Martyrium – vom Tod des Gerechten

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DER EVANGELISCH-REFORMIERTEN KIRCHE DES KANTONS ST.GALLEN
www.kirchenbote-sg.ch
THEMA:
Martyrium – vom
Tod des Gerechten
KARWOCHE UND OSTERN –
TOD UND AUFERSTEHUNG IM KIRCHENJAHR
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SEITE 9
VOM VÖLKERMORD 1915
DAS LEIDEN BENENNEN
Der Patriarch
Kreuzwege
SEITE 15
Der Totengräber
FASZINIERT VOM TOD
EDITORIAL
IM ANFANG
Liebe Leserin, lieber Leser
In den Wirren des 1. Weltkriegs haben jungtürkische Nationalisten damit begonnen, die
angestammte armenische und aramäische
Bevölkerung zu vertreiben oder zu töten.
Das war vor 100 Jahren – weshalb wir in
dieser Nummer an den Leidensweg der
armenischen Christen erinnern.
Unser Titelbild zeigt ein durchstochenes
Herz, das, mit einem ewigen Licht versehen,
der Verehrung diente und jetzt Teil einer
In­stallation mit dem Namen «Gnade» ist.
Das Symbol aus der katholischen Volksfrömmigkeit erweckt unmittelbar Mitgefühl. Es ist
auch das Herz Marias, das sich angesichts
des Todes ihres Erstgeborenen anfühlt wie
vom Schwert durchdrungen. So wird dieses
Herz zum Inbegriff für unser aller Schmerz
über vielfältiges Leiden und Sterben, das die
Geschichte der Menschheit prägt.
Diesen Schmerz, so berichten die Evangelien,
hat auch Jesus in Gethsemane durchlebt.
Er fügte sich dem Willen Gottes, sein eigenes
Leben hinzugeben, bis zum Tod am Kreuz.
Doch der Tod hatte nicht das letzte Wort.
Frauen am Grab und viele weitere bezeugten
seine Auferstehung. Die Schriften halfen den
Jüngern und den Urgemeinden, in diesem
Tod Sinn und neues Leben zu erfahren und
zu bezeugen. Der Meister ist nicht hingegangen, um die Seinen verwaist zurückzulassen.
Seine Einheit mit dem Vater soll durch den
«Geist der Wahrheit» allen zukommen.
Viele folgten dem Leidensweg Jesu in Zeiten
der Verfolgung. Weil sie ihren Glauben in
Wort und Tat bezeugen, nennt man sie Märtyrer (Zeugen). Die alte Kirche sammelte
die Akten der Märtyrer, gedachte ihrer am
Todestag und ehrte sie als Heilige, die mit
Jesus vom Jenseits her belebend wirken.
Heute dominiert eine säkulare Gedenkkultur.
Als Christen sehen wir das Leben der Ermordeten aber stets auch in grösseren Zusammenhängen, auch mit dem Herzen Marias. ■
Andreas Schwendener
2 AUSGABE 4/2015
Kreuzweg 2011 in St.Gallen – mit dem Einschlagen der Nägel wird an den Tod Jesu und anderer Märtyrer erinnert.
Stellvertretendes Leiden
Text: Annette Spitzenberg, Spitalseelsorgerin, St.Gallen | Foto: as
«Dieser Mensch wuchs auf wie ein
Keimling vor Gott … ohne Ansehen
und ohne Ausstrahlung, auf die wir
geachtet hätten, da war kein Anblick,
der uns gefallen hätte. Verachtet
und von Menschen gemieden, voller
Schmerzen, vertraut mit Krankheit, …
so verschmäht war er, wir achteten
diese Gestalt nicht. Doch in Wahrheit
trug sie unsere Krankheiten.»
Jes. 53, 2.3.4a
Mir gefällt, dass die Forschung nicht genau
weiss, wer mit den Gottesknechtliedern des
Deuterojesaja gemeint ist. Ist es eine Kollektiv­
grösse, das Volk Israel? Der Prophet selbst? Ein
unbekannter Mensch? Ist der leidende Messias
gemeint?
Klar ist: Gott ist auf der Seite des leidenden Got­
tesknechtes – wider allen Augenschein, wider
alle, die behaupten, Gott sei nur auf Seiten der
Erfolg-Reichen, Gesunden und Starken. Und so
haben Christen später Jesu stellvertretendes
Leiden mit diesem Text gedeutet, seine radikale
Hingabe an die Bitte: «Dein Wille geschehe».
Gerade weil der Gottesknecht keine historische
Person ist, sind wir aufgerufen, ihn in Leidenden
zu entdecken, in ihnen Christus zu sehen.
EIN SINN IM LEIDEN?
Durch Hingabe kann Leiden transformiert und
ihm ein Sinn abgerungen werden. Nicht indem
man es verklärt oder rechtfertigt, nicht in einer
Opfermentalität, die von andern – namentlich
Frauen – verlangt, lieber zu leiden, anstatt
­Unrecht die Stirn zu bieten, sondern in einer
«unbedingten Liebe zur Wirklichkeit», ohne den
Wunsch nach ihrer Veränderung aufzugeben, wie
Dorothee Sölle in «Leiden» schreibt. Es ist eine
Erfahrung, die auch Viktor Frankl gemacht hat,
der die Schoah (Holocaust) überlebte. Seinem
Leiden einen Sinn abzuringen, war die Kraft, die
es ihm ermöglichte, das Grauen zu überleben!
In meiner Arbeit begegnen mir immer wieder
Gottesknechte, Frauen und Männer. Es sind Men­
schen, denen es gelingt, mit schwersten Schick­
salen umzugehen, die mitten im eigenen Leiden
sich verbunden wissen mit andern Leidenden,
die ihrem Leiden einen Sinn abringen, Angehöri­
ge, die in liebevollster Hingabe einfach da sind.
Ich habe grosse Hochachtung vor ihnen.
AUFERSTEHUNG IM LEBEN UND STERBEN
So erinnere ich mich an einen Mann, dem nach
seiner Krebsdiagnose unerwartet wenig Lebens­
zeit übrig blieb. Es war spürbar, dass er schwer
getragen hatte in seinem Leben, das er in ziem­
lich grosser Einsamkeit verbracht hatte. Sein
Leben hat sich in seinen letzten Lebenswochen
so eindrücklich verdichtet, dass er plötzlich Ver­
bundenheit erfuhr, Versöhnung erlebte mit dem
Gewesenen und vor allen Dingen mit sich selbst,
sodass aus dem verfallenden Körper spürbar ein
anderes Licht zu leuchten begann. Ich sah Chris­
tus in ihm und sagte ihm dies auch. Seine letzten
Worte an mich berührten mich tief: «Ich bin ein
solcher Glückspilz.» Diese Auferstehungskraft,
mitten im Sterben, die Kraft der Liebe als ein
­unbedingtes Ja zu dem, was ist, das ist die Kraft
des Gottesknechtes, die Ohn-Macht der Liebe
­Jesu am Kreuz.
Zum Glück muss man nicht sterbend sein, um
solche Erfahrungen zu machen. Es genügt die
Absicht, sich einzuschwingen auf diese radikale
Liebe zur Wirklichkeit, die eine so stark wan­
delnde Macht hat, dass sie Auferstehungskräfte
freisetzt. ■
IM BRENNPUNKT
«Gott allein weiss,
was das bedeutet»
Vor 70 Jahren wurde Dietrich Bonhoeffer im Widerstand gegen die Nazi-Diktatur ermordet.
Interview: Daniel Klingenberg | Fotos: zVg
Interview mit Christiane Tietz
Christiane Tietz, Professorin an der Theologischen
Fakultät der Universität
Zürich und Vorsitzende der
deutschsprachigen Sektion
der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft.
Sie ist Autorin des Buches
«Dietrich Bonhoeffer:
Theologe im Widerstand».
In den letzten Kriegstagen des Zweiten
­Weltkriegs ermordeten die Nationalsozialisten den deutschen Theologen Dietrich Bonhoeffer. Er fasziniert, weil er sich entschlossen gegen das NS-Regime auflehnte. Aus
­religiöser Überzeugung nahm er auch einen
Tyrannenmord in Kauf.
Am 9. April vor 70 Jahren wurde Dietrich
Bonhoeffer von den Nationalsozialisten
umgebracht. Wäre er auch eine solche
Lichtgestalt, wenn er überlebt hätte?
Christiane Tietz: Wohl kaum. Die Ermordung hatte zur Folge, dass Bonhoeffer von seinem Ende
her interpretiert wurde. Es wirkte wie eine Bestätigung für die Richtigkeit seines Lebensweges.
Bonhoeffer wurde zunächst nicht durch seine
Theologie bekannt, sondern weil seine Person
und sein Lebensweg in der Nachkriegszeit faszinierten.
Bekannt ist er vor allem wegen zwei Dingen:
dem Gedicht «Von guten Mächten» und dem
politischen Widerstand in der NS-Zeit.
Das sind zwei Perspektiven auf Bonhoeffer: Die
erste knüpft an bewegende Gedichte und andere
prägnante Aussagen an, die sich weltweit erbaulich gut vermarkten lassen. Die zweite Deutung
ist die als Vorbild, wie sich Christen politisch zu
engagieren haben. Daneben gibt es viele andere
Bonhoeffer-Interpretationen, von der konservativen bis zur liberalen Theologie.
In manchen Kreisen ist Bonhoeffer eine
Art moderner Heiliger. Gibt es Legenden­
bildungen?
Der Lagerarzt von Flossenbürg, wo Bonhoeffer
ermordet wurde, stilisierte später Bonhoeffers
Tod. Er sei mutig zum Galgen gestiegen und in
grossem Gottvertrauen gestorben. Das war eine
Erfindung des Arztes.
Eines Ihrer Bonhoeffer-Bücher heisst: «Theologe im Widerstand». Was hat Bonhoeffer
genau getan?
Man kann zwei Phasen in seinem Widerstand gegen das NS-Regime unterscheiden. In der ersten
Zeit in den 1930er-Jahren geht es um den Kirchenkampf und damit um die Frage, inwiefern
sich die Kirche von den Nazis gleichschalten
lässt. Entzündet hat sich der Widerstand Bonhoeffers am sogenannten «Arierparagrafen».
Pfarrer, die jüdische Wurzeln hatten, wurden aus
dem Kirchendienst entlassen.
Bekannter ist seine Mitgliedschaft in der Gruppe um Admiral Canaris, die das Attentat auf
Hitler geplant hatte. Es scheiterte am 20. Juli
1944.
Bonhoeffer war ab 1940 Mitarbeiter in der Wehrmacht im Amt Ausland/Abwehr. Sein Schwager
Hans von Dohnanyi hatte ihm diese Stelle vermittelt. In dieser Funktion hat Bonhoeffer in
der Widerstandsgruppe mitgearbeitet, bis er
im ­April 1943 schon vor dem Attentat verhaftet
wurde. Bonhoeffer hatte nicht im Sinn, selber
­eine Bombe in die Hand zu nehmen, aber er war
sozusagen im Grossraum der Vorbereitungen
zum Attentat tätig. Dass er in der Wehrmacht
­arbeitete, irritierte viele Personen, kurzzeitig
auch Karl Barth. Bonhoeffer musste diesen dann
erst über seine V-Mann-Tätigkeit aufklären.
«Bonhoeffer sagt, dass es Verhältnisse wie die NS-Diktatur gibt, in denen
wir Menschen so oder so schuldig
werden. Ob der Mensch den Widerstand wählt oder nicht, beides ist
schuldbehaftet. Die eine Haltung
durch die Unterlassung von Widerstand, die andere beispielsweise
durch Gewalt.»
Weiss man etwas über die Motivation
­Bonhoeffers?
Hier gibt es natürlich keine direkten Dokumente.
Klar ist, dass ihm bewusst war, in Todesgefahr
kommen zu können. Vor seinem Wehrmacht-Engagement war er in den USA, beim Entschluss
zur Rückkehr schrieb er: «Gott allein weiss, was
das für mich bedeutet.» Klar ist auch, dass er
von der Ermordung der Juden in den Lagern
wusste.
Was waren die Aufgaben Bonhoeffers in der
Widerstandsgruppe?
Er hatte seelsorgerliche Aufgaben, machte Pläne
für ein Deutschland nach einem erfolgreichen
Dietrich Bonhoeffer erachtete in der NS-Zeit den Tyrannenmord als eine von Gott befohlene Möglichkeit – obwohl damit gegen das Tötungsverbot verstossen wird.
Attentat auf Hitler und warb im Ausland, beispielsweise in England, für die Ziele der Widerstandsgruppe. Man wollte erreichen, dass
Deutschland nach einem Attentat nicht dem
Erdboden gleichgemacht würde.
Mit dem Attentat nahm Bonhoeffer auch
Gewalt in Kauf. Wie legitimierte er das als
Theologe?
Gar nicht. Aber er reflektiert diese Frage und
sagt, dass es Verhältnisse wie die NS-Diktatur
gibt, in denen wir Menschen so oder so schuldig
werden. Ob der Mensch den Widerstand wählt
oder nicht, beides ist schuldbehaftet. Die eine
Haltung durch die Unterlassung von Widerstand,
die andere beispielsweise durch Gewalt.
Das fünfte Gebot «Du sollst nicht töten» gilt
für den Tyrannenmord nicht?
Doch, für Bonhoeffer gilt es wohl ohne Ausnahme. Aber es gibt Situationen, in denen sich der
Christ verpflichtet fühlt, diesem Gebot zuwiderzuhandeln. Dann nämlich, wenn er einen kon­
kreten Ruf Gottes hört. Weil der Christ von der
Vergebung lebt, hat er den Mut, schuldig zu
werden.
