Schraubenverbindungen

Schraubenverbindungen
Konstruktionslehre
Studiengang Mechatronik
2. Semester
Prof. Dr.-Ing. M. Reichle
Inhaltsverzeichnis
-I-
Inhaltsverzeichnis
1 Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen .......... 1
1.1 Einsatzmöglichkeiten für Schrauben..................................................... 3
1.2 Die Schraubenlinie .............................................................................. 3
1.3 Gewindearten ...................................................................................... 6
1.4 Kraftübersetzung und Wirkungsgrad..................................................... 8
1.4.1 Kräfte am Gewinde.................................................................... 8
1.4.2 Umsetzung von Drehmoment in Längskraft .............................. 10
1.4.3 Umsetzung von Längskraft in Drehmoment .............................. 11
1.4.4 Wirkungsgrad.......................................................................... 11
1.5 Anziehdrehmoment............................................................................ 12
1.6 Querbeanspruchte Schraubenverbindungen ....................................... 13
1.6.1 Querbeanspruchte, reibschlüssige Schraubenverbindungen ..... 13
1.6.2 Querbeanspruchte, formschlüssige Schraubenverbindungen .... 14
1.7 Bewegungsgewinde ........................................................................... 16
1.7.1 Schraubgetriebe...................................................................... 16
1.7.2 Kräfte, Reibung, Wirkungsgrad, Selbsthemmung ...................... 18
1.7.3 Berechnung der Haltbarkeit und der Stabilität .......................... 22
1.8 Kraft
und
Verformungsverhältnisse
vorgespannter
Schraubenverbindungen .................................................................... 24
1.8.1 Das Verspannungsschaubild ................................................... 24
1.8.2 Kräfte bei statischer Betriebskraft als Längskraft...................... 28
1.8.3 Einfluss der Krafteinleitung ...................................................... 29
1.8.4 Bestimmung der Vorspannkraft ................................................ 30
1.8.4.1 Setzen der Schraubenverbindung
30
1.8.4.2 Anziehfaktor und Montagevorspannkraft
31
1.8.5 Schraubenverbindung unter dynamische Belastung.................. 33
2 Berechnung der Schraubenverbindung .................................................. 37
2.1 Längsbelastete Schraube ohne Vorspannung ..................................... 37
Inhaltsverzeichnis
- II -
2.2 Schraube ohne Vorspannung unter Last F R drehend angezogen ......... 38
2.3 Schraube mit F V vorgespannt und mit F B längsbelastet....................... 39
2.4 Dauerhaltbarkeit der Schraube .......................................................... 39
2.5 Anhaltswerte für die Festigkeit........................................................... 40
2.6 Abschätzen eines Schraubendurchmessers ....................................... 41
3 Schwachstellen und Gefahren ................................................................ 43
3.1 Gefährdung durch Dauerbruch........................................................... 43
3.2 Kraftübertragung zwischen Mutter und Schraube ............................... 43
3.3 Gefährdung durch zusätzliche Beanspruchung ................................... 45
3.4 Gefährdung durch mangelhafte Vorspannung..................................... 48
3.5 Gestaltung von Schraubenverbindungen ............................................ 48
4 Schraubensicherungen........................................................................... 51
Literatur ....................................................................................................... 53
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
-1-
1 Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
Die Schraube ist das am häufigsten eingesetzte Maschinenelement. Die
Schraubenverbindung kann fest oder beweglich ausgeführt werden.
Bild 1.1:
Übersicht über genormte Schrauben
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
Bild 1.2:
Übersicht über genormte Muttern
-2-
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
-3-
1.1 Einsatzmöglichkeiten für Schrauben
1.
Befestigungselemente:
für lösbare Verbindungen
2.
Kraftübersetzung:
kleine Umfangskräfte ergeben große
Längskräfte Beispiel: Schraubstock,
Spindelpresse, Spannschloss
3.
Wegübersetzung:
große Umfangswege (Drehwege) ergeben
kleine Längswege.
Beispiel: Stellschraube (Spielnachstellung), Messschraube (Mikrometer).
4.
Antriebselement:
Drehbewegung wird in Längsbewegung
umgesetzt oder umgekehrt. Auch eine
Umsetzung Drehbewegung in Drehbewegung ist möglich.
Beispiel: Leitspindel an der Drehbank,
Wagenheber, Schneckengetriebe.
5.
Verschluss- und Dichtelement:
Beispiel: Ölablassschraube, Rohrverschraubung
1.2
Die Schraubenlinie
Die Schraubenlinie entsteht durch Aufwickeln eines Keiles (schiefe Ebene) auf
einem Zylindermantel (Bild 1.3).
Der Abstand zweier benachbarter Windungen der gleichen Schraubenlinie, gemessen auf einer Zylindermantellinie, wird als Steigung oder Ganghöhe P h bezeichnet.
Den Winkel, der zwischen der X-Achse und der Geraden aus der Schraubenlinie
entsteht (A-B), nennt man Steigungswinkel ϕ (Bild 1.4).
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
Bild 1.3:
Entstehung der Schraubenlinie
Bild 1.4:
Steigungswinkel
-4-
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
-5-
Steigungswinkel ϕ 1 am Außendurchmesser d:
tan ϕ1 =
P
d⋅ π
( 1.1 )
Steigungswinkel ϕ 2 am Flankendurchmesser d 2 :
tan ϕ 2 =
P
d2 ⋅ π
( 1.2 )
Steigungswinkel ϕ 3 am Flankendurchmesser d 3 :
tan ϕ3 =
P
d3 ⋅ π
( 1.3 )
Der Abstand der einzelnen Gänge bei i Gängen, gemessen auf einer Zylindermantellinie, wird Teilung p genannt.
P=
Bild 1.5:
Ph
i
( 1.4 )
Gangzahl bei Gewinden
Beispiel: Tr 32 x 12 P6
Tr 32 →d = 32 mm Trapezgewinde
P6
→P =
6 mm Teilung
12
→P h = 12 mm Steigung
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
-6-
1.3 Gewindearten
Ein Gewinde lässt sich prinzipiell mit jedem beliebigen Gewinde erzeugen. Aus
fertigungs- und verwendungstechnischen Gründen werden fast ausschließlich
die in Bild 1.6 dargestellten Gewindeprofilen verwendet.
Bild 1.6:
Gebräuchliche Gewindeprofile
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
-7-
Allgemein:
-
Die scharfen Kanten der Gewinde werden abgestumpft, beim WitworthRohrgewinde abgerundet.
-
Die einspringenden Kanten werden ausgerundet
-
Ein Gewinde zentriert nicht, es kann lediglich gewisse Führungsaufgaben
übernehmen.
-
Ein Gewinde braucht in der Regel Spiel. Spielarme oder fast spielfreie
Gewinde erfordern erhöhten Fertigungsaufwand.
