Das Minuten-FGP - statusdentis.de

Zahnheilkunde
Das Minuten-FGP
Bei der Rekonstruktion okklusaler Strukturen bieten sich verschiedene Möglichkeiten
an. Die CAD/CAM-Technik ist im Augenblick wohl die avantgardistische. Die FGP
(Functionally Generated Path)-Technik umweht eher schon der Hauch von Vergangenem. Dr. Griesbeck hat diese Technik modifiziert, die er im Folgenden erläutert.
Diese stellt eine verfahrenssichere wirtschaftliche Methode zur Herstellung von Kauflächen bei nur geringem Zeitaufwand seitens des Zahnarztes dar, die zahntechnische
Umsetzung erfolgt in einem Präzisions-Vertikulator.
Dr. Anton E. Griesbeck
Die FGP-Technik, eine idiographische
Direktmethode mit langer Tradition, gewinnt wieder mehr und mehr an Bedeutung. Durch die von mir installierte kurze
Präzisionskette, unter Verwendung erstklassiger aber zugleich einfacher Registriermaterialien wurde das FGP-Konzept
chairside auf einen einfachen, verfahrenssicheren und zugleich wirtschaftlichen
Weg gebracht. Die zahntechnische Umsetzung dieses FGP-Prinzips geschieht in
einem im Mikrometerbereich arbeitenden,
hochpräzisen, feinmechanischen ausschließlich vertikal beweglichen Dentalgerät, dem Präzisions-Vertikulator (PV).
Diese modifizierte FGP-Technik gewinnt
zusehends mehr Anwender und ist auf
dem besten Wege sich einen exquisiten
Sektor in der Prothetik zu erobern, als eine
einfache Methode auf einem hohen individuellen okklusalen Präzisions-Niveau.
optimales längsachsiales Belastungspotenzial gewährleistet.
Vorgehensweise (chairside)
Studium der Zahnheilkunde und
Promotion an der Ludwig-MaximilianUniversität München
Niedergelassener Zahnarzt in eigener
Praxis in Schwangau/Füssen und
Brunneck/Südtirol
Seit 1987 mit der FGP-Technik befasst
Seit 2004 Patentinhaber für Verfahren
und Vorrichtung zur Rekonstruktion
okklusaler Strukturen
Nach erfolgter Präparation und Modellherstellung werden im Labor zwei passgenaue FGP-Träger hergestellt. Dies kann
mit verschiedenen Materialien wie z. B.
lichthärtenden Composite erfolgen. Auch
Metallgerüste für metallkeramische Arbeiten können verwendet werden (Abb. 1
und 2). Diese beiden FGP-Träger werden
je mit dem grünen und dem gelben
S-U-FGP-Funktionswachs beschickt
(Abb. 3 und 4). Am Behandlungsstuhl er-
folgt nun in einer zweiten postpräparatorischen Sitzung in wenigen Minuten das
Schreiben der beiden FGP-Registrate.
Nach dem Erwärmen in einem 52°C warmen Wasserbad werden nacheinander ein
Abb. 1
Abb. 3
Abb. 2
Abb. 4
Indikationsbereich
Das inaugurierte vertikale FGP-Konzept ist vielfältig einsetzbar. Es können
damit Inlays, Onlays, Einzelkronen und
Brücken, sowohl naturzahn- als auch implantatgetragen und auch im Rahmen von
Quadranten sowie Gesamtsanierungen gefertigt werden. Der Virtuosität des Behandlers sind keine Grenzen gesetzt. Auch
im Zuge von Remontagen in der Total/Teilprothetik und der Stable-Base-Technik eröffnet dieses vertikalisierte FGPPrinzip neue Möglichkeiten, um hervorragende verfahrenssichere okklusale Ergebnisse zu erzielen. Schließlich sei auch
die Belastungsproblematik von Implantaten erwähnt, deren physiologische Okklusierung mittels dieser FGP-Technik ein
2m
mZMK (21) 10/05
Zahnheilkunde
funktionellen Informationen erfasst. Diese
beinhalten ein Maximum an kauflächenrelevanten Botschaften, welche die spätere okklusale Morphologie determinieren.
Die zahnärztlichen Maßnahmen am Stuhl
sind somit abgeschlossen und der Zahntechniker kann mit seiner Arbeit beginnen.
Zahntechnischer Teil
Gerolf Richter
1984-1988 Ausbildung zum Zahntechniker
1987 2. Preis Gysi-Preis und 2. Landessieger Südbayern
1988 1. Preis Gesellenprüfung und
Kammersieger Südbayern
1995 Meisterprüfung in München und
anschließend selbstständig tätig
In 2000 Gründung des Labors STATUS
DENTIS für ästhetisch-funktionelle
Zahntechnik
statisch-anatomisches Registrat (passives
Relief grün) und ein funktionelles Registrat (aktives Relief gelb) angefertigt (Abb.