Ist Bonhoeffer für Sie ein Märtyrer?
Ich bin vorsichtig mit dieser Begrifflichkeit. Bonhoeffer und seine Biografie sind vielschichtig.
Er ist mit seinem Engagement zweifellos ein Vorbild, das uns heute Lebenden kritisch befragt.
Daneben hat er konservative Züge, etwa im
Staatsverständnis und der Geschlechterhierarchie, die sehr zeitbedingt sind. ■
WWW.KIRCHENBOTE-SG.CH 3
THEMA
legt. Noch den letzten zerschmetterten Verletzten haben Uniformierte aus dem Bett des
Schweizer Spitals von Urfa gezerrt, um ihn zu töten. Die beschönigenden Propagandalügen von
Bevölkerungsaustausch oder der immer wieder
angeführten armenischen Kollaboration mit den
Russen dementierte Künzler.
Dank seiner Berichte wird die abstrakte Zahl von
1,5 Millionen Toten konkret. 1,5 Millionen Tote
für die Homogenisierung der bis dahin multiethnischen und multireligiösen Türkei – das war
das Völkermord-Programm der jungtürkischen
Regierung.
Ausschnitt vom Bücherregal des Armenierpfarrers Shnork Tchekidjian: Die Gegenstände machen die Verwurzelung der Armenier in ihrer Tradition sichtbar.
Armenische Tragödie
immer noch im Kopf
Zum Genozid an den Armeniern vor 100 Jahren
Text: reformiert. Nr. 1.2, Zürich, Delf Bucher | Fotos: Martin Guggisberg
1,5 Millionen ermordete Armenier – das ist
die Zahl des ersten staatlich organisierten
Massenmords vor 100 Jahren. Eine Ziffer, die
die offizielle Türkei bestreitet, eine Zahl des
Schreckens, die für die hier porträtierten
Personen eine besondere Bedeutung hat.
Im Palast des Wali, des Präfekten von Aleppo, im
Jahr 1915: Der osmanische Staatsdiener braust
auf, schreit seinen armenischen Leibarzt an: «Ungläubige wie dich wollen wir nicht mehr auf dem
heiligen Boden unseres Osmanischen Reiches. Morgen werden
dich meine Soldaten holen!» Der
inszenierte Wutausbruch des Präfekten ist eine versteckte Lebensrettung. Denn zuvor ereilte den
Wali der Regierungsbefehl, die
christlichen Armenier zum Hungermarsch in die Wüste zu deportieren.
DER RETTER
Diese Geschichte hat sich tief in
das Familiengedächtnis der Familie Ziegler aus Uitikon eingegraFelix Ziegler
ben. Felix Ziegler hat über seine
armenische Frau Ani davon erfahren, die Enkelin
des armenischen Leibarztes.
Felix Ziegler fabuliert wie ein orientalischer
­Erzähler. Er erzählt gerne Geschichten mit
4 AUSGABE 4/2015
­ appy End. Aber Hunderttausende armenische
H
Geschichten fanden keinen glücklichen Ausgang.
Das weiss kaum ein Schweizer besser als er.
1968 brach Ziegler in den Libanon auf. Er leitete
dort bei Beirut die Behindertenschulen und die
Heime für armenische Blinde und Alte, die ursprünglich vom Schweizer Missionar und Laienarzt Jakob Künzler und seiner Frau Elisabeth begründet wurden. Dort begegnete er den mittlerweile alt gewordenen Armenierwaisen, in denen
sich immer wieder der Albtraum des Genozids
von 1915 und 1916 mit seinen grausamen Massakern und Todesmärschen hochdrängte.
Die ersten sieben Jahre im Zedernstaat verliefen für den gelernten
Primarlehrer ruhig. Dann brach der
Bürgerkrieg zwischen muslimischen,
palästinensischen und linken Kräften und christlichen Gruppen aus.
Die neutral gebliebenen Armenier
standen zwischen allen Fronten.
Ziegler vermittelte, half dem IKRK
bei der Evakuierung verwundeter
Palästinenser oder belagerter Christen bei der Versorgung mit Lebensmitteln. Die
Blinden und Betagten evakuierte er in die Libanonberge, die Taubenschule ins damals sichere
Syrien.
EXKURS
THEMA
MITTEN IM ORKAN DES VÖLKERMORDS 1915/16 WURDE JAKOB
KÜNZLER ZU EINEM DER WENIGEN
UNPARTEIISCHEN ZEITZEUGEN.
Wie Künzler in den Zeiten des Genozids hielt
auch Felix Ziegler mitten im Bürgerkrieg die
­Stellung. Sicher half ihm dabei etwas, das er
mit Künzler teilte: der Glaube. Für seine christlich-pazifistischen Prinzipien war er 1968 in der
Schweiz als Dienstverweigerer ins Gefängnis gekommen und hatte sich damit die Möglichkeit
verbaut, seine Karriere als Lehrer fortzusetzen.
Das hatte den Ausschlag gegeben, in den Libanon zu gehen.
DER ARMENIENVATER
Auch Künzler vermittelte, bugsierte 8000 Waisen
durch die Türkei in den sicheren Hafen von Beirut. Aber er sah auch viele während des Völkermords in den Tod gehen. Künzler ist oft verzweifelten Frauen begegnet. «Als ich einmal mit Brot
erschien, riefen mir die Frauen zu: ‹Brot bringst
du uns? Uns, den Kindern des Todes? Nein, bringe nicht Brot, aber Gift, viel Gift.›», schrieb er
einmal über Frauen, die kurz davor standen,
den todbringenden Hungermarsch anzutreten.
Mitten im Orkan des Völkermords wurde Jakob
Künzler zu einem der wenigen unparteiischen
Zeitzeugen. Mit «Plan und Wille», sollte er später
schreiben, vollzog sich die behördlich organisierte Vernichtungspolitik. Die in der Türkei beliebte These, ein undiszipliniertes Marodieren
aufgebrachter Menschen habe das «Massaker»
ausgelöst, wird durch seine Aufzeichnung wider-
Heute will Felix Ziegler den Völkermord im
­Bewusstsein der Schweizer Bevölkerung ver­
ankern. Mittlerweile pensioniert, hilft das Vorstandsmitglied der Gesellschaft Schweiz-Arme­
nien mit, den Gedenkanlass im Berner Münster
am 24. April zu organisieren.
Das Datum steht für die Ermordung von über
200 Intellektuellen in Istanbul und für den Anfang des Mordens. Ziegler, der moderne «Armenierfreund», engagiert sich auch bei der armenischen Kirche, die der verstreuten armenischen
Diaspora von rund 6000 Armenischstämmigen
in der Deutschschweiz eine spirituelle Heimat
bieten will.
DER WANDERPREDIGER
Ihr Pfarrer, Shnork Tchekidjian, ist ein Wanderprediger, der in katholischen und reformierten
Gotteshäusern zwischen Kreuzlingen, Dübendorf
und Baden Gastrecht erhält, um mit seinen
Gemeindegliedern Messe zu feiern. «Eine Kirche
ohne Kirche, aber mit Gott», sagt der Pfarrer in
seinem kleinen Büro in Opfikon.
Hier in dem kleinen Raum drängt sich buchstäblich ganz Armenien zu einer Welt im Kleinen zusammen. In den Regalen reihen sich berühmte
Steinkirchen en miniature auf, finden sich Fotos
von armenischen
Grabstelen, vom heiligen Berg der Armenier, dem Ararat,
oder auch ein Fähnchen Armeniens. In
die ehemalige Sowjetrepublik hat es
viele der Überlebenden nach dem Genozid verschlagen.
Auch die zahlreichen
armenischen Bücher
künden davon, dass
hier der spirituelle
Shnork Tchekidjian
Botschafter der
Deutschschweiz seinen bescheidenen Sitz hat.
Die beengten Verhältnisse offenbaren die finanziell
prekäre Lage, wie auch den Willen, Kultur und Religion der Armenier ins 21. Jahrhundert zu retten.
Eines ist Tchekidjian besonders wichtig: Auch in
der vierten Generation soll die Sprache erhalten
werden. Trotz seiner weit verzettelten seelsorgerischen Aufgaben will er noch den Sprachunterricht für die Jungen initiieren. «Die Sprache zu
erhalten, das ist sehr wichtig. Die Sprache
­verkörpert den Charakter unseres Volkes, un­
serer Kultur», sagt er. Aber eine Sprache müsse
gesprochen werden. Einmal die Woche Armenisch-Unterricht, das sei nicht genug.
DIE NACHGEBORENE
Die 27-jährige Eugénie Renold spricht Armenisch.
Die junge Frau hat sich schon lange mit ihrer
­Vergangenheit auseinandergesetzt, spürt ihrer
Herkunft nach. Die Studentin des Fachs Populäre
Kulturen widmete auch ihre Bachelorarbeit der
Erinnerungskultur. Dafür studierte sie nicht nur
eine ansehnliche Liste theoretischer Literatur,
sondern baute eines Tages vor der Grossmutter
das Aufnahmegerät auf. Lange hatte ihre Grossmutter von sich aus immer einen Bogen um das
Thema gemacht. «Sie wollte uns mit ihren tragischen Erinnerungen
nicht belasten.»
Nun aber entwickelte
die Grossmutter bei
der Befragung ein erstaunliches Gedächtnis für das, was ihre
Mutter über die blutige Zeit von 1915
und 1916 erzählt hatte. Detailreich schilderte sie, wie ihre
verwaiste Mutter mit
deren Grossmutter
1916 unter glückliEugénie Renold
chen Umständen
auf ein Boot gelotst wurde und bei bewegter See
auf dem Schwarzen Meer nach Istanbul gelangte.
Hier lebte die dezimierte Familie in einem Zelt.
Dank einem Schneider aus ihrem Heimatdorf,
der mit dem Übertritt zum Islam seinen Kopf
­rettete und ein Schneidergeschäft in Istanbul
­betrieb, konnte die Familie überleben.
1956, nach einer Gewaltorgie gegen die Armenier
in Istanbul, ist die Grossmutter in die Schweiz
gekommen. Zuerst musste sie mit ihrem Mann in
einem fremden Land eine wirtschaftliche Basis
legen. Für eine tiefer gehende Auseinandersetzung war da wenig Raum vorhanden. «Vielleicht
ist es ganz typisch: Erst wir Nachgeborenen, die
heute ein sicheres Fundament haben, können
uns mit der belastenden Vergangenheit ausei­
nandersetzen», sagt Renold.
DIE TRAUMAFORSCHERIN
Aber rein privat ist Eugénie Renolds Interesse an
der armenischen Tragödie keineswegs. «Das Geschichtstrauma schwingt mit, egal ob ich meine
Cousins in Paris oder New York treffe: Es ist bei allen spürbar.» Am wichtigsten, um das Trauma verarbeiten zu können, wäre eben eines: die interna­
tionale Anerkennung des Traumas. «Im Gegensatz
zum Holocaust, der anerkannt, wahrgenommen
und somit verarbeitet wurde, konnten wir Armenier unser Trauma noch nicht verarbeiten.» ■
Am 7. Mai 2015 spricht in Hundwil AR zum Thema
des Genozids an den Armeniern Prof. Dr. HansLukas Kieser, Zürich, Professor für Geschichte der
Neuzeit, insbesondere der osmanischen Welt.
Der Armeniervater Jakob Künzler
Text: Jakob Künzler | Foto: www.aga-online.org
Jakob Künzler mit Ehefrau Elisabeth
Jakob Künzler (1871–1949) arbeitete von 1899 bis
1922 als Krankenpfleger in einem Missionsspital
in der osmanischen Stadt Urfa (heutige Südosttürkei). Dort verfasste er das Buch «Im Land des
Blutes und der Tränen», das 1921 erschien. Es ist
einer der wichtigsten neutralen Augenzeugenberichte der armenischen Tragödie im Ersten Weltkrieg. Hier ein Auszug aus dem Buch.
NICHT ALLE WAREN UNBARMHERZIG
«Viele Armenier der Stadt hatten Freunde unter
den Muhammedanern. Letztere waren nicht alle
so unbarmherzig, dass sie sich mit dem gleichen
unglaublichen Zynismus der Regierung an der
Vertilgung des Volkes beteiligt hätten. Es verschwanden denn auch aus den Deportiertenlagern täglich armenische Frauen und Kinder, die
nicht getötet wurden. Sie fanden Unterschlupf
bei solchen menschlich gesinnten moslemischen
Freunden. Der Regierung, welche von dieser Art
Flucht wusste, schien schliesslich auf diese Weise noch zuviel von dem armenischen Volk übrig
zu bleiben, weshalb sie schliesslich bekannt gab,
dass jeder, der Armenier aufnehme, Gefahr laufe,
ebenfalls deportiert zu werden.
Auch der Oberrichter der Stadt wurde vom
Kriegsgericht aufgefordert, die bei ihm vorhandenen armenischen Christen herauszugeben.
Dieser Mann war im Juli 1915 von Erzingjan nach
Urfa strafversetzt worden, weil er dort gegen die
Ausweisung der Armenier protestiert hatte. In
Urfa präsidierte er in jenen Unglückstagen eine
Versammlung, in der Stellung gegen die Armeniergreuel genommen wurde. In seinem Hause
hatte er einer Anzahl Armenierinnen Aufnahme
gewährt. Der General liess ihn nach dieser Versammlung zu sich rufen … Dessen ungeachtet
hatte er nach wenigen Tagen wieder Flüchtlinge
in sein Haus aufgenommen.» ■
Aus Jakob Künzler: «Im Land des Blutes und der Tränen».
