S UCHTMEDIZIN Organ der ÖGABS (Österreichische Gesellschaft für arzneimittelgestützte Behandlung von Suchtkrankheit) HERAUSGEBER Prof. Dr. Michael Soyka (Schriftleitung) Privatklinik Meiringen, Meiringen, Schweiz E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Markus Backmund (Schriftleitung) Institut für Suchtmedizin und Adipositas, München E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Michael Krausz Department of Psychiatry University of British Columbia, Vancouver, Canada E-Mail: [email protected] Dr. Hans Haltmayer Sucht- und Drogenkoordination, Wien, Österreich E-Mail: [email protected] Dr. Philip Bruggmann Arud, Zentren für Suchtmedizin, Zürich, Schweiz E-Mail: [email protected] HERAUSGEBERGREMIUM Prof. Dr. Gabriele Fischer Universitätsklinik für Psychiatrie-AKH Wien, Österreich E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Ulrich John Institut für Sozialmedizin und Prävention Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald E-Mail: [email protected] Dr. Heinrich Küfner Institut für Therapieforschung (IFT), München E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Michael Lucht Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Greifswald am HELIOS-Hanseklinikum Stralsund, Stralsund E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Dennis Nowak Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin Klinikum der Universität-Innenstadt, München E-Mail: [email protected] Prof. (apl) Dr. Ulrich W. Preuß Kreiskrankenhaus Prignitz gemeinnützige GmbH Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Akademisches Lehrkrankenhaus der Medizinischen Fakultät Rostock, Perleberg E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Christian G. Schütz Department of Psychiatry University of British Columbia, Vancouver, Canada E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Rainer Spanagel Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Abt. Psychopharmakologie J 5, Mannheim E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Claudia Spies Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin Universitäts-Klinikum, Berlin E-Mail: [email protected] PD Dr. Marc Walter Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel, Basel E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Reinhart Zachoval Medizinische Klinik II Klinikum Großhadern der Ludwig-Maximilians-Universität, München E-Mail: [email protected] Redaktion: Susanne Fischer, ecomed Medizin, eine Marke der ecomed-Storck GmbH, Landsberg am Lech E-Mail: [email protected], Internet: http://www.ecomed-suchtmedizin.de Suchtmed 7 17(1) (1)2005 1 (2015) © ecomed Medizin, eine Marke der ecomed-Storck GmbH, Landsberg 1 IMPRESSUM Impressum Suchtmedizin, Jg. 17, Nr. 1, 2015 Addiction Medicine ehemals: Suchtmedizin in Forschung und Praxis ISSN 2198-3798 Herausgeber: Prof. Dr. Michael Soyka (Schriftleitung) Privatklinik Meiringen Postfach 612, CH-3860 Meiringen Tel.: 0041-33 972-82 95; Fax: -82 91 E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Markus Backmund (Schriftleitung) Institut für Suchtmedizin und Adipositas Tal 9, Rgb., D-80331 München Tel.: 089-45 22 85 60; Fax: -22 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.p-i-t.info Dr. Philip Bruggmann Arud, Zentren für Suchtmedizin, Zürich, Schweiz E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Michael Krausz Department of Psychiatry The University of British Columbia, Vancouver, Canada E-Mail: [email protected] Dr. Hans Haltmayer Sucht- und Drogenkoordination, Wien, Österreich E-Mail: [email protected] Verlag: ecomed Medizin eine Marke der ecomed-Storck GmbH, Landsberg am Lech Justus-von-Liebig-Str. 1, D-86899 Landsberg Internet: http://www.ecomed-suchtmedizin.de Redaktion (verantwortlich): Susanne Fischer Tel.: 08191-125-500 Fax: 08191-125-292 E-Mail: [email protected] Anzeigen: Dr. Reingard Herbst Edelweißring 61 86343 Königsbrunn Tel.: 08231-90861 Fax: 08231-90862 E-Mail: [email protected] Abonnentenverwaltung: Rhenus Medien Logistic Tel.: 08191-97000-641 Fax: 08191-97000-103 E-Mail: [email protected] Bezugspreise 2015: 6 Hefte pro Jahr alle Preise inkl. 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Umschlaggestaltung: m media design, D-86916 Kaufering Satz und Lithographie: m media, D-86916 Kaufering Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, 87437 Kempten Urheberrecht: © 2015, ecomed Medizin, eine Marke der ecomed-Storck GmbH, Landsberg am Lech Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Der Inhalt dieses Heftes wurde sorgfältig erarbeitet; jedoch sind Fehler nicht vollständig auszuschließen. Aus diesem Grund übernehmen Autoren, Herausgeber und Verlag keine Haftung für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen. Besuchen Sie unsere Website unter: www.ecomed-suchtmedizin.de 2 Suchtmed 17 (1) 2 (2015) © ecomed Medizin, eine Marke der ecomed-Storck GmbH, Landsberg INHALT | SUCHTMED INHALT Umschlagbild "Gelbes Feld mit Weg" (Acryl 50 x 70 cm) Dr. med. Birgit Ablaßmeier – geboren 1954 in München, Studium der Mathematik, Theologie und Medizin. Zwei Kinder, Assistenzarztzeit. Seit 2004 niedergelassen in eigener Praxis in Landsberg am Lech. Hausärztlich tätig, seit 2006 zusätzlich Substitutionspraxis mit bis zu 150 Patienten mit sehr großem Einzugsgebiet. Malen in der Freizeit, wobei Gedanken und Gefühle, die das tägliche Leben prägen, zum Ausdruck kommen: "Gelbes Feld mit Weg" ist ein Ausschnitt aus meiner Umgebung. In Erinnerung an die "Cafeterrasse bei Nacht" von van Gogh, mit dem sich meine Tochter in der Schule beschäftigt hatte, entstand das Gelb des Feldes. Stacheldraht war mir eine sehr lange Zeit eine sehr wichtige Ausdrucksweise meiner Wut über mein einige Jahre dauerndes Strafverfahren als Substitutionsärztin. Mit viel Geld wurde das Strafverfahren eingestellt. Leider hat man an diesem Feld bei Issing im Landkreis Landsberg am Lech den Stacheldraht mit seinen schönen alten ausgewaschenen Holzpfosten entfernt. Aber die Wut bleibt. 2 Originalarbeiten 7 Erfahrungen mit der Umstellung von MethadonRazemat auf Levomethadon im Therapiealltag (K.F. CIMANDER, T. POEHLKE, M. SOYKA) 29 Nutzung des Online-Tools "weniger-trinken" bei übermäßigem Alkoholkonsum (S. SENN, S. RÖSNER, S. STUTZ, P. EGGLI, E. MAIER, M. RIDINGER) Diskussionsbeitrag 22 Zwischen Katastrophenszenarien und Empowerment – Paradigmen patientenzentrierter Suchtbehandlung (M. KRAUSZ) Neues aus der Literatur 26 Rezension: Psychopharmakotherapie griffbereit: Medikamente, Psychoaktive Genussmittel und Drogen Impressum Nachrichten Editorial 5 (M. SOYKA) 27 Dachverband der Suchtgesellschaften nimmt weiter Gestalt an Suchtmedizin in Forschung und Praxis wird referiert in: CCMed – Current Contents Medizin deutscher und deutschsprachiger Zeitschriften, Deutsche Zentralbibliothek für Medizin, Köln PSYNDEX – Zentralstelle für Psychologische Information und Dokumentation, Universität Trier EMBASE, Excerpta Medica, Elsevier SCOPUS, Elsevier Die Herausgeberschaft ist Mitglied der "International Society of Addiction Journal Editors" (ISAJE) Suchtmed 17 (1) 3 (2015) © ecomed Medizin, eine Marke der ecomed-Storck GmbH, Landsberg 3 SUCHTMED | EDITORIAL Editorial Michael Soyka Psychiatrische Klinik, München und Privatklinik Meiringen Sehr geehrte Leserinnen und Leser Wir freuen uns, Ihnen die aktuelle Ausgabe der Suchtmedizin vorlegen zu können – Heft 1 im immerhin schon 17. Jahr unserer Fachzeitschrift. Die Herausgeber freuen sich über einen konstanten und im Vorjahr erweiterten Leserkreis und ein wachsendes Interesse am Thema Suchtmedizin insgesamt. Das noch recht frische Jahr beginnt mit dem Abschluss und der Implementierung zweier wichtiger S3-Leitlinien zur Behandlung von Suchterkrankungen, die seit kurzem im AWMF-Register online verfügbar sind, nämlich zum "Screening, Diagnostik und Behandlung alkoholbezogener Störungen" (076-001) und zum "Screening, Diagnostik und Behandlung des schädlichen und abhängigen Tabakkonsums" (076-006). Das evidenzbasierte Wissen zur Diagnostik und Therapie der Alkohol- und Nikotinabhängigkeit ist hier von verschiedenen Expertengruppen bewertet und nach langer Abstimmung in Leitlinien-Form "gegossen" worden. Das aktuelle Heft der Suchtmedizin ist aktuellen klinischen Fragestellungen gewidmet. Besonders hervorheben ist die Arbeit von Senn et al. zur Nutzung eines Online-Tools zur Reduktion des Alkoholkonsums. Die Arbeit ist insofern aktuell, da auch in der erwähnten S3-Leitlinie die Reduktion des Alkoholkonsums jetzt als allgemein akzeptiertes Therapieprinzip für bestimmte Patienten verankert ist. Zum anderen sind Online-Medien zunehmend für klinische, aber auch wissenschaftliche Fragestelllungen wie z. B. epidemiologische Erhebungen, von Interesse. Diver- Suchtmed 17 Suchtmed 17(1)(1)2015 5 (2015) © ecomed Medizin, eine Marke der ecomed-Storck GmbH, Landsberg se Online-Fragebögen, Online-Tools oder Apps werden den klinischen Alltag der Suchtmedizin wahrscheinlich in Zukunft viel stärker prägen, als sich dies viele vorstellen. Umso wichtiger ist, dass zu diesen Fragen auch erste empirische Arbeiten vorgelegt werden, in diesem Fall aus der Schweiz – was den internationalen Anspruch der "Suchtmedizin" unterstreichen mag. Wir danken allen neuen, aber vor allen treuen, Lesern für ihr anhaltendes Interesse an der "Suchtmedizin", freuen uns auch im Neuen Jahr auf Rückmeldungen und Einreichung von Manuskripten. Wir verbleiben mit den besten Wünschen Michael Soyka Für alle Herausgeber Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Michael Soyka Psychiatrische Klinik Universität München Nussbaumstraße 7 80336 München Privatklinik Meiringen Postfach 612 3860 Meiringen, Schweiz E-Mail: [email protected] 5 ORIGINALARBEITEN | UMSTELLUNG METHADON-RAZEMAT AUF LEVOMETHADON der Konsum