5 und 6). Damit sind alle patientenspezifische individuellen anatomischen und
Abb. 5
Abb. 6
ZMK (21) 10/05m
Nach vorgenommener Montage des minimalisierten Meistermodells auf der Basisplatte des PV (Präzisions-Vertikulator)
werden nacheinander das passive Relief
(grün) und das aktive Relief (gelb) auf
dem Meistermodell reponiert (Abb. 7 und
8) und mit Superhartgips unter Einbeziehung der approximalen Referenzzähne
überkontert (Abb. 9). Die ausgehärteten
Konter sind im Anschluss, ohne zuvor von
den Registraten gelöst zu werden, am Vertikalschlitten des PV zu montieren (Abb.
10). Nach Ausarbeitung der Konter und
Darstellung der Referenzzahn-Impressionen (Abb. 11 und 12) beginnt die rein vertikale zahntechnische Herstellung dieser
FGP-Kauflächen. Zuvor erfolgte noch die
Kompensation der Gipsexpansion mittels
der Feinjustierschraube des PV. Damit ist
die vertikale Dimension durch den multifunktionellen Feinmessblock, welcher unter anderem Stützstiftfunktion hat, metallisch während der gesamten Dauer des
zahntechnischen Fertigungsprozesses eingefroren. Die wichtige Sicherung der
physiologischen Okklusionshöhe ist somit
während des gesamten zahntechnischen
Arbeitsablaufes gewährleistet. Die spätere Kauflächenarchitektur orientiert sich
zunächst am A-Konter (passives Relief)
(Abb. 13). Dieser repräsentiert den Gegenbiss des herkömmlichen Gegenkiefers
im Artikulator. Er dient als Matrix für die
anatomische Grundform. Mit dem F-Konter (aktives Relief), welcher die Funktionsbewegungen beinhaltet, werden die
funktionellen Freiräume in die primär angelegte okklusale anatomische Struktur
eingeschliffen (Abb. 14). Ist die Shimstock-Hältigkeit im Bereich des Referenzzahnes, des rekonstruierten Okklusalfeldes und des Metallanschlages (Abb.
18) erreicht, so liegt die durch die beiden
Registrate primär vorgegebene und
Abb. 7
Abb. 8
Abb. 9
Abb. 10
Abb. 11
m3
Zahnheilkunde
Abb. 12
Abb. 15
Abb. 18
Abb. 13
Abb. 16
Abb. 19
Abb. 14
Abb. 17
Abb. 20
schließlich intraoral angestrebte physiologische Vertikale definitiv vor. Bei exater Einhaltung der kurzen Präzisionskette
finden sich die vorliegenden Kontaktpunkte in der extraoralen PV-Situation
identisch im Munde des Patienten wieder
(Abb. 19 und 20).
Aufzeichnen periodontischer und neuromuskulärer Informationen, welche für die
filigrane Feinmorphologie der späteren
Kaufläche unerlässlich ist. Das vom Autor
verwendete S-U-FGP-Funktionswachs erfüllt diese Voraussetzungen bestens.
findet sich bei Artikulatoren-Systemen
der Stützstift dort, wo dieses System am
labilsten ist. Mittels des multifunktionellen Feinmessblockes kann sowohl über
die Feinjustierschraube die Gipsexpansion kompensiert als auch die Vertikale
während des gesamten zahntechnischen
Herstellungsprozesses metallisch eingefroren bzw. gesichert werden. Andererseits kann zur Kompensation der
Schrumpfung von keramischen Massen
eine vertikale Vorgabe im Mikrometerbereich vorgegeben werden. Eine Feinmessuhr (Abb. 17) ermöglicht die optische
Kontrolle augenblicklich vorliegender
Vertikalbezüglichkeiten zwischen dem
okklusalen Rekonstruktionsfeld und dem
A/F-Konter.
FGP-Medium
Die Charakteristika des FGP-Mediums
sind von entscheidender Bedeutung. Dieses Medium muss einfach zu handhaben
sein. Dimensionstreue und extraorale
Formstabilität sowie eine glatte homogene Oberfläche sind weitere wichtige Kriterien. Die Bolus-Eigenschaft ist wiederum von allergrößter Wichtigkeit für das
4m
Präzisions-Vertikulator
Mit dem Präzisions-Vertikulator (PV)
(Abb. 21) wird dem Zahntechniker ein
hochwertiges feinmechanisches Dentalgerät in die Hand gegeben. Als Stützstift
fungiert der zwischen den beiden spielund stufenlos laufenden Säulen sich befindende Feinmessblock. Der Stützstift
dieses Systems ist dort installiert, wo es
am stabilsten ist. Im Gegensatz hierzu be-
mZMK (21) 10/05
Zahnheilkunde
Abb. 21
Vertikale FGP-Technik
Im Gegensatz zu den kiefergelenksbahnbezogenen Messdaten und deren
Transfer in entsprechend adjustierbare Artikulatoren-Systeme geht das FGP-Prinzip den direkten 1:1-Weg. Bei der vom
Autor modifizierten FGP-Technik dominiert das Diritissima- und zugleich auch
das Minimierungsprinzip. Das passive
Relief erfasst unter Kaulast die anatomische Morphologie des Gegenbisses bei
gleichzeitiger Registrierung periodontischer Mobilitäten der beschliffenen Zähne, der Antagonisten und, weil in geschlossener Zentrik erfolgend, auch der
übrigen Zähne und die biosensible Dynamik angrenzender Gewebsstrukturen des
betreffenden stomatognathen Systems.