Erlebnisse in Mesopotamien während des Weltkrieges
(1914–1918). Chronos Verlag, Zürich, 1999, Fr. 20.–
Armenische Goldarbeit: «Sei getreu bis in den Tod, und
ich werde dir die Krone des Lebens geben.» Apk. 2, 10b
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THEMA
«Wir wollen wieder zurück!»
Interview mit Ignatius Ephrem II., Oberhaupt der syrisch-orthodoxen Kirche
Text: reformiert. Nr. 1.2, Zürich, Delf Bucher | Foto: wikimedia.org
Christliche Minderheiten sind im Orient unter
Druck: Ignatius Ephrem II., Oberhaupt der
syrisch-orthodoxen Kirche, ist dennoch
optimistisch, dass die Christen in ihren
Herkunftsländern verwurzelt bleiben.
Ihre Familie ist während des Völkermords an
Aramäern und Armeniern aus der Türkei
geflohen. Hat Sie dies als Kind beschäftigt?
Die Vertreibung war täglich ein Gesprächsthema.
Ich kann mich gut erinnern, wie die Älteren im
Innenhof der Kirche gesessen sind und von den
verlassenen Dörfern erzählten, von der Verfol­
gung und von den Massakrierten.
Die Aramäer bleiben als Opfer des Völkermords oft unerwähnt. Ein Ärgernis?
Die Verknüpfung des Völkermords mit den Arme­
niern folgt einer gewissen Logik. Mit 1,5 Millionen
Toten sind die Armenier die Hauptbetroffenen.
Bei den Aramäern geht man von 500 000 Toten
aus. An das tragische Morden wollen wir 2015
vielerorts gemeinsam erinnern.
Die Türken wollen den Begriff Genozid nicht
akzeptieren. Ein Skandal?
Die Türkei täte gut daran, ihre eigene Geschichte
nicht zu verdrängen. Aber die Türken klammern
sich an Ausflüchte, sehen das Morden als Folge
eines Bürgerkriegs. Bis heute haben die Christen
in der Türkei nicht die vollständige Freiheit bei
der Religionsausübung.
Welche Erwartungen haben Sie an den nicht
mehr so christlichen Westen?
Ich bin drei Mal in die kurdische Region des
Nordiraks gereist. 200 000 Flüchtlinge aus Mossul
leben dort zusammengepfercht auf engstem
Raum. Sie brauchen dringend Nothilfe. Auf lange
Sicht hoffen wir, dass die Flüchtlinge in eine
Schutzzone mit autonomer Selbstverwaltung zu­
rückkehren können. Das ist schwierig, weil weder
der irakische Staat noch die kurdische Autono­
miebehörde stark genug sind, um die Menschen
zu schützen. Die rückkehrenden Flüchtlinge
müssten deshalb bewaffnete Selbstschutzkräfte
aufstellen dürfen.
Also Waffen für Christen und Jesiden?
Ich bin kein Spezialist für Militärisches. Aber
eines ist unumgänglich: Selbstverteidigung.
Dann kehren die Menschen in ihre angestammte
Heimat zurück.
Sie hoffen, dass es in Zukunft Christen im
Nordirak geben wird?
Ich habe von so viel Flüchtlingen bei meinen
Besuchen gehört: «Wir wollen wieder zurück!»
Der Wille der Menschen ist ungebrochen, ihre
alte Heimat nicht aufzugeben. ■
IGNATIUS EPHREM II., 49
Ignatius Ephrem II. steht der syrisch-ortho­
doxen Kirche mit weltweit fünf Millionen
Mitgliedern vor. Sie gehört zu einer der
ältesten christlichen Kirchen der Welt.
Das Wörtchen «syrisch» leitet sich von assy­
risch ab. Vor seiner Wahl zum Patriarchen
2014 war er 18 Jahre Erzbischof in den USA.
Dort leben mehr syrisch-orthodoxe Chris­
ten als in der Türkei, Syrien und Irak zu­
sammen. Im Dezember 2014 besuchte der
Patriarch aus Damaskus die Schweiz mit
­einer Diaspora von 6000 Aramäern.
Die syrische Kirche der Ostschweiz präsentierte ihre geistlichen Gesänge
Text und Foto: as
Der Westen wagt es nur halbherzig, die
Türkei als Nato-Partner an ihre historische
Verantwortung zu erinnern. Auch im Irak
haben sich die USA lange nicht um die
orientalischen Christen gekümmert.
Wenig christliche Solidarität also.
Wir wollen nicht, dass die westlichen Staaten
kommen, um uns Christen zu beschützen. Aber in
Wahrheit kümmert sich die westliche Politik we­
der um Muslime noch Christen, sondern ist vor
allem im Nahen Osten an einem interessiert: dem
ungehinderten Zugang zum Öl. Für mich stellt
sich aber auch die Frage: Ist der Westen über­
haupt noch christlich?
Anfang März hat Dr. Abrahim Lahdo in der
voll besetzten St.Galler Kirche St.Mangen die
Gesänge der syrischen Liturgie erklärt. Vorgetragen wurden die Lieder von Pfarrer Georg Isik, Wil, und dem Frauenchor Amriswil.
Von den 6000 Aramäern in der Schweiz leben vie­
le in der Ostschweiz. Sie stammen grösstenteils
aus der Osttürkei, wo sie im Kampf der Türkei
gegen die kurdische PKK zwischen die Fronten
gerieten und ihr Land verlassen mussten.
Viele von ihnen kamen zum Anlass in St.Gallen,
an dem ihre urchristliche Kultur einem interes­
sierten Schweizer Publikum präsentiert wurde.
Referent Lahdo erinnerte auch daran, wie in Sy­
rien diesem Erbe erneut die Vernichtung droht. ■
Gilt das auch für die USA, wo Sie lange als
Geistlicher gewirkt haben?
Sicher gehen die Amerikaner mehr zur Kirche als
die Europäer. Sie haben durchaus fromme Politi­
ker. Je weiter man nach oben zum Kapitolhügel
kommt, desto weniger spielt das Christliche eine
Rolle.
Sie waren mit Religionsführern der orientalischen Christen vor Kurzem bei Präsident
Obama. Hat er Ihnen kein Gehör geschenkt?
Oh doch! Obama ist ein aufmerksamer Zuhörer.
Aber mehr auch nicht.
6 AUSGABE 4/2015
8. März, Kirche St.Mangen, St.Gallen: Pfarrer Georg Isik aus Wil singt in Aramäisch Gesänge aus der syrischen Liturgie.
FOKUS
Urs Noser, Kirchenrat und Diakon in Altstätten, erläutert den Mitarbeitenden aus den Kirchgemeinden die vier Säulen der geistlichen Begleitung von Kindern und Jugendlichen.
Das Licht nicht unter den Scheffel stellen
Zur Jahreskonferenz Geistliche Begleitung 2015
Interview und Fotos: Andreas Schwendener
Über 100 Mitarbeitende aus den Kirchgemeinden im Kanton besuchten am Samstag,
28. Februar, die Jahreskonferenz «Geistliche
Begleitung von Kindern und Jugendlichen» in
den Räumen der Fachhochschule St.Gallen.
Ab 8.30 Uhr nimmt der Lärmpegel beim Begrüssungskaffee im Foyer zu, es entstehen Gespräche
über die eigene Kirchgemeinde hinaus.
GEMEINSAM UNTERWEGS
Um 9 Uhr startet die Tageskonferenz im Plenum.
Michael Giger von der «Arbeitsstelle Jugend und
Geistliche Begleitung» kann über 100 kirchliche
Mitarbeitende begrüssen. Kirchenrat Urs Noser,
Diakon in Altstätten, erinnert an die vier Säulen
des Konzepts zur «Geistlichen Begleitung». Es
gehe jetzt darum, dieses Konzept als Ganzes zu
denken und zu leben, es als Gemeindebaukonzept umzusetzen, sodass alle Kinder und Jugendlichen durch Feiern, durch Bildung, durch glaubwürdige Begleitung und die Erlebnisse in Frei­
Jugendliche erzählen von ihren Erfahrungen mit Kirche.
Roundabout, ein Streetdance-Netzwerk für Mädchen.
zeiten mit der Frohen Botschaft in Kontakt kommen. Durch verstärkten Dialog sollen die verschiedenen Gefässe von der Sonntagsschule
über «Fire mit de Chline», den Religionsunterricht oder die Jugendgruppe aufeinander abgestimmt werden. So könne erlebbar werden, wie
die Kirchgemeinde als Gemeinschaft unterwegs
ist, um möglichst vielseitig den Bezug zur geistlichen Dimension zu pflegen.
VON DER ERKENNTNIS ZUR ESSENZ
Die Jahreskonferenz Geistliche Begleitung wird
von mehreren Arbeitsstellen der Kantonalkirche
getragen. Deren Know-how kommt in der Gruppenarbeit zum Tragen. Praktische Übungen helfen, miteinander ins Gespräch zu kommen. Es
wird erlebbar, wie wichtig in der Gemeinde die
Koordination und die Zusammenarbeit sind.
Man tauscht die Erkenntnisse aus und versucht
Einsichten prägnant zu formulieren. – Aber finden wir Worte, die alle verstehen und die gegen
­aussen kommuniziert werden können?
Die Angebote für Kinder und Jugendliche sollen
lässig und lustvoll sein. Aber müssen wir in der
Kirche nicht eher von Lebensfreude sprechen,
da der blosse Spass sich schnell totlaufen kann?
Und woher nährt sich die Lebensfreude? Was ist
das passende Wort für den «geistlichen Input»?
Sollen wir es Glaube nennen oder eher von
Lebenssinn sprechen? – Interessiert hören sich
dann alle an, wie jede Gruppe ihre Erkenntnis
zur Essenz formuliert.
VON DER BEDEUTUNG DER VORBILDER
Wieder im Plenum reflektiert eine Mutter die
geistliche Begleitung ihrer Kinder, ein Vater
­erzählt, wie er inzwischen selber die Erlebnisprogramme seiner Kirchgemeinde koordiniert,
und eine Mitarbeitende zeigt auf, wie sie über
das «Singen mit Kindern» im Leben der Kirch­
gemeinde ihren Platz gefunden hat. Auch drei
­Jugendliche berichten, wie sie mit den Angeboten ihrer Kirchgemeinde in Berührung gekommen sind und wie der Wunsch geweckt wurde,
sich selber einzubringen. Alle drei haben den
von der Arbeitsstelle Junge Erwachsene ange­
botenen Kurs «first steps» besucht.
Feiern, Bilden, Begleiten, Erleben
Angestossen durch ein Postulat zur Wiedereinführung des Besuchsobligatoriums für
Jugendgottesdienste, verabschiedete die
Synode der St.Galler Kantonalkirche im Jahr
2010 ein umfassendes Konzept zur «geistlichen Begleitung von Kindern und Jugendlichen». Es beruht auf den vier Säulen «Feiern,
Bilden, Begleiten, Erleben», welche die Angebote verschiedener Akteure in der Gemeinde prägen und verbinden sollten.
Die Kirchgemeinden wurden aufgefordert,
eigene Konzepte zu erstellen, wie sie Kinder
und Jugendliche bis hin zum jungen Erwachsenenalter künftig begleiten wollen.
Die Umsetzung soll «als mehrjähriger Prozess» verstanden werden. ■
Am Nachmittag werden sechs Workshops angeboten. In einem wird gefragt, was in der eigenen
Biografie Auslöser war, sich in der Kirche zu
­engagieren. So will man dem Klima, dem Milieu
auf die Spur kommen, das Kindern und Jugendlichen den Weg zum Glauben eröffnen kann.
Vieles läuft über persönliche Kontakte, über Vorbilder. Wie kann Kirche «entstaubt» werden, wie
wird sie verständlich, nimmt Zweifel ernst und
wie kann sie kompetent erlebt werden, Sinnzusammenhänge aufzuzeigen oder überzeugend
sozial engagiert sein? Bietet sie eine Spiel­wiese
an, wo eigene Fähigkeiten sich entfalten können?
Wie wird sie zu einem Ort von Visionen oder der
eigenen Berufung? – In der Auswertung wird
klar, dass jeder und jede in der Kirchgemeinde
Vorbild sein kann, auch einfach durch die positiven Erfahrungen und die Anteilnahme. Oft werden die Wirkungen erst viel später sichtbar. Wie
Jesus sagte, sollen wir das eigene Licht nicht unter den Scheffel stellen.
Die Tagung schliesst im Plenum mit improvisiertem Theater der Gruppe Titanic. Kirchenrat Urs
Noser wünscht allen neue Impulse, um Kinder
und Jugendliche auf dem Weg zu einem mündigen Christentum begleiten zu können. ■
WWW.KIRCHENBOTE-SG.CH 7
PANORAMA GEMEINDEN
BeneWohnen eröffnet neue
Perspektiven
Text: pd
Das Pilotprojekt «BeneWohnen» vernetzt
junge Studierende auf der Suche nach güns­
tigem Wohnraum mit älteren Personen, die
ihren leer stehenden Wohnraum gegen zeit­
liches Engagement zur Verfügung stellen
möchten.
Leere Zimmer sind kein schöner Anblick – eine
Wohngemeinschaft kann neue Perspektiven eröffnen. Das Projekt «BeneWohnen» von Benevol
St.Gallen, den drei St.Galler Hochschulen (Universität, Fachhochschule, Pädagogische Hochschule St.Gallen) und der Stadt St.Gallen geht für
die Vermietung von Wohnräumen neue Wege.
