1 Dipl.-Ing. Böge • Am Pohl 56 • 23566 Lübeck Grundschule

Dipl. – Ing. Klaus – Peter Böge
Am Pohl 56
23566 Lübeck
von der Industrie- und Handelskammer zu Lübeck öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für
Messungen und Beurteilungen von Innenraumluft
Dipl.-Ing. Böge • Am Pohl 56 • 23566 Lübeck
Grundschule Garbsen-Mitte
Frau Angelika Riemer
Meyenfelder Str. 8
30823 Garbsen
Durchschriftlich: per Mail
Herrn
Dr. med Roland Suchenwirth
Landesgesundheitsamt
Schimmelbelastungen in der Grundschule Garbsen Mitte
Hier: Stellungnahme Herr Grams (Dipl.-Biologe), Niedersächsisches Landesgesundheitsamt, vom 29.7.2014 „Einschätzungen der vorgelegten Untersuchungsberichte“
Sehr geehrte Frau Riemer,
mit Betroffenheit habe ich die Ausführungen des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes zu
der Schimmelproblematik in Ihrer Schule gelesen. Nach meiner jahrzehntelangen Tätigkeit im
gesundheitlichen Umweltschutz, darunter auch ca. 20 Jahre mit der Zuständigkeit für Schulen,
kann ich nicht nachvollziehen, warum schwerwiegende gesundheitliche Problemstellungen in Ihrer Schule verharmlost bzw. verschleppt werden. Eindeutige Hinweise auf gesundheitsgefährdende Umstände (siehe Abs. 2) werden nicht fachgerecht mit Untersuchungsergebnissen widerlegt (siehe dazu auch Abs. 2.3.5), sondern vom Vertreter einer Gesundheitsbehörde lediglich mit
schwer nachvollziehbaren Hypothesen in Frage gestellt.
1
Bei meinen nachstehenden Ausführungen beziehe ich mich vorzugsweise auf die nach Angaben des Umweltbundesamtes nach dem Stand der Technik aktuell immer noch geltenden
„Schimmelpilz- Leitfäden des Umweltbundes 2002 und 2005“, einschlägigen umweltmedizinischen Leitfäden und Qualitätskriterien sowie u.a. den Mitteilungen der Kommission „Methoden
und Qualitätssicherung in der Umweltmedizin zu Schimmelpilzbelastung in InnenräumenBefunderhebung, gesundheitliche Bewertung und Maßnahmen“ (Bundesgesundheitsblatt 200750:1308-1323.
2 Erläuterungen zu den Ergebnissen meiner Ortsbegehung am 16.04.2014
mit orientierenden Feuchtemessungen, dem Einsatz des Schimmelspürhundes, einer Raumluftmessung auf MVOC, einer beispielhaften Materialanalyse auf KBE und Gesamtzellzahlen sowie
vier Klebefilmschnelltests, die ich wie folgt zusammengefasst habe:
„1. Der eingesetzte Schimmelspürhund hat in den überprüften Räumen (7 +Lzi) auf dem gesamten Fußboden intensiv markiert, was auf versteckte mikrobielle Belastungen hindeutet.
2. Bestätigt wird dies durch die vorliegenden Ergebnisse der Raumluftuntersuchung auf MVOC (Anlage
1) und der Materialanalyse einer Korklage unter dem Linoleum (Anl.).
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von der IHK zu Lübeck öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Messungen und Beurteilungen von Innenraumluft
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3. Wahrscheinlich ist es hier durch altersbedingt bauliche Mängel (Betondecke über feuchtem Kriechkeller, evtl. ohne Feuchtesperren und Dämmungen) zu einem Befall mit Pilzen und Bakterien und andauernden Ausgasungen von MVOC gekommen.
