalten zu können
und Zusammenhänge zu verstehen.
Präsenz beim auf Pflege Angewiesenen ist erforderlich – nicht immer,
aber immer wieder. Denn es geht
nicht um die Überwachung des
Körpers. Die Leiblichkeit ist gekennzeichnet vom Zusammenhang von
Körper und Seele. Er darf nicht
auseinanderdividiert werden.
Dem Einsatz von Technik wohnt
immer etwas Bewertendes und
Steuerndes inne. Ein Verhalten wird
als risikoreich identifiziert, Handlungen sollen gelenkt werden: „Bitte
ausreichend bewegen“, „die Medikamente einnehmen!“ Technikeinsatz
kann, richtig dosiert und in ein
Gesamtkonzept von Hilfe eingebettet, sinnvoll sein – im Bürger-ProfiTechnik-Mix. Nur muss immer auch
Platz für den Zufall bleiben, für das
Unvorhersehbare, für die kreative
Gestaltung des Augenblickes, für das
Andere, das sich auch als Handlungsoption erhalten muss. Wir wollen
nicht den programmierten Menschen.
Wir wollen nicht den total überwachten Menschen.
Lebensdienliche Technik, sie ist
möglich. Was wären wir heute ohne
Autos? Was wären wir ohne Staubsauger und Geschirrspülmaschine?
Auch das Handy mag sich keiner
mehr wegdenken. Technologiefeindlichkeit ist unangebracht. Nur darf
Technik nicht um der Technik willen
entwickelt werden. Sie hat sich stets
in den Dienst gelingenden Lebens
und der Unterstützung individueller
Lebensformen zu stellen. Die assistiven
Technologien wurden in den vergangenen Jahrzehnten im Wesentlichen
von Technikern entwickelt. Nun sind
die Bürgerinnen und Bürger, aber
auch die Professionellen der helfenden Berufe gefragt, ihre Anforderungen, ihre Erwartungen an Technik zu
entwickeln und zu formulieren – und
auf Gefahren hinzuweisen, die mit
einem unreflektierten oder interessengeleiteten Einsatz von Technik
verbunden sind. Das verlangt von
allen Seiten sowohl die Bereitschaft,
sich mit technischen Innovationen
auseinanderzusetzen, als auch den
Willen, eine ethische Sensibilität zu
entwickeln, die dazu in die Lage
versetzt, Technik zu bewerten: als
lebensdienlich und ethisch und
rechtlich akzeptabel – oder nicht.
Neugierde und Abwägungskompetenz sind gefragt: Schon in der
Entwicklung von technischen Assistenzsystemen, aber auch bei ihrer
Anwendung.
Thomas Klie
Prof. Dr. Thomas Klie, Gerontologe
und KWA Justiziar
„Präsenz beim auf
Pflege Angewiesenen
ist erforderlich – nicht
immer, aber immer
wieder.“
11
Foto: Sieglinde Hankele
Titel.
KWA
v
i
lus
Nachmittag und die andere am
Abend. Dann wechseln wir wöchentlich, sodass eine von uns immer nach
München fahren und sich ums Haus
und den Garten kümmern kann.
Exk
Links – Ellen Kessler, rechts – Alice Kessler
Fit ohne Robotik
Alice und Ellen Kessler, bekannt
als Kessler-Zwillinge, wuchsen im
sächsischen Nerchau auf, in einem
musischen Elternhaus. Schon als
Sechsjährige bekamen sie Ballettunterricht. Das erste Engagement
hatten sie mit 15 im Düsseldorfer
Revuetheater Palladium: als Tänzerinnen. Später tanzten sie im Lido
in Paris. Parallel starteten sie eine
Filmkarriere: 1957 gehörten sie zu
den „Vier Mädels in der Wachau“.
Mit dem Song „Honey Moon“, den
sie zusammen mit Peter Kraus als
Gesangstrio einspielten, landeten
sie in den deutschen Hitlisten auf
Rang 15. Von 1962 bis 1986 lebten
die Kessler-Zwillinge in Italien.
Dort wurden sie zu Fernseh-Ikonen.
Heute leben sie in München. In
Deutschland sind die Kessler-Zwillinge vor allem aus Shows bekannt.
Die Goldene Rose von Montreux
und das Bundesverdienstkreuz am
Bande schmücken ihr Leben.
Foto: Sieglinde Hankele
view
r
e
t
In
Interview mit Alice und Ellen Kessler.
Es gibt Menschen, die sich nach dem
Berufsleben neuen Dingen zuwenden. Bei Ihnen beiden scheint das
Berufsleben nie zu enden. Sie nehmen nach wie vor Engagements an.
Ellen: Wir sagen nur zur, wenn wir
denken, dass es Spaß macht. Eigentlich sind wir Nein-Sager geworden.
Es gibt doch sehr viele Angebote, die
wir nicht machen möchten, weil sie
qualitativ nicht auf unserem Level
sind. Alice: Man hat uns vorletztes
Jahr sogar das Dschungelcamp
angeboten. Stellen Sie sich das mal
12
alternovum | 1/2015
vor. Da haben wir gar nicht geantwortet. Ellen: Wir haben ein Engagement in Berlin angenommen, im
Musical „Ich war noch niemals in
New York“. Da spielen wir abwechselnd die Mutterrolle. Es besteht
eigentlich nur aus Liedern von Udo
Jürgens und darum herum ist eine
Geschichte gebaut.
Und weshalb denken Sie, dass es
Spaß machen wird?
Das Musical hatten wir bereits in
Hamburg gesehen. Das ist sehr
erfolgreich, weil jeder die Lieder
kennt. Das Publikum singt begeistert
mit. Und wir wissen, dass es auch
deshalb Spaß machen wird, weil wir
nicht zusammen auf der Bühne
stehen. Alice: Wir haben das schon
mal gemacht, alternativ gespielt in
einem Zweipersonenstück. Das war
wunderbar. Man muss sich nicht
immer aus den Augenwinkeln beobachten, dass man synchron ist.
Ellen: Beim Musical wird es zur
Premiere eine Doppelvorstellung
geben, am 31. Mai. Da spielt eine am
Sie haben sehr viele Länder bereist.
War Japan auch dabei?
Alice: Also ich war schon ’63 in Japan,
mit meinem damaligen Lebenspartner.
Aufgetreten sind wir in Japan ’66 und
’72. Die Japaner sind sehr professionell. Und sehr diszipliniert. Das war
eine wunderbare Erfahrung. Ellen: Wir
standen in Tokio auf Bühnen, aber
auch in Kyoto und Osaka. In Osaka
waren wir 1970 auch im deutschen
Team bei der Weltausstellung. Da war
auch Max Greger dabei. Alice: Und
Freddy Quinn.
In Japan gibt es Menschen, die
einen Roboter als persönlichen
Fitnesstrainer haben. Würden Sie
das auch gerne mal ausprobieren?
Ellen: Nein. Weil ich glaube, dass
unser Training ganz anders ist als
Training von Nichttänzern. Alice: Also
ich würde es vielleicht versuchen.
Weil ich es lustig fände, einen Roboter dazuhaben, so zur Abwechslung.
Wie motivieren Sie sich zu Gymnastik? Spornen Sie sich gegenseitig an?
Ellen: Es gehört zu unserem Tagesablauf wie Zähneputzen, jeden zweiten
Tag das Gymnastikprogramm zu
machen. Vierzig bis fünfzig Minuten.
Am einen Tag Alice, am anderen Tag
ich. Wenn wir jetzt eine Woche in
Rom sind, machen wir nichts. Aber
zu Hause ziehen wir das durch. Das
gehört zum Alltag.
Bei vielen älteren Menschen lassen
die Kräfte nach, die körperlichen und
die geistigen. Denken Sie darüber
nach? Und sprechen Sie darüber?
Ellen: Wir sprechen nicht drüber.
Wahrscheinlich verdrängen wir’s. Ich
sage mir: Wenn es so weit ist, werde
ich sehen, was ich mache, werde ich
sehen, wie es weitergeht. Ich könnte
mir betreutes Wohnen vorstellen.
Betreutes Wohnen, wie wir es aus
Florida kennen, wo Menschen völlig
autark sind und ihre Wohnung
haben. Die haben alle ihre Armbänder. Und wenn etwas ist, ist ein Arzt
in der Nähe. Sie sind nicht alleingelassen, obwohl sie ein völlig freies,
autarkes Leben haben.
Und was halten Sie von Monitoring
zur Sicherheit? Solche Kameras
können mit einem ambulanten
Dienst verbunden sein, sodass
Bewohner und Pflegekräfte miteinander in Kontakt treten können,
auch miteinander sprechen. Wäre
das für Sie akzeptabel?
Ellen: Kommt drauf an, wo die
Kameras installiert sind. Man fühlt
sich dann ja wie bei der NSA. (Gemeinsames Gelächter.) Alice: Das
sind wunderbare Einrichtungen, aber
die gibt’s noch gar nicht so oft bei
uns. Ellen: Ich finde es sehr wichtig,
dass es diese Dinge gibt. Man muss
schon mehr tun. Weil die Menschen
ja sehr viel älter werden und immer
mehr von Demenz betroffen sind.
Wenn Sie sich pflegen lassen würden: Was wäre Ihnen wichtig?
Ellen: Schwer zu sagen. Ein verständnisvoller Pfleger oder eine verständnisvolle Pflegerin. Mit Kompetenz.
Aber man muss auch eine gewisse
Wellenlänge zu diesen Menschen
haben, sonst wird’s unangenehm.
Alice: Abhängig zu sein ist für mich
ein furchtbarer Gedanke. Nicht mehr
selbstständig zu sein. Wir waren ja
nie abhängig – auch nicht von
Ehemännern. Ellen: Wir sind ja mit
17 Jahren von Düsseldorf nach Paris
gegangen und waren auf uns gestellt.
Da ist es sehr schwer denkbar, im
Alter Freiheiten zu verlieren.
Technik in der Pflege ist das eine.
Welche Technik nutzen Sie privat?
Ellen: Handy und PC. Erst haben wir
gesagt: Ach nein, alles zu technisch,
zu unpersönlich. Und heute ist es
undenkbar, das nicht zu nutzen. Es
ist so praktisch. Alice: Also ich
könnte ohne PC nicht mehr leben.
Obwohl er mich manchmal ärgert.