zusätzlicher Suchtstoffe deutlich von 66% auf 41% zurück. Hinsichtlich der Verträglichkeit führte der Wechsel auf das reine Levomethadon zu einer signifikanten Verminderung aller therapie- bzw. krankheitstypischen Nebenwirkungsreaktionen wie Schwitzen, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Probleme, Schlafstörungen, Müdigkeit/Sedierung, Stimmungsstörungen/psychische Probleme, Libidostörungen, Antriebslosigkeit und Schmerzen. Die Zahl unerwünschter Arzneimittelwirkungen, bei denen ein Zusammenhang mit der Levomethadon-Behandlung nicht ausgeschlossen werden konnte, lag bei unter 1% und führte in der Regel nicht zum Therapieabbruch. Dass der Dextromethadon-Anteil insbesondere bei hohen Razemat-Dosierungen wesentlich an der Entstehung von Nebenwirkungen beteiligt ist, konnte an Patienten aus einem mehrjährigen Methadon-Programm gezeigt werden (Mitchell et al. 2004). Während eines 24-stündigen Dosierungsintervalls unter steady-state-Bedingungen stellte man bei den Patienten nach durchschnittlich 70 mg MethadonRazemat eine beträchtliche intra- und interindividuelle Streuung im Verhältnis der Plasmaspiegel von Dextro- und Levomethadon (D/L-Quotient) fest. Bei Patienten mit hohen Methadon-Dosen über 100 mg korrelierte der D/LQuotient signifikant mit der Intensität der negativen Stimmungslage, die sich mit steigendem Quotienten in vermehrter Nervosität, Müdigkeit und Verwirrtheit äußerte. Diese Befunde sind für die tägliche Substitutionspraxis von großer Tragweite, da neben den häufig anzutreffenden Infektionskrankheiten mehr als 50% der Drogenkonsumenten unter schweren und dauerhaften psychiatrischen Erkrankungen leiden. Im Einzelfall kann eine Umstellung von Methadon-Razemat auf Levomethadon zu einer deutlichen Besserung psychischer Störungen und zu einem Verzicht auf Antidepressiva führen (Gölz 2011). In der vorliegenden Gesamtauswertung wiesen etwa 44% der Betroffenen eine psychische Störung auf. Einen experimentellen Beleg für die klinisch beobachtete stimmungsaufhellende bzw. antidepressive Wirkung von Levomethadon lieferten Codd und Mitarbeiter (Codd et al. 1995). Sie untersuchten unterschiedliche Opioide und deren Enantiomere auch im Hinblick auf ihre Fähigkeit die Wiederaufnahme von dem Neurotransmitter Serotonin und Noradrenalin zu blockieren. Aus der Gruppe der Opioide, die die Neurotransmitter-Wiederaufnahme inhibierten, zeigte sich für Levomethadon gegenüber Dextromethadon eine stärkere Reuptake-Inhibition was auf eine zusätzliche antidepressive Wirkkomponente von Levomethadon durch eine selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmung schließen lässt. Die Ergebnisse der gemeinsamen Auswertung der beiden offenen, nicht-interventionellen Praxisstudien (Cimander & Poehlke 2010, Soyka & Zingg 2009) zeigen, dass eine Umstellung auf Levomethadon bei unbefriedigender Vorbehandlung mit einem Methadon-Razemat zu einer signifikanten Verbesserung der Einstellungsqualität hinsichtlich Entzugssymptomatik, Beikonsum psychotroper Substan- 18 zen und Nebenwirkungsrate führt. Die Aussagen der Primärstudien werden durch die Gesamtauswertung der gepoolten Daten nicht nur bestätigt, sondern gewinnen aufgrund des größeren Patientenkollektivs von zusammen über 2 400 Patienten und der breiteren Zentrumsabdeckung an Repräsentativität. Trotz der bestehenden Limitierungen durch das offene Design, die relativ kurze Behandlungsdauer sowie die Beschränkung auf ein inadäquat vorbehandeltes, multimorbides Patientengut sind die Ergebnisse für die ärztliche Routine nützlich, da sie die realen Therapiebedingungen widerspiegeln. So können me-thodisch gut geplante und sorgfältig dokumentierte Datenerhebungen mit großen, praxisnahen Patientenkollektiven zum langfristigen Erfolg der Substitutionstherapie beitragen. Um den Einsatz der zur Zeit verfügbaren Methadon-Zubereitungen beim einzelnen Patienten im Sinne einer Nutzen/ Risiko-Abwägung noch besser beurteilen zu können, sollten weitere vergleichende Untersuchungen mit speziellen Fragestellungen bzw. Patientengruppen durchgeführt werden. Danksagung Wir danken Dr. Peter Sistig aus Schmitten für die freundliche Unterstützung bei der Erstellung des Manuskripts, der Tabellen sowie der Graphiken. Interessenkonflikte Michael Soyka hat in den letzten 5 Jahren Forschungsgelder erhalten von oder Beraterfunktionen ausgeübt für: Lundbeck, Novartis, Sanofi Aventis, Reckitt Benckiser. Thomas Poehlke erklärt, dass er Vortragshonorare von Hexal, Lundbeck, Molteni, Reckitt-Benckiser und SanofiAventis erhalten hat. Konrad Cimander hat in den letzten 5 Jahren Honorare für Vorträge und Beraterfunktionen erhalten von AbbVie, Bristol-Meyers Squibb, Janssen, Lundbeck, Reckitt Benckiser und Sanofi Aventis. 5 Literatur Backmund M, Lüdecke C, Isernhagen K, Walcher S, Rüther T (2014). Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS e. V.). Therapie der Opiatabhängigkeit – Teil 1: Substitutionsbehandlung. Suchtmed 16, 7-20 BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) (2014). Bundesopiumstelle – Bericht zum Substitutionsregister, Januar 2014 Bjornaas MA, Bekken AS, Ojlert A et al. (2008). 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Serotonin and norepinephrine uptake inhibiting activity of centrally acting analgesics: Structural determinants and role in antinociception. J Pharmacol Exp Ther 274, 1263-1270 Crettol S, Deglon JJ, Besson J, Croquette-Krokkar M, Gothuey I, Hammig R, Monnat M, Huttemann H, Baumann P, Eap CB (2005). Methadone enantiomer plasma levels, CYP2B6, CYP2C19, and CYP2C9 genotypes, and response to treatment. Clin Pharmacol Ther 78, 593-604 Crettol S, Deglon JJ, Besson J,Croquette-Krokkar M, Hammig R, Gothuey I, Monnat M, Eap CB (2006). ABCB 1 and cytochrome P450 genotypes and phenotypes: influence on methadone plasma levels and response to treatment. Clin Pharmacol Ther 80, 668-681 DBDD (2012). Deutsche Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, Pressemitteilung vom April 2012 Degenhardt L, Bucello C, Mathers B et al. (2011). Mortality among regular or dependent users of heroin and other opioids: a systematic review and metaanalysis of cohort studies. 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Geneva, World Health Organization 19 DISKUSSIONSBEITRAG | PARADIGMEN PATIENTENZENTRIERTER SUCHTBEHANDLUNG Zwischen Katastrophenszenarien und Empowerment Paradigmen patientenzentrierter Suchtbehandlung Michael Krausz University of British Columbia (UBC), Vancouver, Canada 1 Vorweg Jeder Therapeut weiß, dass der Umgang mit psychischen Krisen nicht in erster Linie eine Frage technischer Fähigkeiten ist. Die beste Hilfe kann abhängig von den Bedürfnissen und Voraussetzungen der Betroffenen in unterschiedlichen Strategien liegen, die unterschiedliche Therapieziele adressieren sollen (Körkel 2002). Das haben wir in den letzten Jahrzehnten gerade im Suchtbereich lernen müssen. Dogmen sind etwas ganz anderes als Paradigmen. Katastrophenszenarien sind selten auf Evidenz, sondern auf Ideologie gebaut. Nicht der Betroffene steht im Mittelpunkt, sondern mehr oder weniger paternalistische Ideen im Rahmen der "Mainstream Politik" der Prohibition (Thomasius 2000). In der Versorgung von Menschen mit einem schädlichen Konsum psychotroper Substanzen – oft verbunden mit anderen psychischen Problemen – gab es ohne Frage Fortschritte. Trotzdem können wir als Teil des Versorgungssystems selbst bei bescheidenen Ansprüchen, nicht zufrieden sein: Suchtkranke gehören immer noch zu den am stärksten Stigmatisierten in unserer Gesellschaft inklusive in der Medizin (Krausz et al. 2012). Der größte Teil der Gelder im Umgang mit Sucht fließt in die Ausstattung von Polizei und Justiz, weniger als 20% in die Therapie (Meara et al. 2005). Wir machen nur der Minderheit der Betroffenen ein akzeptables Behandlungs- oder Hilfeangebot (Kessler et al. 2005, Wang 2005, Wienberg 2001). Je kränker die Betroffenen sind, umso schwerer wird ihnen der Zugang zur Hilfe gemacht (Krausz et al. 2012). Die Hilfe kommt i. d. R. 10 Jahre nach den ersten eindeutigen Symptomen, Frühinterventionen sind auf Ausnahmen beschränkt. Die Behandlungsziele sind teilweise rechtlich auf Abstinenz vorgegeben, den Betroffenen bleibt keine therapeutische Wahl oder die Abwendung vom bestehenden Hilfsangebot. Liegt eine Veränderung überhaupt im Bereich des Möglichen? Schon diese Frage allein kennzeichnet die besonde- 22 re Stellung der Sucht in unserem Hilfesystem. Stellen Sie sich vor, nur 10% von Patienten mit einer schweren Herzerkrankung, Krebs oder HIV hätten Zugang zu existierenden effektiven Behandlungen? Die Grundfesten unseres Systems wären erschüttert. Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit offensichtlich verletzt und die öffentliche Meinung wäre extrem kritisch. Stellen Sie sich vor, Betroffene in der somatischen Medizin dürften bei der Auswahl der Therapie mitentscheiden? 2 Nichts ist so praktisch wie eine gute Theorie Der Zustand unseres Systems ist insgesamt veränderungsbedürftig, es geht nicht nur um Guidelines, Therapieziele oder gar bestimmte Interventionen. Die Verwendung begrenzter vorhandener Ressourcen setzt die Einigung auf Prioritäten voraus, die auf definierten Behandlungsparadigmen und Wertvorstellungen basieren. Nur das erklärt die große Aufmerksamkeit der UN Resolution für die Rechte der Behinderten (UN 2006, http://www.un.org/disabilities/ convention/conventionfull.shtml). Der faktische Druck der HIV-Epidemie in den Achtzigern und danach hat so einen Systemwechsel auf der Grundlage eines Paradigmenwechsels geführt. Harm reduction (Uchtenhagen 2005) statt des herrschenden Abstinenzdogmas und Substitution in Ergänzung bestehender abstinenzorientierter Ansätze (Rhodes et al. 