Als Befestigungsgewinde wird meist das metrische ISO-Gewinde nach DIN 13
eingesetzt (Bild 1.7).
Bild 1.7:
Metrisches ISO-Gewinde nach DIN 13
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
-8-
1.4 Kraftübersetzung und Wirkungsgrad
1.4.1 Kräfte am Gewinde
Die Berechnung erfolgt für den mittleren Durchmesser d 2 am Flachgewinde.
1. Ohne Bewegung, ohne Reibung
Bild 1.8:
Kräfte im Stillstand ohne Reibung
F, F U und F N müssen im Gleichgewicht sein. Dann gilt
Fu = F ⋅ tan ϕ
2. Mit Bewegung, mit Reibung, Last heben
Bild 1.9:
Kräfte für den Fall Last heben
( 1.5 )
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
-9-
Wegen der Reibungskräfte vergrößert sich die Umfangskraft.
Dabei gilt:
tan ρ =
FR FN ⋅ μ G
=
= μG
FN
FN
( 1.6 )
Der Winkel ρ wird auch Gewindereibungswinkel genannt.
Für die Umfangskraft beim Heben der Last ergibt sich dann:
FU = F ⋅ tan( ϕ + ρ)
( 1.7 )
3. Mit Bewegung, mit Reibung, Last senken
Bei Last senken reduziert sich die Umfangskraft, da die Reibungskraft das Halten der Last quasi unterstützt.
Bild 1.10:
Kräfte für den Fall Last senken
Für die Umfangskraft bei Last senken ergibt sich dann:
FU = F ⋅ tan( ϕ − ρ)
( 1.8 )
Für den Fall, dass der Reibungswinkel ρ größer als der Steigungswinkel φ wird,
tritt Selbsthemmung ein.
Die bisherige Betrachtung gilt für Flachgewinde mit einem Flankenwinkel von
α = 0°. Bei Gewinden mit α ≠ 0° erhöht sich die Normalkraft (siehe Bild 1.11)
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
Bild 1.11:
- 10 -
Kräfte im Gewinde mit Flankenwinkel α.
Dann ergibt sich die Normalkraft:
FN =
F
cos
α
2
( 1.9 )
Für die weitere Berechnung wird mit dem modifizierten Reibwert gerechnet:
μ 'G =
μG
α
cos
2
( 1.10 )
Dann gilt für den Gewindereibungswinkel
tan ρ' = μ'G
Beispiel:
oder ρ' = arctan μ 'G
( 1.11 )
µ = 0,1; β = 60°
µ’ = 0,1/cos(60°/2) = 0,11547 → ρ’ = arctan0,11547 = 6,587°
1.4.2 Umsetzung von Drehmoment in Längskraft
Erforderliches Drehmoment ohne Reibung:
MG = FU ⋅
d2
d
= FVM ⋅ 2 ⋅ tan ϕ
2
2
F VM
=
Montagevorspannkraft
FU
=
Umfangskraft
φ
=
Steigungswinkel
d2
=
Flankendurchmesser
( 1.12 )
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
- 11 -
Erforderliches Drehmoment mit Reibung:
MG = FU ⋅
(
d2
d
= FVM ⋅ 2 ⋅ tan ϕ + ρ'
2
2
)
( 1.13 )
1.4.3 Umsetzung von Längskraft in Drehmoment
Eine Umsetzung von Längskraft in Drehmoment ist nur bei Bewegungsgewinden
sinnvoll, d. h. Gewinde ohne Selbsthemmung.
Ohne Reibung erzielbares Drehmoment:
MG = FU ⋅
d2
d
= FVM ⋅ 2 ⋅ tan ϕ
2
2
( 1.14 )
Mit Reibung erzielbares Drehmoment:
MG = FU ⋅
(
d2
d
= FVM ⋅ 2 ⋅ tan ϕ − ρ'
2
2
)
( 1.15 )
1.4.4 Wirkungsgrad
Bei Bewegungsgewinde müssen die Verluste durch Reibung mit berücksichtigt
werden.
Der Wirkungsgrad ist definiert:
η=
Nutzen
Nutzleistung
=
Aufwand aufgewende te Leistung
( 1.16 )
oder:
η=
Nutzen
Nutzarbeit
Nutzmoment
==
=
Aufwand
aufgewende te Arbeit aufgewende tesMoment
( 1.17 )
Wirkungsgrad bei der Umsetzung von Drehmoment in Längskraft:
η=
MG
tan ϕ
=
'
MG tan ϕ + ρ'
(
)
( 1.18 )
Wirkungsgrad bei der Umsetzung von Längskraft in Drehmoment:
η=
(
MG tan ϕ − ρ'
=
M'G
tan ϕ
)
( 1.19 )
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
- 12 -
Der Wirkungsgrad nimmt mit wachsendem Steigungswinkel ϕ zu und erreicht ein
Maximum bei ϕ = 45° - ρ‘/2.
Bild 1.12:
Einfluss von η und α auf die Selbsthemmung
Selbsthemmung liegt dann vor, wenn ϕ ≤ ρ‘ ist. Damit wird η ≤ 0,5 und η‘ ≤ 0,5
d. h. eine Längskraft kann keine Umfangskraft mehr erzeugen.
1.5 Anziehdrehmoment
Ziel des Anziehens ist es, eine bestimmte Längskraft (Vorspannkraft) in der
Schraube zu erzeugen.
Beim Anziehen einer Schraube ist nicht nur das im Gewinde entstehende Moment aufzubringen, sondern es muss auch das Reibmoment an der Auflage des
Schraubenkopfes bzw. der Schraubenmutter überwunden werden (Bild 1.13).
Bild 1.13:
Kräfte an der Kopfauflage
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
- 13 -
Gewindemoment:
MG = FU ⋅
(
)
d2
d
= FVM ⋅ tan ϕ + ρ' ⋅ 2
2
2
( 1.20 )
Kopfreibmoment:
MRA = FVM ⋅
dK
⋅ μk
2
( 1.21 )
d K = mittlerer Reibdurchmesser des Schraubenkopfes
dK =
dw + dh
2
( 1.22 )
dW
=
Kopfdurchmesser bzw. Schlüsselweite
dh
=
Bohrungsdurchmesser
Moment beim anziehen:
M A = M G + M RA
MA =
( 1.23 )
[
(
)
[
(
)
1
⋅ FVM ⋅ d2 ⋅ tan ϕ2 + ρ' + dKm ⋅ μK
2
]
( 1.24 )
Moment beim lösen:
ML =
1
⋅ FVM ⋅ d2 ⋅ tan ρ' − ϕ2 + dKm ⋅ μK
2
]
( 1.25 )
1.6 Querbeanspruchte Schraubenverbindungen
Bei den querbeanspruchten Schraubenverbindungen wird zwischen reib- und
formschlüssigen Schraubenverbindungen unterschieden.
