Hat die Amts- und Vertrauensärztliche Begutachtung bei veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen eine Zukunft? – Auftragsentwicklung in der Zentralen Medizinischen Gutachtenstelle (ZMGA) des Landes Berlin Die ZMGA 2014 Zahlen/Daten/Fakten von Elke Wiese-Steinbrück und Dr. Marion Lenk 65. Wiss. Kongress BVÖGD in Rostock - Wiese-Steinbrück/Dr. Lenk 23.04.2015 Seite 1 Gliederung: 1. Änderungen im Tarifrecht 2. Auftragsentwicklung Tarifrecht in der ZMGA 2012 bis 2014 3. Begutachtung im Tarifrecht in der ZMGA 4. Änderungen im Beamtenrecht 5. Auftragsentwicklung in der ZMGA 2012 bis 2014 6. Begutachtung • Verbeamtung • Dienstfähigkeit • Dienstunfälle 7. Höchstrichterliche Rechtsprechung und die Auswirkungen auf Beauftragung und Begutachtung 8. Fazit 65. Wiss. Kongress BVÖGD in Rostock - Wiese-Steinbrück/Dr. Lenk 23.04.2015 Seite 2 Paraphierung von Untersuchungsanlässen im TV L • § 3 Absatz 5 TV L Der Arbeitgeber ist bei begründeter Veranlassung berechtigt, Beschäftigte zu verpflichten, durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen, dass sie zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage sind. Bei dem beauftragten Arzt kann es sich um einen Amtsarzt handeln, soweit sich die Betriebsparteien nicht auf einen anderen Arzt geeinigt haben. Änderungen im Vergleich zum BAT: - Einstellungsuntersuchung ist nicht mehr paraphiert – nach TV L genügt eine „begründete Veranlassung“ zur Anordnung einer ärztlichen Untersuchung - Arbeitnehmer lediglich verpflichtet, das Ergebnis der Untersuchung durch eine ärztliche Bescheinigung nachzuweisen. • § 33 Abs. 4 TV L Regelung analog § 59 Abs. 1 BAT – Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen verminderter Erwerbsfähigkeit 65. Wiss. Kongress BVÖGD in Rostock - Wiese-Steinbrück/Dr. Lenk 23.04.2015 Seite 3 Anzahl der Gutachten (TV L/TVöD u. a.) in der ZMGA 2011 bis 2014 3600 3100 3.377 2600 2100 1600 3.729 2.557 2.254 1100 600 100 790 375 2011 2012 960 2013 817 2014 Gutachten nach Arbeitsfähigkeituntersuchungen Gutachten nach Einstellungsuntersuchungen 65. Wiss. Kongress BVÖGD in Rostock - Wiese-Steinbrück/Dr. Lenk 23.04.2015 Seite 4 Umfang der ärztlichen Untersuchungen • bei Einstellungen • bei Arbeitsfähigkeiten • Umfang ist in den Tarifverträgen vorgegeben: Die Untersuchung darf nur darauf gerichtet sein, ob der Arbeitnehmer zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage ist. • Der Arzt hat dies lediglich zu bescheinigen. Weitere Informationen, insbesondere Diagnosen, dürfen nicht mitgeteilt werden. • Spannungsfelder: • Anfragen der Dienststellen mit teilweise den gleichen Aufträgen wie bei Beamten – Erwartungen an Gutachten • Fragen zur Prognose 65. Wiss. Kongress BVÖGD in Rostock - Wiese-Steinbrück/Dr. Lenk 23.04.2015 Seite 5 Änderungen im Beamtenrecht Freie Arztwahl und Auswirkungen auf die Beauftragung • BBG vom 05.02.2009/ RdSchr. des BMI vom 05.11.2012 - bis 31.12.2001 galt die (seit 1992 in den Wortlaut des § 44 Abs. 1 BBG aufgenommen) ausdrückliche Vorschrift eines amtsärztlichen Gutachtens - ab 01.01.2002 besteht die Möglichkeit der Wahl zwischen Amtsarzt oder einem Arzt, der als Gutachter zugelassen ist. - o.g. RdSchr. BMI regelt , dass die Untersuchung zur Überprüfung von Krankmeldungen Aufgabe des Amtsarztes ist (= § 96 BBG) Beamtenstatusgesetz zum 01.04.2009 hatte zur Folge die Neufassung der LBG als Ergänzung /in einigen Ländern Dienstrechtsreform LBG Berlin ab 01.04.2009 Begriff amtsärztlich nicht mehr enthalten, dafür: „eine von der Dienstbehörde bestimmte Ärztin oder ein von der Dienstbehörde bestimmter Arzt“ 65. Wiss. Kongress BVÖGD in Rostock - Wiese-Steinbrück/Dr. Lenk 23.04.2015 Seite 6 Anzahl der Gutachten zur Verbeamtung, zur Dienstfähigkeit und kausale Gutachten nach LBeamtVG 2011-2014 in der ZMGA 