2010) (http://www. emcdda.europa.eu/publications/monographs/harmreduction). Ein Musterbeispiel für die Bedeutung von Paradigmen für die Effektivität und Qualität von Therapie. Im Ergebnis war dies die erfolgreichste Maßnahme zur Senkung der HIV-Inzidenz. Es ebnete die Entwicklung zum heutigen Konsensus in der Europäischen Gemeinschaft bzgl. Korrespondenzautor: Prof. Dr. Michael Krausz University of British Columbia (UBC) Department of Psychiatry Vancouver Canada E-Mail: [email protected] Suchtmed 2015 Suchtmed 17 (1) 22 –17 24(1) (2015) © ecomed Medizin, eine Marke der ecomed-Storck GmbH, Landsberg PARADIGMEN PATIENTENZENTRIERTER SUCHTBEHANDLUNG | DISKUSSIONSBEITRAG der Suchttherapie (Uchtenhagen 2005) und war ein erster ernsthafter Schritt der Anpassung des Systems an die Bedürfnisse der Betroffenen. Insbesondere die Schweizer Drogenpolitik und ihre Implementierung in den Neunzigern und etwas später die Portugiesische Regierung mit der Entkriminalisierung des Drogenkonsums (Greenwald 2009) gab der Entwicklung zentrale Impulse (http://www.heise.de/tp/ artikel/34/34857/1.html). nur sehr partiell. Um die mit Sucht einhergehenden psychischen und körperlichen Erkrankungen zu adressieren, brauchen wir einen holistischen nicht nur auf Substanzkonsum reduzierten Ansatz, der hilft, die enorme Mortalität dieser Patienten zu senken (Frischer et al. 1993). 3 Subjektive Vorschläge für 10 essentielle Behandlungsparadigmen Veränderungen in langfristigen/chronischen Prozessen brauchen normalerweise Zeit. Die Bedeutung von Beziehungskontinuität in jeder Behandlung ist gut untersucht (Grawe et al. 1993). Trotzdem müssen die Betroffenen sich ständig neu orientieren und ihre Geschichte erzählen. Nachhaltigkeit könnte man einfach unterstützen, z. B. durch Die essentiellen Paradigmen eines modernen und humanen Behandlungssystems für Suchterkrankungen, wie andere psychische Krisen wären aus meiner Sicht die folgenden: 3.1 Frühe Identifikation von Problemen und Frühintervention Die Behandlung schwerer chronischer Verläufe verbraucht die Masse des verfügbaren Budgets. Wir produzieren chronische Fälle und lebenslang Behinderte durch langes Warten unter dem Druck begrenzter Ressourcen. Prävention gibt es nicht wirklich und Frühintervention nur in Ausnahmen. 10 Jahre vergehen im Durchschnitt bei Suchterkrankungen von ersten definitiven Symptomen und professioneller Hilfe. Frühe Problemerkennung und Hilfe sind nicht teuer, erfordern aber eine Umorganisation des Systems – einen Paradigmenwechsel! Drei Beispiele: a) Die Nutzung neuer Technologien Durch webbasierte und mobile Technologien könnte man leicht den Zugang zu Selbstbewertung eigenen Konsums und den Zugang zur Hilfe unterstützen (https:// www.drinkaware.co.uk/make-a-change/how-to-cutdown/are-you-ready-to-cut-down). b) Die Nutzung kritischer Schnittstellen Dort wo die Betroffenen in kritischen Situationen auffällig werden, beim Hausarzt und Notfallambulanzen, könnte man den Zugang zur Hilfe organisieren (Krausz et al. 2002). c) Brief Intervention als Standard Durch Schulung in einfachen Methoden im ganzen Versorgungssystem könnte man Betroffene ohne spezialisierte Institutionen erreichen. 3.2 Harm reduction und die Senkung der Mortalität Harm reduction ist ein akzeptierter Standard medizinischen Handelns, eigentlich seid Hippokrates (Rhodes et al. 2010). Die EU u. a. haben es als strategisch wichtige Komponente des Hilfesystems akzeptiert. Umgesetzt ist es Suchtmed 17 (1) 2015 3.3 Nachhaltigkeit der Hilfen – Kontinuität in Beziehungsgestaltung und Therapie a) verbesserte Kommunikation und Dokumentation in Kontrolle der Betroffenen, z. B. persönliche Gesundheitsakten (personal medical health record), b) die Unterstützung der Kommunikation mit dem bevorzugten Therapeuten über web basierte Systeme und virtuelle Kliniken. 3.4 Stigma und Therapie statt Strafe Nur ein kleiner Prozentsatz der Gelder, die die Gesellschaft im Umgang mit Sucht investiert, kommt der Therapie zugute. Die meisten Ressourcen fließen in Strafverfolgung und Justiz in Konsequenz der Prohibition. Dazu sind psychisch Kranke, insbesondere Suchtkranke, auch im Hilfesystem strukturell benachteiligt. Stigma und Kriminalisierung sind große Hindernisse zu einem effektiven Hilfesystem. Unabhängig von der Art der Intervention ist Akzeptanz und der Umgang im Rahmen der Grundrechte und geltenden internationalen Abkommen Voraussetzung für erfolgreiche Hilfe. 