Neue steuerliche Regelungen

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18 RECHT & STEUER
Neue steuerliche Regelungen
Produktion und Vermarktung landwirtschaftlicher
Erzeugnisse unter steuerlichen Aspekten
Bei der Einkommensteuer gelten seit
dem Wirtschaftsjahr 2012/2013 neue
Vorgaben zur Abgrenzung von landwirtschaftlichen und gewerblichen Einkünften. Gleichzeitig werden immer strengere Anforderungen zur Anwendung der
Umsatzsteuerpauschalierung auf landwirtschaftliche Erzeugnisse gestellt.
Rechtsanwalt Christian Klüter, PARTA
Buchstelle für Landwirtschaft und Gartenbau GmbH, Bonn, geht im Folgenden
auf die Chancen und Risiken ein.
Christian Klüter
Immer häufiger fallen in landwirtschaftlichen Betrieben auch gewerbliche Tätigkeiten an. Aus Vereinfachungsgründen werden gewerbliche Einkünfte bis
zu einer bestimmten Grenze weiter den
landwirtschaftlichen Einkünften zugerechnet. Dazu hat die Finanzverwaltung
mit Wirkung ab dem Wirtschaftsjahr
2012/2013 neue Abgrenzungsregeln erlassen. Vorausgegangen waren mehrere
Entscheidungen des Bundesfinanzhofs
(BFH) in München, dem höchsten deutschen Steuergericht, zu Altfällen.
▶ 1. Die neuen Regelungen
im Überblick
Bislang war die Abgrenzung zwischen
Landwirtschaft und Gewerbe mitunter
recht schwer. Betriebe, die selbsterzeugte Produkte oder hinzuerworbene
Waren im Hofladen oder als Direktvermarkter veräußert haben, mussten bestimmte, umsatzabhängige Grenzen
einhalten. Als Folge verschiedener BFHUrteile oblag es der Finanzverwaltung,
einfach handhabbare und nachvollziehbare Kriterien zu finden.
Nach neuem Recht wird nach wie vor
zwischen der land- und forstwirtschaftlichen sowie der gewerblichen Tätigkeit
getrennt. Als Landwirtschaft gelten die
Urproduktion sowie die Verwertung der
durch Bodenbewirtschaftung oder Tierhaltung gewonnenen eigenen Erzeugnisse. Bei ihrer Veräußerung liegen stets
landwirtschaftliche Einkünfte vor, unabhängig davon, wo oder auf welche Weise
der Landwirt die Erzeugnisse vermarktet,
direkt in seinem Hofladen oder auf Märkten usw. Daher muss als Erstes steuerlich
geschaut werden, ob überhaupt ein land-
wirtschaftlicher Betrieb vorliegt. Dies ist
der Fall,, wenn die Gesamteinkünfte aus
der landwirtschaftlichen Urproduktion
mehr als 50 % betragen.
Demgegenüber stehen gewerbliche Tätigkeiten und Einkünfte. Das können Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem
Absatz der eigenen land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnisse oder der Zukauf
bzw. Handel mit fremden landwirtschaftlichen Erzeugnissen sein. Auch Dienstleistungsangebote mit oder ohne Einsatz
von land- und forstwirtschaftlichen Maschinen kommen in Betracht. Zwar handelt es sich von vorneherein um gewerbliche Tätigkeiten. Sie können jedoch in geringem Umfang wie landwirtschaftliche
Tätigkeiten eingestuft werden, wenn der
Umsatz hieraus nicht mehr als 51 500 €
oder mehr als ein Drittel des Gesamtumsatzes des landwirtschaftlichen Betriebes
ausmacht. Beide Voraussetzungen gelten
für sich, sodass das Überschreiten einer
der Grenzen bereits schädlich wird, das
heißt, bei Nichteinhaltung der landwirtschaftlichen Grenzen werden gewerbliche
Einkünfte unterstellt.
Beim Überschreiten der Umsatzgrenzen
gibt es allerdings eine wichtige Ausnahme. Der Landwirt hat nicht die Annahme
von gewerblichen Einkünften zu befürchten, wenn er nur in einem Jahr die
Grenze überschreitet und sie dann im
Folgejahr wieder unterschreitet. Gewerbliche Einkünfte werden erst nach
dreimaligem Überschreiten ab dem vierten Wirtschaftsjahr unterstellt. Anders
sieht es aus, wenn der höhere Umsatz
und das Überschreiten zum Beispiel der
Einrichtung eines Hofladens oder dem
Kauf eines weiteren Marktwagens folgen. Bei einer bewussten und geplanten
Kapazitätsausweitung geht die Finanzverwaltung von einem sogenannten sofortigen Strukturwandel mit der Folge
aus, dass ein Überschreiten der Grenzen
unmittelbar gewerbliche Einkünfte zur
Folge hat.