4.000 3.500 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 0 3.277 2.523 2.001 1.647 334 2012 255 2011 Verbeamtung Dienstfähigkeit 65. Wiss. Kongress BVÖGD in Rostock - Wiese-Steinbrück/Dr. Lenk 3.351 2.610 2.271 2.043 350 2013 405 2014 Kausale Gutachten nach LBeamtVG 23.04.2015 Seite 7 Entscheidungen des BVerwG und Auswirkungen auf Beauftragung und Begutachtung Gesundheitliche Eignung von Beamtenbewerbern • Urteil vom 25.07.2013 BVerwG 2 C 12.11 – überwiegende Wahrscheinlichkeit • Urteil vom 30.10.2013 BVerwG 2 C 16/12 – tatsächliche Anhaltspunkte für die Nichteignung Anforderungen an die Untersuchungsaufforderung im Zurruhesetzungsverfahren • Urteil vom 30.05.2013 BVerwG 2 C 68/11 Bestimmung von Art und Umfang der ärztlichen Untersuchungen nach sachkundiger ärztlicher Beratung. 65. Wiss. Kongress BVÖGD in Rostock - Wiese-Steinbrück/Dr. Lenk 23.04.2015 Seite 8 Anforderungen an ein amtsärztliches Gutachten auf der Basis der Rechtsprechung des BVerwG Prognose im Gutachten: • • • • Erstellen einer fundierten medizinischen Tatsachenbasis Darstellung von Anknüpfungs- und Befundtatsachen Erläuterung der Untersuchungsmethoden und Offenlegung von Hypothesen Heranziehen von statistischen Erkenntnissen über die gewöhnlich zu erwartende Entwicklung einer Erkrankung Umgang mit diesen Anforderungen in der Praxis der ZMGA 65. Wiss. Kongress BVÖGD in Rostock - Wiese-Steinbrück/Dr. Lenk 23.04.2015 Seite 9 Untersuchungsanordnung mit Angaben zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung / vorherige ärztliche Beratung der Dienstbehörde 1. Medizinisches Vorgespräch ? • Form • Inhalt • Ergebnis = Amtsärztlich beratende Stellungnahme 2. Art und Umfang • Formulierungshilfen für die Dienstherrn 3. Fachärztliche Zusatzbegutachtung • Tendenz zur gesonderten Beauftragung mit der Folge, dass die Begutachtung insgesamt erheblich verzögert wird. 65. Wiss. Kongress BVÖGD in Rostock - Wiese-Steinbrück/Dr. Lenk 23.04.2015 Seite 10 Was kann und/oder darf der Amtsarzt noch? • Erhebung eines psychischen/psycho-pathologischen Befundes durch den Erstbegutachter? Hat der Amtsarzt die Fähigkeit, aus den erhobenen Befunden entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen? (Erfassung psychosomatischer Zusammenhänge) • Entscheidung, ob und welche Zusatzbegutachtung erforderlich ist? Wie kann adäquat reagiert werden? • Art und Umfang der amtsärztlichen Untersuchung neu definieren, i. S. der auch psychischen Befunderhebung Wo bleibt eigentlich der Datenschutz? 65. Wiss. Kongress BVÖGD in Rostock - Wiese-Steinbrück/Dr. Lenk 23.04.2015 Seite 11 Fazit: Perspektiven der Amts- und Vertrauensärztlichen Begutachtung • 1. Aus der Entwicklung der Auftragslage der ZMGA 2011 bis 2014 kein quantitatives Absinken bei der Beauftragung feststellbar. Ein leichter Rückgang bei der Beauftragung zur Überprüfung der Dienstfähigkeit ist zu verzeichnen.(Seit 2004 keine Verbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern) • 2. Vom Gesichtspunkt der Akzeptanz amtsärztlicher Gutachten wird die Tendenz zur Forderung nach fachärztlichen Gutachten deutlich. Fachärztliche Gutachten von Externen werden regelhaft vollständig übersandt. (Wettbewerbsvorteil? Ignorieren des Beamtenrechts einschl. des Datenschutzes) • 3. Unter dem Aspekt der beschriebenen Anforderungen an die Gutachten stellt sich die Frage der personellen Ausstattung der Amtsärztlichen Dienste. • 4. Ist eine rechtliche Klarstellung zur Übermittlungsbefugnis in den beamtenrechtlichen Vorschriften erforderlich? 65. Wiss. Kongress BVÖGD in Rostock - Wiese-Steinbrück/Dr. Lenk 23.04.2015 Seite 12 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 65. Wiss. Kongress BVÖGD in Rostock - Wiese-Steinbrück/Dr. Lenk 23.04.2015 Seite 13
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