Manchmal nimmt man sich vor,
irgendwas am PC zu erledigen, und
dann klappt etwas nicht, und plötzlich sitzt man da zwei Stunden,
obwohl man vielleicht nur eine halbe
Stunde eingeplant hatte. Ellen: Briefe
schreiben wir fast nur noch als
E-Mail. Wenn wir in Florida sind und
unser Agent in Italien muss uns
kontaktieren, geht das über E-Mail in
den nächsten drei Sekunden.
Sie gehen Anfang März als Jurorinnen zu einem Casting des Gärtnerplatztheaters nach Wien: Freuen
Sie sich darauf?
Ellen: Ja, sehr sogar. Wir waren noch
nie in einer richtigen Jury. Das in
Wien ist sehr seriös. Wir sind zehn
Personen. Da kommt auch ein Juror
vom West End London und einer von
der Komischen Oper Berlin – tolle
Leute. Ich bin sehr neugierig drauf.
Und gespannt, was man an Talenten
sieht – oder an Nichttalenten. Alice:
Wir machen das drei Mal. Ein Mal in
Wien, ein Mal in München und ein
Mal in Berlin. Es gibt ja viele Talente,
die kaum noch eine Chance haben,
ein Engagement zu bekommen. Es ist
schwierig geworden.
Ellen, Sie antworten in der Regel als
Erste, war das schon immer so?
Ellen: Ja. Alice über Ellen: Sie ist der
Motor. Der Antrieb. Sie ist spontaner.
Ellen über Alice: Sie ist eher zurückhaltend und immer ein bisschen
überlegter.
Sieglinde Hankele
Die Kessler-Zwillinge haben auch
über ihren Künstleralltag geplaudert.
Das ausführliche Interview finden
Sie online auf www.alternovum.de.
13
Titel.
Foto: Stockbild
KWA Symposium 2015:
Lebensdienliche Sicherheit
durch Hightech!?
Schon heute kann Technik vor
Sturzgefährdung und einem drohenden Infarkt warnen oder Alarm
schlagen, wenn wir – gegen alle
Gewohnheiten – die Kaffeemaschine
nicht in Betrieb nehmen: als deutliches Zeichen von eingeschränkter
Alltagsaktivität. Und nicht nur künstliche Kuschel-Robben aus Japan,
sondern auch die ersten humanoiden
Roboter sind probeweise für die
Begleitung und Pflege von Menschen
im Einsatz. Doch was ist dabei zu
bedenken? Diese Frage stellte KWA
Vorstand Dr. Stefan Arend zum
Einstieg. Neben Professor Dr. Thomas
Klie (siehe Seite 10) präsentierten auch
andere namhafte Referenten Forschungsergebnisse und Erfahrungen.
Welche Technik wird im Alltag
überhaupt eingesetzt? Dr. Sibylle
Meyer, Leiterin des SIBIS Instituts für
Sozialforschung und Projektberatung
in Berlin, nannte für den Einsatz zu
Hause die Kontrolle von elektrischen
Geräten, automatisches Abschalten
des Herds, die Kontrolle von Fenstern,
14
alternovum | 1/2015
Technik kann
Pflege entlasten,
nicht ersetzen
Rollläden, Türen, als Einbruchsschutz
oder zur Energieeffizienz sowie die
Kontrolle des Sanitärbereichs – sturzmeldende Fußböden beispielsweise.
Sehr interessant aus Meyers Sicht sind
neue technische Lösungen zur AudioVideo-Kommunikation von Bewohnern mit Angehörigen oder Dienstleistern: zur sozialen Teilhabe, aber auch
zur ambulanten Versorgung.
Bereits auf dem Markt sind Staubsauger-, Wisch- und Rasenmäher-Roboter. Da gibt es eine hohe Akzeptanz
und hohen Nutzen, vieles sichert
Autonomie, sei ethisch unbedenklich.
„Bei Kommunikation und Anregung
von so kleinen Gesellen, die eine
Gestalt haben, wird es schon schwieriger“, so Meyer. Die Referentin zeigte
ein Bild von einem kleinen Roboter
mit aufgemaltem Gesicht, der vorturnt. Bei dieser niedlichen Figur falle
es schon schwer, Distanz zu wahren.
„Technik allein reicht nicht
aus – zusätzlich gewünscht
sind Betreuung und Dienstleistung.“ (Sibylle Meyer)
Das SIBIS Institut hat sich 90 Wohnungen mit Ambient Assisted Living
(AAL) angeschaut und Bewohner
befragt. Meyers Erkenntnis: „Der
größte Vorteil für die Menschen ist
nicht die eingebaute Technik.“ Es geht
den Bewohnern um Barriere-Armut
und um gute Infrastrukturanbindung.
Zudem möchten sie die Möglichkeit
haben, Technik abzuschalten, für
private Momente. Und: „Was zusätzlich gewünscht wird, ist Betreuung
und Dienstleistung. Technik alleine
reicht nicht aus.“ Als „Vision 2030“
stellte die Referentin ein Modell vor,
wonach die Wohnung der Zukunft
ihre Mieter behütet – eine Umdeutung der Sorgekultur. Wir sind rundum von intelligenter Technologie
umgeben und von robotischen
Assistenten – so die Vision.
Professor Dr. Tim Lüth, Leiter des
Lehrstuhls „Mikrotechnik und Medizingerätetechnik“ (MiMed) an der
Technischen Universität München,
bewertete die „Vision 2030“ skeptisch: „Die Technologie, die erwartet
wird, ist nicht vorhanden.“ Ein Pro-
blem in der Robotik sei, dass wir
immer mehr Videoclips und Bilder
sehen, in denen Dinge präsentiert
werden, die gar nicht funktionieren.
Und: „Wenn gezeigt wird, dass DHL
Pakete mit Quadrocoptern austrägt,
ist das absurd“, sagt Lüth. „Leider
rechnet niemand aus, was es kostet,
ein Paket hundert Meter hochzufliegen und wieder runterzubringen.
Relationen werden nicht mehr wahrgenommen.“ Dadurch entstehen
verzerrte Wahrnehmungen. Das präge
inzwischen die Gesellschaft.
„Das, was wir bauen, soll
die Gesellschaft verändern
und Menschen Nutzen
bringen.“ (Tim Lüth)
Wichtig bei Forschungs- und Entwicklungsprojekten sei eine enge Zusammenarbeit mit Praktikern. Bei der
Kooperation von MiMed mit KWA
unter dem Titel „Embedded Research“ arbeiten Wissenschaftler
direkt im KWA Luise-KiesselbachHaus. Derzeit konzentriert man sich
zum einen auf mechanische Assistenzsysteme – Heben und Exoskelette, zum anderen auf Trinkmengenanalyse mit Hilfe besonderer Trinkbecher.
„Dabei geht es darum, etwas zu
bauen, das 24 Stunden am Tag
zuverlässig funktioniert“, so Lüth. Der
Wissenschaftler und sein Team folgen
dabei einer übergeordneten Maxime:
„Bei Surgical Robotic ist für uns
immer das Ziel, dass das, was wir
bauen, die Gesellschaft verändert und
Menschen Nutzen bringt.“
Laut Dr. Markus Leser, Leiter des
Fachbereichs „Menschen im Alter“
bei CURAVIVA Schweiz, sprechen
wir heute nicht mehr von Mensch
oder Technologie, sondern von einer
Verschmelzung von Mensch und
Technologie. Der englische Zukunftsforscher Ian Pearson habe in einem
Interview gesagt: „Irgendwann einmal
werden 90 oder 99 Prozent unseres
Denkens nicht mehr in unserem Kopf
stattfinden, sondern in einer Cloud*.
Wenn der Körper dann, etwa bei
einem Flugzeugunglück, stirbt, geht
das Leben weiter. Man kauft sich dann
einen humanoiden Roboter und nutzt
diesen fortan als seinen Körper.“ –
Schöne neue Welt?
CURAVIVA Schweiz hat durch die
Zürcher Hochschule für Angewandte
Wissenschaften klären lassen, welche
Faktoren bei Pflegenden zur Akzeptanz von neuen Technologien eine
Rolle spielen. Dabei hat sich gezeigt,
dass sie abhängt von Faktoren wie
Vorerfahrung, Sinnhaftigkeit, Freiwilligkeit, Know-how, Ergebnisqualität,
Mehraufwand, Nutzen und Alter. Eine
Harvard-Studie habe ergeben, dass
Widerstand gegen Technikeinsatz
überall da besteht, wo es um menschlichen Kontakt und Zuwendung geht:
vor allem bei Nahrungsverabreichung, bei Demenzbetreuung und
bei Grundpflege. Akzeptanz sei da,
wenn es um Dokumentation oder
schwere körperliche Arbeit geht, als
Entlastungsfunktion. Lesers Fazit:
„Technik kann Pflege entlasten, nicht
ersetzen.“
„Widerstand gegen Technik in der Pflege besteht,
wo es um menschlichen
Kontakt und Zuwendung
geht.“ (Markus Leser)
Ethische Aspekte beim Einsatz von
technischen Assistenzsystemen für
ältere Menschen beleuchtete Professor Dr. Hartmut Remmers, Leiter des
Fachgebiets Pflegewissenschaft an der
Universität Osnabrück. Inwieweit
vertragen sich fortlaufende Observationen und technische Kontrollen mit
unseren Vorstellungen von menschlicher Würde und persönlicher
Autonomie? Remmers sagt: „Am
wenigsten problematisch erscheint
mir, wenn Zeitersparnisse durch
Technikeinsatz zugunsten größerer
Zeitreserven des Pflegepersonals für
besonders versorgungsbedürftige
Menschen genutzt werden können.
Problematisch wird es dann, wenn
persönliche Beziehungen in elementaren Bereichen technisch ersetzt
werden sollen.“
„Autonomieansprüche
stehen auf der einen Seite,
Fürsorgeansprüche auf der
anderen.“ (Hartmut Remmers)
Dem Recht auf freie Entfaltung der
Persönlichkeit müsse unbedingt
Geltung verschafft werden, das
schließe den Schutz der Privatsphäre
ein, auch ein Abwehrrecht gegen
Technik. Ein ebenso wichtiges
Schutzinteresse bestehe jedoch für
Leib und Leben. – Hier zeigen sich
klassische Konflikte: Autonomieansprüche auf der einen Seite, Fürsorgeansprüche auf der anderen Seite.