4. Weiter wurden durch 4 Klebefilmschnelltests auffällige und unzumutbare Sporen- und Myzelkonzentrationen in Staubablagerungen im Flur und im Lehrerzimmer (siehe Anlage) gefunden, die mit Schimmelbelastungen aus dem Kriechkeller im Zusammenhang stehen können. Allein die Zufalls - Messergebnisse
von Sporen in der Raumluft (siehe Kurzfassung des Schimmelpilz–Leitfaden UBA) sind hier für eine gesundheitliche Bewertung nicht ausreichend.
5. Es ist davon auszugehen, dass die genannten andauernden gesundheitlichen Probleme im Zusammenhang mit den o.g. Belastungen stehen. Es besteht dringender Handlungsbedarf.
6. Grundsätzlich sind hier sofortige umfassende und sachverständige Ermittlungen für eine Gefährdungsabschätzung mit Sanierungsvorschlägen erforderlich.
Als Sofortmaßnahmen sind eine Spezialreinigung sowie regelmäßige und intensive Lüftungsmaßnahmen
erforderlich“.
Herr Grams stellt in seinem Schreiben zu diesen (lediglich orientierenden) Untersuchungen seine
„Methodische und inhaltliche Einschätzung“ mit: „Zu den verwendeten VDI Verfahren gehören
der Klebefilmschnelltest und die Korkuntersuchung, zu den als sonstige Verfahren bezeichneten
Methoden der Schimmelspürhund“ und verlangt von mir „eine inhaltliche Begründung für den
Einsatz dieser abweichenden Methoden“. Von „abweichenden Methoden“ habe ich zwar in diesem Zusammenhang weder in Beweisverfahren vor Gericht, noch in der Kooperation mit Ärzten
und Krankenkassen bei der Bearbeitung von über 10.000 Fällen noch nie gehört, äußere mich
aber gerne zum aktuellen Stand der Technik für die Messung und Beurteilung von Schimmelbelastungen.
2.1 Stand der Technik, der Mikrobiologie und der Umweltmedizin zu: „Messmethoden“
Unabhängig von diversen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, Ergebnissen von Fachtagungen, eigenen Erfahrungen mit mehr als 10.000 Aufträgen sowie regelmäßigen und engen Abstimmungen mit Umweltmedizinern und Toxikologen sind für den vorliegenden Fall die „Leitfäden des Umweltbundesamtes aus 2002 und 2005 zur Vorbeugung, Untersuchung, Bewertung, Ursachensuche und Sanierung von Schimmelpilzwachstum in Innenräumen“ auch in
2014 und 2015 nach Ausführungen von Vertretern des Umweltbundesamtes die wesentlichen
Arbeitsgrundlagen für Schimmelprobleme „nach dem Stand der Technik“.
2.1.1 „Abbildung 4“ (siehe Anlage 3) aus dem o.g. Leitfaden (2002) zeigt den “Ablauf der Untersuchung auf eine Schimmelpilzbelastung in Gebäuden“ mit mehreren „denkbaren Optionen“. Für eine Gesamtbeurteilung können neben der „Ortsbesichtigung, Begehung mit Befragung der Betroffenen und der Erhebung von Randbedingungen“ vorzugsweise folgende Prüfmethoden eingesetzt werden:
„- Messung der Schimmelpilze in der Innen- und Außenluft,
- Messung der Schimmelpilze im Staub
- Materialproben und Oberflächenkontaktproben,
- Messung der MVOC in der Innen- und Außenluft,
- Einsatz eines Schimmelpilzspürhundes“
2.1.2 Zusammenfassung zu Methodendiskussion: Zur Feststellung und Beurteilung von mikrobiellen Belastungen von Innenräumen existiert kein allgemein verbindliches Verfahren; vielmehr
sind jeweils die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen und die verschiedensten Methoden einzusetzen. Eine etwaige (evtl. unzumutbare) Belastung setzt sich aus unterschiedlichen,
jeweils variierenden Einzelfaktoren (meist nur Indikatoren) zusammen, so dass in jedem Falle
eine wertende Gesamtbetrachtung und Beurteilung durch einen versierten Schimmelsachverständigen zu erfolgen hat.