Das aktive Relief hingegen repräsentiert
zusätzlich die plastische Ausformung spezifischer Kaubewegungen. Der Boluscharakter des S-U-FGP-Funktionswachses und dessen beschriebenen physikalischen Eigenschaften sind entscheidende
Glieder in der kurzen Präzisionskette. Die
Vertikalisierung der FGP-Technik ist
schlussendlich ein zwingend logischer
Schritt. Da das passive bzw. aktive Relief
und später die daraus resultierenden Aund F-Konter ein Höchstmaß an okklusa-
ZMK (21) 10/05m
len Determinanten enthalten, verfügen sie
über einen pluripotenten und dimensionsgenauen Stempelcharakter. Dieser kann
seine in ihm konzentrierten Informationen
ideal in einer rein vertikalen Bewegung
exakt auf die zu rekonstruierende Kaufläche transferieren. Die metallische Sicherung der Vertikalen verbunden mit einer
mikrometrischen optischen Kontrolle sind
entscheidende Vorteile und nur mit dem
Vertikalsystem des PV möglich. Gegenüber dem Schanierachsensystem führt
eine vertikale Absenkung beim Einschleifen von Kauflächen im PV zu einer
gleichmäßigen isomikrometrischen Annäherung an die anzustrebende spätere
physiologische Sollhöhe im gesamten okklusalen Rekonstruktionsfeld. Das heißt
bei der Entfernung von Frühkontakten nähert sich die spätere Kaufläche gesamtheitlich der gewünschten physiologischen
Vertikalen bei gleichzeitiger Etablierung
ubiquitärer funktioneller Freiräume bzw.
der späteren anatomischen Morphologie.
Diese idiographisch generierten Funktionsräume sind zwangsläufig so klein wie
möglich und so groß wie notwendig. Es
entstehen Kauflächen mit hohem zerschneidenden Wirkungsgrad bei der Nahrungszerkleinerung. Der Speisebolus wird
kraftschonend geschnitten und nicht die
Kaumuskulatur und das Parodont provozierend gequetscht.
Fazit
Die vorgestellte vertikale FGP-Technik
wird bereits von zahlreichen Zahnärzten
tagtäglich erfolgreich angewandt. Die
Zahl der korrekturfrei in den vergangenen
drei Jahren inkorporierten FGP-Kauflächen ist in der Zwischenzeit auf nahezu
4000 angewachsen. Diese modifizierte
FGP-Technik schafft stuhlseits mit geringem Zeitaufwand die Vorraussetzung zur
Herstellung „maßgeschneiderter“ Kauflächen. Diese müssen intraoral nicht mehr
eingeschliffen werden. Die idiographisch
generierten Funktionsräume dieser FGPKauflächen sind so klein wie möglich und
so groß wie notwendig. Das Schneidewerkzeug Zahn entfaltet dadurch seine
höchste Wirkung im harmonischen Bewegungsablauf zwischen Höckern und
Fissuren während der Mastikation. Die
statische Schlussbisssituation ist in hohem
Maße parodontophil. Der Patient signalisiert spontan ein ausgezeichnetes „okklusales Wohlgefühl“. Bei strikter Einhaltung
der kurzen Präzisionskette liegt die Verfahrenssicherheit im Bereich von 100 Prozent. Natürlich muss der Patient, wie auch
bei anderen okklusalen Restaurationskonzepten neuro-, arthro-, myo-, okkluso- und
parodontophatisch unauffällig sein.
Das gänzliche Eleminieren nachträglicher okklusaler intraoraler Korrekturen
macht diese vertikale FGP-Technik auch
wirtschaftlich. Sie spart Zeit, Geld und
Nerven. Die zahntechnische Umsetzung
ist problemlos.
Es ist erwiesenermaßen besser, Fehler
zu vermeiden als Fehler zu verbessern.
Diese modifizierte FGP-Technik folgte
diesem Grundsatz. „So wenig Arbeitsschritte wie möglich, so viel wie notwendig“. Der Indikationsbereich ist vielfältig
und findet seine Entsprechung in der Virtuosität und Meisterschaft des Behandlers.
Fallbeispiel aus Praxis Dr. Reiser &
Sonner, Kirchplatz 6, 82049 Pullach.
Korrespondenzadressen:
Dr. Anton Griesbeck
Postfach1669
87629 Füssen
Tel.: 0172 83 222 72
E-Mail: [email protected]
Zahntechnischer Teil und Fotos
Gerolf Richter
STATUS DENTIS
Frauenbergstr. 7
81379 München
Tel.: 089 72 400 924
Fax: 089 72 400 925
E-Mail: [email protected]
[email protected]
In eintägigen Arbeitskursen vermittelt der
Autor das „Minuten-FGP“ anhand von
Fallbeispielen. Näheres unter der Terminrubrik in diesem Heft.
m5