Remmers empfiehlt, verschiedene
Perspektiven bei der Beurteilung von
Technik einzunehmen. Er wünscht
sich einzelfallorientierte Lösungen,
behutsame Abwägungen. Der Wert
technischer Assistenzsysteme bemisst
sich für ihn daran, inwieweit sie den
Mix aus familiärer, bürgerschaftlicher
und professioneller Pflege unterstützen können, im Hinblick auf ein
Gesamtversorgungskonzept. Remmers plädiert dafür, dass Betroffene,
Pflegende und Entwickler von Assistenzsystemen in einen dauerhaften
Austausch treten.
Sieglinde Hankele
*Als „Cloud“ werden „Datenwolken“, also
größere Datenmengen bezeichnet, die
nicht auf einem lokalen Rechner gespeichert
werden, sondern in einem entfernten
Rechenzentrum.
Ausführliche Beiträge zum KWA
Symposium 2015 sind auf
www.alternovum.de hinterlegt.
15
Engagement.
Foto: Werner Krüper
Blickwinkel.
KWA Stiftsbeiräte, KWA Stiftsdirektorin Gabriele Franke-Lechner
(3. von links) und KWA Mitarbeiterin Monika Döbl (Bildmitte) im
Garten des KWA Stifts am Parksee in Unterhaching – nach einer Sitzung.
Pflegestärkungsgesetz I
KWA Stiftsbeiräte
Dynamisierung, Verbesserung und Flexibilisierung der Leistungen
40 Jahre erfolgreiches Ehrenamt in den Stiften
Zum 1. Januar 2015 trat das Pflegestärkungsgesetz I in Kraft. Wie der
Zusatz „I“ bereits signalisiert, plant
die Bundesregierung eine weitere
Novellierung der sozialen Pflegeversicherung. In deren Zentrum soll
die Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs stehen. Bereits
ab 2015 wird vom federführenden
Bundesgesundheitsministerium an
der Vorbereitung der zweiten Reformstufe gearbeitet. Ziel ist es, ab
Jahresbeginn 2017 eine runderneuerte soziale Pflegeversicherung an
den Start zu bringen.
Die Zweistufigkeit des Verfahrens
bedarf der Erläuterung. Will man die
„Diskriminierung“ – eine Formulierung des Bundessozialgerichts – unter
anderem von Menschen, die an
einer Demenz erkrankt sind, in der
Pflegeversicherung beenden, muss
man zweierlei tun: Zum einen gilt
es, einen Pflegebegriff und ein neues
Begutachtungsinstrument einzuführen, das dem besonderen Bedarf von
Menschen entspricht, deren Pflegebedürftigkeit nicht somatisch begründet ist. Zum anderen müssen auch
die Hilfen, die das Gesetz gewährt,
16
alternovum | 1/2015
geeignet sein für den besonderen
Bedarf an allgemeiner Betreuung
von Menschen mit eingeschränkter
Alltagskompetenz. Das eine ohne
das andere zu tun, würde nicht zum
Ziel führen. Der Gesetzgeber hat
sich dafür entschieden, diese Reform
in zwei Zügen – eben mit Pflegestärkungsgesetz I und II – zu realisieren.
Wobei die Grundkonzeption des
Pflegestärkungsgesetzes II bereits
steht. Der Fokus liegt dann auf einem
neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff mit
fünf Pflegegraden statt drei Pflegestufen und einem neuen Begutachtungsinstrument. Gleichwohl bleibt aber
die Leistungshöhe für die späteren
Pflegegrade noch zu bestimmen.
Betrachtet man vor diesem Hintergrund das Pflegestärkungsgesetz I, so
lassen sich drei Impulse unterscheiden, die der Gesetzgeber mit diesem
(Teil-)Reformpaket gesetzt hat: Leistungsdynamisierung, Leistungsverbesserung und -flexibilisierung sowie
Einführung eines Pflegefonds.
Leistungsdynamisierung: Im PflegeWeiterentwicklungsgesetz von 2008
hat der Gesetzgeber festgelegt, dass
ab 2014 alle drei Jahre die Leistungen
der sozialen Pflegeversicherung zu
überprüfen und in der Höhe gegebenenfalls anzupassen sind. Dies wird
im Pflegestärkungsgesetz I umgesetzt. Die Leistungen werden zumeist
um 4 Prozent erhöht; Leistungen, die
mit dem Pflege-Neuausrichtungsgesetz erst 2013 eingeführt worden
sind, nur um 2,67 Prozent.
Leistungsverbesserung und -flexibilisierung: Der Gesetzgeber bleibt
seiner Leitintension, die häusliche
Pflege zu stärken, treu. Ein Mehr an
Individualisierung für die Ausgestaltung der häuslichen Pflege ist intendiert. Die Leistungsdauer für Verhinderungspflege ist von vier auf sechs
Wochen verlängert, für Kurzzeitpflege von vier auf acht Wochen. Beide
Leistungen können unter bestimmten
Voraussetzungen aufeinander angerechnet werden. Bis zu 40 Prozent
des Sachleistungsbudgets in der
ambulanten Pflege können nun für
allgemeine Betreuungsleistungen eingesetzt werden. Teilstationäre Pflege,
die bis dato zu 50 Prozent auf Sachleistung oder Pflegegeld angerechnet
wurde, wird seit Jahresbeginn extra
erstattet. Allen Pflegebedürftigen werden zusätzliche Betreuungsleistungen
zur Verfügung gestellt. Bei vollstationärer Pflege wird die Zahl der zusätzlichen Betreuungskräfte erhöht.
Einführung eines Pflegefonds: Angesichts der demografischen Entwicklung wird ein Pflegevorsorgefonds
eingerichtet, in den zukünftig jährlich rund 1,2 Milliarden Euro fließen
sollen. Ab 2035 rücken vermehrt die
geburtenstarken Jahrgänge in die so
genannten pflegenahen Jahrgänge
vor. Mit Hilfe des Fonds sollen die
erwarteten Belastungen der sozialen
Pflegeversicherung gedämpft werden.
Kritik richtet sich gegen den nicht sicheren Schutz vor Zweckentfremdung
der Mittel, gegen den geringen Effekt
zur späteren Beitragssatzdämpfung
und die begrenzte Nachhaltigkeit –
die Fondsmittel werden aufgebraucht
sein, wenn die demografiebedingten
Belastungen am höchsten sind. Der
Beitragssatz in der gesetzlichen Pflegeversicherung wurde um 0,3 Prozent
angehoben – um 0,2 Prozent für die
Leistungsverbesserungen und um
0,1 Prozent für den Vorsorgefonds.
Ob diese maßvolle finanzielle Mehrbelastung der Bürger angesichts der
insgesamt entstehenden Mehrkosten
jedoch ausreicht, ist strittig.
Roland Schmidt
Es ist nun schon 40 Jahre her, dass in den KWA Stiften erstmals Stiftsbeiräte
gewählt wurden. Den Anfang machten die Bewohner der Rosenau. Sie
wählten am 17. Januar 1975 ihren ersten Stiftsbeirat, der aus sieben Persönlichkeiten bestand. Bereits am 15. März 1975 folgte die Wahl im Hanns-Seidel-Haus. Grundlage dieser ehrenamtlichen Tätigkeit von Bewohnern, die
Interessen ihrer Mitbewohner gegenüber der Einrichtung und dem Träger zu
vertreten, war das bundeseinheitliche Heimgesetz, das am 1. Januar 1975 in
Kraft trat und in Bezug auf die Tätigkeiten der Stiftsbeiräte mit der Heimmitwirkungsverordnung 1976 ergänzt und präzisiert wurde.
Seit dieser Zeit haben unzählige Bewohner der Stifte am Leben und an der
Kultur in den KWA Häusern mitgewirkt. Die Entwicklung von KWA ist ohne
das Engagement der Bewohner – insbesondere der Stiftsbeiräte – nicht denkbar. Umso betrüblicher war es, dass die Arbeit der Stiftsbeiräte in Gefahr
geriet: Im Zuge der Föderalismusreform wurde das Heimgesetz auf die Landesebene verlagert, in einigen Bundesländern war die Aberkennung des
Heimstatus unserer Einrichtungen damit verbunden.
KWA hat sich daher im vergangenen Jahr entschlossen, einen eigenen, freiwilligen KWA Stiftsbeirat zu installieren, damit in allen Bundesländern, unabhängig
von den Regelungen des jeweiligen Landesheimrechts, ein Stiftsbeirat gebildet
werden kann. Dazu wurde zusammen mit Professor Dr. Thomas Klie eine
Rahmenordnung geschaffen, die die Aufgaben und die Kompetenzen aller
KWA Stiftsbeiräte regelt. Auf dieser Basis werden jetzt an den einzelnen Standorten Ordnungen für die jeweilige Einrichtung erarbeitet, die Besonderheiten
und Traditionen vor Ort aufnehmen können. So ist die Mitwirkung der Bewohner
unabhängig von den Entwicklungen in den Ländern auf Dauer gesichert.
Stefan Arend
17
Start ins KWA Gartenjahr
18
alternovum | 1/2015
Fotos: Privat
Gärtner und Genießer.
19
Menschen.
Menschen.