1.6.1 Querbeanspruchte, reibschlüssige Schraubenverbindungen
Werden zwei Platten oder Kupplungshälften mit Durchsteckschrauben verbunden, geschieht die Kraftübertragung reibschlüssig (Bild 1.14).
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
Bild 1.14:
- 14 -
Querbeanspruchte, reibschlüssige Schraubenverbindung: a) allgemeiner Fall, b) Drehmomentübertragung
Erforderliche Klemmkraft:
FKl =
FQges ⋅ SR
μ ⋅n⋅m
F Gges
=
Gesamtquerkraft
µ
=
Reibungskraft der Bauteile in der Trennfuge
SR
=
Sicherheit gegen Durchrutschen
n
=
Anzahl der Schrauben
m
=
Anzahl der kraftübertragenden Flächen
( 1.26 )
Bei Drehmomentübertragung gilt:
FKl =
2 ⋅ Mt ⋅ SR
D⋅μ ⋅n⋅m
Mt
=
Drehmoment
D
=
Lochkreis
( 1.27 )
1.6.2 Querbeanspruchte, formschlüssige Schraubenverbindungen
Für querbeanspruchte, formschlüssige Schraubenverbindungen werden meist
Passschrauben verwendet, die auf Abscheren beansprucht werden.
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
Bild 1.15:
- 15 -
Querbeanspruchte, formschlüssige Schraubenverbindung:
a) Passschraube, b) Pass- oder Scherhülse und Durchsteckschraube
Abscherspannung:
τa =
FQges
n ⋅ m ⋅ A Schaft
( 1.28 )
F Gges
=
Gesamtquerkraft
n
=
Anzahl der Schrauben
m
=
Anzahl der kraftübertragenden Flächen (Schnitte)
A Schaft =
τ azul
Bild 1.16:
≤ τa,zul
=
Schaftquerschnittsfläche
zulässige Scherspannung (Tabelle 1.1)
Dreischnittige Verbindung: m = 3
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
- 16 -
Lochleibungsdruck (Pressung in der Bohrung der kleinsten Bauteildicke):
σL =
Tabelle 1.1:
F
≤ σL,zul
n ⋅ d ⋅ t min
F
=
Stabkraft
d
=
Schaftdurchmesser
t min
=
kleinste Bauteildicke
σ Lzul
=
zulässiger Leibungsdruck (Tabelle 1.1)
( 1.29 )
Anhaltswerte für zulässige Scherspannung τ azul und zulässiger Leibungsdruck σ Lzul querbeanspruchter Schraubenverbindungen
1.7 Bewegungsgewinde
1.7.1 Schraubgetriebe
Mit Bewegungsgewinde werden meistens Drehbewegungen in Längsbewegungen (oder umgekehrt) gewandelt, wobei häufig gleichzeitig eine Kraftübersetzung (Handkraft in Press- oder Spannkraft) stattfindet. Bild 1.17 gibt in vereinfachter Darstellung einen Überblick der vielfältigen Anwendungs- und Variationsmöglichkeiten von Bewegungsgewinden (Schraubgetrieben).
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
Bild 1.17:
- 17 -
Übersicht über Schraubtriebe: a) Prinzipskizzen von Einfach- und
Zweifachschraubengetriebe, b) Anwendungsbeispiele, c) Kombination von Lenkergetrieben
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
- 18 -
1.7.2 Kräfte, Reibung, Wirkungsgrad, Selbsthemmung
Für Bewegungsgewinde (Spindeln) wird meist Trapezgewinde und zum Teil
auch Flach- oder Sägegewinde (bei einseitig wirkenden Kräften) eingesetzt
(Bild 1.18, Tabelle 1.2).
Bild 1.18:
Bewegungsgewinde: a) Trapezgewinde, b) Flachgewinde, c) Sägegewinde
Tabelle 1.2: Abmessungen des Gewindes in Trapez- und Sägegewindes
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
- 19 -
Schnellere Längsbewegungen sind mit mehrgängigen Gewinden erreichbar
(Bild 1.19).
Bild 1.19:
Verschiedengängige
Gewinde
a)
eingängiges
Trapezgewinde,
b) fünfgängiges Trapezgewinde
Bei langen druckbeanspruchten Spindeln (Schrauben) kann zunächst eine
Durchmesservorauswahl getroffen werden.
Vorauswahl Kerndurchmesser d 3 :
d3 ≈ 1,95 ⋅ 4
FA ⋅ lK2
E
( 1.30 )
FA
=
Betriebslängskraft
lK
=
rechnerische Knicklänge
E
=
Elastizitätsmodul der Spindel: ≈ 210000 N/mm² für
Stahl
Steigung einer mehrgängigen Spindel:
Ph = P ⋅ n
( 1.31 )
Auf die im Bild 1.20 dargestellte Spindel drückt die unter der Betriebskraft F A
stehende Mutter. Die Aufwärtsbewegung unter Last wird als Arbeitshub, die Abwärtsbewegung als Rückhub bezeichnet.
Steigungswinkel α des Gewindes:
tan α =
Ph
d2 ⋅ π
( 1.32 )
Flankenwinkel β N im Normalschnitt:
tan βN = tan β ⋅ cos α
( 1.33 )
Reibwinkel ρ G des Gewindes:
tan ρG =
μG
cos βN
( 1.34 )
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
- 20 -
α
=
Steigungswinkel des Gewindes
Ph
=
Steigung des Gewindes
d2
=
Flankendurchmesser des Gewindes
βN
=
Flankenwinkel im Normalschnitt
β
=
Flankenwinkel im Achsschnitt: Trapezgewinde β = 15°,
Sägegewinde β = 3°
Bild 1.20:
ρG
=
Reibwinkel des Gewindes
µG
=
Reibwert im Gewinde (Anhaltswerte siehe Tabelle 1.3)
Lastheben mit einer Bewegungsschraube: a) Antriebsschema, b)
Spindelgang, c) Kräfte der Mutter am abgewicktelten Spindelgang,
d) Reibung am Stützlager
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
- 21 -
Tabelle 1.3: Anhaltswerte für Reibwerte und zulässige Spannungen für Bewe-
gungsschrauben
Wirkungsgrad beim Arbeitshub:
ηA =
tan α
tan( α + ρG )
( 1.35 )
Wirkungsgrad beim Rückhub:
ηR =
tan( α − ρG )
tan α
( 1.36 )
Selbsthemmung tritt ein wenn ρ G >α und tan(α-ρ G )<0 wird, d. h. η R wird negativ.