▶ 2. Landwirtschaftliche
Erzeugung und Umsatzsteuer
Im Regelfall wendet ein Land- und
Forstwirt die sogenannte Umsatzsteuer-
pauschalierung an. Auf den Verkauf seiner Produkte darf er dann 10,7 % USt.
aufschlagen, die ihm verbleiben. Im Unterschied zu Gewerbetreibenden bekommt er dagegen keinen Vorsteuerabzug bei Vorprodukten. Vorprodukte der
Land- und Forstwirtschaft können Düngemittel, Saatgut, Maschinen oder andere betriebliche Güter sein.
Diese Sonderregelungen zur Umsatzsteuer dienen aus Sicht des Gesetzgebers vor allem der Vereinfachung, weswegen sie nur für originäre landwirtschaftliche Erzeugertätigkeiten und
landwirtschaftliche Dienstleistungen
beansprucht werden können. Auf den
Zukauf land- oder nichtlandwirtschaftlicher Erzeugnisse findet die Pauschalierung keine Anwendung. Derartige Produkte müssen nach den Vorschriften
der Regelbesteuerung mit Umsatzsteuer weiterverkauft werden, die an das
Finanzamt abzuführen ist. Im Gegenzug
bleibt bei Betriebsausgaben der Vorsteuerabzug.
▶ 3. Konsequenzen in Abhängigkeit von der Betriebsstruktur
Jeder Betrieb ist anders. Wie die steuerliche Bewertung ausfällt, hängt von den
jeweiligen Betriebsstrukturen ab. Neben den Sonderregelungen für die
Land- und Forstwirtschaft sind auch die
allgemeinen Vorgaben des Steuerrechts
zu berücksichtigen. Verdeutlicht wird
das an folgenden Beispielen:
Beispiel 1: Landwirtschaftliches und
gewerbliches
Einzelunternehmen:
Landwirt L baut Spargel an und vermarktet diesen über den Handel und
den eigenen Hofladen. Insgesamt setzt
er damit 200 000 € um. Zusätzlich
kauft er beim Berufskollegen B Spargel
zum Preis von 20 000 € ein und verkauft diesen für 40 000 € weiter.
Nach den neuen Abgrenzungsregeln der
Finanzverwaltung erzielt L Einkünfte aus
Land- und Forstwirtschaft in Höhe von
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Beispiel 3: Trennung von Erzeugung
und Vermarktung: Neben seiner Beteiligung an der landwirtschaftlichen Ehegatten-GbR gründet Landwirt L ein gewerbliches Einzelunternehmen zum
Verkauf des hinzuerworbenen Spargels
im Hofladen und auf Märkten.
240 000 €. Zwar greift die neue Abgrenzungsregelung der Finanzverwaltung, jedoch betragen die Umsätze aus dem Verkauf des hinzuerworbenen Spargels nicht
mehr als 51 500 € im Wirtschaftsjahr.
Allerdings greift keine Umsatzsteuerpauschalierung für den zugekauften
Spargel. L muss den zugekauften Spargel mit 7 % USt. weiterverkaufen, die er
an den Staat abführt. Die Umsatzsteuer
aus dem Einkauf des Spargels kann er
jedoch als Vorsteuer gegenrechnen.
Abwandlung: L kauft Spargel bei einem
Berufskollegen für 60 000 € hinzu und
verkauft ihn für 80 000 € weiter. Ansonsten wie oben.
Im Unterschied zum vorherigen Fall
überschreitet L jetzt die Grenze von
51 500 €. Folglich können die Einkünfte aus dem Verkauf des fremden Spargels nicht den Einkünften aus Land- und
Forstwirtschaft zugerechnet werden.
Neben dem landwirtschaftlichen Einzelunternehmen entsteht ein zweites,
der Gewerbebetrieb. Die betriebsindividuellen Kosten und Erlöse muss L den
jeweiligen Betrieben zuordnen. Unterstellt sei, dass L die Grenzen der gewerblichen Einkünfte 3 x überschritten
hat.
Umsatzsteuerlich kann L für den zugekauften Spargel auch hier keine Umsatzsteuerpauschalierung in Anspruch
nehmen. Der Umsatzsteuersatz beträgt
wie oben 7 %. Die beim Zukauf angefallene Umsatzsteuer kann er als Vorsteuer geltend machen.
Beispiel 2: Landwirtschaftliche Kooperation: Landwirt L und seine Gattin
G bewirtschaften einen landwirtschaftlichen Betrieb als GbR. Für den Verkauf
des selbst erzeugten Spargels erlösen
sie 200 000 €. Beim Berufskollegen B
kaufen sie Spargel für 20 000 € zu, den
sie für 40 000 € weiterverkaufen.