KWA Stift Rupertihof
Zwischen Tegernsee
und Timmelsjoch
KWA Stift Urbana im Stadtgarten
Zwischen Kegelbahn
und Kühlungsborn
Hauke Thomas: ein Mann für alle Fälle im Rupertihof
Fragt man die Bewohner der Urbana nach Birgit Kriegler, so bekommt man
garantiert sofort eine Antwort
Jeder kennt sie. Wer Birgit Kriegler für
den einzelnen Bewohner ist, welche
Funktion sie in seinen Augen hat,
welche Aufgaben sie in der Urbana
übernimmt, ist allerdings nie deckungsgleich. Auf Fragen nach ihr kamen
folgende Antworten: „Frau Kriegler,
das ist meine Kegelschwester.“ – „Mit
ihr fahre ich jedes Jahr in Urlaub.“ –
„Frau Kriegler ist hier die zweite
Chefin.“ – „Sie hat mich im Krankenhaus besucht, jedes Jahr stoße ich mit
ihr aufs neue Jahr an.“ – „Montags
gehe ich regelmäßig zu ihrem Gedächtnistraining.“ – „Frau Kriegler
organisiert doch immer unser Sommerfest.“ – „Wenn ich mal wieder
zum Shoppen in die Stadt möchte,
stellt sie mir eine Begleitung an die
Seite.“ – „Ich weiß, sie organisiert alle
Veranstaltungen im Haus.“ – „Frau
Kriegler hat ihr Büro in der zweiten
Etage und immer ein offenes Ohr.“
20
alternovum | 1/2015
Diplom-Pädagogin Birgit Kriegler ist
seit dem ersten Tag mit an Bord der
Urbana. Die fußballbegeisterte Mutter
von drei Kindern hat einen abwechslungsreichen Arbeitsalltag. Zum einen
ist sie die Koordinatorin der sozialen
Betreuung im stationären Pflegebereich und der persönlichen Assistenten im Wohnbereich, zum anderen
organisiert sie alle Veranstaltungen
des Hauses. Die kulturellen und
gesellschaftlichen Interessen der
Bewohner sind breit gefächert. Jeden
Monat stellt Birgit Kriegler jedoch ein
abwechslungsreiches Programm
zusammen, sodass für jeden Geschmack etwas dabei ist. Ob nun
Quizrunden, Stammtisch, Ausflüge,
klassische Konzerte, Cocktailabende
oder Märchenstunden: Die Bewohner
haben die Wahl. Nun schon im
vierten Jahr plant, organisiert und
begleitet Birgit Kriegler die betreute
KWA Reise. Im vergangenen Jahr ging
es nach Kühlungsborn. Und wenn wir
schon beim Reisen sind: Auch der
Kegelverein der Urbana freut sich in
jedem Jahr auf die von ihr bis ins
Detail geplante Überraschungstour.
Birgit Kriegler, die den Hausleiter des
KWA Stifts Urbana Arnd Werner
Schug vertritt, wenn dieser abwesend
ist, kennt das Haus wie ihre Westentasche. Sie ist nicht nur für Bewohner
ein häufig frequentierter Ansprechpartner, sondern auch für viele
Angehörige und Mitarbeiter.
Martina Lenz
„Heute haben wir wieder mal die
Welt verbessert!“, sagt ein älterer
Herr ab und an zu Hauke Thomas.
Wer die Weltverbesserer sind, dazu
später. Hauke Thomas jedenfalls ist
Stellvertreter der Stiftsdirektorin im
KWA Stift Rupertihof. Angefangen
hat er als Assistent der Hausleitung,
vor 22 Jahren, unmittelbar nach dem
Studium der Ökotrophologie. Die
Arbeit mit alten Menschen hatte er
beim Zivildienst kennengelernt, in
seiner Diplomarbeit befasste er sich
mit der Öffentlichkeitsarbeit von
Senioreneinrichtungen.
Im Rupertihof war er im Lauf der
Jahre in vielen Bereichen aktiv. Seit
vier Jahren liegt sein Arbeitsschwerpunkt in der Kundenbetreuung. Bei
KWA ist er der einzige Mann in
dieser Funktion. Doch das ficht ihn
nicht an. Wer ihn kennt, weiß, dass
er in sich ruht. Das spüren auch die
Interessenten, denen er den Rupertihof zeigt und alles bis ins Detail
erklärt, vor allem jedoch die Bewohner, die sich mit Wünschen an ihn
wenden, auch dann, wenn er Veranstaltungen plant und betreut. 2014
hat er mit Bewohnern unter anderem
den neuen Wanderweg in der Sutten
getestet und den neuen Steg in
Tegernsee, sie bei Fahrten nach
München und Rosenheim begleitet,
sowie zum Museum Aschenbrenner
in Garmisch-Partenkirchen. Glanzlichter waren Tagesausflüge in die
Alpen. Im vergangenen Jahr standen
das Villnößtal in Südtirol, der Jaufenpass und das Timmelsjoch auf dem
Programm. Wenn dann ein 100-Jähriger in 2000 Meter Höhe sagt:
„Dass ich das noch mal erleben
darf“, weiß Hauke Thomas, dass sich
der Aufwand gelohnt hat. Doch auch
Musik ist vielen wichtig. Und so
begleitet Hauke Thomas Bewohner
zum einen zu Konzerten, zum
anderen holt er Musik ins Haus.
Aufgrund seiner Erfahrungen weiß er,
was ankommt: neben Klassik beispielsweise auch schwungvolle
russische Volksweisen. Durch die
Zusammenarbeit mit örtlichen Musikschulen können sich die Bewohner
auch an Darbietungen junger Menschen erfreuen. Was ihm an seiner
Arbeit gefällt? „Die Dankbarkeit der
Bewohner und die Vielfalt der
Aufgaben“, sagt Thomas. Die Anstrengungen des Tages, wenn er nach
einem Vertragsgespräch, einer
Wohnungsabnahme und unzähligen
Fragen und Antworten auch noch
statistische Erhebungen zu bewältigen oder einen Pressetext zu verfassen hat, kompensiert er abends am
liebsten bei Gartenarbeit, gemeinsam
mit seiner Frau. Oder beim Chorgesang: bei Konzertprojekten der
Kantorei Tegernsee und bei den
Sunshine Gospels. Hauke Thomas
stammt aus Rottenburg am Neckar,
fühlt sich jedoch in Rottach-Egern
längst heimisch: Er mag die Landschaft und die Ländlichkeit. Seine
Kinder sind hier geboren.
Nun noch zu den „Weltverbesserern“. Sie sitzen, wie könnte es anders
sein, an einem Stammtisch, nämlich
beim „Herrenstammtisch“ im Rupertihof: Erst wird gemeinsam gespeist,
dann diskutiert und politisiert. Hauke
Thomas verrät nur so viel: „Es steht
auch mal Lokales zur Debatte. In der
Regel befassen sich die Herren
jedoch mit dem großen Weltgeschehen. Und mit wissenschaftlichen
Themen.“ Und die Damen? Sie
tauschen sich regelmäßig beim
Dämmerschoppen aus.
Sieglinde Hankele
21
Foto: Anton Krämer
Begleitung und Pflege.
Tagesbetreuung im Wohnstift
„Es ging mir
noch nie so gut
wie hier“
KWA Parkstift Aeskulap
In den vergangenen Jahren gewann
das Thema altersbedingte Demenz
zunehmend an Bedeutung, ausgelöst
durch die steigende Zahl der Betroffenen in unserem Land.
Für Menschen mit Demenz ist die
Bewältigung des Alltags oftmals nur
unter Anleitung möglich. Sofern die
permanente Hilfeleistung im häuslichen Umfeld nicht durch Angehörige geleistet werden kann, scheint der
Umzug in eine stationäre Pflegeeinrichtung die einzige Möglichkeit zu
sein. Doch es gibt Alternativen: für
Menschen, die weiterhin zu Hause
wohnen möchten, die Tagespflege,
für Bewohner des KWA Parkstifts
Aeskulap die Tagesbetreuung, als
besonderes Leistungsangebot.
Die Tagesbetreuung ist an sieben
Tagen in der Woche geöffnet, von
7.30 bis 19.30 Uhr. In welchem Umfang Bewohner diese Zeiten nutzen,
22
alternovum | 1/2015
Bianca Jendrzej, Leiterin der Abteilung Qualität, Prozesse und Strukturen bei KWA, geht in einem Onlinebeitrag auf die Änderungen ein,
die sich aus dem ersten Pflegestärkungsgesetz für die Tagesbetreuung
und für die Tagespflege ergeben.
KWA Parkstift Rosenau
können sie selbst entscheiden. Durch
eine maximale Gruppengröße von 12
bis 15 Bewohnern ist eine gemütliche
Wohngruppenatmosphäre spürbar.
Mit Beginn dieses Jahres konnte
durch den Bezug neuer Räume das
Leistungsangebot ausgebaut werden.
Es gibt nun eine Wohnküche, einen
Aktivierungs- und Beschäftigungsraum sowie einen Ruheraum, in den
sich die Bewohner jederzeit zurückziehen können. Darüber hinaus wurde eine beschützte Außenanlage mit
Garten und Rundweg neu gestaltet.
Doch wie sieht der Alltag in der
Tagesbetreuung aus? Menschen mit
demenziellen Veränderungen benötigen eine klare Tagesstrukturierung. So
ist die gemeinsame Vorbereitung und
Einnahme der Mahlzeiten ein fester
Bestandteil des Zusammenlebens.
Ebenso ist ein abwechslungsreiches
Programm der Aktivierung über den
Tag fest implementiert. Ein geschultes
und empathisches Mitarbeiterteam
ist die Voraussetzung für ein harmonisches Miteinander. Darauf achten wir.
Andreas Lorz
„Es ging mir noch nie so gut wie
hier. Ich werde hier so verwöhnt wie
noch nie in meinem Leben“, sagt eine
Bewohnerin, die die Tagesbetreuung
im KWA Parkstift Rosenau nutzt. –
Der Vormittag beginnt am hübsch
gedeckten Frühstückstisch. Da gibt es
alles, was man sich wünschen kann,
vom klassischen Hefezopf bis hin zu
frisch zubereiteten Rühreiern. Der Essensduft im Raum ist verlockend. Wer
möchte, kann selbst zugreifen, wer
Hilfe benötigt, wird von den Mitarbeitern unterstützt. In der Rosenau wird
außer Tagesbetreuung auch Tagespflege angeboten. Menschen, die zur
Tagespflege kommen, schenkt das
Team besonders viel Aufmerksamkeit.
Nach dem bewusst gemütlichen Frühstück kommt zunehmend Leben in die
Räume. Aus der Tageszeitung vorgelesene Artikel regen zu Gesprächen
an. Je nach Vorliebe der Bewohner
spielen die einen danach beispielsweise Bingo, während die anderen lieber
gemeinsam Kreuzworträtsel lösen, in
einer ansteckend fröhlichen Atmosphäre. Die Räume sind attraktiv: Der
große Wintergarten führt den Blick in
den Wohnstiftspark, die Terrasse bietet
Sicht auf das Bodenseeufer. Das Mitarbeiterteam von Tagesbetreuung und
KWA Stift im Hohenzollernpark
Tagespflege wird unterstützt von einer
Musiktherapeutin, einer Gedächtnistrainerin und einer Qi-Gong-Lehrerin,
die jeweils einmal in der Woche die
Bewohner aktivieren. Ergänzt wird
das Team durch Leon, einen jungen
Cockerspaniel, dessen Herrchen in der
Tagesbetreuung arbeitet, und durch
Fritze, einen vorlauten Wellensittich.