3.5 Empowerment und Ressourcenorientierung • Entscheidend für Erholung und Reintegration – die Recovery – sind die Ressourcen der Betroffenen. Therapie ist häufig, die Entwicklung der Ressourcen zu unterstützen – Empowerment. Die Professionellen verbringen zwangsläufig nur einen kleinen Teil der Zeit mit den Betroffenen, diese müssen es lernen, mit den Herausforderungen des Lebens selber besser umzugehen. Empowerment ist der Schlüssel für Überwindung der Krisen, die Recovery! (http://www.mentalhealth4kids. ca/healthlibrary_docs/PrinciplesOfStrengthBasedPractice.pdf) 3.6 Orientierung an den Bedürfnissen der Betroffenen Warum ist die "objektive" Ausrichtung an Gesundheitsparametern für die Medizin unzureichend? Weil Gesund- 23 DISKUSSIONSBEITRAG | PARADIGMEN PATIENTENZENTRIERTER SUCHTBEHANDLUNG heit nicht nur eine Reflektion des biologischen Funktionierens ist, wie es schon die WHO-Definition reflektiert (http:/ /www.who.int/about/definition/en/print.html), sondern gerade die Determinanten von Lebensqualität über Laborwerte hinausgehen. Subjektive Bedürfnisse als maßgebend für Verhaltensmodifikation müssen therapeutische Strategien steuern oder diese drohen zu scheitern. 3.7 Steuerung aus der Gemeinde – einfacher Zugang zu Hilfe und Integration der Behandlungssettings Unser Versorgungssystem ist ausgerichtet an der Krisenintervention. Das Akutsystem ist weitgehend getrennt von der Gemeinde. Warum wird nicht auch die Krise aus der Sicht des langfristigen Veränderungsprozesses bewältigt? Recovery braucht lange Anstrengung, der Raum dafür ist das Leben in der Gemeinde, die Hilfe sollte mit dieser Perspektive gesteuert werden. konsum ist oft Ausdruck kollektiver Hilflosigkeit, basierend auf Katastrophenszenarien und verbunden mit dem Unverständnis insbesondere jugendlicher Motivationslagen. Dabei wissen wir, dass Lernen vor allem von positiver Verstärkung profitiert. Der Konsum psychotroper Substanzen ist dabei oft schon ein Versuch, mit anderen bestehenden Problemen umzugehen, sich in eine Alkohol oder Drogen geschwängerte Umgebung einzufügen und ein guter Peer zu sein. Bessere Entscheidungen und effektive Bewältigung konkurrieren mit Werbung und den üblichen Vorbildern/Verdächtigen, das sind die Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Wenn die Betroffen sich durch Therapien gestärkt, von Therapeuten unterstützt und den Informationen orientiert fühlen, können wir auf langfristige Effekte hoffen. 5 Literatur 3.8 Peersupport und Familienarbeit Die sozialen Netze ebenso wie die Herkunftsfamilie sind am nächsten an den Betroffenen, auch wenn die Interaktion nicht notwendigerweise konfliktfrei ist. Für viele Menschen sind sie die wichtigste Ressource im Umgang mit Krisen und verdienen Unterstützung sowie direkte Hilfe bei Rückfällen und Recovery (Stanton et al. 1978)! Dies muss bei jedem Betroffenen eingeplant und an die spezifischen Wünsche angepasst werden. 3.9 Abstinenzdogma, Behandlungsziele und Veränderungswunsch Um erfolgreich zu sein müssen Ziele realistisch auf vorhandene Ressourcen aufbauen und dem Veränderungswunsch der Betroffenen entsprechen. Der Betroffene muss sich entscheiden, Dogmen sind nicht hilfreich (Körkel 2002). 3.10 Reale Hilfe bei der Problemlösung Jede Therapie muss reale Hilfe bei der Problemlösung realer Herausforderungen beinhalten (Wohnung finden, Arbeit, Kontakte herstellen etc.), um wirksame Veränderungen zu unterstützen (Grawe 1991). 4 Zwischen Katastrophenszenarien und Empowerment Das Beschwören schrecklicher Konsequenzen oder Drohen mit signifikanten Strafen im Umgang mit Substanzmittel- 24 Frischer M, Bloor M, Goldberg D, Clark J, Green S, McKeganey N (1993). Mortality among injecting drug users: a critical reappraisal (see comments). Journal Of Epidemiology And Community Health 47 (1), 59-63 Grawe K (1993). Psychotherapie/ : Von der Konfession zur Profession? Beltz, Weinheim. Göttingen [u.a.]: Hogrefe, S. 673-748 Greenwald G. (2009). Drug DECRIMINALIZATION. Washington D.C. Kessler ?? (2005). 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Spending on substance abuse treatment – how much is enough.pdf 100, 1240-1248 Rhodes T, Hedrich D (2010). Harm reduction: evidence, impacts and challenges. (Rhodes T, Hedrich D (Eds.). EMCDDA, Lisbon Single Robson L, Xie X, Rehm JE (1998). The economic costs of alcohol, tobacco and illicit drugs in Canada, 1992. Addiction 93 (7), 991-1006 Stanton MD, Todd TC, Heard DB, Kirschner S, Kleiman JI, Mowatt DT, … Van Deusen JM (1978). Heroin addiction as a family phenomenon: a new conceptual model. American Journal Of Drug And Alcohol Abuse 5 (2), 125-150 Thomasius R (2000). Psychotherapie der Suchterkrankungen: Krankheitsmodelle und Therapiepraxis – störungsspezifisch und schulübergreifend. Thieme, Stuttgart Uchtenhagen A. (2005). Risiko- und Schadensminimierung – wie wirksam sind sie? Suchttherapie – Grundlagen, Klinik, Standards: Leitfaden für Praxis und Fortbildung. 6, 1-8. doi:10.1055/s-2005-858339 U.-N. (2006). United Nations Convention on the Rights of Persons with Disabilities. (U. 