Wer bei sich zu Hause ein ungenutztes Zimmer
zur Verfügung hat, kann dieses gegen eine Zeitgutschrift bei der Zeitbörse Benevol den Studierenden der drei St.Galler Hochschulen zur Verfügung stellen. Mit dem Pilotprojekt, das vorläufig
auf die Stadt St.Gallen begrenzt ist, soll einerseits Zugang zu günstigem Wohnraum geschaffen und andererseits das gesellschaftliche Zusammenleben unter den Generationen gefördert
werden.
Die Miete in Form von Stunden richtet sich nach
der Quadratmeterzahl des Zimmers. Besteht ein
Zimmer zum Beispiel aus zwölf Quadratmetern,
so hat die Logis nehmende Person jeden Monat
zwölf Stunden innerhalb der Zeitbörse Benevol
zu leisten. Dies kann in Form von Gartenpflege,
Erledigung des Einkaufs, Unterstützung mit
­neuen technischen oder elektronischen Geräten
und ähnlichen Dienstleistungen geschehen. Der
Stundentausch erfolgt entweder zwischen der
Logis gebenden und der Logis nehmenden Person direkt oder auch via Dienstleistungen, die
von oder für andere Mitglieder der Zeitbörse
­erbracht werden. ■
Weitere Auskünfte bei Benevol St.Gallen unter:
Telefon 071 227 07 61 / Mail [email protected] oder www.benevol-sg.ch/zeitboerse
Projekte für Zwingli-Preis 2015 gesucht
Text: kid | Foto: Gemeindeseite
Seit 2009 war Birke Horváth-Müller Pfarrerin der
Bündner Südtäler Misox und
Calancatal. Wegen der Liebe
zog die Norddeutsche auf die
Alpensüdseite. Nun zieht es
sie wieder ein bisschen nordwärts. Seit wenigen Monaten
führt sie das Pfarramt Halden
der St.Galler Kirchgemeinde
Tablat. Vor allem die Ökumene sowie die vielen verschiedenen Arbeitsbereiche, die eine grosse Gemeinde mit sich bringe,
reizten sie an der neuen Aufgabe. ■
8 AUSGABE 4/2015
PANORAMA KANTON
Alfred Jäger, 1941–2015
Text: Frank Jehle | Foto: Hochschule Bethel
Text: pd
Der Schweizerische Protestantische Volks­
bund (SPV) feiert dieses Jahr sein 90-jäh­
riges Bestehen. Aus diesem Grund stiftet
der SPV erstmals den «Zwingli-Preis» von
Fr. 1000.– für kirchliche Innovation.
Den «Zwingli-Preis» verleiht der SPV an Projekte
und Initiativen innerhalb der reformierten Kirchen in der Deutschschweiz, welche einen besonderen Beitrag zur Aktualisierung der Botschaft
des Evangeliums leisten. Der SPV möchte so
In der Nacht vom 1. auf den 2. März starb in
St.Gallen unerwartet der Theologe Alfred
Jäger im Alter von gut 73 Jahren.
Bemühungen für eine lebendige und zeitgemässe
Landeskirche unterstützen. Die Verleihung des
Preises geschieht im Gottesdienst der Empfänger-Gemeinde am oder um den Reformationssonntag.
Bewerbungen für den «Zwingli-Preis» sind mit einer kurzen Beschreibung des Projekts bis 30. Juni
einzureichen an: Vorstand SPV, Pfr. Richard Kölliker, Meisenweg 15, 8200 Schaffhausen. Der Vorstand wählt ein geeignetes Projekt aus. Weitere
Informationen auf www.spv-online.ch. ■
Seine erste Pfarrstelle war Wolfhalden AR , wo er
teilweise neue Wege in der Seelsorge beschritt.
Unvergessen bleiben die von ihm initiierten
«weltlichen» Gottesdienste im Gasthaus Krone.
Auch das bis heute gültige Konzept der Zeitschrift «Magnet», des appenzellischen Kirchenboten, wurde von ihm entwickelt.
Sennwalder Maria
Text und Foto: Pfarrer Helmut Heck, Sax
Tatsächlich – diese kleine Statue aus der reformierten Kirche Sennwald mit Maria und dem
Leichnam des Gekreuzigten stellt das Verständnis des Glaubens auf den Kopf. Solche Darstellungen kamen etwa nach dem Jahr 1330 auf. Bis
dahin zeigte man Jesus als mächtigen Herrscher.
Jeder trägt sein Kreuz, teilweise helfen wir einander, es zu tragen: «Kreuzweg» in St.Gallen im Jahr 2011.
Kreuzwege der Gegenwart
Text und Foto: as
Jetzt ist Maria dargestellt in stummer Trauer. Sie
hält ihren toten Erstgeborenen und beweint ihn.
Er hat sich den Menschen ausgeliefert, die ihn
gekreuzigt haben, er hat die Rolle des allmächtigen Herrschers verlassen. Für das Heil der Menschen hat er sein Leben gegeben.
Die südamerikanische Befreiungstheologie
hat die im Mittelalter aufgekommene Kreuz­
wegtradition mit Leidensstationen der heu­
tigen Menschen verbunden. In dieser Art
aktualisierte, ökumenische Kreuzwege gibt
es am Karfreitag, 3. April, auch in St.Gallen
und in Rapperswil-Jona.
Dieses Bild fordert nicht Unterwerfung, fordert
nicht Gehorsam oder Beachtung der Gebote.
Es ruft auf zu Anteilnahme, zu Mitleid. Wir als
Gläubige sollen bedenken, was Jesus für uns
getan hat – und uns davon bewegen lassen zu
Barmherzigkeit und guten Taten. ■
40 Tage ohne
Text: Rael Forster | Foto: www.junge-erwachsene.ch
«SÜSSE BESCHRÄNKUNGEN BRINGEN
HEIL» – AUS DEM BUCH DER WANDLUNGEN
St.Gallen Tablat: Neue Pfarrerin
PANORAMA KANTON
Auch heuer sind Süsses, Naschereien und Knabbern wieder ganz vorne mit dabei, wenn es um
den Verzicht bei den «40 Tage ohne»-Teilnehmenden geht. Dieses Jahr haben knapp 150 junge Erwachsene am ökumenischen Projekt vom Netzwerk Junge Erwachsene teilgenommen und sich
Szene aus dem prämierten Film von Nadia Studer
Die Kreuzwegtradition ist im Mittelalter in Jerusalem entstanden. Man wollte den Weg Jesu vom
Abendmahlssaal zur Hinrichtungsstätte nachvollziehen. An 14 Stationen wurden die Abschnitte des Leidensweges vertieft. Bald verbreitete
sich diese Tradition in der Christenheit. In vielen
katholischen Kirchen finden sich bildliche Darstellungen der 14 Kreuzwegstationen.
im Verzicht geübt und gestärkt. Die Verzichts­
ideen reichen vom «Fifa 15»-Gamen bis hin zum
Nörgeln am Mitmenschen und bescheren so der
kargen Fastenzeit eine bunte Mischung.
NEUE WERBEFILME
Das Organisationsteam freute sich dieses Jahr
besonders über eine grosse Medienpräsenz.
Dies ist sicher auch auf die Werbefilme zurückzuführen. Die Grafikklasse im dritten Lehrjahr an
der Schule für Gestaltung St.Gallen hatte das
Projektthema aufgegriffen und ihrer Kreativität
und ihrem Ideenreichtum freien Lauf gelassen.
Die besten drei Filme wurden von einer Jury ausgewählt und in den Regio-Bussen ausgestrahlt.
Siegerin Nadia Studer wurde speziell geehrt und
durfte sich über einen Preis freuen. Die Filme
sind zu finden unter www.40-tage-ohne.ch!
Die Organisatoren können die «40 Tage ohne» an
Ostern abschliessen. Man freut sich bereits auf
viele Teilnehmende im nächsten Jahr. ■
DIE NOT RELIGIÖS DEUTEN
In Lateinamerika begannen Priester in den
70er-Jahren damit, diese Tradition neu zu interpretieren. An den einzelnen Kreuzwegprozessionen gedachten sie nicht nur des vergangenen
Leidens Jesu, sondern auch des aktuellen Leidens des Volkes. Diese Prozessionen dauerten
oft einige Stunden und führten über weite Strecken. Die Stationen befanden sich jeweils an Orten, an denen Unrecht geschah, Gewalt ausgeübt
oder Verbrechen begangen wurden.
Mit diesen Prozessionen wurden diese Begebenheiten öffentlich, von einem individuellen in einen kollektiven Rahmen gestellt und von einem
politischen zu einem religiösen Horizont ausgeweitet. Vor 25 Jahren kam diese Tradition auch
in Schweizer Städte.
Ziel der «Kreuzwege der Gegenwart» ist es, am
Karfreitag das Leiden, das hier und heute geschieht, ohne Anklage wahrzunehmen. Die Hoffnung auf die Auferstehungskraft von Ostern, auf
Erneuerung und Veränderung, kann dabei
konkret erlebt werden.
SECHS STATIONEN IN ST.GALLEN
In St.Gallen laden zum Kreuzweg die drei städtischen Kirchgemeinden, die Methodistische Kirche, die Griechisch- und die Serbisch-orthodoxe
Kirche sowie Organisationen der Jugendarbeit
ein. Die Teilnehmenden besammeln sich um
12 Uhr vor der Kirche St.Fiden (Greithstrasse 7b).
Schweigend ziehen sie dann mit einem Kreuz
in die Innenstadt und halten an sechs Leidensstationen inne. Beim Jüdischen Friedhof wird
der «Instrumentalisierung von Religionen» gedacht, beim Romerhaus werden «Jugendliche
­unter Druck» zum Thema, bei der Geriatrie die
«Demenz», vor der Linsebühlkirche das «Leiden
im eigenen Leben», bei der Gassenküche die
«Entsolidarisierung» und bei der Heilsarmee die
«Obdachlosigkeit».
In den Räumen der Heilsarmee, Harfenberg­
strasse 5, findet der Kreuzweg um 13.30 Uhr
mit Taizé-Liedern seinen Abschluss.
«KREUZ & QUER» IN RAPPERSWIL
Der diesjährige ökumenische Kreuzweg in Rapperswil führt von der reformierten Kirche Jona
ins reformierte Kirchgemeindehaus Rapperswil.
Er ist geprägt vom Leitthema «kreuz & quer» und
führt zum Friedhof Jona, über Grünfels zum
Kunstzeughaus und über den Fischmarktplatz
zum Kirchgemeindehaus. Es sprechen an verschiedenen Stationen Stadtrat Thomas Furrer,
Kivo-Präsident Peter Bossardt und Kapuzinermönch Adrian Müller.
Geleitet wird der Kreuzweg vom katholischen
Diakon Urs Bernhardsgrütter und dem reformierten Pfarrer Cyril Schmitt. Auf 14 Uhr wird in
Rapperswil zum Suppenzmittag eingeladen. ■
Ab 1975 war er Studentenpfarrer an der HSG,
eine Zeit lang auch Religionslehrer an der neu
gegründeten Kantonsschule Heerbrugg sowie
der erste Leiter des Katecheteninstituts der Kantonalkirche. Auch in St.Gallen beschritt er neue
Wege, etwa indem er zusammen mit seinem
katholischen Kollegen Richard Thalmann den
bis heute bestehenden ökumenischen Universitätsgottesdienst ins Leben rief. Gemeinsam luden Thalmann und Jäger auch weltweit führende
Theologen wie Karl Rahner, Johann Baptist
Metz, Jürgen Moltmann und Eberhard Jüngel zu
Grossveranstaltungen in der Aula der HSG ein.
KIRCHE UND MANAGEMENT
Ab Herbst 1981 wirkte Jäger als ordentlicher
Professor für Systematische Theologie an der
Kirchlichen Hochschule Bethel in Bielefeld.
In seiner Zeit an der HSG hatte er sich intensiv in
die Wirtschaftswissenschaften eingelesen. Von
ihm war auch der erste Anstoss zur Einrichtung
eines Lehrstuhls für Wirtschaftsethik ausgegangen. Besonders beeindruckte ihn das Lebenswerk des an der HSG wirkenden Hans Ulrich
(1919–1997), des Vaters des St.Galler Management-Modells. In Bethel dozierte Jäger deshalb
nicht nur über die traditionellen theologischen
Themen, sondern er adressierte sich an die Kirchenleitungen, um ihnen klarzumachen, dass
die heutige Managementlehre auch in der Kirche
angewendet werden müsse.
In zahllosen Vorträgen, Kursen und Publikationen entwickelte er einen neuen Typ der Diakoniewissenschaft. «Diakonie als christliches Unternehmen» ist der charakteristische Titel eines
seiner Bücher. Besonders auch diakonische Einrichtungen in Osteuropa – von Weissrussland
bis nach Ungarn – fragten immer neu um seinen
Rat. Nicht ohne Grund verlieh ihm die Theologische Fakultät von Debrecen, der reformierten
Hochburg Ungarns, den Ehrendoktor.
Unablässig suchte er das
Gespräch mit der Philosophie. In seiner Dissertation «Reich ohne Gott»
setzte er sich mit dem
unorthodoxen Marxisten
Ernst Bloch auseinander.