Somit gehören auch „Gassigehen“
und Vogelfüttern zum Alltag. Tagesbetreuung und -pflege im Parkstift
Rosenau sind auch mittags geöffnet.
So besteht auch die Möglichkeit, das
Mittagessen dort in Gemeinschaft
einzunehmen. Die Gäste können am
„Familientisch“ Platz nehmen und
unter verschiedenen Speisen wählen.
Wer möchte, kann danach ein Mittagschläfchen halten, im eigens hierfür
eingerichteten Ruheraum. Am Nachmittag werden Kaffee und Tee angeboten. An manchen Tagen wird auch
gemeinsam gebacken. So erleben
die Bewohner und Gäste, die Tagesbetreuung oder -pflege in Anspruch
nehmen, Alltag und Gemeinschaft,
erfahren Sicherheit, Geborgenheit
und Orientierung. Ihre Ressourcen,
ihre Selbstständigkeit und ihr Selbstwertgefühl werden gefördert. All dies
steigert die Lebensqualität.
Birgit Mangold
Die Tagesbetreuung im KWA Stift
im Hohenzollernpark bietet Bewohnern, die einen erhöhten Bedarf an
Begleitung haben, ein tagesstrukturierendes Programm. Sie ist an sieben
Tagen in der Woche geöffnet, von
8.30 bis 18.30 Uhr, auch an Feiertagen. Das Betreuungskonzept basiert
auf der Erhaltung und Förderung der
individuellen Lebensqualität. Gerontotherapeutisch geschulte Mitarbeiterinnen begleiten die Bewohner behutsam und aufmerksam, um ihnen ein
Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit,
Wertschätzung und Wohlbefinden zu
geben.
Zu den angebotenen Beschäftigungsmöglichkeiten gehören Biografiearbeit, gemeinsames Singen,
Sitzgymnastik, Kegeln, Gedächtnisaktivierung, Wahrnehmungsförderung,
kreatives Gestalten, Spielenachmittage, gemeinsames Kuchenbacken,
Spaziergänge und jahreszeitliche
Feste. Zwei Bewohnerinnen des Stifts,
die sich ehrenamtlich engagieren,
kommen zudem regelmäßig zum
Vorlesen.
Die gemütliche Einrichtung der
Tagesbetreuung mit klassischen und
einigen alten Möbeln trägt dazu bei,
dass sich die Bewohner wohlfühlen.
Viele Gegenstände erinnern an ihre
Kindheit und Jugend; ein „Erinnerungskoffer“, „Kruschelkisten“, Fotoalben bieten immer wieder Anlass für
Gespräche.
Die Möglichkeit, alle Mahlzeiten in
der Tagesbetreuung einzunehmen,
fördert die Tagesstruktur und wird
von fast allen genutzt. Frühstück
und Abendessen werden als Buffet
angeboten, das Mittagessen wird von
den Mitarbeiterinnen serviert, entsprechend den Vorlieben und Wünschen der Bewohner. Nachmittags
treffen sich die Bewohner zu einer
gemütlichen Kaffeerunde, einmal in
der Woche mit selbstgebackenem
Kuchen. Bei schönem Wetter lädt der
liebevoll angelegte Garten mit großer
Terrasse zum Verweilen ein.
Sonja Bekkadour
23
Begleitung und Pflege.
Sanfte Küche
KWA Luise-Kiesselbach-Haus
Herzlich willkommen
Die neuen Rezepte für Menschen mit Schluckstörungen vereinen
klassische Nahrungsmittelverarbeitung mit Elementen innovativer
Gastronomie – und bewahren den Geschmack der Zutaten.
Auf neue Bewohner bereitet sich das Haus gut vor.
Bis ins hohe Alter hatte Marie-Luise Bauer* zu Hause
gelebt, selbstbestimmt und weitgehend ohne Hilfe. Doch
nun, nach einem Schlaganfall, einem langen Krankenhausaufenthalt und anschließender Rehabilitation, ist der Alltag
in der Wohnung nicht mehr zu bewältigen.
bei dieser Gelegenheit auch Dinge besprochen werden
können, die ihr wichtig sind. Wird die Wäsche gewaschen?
Kann ich meine Möbel mitnehmen? Welche Ärzte kommen ins Haus? Können die erforderlichen Therapien vorab
in die Wege geleitet werden?
Bei einem Informationsbesuch der Angehörigen im KWA
Luise-Kiesselbach-Haus überzeugte sie neben dem Pflegekonzept auch das umfangreiche Betreuungsangebot.
Marie-Luise Bauer war immer sehr gesellig, und die Familie
erhofft sich durch die begleitenden Angebote neue Impulse
und neuen Lebensmut für sie.
Die erhaltenen Informationen werden mit Hausleitung,
Pflegedienst- und Wohnbereichsleitung besprochen,
Risikobereiche und pflegerische Schwerpunkte abgeklärt.
Haustechnik, Hauswirtschaft, Rezeption, wirklich alle
Bereiche im Haus werden miteinbezogen. In den Übergabegesprächen an die Mitarbeiter in Pflege und Betreuung
werden auch wichtige biografische Hinweise gegeben.
Nachdem klar ist, dass die Seniorin einziehen wird, bereitet sich das Luise-Kiesselbach-Haus darauf vor. Um eine
bewohnerbezogene, pflegerische Betreuung planen zu
können, ist vieles zu klären. Liegt vielleicht eine eingeschränkte Bewegungsfähigkeit vor? Oder sind Sprach- und
Schluckvermögen beeinträchtigt? Auch Vorerkrankungen,
psychische Veränderungen oder kognitive Einschränkungen
müssen von behandelnden Ärzten und Angehörigen erfragt
und in die Pflegeplanung mit aufgenommen werden.
Ein Besuch der Überleitungsmitarbeiterin des Luise-Kiesselbach-Hauses in der Rehaklinik bei Marie-Luise Bauer
bringt wichtige Erkenntnisse. Die Seniorin freut sich, dass
24
alternovum | 1/2015
Noch ist die 85-Jährige auf den Rollstuhl angewiesen.
Doch die therapeutischen Maßnahmen und ihr ungebrochener Wille lassen auf eine Zukunft ohne Rollstuhl hoffen.
Sie hatte trotz allem Glück, sagt sie, gesteht aber auch,
dass ihr bange ist vor der neuen Abhängigkeit. Sicherheit,
abgestimmte Sorgestrukturen und Empathie erleichtern
den Einzug und helfen ihr hoffentlich dabei, sich im neuen
Zuhause einzufinden. Das in den ersten Tagen erlebte Miteinander ist prägend für das künftige Zusammenleben.
Ursula Sohmen
*Der Name wurde von der Redaktion geändert.
Menschen mit Kau- oder Schluckstörungen mussten vor Einführung
der sanften Küche auf viele bekannte
Geschmackserlebnisse verzichten.
Im Alltag entstanden so häufig Probleme. Immer wieder verweigerten
Menschen mit Schluckstörungen die
Nahrungsaufnahme. Sie hatten genug
vom ständig gleichen Brei oder
Pudding, wollten den „Einheitsbrei“
nicht länger essen. Die damit verbundene rapide Gewichtsabnahme
bewirkte bei fast allen Betroffenen
eine deutliche Verschlechterung des
Allgemeinzustands.
Mit dem Thema „Esskultur“ für Menschen mit Schluckstörungen setzt sich
das Team des Albstifts deshalb schon
seit Jahren auseinander. Das Hauptaugenmerk lag zunächst auf dem Mittagessen. Das Küchenteam versuchte,
die Speisen so anzurichten, dass sie
beim Servieren möglichst ansprechend
waren. Trotz aller Bemühungen beim
Mittagessen war der Erfolg begrenzt.
Für die anderen Mahlzeiten fand sich
keine adäquate Lösung.
Da kam die Idee zur sanften Küche
für Menschen mit Schluckstörungen
gerade recht. In einem gemeinsamen
Projekt von Albstift und Hochschule
Ulm wurde das Thema intensiv diskutiert, neue Rezepte wurden entwickelt, getestet und verfeinert. Neben
Küchenleiter Georg Tragenkranz und
seinem Team trugen auch Diätassistentin Daniela Künzel sowie Pflegemitarbeiter des Albstifts zum Gelingen
bei, mit Know-how und Ideen. So
entstand eine Rezeptsammlung für
alle Mahlzeiten und Geschmacksrichtungen. Wer heute den Speiseplan
für den betroffenen Personenkreis
anschaut, bekommt schon beim
Lesen Appetit: zum Frühstück Beeren-Smoothie oder Müsli-Mix, zum
Mittagessen Fischmousse und Möhrenschaum oder pürierte Rinderroulade und Kartoffelschaum, zum Kaffee
Schwarzwälder Kirschtorte im Glas
und am Abend pikanter Eierschaum.
Seit Einführung der sanften Küche
im Albsitft ist die Abneigung von
Menschen mit Kau- oder Schluckstörungen gegenüber Speisen Vergangenheit. Betroffene essen wieder mit
Fotos: Stockbild
Foto: Ursula Sohmen
Begleitung und Pflege.
Appetit und haben damit ein Stück
Lebensqualität zurückbekommen.
Auch Menschen mit Demenz leiden
oftmals unter Schluckstörungen,
profitieren von den neuen Rezepten,
weil die Konsistenz der fein pürierten
oder aufgeschäumten Speisen auch
ihnen das Schlucken ermöglicht.
Menschen mit Demenz haben überdies ein anderes Geschmacksempfinden: Sie bevorzugen Speisen, die
etwas süßer sind. Auch dem wird die
sanfte Küche gerecht.
Die positive Wirkung der sanften
Küche lässt sich zum einen an den
Gewichtszunahmen ablesen, ist zum
anderen im täglichen Miteinander
zu erkennen: Wer gut gegessen hat,
ist deutlich zufriedener. Das zum
Jahresbeginn veröffentlichte Rezeptbuch „Sanfte Küche“ kann hoffentlich
dazu beitragen, dass auch andere von
Schluckstörungen betroffene Menschen Lebensqualität zurückgewinnen.