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Es mag auf den ersten Blick etwas ungewöhnlich erscheinen, dass klinisch eingesetzte Psychopharmaka und sogenannte illegale Drogen in einem Fachbuch abgehandelt werden: Das Gehirn unterscheidet aber nicht zwischen legalen und illegalen Substanzen und oft sind die gleichen Neurotransmitter betroffen. Thematisch nur in knapper Form über die Grundlagen der Psychopharmakotherapie referiert, der Schwerpunkt liegt eindeutig auf der Darstellung der einzelnen Substanzen und ihrer therapeutischen Anwendungen. Dargestellt werden Wirkungen und Wirkungsweisen von Antidepressiva, Neuroleptika, Phasenprophylaktika, Anxiolytika, Sedativa und Hypnotika, aber auch ADS-Therapeutika sowie von Genussmitteln (Alkohol, Nikotin, Koffein) und sogenannten illegalen Drogen (von Heroin bis GHB). Kapitel über Gerontopsychiatrie und Notfälle, sowie, ganz knapp gehalten, Medikamentenwechselwirkungen runden das empfehlenswerte Kompendium ab. Dem letzten Kapitel hätten einige klinische Beispiele gut getan, verwiesen wird hier im wesentlichen nur auf eine kostenlose App. Ansonsten werden die wichtigen Informationen zu den einzelnen Substanzen vermittelt: Wirkprinzip, Dosierung, Anwendungsgebiet, Kontraindikationen. Die Tabellen sind durchweg praxisnah und informativ gehalten, so gibt es etwa Tabellen zur Umrechnung der verschiedenen Wirkdosen von Neuroleptika oder zur Dosierung von Methadon und Buprenorphin im Opiatentzug. 26 Etwas überraschend ist in dem Buch der Hinweis, dass die Einnahme von Buprenorphin bei Heroinabhängigkeit zu einem "Turbo-Entzug" führen kann. Die Dosierung in der Opiatentzugsbehandlung mit Buprenorphin im Heroinentzug wird anschaulich wiedergegeben. Die Kombination Buprenorphin/Naloxon findet keine Erwähnung. Unklar ist die Quelle und empirische Evidenz des sogenannten "Rivotril"-Schemas zum Entzug von Benzodiazepinen bei Substitutionspatienten. Vermisst habe ich jegliche Literaturverweise. Fazit Ein sehr preiswertes, informatives, gut handhabbares Kompendium (kein Lehrbuch!!!), das Theorielastigkeit zu Gunsten knapper klinischer Informationen vermeidet. Der Schwerpunkt liegt sicher im Psychopharmaka-Bereich. Prof. Dr. Michael Soyka Psychiatrische Klinik Universität München Nussbaumstrasse 7 80336 München Privatklinik Meiringen Postfach 612 3860 Meiringen, Schweiz E-Mail: [email protected] Suchtmed 2015 Suchtmed 17 (1)17 26(1) (2015) © ecomed Medizin, eine Marke der ecomed-Storck GmbH, Landsberg NACHRICHTEN Dachverband der Suchtgesellschaften nimmt weitere Gestalt an Nach Vorstellung des Konzeptes zur Etablierung eines Dachverbandes der Suchtgesellschaften bei den Mitgliederversammlungen der Dt. Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (Sept 2014) sowie Suchtmedizin (Nov. 2014) trafen sich Vertreter der Partnergesellschaften (Dt. Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie, Dt. Gesellschaft für Suchtpsychologie) Mitte Januar in Leipzig, um über die Weiterentwicklung eines gemeinsamen Dachverbandes zu diskutieren. Neben der Fassung eines Gesellschaftsvertrages und Satzung standen vor allem die gemeinsamen inhaltlichen Ziele aller Gesellschaften im Mittelpunkt der Diskussion. Darunter zählen die bessere Anerkennung von stoffgebunden und nicht-stoffgebundenen Abhängigkeiten als Krankheit, die Stärkung der Suchtprävention, die Verbesserung der Versorgung opioidabhängiger Patienten und der Substitutionstherapie, die Etablierung von Frühinterventionsmaßnahmen, insbesondere in der medizinischen Versorgung, die Fragen zur Reform des Betäubungsmittelrechtes und der BtMVV, die Entwicklung von differenzierten Indikationskriterien für Suchtbehandlungen aus den genannten Gebieten im Suchthilfesystem, die Sicherung, Vernetzung und Erweiterung der Behandlungsmöglichkeiten von Suchterkrankungen, die Erweiterung der komplementären Strukturen in der Behandlung von Suchtkranken, die Ausarbeitung von Behandlungsleitlinien, die Stärkung aller Bereiche der Suchtfor- Suchtmed 17 Suchtmed 17(1)(1)2015 27 (2015) © ecomed Medizin, eine Marke der ecomed-Storck GmbH, Landsberg Hintere Reihe von links: Christel Lüdecke, Konrad Isernhagen, Tim Neumann, Stephan Walcher, Tobias Rüther, Markus Backmund, Hans-Günter MeyerThompson, Anil Batra Vorne: Ulrike Havemann-Reincke, Hans-Jürgen Rumpf, Gabriele JungbluthStrube, Michael Klein schung und des Wissenstransfers sowie die Optimierung der Aus-, Weiter- und Fortbildung. Nach Abschluss der Fassung des Gesellschaftsvertrages sind regelmäßige Treffen von delegierten Vertretern der Vorstände zweimal jährlich vorgesehen. Über die weitere Entwicklung werden wir gerne regelmäßig allen Mitgliedern berichten. Prof. Dr. U. W. Preuss 27 ORIGINALARBEITEN | NUTZUNG DES ONLINE-TOOLS "WENIGER-TRINKEN" Verglichen mit Ergebnissen aus Übersichtsarbeiten im Bereich der Onlinetherapie bei alkoholbezogenen Problemen schneidet "weniger-trinken" gleich gut ab (Barak et al. 2008, White et al. 2010). Die Zufriedenheitsbefragung bei Programmende fällt positiv aus. Die meisten Teilnehmer sind mit dem Angebot von "weniger-trinken" zufrieden und geben mit Ausnahme der Bearbeitungszeit, welche als zu lang eingestuft