Antriebsmoment M A :
MA = MGA + ML = FA ⋅ tan( α + ρG ) ⋅
d2
+ FA ⋅ μL ⋅ RL
2
( 1.37 )
M GA
=
Spindeldrehmoment unter Last
ML
=
Reibmoment
FA
=
Betriebslängskraft
α
=
Steigungswinkel des Gewindes
ρG
=
Reibwinkel des Gewindes
d2
=
Flankendurchmesser des Gewindes
µL
=
Reibwert im Lager (bei Gleitlagerung meist gleich µ G )
Rückdrehmoment M R :
MR = ML − MGR = FA ⋅ μL ⋅ RL − FA ⋅ tan( α − ρG ) ⋅
d2
2
Selbsthemmung liegt vor, wenn M R >0 ist, da sonst M GR antreiben würde.
( 1.38 )
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
- 22 -
Gesamtwirkungsgrad:
η=
Ph
tan( α + ρG ) ⋅ d2 ⋅ π + μL ⋅ DL ⋅ π
( 1.39 )
1.7.3 Berechnung der Haltbarkeit und der Stabilität
Durch die Betriebslängskraft F A wird der Kernquerschnitt auf Zug oder Druck,
durch das Drehmoment auf Torsion, beansprucht.
Zug- oder Druckspannung:
σ=
mit
FA
AK
AK =
d32 ⋅ π
oder mit A s (siehe Bild 1.7)
4
( 1.40 )
( 1.41 )
Torsionsspannung:
τt =
mit
Mt
Wt
Wt =
π ⋅ d33
16
( 1.42 )
( 1.43 )
Vergleichsspannung:
σ V = σ2 + 3 ⋅ τ2t
( 1.44 )
Druckbeanspruchte Spindeln müssen außerdem auf Knicksicherheit nachgerechnet werden (Bild 1.21).
Bild 1.21:
Übliche Knickfälle für Schraubenspindeln
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
- 23 -
Die Knicksicherheit hängt vom Schlankheitsgrad λ der Spindeln ab.
Für Stahlspindeln gilt:
Schlankheitsgrad für Knickfall 1:
λ=
8 ⋅l
d3
( 1.45 )
Schlankheitsgrad für Knickfall 2:
λ=
4 ⋅l
d3
( 1.46 )
Knicksicherheit nach Euler:
bei λ ≥ 90: SK =
π2 ⋅ E
≥ 2,6...6
λ2 ⋅ σ
( 1.47 )
Knicksicherheit nach Tetmajer:
bei λ < 90: SK =
σ0 − λ ⋅ k
≥ 1,7...4
σ
E
=
( 1.48 )
Elastizitätsmodul der Spindel:
≈ 210000 N/mm² für Stahl
σ
=
Druckspannung
σ0
=
ideelle Druckspannung:
≈ 350 N/mm² für E295 und E335
k
=
Knickspannungsrate: ≈ 0,6 N/mm² für E295 und E335
Da die Spindel- und Muttergewindeflanken aufeinander gleiten, nutzen sie sich
ab. Um den Verschleiß gering zu halten, darf die Flankenpressung nicht zu hoch
sein.
Flankenpressung:
p=
FA ⋅ P
≤ p zul
m ⋅ d2 ⋅ π ⋅ H1 ⋅ k
FA
=
Betriebslängskraft
P
=
Teilung des Gewindes
m
=
tragende Mutterhöhe
d2
=
Flankendurchmesser
H1
=
Gewindetragtiefe (siehe Tabelle 1.2)
k
=
Gewindetragfaktor, im Allgemeinen = 0,75
p zul
=
zulässige Pressung (siehe Tabelle 1.3)
( 1.49 )
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
- 24 -
1.8 Kraft und Verformungsverhältnisse vorgespannter Schraubenverbindungen
1.8.1 Das Verspannungsschaubild
Für alle weiteren Herleitungen wird vereinfacht angenommen, dass sich der
Kraftangriff immer unter der Kopfauflage befindet.
Zieht man eine Schraube bis zur Vorspannkraft F V an, so längt sie sich hierbei
um f S , während die von der Schraube zusammengespannten Teile gleichzeitig
um f p zusammengedrückt werden (Bild 1.22).
+
=
Zugfeder Schraube
Druckfeder Platte
Bild 1.22: Entstehung des Verspannungsschaubildes
Man zeichnet nun die Kraft-Dehnungs-Kennlinien für die Schraube (f S ) und die
zusammengedrückten Teile (f P ). Nach dem Eintragen der Vorspannkraft F V in
die beiden Kennlinien werden diese solange verschoben, bis sie im Punkt F V
zusammenfallen.
Federrate der Schraube :
RS =
FV
fs
( 1.50 )
Federrate der Platte:
RP =
FV
fp
( 1.51 )
Für eine mit der Kraft F V auf Zug beanspruchte Feder mit dem Querschnitt A gilt
nach dem Hookeschen Gesetz für die elastische Längenänderung:
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
f = ε ⋅l =
l⋅σ F⋅l
=
E E⋅A
- 25 -
( 1.52 )
Das Verhältnis der Längenänderung f und der Kraft F ist die elastische Nachgiebigkeit δ :
δ=
Bild 1.23:
1 f
l
= =
R F E⋅A
( 1.53 )
Mitfedernde Einzelelemente einer Dehnschraube
Die Nachgiebigkeit der gesamten Schraube (Bild 1.23):
δS = δK + δ1 + δ 2 + δ3 + ... + δG + δM
( 1.54 )
Werden die elastischen Nachgiebigkeiten des Schraubenkopfes δ S und der Mutterverschiebung δ M , sowie des eingeschraubten Gewindeteils δ G durch Ersatzzylinder der Längen 0,4·d bzw. 0,5·d erfasst, so folgt für die elastische Nachgiebigkeit der Schraube (Bild 1.24 und Bild 1.25):
oder
δS =
1 0,4 ⋅ d l1
l
0,5 ⋅ d 0,4 ⋅ d
⋅(
+
+ 2 + ... +
+
)
ES
AN
A1 A 2
A3
AN
δS =
d ⋅ 4 0,5 0,8
4 n li
⋅( 2 + 2 ) +
∑
ES ⋅ π d3
dN
ES ⋅ π i =1 di2
( 1.55 )
ES
=
Elastizitätsmodul des Schraubenwerkstoffes
dN
=
Gewindenenndurchmesser
li
=
Länge des zylindrischen Elements i der Schraube
Ai
=
Querschnitt des zylindrischen Elements i der Schraube
AN
=
Nennquerschnitt des Schraubenschaftes
A3
=
Kernquerschnitt des Gewindes
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
Bild 1.24:
Dehnschraube mit abgesetzten Querschnitten
Bild 1.25:
Anwendungsbeispiele von Dehnschraube
- 26 -
Sind die Abmessungen der verspannten Teile größer als die Kopfauflagenfläche,
ergibt sich eine dreiecksförmige Druckverteilung. Zur Berechnung wird eine Ersatzhülse definiert (Bild 1.26).