Manfred Zwick
Das Rezeptbuch „Sanfte Küche“
ist erhältlich bei KWA Club;
E-Mail: [email protected], kostenfreie
Rufnummer 0800 592 2582
25
Foto: Sieglinde Hankele
Gesundheit.
Mentales Training
bei Schlaganfall
Interview mit Dr. Garner, dem Chefarzt der
KWA Klinik Stift Rottal.
Herr Dr. Garner, oft wird gesagt,
dass Lähmungen nach einem Schlaganfall nicht mehr positiv zu beeinflussen sind. Stimmt das?
Noch vor ein paar Jahren hätte ich
Ihnen Recht gegeben. Experten
waren sich einig, dass die Rückbildung von Lähmungen in den meisten
Fällen nach einem Jahr abgeschlossen
ist. Das heißt, dass der dann erreichte
Zustand für die Zukunft akzeptiert
werden muss.
Und jetzt gibt es neue Erkenntnisse?
Ja, durchaus. Es ist zwar richtig,
dass die geschädigten Hirnzellen
(Neurone) nicht durch neue Zellen
ersetzt werden können. Doch heute
weiß man, dass andere Hirnareale
die Aufgaben der defekten Hirnzellen
übernehmen können.
Wie können Laien sich das
praktisch vorstellen?
Unser Gehirn ist äußerst effektiv
organisiert: Gelernt wird nur, was auch
einen praktischen Nutzen hat. Wenn
ein Schlaganfall-Betroffener seine
gelähmte Hand heben will, dann
passiert wegen der Lähmung nichts.
Die Hand bleibt unten und dem
Gehirn wird über Rezeptoren in
Gelenken und Muskeln gemeldet, dass
die Bewegung nicht zustande kam. Damit ist die Bewegung für das Gehirn
sinnlos und wird im Laufe der Zeit aus
dem Repertoire der möglichen Aktivitäten gelöscht. Wenn es nicht funktioniert, ist im Programmspeicher kein
26
alternovum | 1/2015
Platz. Das Gehirn hat mit vielen
anderen Aufgaben Wichtigeres zu tun.
Kann man die verloren gegangene
Bewegung nicht wieder neu „programmieren“?
Das ist genau die Lösung. Das Gehirn
muss erfahren, dass die gewollte
Bewegung sinnvoll ist. In dem Moment, wo es die Bewegung ausführen
will, muss zurückgemeldet werden,
dass die Bewegung wirklich stattgefunden hat.
Wie lässt sich das praktisch umsetzen?
In den meisten Fällen ist es so, dass
bei motorischen Lähmungen das
Berührungsempfinden ganz oder
zumindest teilweise erhalten bleibt.
Wenn man die gelähmte Hand in
dem Moment passiv hebt, in dem der
Patient sich die Bewegung vorstellt,
dann kommt eine positive Rückmeldung der Gelenkrezeptoren im
Muskel, dass sich die entsprechenden
Muskeln zusammengezogen haben.
Und dafür gibt es jetzt eine Lösung?
Richtig. Die Lösung heißt mentales
Training (Mentastim®) und funktioniert folgendermaßen: Man klebt auf
den Unterarm drei Elektroden, die
feinste nervliche Aktivierungen
messen, via Oberflächen-EMG. Auch
bei schwersten Lähmungen, bei
denen willentlich keine sichtbare
Bewegung mehr erzeugt werden
kann, gelingt es in aller Regel, bei
guter Konzentration, noch einige
wenige Nervenfasern zu aktivieren.
Sobald das Gerät diese willentlich
ausgelöste Aktivität erfasst, schaltet
es in einen Modus, in dem die Hand
durch eine schmerzlose elektrische
Stimulation gehoben wird. Die
entsprechende Muskelgruppe zieht
sich zusammen. Damit wird dem
Gehirn die vollständige Rückmeldung
geliefert, dass die gewollte Bewegung
auch tatsächlich von der entsprechenden Muskelgruppe und dem
Gelenk ausgeführt wurde.
Entscheidend ist also die Koordination
der vorgestellten und der vom
Gerät durchgeführten tatsächlichen
Bewegung?
Durch diese Rückmeldung empfindet
das Gehirn die Bewegung als sinnvoll
und programmiert sie wieder ein. Gesunde Nervenzellen übernehmen
dann nach und nach die Aufgabe der
durch den Schlaganfall geschädigten
Neurone.
Wie lange muss man üben, bis man
einen Erfolg sieht?
Täglich 20 bis 30 Minuten sollten es
sein. Liegt der Schlaganfall schon
mehrere Jahre zurück, ist nach zwei
bis drei Monaten mit sichtbaren
Funktionsverbesserungen zu rechnen.
Wo und wie können Betroffene
diese Methode kennenlernen?
Wir wenden das mentale Training mit
Mentastim® seit mehreren Jahren
erfolgreich in der KWA Klinik Stift
Rottal an. Danach üben die Patienten
selbstständig zu Hause weiter.
Genesung dank Hightech,
Disziplin und Familie
„Als ich wieder den ersten Leberkäs
essen konnte, ging es aufwärts“, sagt
Herbert Müller rückblickend. Den
Leberkäse wünschte er sich gegen
Ende eines sechswöchigen RehaAufenthalts in der KWA Klinik Stift
Rottal. Als er dort ankam, konnte er
nur Flüssiges oder Brei schlucken. Da
haben ihn auch mal die Enkel gefüttert oder die Tochter oder Ehefrau
Edeltraud, die jeden Tag von Passau
zu ihm nach Bad Griesbach fuhr. Das
weiß der inzwischen 86-Jährige zu
schätzen. Er sagt: „Die Familie war
das A und O nach dem Schlaganfall.“
Der liegt jetzt sechs Jahre zurück.
Bemerkbar gemacht hat sich der
Gefäßverschluss im Gehirn zunächst
durch eine Sprachstörung, dann durch
eine Lähmung, von der die ganze
linke Körperseite betroffen war,
inklusive Gesichtsnerven. Da Herbert
Müller erst einen Tag später ins
Krankenhaus ging, war die Schädigung
groß. Doch damit hadern er und seine
Frau heute nicht mehr. Sie sind
dankbar, dass er sich so gut erholt hat,
dass er wieder laufen und alles
bewegen kann, nur Hilfe beim Waschen und Ankleiden braucht – was
mit seiner Arthrose zusammenhängt.
Brigitte Zieschank, eine der damaligen
Therapeuten von Herbert Müller, führt
diesen Erfolg auf den starken Willen
des Patienten und die große Disziplin
bei der Mentastim-Therapie zurück –
die damals noch Mentamove hieß,
entsprechend der ersten Gerätegeneration, die bei der Behandlung eingesetzt wurde. Die Funktionsweise war
bereits die gleiche wie jetzt bei
Mentastim: Das Gerät misst über
angelegte Elektroden die elektrische
Aktivität, die ausgelöst wird, wenn der
Patient sich die gewünschte Bewegung vorstellt. Passend zum Messwert
stimuliert das Gerät dann mit kleinen
Stromstößen ungeschädigte Muskelfasern, sodass das Gehirn wieder lernt,
betroffene Körperteile anzusteuern.
Wenn die Bewegung dadurch wieder
in Gang kommt, können Physiotherapeuten mit gezielten Übungen darauf
aufbauen.
Herbert Müller hat auch im Anschluss
an die Reha zu Hause noch mit dem
Technik-Wunder trainiert, etwa ein
Vierteljahr lang. Danach konnte er mit
der linken Hand schon wieder kleine
Stäbchen in Steckplatten platzieren.
Den Umgang mit Mentastim unter
fachkundiger Anleitung zu erlernen,
ist laut Therapeutin Zieschank für
Menschen ohne kognitive Störungen
kein Problem. Allenfalls einer von
hundert schafft es nicht, vielen gelingt
es bereits nach ein, zwei Therapiesitzungen. Das sei altersunabhängig.
Allerdings falle es Menschen leichter,
die schon immer geistig rege waren –
wie Herbert Müller.
Gleich nach dem Krieg hat er den
Betrieb des Vaters übernommen: eine
Werkstatt, in der elektrische Bauteile
für Kraftfahrzeuge repariert wurden.
Herbert Müller hatte sich bei Bosch
in Stuttgart zum Kfz-Elektriker
ausbilden lassen, später selbst Hunderte von Lehrlingen ausgebildet.
Doch neben all der Arbeit gab es auch
noch große Hobbys: Oldtimer restaurieren, Flugzeugmodelle bauen –
und irgendwann auch richtige
Kleinflugzeuge. Eines davon steht
heute im Deutschen Museum in
Oberschleißheim. Mit einer selbstgebauten Falco hat er des Öfteren
Berlin Tempelhof angeflogen, aber
auch Sardinien, Elba und Korsika.
Seine Frau flog mit. Sie sagt: „Er war
ein Genie.“ Und der Enkel staunt,
was er heute noch alles weiß.
Sieglinde Hankele
27
Auch für ältere
Menschen gilt: Bewege dich!
Wissenschaftlich fundiertes Training für Rollator-Nutzer
Mephistos Rat an Faust, der sich
Verjüngung wünschte, war bekanntermaßen: „Begib dich gleich hinaus
aufs Feld, fang an zu hacken und zu
graben!“ Professor Dr. Martin Halle,
Ordinarius und ärztlicher Direktor
des Lehrstuhls für präventive und
rehabilitative Sportmedizin an der
Medizinischen Universitätsklinik in
München, hatte dieses Zitat in seine
Festrede zu 30 Jahren KWA Stift am
Parksee eingebaut und leidenschaftlich dafür plädiert, es auch im hohen
Alter mit Goethe zu halten, sich also
möglichst viel zu bewegen.
Dieses Plädoyer fiel bei Stiftsdirektorin Gabriele Franke-Lechner auf
fruchtbaren Boden: Insbesondere für
Bewohner mit bereits eingeschränkter Bewegungsfähigkeit wünschte sie
sich Übungen. Denn: Viele ältere
Menschen haben den Wunsch,
möglichst lange selbstständig und
unabhängig zu leben. Aufgrund von
Sturzangst, Orientierungsproblemen
oder fehlender Motivation reduzieren Menschen mit zunehmendem
Alter jedoch oftmals körperliche
Aktivitäten, was langfristig zu Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit und einer verminderten Lebens-
28
alternovum | 1/2015
qualität führt. Und so kam ein
Projekt der Technischen Universität
München zur rechten Zeit. Die
Forschungsabteilung der sportmedizinischen Fakultät der TU untersucht,
inwieweit durch gezieltes Kraft- und
Gleichgewichtstraining die Mobilität
und Gehfähigkeit verbessert und das
Sturzrisiko reduziert werden kann.