wurde, eine positive Bewertung ab. Dieses Ergebnis stimmt überein mit der Befundlage, dass internetbasierte Programme bei Alkoholproblemen auf gute Akzeptanz stoßen (Cloud & Peacock 2001, Cunningham et al. 2000). Vor dem Hintergrund des hohen Drop-Outs im Programmverlauf ist auf die eingeschränkte Repräsentativität der Ergebnisse zur Konsumreduktion und zur Programmbewertung zu verweisen. Der Nachweis einer signifikanten Konsumreduktion und einer vergleichsweise hohen Nutzungszufriedenheit sind auf die Teilgruppe der regelmäßigen Beender beschränkt, die sicherlich eine nicht-repräsentative Teilgruppe der Gesamtnutzer darstellt. So dürften vor allem die eher unzufriedenen Nutzer das Programm vorzeitig beendet und auf die abschließende Evaluation verzichtet haben. Es bleibt zu erwähnen, dass das vorliegende Selbsthilfeprogramm unter natürlichen Bedingungen evaluiert wurde und es daher keine Kontrollgruppe gibt. Dies könnte zur Folge haben, dass die Ergebnisse aufgrund anderer Ursachen zustande kamen. Auch ist keine Follow-up-Messung vorhanden, sodass die längerfristige Wirksamkeit des Programmes nicht belegt ist. ßer Nutzerkreis angesprochen werden. Zudem konnte in der Gruppe der regelmäßigen Beender im Programmverlauf eine starke Reduktion des Konsums nachgewiesen werden. Auch wenn diese Effekte nicht langfristig geprüft wurden, ist bei ausreichender Aufschaltungsdauer mit einer positiven Kosten-Nutzen-Bilanz zu rechnen (Berger & Caspar 2011, Khadjesari et al. 2011a). Die Umsetzung der durch die Teilnehmerbewertung nahegelegte Reduktion des Assessments auf wenige programmrelevante Variablen dürfte die motivationalen Barrieren einer regalmäßigen Beendigung reduzieren und so die Teilnehmerquote weiter erhöhen. Motivational unterstützend könnten auch Erinnerungsnachrichten per E-Mail oder die Rückmeldung eines positiven Feedbacks bei Zielerreichung gegeben werden (Eysenbach 2005). Die Kompatibilität mit Alltagssituationen könnte durch den Zugang zum Programm via Smartphone erhöht werden; diese Vereinbarkeit hat sich bislang als wichtiger Einflussfaktor einer vermehrten Nutzung von Online-Selbsthilfeprogrammen erwiesen (Anhøj & Jensen 2004). Das Programm könnte beispielsweise auch als App konzipiert werden. Da sich die Veränderungsbereitschaft als ein wichtiger Prädiktor in der Teilnahme am Programm herausgestellt hat, sollte diese gefördert und die Ambivalenz reduziert werden. Dazu könnten z.B. Methoden der motivierenden Gesprächsführung in das Online-Programm integriert werden (Miller & Rollnick 2004). Darüber hinaus legt die kontinuierlich abnehmende Nutzungshäufigkeit nach Aufschaltung eine kontinuierliche Bewerbung des Tools nahe. Dadurch würde die Teilnehmerzahl konstant hoch gehalten werden, sodass künftig mehr Personen von diesem wirksamen Online-Selbsthilfeprogramm profitieren könnten. 4.2 Schlussfolgerung Danksagung Nach Aufschaltung des Tools "weniger-trinken" wurde dies von über 1 100 Personen genutzt, um die Risiken ihres Alkoholkonsums einzuschätzen. Im weiteren Verlauf des Programms reduziert sich der Nutzerkreis, weniger als ein Drittel der angemeldeten Personen durchlaufen das motivationale Assessment, davon nutzt wiederum nur jeder Fünfte das Selbsthilfetool. Auch wenn die BeenderQuoten auf den ersten Blick gering erscheinen, sind diese durchaus mit anderen Programmen vergleichbar (vgl. z. B. Christensen et al. 2004, Farvolden et al. 2005). Da die Bewertung des Programmes nur von den Beendern ausgefüllt wurde, können die Gründe für den Abbruch der Programmteilnahme sowie die Zufriedenheit mit dem Programm in der Gesamtgruppe nicht zuverlässig eruiert werden. Zukünftig wäre es sinnvoll, Teilnehmer, welche das Programm nicht regulär beenden, nach ihrem Abbruchgrund zu fragen. So wäre es möglich "weniger-trinken" anzupassen und eine höhere regelmäßige Beendigung zu erreichen. Im Vergleich zu Face-to-Face-Interventionen kann durch Online-Tools mit vergleichsweise wenig Aufwand ein gro- 38 Die Autoren bedanken sich bei allen Teilnehmern des Programmes sowie bei der KTI, der Schweizer Kommission für Technologie und Innovation, für die Förderung des Projekts SEMPER (Projekt-Nr. 9937.2) in dessen Rahmen das Online-Tool entwickelt wurde. Interessenskonflikte Es bestehen keinerlei Interessenskonflikte im Zusammenhang mit der Erstellung dieser Publikation. 5 Literatur Anhøj J, Jensen AH (2004). Using the internet for life style changes in diet and physical activity: a feasibility study. Journal of Medical Internet Research 6 (3), e28 Babor TF, Higgins-Biddle JC, Saunders JB, Monteiro MG (2001). AUDIT. The Alcohol Use Disorders Identification Test. Guidelines for Use in Primary Care (2nd ed.). Geneva, World Health Organization WHO Barak A, Hen L, Boniel-Nissim M, Shapira N (2008). A Comprehensive Review Suchtmed 17 (1) 2015
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