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Weltmeister trotz Wirbel-OP
Kasseler Neurochirurg: Volle Belastung nach Bandscheiben-Operation mit neuer Methode möglich
B
ei mir steht demnächst
eine Bandscheiben-Operation an der Halswirbelsäule an. Ich leide an einer Spinalkanalstenose und habe gelesen, dass in vielen Fällen eine
Frühberentung trotz der OP
drohen kann, weil die Belastbarkeit der Wirbelsäule deutlich verringert sei. Gibt es darüber neue Erkenntnisse?“, fragt
ein Leser aus Kassel.
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Leser fragen,
Ärzte antworten
Antworten hat Dr. Kordian
Wojtas, Chefarzt der Neurochirurgie am Marienkrankenhaus Kassel und Leiter des
Wirbelsäulenzentrums Baunatal.
Aufgrund verbesserter Materialien und schonender Operationstechniken hat heutzutage laut Wojtas die große
Mehrheit der Patienten keine
Einschränkungen bezüglich
der Belastbarkeit nach einer
Operation.
Unter einer Spinalkanalstenose im Bereich der Halswirbelsäule versteht man eine
Verengung des Wirbelkanals,
in dem das Rückenmark verläuft. Ursache kann beispielsweise der Verschleiß von
Bandscheiben im fortgeschrittenen Lebensalter sein, der
unter anderem zu einer Verdickung der Wirbelgelenke
führt. „Schreitet die Verengung fort, kann das Rückenmark geschädigt werden“,
sagt Wojtas. Dies äußere sich
Voll belastbar: Richard Hermann trägt Dr. Kordian Wojtas nach
seiner Wirbelsäulen-OP auf dem Arm.
Foto: Konrad
in einer eingeschränkten Beweglichkeit von Armen und
Händen,
Gangunsicherheit
und Schmerzen.
Spätfolgen vermeiden
Um Spätfolgen und Schmerzen zu vermeiden, sei meist
eine Operation erforderlich.
Dabei werde ein spezieller
Platzhalter, ein sogenannter
Cage, anstelle der betroffenen
Bandscheibe
eingesetzt.
Wojtas: „Dieser Platzhalter –
meist aus Titan oder Kunststoff – verwächst innerhalb
weniger Wochen fest mit den
angrenzenden Wirbelkörpern
und stabilisiert so die Wirbelsäule.“ Bislang sei man auch
in Fachkreisen davon ausgegangen, dass die Wirbelsäule
nach einem solchen Eingriff
nicht mehr belastbar sei.
Am Beispiel des Baunataler
Gewichthebers Richard Her-
mann habe er erstmals zeigen
können, dass sich die Belastbarkeit der Wirbelsäule mit einem speziellen Eingriff wieder herstellen lasse. Der 62Jährige bekam einen Cage zwischen den Halswirbeln fünf
und sechs implantiert.
Sechs Wochen nach der
Operation begann er Ende Januar des vergangenen Jahres
wieder mit dem Training. Einige Wochen später im Frühjahr
wurde er deutscher Meister in
seiner Altersklasse, wenige
Monate später Vize-Europameister und schließlich Weltmeister im Zweikampf in den
Disziplinen Stoßen und Reißen. 200 Kilogramm schafft er
heute.
Sportler sind Sonderfall
Um die Belastbarkeit derart
wieder herzustellen, spielten
viele Faktoren eine Rolle,
schränkt Wojtas ein. „Sportler
können ihren Körper sehr gut
einschätzen, man kann den
Fall aber nicht verallgemeinern“, sagt er. Der Fall verdeutliche aber, welche Möglichkeiten das Verfahren zur
Stabilisierung der Wirbelsäule
biete, um die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität der
betroffenen Patienten wieder
herzustellen und zu erhalten.
100 Operationen pro Jahr
Etwa 100 Operationen dieser Art macht Wojtas nach eigenen Angaben pro Jahr. Die
OP wird im Bereich der Halswirbelsäule durch einen kleinen Schnitt an der Vorderseite
des Halses vorgenommen.
„Die OP-Technik ist sehr schonend, es gibt kaum einen Blutverlust“, sagt er. Nach sechs
Wochen könne die Wirbelsäule in der Regel wieder voll belastet werden, so lange dauert
die Einheilung. Die Wiederherstellung der Belastbarkeit
führt Wojtas vor allem auf verbesserte Materialien und die
schonende Operationstechnik
zurück. (pmk)
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Sie sich wenden sollen, Fragen
an Ärzte haben oder mehr
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HNA-Lokalredaktion Kassel,
Stichwort: Gesundheit,
[email protected]
Fax: 05 61/20 3-24 007
Ein Video zu diesem
Thema gibt es auf
http://zu.hna.de/spinal15
Zur Person
DR. KORDIAN WOJTAS wurde 1976
in Nikolai (Polen) geboren. Nach
seinem Medizinstudium in Göttingen war er als Facharzt für
Neurochirurgie am Klinikum
Kassel tätig. Am Krankenhaus
Maria-Hilf in Brilon baute er eine
neurochirurgische Sprechstunde auf und leitete diese. Seit
2013 ist er zusammen mit dem
Neurochirurgen Thomas Kruschat in einer Gemeinschaftspraxis in Baunatal und Brilon
niedergelassen. Seit Januar dieses Jahres ist er außerdem Chefarzt der Neurochirurgie am Marienkrankenhaus Kassel. Wojtas
ist verheiratet und hat zwei Kinder. (pmk)