Im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
geförderten Forschungsprojekts hat
Diplom-Sportwissenschaftlerin
Barbara Geilhof von der TU München im KWA Stift am Parksee in
Unterhaching von August bis November 2014 ein Trainingsprogramm
mit Gleichgewichts- und Kräftigungsübungen für Rollator-Nutzer angeboten. Die Teilnehmer trafen sich zwölf
Wochen lang einmal pro Woche in
drei Kleingruppen mit jeweils bis zu
acht Teilnehmern. Jede Stunde
begann mit einer kurzen Aufwärmphase, beispielsweise mit Laufen auf
der Stelle oder mit Armkreisen, um
den Kreislauf in Schwung zu bringen.
Im Anschluss wurde ein Gleichgewichtstraining durchgeführt. Dabei
sollten die Teilnehmer beispielsweise
versuchen, auf einem Bein zu stehen
und das Gleichgewicht zu halten.
Wie man einem Rollator eine ganz
persönliche Note verleihen kann – und
damit hoffentlich noch mehr Freude an
der Nutzung hat –, zeigt und beschreibt
die Künstlerin Sabine BoczkowskiSigges auf www.alternovum.de.
Abgeschlossen wurden die Stunden
mit Lockerungs- und Dehnübungen.
Die Übungen waren so konzipiert,
dass sie von allen Teilnehmern problemlos ausgeführt werden konnten.
Schon nach wenigen Trainingseinheiten war eine Verbesserung der
Gleichgewichtsfähigkeit der Teilnehmer erkennbar. Zu Beginn des Trainingsprogramms sowie nach Abschluss der zwölf Trainingseinheiten
wurde ein kurzer Test durchgeführt,
um die Trainingseffekte zu evaluieren.
Die Ergebnisse werden zum einen
den Teilnehmern ausgehändigt, zum
anderen in die Studie einfließen. Ein
Hauptbestandteil des speziell konzipierten Trainings sind einfach durchführbare Kräftigungsübungen. Sie
tragen dazu bei, die körperliche
Leistungsfähigkeit zu steigern und somit
auch die Lebensqualität zu erhöhen.
Doch auch der Spaß an der Bewegung
war ein wesentliches Element.
Barbara Geilhof
Foto: Sieglinde Hankele
Reisen.
Hauptfoto: Anton Krämer,
Kleines Foto: Gundi Edhofer-Simon
Novum.
Reiseglück …
… mit Margret Rosenmüller.
Dass nur junge Leute Lust am Reisen verspüren, widerlegt eine Studie. Viele Senioren nutzen die Freiheiten des
Alters für die Erfüllung von Reisewünschen. Fast zwei
von fünf über 75-Jährigen buchten 2013 wenigstens eine
Reise. Doch was ist Senioren beim Reisen eigentlich
wichtig? Im Rahmen einer Umfrage der „Stiftung für
Zukunftsfragen“ sollten repräsentativ ausgewählte Personen zehn vorgegebene Faktoren bewerten, die für sie
zum „Reiseglück“ beitragen. Die drei Spitzenplätze
belegten schöne Natur, ein gesundes Klima sowie Ruhe
und Erholung.
Margret Rosenmüller, seit 17 Jahren Reiseleiterin und
Organisatorin von KWA Reisen, kann dies mit einer
kleinen Einschränkung bestätigen: „Bei Seniorenreisen
sind Ruhe und Erholung sicherlich nicht so wichtig wie
bei Berufstätigen. Das haben ältere Menschen in der
Regel ja zu Hause. Die Senioren, die mit mir reisen,
wünschen sich vor allem Abwechslung vom Alltag, einen
gewissen Komfort und ganz viel Kultur.“ Im KWA Reiseprogramm erfüllen beispielsweise die Flusskreuzfahrten
diese Wünsche. Im Jahr 2015 geht es auf der Donau
unter anderem nach Wien, Bratislava und Budapest.
Bei Seniorenreisen spielt gute Organisation eine große
Rolle. Margret Rosenmüller bereitet sich intensiv auf jede
Reise vor und besucht meist vorab die Reiseziele. Dort
überprüft sie, ob die Hotels sich für Senioren eignen, ob
zum Beispiel ein Aufzug vorhanden ist und die Zimmer
ruhig gelegen sind. Zudem schaut sie sich die Sehenswürdigkeiten und deren Lage an, um für alle Eventualitäten
gerüstet zu sein. Wichtig ist jedoch vor allem, dass die
Interessenten vorab genau erfahren, was sie auf der Reise
erwartet und welche Kondition erforderlich ist. So lassen
sich Enttäuschungen und Überforderungen von vorneherein vermeiden. Bei mehrtägigen Urlaubsreisen gibt es
ein vielseitiges Ausflugsprogramm, darunter Rundfahrten
mit dem Bus oder Wanderungen, zum Beispiel an der
Ostsee. Ab und zu klinkt sich auch mal ein Teilnehmer
aus und trifft Freunde oder besucht ein Museum, das
nicht auf dem Programm steht. So kommen alle auf ihre
Kosten, insbesondere Kultur- und Naturliebhaber.
Monika Döbl
29
KWA Georg-Brauchle-Haus
Liebe zum Beruf,
Verständnis und Empathie
Von links: Bahira
Memić (24) und
Meliha Džinić (23),
beide im 1. Lehrjahr,
Mersad Nocajevic
(24), im 3. Lehrjahr
Auszubildende beschreiben Aufgaben und Motivation
für die Altenpflege
Im KWA Georg-Brauchle-Haus
lassen sich derzeit fünf Mitarbeiter
zu Altenpflegern ausbilden: Meliha Džinić, Bahira Memić, Mersad
Nocajevic und Tovilović Radiša im
stationären Bereich, Manja Kabutz im
ambulanten Bereich. Obwohl Meliha
Džinić und Bahira Memić erst ein
halbes Jahr in München leben, sprechen sie gut Deutsch: Beide haben
vorher in ihrer bosnischen Heimat
Germanistik studiert. Manja Kabutz
hat vor der Ausbildung bereits als
Pflegehelferin im Georg-BrauchleHaus gearbeitet. Mersad Nocajevic
war in seiner Heimat Krankenpfleger.
Ihm ist das Haus im Internet positiv
aufgefallen.
Der Arbeitstag für die Auszubildenden
beginnt um 6.15 Uhr. Die Nachtschwester übergibt Informationen
zur pflegerischen Versorgung in der
vergangenen Nacht. Dann bekommen
die Azubis ihre Tourenpläne, sodass
jeder weiß, welche Bewohner zu
versorgen sind. Zu den Aufgaben der
Auszubildenden gehören grundpflegerische Maßnahmen wie duschen
30
alternovum | 1/2015
3/2014
oder baden, ankleiden, Essen anreichen, Pflegewagen vorbereiten, das
Dokumentieren erbrachter Leistungen
sowie die biografiegestützte Arbeit in
der Tagespflege. Nach der Übergabe
aktueller Informationen an die Kollegen der zweiten Schicht endet der
Arbeitstag der Auszubildenden um
14.30 Uhr. Zwischen den praktischen
Ausbildungsblöcken im KWA GeorgBrauchle-Haus besuchen die Schüler
ihre jeweilige Berufsschule, in der sie
sich theoretisches Wissen nach dem
neuesten pflegewissenschaftlichen
Stand aneignen.
Was gefällt den Auszubildenden an
ihrer Arbeit am meisten? Mersad
Nocajevic mag die Nähe zu den
Menschen und dass er Bewohnern
helfen kann, wenn sie Unterstützung
brauchen. Meliha Džinić ist glücklich,
wenn Bewohner sich bedanken oder
lächeln und zufrieden sind. Bahira
Memić gefällt die Arbeit insbesondere dann, wenn sie mit einer Fachkraft
mitgehen und sie bei schwierigen
Aufgaben unterstützen kann. Sie sagt:
„In der Praxis kann man mehr lernen
als in der Theorie.“ Manja Kabutz
schätzt an der Arbeit in der ambulanten Pflege, wenn sie ein wenig
Zeit hat, mit Bewohnern zu reden
und dabei einiges über die Biografie
ihrer Bewohner erfährt.
Alle Auszubildenden denken bereits
an Weiterbildung: Wundmanagement
und Palliativpflege werden genannt.
Für Mersad Nocajevic rückt der
Abschluss bereits in greifbare Nähe.
Dass er bald in der Nachtschicht
mitarbeiten darf, gefällt ihm: Der
24-Jährige ist bereit, Verantwortung
zu tragen.
Welche Eigenschaften sollten Menschen mitbringen, wenn sie eine
Ausbildung in der Altenpflege beginnen? „Liebe zum Beruf und großes
Interesse“, sagt Mersad Nocajevic,
„Zuverlässigkeit, Freundlichkeit und
Mut“, sagt Meliha Džinić, „Ausdauer,
guten Umgang mit alten Menschen,
Verständnis und den Willen zu lernen“, sagt Bahira Memić. Und Manja
Kabutz? „Geduld, Aufmerksamkeit,
Verständnis und Empathie.“
Sarah Ehrenstein
Weiterbildung.
Fotos: Anton Krämer
Foto: Sieglinde Hankele
Ausbildung.
Umgang mit
Demenz
ist erlernbar
Die KWA Akademie bietet passende
Seminare
„So eine Fortbildung sollte jeder machen, der mit dementen Bewohnern arbeitet. Ich kann dieses Seminar
ohne Einschränkung weiterempfehlen.“ „Danke, dass Sie
mir die Teilnahme an dem Seminar ermöglicht haben.“
„Danke für das tolle Seminar. Es wird im Alltag viele
Situationen erleichtern, wenn man gewillt ist, auch an
sich selbst zu arbeiten.“ Diese Rückmeldungen liefen
über Feedbackbögen nach Demenz-Seminaren der
KWA Akademie ein.