Die öffentliche Trauer­
feier fand am 28. März in
der St.Katharinenkirche
in St.Gallen statt. ■
WWW.KIRCHENBOTE-SG.CH 9
IN KÜRZE
PANORAMA SCHWEIZ
PANORAMA WELT
Evangelikale Organisation führt
Musterprozess gegen die Türkei
Text: APD | Foto: as
«Liesel» im Musical «Das Grab des weissen Mannes»
Alain Berset setzt sich für den Dialog der Religionen ein.
Vom Schwanken und Zweifeln
in fremden Welten
Bundesrat Alain Gelungener Auftakt zu «cantars
Berset traf den
Rat der Religionen 2015» in Basel
Text: ref.ch | Foto: Mission 21, Reto Kuhn
Zum 200-Jahr-Jubiläum der Basler Mission
bringt Mission 21 ein eigenes Musical auf die
Bühne: «Das Grab des weissen Mannes».
Das Musical macht die Anfänge der Basler Mission an Afrikas Westküste vor 200 Jahren lebendig:
Wie die Missionare und ihre Frauen auf die fremde Welt reagierten und wie sie schwankten zwischen Überzeugung und Unsicherheit.
Autor und Regisseur Kaspar Hort situierte das
Musical in einer schwierigen Zeit in Ghana, als
viele Missionare an Tropenkrankheiten starben.
Musikalisch verbindet das Musical Bach-Choräle, jamaikanische Populär-Musik und afrikanische Perkussion. Premiere war am 29. März um
18 Uhr in der Kirche Oekolampad in Basel.
Weitere Vorstellungen laufen bis Mitte April. ■
Sterbehilfeorganisation Exit
«mit nie gekannter Nachfrage»
Text: com./ref.ch/as | Foto: pd
Text: ref.ch/Mark Wiedmer | Foto: pd
Der Bundesrat ist besorgt über die zunehmende Aggressivität gegen Muslime und
Juden in Europa. Er teile diesbezüglich die
Besorgnis der Religionsgemeinschaften, sagte Innenminister Alain Berset Ende Februar
bei einem Treffen mit dem Rat der Religionen
in Bern.
Mit Veranstaltungen in mehreren Basler Kirchen hat am Samstag, 14. März, das Auftaktfestival zum «cantars kirchenklangfest 2015»
stattgefunden. Am Grossanlass zur Kirchenmusik werden bis zum Abschluss am 6./7. Juni in St.Gallen schweizweit zahlreiche weitere
Anlässe stattfinden.
In der kulturell heterogenen Schweiz sei das
friedliche Zusammenleben eine ständige, kollektive Aufgabe, sagte Berset gemäss einer Medienmitteilung des Innendepartements (EDI). Der
gesellschaftliche Zusammenhalt sei nicht selbstverständlich.
Das Zusammenleben in der Schweiz funktioniere
aber gut, weil die Menschen und auch viele Organisationen und Institutionen einen unverzichtbaren Beitrag zum sozialen, kulturellen und religiösen Frieden leisteten.
Dass die Schweizer Kirchenkultur attraktiv ist,
hat das Auftaktfestival zum ökumenischen «cantars kirchenklangfest 2015» in der milden Basler
Frühlingssonne gezeigt. Mehrere Hundert Personen nahmen von Mittag bis am späten Abend an
mehr als zwanzig Veranstaltungen teil.
Text: ref.ch
Im vergangenen Jahr hat die Sterbehilfeorganisation Exit gegen 13 500 Neubeitritte verzeichnet
(in der Deutschschweiz). Damit seien die Neueintritte um fast 70 Prozent angestiegen. Dies
zeige der Jahresbericht 2014, wie die Organisa­
tion am 11. März mitteilte. ■
Rosenaktion bringt
800 000 Franken ein
Text: ref.ch
Die Rosenaktion der Ökumenischen Kampagne
hat rund 800 000 Franken eingebracht. Insge­samt haben die Hilfswerke Fastenopfer, Brot für
alle und Partner sein schweizweit 160 000
Fair-Trade-Rosen verkauft, wie sie mitteilten.
Die Aktion war Teil der Ökumenischen Kampa­
gne, die in diesem Jahr auf die Folgen der Ernährung für das Weltklima aufmerksam macht.
Mit dem Motto «Weniger für uns. Genug für alle»
wollen die Hilfswerke zu einem anderen Konsumverhalten anregen.
Mit dem Geld sollen unter anderem Bauernfamilien unterstützt werden, die unter den Folgen
des Klimawandels leiden. ■
10 AUSGABE 4/2015
Auftakt zum «cantars kirchenklangfest 2015» in Basel
Berset begrüsste das öffentliche Einstehen der
christlichen und jüdischen Gemeinschaften sowie der muslimischen Dachverbände für Respekt und gegen Rassismus, wie das EDI weiter
mitteilte. Auch für deren Engagement für den
interreligiösen Dialog fand er lobende Worte.
DIALOG ALS SCHLÜSSEL
Dieser Dialog müsse weiter intensiviert werden,
und zwar mit allen Religionsgemeinschaften,
forderte Berset. Die Antwort auf das wachsende
Bedürfnis, sich gegen andere abzugrenzen,
könnten nur der kontinuierliche Austausch und
die Integration im Alltag sein.
Der Schweizerische Rat der Religionen (SCR) mit
Sitz in Zürich war 2006 gegründet worden. Er hat
zum Ziel, den religiösen Frieden zu fördern und
Vertrauen unter den verschiedenen Religionen
in der Schweiz zu schaffen. Vorsitzender ist seit
2014 Hisham Maizar, Präsident der Föderation
Islamischer Dachorganisationen in der Schweiz.
Nach dem Treffen mit Alain Berset referierte
­Hisham Maizar in St.Gallen über Verbesserungsmöglichkeiten im Dialog zwischen Judentum,
Christentum und Islam. Dazu hatte ihn die
Christlich-jüdische Arbeitsgemeinschaft
St.Gallen / Ostschweiz eingeladen. ■
Mit einem «geistlichen Spektakel» zu Musik unter
anderem von J.S. Bach ging es am Mittag im
Münster los, gefolgt von verschiedenen Chorkonzerten. Berührend war das Familienkonzert
«Himmelwiit» des Musikers Andrew Bond mit
dem ökumenischen Kinderchor «ökiko» in der
Elisabethenkirche. Die kleinen Knöpfe sangen,
dass es nur so eine Freude war, und blieben den
Buben der Knabenkantorei Basel, die zuvor im
Münster «Perlen geistlicher Chormusik» dargeboten hatten, keinen Ton schuldig.
Neben eher traditionellen Formaten gab es auch
vedische, buddhistische und sufistische Mantras
zum Mitsingen, gespielt von Amit Sharma Bandhavi, Dhrupadsänger und Hindupriester.
FEIERLICHER FESTAKT
Der Festakt zur Eröffnung des «cantars kirchenklangfests 2015» fand in der christkatholischen
Predigerkirche statt. Grussworte überbrachten
Bischof Markus Büchel als Präsident der Schweizer Bischofskonferenz und Pfarrer Gottfried
Locher als Ratspräsident des Schweizerischen
Evangelischen Kirchenbunds. Der Taizé-Klassiker «Laudate omnes gentes» liess ahnen, welche
Kraft in Kirchenklang und Kirchengesang liegen
kann, wenn alle Beteiligten aus voller Kehle und
mit ganzem Herzen in die vom SEK-Vorsitzenden
Locher beschworene «Ökumene des Kirchengesangs» einstimmen.
Das «cantars kirchenklangfest 2015» endet am
6./7. Juni in der St.Galler Olmahalle mit den
«Christlichen Musiktagen». ■
Programm siehe: www.cantars.org/programm
Die Organisation «Alliance Defending Freedom» (ADF) führt beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einen
Musterprozess gegen die Türkei, um für
christliche Kirchen die Zuerkennung eines öffentlich-rechtlichen Status und die generelle
Erlaubnis zum Kirchenbau durchzusetzen.
Die in der Türkei gültigen Einschränkungen für
christliche Kirchen «widersprechen dem europäi­
schen Recht», sagte der stellvertretende Leiter
des Wiener ADF-Büros, Roger Kiska, in einem
Gespräch mit der Nachrichtenagentur «Zenit».
Seine Organisation habe keine feindlichen Absichten gegen die Türkei, es gehe ausschliesslich
darum, den christlichen Kirchen im Land – «das
so reich an christlicher Geschichte ist» – das Leben leichter zu machen. Kiska ist ein Spezialist
für europäisches Recht und hat das europäische
Anwaltsnetzwerk von ADF aufgebaut.
Die Alliance Defending Freedom (ADF), mit dem
Untertitel «For Faith, for Justice» (Für den Glauben, für die Gerechtigkeit), wurde 1994 in den
IN KÜRZE
Dänemarks Chefrabbiner: «Das sind
keine Nazis, das sind Terroristen»
Text: ref.ch/sda
Dänemarks Chefrabbiner Jair Melchior hat Aufrufe an die Juden Europas kritisiert, nach den
Anschlägen in Kopenhagen und Paris nach Israel
auszuwandern.
«Wir haben keine Angst», sagte Melchior dem
­israelischen Rundfunk. Es sei das Ziel von Ter­
rorismus, den Menschen Angst einzuflössen.
«Wir lassen uns nicht von Terroristen dazu zwingen, unser tägliches Leben zu ändern, in Angst
zu leben und an andere Orte zu fliehen», sagte
Melchior. Juden könnten nach Israel auswandern, weil sie den jüdischen Staat liebten, «aber
nicht, weil sie Angst haben, in Dänemark zu
leben». ■
Ein Privathaus ist Treffpunkt für die protestantische
Minderheit bei der antiken Stadt Ephesus in der Türkei.
USA von Persönlichkeiten aus dem evangelikalen
Raum gegründet. Als Bündnis bildende Rechtsorganisation setzt sie sich weltweit mit juridischen Mitteln für das Recht der Menschen ein,
ihren Glauben frei ausleben zu können. Neben
der Religionsfreiheit setzt sich ADF für die «Heiligkeit des menschlichen Lebens» sowie den
Schutz von Ehe und Familie ein. Im Jahre 2012
eröffnete ADF das erste Auslandbüro in Wien. ■
Kirchenbund begrüsst Aufnahme
von 3000 syrischen Flüchtlingen
Islamische Feiertage in New York
künftig schulfrei
Text: ref.ch
In New York City bleiben staatliche Schulen an
den beiden wichtigsten islamischen Feiertagen
Eid al-Adha (Opferfest) und Eid al-fitr (Fest des
Fastenbrechens) künftig geschlossen.
Auch an christlichen und jüdischen Feiertagen
dürfen die 1,1 Millionen Schulkinder zu Hause
bleiben. Jüdische Feiertage sind in New York seit
Jahrzehnten schulfrei. In keiner anderen Grossstadt in den USA sind an islamischen Feiertagen
die Schulen geschlossen. Etwa zehn Prozent der
Schüler in New York sind Muslime. ■
Text und Foto: com. SEK
Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund SEK begrüsst den Beschluss des
­Bundesrates, in den nächsten drei Jahren
zusätzlich 3000 syrische Flüchtlinge in
der Schweiz aufzunehmen.
Seit Jahren setzt sich der Kirchenbund bei den
Behörden für Massnahmen zur Unterstützung
der Bevölkerung in dieser Region ein, in welcher
eine der grössten humanitären Katastrophen der
Geschichte herrscht. Schon 2009 hat sich der Rat
des Kirchenbundes für die Neuansiedlung von
Flüchtlingen aus Krisengebieten ausgesprochen.
Die Flüchtlingslager in der Türkei, in Jordanien und
­Libanon sind überfüllt – und kein Frieden ist in Sicht.
Anlässlich seines Besuches in der Schweiz am
3. Dezember 2014 berichtete der Patriarch der
syrisch-orthodoxen Kirche, Ignatius Ephrem II.
Karim, von der verheerenden Situation in Syrien
und seinen Nachbarländern. Christen sind in
dieser vom Bürgerkrieg verwüsteten Region die
am stärksten bedrohte Minderheit. Auch in den
Flüchtlingslagern werden Christen benachteiligt,
so der Patriarch in Bern.
Der Kirchenbund begrüsst die Entscheidung der
Behörden, eng mit dem Hochkommissariat für
Flüchtlinge der Vereinten Nationen UNHCR zusammenzuarbeiten, um den Beschluss des Bundesrates umzusetzen.
Das UNHCR richtet sein Augenmerk auf die besondere Verletzlichkeit der hier aufgenommenen
Flüchtlinge. Es betont die Notwendigkeit, ihnen
im Rahmen der Neuansiedlungsprogramme in
Drittländern Schutz zu gewähren. Angehörige
religiöser Minderheiten, darunter die christliche
Bevölkerung, sind in dieser Konfliktregion besonders gefährdet.