Bild 1.26:
Ersatzverformungskörper für elastisch verspannte Bauteile
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
- 27 -
Ersatzfederrate der Platte:
RP =
EP ⋅ A ers
lK
A ers =
(
( 1.56 )
)
[
]
π
π 2
⋅ dw − dh2 + ⋅ dw ⋅ (D A − dw ) ⋅ (X + 1)2 − 1
4
8
X = y lK ⋅
dw
D 2A
( 1.57 )
( 1.58 )
EP
=
E-Modul der Flansche (Platten)
dw
=
Kopfauflagendurchmesser
dh
=
Bohrungsdurchmesser
DA
=
Außendurchmesser der Flansche
lk
=
Klemmlänge
y
=
3 für Durchsteckschrauben, 5 für Sacklochschrauben
dw ≤ DA ≤ dw + lk
( 1.59 )
bei größeren Durchmessern:
DA = dw + lk
( 1.60 )
Damit ergibt sich die elastische Nachgiebigkeit δ T der verspannten Teile:
δT =
Bild 1.27:
fT
lK
=
FV ET ⋅ A ers
lk
=
Klemmlänge der verspannten Teile
A ers
=
Ersatzquerschnitt
ET
=
Elastizitätsmodul der verspannten Teile
( 1.61 )
Verspannungsschaubild von Schrauben mit unterschiedlichen Federraten
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
- 28 -
1.8.2 Kräfte bei statischer Betriebskraft als Längskraft
Wird die Schraubenverbindung durch eine Betriebskraft F A belastet, so wird die
Schraube zusätzlich belastet, die Flansche werden entlastet (Bild 1.28).
Bild 1.28:
Kräfte und Verformungen: a) Montagezustand, b) Betriebszustand,
c) Verspannungsschaubild
Aus Ähnlichkeitsbetrachtungen am Verspannungsschaubild lässt sich die Zusatzkraft für die Schraube ableiten:
FBS = FB ⋅
mit
δT
= FB ⋅ Φ
δS + δ T
FB
=
Betriebskraft
Ф
=
Kraftverhältnis
( 1.62 )
δS =
fS
Δf
=
FV FBS
( 1.63 )
δT =
fT
Δf
=
FV FBT
( 1.64 )
Φ=
FBS
FB
( 1.65 )
Bei Krafteinleitung über Schraubenkopf und Mutterauflage gilt:
ΦK =
δT
δS + δ T
( 1.66 )
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
- 29 -
Bei Krafteinleitung über die verspannten Teile (Bild 1.29) gilt:
Φ = n ⋅ ΦK
( 1.67 )
Für die Entlastungskraft der Teile gilt:
FBT = FB − FBS = FB ⋅ (1 − Φ ) = FB ⋅
δT
δS + δ T
( 1.68 )
Daraus ergibt sich die Klemmkraft zwischen den Bauteilen:
FKL = FV − FBT = FV − FB ⋅ (1 − Φ )
( 1.69 )
Die Gesamtschraubenkraft ergibt sich nach Bild 1.28:
FS,ges = FV + FBS = FKL + FB
( 1.70 )
1.8.3 Einfluss der Krafteinleitung
Für die Herleitung der Gleichungen in einer vorgespannten Schraubenverbindung wurde angenommen, dass die axiale Betriebskraft F B unter den Schraubenkopf und in der Mutterauflagefläche angreift. Das Verspannungsschaubild
zeigt die dadurch hervorgerufene Längenänderung Δf, um die sich die Schraube
zusätzlich dehnt. Um den gleichen Betrag können sich die zusammengedrückten
Platten wieder entspannen, und zwar auf der gesamten Klemmlänge l K .
Untersuchungen an Schraubenverbindungen haben ergeben, dass die Betriebskraft FB häufiger zwischen zwei Punkten innerhalb der Klemmlänge l K angreift,
wodurch sich die Kraft- und Formänderungsverhältnisse ändern (Bild 1.29).
Bild 1.29:
Krafteinleitungsfaktoren:
a)
querbeanspruchte,
reibschlüssige
Schraubenverbindung, b) Deckelverschraubung mit weit von der Trennfuge liegendem Kraftangriffspunkt (ungünstig), c) und d) Deckelverschraubung mit näher zur Trennfuge rückendem Kraftangriffspunkt (günstiger).
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
- 30 -
Dadurch ändert sich das Kraftverhältnis (Bild 1.29):
Φ = n ⋅ ΦK
( 1.71 )
1.8.4 Bestimmung der Vorspannkraft
1.8.4.1 Setzen der Schraubenverbindung
Während des Anziehens bis zur Vorspannkraft F V werden die Auflageflächen
unter Kopf und Mutter sowie die Trennfugen zwischen den Flanschen eingeebnet. Danach versuchen wechselnde Betriebskräfte ein weiteres Einebnen der
Rauheitsspitzen. Dies wird als Setzen bezeichnet. Durch das Setzen der Verbindung um den Betrag f Z verringert sich die Vorspannkraft F V .
Bild 1.30:
Vorspannkraftverlust durch Setzen für n=1
Es gilt:
FZ
FV
1
=
=
fZ fS + fT δS + δ T
FZ
=
Vorspannkraftverlust
fZ
=
Setzbetrag
( 1.72 )
Setzkraft:
FZ =
fZ
f
f
= Z ⋅ ΦK = Z ⋅ (1 − ΦK )
δS + δ T δ T
δS
( 1.73 )
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
- 31 -
Aus Untersuchungen ergibt sich, dass der Gesamtsetzbetrag von der Anzahl der
Trennfugen und von der Rauheit der Fugenflächen nahezu unabhängig ist. Der
Gesamtsetzbetrag wächst aber mit dem Verhältnis l K /d.
Setzbetrag:
⎛l ⎞
fZ ≈ 3,29 ⋅ ⎜ k ⎟
⎝d⎠
0,34
⋅ 10 − 3 mm
( 1.74 )
d = Nenndurchmesser
Für Dehn-, Hohl- und ähnlichen Schrauben gilt für den Setzbetrag:
fZ ≈ 3,16 ⋅ (lK ⋅ δS ⋅ ES )0,17 ⋅ 10 − 3 mm
( 1.75 )
1.8.4.2 Anziehfaktor und Montagevorspannkraft
Aus dem Verspannungsschaubild ist ersichtlich, dass die Vorspannkraft F V die
Summe aus Setzkraft F Z , Klemmkraft F KL und dem Axialkraftanteil F BT = F B ·(1-Ф)
ist. Die Montagevorspannkraft F VM ist gegenüber der theoretischen Vorspannkraft F V um den Anziehfaktor K A > 1 größer, um bei den unterschiedlichen Anziehverfahren sicher zu gehen, dass die gewünschte Vorspannkraft tatsächlich
erreicht wird.