Für die landwirtschaftliche Personengesellschaft von L und G gelten einkomLZ 19 · 2015
men- und umsatzsteuerlich die gleichen
Regelungen wie oben. Soweit die Umsatzgrenze von 51 500 € und die Gesamtumsatzgrenze von einem Drittel
nicht überschritten werden, handelt es
sich einzig und alleine um Einkünfte
aus Land- und Forstwirtschaft.
Abwandlung: Die Ehegatten-GbR aus
Landwirt L und Gattin G kauft beim Berufskollegen B Spargel für 40 000 € zu,
den sie für 80 000 € weiterverkauft.
Ansonsten wie oben.
Auf den ersten Blick handelt es sich um
eine vergleichbare Situation zur Abwandlung von Fall 1. Allerdings sind
die steuerlichen Konsequenzen hier
völlig anders. Bei Mitunternehmerschaften und Personengesellschaften
gilt im Unterschied zur Einzelunternehmung die sogenannte Abfärbetheorie.
Wenn die GbR mehr als äußerst geringe
gewerbliche Einkünfte erzielt, werden
aus den ursprünglich landwirtschaftlichen Einkünften insgesamt gewerbliche. Ein Nebeneinander von landwirtschaftlichen und gewerblichen Einkünften gibt es bei Mitunternehmerschaften und Personengesellschaften
nicht.
In der Abwandlung erzielt die Ehegatten-GbR gewerbliche Einkünfte in einem Umfang von 280 000 €. Diese Einkünfte unterfallen komplett der Gewerbesteuer, die auf die Einkommensteuer
anrechenbar ist. Dessen ungeachtet gehen die Steuervorteile für land- und
forstwirtschaftliche Betriebe verloren.
Bei Mitunternehmerschaften und Personengesellschaften sollten also die Umsatzgrenzen der Finanzverwaltung besonders dringend beachtet und keinesfalls überschritten werden. Das Gleiche
betrifft die Einhaltung der Strukturwandelgrundsätze mit der 3-Jahres-Frist.
Vielfach kann es einfacher und sinnvoll
sein, landwirtschaftliche Erzeugung
und Vermarktung von vorneherein zu
trennen.
Damit wird die Abfärbewirkung vermieden. Die GbR erzielt landwirtschaftliche
Einkünfte aus der Vermarktung der eigenen Erzeugnisse. Den Verkauf des zugekauften Spargels versteuert L gewerblich.
▶ 4. Gestaltungsvorschlag:
Trennung von Produktion
und Vermarktung
Für viele Betriebe bietet sich eine strikte Trennung von Produktions- und Vermarktungszweigen an. Von Vorteil ist,
dass die strengen Grenzen beim Zukauf
von land- und außerlandwirtschaftlichen Produkten nicht eingehalten werden müssen. Die mitunter komplizierten Abgrenzungsfragen bei Einkommenund Umsatzsteuer fallen komplett weg.
Gleichzeitig kann sich der Betrieb völlig
ungestört von allen Abgrenzungsvorgaben der Finanzverwaltung entwickeln.
Auch eine spätere Auseinandersetzung
im Wege der vorweggenommenen Erfolge oder einer Erbauseinandersetzung
wäre einfacher, weil bereits selbstständige Betriebe bestehen.
Nachteilig können hingegen zusätzliche
Kosten für die weitere Buchführung und
ein größerer Dokumentationsaufwand
zur Abgrenzung der Betriebe sein. Etwaige Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Sozialversicherung, bei der
Betriebshaftpflicht, im Baurecht und
bei verschiedenen Fördermöglichkeiten
sollten zudem erwogen werden.
▶ Fazit
Die neuen Regeln der Finanzverwaltung
zur einkommensteuerlichen Abgrenzung zwischen landwirtschaftlichen
und gewerblichen Einkünften sind im
Vergleich zu früher deutlich klarer geworden. Schwierigkeiten kann es jedoch bei Mitunternehmerschaften oder
Personengesellschaften geben. Deshalb
bietet sich in vielen Fällen eine gewissenhafte Trennung von Erzeugungsund Vermarktungstätigkeit an. Welche
Gestaltungsüberlegungen die besten
für den eigenen Betrieb sind, sollten
die Betriebsleiter gemeinsam mit ihrem
Steuerberater der PARTA erörtern. ◀
Damit steuerlich ein
landwirtschaftlicher
Betrieb vorliegt,
müssen weiterhin
mehr als 50 % der
Gesamteinkünfte
aus der landwirtschaftlichen Urproduktion kommen.
Foto:
Andrea Bahrenberg