Die Kirchen werden die Behörden weiterhin unterstützen, indem sie für die in der Schweiz aufgenommenen Flüchtlinge Betreuungs- und Inte­
grationsprogramme anbieten und bei der Suche
nach Unterbringungsmöglichkeiten helfen. ■
Gedenkstätte im syrischen Aleppo (40-Märtyrer-Kirche)
Armenien: auf einen Schlag eine
Million neue Heilige
Text: ref.ch | Foto: Flickr
Alle Opfer des Völkermords an den Armeniern
werden am 23. April 2015 von der armenischapostolischen Kirche als Märtyrer heiliggesprochen. Anlass ist der 100. Jahrestag des Beginns
des Massenmordes an den Armeniern im Osmanischen Reich. Insgesamt wird die Zahl der Todesopfer zwischen 1915 und 1917 auf 300 000 bis
1,5 Millionen geschätzt. Die Unterschiede bei
den Zahlen hängen auch mit ungenauen Bevölkerungsstatistiken zusammen. Die Kirche selbst
nennt für die Heiligsprechung keine Zahl. ■
WWW.KIRCHENBOTE-SG.CH 11
PALETTE
Eine Welt
«WOHIN ICH DICH AUCH SENDE» –
STUDIUM UND BERUF ALS BERUFUNG
Semester-Universitätsgottesdienst
Dienstag, 21. April, 20.15 Uhr
Ort: Kathedrale St.Gallen
Liturgie: Diakon Thomas Reschke und Studie­
rende, Predigt: Pfarrer Markus Anker, Lesung:
Prorektor Prof. Dr. Kuno Schedler, Musik: Dom­
organist Willibald Guggenmos
Kontemplation
Friedensweg vom Jahr 2014 in Lindau
MEDITATION IN DER STILLE (ZAZEN) NACH
VIA INTEGRALIS
PALETTE
Weiterbildung
WIBORADA – INKLUSIN, BETERIN,
­BERATERIN, VISIONÄRIN, MÄRTYRERIN
INTO THE WOODS
Donnerstag, 30. April, 14.30–16 Uhr
JAHRESVERSAMMLUNG DER EVANG.
FRAUENHILFE ST.GALLEN/APPENZELL
Treffpunkt bei den Türmen der Kathedrale.
Altstadt-Rundgang mit den Theologen Walter
Frei und Charlie Wenk.
Ein Wochenende im Wald verbringen und das
Überleben mit und in der Natur erlernen – den
eigenen Grenzen begegnen und sich mit der
Vision fürs eigene Leben auseinandersetzen.
Für Neugierige, Mutige, Experimentierfreudige,
Abenteurer (ab 18 Jahren). Wir erlernen Techniken, um in der Natur zu überleben: Kampf, Verteidigung, Umgang mit Pfeil und Bogen, Messerwerfen, Fischen, Hindernisse bewältigen, Feuertechnik, was gibt es Essbares im Wald etc., sich
mit seinen Träumen und Visionen auseinandersetzen. Spirituelle Bezüge für den Alltag.
Donnerstag, 23. April, 18 Uhr, Haus zur Perle,
Oberer Graben 31, St.Gallen
Dank den Mitgliederbeiträgen und Spenden
konnte die Evang. Frauenhilfe auch im vergangenen Jahr ihre wertvolle Arbeit leisten, die bereits
vor 110 Jahren ihren Anfang genommen und an
ihrer Aktualität bis heute nichts eingebüsst hat.
Die nächste Jahresversammlung bietet Gelegenheit, das langjährige Bestehen des Vereins mit
einer kleinen «Geburtstagsfeier» und einem
Rückblick zu würdigen.
Mittwoch, 15. April, 18–20.30 Uhr
«KRIEG ÄCHTEN – FRIEDEN SCHAFFEN»
Ostermontag, 6. April, 11–16.15 Uhr
Internationaler Bodensee-Friedensweg in Bregenz: verschiedene Workshops am «Friedens­
ufer». Abschluss mit Andreas Zumach, Uno-­
Korrespondent, Genf, und Davorka Lovrekovic,
Präsidentin des Internationalen Versöhnungsbundes. Programm: www.friedensrat.ch
Regelmässiges Sitzen in der Stille (Zazen) ist ein
persönlicher Erfahrungsweg und führt zu mehr
Lebendigkeit.
Mit Input und Schulung. Schnuppern erwünscht.
Ort: Haus zur Perle, Oberer Graben 31, St.Gallen
Anmeldung und Auskunft: Werner Frei, Tagelswangen, Kontemplationslehrer
[email protected], www.meditation-sg.ch
Pilgern
Kunst
PILGERN AUF DEM JAKOBSWEG
MITTWOCH-MITTAGS-KONZERTE
KIRCHE ST.LAURENZEN IN ST.GALLEN
Von Konstanz nach Einsiedeln –
von Johannes Hus zu Huldrych Zwingli
Zum 600. Todesjahr von Hus und zu den
Reformationsjubiläen von 2017–2019
Wir gehen den Weg in fünf Etappen. Unterwegs
Einkehr in Kapellen und Kirchen. Kurze Impulse
aus der Bibel, aus den Schriften von Hus, Luther
und Zwingli. Etwa die Hälfte des Weges gehen
wir schweigend. Wanderzeit je vier Stunden.
23. April: Tobel–Fischingen
12. Mai: Fischingen–Hörnli–Steg
27. August: Steg–Rüti ZH–(evtl. Rapperswil)
17. Sept.: Rapperswil–Einsiedeln (evtl. verkürzt)
Leitung: Walter Hehli, Wattwil, Autor des Buches
«Man muss wie Pilger wandeln. Auf dem Jakobsweg vom Toggenburg bis ans Ende der Welt».
Unkostenbeitrag: Fr. 5.– pro Strecke.
Auskunft und Anmeldung: Walter Hehli,
Tel. 071 988 12 14, E-Mail: [email protected]
12.15–12.45 Uhr
1. April: Bach und Söhne, Duo Monodia
22. April: Klingende Schatten, Fabian M. Mueller
29. April: It’s De-Lovely, it’s Cole Porter
JUNGE MUSIKER SPIELEN FÜR
­BENACHTEILIGTE KINDER
Sonntag, 12. April, 17 Uhr, Synagoge St.Gallen
Packend, frisch und virtuos spielt Musique
En Route Trouvaillen aus dem Osten, knackige
Balkanrhythmen, Klezmer und Romalieder. Das
Trio spielt in der wunderschönen Synagoge in
St.Gallen zugunsten von jüdischen und arabischen Kindern und Jugendlichen in Israel.
Organisatoren sind die beiden Kinderhilfswerke
Kiriat Yearim Ostschweiz und WIZO St.Gallen.
Anschliessend Apéro
Vorverkauf: [email protected]; Abendkasse
MEKKA EINST UND HEUTE
Mittwoch, 29. April, 14–17.30 Uhr
Das islamische Heiligtum in Mekka ist das symbolische Zentrum der islamischen Welt, der Ort,
zu dem sich Muslime fünfmal täglich während
ihres Gebetes ausrichten und zu dem sie einmal
in ihrem Leben zu pilgern streben.
Ziel des Kurses ist es, die Geschichte und religiöse Signifikanz Mekkas von der Antike, dem Auftreten des Islams und dem global-kulturellen
Phänomen der Pilgerschaft bis hin zu den heutigen Debatten über Stadtplanung und die Zerstörung historischer Gebäude darzustellen. Texte
aus der Bibel und dem Koran, Aussprüche
­Muhammads, Reiseberichte, Fotos und Filme
werden als Quellen herangezogen werden.
Leitung: Ahmed El Shamsy
Ort: Zürcher Lehrhaus, Kosten: Fr. 70.–
Anmeldeschluss: 10. April
www.zuercher-lehrhaus.ch
Führungen
www.stgaller-geschichten.org
LEIDENS- UND HOFFNUNGSORTE
IM ALTEN ST.GALLEN
Junge Erwachsene
KLEINGRUPPE FÜR JUGENDLICHE UND
JUNGE ERWACHSENE
2. April und 23. April, 19.30 Uhr
Glaube soll nicht nur Privatsache sein. In unserer Kleingruppe wollen wir uns über unsere Erfahrungen und auch Fragen zum Glauben austauschen. So kann jede/r vom anderen lernen und
im persönlichen Glauben vorwärtskommen.
Gemeinsam werden wir auch feiern und Zeit mit
Gott verbringen.
Ort: Kirchgemeindehaus, Vogelherstrasse 6,
9300 Wittenbach
Veranstalter: Evang. Kirchgemeinde Tablat
ST.GALLER STADTGEBET
9. April und 30. April,
Einsingen 19.15 Uhr, Beginn 19.30 Uhr
Das St.Galler Stadtgebet für junge Leute ist eine
Ermutigung zur Begegnung mit der eigenen Spiritualität. Mitten in unserer hektischen Welt ist es
eine halbe Stunde, in der wir der Sehnsucht
nach inneren Kraftquellen nachgehen. Das Stadtgebet ist klar, kraftvoll und schlicht gehalten.
Wenige Worte, Zeit für Stille und Musik zeichnen
es aus. Veranstalter: Safranblau
Ort: Kathedrale St.Gallen, Chorraum (vorne)
ESPRIT
Treffpunkt: Bahnhof St.Gallen, beim «Treffpunkt»
Kosten: Fr. 75.– / Gruppengrösse, max. 10 TN /
Ansprechpartner: www.safranblau.ch, Kurt Pauli:
[email protected] und Tel. 076 424 87 24
Beratung
EVANGELISCH-REFORMIERTE PAARUND FAMILIENBERATUNG ST.GALLEN
Oberer Graben 31, St.Gallen
Pfr. Menges Achim, Psychotherapeut ASP,
Tel. 071 220 88 00
Imper Andrea, Psychologin FSP,
Tel. 071 220 88 02
EVANGELISCHE FRAUENHILFE
Beratungsstelle für Frauen
Oberer Graben 42, 9000 St.Gallen
Tel. 071 220 81 80, Fax 071 220 81 84
DIE DARGEBOTENE HAND
Telefonseelsorge, Telefon 143, www.143.ch
Jubiläumsgottesdienst 150 Jahre Kirchgemeinde.
Ort: evang. Kirche Walenstadt
Veranstalter: Evang. Kirchgemeinde Walenstadt-Flums-Quarten
MEDITATIONSTRAINING
RUNDGANG IN KONSTANZ
TELEFON 147 – HELP-O-FON
Nottelefon für Kinder und Jugendliche
BLAUES KREUZ SG-APPENZELL
Fachstelle Alkoholberatung
Kugelgasse 3, Postfach 28,
9004 St.Gallen, Tel. 071 231 00 31
[email protected]
www.blaueskreuz-sg-app.ch
Gespräche nach Vereinbarung
Samstag, 11. April, 14.15–16 Uhr
WANDERN DURCH SARDINIENS FRÜHLING
9.–16. Mai 2015
Wir teilen die schönsten Perlen unserer 39-jährigen Sardinien-Erfahrungen.
www.Naturundklang.ch / Margrit und Urs Mettler, Mühleloch, 9650 Nesslau; Tel. 071 994 36 33,
[email protected]
Besinnung
EGLISE FRANÇAISE
Eglise au Centre de Saint-Mangen: Cultes à 10 h
sauf le premier dimanche du mois. Cultes du soir
mensuels à Rorschach, Rapperswil et Glaris.
Renseignements auprès de Simone Brandt,
pasteur, tél. 071 277 08 56 ou www.ref-sg.ch/église
12 AUSGABE 4/2015
KONZERT MIT CLEMENS BITTLINGER UND
DAVID PLÜSS IN RORSCHACH
Donnerstag, 28. Mai, 20 Uhr
Der Liedermacher Clemens Bittlinger gibt mit
seinem langjährigen und
kongenialen Schweizer
Pianisten David Plüss ein
Konzert.
Clemens Bittlinger hat
viele Lieder geschrieben,
die durch die Deutschen
Evangelischen Kirchentage weitherum bekannt
wurden und in vielen Gemeinden auch in der
Schweiz gesungen werden – nicht zuletzt auch
an den St.Galler Singtagen. Kollekte.
Ort: evangelische Kirche Rorschach,
Signalstrasse 34, 9400 Rorschach
Rundgang in Konstanz auf den Spuren des Konzils 1414–1418, von Bruder Klaus und der Reformation. Stadtwanderung mit dem Theologen
Walter Frei. Start 14.15 Uhr beim Ausgang
Schweizerbahnhof Konstanz.
Möglicher Treff in St.Gallen 12.45 Uhr
RELIGIÖSE AUFBRÜCHE IN ST.GALLEN
VON DER REFORMATION BIS HEUTE
Mi, 22.4./Di, 28.4./Mi, 6.5./Di, 12.5./Di, 26.5./
Mi, 3.6. 2015, jeweils 19.30–21 Uhr
Dienstag, 14. April, 14.30–16 Uhr
Glück, Gelassenheit, Ausstrahlung
Haben Sie schon mal von den vielen und tief heilenden Effekten der Meditation gehört? Möchten
Sie es einmal ausprobieren? Viele Studien zeigen,
dass Meditation ein äusserst wirksames Mittel
gegen Stress und das Altern ist.
Ort: St.Gallen, Böcklinstr. 2
Anmeldung: [email protected]
Kursbeitrag: Fr. 99.–, www.safranblau.ch
Treff bei der Kirche St.Mangen. Stadtwanderung
mit den Theologen Walter Frei und Charlie Wenk.
ST.GALLER BEZIEHUNGEN ZU MÜNCHEN
Mittwoch, 22. April, 18–19.30 Uhr
Treff bei Gewerbeschule GBS neben Kirche
St.Mangen. Altstadt-Rundgang mit den Theologen Walter Frei und Charlie Wenk.
Entschiedenheit und Widerstand
Das Lebenszeugnis der Märtyrer
Zu allen Zeiten gab es Christen, die um ihres
Glaubens oder um ihres Einsatzes für die Gerechtigkeit willen freiwillig den Tod auf sich
­genommen haben. Auch in der Gegenwart
trifft dies in vielen Teilen der Weltkirche zu.
Von der äussersten Entschiedenheit dieser Glaubenszeugen geht ein irritierendes Signal für die
«normalen» Christen aus.