Bild 1.31:
Verspannungsschaubild im Montagezustand
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
- 32 -
Unter Berücksichtigung der Streuung der Vorspannkraft beim Anziehen durch
den Anziehfaktor K A (Tabelle 1.4) wird die Montagevorspannkraft:
FVM = K A ⋅ FV min = K A ⋅ [FKL + FB ⋅ (1 − Φ ) + FZ ]
( 1.76 )
KA
=
Anziehfaktor nach Tabelle
F KL
=
Klemmkraft
Ф
=
Kraftverhältnis
FZ
=
Vorspannkraftverlust
FB
=
statische oder dynamische Betriebskraft
Anziehverfahren
Streckgrenzgesteuertes oder drehwinkelgesteuer-
Anziehfaktor K A
1,0
tes Anziehen von Hand oder motorisch.
Drehmomentgesteuertes Anziehen mit Drehmo-
1,6
mentschlüssel ohne oder mit Vormontage durch
Schlagschrauber oder Drehschrauber.
Impulsgesteuertes Anziehen mit Schlagschrauber
2,5
und Kontrolle durch Drehmomentschlüssel
Impulsgesteuertes Anziehen mit Schlagschrauber
4
ohne Einstellkontrolle
Tabelle 1.4: Richtwerte für den Anziehfaktor
Ist keine bestimmte Klemmkraft gefordert und es wirkt nur eine Betriebskraft,
gilt:
FVM = K A ⋅ [FB ⋅ (1 − Φ ) + FZ ]
( 1.77 )
Ist allein eine bestimmte Klemmkraft aufzubringen, z. B. als Dichtkraft, gilt:
FVM = K A ⋅ [FKL + FZ ]
( 1.78 )
F KL = geforderte Dichtungskraft querbeanspruchter Verbindungen
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
- 33 -
1.8.5 Schraubenverbindung unter dynamische Belastung
Wird eine verspannte Schraubenverbindung dynamisch beansprucht, so tritt die
Betriebskraft F B dynamisch auf.
Bild 1.32:
Verspannungsschaubild mit zeitlich veränderlichen Betriebskräften:
a) schwellende Zugkraft, b) Druckkraft, c) wechselnde Zugdruckkräfte (F Bo > 0, F Bu < 0)
Schraubenausschlagskraft Fa:
± Fa = ±
FBS0 − FBSu
F −F
= ± Bo Bu ⋅ Φ
2
2
( 1.79 )
F Bo = Betriebskraft oberer Grenzwert
F Bu = Betriebskraft unterer Grenzwert
Dies kann so aufgefasst werden, dass die Schraube statisch mit einer mittleren
Schraubenkraft F m belastet würde, um die die Ausschlagskraft wechselt. Entscheidend für die Dauerhaltbarkeit der Schraube ist die Ausschlagskraft.
Die Mittelkraft F m (ruhend gedacht) ergibt sich aus:
Fm = FV +
FBo + FBu
⋅Φ
2
( 1.80 )
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
- 34 -
Tabelle 1.5: Maßnahmen zur Verbesserung der Dauerhaltbarkeit von Schrau-
benverbindungen
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
Tabelle 1.5:
- 35 -
Maßnahmen zur Verbesserung der Dauerhaltbarkeit von
Schraubenverbindungen, Fortsetzung
Definition, Funktion und Einteilung von Schraubenverbindungen
Tabelle 1.5:
- 36 -
Maßnahmen zur Verbesserung der Dauerhaltbarkeit von
Schraubenverbindungen, Fortsetzung
Berechnung der Schraubenverbindung
- 37 -
2 Berechnung der Schraubenverbindung
Bild 2.1:
Verformter Gewaltbruch
2.1 Längsbelastete Schraube ohne Vorspannung
Der tragende Querschnitt der Schraube ist der Spannungsquerschnitt A S .
Spannungsquerschnitt A S
π
π ⎛ d + d3 ⎞
A S = ⋅ dS2 = ⋅ ⎜ 2
⎟
4
4 ⎝ 2 ⎠
2
d2 =
mittlerer Flankendurchmesser
d3 =
Kerndurchmesser
( 2.1 )
d S = Spannungsquerschnitt
Zugspannung im Schraubenboden:
σZ =
F
≤ Rpo,2
AS
( 2.2 )
Sicherheit gegen Fließen:
SF =
Rpo,2
σZ
( 2.3 )
Berechnung der Schraubenverbindung
- 38 -
Die Höhe der Muttern soll so gewählt werden, dass die Bruchlast des Schraubenkernes gerade erreicht wird (große Mutterhöhen sind unwirtschaftlich).
Unter stark vereinfachten Annahmen gleichmäßiger Flächenpressung in allen
Gewindegängen gilt:
p=
F ⋅P
≤ p zul
l1 ⋅ d2 ⋅ π ⋅ H1
l1
P
mit
i=
und
p zul = 0,35 ⋅ σ zul = 0,28 ⋅ R e
( 2.4 )
( 2.5 )
P
=
Gewindeteilung
l1
=
Länge des Muttergewindes
d2
=
Flankendurchmesser
H1
=
Flankenüberdeckung
( 2.6 )
2.2 Schraube ohne Vorspannung unter Last F R drehend angezogen
Ein Teil der Schraube wird auf Verdrehung, der andere Teil auf Druck bzw. Knickung (oder auf Zug) beansprucht.
Für den Verdrehteil errechnet sich die Verdrehspannung:
τt =
Mt
≤ τ t,zul
Wt
mit
Mt = F ⋅
und
Wt =
d2
⋅ tan( ϕ ± ρ' )
2
π ⋅ d33
≈ 0,2 ⋅ d33
16
( 2.7 )
( 2.8 )
( 2.9 )
Für den Druckteil (Zugteil) gilt:
σ d( z ) =
F
≤ σ d( z ),zul
A3
Der Kernquerschnitt wird auf Zug und Torsion beansprucht.
( 2.10 )
Berechnung der Schraubenverbindung
- 39 -
Vergleichsspannung:
σ V = σ d2( z ) + 3 ⋅ (α 0 ⋅ τ t )2 ≤ σ zul
α0 =
( 2.11 )
Anstrengungsverhältnis
2.3 Schraube mit F V vorgespannt und mit FB längsbelastet
Vergleichsspannung σ red :
σred = σM2 + 3 ⋅ τ2t ≤ 0,9 ⋅ Rp 0,2
mit
und
0,9 ⋅ Rp0,2
σM =
1+ 3⋅(
τt =
( 2.12 )
4
⋅ (0,159 ⋅ P + 0,577 ⋅ μ G ⋅ d2 ))2
d0
FVM ⋅ (0,159 ⋅ P + 0,577 ⋅ μ G ⋅ d2 )
Wt
( 2.13 )
( 2.14 )
σM
=
Montagezugspannung
μG
=
Reibungszahl
d0
=
Dehnschraube (d 2 + d 3 )/2, Taillenschraube 0,9·d 3
Sicherheit:
SF, Anz =
Rp0,2
σred
( 2.15 )
2.4 Dauerhaltbarkeit der Schraube
Wird die Verbindung durch stark wechselnde Betriebskräfte beansprucht gilt für
die Ausschlagspannung:
± σSAa = ±K ⋅
mit
σSAzul =
FBo − FBu
≤ σSA,zul
A3
σA
SD
( 2.16 )
( 2.17 )
A3
=
Kernquerschnitt
K
=
Faktor zur Berücksichtung des Bauteilwerkstoffes
σA
=
Ausschlagfestigkeit der Schraube
Berechnung der Schraubenverbindung
- 40 -
Dauerhaltbarkeit σ ASV schlussvergüteter Gewinde
Bild 2.2:
Hinweise:
1. Die Dauerfestigkeit S D ist mit mindestens 1,5 anzusetzen.
2. Bei der Wahl der Dauerbruchsicherheit ist außerdem zu beachten, dass
die Zusatzkraft F BS von dem rechnerischen Wert erheblich abweichen
kann, da
a) das Erreichen der vorgeschriebenen Vorspannkraft durch Fehler
beim Anziehen nicht gewährleistet ist,
b) sich die Vorspannung durch Setzen verringern kann.
3. Daher empfehlen sich besondere Maßnahmen, um die Ausschlagspannung gering zu halten:
a) ausreichende Vorspannung und die Verwendung dehnelastischer
Schrauben (dünnere Schrauben, Taillenschrauben, hohlgebohrte
Schrauben)
b) starre Schrauben unter Vermeidung weicher Zwischenlagen (Dichtungen)
4. Die Ausschlagfestigkeit σ A der gewöhnlichen Schraube ist durch die starke Kerbwirkung der Gewinderille im Vergleich zur Streckgrenze sehr klein.
2.5 Anhaltswerte für die Festigkeit
Festigkeitsklassen nach DIN ISO 898 bestehen aus zwei Ziffern, die durch einen
Punkt getrennt sind.
Berechnung der Schraubenverbindung
Beispiel:
- 41 -
10.9
R m = 10 * 100 = 1 000 Nmm -2 Mindestzugfestigkeit
R e = R p0,2 = (R m /10)·= 900 Nmm -2 Mindeststreckgrenze
Tabelle 2.1:
Festigkeitsklassen, Werkstoffe und mechanische Eigenschaften von Schrauben nach DIN EN 20898 (Auszug)
2.6 Abschätzen eines Schraubendurchmessers
Nachfolgend ist eine Möglichkeit der Vorauswahl eines Schraubendurchmessers
der Festigkeitsklassen 8.8, 10.9 und 12.9 aufgezeigt.
Berechnung der Schraubenverbindung
Tabelle 2.2: Vorgehensweise
- 42 -
Tabelle 2.3: Vorauswahl-Tabelle
Das Vorgehen dient ausschließlich zur Vorauswahl eines Schraubendurchmessers. In weiteren Rechenschritten ist mit genauen Werten der Betriebskraft F A
zu rechnen.
Beispiel:
Eine
Verbindung
wird
dynamisch
und
exzentrisch
durch
die
Axialkraft
F A = 8500 N belastet. Die Schraube mit der Festigkeitsklasse 12.9 soll mit Drehmomentschlüssel montiert werden.
Schwachstellen und Gefahren
- 43 -
A
10000 N ist die zunächst größere Kraft zu F A in Spalte 1.
B
2
Schritte
für
exzentrische
und
dynamische
Axialkraft
führen
zu
F Mmin = 25000 N
C
1 Schritt für Anziehen mit Drehmomentschlüssel führt zu F Mmax = 40000 N
D
Für F Mmax = 40000 N findet man in Spalte 2 (Festigkeitsklasse 12.9): M 10.
3 Schwachstellen und Gefahren
3.1 Gefährdung durch Dauerbruch
Die gefährdeten Querschnitte sind:
1. Übergang vom Kopf zum Schaft (15% aller Schäden).
Gegenmaßnahme: sorgfältiges Ausrunden von Schraube und Bohrloch.
2. Übergang vom Schraubenschaft zum Gewinde (20% aller Schäden).
Gegenmaßnahme: sorgfältiges Ausrunden des Gewindeauslaufes
3. Erster tragender Gewindegang.
Gegenmaßnahmen: Herabsetzung der Lastkonzentration durch Zugmutter,
federndes Muttergewinde, Muttergewinde mit etwas größerer Steigung
Die Lösungen 2 und 3 sind teuer, da aufwändig in der Herstellung.
Bild 3.1:
Dauerbruch im ersten tragenden Gewindegang
3.2 Kraftübertragung zwischen Mutter und Schraube
Die normale Mutter wird auf Druck beansprucht, während die Schraube auf Zug
beansprucht wird. Bei der üblichen Ausführung einer Schraubenverbindung mit
Schwachstellen und Gefahren
- 44 -
einer Druckmutter werden die Gewindegänge nicht gleichmäßig beansprucht.
Bild 3.2 zeigt, der erste tragende Gewindegang überträgt mehr als 30 % der
ganzen Schraubenkraft.
Bild 3.2:
Tragende Gewindegänge
Neben der Kerbwirkung des Gewindeprofils ist die Kraftkonzentration im ersten
Gewindegang die Hauptursache für die geringe Dauerfestigkeit von Schrauben.
Abhilfemaßnahmen:
-
Mutter mit größerer Steigung als die Schraube fertigen
Nachteile:
Toleranz und Spielprobleme, Fertigungsprobleme, Mutterhöhe
begrenzt
-
Gewindegänge der Mutter federnd gestalten (Bild 3.3)
Nachteile:
-
Fertigung aufwändig, teuer
Zugmutter verwenden (Bild 3.4, c)): gute Lösung, Kosten vertretbar.
Bild 3.3:
Federnde Gewindegänge
Bild 3.4: Kraftfluss: a) Normmutter (Druckmutter), b) Stulpmutter, c) Zugmutter
Schwachstellen und Gefahren
- 45 -
3.3 Gefährdung durch zusätzliche Beanspruchung
Problem: fehlerhafte Auflage der Schraube (Bild 3.5).
Bild 3.5:
Fehlerhafte Auflage
Sind die Auflageflächen nicht senkrecht zur Schraubenachse, entstehen hohe
Biegespannungen in den Schrauben.
Gegenmaßnahmen:
1. Schraubenauflage bearbeiten
durch Einsenken (Bild 3.6).
2. Bearbeiten bei erhabenen Flächen (Guss) durch Überfräsen.
Bild 3.6: Bearbeitete Auflage
3. Angepasste Unterlegscheiben,
z. B. bei Walzprofilen (Bild 3.7).
Bild 3.7: Angepasste Unterlegscheibe
Problem: Verbiegen bei Montage (Bild 3.8)
Verbiegt sich die Schraube aufgrund fehlender Führung am Kopf und in der Regel auftretender Querkraft bei der Montage, entstehen hohe Biegespannungen
in den Schrauben. Dies tritt häufig bei langen dünnen Schrauben (Dehnschrauben) auf.