Das Programm der KWA Akademie deckt ein weites
Spektrum an Fachseminaren ab. Themen rund um
Demenz lösen jedoch eine besonders große Resonanz
aus. Weshalb das so ist, lässt sich am Beispiel Validation
gut nachvollziehen. Validation ist eine Kommunikationsund Umgangsform, die Menschen mit Demenz dort
abholt, wo sie sind, und nicht versucht, sie mit aller
Macht auf die Realitätsebene zurückzuführen. Ein wesentliches Ziel der Validation ist, nicht ständig korrigierend einzugreifen, sondern dem Betroffenen im Alltag
seine Freiheiten und Möglichkeiten zu lassen, auch wenn
diese nicht unseren Normen entsprechen. „Auch im
Winter kann man Beeren pflücken“ – wenn ein Mensch
sich in Gedanken gerade im Sommer bewegt. Menschen
mit Demenz ziehen sich mit fortschreitender Erkrankung
in ihre Innenwelten zurück, die sich wie Filmrollen
abspielen, für die Betroffenen jedoch real sind. Sie
tauchen dabei in vergangene Zeiten ab und verhalten
sich so, wie sie es damals getan haben: als 35-jährige
Mutter, als naturverbundene Gärtnerin oder als 40-jähriger
Schreiner. Welten aus der Vergangenheit werden in die
Gegenwart transportiert, was naturgemäß – insbesondere
für uns Außenstehende – zu Verwirrtheit führt. Sich auf
die Innenwelt von Menschen mit Demenz einzulassen
und auf dieser Ebene mit ihnen zu kommunizieren, ist
jedoch durchaus erlernbar.
Der Ansatz ist grundsätzlich einfach und bei allen demenziell erkrankten Menschen anwendbar, unabhängig
vom Schweregrad der Erkrankung. Es geht darum, die
Antriebe und Gefühle demenzkranker Menschen wahrzunehmen und ihnen mit einer wertschätzenden, empathischen Grundhaltung zu begegnen. Nach einem
zweitägigen Grundkurs sind die Teilnehmer schon relativ
sicher im Umgang mit demenzkranken Menschen. Wenn
auch Mitarbeiter der Rezeption, der Cafeteria und der
Hauswirtschaft geschult sind, führt das zu einfühlsamem
Handeln in der gesamten Einrichtung und somit zu
einem Wohlgefühl bei den Mitarbeitern und bei den an
Demenz erkrankten Menschen.
Angelika Pohl
AKADEMIE
KWA Akademie
Fachseminare
Jahresprogramm 2015
Aktueller Stand vom 20.01.2015
31
Sternstunden.
Göttliche Musik …
… und gute Unterhaltung.
Bild 1 Maria Reiter am Akkordeon und Heinrich Klug
am Cello, im KWA Stift am Parksee
Bild 2 Blütenringquartett, im KWA Stift Brunneck
Bild 3 Zimbalen-Ensemble aus Minsk, im
KWA Stift Rupertihof
Bild 4 Schülerin des Edith-Stein-Gymnasiums, im
KWA Georg-Brauchle-Haus
Bild 5 Erstes Münchner Salonorchester, im
KWA Georg-Brauchle-Haus
Bild 6 Chorisma, im KWA Luise-Kiesselbach-Haus
Bild 7 Gospelchor Unterhaching, im
KWA Hanns-Seidel-Haus
1
KWA Vorstand Horst Schmieder, KWA Aufsichtsrat
Wolf-Dieter Krause, MdL Kerstin Schreyer-Stäblein,
KWA Vorstand Dr. Stefan Arend, beim Neujahrsempfang
in der KWA Hauptverwaltung in Unterhaching
1
2
3
4
5
6
5
6
4
Stephan Zinner beim KWA Neujahrsempfang 2015
5
32
alternovum | 1/2015
6
7
3
33
Unsere Standorte.
Foto: Stockbild
Foto: Werner Krüper
KWA Club.
01
Betreutes Wohnen zu Hause –
neues Angebot von KWA Club
KWA Hanns-Seidel-Haus
So lange wie möglich zu Hause in
vertrauter Umgebung leben und im
Bedarfsfall die Hilfe zu bekommen,
die einem weiterhin ein selbstbestimmtes Leben in der vertrauten
Umgebung ermöglicht, das ist erklärter Wunsch vieler Senioren. Aus
diesem Grund wurde vor gut zehn
Jahren KWA Club ins Leben gerufen.
Mitglieder von KWA Club können
Angebote der KWA Stifte nutzen,
ohne dort zu leben: beispielsweise
an Veranstaltungen oder Reisen teilnehmen. Oder Service und Betreuung für zu Hause buchen.
Schon seit geraumer Zeit hat
KWA Club für die Region München
seinen Sitz im KWA Hanns-SeidelHaus in Ottobrunn. Alle Speisen,
die der KWA Menüservice im Raum
München liefert, werden in der
Küche des Hanns-Seidel-Hauses
zubereitet. Auch der ambulante
KWA Pflegedienst für zu Hause wird
hier organisiert. Seit Jahresbeginn
sind weitere Club-Dienstleistungen
im KWA Hanns-Seidel-Haus angesiedelt. Unter dem Namen „Betreutes Wohnen zu Hause“ können
Interessenten nun alle Leistungen
34
alternovum | 1/2015
02
03
EHR
JETZT M unter:
4
ERFAHREN
802-94
0
6
9
8
0
04
bekommen, die KWA Club im Raum
München im häuslichen Umfeld erbringt: vom Hausnotruf über Hilfe im
Haushalt, Menüservice, pflegerische
Unterstützung, Begleitung zum Arzt
oder die Entlastung Angehöriger bei
der Betreuung Demenzkranker.
„Oft wissen Senioren und deren
Angehörige gar nicht, an wen sie
sich bei Hilfebedarf mit ihren Fragen
wenden können“, erklärt die Stiftsdirektorin des Hanns-Seidel-Hauses
Ursula Cieslar. „Über das neue Angebot kann KWA Club nun Dienstleistungen für zu Hause bündeln und
sowohl die Beratung als auch die
Koordination aus einer Hand bieten.
Durch die Nähe zu den anderen
KWA Wohn- und Pflegstiften der
Region können wir überdies auch bei
Kurzzeit- oder Verhinderungspflege
oder beim Einzug in eines der Stifte
auf die Kapazitäten und Möglichkeiten von insgesamt fünf Häusern
zugreifen: zwei in Ottobrunn, zwei
in München, eines in Unterhaching.“
Betreutes Wohnen zu Hause, so
die Grundidee, fängt schon bei der
Erstberatung an. Alle Clubmitglieder
und Interessenten im Raum Mün-
chen können sich mit ihren Fragen
und Wünschen zur häuslichen
Betreuung und Pflege an die Leiterin
des Bereichs „Betreutes Wohnen zu
Hause“ wenden – Andrea Haas. Im
ersten Beratungsgespräch werden der
individuelle Unterstützungsbedarf
und Dienstleistungswünsche ermittelt. Anschließend wird gemeinsam
besprochen, welche Betreuungsarrangements möglich sind. KWA Club
vernetzt sich dabei auch mit lokalen
Anbietern wie Seniorenberatungsstellen und ehrenamtlichen Helfern.
KWA Stift Ort
Telefon
Das zum 1. Januar 2015 in Kraft getretene Pflegestärkungsgesetz bringt
bei Pflegeeinstufung einige wichtige
Neuerungen im ambulanten Bereich.
Bis zu einem gewissen monatlichen
Höchstbetrag werden Leistungen von
KWA Club als zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen
von der Pflegeversicherung erstattet. Werden die Leistungen nicht in
Anspruch genommen, verfällt der
Betrag. Eine Auszahlung wie beim
Pflegegeld ist nicht möglich. Betreutes Wohnen zu Hause von
KWA Club hat somit viele interessante
Facetten.
Andrea Haas
01 KWA Stift im Hohenzollernpark
02 Caroline Oetker Stift
03 KWA Stift Urbana im Stadtgarten
04 KWA Parkstift Aeskulap
05 KWA Albstift Aalen
06 KWA Parkstift Hahnhof
07 KWA Kurstift Bad Dürrheim
08 KWA Parkstift Rosenau
09 KWA Parkstift St. Ulrich
10 KWA Georg-Brauchle-Haus
11 KWA Luise-Kiesselbach-Haus
12 KWA Stift am Parksee
13 KWA Hanns-Seidel-Haus
14 KWA Stift Brunneck
15 KWA Stift Rupertihof
16 KWA Stift Rottal
17 KWA Klinik Stift Rottal
18 KWA Bildungszentrum
19 KWA Hauptverwaltung
Berlin
Bielefeld
Bottrop
Bad Nauheim
Aalen
Baden-Baden
Bad Dürrheim
Konstanz
Bad Krozingen
München
München
Unterhaching
Ottobrunn
Ottobrunn
Rottach-Egern
Bad Griesbach
Bad Griesbach
Pfarrkirchen
Unterhaching
030 89734-001 [email protected]
0521 5829-0
[email protected]
02041 696-900 [email protected]
06032 [email protected]
07361 935-0 [email protected]
07221 [email protected]
07726 [email protected]
07531 [email protected]
07633 [email protected]
089 6793-0
[email protected]
089 [email protected]
089 6105-0
[email protected]
089 60802-0
[email protected]
089 60014-0
[email protected]
08022 [email protected]
08532 87-0
[email protected]
08532 87-0
[email protected]
08561 9838-26
[email protected]
089 66558-500
[email protected]
05
06
16
18
17
07
12
09
10
19
08
11
13
14
15
E-Mail
Die nächste Ausgabe von
alternovum. Das KWA Journal
erscheint am 31. Juli 2015.
„So vielseitig wie das Leben.“
Wähle
Zwei Gründe für Ihren Urlaub bei
KWA: Lebensfreude und Sicherheit!
us
n Sie a
14
n KWA
e
v
i
t
k
a
r
att
tiften.
Wohns
•Urlaubs-
und Erholungsangebote für Paare und Alleinstehende.
•Umfangreicher Service und vielfältige Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung.
•Komfortable Gästeappartements für Urlaub, Probewohnen oder Nachsorge.
•Bei Bedarf auch Betreuungs- und Pflegeleistungen.
•Mitten in beliebten Urlaubsregionen.
Informieren Sie sich unter Telefon 0800 592 4636. Wir freuen uns auf Sie!
KWA Kuratorium Wohnen im Alter, Biberger Straße 50, 82008 Unterhaching
www.kwa.de
KURATORIUM WOHNEN IM ALTER