Das Buch geht der Frage nach, was die Märtyrer
für das Leben der ganzen Kirche und ihr Zeugnis
für das Evangelium bedeuten. Es greift dafür die
urchristliche Theologie des Martyriums auf und
stellt diese in Beziehung zu den Selbstzeugnissen gegenwärtiger Märtyrer. Darüber hinaus bezieht es auch Stellung zu dem inflationären Gebrauch des Märtyrerbegriffs, der auch gewaltbereite fanatisierte Selbstmordattentäter umfasst.
Schockenhoff, Eberhard: Entschiedenheit und
Widerstand – Das Lebenszeugnis der Märtyrer
Verlag Herder, 2015, Fr. 32.90
26. April, 9.30 Uhr
Mittwoch, 1. April, 18 Uhr
Stadtwanderung mit dem Theologen Charlie
Wenk. Treff bei den Türmen der Kathedrale.
2./3. Mai, Sa 9 bis So 14 Uhr
MEDIENTIPPS
BÜRGSCHAFTEN UND DARLEHEN
Für Familien und Alleinerziehende, Landwirte
und Selbstständige. Gesuche sind zu richten an:
Evang. Bürgschafts- und Darlehensgenossenschaft des Kantons St.Gallen, c/o Bonfida Treuhand AG, Davidstrasse 38, CH-9001 St.Gallen
Tel. 071 226 91 91, [email protected]
www.ebdg-sg.ch
PERSÖNLICHKEITSSCHUTZ
Fühlen Sie sich im Rahmen des kirchlichen
Lebens diskriminiert oder in Ihrer Integrität
verletzt, seelisch oder körperlich ausgenutzt,
sexuell bedrängt, gemobbt oder belastet Sie ein
Abhängigkeitsverhältnis? – Die Kirche bietet
Ihnen die Möglichkeit, sich von einer neutralen
Fachperson kostenlos beraten zu lassen.
www.ref-sg.ch/persoenlichkeitsschutz
TIPP DES MONATS
Heilige Schriften der Menschheit
Jeweils Dienstag, 9.30–11.00 Uhr, Festsaal
St.Katharinen, St.Gallen, Dozent: Thomas
Reschke, kath. Universitätsseelsorger
Was steht wirklich in heiligen Büchern wie der
Bhagavadgita oder dem Koran? Welche Weltsicht bieten die als heilig angesehenen Schriften
der Religionen? Sind diese Bücher untereinander
unvereinbar? Ist ein gegenseitiges Lernen auf
dem Hintergrund dieser Schriften möglich?
Anhand einer Auswahl dieser Schriften führt die
Vorlesung ein in verschiedene Glaubenswelten.
Die heiligen Schriften der Religionen werden in
medialen Kontexten oft verkürzt und plakativ
dargestellt. Die Vorlesungsreihe will sich nicht
mit Vorurteilen begnügen: Vielmehr sollen die
Ur-Texte und Ur-Kunden der Religionen, die tiefe
Erfahrungen der Menschheit beinhalten, selbst
zur Sprache kommen.
28. April: Hinduismus: Die Bhagavadgita des
Mahabharata-Epos
5. Mai: Judentum: Thora
12. Mai: Christentum: Neues Testament
19. Mai: Islam: Koran
WWW.KIRCHENBOTE-SG.CH 13
FORUM DER LESERSCHAFT
Nachdenken über Gott und Trinität
«Mein Herr und mein Gott»
Obwohl die Ausführungen von Till Mohr zum
Thema Trinität überzeugend daherkommen, hin­
terlassen sie bei mir den Eindruck, eine Irrlehre
zu sein. Denn ich frage mich, was uns dazu ver­
leitet, zu glauben, dass der Sohn eines Vaters
plötzlich weniger gleich sein soll wie der Vater
selbst? Oder ist es bei uns Menschen nicht auch
so, dass der Sohn eines Vaters zugleich ganz
Mensch ist und dazu noch den gleichen Namen
trägt? Wenn Jesus sich unter seinen Vater stellt,
dann aus Demut, um uns ein Beispiel zu geben.
Ich für mich halte mich an den Jünger Thomas,
der da Jesus gegenüber spricht: mein Herr und
mein Gott! … und von Jesus nicht eines anderen
belehrt wird. ■ Ruedi Saluz, Grabs
Gott für, mit und in uns
Es ist erfreulich, dass wieder über die Trinität
diskutiert wird. Das ist mitnichten ein Thema
nur für Fachtheologen, sondern gehört in die
Diskussion in den Gemeinden. Man kann aber
diese Diskussion nur in grossem Respekt vorei­
nander führen, denn im Laufe der Jahrhunderte
wurden jeweilige Gegner sehr schnell als Häreti­
ker bezeichnet und verunglimpft, das geschieht
leicht bei diesem Thema.
Die Trinitätslehre ist implizit in der Bibel schon
vorhanden. Z.B. im Bekenntnis des Thomas, der
zu Jesus sagt «Mein Herr und mein Gott» (Joh.
20, 28). In Jesus wurde wirklich Gott Mensch.
Nicht ein Fast-Gott, sondern da wurde der leben­
dige Gott selbst Mensch. Diese Klarheit brau­
chen wir. Es geht sonst einfach etwas verloren.
Klar unterstellt sich Jesus dem Vater. Klar ist er
demütig, aber das ist präzis darum so, weil er
Herr und Gott ist, weil er Gottes Demut lebt.
Henri Nouwen hat gesagt, dass wir die Trinität
brauchen als Ausdruck von Gottes Wunsch
nach Intimität mit uns. Er spricht von Gott als
dem Gott für uns und Jesus als dem Gott mit
uns und vom Heiligen Geist als dem Gott in uns.
Das Geheimnis der Trinität ist verstandesmässig
«Henri Nouwen spricht von Gott als
dem Gott für uns und Jesus als dem
Gott mit uns und vom Heiligen Geist
als dem Gott in uns.»
nicht zu erfassen, obwohl es sehr wichtig ist,
­darüber nachzudenken. Es gehört zuallerletzt in
den Bereich der Faszination, des Staunens, der
Anbetung und der Intimität mit Gott. ■
Pfr. J. Bachmann, Grabs
Auch Theologen täuschen sich
Herr Pfarrer Jehle zählt 13 potente Theologen
aus der Kirchengeschichte auf, die sich für die
Trinität eingesetzt haben. Diese Schau scheint
mir zu einseitig. In meinem Buch «Geistlehre aus
dem Jenseits» nenne ich bei der Trinitätsanalyse
61 Persönlichkeiten querbeet, auch Theologen,
die sich gegen die Trinität ausgesprochen haben.
Tatsache ist, dass die Theologen alles andere als
14 AUSGABE 4/2015
Dreifaches Christusmonogramm aus dem Baptisterium (Taufkapelle) in Albenga, Italien, 5. Jahrhundert
Garanten der Wahrheit sind. Als Beispiel erwäh­
ne ich hier den von Pfr. Jehle hervorgehobenen
Karl Barth, der sich mit seiner «Ganztod-Theolo­
gie», also dem Tod des Menschen mit Leib und
Seele, gründlich geirrt haben dürfte. Ich habe in
einer sich über acht Jahre hinziehenden Fallstu­
die den klaren Indizienbeweis erbracht, dass nur
der grobstoffliche Körper stirbt, die Seele jedoch
in ihrem feinstofflichen Körper unbeschadet in
einer feinstofflichen Jenseitswelt weiterlebt.
­Dieser Beweis steht in einer fortlaufend nach­
geführten Weltrangliste der US-universitären
AECES-Forschungsgesellschaft seit vier Jahren
an erster Stelle (www.survivaltop40.com). AECES
(Association for Evaluation and Communication
of Evidence for Survival) stehen sieben Uni-Pro­
fessoren unterschiedlicher Richtung vor. – Noch
etwas: Der jüdische Theologe Pinkas Lapide sah
in der Trinität stets das grundlegende Hindernis,
sich in die christliche Lehre einfühlen zu kön­
nen. ■ Dr. oec. Wolfgang Eisenbeiss, St.Gallen
Till Mohr schreibt: Hen (eins) sei die Gesinnung.
Das griech. Wort für Gesinnung ist hä fronäsis
und damit eine feminine Form. Hen ist jedoch
neutrum. Wenn man dem hen ein Substantiv an­
fügen möchte, so wäre es pneuma, welches das
Geschlecht im Neutrum hat. Dann würde der
Satz also heissen: Ich und der Vater sind ein
Geist. Und dies trifft den Kern.
Die Gottheit ist alles in einer Person. Sie ver­
einigt in sich die Liebe, die Weisheit und die
Macht des Willens. Wenn von einer Dreieinigkeit
gesprochen wird, so ist dies immer nur der
­Inbegriff von der Liebe als Vater (1. Joh. 3, 1),
der Weisheit als Sohn (Eph. 3, 10, 1. Kor. 1, 30)
und des Willens als Heiliger Geist ( Luk. 10, 21,
Joh. 14, 26, Ap. 1, 8).
Alles ist in der ewigunvergänglichen Gottheit
vereinigt, weil Gott von Ewigkeit her der Inbe­
griff aller Liebe, Weisheit und Macht ist.
Jesus war in einer menschlichen Gestalt auf die­
ser Erde, aber es war doch Gott selbst in ihm.
Gott gab einer Seele, einem Kind von Gott, eine
Aussenform, um sich selbst dann mit dieser See­
le unauflöslich zu verbinden. Gott hat in einer
Aussenform Wohnung angenommen. Gott war
das Wort (Joh.1, 1) und das Wort ward Fleisch
und wohnte unter uns ( Joh. 1, 14).
Und so starb Gott am Kreuze. Die menschliche
Hülle musste den Tod erleiden unter allen
Schmerzen und Qualen. Die ewige Liebe aber
brachte das Opfer in diesem Menschen Jesus,
die ewige Liebe nahm alle Qualen und Leiden auf
Sich, ansonsten das Opfer nicht freiwillig geleis­
tet worden wäre. Die Liebe starb für die Men­
schen am Kreuz, und also war Gott selbst es, Der
für uns gelitten hat um der übergrossen Sünden­
schuld willen, die Er tilgen wollte …
Gott Selbst stieg zur Erde nieder und errettete
die Menschheit aus tiefster Not. Die Liebe tilgte
die Sündenschuld, der Mensch Jesus aber leiste­
te die Sühne, weil die ewige Liebe nicht leiden
konnte, der Menschheit aber Hilfe gebracht wer­
den sollte und diese Hilfe nur ein Mensch leisten
konnte, der voller Liebe war. Durch die Liebe
aber fand die völlige Verschmelzung statt, dass
Körper, Seele und Geist eins wurden und sich
mit dem Vatergeist von Ewigkeit unauflöslich
verbinden konnten. Gott als Liebe, Weisheit und Wille
Die Kritik der Moslems und der Juden an der
Lehre der Trinität ist berechtigt. Ein Gott und
drei Personen sind ein klarer Widerspruch von
der Logik her. Die Lehre der Dreieinigkeit Gottes
hat zu grosser Verwirrung und Zersplitterung
der Gläubigen geführt.
Doch Till Mohrs Auffassung, dass Jesus der ver­
heissene Messias, nicht Gott ist, wie es auch Ari­
us damals behauptete, stehen klare Aussagen
der Bibel entgegen. Als Jesus den Jüngern sagte:
«Niemand kommt zum Vater denn durch mich»,
sagte der Jünger Philippus: «Herr, zeige uns den
Vater.» Jesus antwortete: «Wer mich sieht, sieht
den Vater» (Joh. 14, 6–9).
Paulus sagte in Kol. 2, 9: «Und in Jesus wohnte
die ganze Fülle der Gottheit.» In Johannes 10, 30
heisst es: «Ich und der Vater sind eins.»
Der Mensch Jesus musste die letzte Entschei­
dung Selbst treffen, als Er den schwersten Gang
antrat, den Weg zum Kreuz. Und obgleich Gott
als die Ewige Liebe in Ihm war, zog sich Gottes
Geist zurück, er verhielt sich still und liess den
Menschen Jesus scheinbar in Seinem Ringen
allein. Und dies war das Schwerste, dass sich
der Mensch Jesus in seiner Not allein fühlte und
dennoch den Weg bis zum Ende ging. Und diese
Qualen dauerten an bis zu Seinem Tod am Kreuz
und liessen Ihn die Worte ausrufen: «Mein Gott,
mein Gott, warum hast Du mich verlassen.» Gott
Selbst war in Ihm, aber Er äusserte sich nicht,
es war nur noch der Körper, der litt. ■
Josef Wüllner, Hemberg
Weitere Texte in der Internetausgabe des Kibo, so
eine längere Reflexion von Pfr. J. Bachmann und
eine Antwort von Till Mohr auf die Leserbriefe.
MONATSPORTRÄT
INTERVIEW
Fasziniert
vom Tode
Text: Margrith Widmer, Teufen | Foto: as
KIBO: WIE WIRD MAN TOTENGRÄBER?
Willi Gasser: Ich wollte schon als kleiner Junge
Totengräber werden. Als kleines Kind habe ich
gerne Tote angeschaut. Meine Grossmutter
starb, als ich drei Jahre alt war; mein Bruder
starb mit zehn an einem geplatzten Blinddarm.
Früher wurden die Verstorbenen vor der Kirche
aufgebahrt. Ich ging immer schauen und wurde
weggejagt. Da stellte ich mich in die Reihe mit
den Angehörigen. Der alte Totengräber konnte
mich nicht mehr verjagen.
Willi Gasser aus Diepoldsau ruft seine Schafe herbei und füttert sie mit altem Brot – im Hintergrund Vorarlberg.