Schwachstellen und Gefahren
- 46 -
Bild 3.8: Verbiegen bei Montage
Gegenmaßnahme: Zentrierung am Schraubenkopf (Bild 3.9).
Bild 3.9: Zentrierung am Schraubenkopf
Problem: Zusätzliche Längsspannung beim Einschrauben von Stehbolzen
(Bild 3.10).
Bild 3.10: Kräfte am Stehbolzen
Es gilt:
F > Fmax,
damit
sich
der
Stehbolzen
nicht
lockert.
Dies führt zu erhöhter Spannung am Querschnitt x, der ohnehin
schon gefährdet
Gegenmaßnahmen:
Stehbolzen
(Bild 3.11 und Bild 3.12).
gegen
den
Bohrlochboden
verspannen
Schwachstellen und Gefahren
Bild 3.11:
- 47 -
Stehbolzen mit Verspann-
Bild 3.12:
spitze
Problem:
Spannungserhöhung
Stehbolzen mit Kugel verspannt
bei
der
Verklemmung
von
Stiftschrauben
(Bild 3.13).
Bild 3.13:
Stiftschraube: Gefährdung an der Stelle x
Wenn Stiftschrauben eingeschraubt werden, kann es zu einem Einschneiden
des letzten unvollständig ausgeführten Gewindeganges des Stiftbolzens kommen (erhöhte Kerbwirkung an der Stelle x). Dadurch besteht an der Stelle x
Bruchgefahr.
Gegenmaßnahmen: Ort der Verklemmung in weniger belastete Bereiche verla-
gern.
Bild 3.14:
Stiftschraube: Verlagerung der Verklemmung
Schwachstellen und Gefahren
- 48 -
3.4 Gefährdung durch mangelhafte Vorspannung
Für die Haltbarkeit einer Schraubenverbindung ist die Aufbringung und Erhaltung der laut Berechnung erforderlichen Vorspannung von größter Wichtigkeit.
Dies gilt in besonderem Maße für dynamisch beanspruchte Schrauben.
Unsicherheitsfaktor ist die Reibung an der Kopfauflage.
-
Kleine Schrauben werden häufig überdehnt bzw. abgewürgt.
-
Große Schrauben erhalten häufig eine zu geringe Vorspannung.
Wichtig:
-
Hochwertige Schraubenverbindungen müssen mit einem Drehmomentschlüssel angezogen werden.
-
Die Streuung der Reibungszahl lässt sich durch Einölen der Schraube verringern.
-
Durch Messung der Schraubenlänge lässt sich die Vorspannung kontrollieren.
-
Setzen kann zum Teil durch „Nachziehen“ nach einigen Betriebsstunden
ausgeglichen werden.
-
Lockern kann durch geeignete Schraubensicherungen verhindert werden.
3.5 Gestaltung von Schraubenverbindungen
Bei Schraubenverbindungen besteht eine erhöhte Dauerbruchgefahr durch die
erhöhte Kerbwirkung. Zur Steigerung der Dauerfestigkeit werden Mittel angewandt mit dem Ziel, die Spannungen gleichmäßiger zu verteilen oder die Belastung zu reduzieren (Bild 3.15).
Um die Funktion zu gewährleisten, müssen fertigungs- und montagetechnische
Gestaltungsrichtlinien berücksichtigt werden (Bild 3.16).
Schwachstellen und Gefahren
Bild 3.15:
- 49 -
Beanspruchungsgerechte Gestaltung von Schraubenverbindungen
Schwachstellen und Gefahren
Bild 3.16:
- 50 -
Fertigungs- und montagegerechte Gestaltung von Schraubenverbindungen
Schraubensicherungen
4
- 51 -
Schraubensicherungen
Bei Schraubensicherungen wird unterschieden:
Nach der Wirkungsweise:
Stoffschlüssige Schraubensicherung,
z. B. Klebstoff → Temperaturbegrenzung
Kraftschlüssige Schraubensicherung,
z. B. Kontermutter, Klemmmutter, Klemmschraube, Federring
Bild 4.1:
Radmutter, Federring und Sicherungsmutter
Formschlüssige Schraubensicherung, z. B. Splint, Draht, Blech, Sperrring
Bild 4.2:
Kronenmutter mit Splint, umgelegtes Sicherungsblech,
Drahtsicherung
Nach dem Angriffsort:
1.
Zwischen Schraubengewinde und Muttergewinde
2.
Zwischen Mutter und Kern
3.
Zwischen Schraubenkopf bzw. Mutter und Bauteil.
Schraubensicherungen
- 52 -
Bemerkung:
Eine richtig montierte, konstruktiv richtig ausgelegte Schraubenverbindung, die
ihre Vorspannkraft im Betrieb nicht ändert, kann ohne Sicherung auskommen.
Lockern:
Klemmkraftverlust infolge Setzerscheinungen.
Gegenmaßnahme: Elastische Kompensation der zu erwartenden
Setzbeträge, ohne unzulässigen Vorspannkraftverlust.
Elemente: Tellerfedern hoher Steifigkeit. Höhere Klemmkräfte
durch Verwendung hochfester Schrauben (Vorwegnahme der bleibenden Verformung). Bundschrauben und Bundmuttern (kleinere
Flächenpressung, d. h. kleinere Setzbeträge).
Losdrehen: Erfolgt durch erzwungene axiale oder radiale Relativbewegung in-
folge wiederholter elastischer Verformungen (Mikrogleitbewegungen).
Gegenmaßnahmen: Größere Reibung im Gewinde bzw. zwischen
den Auflageflächen.
Elemente: Klebstoff Verriegelungszähne oder radiale Verrippungen
am Schraubenkopf und Mutter
Literatur
- 53 -
Literatur
R OLOFF /M ATEK
Muhs,D; Wittel, H; Jannasch, D; Voßiek, J.:
Roloff/Matek, Maschinenelemente.
Vieweg-Verlag Wiesbaden, 18. Auflage, 2007
H ABERHAUER /
Haberhauer, H.; Bodenstein, F:
B ODENSTEIN
Maschinenelemente.
Springer-Verlag, Berlin, 11. Auflage, 2001
D ECKER
Decker, Karl-Heinz:
Maschinenelemente.
Carl-Hanser-Verlag, München, 16. Auflage, 2007
K ÖHLER /R ÖGNITZ
Köhler, Günter:
Maschinenteile.
Teubner-Verlag, Stuttgart, 6. Auflage, 1981
S TEINHILPER /
Steinhilper, W.; Röper, R:
R ÖPER
Maschinen- und Konstruktionselemente.
Springer-Verlag, Berlin, 1982
D UBBEL
Beitz, W; Küttner, K. –H.:
Taschenbuch für den Maschinenbau.
Springer-Verlag, Berlin, 16. Auflage, 1987