Sticker, Bauer, Totengräber
Text: Margrith Widmer, Teufen | Foto: as
Er ist Sticker, Bauer und Totengräber im
Nebenamt: Willi Gasser aus Diepoldsau.
Am 6. April feiert er seinen 80. Geburtstag.
60 Jahre lang war er Totengräber in seinem
Heimat- und Wohnort. Als Aushilfe stehe er
weiterhin zur Verfügung, sagt er und seine
Augen leuchten.
In der Rheintal-Ebene ist es längst grün – Willi
Gassers siebenjährige grauschwarz-getupfte
Appenzeller-Bergamasker-Mix-Hündin Sara empfängt mit schönem Gebell und viel Gewedel, legt
sich auf den Rücken, sobald Gasser sie streichelt
– «man muss ihr flattieren», lacht er. Nebenan
weiden 45 Schafe; rote, weisse, schwarze, und
Sperber-Hühner kommen angewadelt, wenn er
«Chomm Bibi!» ruft – und plaudern leise.
In seiner Garage stehen 40 Jahre alte Geranien
mit ersten grünen Blättchen. Grüner Daumen,
menschenfreundlich und tierlieb: Das ist Willi
Gasser – ein Mann, der in sich selber ruht.
DER TOD IST KEIN MARTYRIUM
Ist der Tod ein Martyrium? Nein, sagt er: Er möchte nur in Würde, ohne Leiden und schnell sterben.
«Ich habe keine Angst vor dem Tod. Im Jenseits
ist es viel schöner als hier.» Einen würdevollen
Tod hat er seiner geliebten Frau ermöglicht: Sie
war sehr lang krank. «Bloss nicht ins Pflegeheim»,
war ihr grösster Wunsch. Er hat ihn ihr erfüllt; er
pflegte sie zwei Jahre lang – bis zuletzt.
Für manche ist das ganze Leben ein Martyrium,
für andere ausschliesslich die letzte Phase – für
viele Hinterbliebene der Tod: «Hätte ich nur,
wäre ich nur», jammern sie. «Dann ist es zu spät»,
bedauert Willi Gasser.
«Ich habe oft gedacht, ich werde nie 80», gesteht
er. Sein Vater, ein Sticker, starb 74-jährig, ein Bruder mit 79, ein anderer mit 56 an Herzversagen.
Manche Leute konnten nicht verstehen, warum er
bis 80 arbeitete: «Ich arbeite gern; ich musste nie
ein Knie operieren – und ich war noch nie krank.»
Als Landwirt will er nicht in den Ruhestand treten: «Ich habe ja Maschinen.» Er bewirtschaftet
neun Hektaren – Gras, Silofutter – und züchtet
Schafe. «Ich war noch nie in den Ferien», sagt er.
ZEHN MAL FAST TOT
Keine Kinderkrankheiten, keine Grippe – aber:
«Ich hatte schwere Unfälle; ich hätte schon zehn
Mal tot sein können.» Er zählt auf: Er war im Traktor eingeklemmt und erlitt einen innerlichen Blut­
erguss, der spontan heilte: «Ich habe gebetet»,
sagt er. Einmal wurde er im Silo bewusstlos: «Eine
Woche lang war mir schlecht – das wäre ein
schneller Tod gewesen.» Dann stürzte ein Fuder
Gerstenballen auf ihn. Der Arzt sprach von Operation; die Schulter heilte «von selber». Als er
beim «Bschötte» unvorsichtig war, knallte ihm
das Druckfass an den Kopf; er benötigte eine
Bluttransfusion. Zur Ärztin sagte er: «Sonst wäre
ich schon im Himmel.» Beim Wäscheaufhängen
stürzte er auf den Betonboden, blutete aus dem
Ohr; beim Entfernen von Spinnweben fiel er auf
den Heuboden. Eine zänkische Kuh rammte ihm
statt der Konkurrentin ein Horn ins Kreuz. «Wenn
die Uhr abgelaufen ist – und wenn’s schon morgen ist –, ich bin voller Zuversicht. Ich weiss, dass
es am andern Ort schöner ist», sagt er gelassen.
Aufgewachsen ist Willi Gasser als Sohn eines
Stickers. Der Grossvater, ein Bauer, wurde mit
38 vom Stier getötet – der kleine Willi war zwei
Jahre alt. Schon als Junge arbeitete er mit, lernte
Sticker, besuchte die Stickereifachschule – und
wurde mit 18 Gehilfe des Totengräbers. Dazu gehören: Einsargen, mit dem Leichenwagen zur Beerdigung fahren, mit einem Kleinbagger das Grab
ausheben und den Blumenschmuck arrangieren.
«Heute gibt es nicht mehr viele Erdbestattungen»,
sagt Willi Gasser. Immer häufiger gebe es Abdankungen ohne Sarg, nur mit Urne: «Da fehlt der
Bezug zum Verstorbenen.» ■
TOTENGRÄBER WERDEN MIT
ABERGLAUBEN VERFOLGT: GIBT ES
MENSCHEN, DIE AUSWEICHEN?
Manchmal. In einem Restaurant sagt schon
einer: «Nein, neben den Totengräber sitze ich
nicht.»
BESTATTER AUF DEM EVANGELISCHEN
UND DEM KATHOLISCHEN FRIEDHOF:
IST DAS NICHT AUSSERGEWÖHNLICH?
Als ich 20 war, starb mein Vorgänger, bei dem ich
seit 18 Gehilfe war. Ich war der einzige Bewerber
und wurde angestellt. 1976 wurde ein Toten­
gräber für den katholischen Friedhof gesucht.
Wieder war ich der einzige Anwärter und wurde
engagiert.
GAB DAS KEINE HOCHGEZOGENEN
AUGENBRAUEN?
Doch: Wenn ich als Evangelischer in aller
Herrgottsfrühe auf den katholischen Friedhof
ging, wurde ich von einigen alten Damen offen
angefeindet. Inzwischen nimmt niemand mehr
Anstoss.
Wie benehmen sich die Angehörigen?
Das hat sich stark verändert. Früher blieben
die eingesargten Verstorbenen im Haus bis zur
Beerdigung. Es gab ein einziges Sargmodell, ein
schwarzes. Dann ging’s mit Pferd und Wagen und
dem Trauerzug durchs Dorf. Das war feierlich
und schön – ein ganz anderer Abschied. Heute
wollen viele Menschen die Verstorbenen nach
dem Einsargen gar nicht mehr anschauen. Sie
argumentieren, sie wollten sich an den lebenden
Menschen erinnern. Das verstehe ich nicht.
Manche Verstorbenen sind schöner als Leiche
als zu Lebzeiten: so schön, so gelassen.
WAS MACHT AM MEISTEN ZU SCHAFFEN?
Schlimm finde ich, wenn die Hinterbliebenen
noch während des Einsargens ums Erbe streiten.
Wenn jemand sehr gelobt wird für seine Tugenden, frage ich: Hast du ihn schon mal beim Erben erlebt? Was schmerzt: Wenn die Angehörigen auf dem Friedhof nicht wissen, wie sehr sie
weinen sollen – und beim Leichenmahl wird laut
erzählt, pietätlos gelacht und gescherzt. ■
WWW.KIRCHENBOTE-SG.CH 15
BIBLISCHE NAMEN
Jesus aus Nazareth, als Christus verehrt
Juda eine Bewegung ausging, welche die Welt
verändern und prägen sollte. Diese Bewegung, in
welcher der gekreuzigte Wanderprediger Jesus
aus Nazareth als lebendige Kraft verehrt wurde,
zeigte sich zuerst als jüdische Sekte, dann als
ein geheimes Netzwerk unter den Völkern und
schliesslich als offizielle Religion in Reichen und
Nationen. Heute ist es die grösste Weltreligion.
Mit Jesu Geburt beginnt unsere Zeitrechnung.
Auf einer Eselin zieht Jesus in Jerusalem ein.
Text: Andreas Schwendener | Foto: Kirche Zillis GR
Jesus (hebr. Jeschua = der Herr hilft) war im
Altertum ein verbreiteter Name. Weltbedeutung erlangte er durch Jesus aus Nazareth,
den die Bibel als Christus (Gesalbter) bezeugt.
Es ist ein Rätsel und Wunder zugleich, wie aus
dem aufständischen, von Rom unterdrückten
EIN WANDERPREDIGER PROVOZIERT
Seit der Neuzeit versuchte man immer wieder
den historischen Jesus wie auch echte Jesusworte zu rekonstruieren – ohne Konsens. Jesu
Jugend- und Lehrjahre bleiben im Dunkeln.
Er tritt als Schüler des Täufers in Erscheinung,
sammelt Jünger, wandert predigend und heilend
zwischen Galiläa und Jerusalem und will dabei
vor allem sein Volk aufrütteln und auf das Nahen
des Gottesreiches vorbereiten.
Stadt lässt er sich ausliefern und wird vor den
Toren Jerusalems gekreuzigt.
ZEUGNISSE DES URCHRISTENTUMS
Die neue Religion gründet, wie schon das Judentum, auf mündlicher Tradition und Heiligen
Schriften. Vier Evangelien erzählen auf je verschiedene Art das Wirken, Sterben und Auferstehen Jesu. Die Apostelgeschichte berichtet vom
Weg der frohen Botschaft bis nach Rom, die
Briefe des Paulus reflektieren die durch Jesus
neu erfahrbare Gottesnähe, die am Ende der
Zeiten durch Jesu Wiederkunft sich kosmisch
auswirken und allen offenbar sein wird.
Doch Jesu vollmächtige Reden und seine freie Interpretation der Tradition provozieren die religiö­
sen und politischen Autoritäten. In der Heiligen
Alle diese Schriften spiegeln eine spezifische
Verkündigung und Praxis des neuen Glaubens –
stets auf dem Hintergrund alttestamentlicher
Erwartungen. Jesus wurde verehrt als Messias
(griech. Christos), als Menschensohn, als Wort
Gottes, Gottes Sohn, neuer Adam und als Gott.
Bis heute ringt die Kirche um Worte, um die irdische und himmlische Wirksamkeit von Jesus,
dem Christus, verständlich zu machen. ■
CHRISTOS PAPADOPOULOS, RAPPERSWIL
Der Name Christos hat Tradition in Griechenland und in meiner Familie. Mein Grossvater
hiess so, auch zwei Cousins. Es ist das griechische Wort für «Gesalbter», hebräisch Messias.
Hier muss ich oft auf die korrekte Aussprache
meines Namens achten. Mein Vorname wird auf
«i» betont. Liegt die Betonung auf dem «o», ist
der Messias angesprochen – das ist als Vorname
tabu. Oft wird mir vorgehalten, dass mein Name
eine Verpflichtung sei, den Glauben weiterzugeben. Dann lächle ich pflichtbewusst, ich bin ja
inzwischen Diakon in meiner Kirchgemeinde. ■
JESÚS DUARTE-SIEGENTHALER, FLAWIL
Ich komme aus einem kleinen spanischen Dorf,
alle Familien hatten dort 8 bis 10 Kinder, von denen sicher eines Jesús hiess. So war es auch bei
uns. Beim «Schittli um»-Spielen und überhaupt,
erwähnte man zum Vornamen des Kindes auch
noch den Vornamen des Vaters oder der Mutter,
damit man wusste, um wen es ging. Ich bin also
Jesús vom Pedro. Hier in der Schweiz kennt man
Maria und Josef als Vornamen, nicht aber Jesús.
Seit ich mich intensiver mit dem Glauben aus­
einandersetze, fühle ich mich wohl mit meinem
Namen, er gibt mir Frieden und Ruhe. ■
Ich heisse Jesus oder Christos
MARIA JESUS CORDERO, RORSCHACHERBERG
Ich war das erste Kind meiner Eltern. Der Vater
erwartete einen Buben, der Jesus heissen sollte.
Aber ich bin ein Mädchen geworden. Der Vater
meiner Mutter schlug vor, mich Maria Jesus zu
taufen – was in Spanien nichts Besonderes ist.
Aber in der Schweiz gab das Probleme. In offiziellen Dokumenten hatte man Mühe, den zweiten
Männernamen zu akzeptieren. Auch im persönlichen Umgang bin ich in der Schweiz für viele einfach Maria, obwohl ich mich immer mal wieder
für meinen ganzen Namen einsetze. Im besten
Bekanntenkreis bin ich klar Maria Jesus. ■
Nachrichten aus Ihrer Kirchgemeinde im Mittelbund.
Zum Titelbild
Das Titelbild zeigt das durchstochene Herz Jesu – oder
ist es das Herz der Mutter
Maria? Das Herz ist Bestandteil der Installation «Gnade»
des St.Galler Künstlers Hans
Thomann. Es ist aufgehängt
auf einer Leiter, die mit einem Bein auf einem Ei steht,
dem Symbol neuen Lebens,
der Auferstehung.
16 AUSGABE 4/2015
Adressänderungen bitte an Ihre Kirchgemeinde melden.
Impressum
Herausgegeben im Auftrag der
Synode der Evangelisch-reformierten
Kirche des Kantons St. Gallen.
www.kirchenbote-sg.ch
Nächste Nummer
Thema: Christliche Fundamente –
was uns im Glauben wirklich trägt,
erscheint am 1. Mai
Redaktionsschluss: 14. April
Redaktion
Pfr. Andreas Schwendener (as)
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Reto Neurauter (nr), Grabs
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Druck
galledia ag
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Altpapieranteil: mind. 50%,
Auflage: 71 000
Gestaltungskonzept
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11 Ausgaben: Fr. 13.–
(wird von den Kirchgemeinden bezahlt)