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2.1.3 Dazu Auszüge aus den „Mitteilungen der Kommission Methoden und Qualitätssicherung
in der Umweltmedizin“ 1: (Hervorhebungen durch den Unterzeichner)
„Abs. 5.1 Quantitative Expositionsabschätzung“: „Aus mehreren Gründen ist es bisher nicht
möglich, die Expositionen gegenüber bestimmten Schimmelpilzbestandteilen der Innenraumluft (kultivierbare und nicht kultivierbare Schimmelpilzsporen, Stoffwechselprodukte von
Schimmelpilzen wie MVOC und Mykotoxine sowie Zellbestandteile beta-Glukane, Ergosterol,
Allergene) quantitativ mit gesundheitlichen Wirkungen zu korrelieren. Eine quantitative Risikoabschätzung durch Messung der Konzentration von Schimmelpilzen (kultivierbare und nicht kultivierbare Schimmelpilzsporen) oder von Stoffwechselprodukten (MVOC, Mykotoxine) im Innenraum ist deshalb nicht möglich.“ ....
„Abs. 5.2 Empfehlungen zur Ermittlung der qualitativen Exposition in der ärztlichen Praxis“:
„Obwohl eine quantitative Expositionsabschätzung nicht möglich ist (siehe Abs. 5.1), kann es
sinnvoll sein, im Einzelfall anhand einer qualitativen Risikoabschätzung eine Einstufung in Risikogruppen und grobe Einstufung der gesundheitlichen Gefährdung der Raumnutzer vorzunehmen.“ ...
„Die Probleme der quantitativen Expositionserfassung hinsichtlich Schimmelpilze im Innenraum
dürfen jedoch nicht dazu führen, dass Schimmelpilzwachstum im Innenraum als unproblematisch angesehen wird.
Da Schimmelpilze gesundheitliche Wirkungen haben können, darf Schimmelpilzwachstum in
Innenräumen aus Vorsorgegründen nicht toleriert werden.
Bei einem nachgewiesenen Feuchteschaden und diagnostizierter Schimmelpilzallergie oder vorliegender Immunsuppression ist von einer gesundheitlichen Gefährdung durch eine „nachweisbare“ zusätzliche Schimmelpilzexposition auszugehen Grundsätzlich besteht auch bei Gesunden
immer die Möglichkeit einer Sensibilisierung mit der Folge der Entwicklung klinisch relevanter
Allergien. Die Bewertung, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen den diagnostizierten gesundheitlichen Beschwerden und der vorliegenden Schimmelpilzquelle besteht, sollte in enger
Kooperation zwischen dem behandelnden Arzt und dem mykologischen Labor erfolgen“.
„Abs. 6: Risikoanalyse und -bewertung
Auf der Grundlage des aktuellen Wissensstandes kann festgestellt werden, dass vor allem Allergiker durch den Aufenthalt in feuchten und/oder schimmelbelasteten Innenräumen gefährdet
sind. Darüber hinaus ist eine Gefährdung für immunsupprimierte Personen sowie für Patienten
mit chronischen Atemwegserkrankungen und chronischen Hauterkrankungen denkbar und in
Einzelfällen belegt.
Eine eindeutige Bewertung von gesundheitlichen Wirkungen durch Schimmelpilzexpositionen in
Innenräumen ist vor allem aufgrund von gleichzeitig vorhandenen erhöhten Konzentrationen an
Schimmelpilzen und anderer Komponenten des Bioaerosols sowie dem Fehlen hinreichend aussagekräftiger Expositionsdaten zur Zeit nicht möglich.
Unabhängig von den Bewertungsproblemen ist Schimmelpilzwachstum im Innenraum grundsätzlich ein hygienisches Problem, das nicht hingenommen werden sollte. Vielmehr sollte hier
nach dem Vorsorgeprinzip die Belastung minimiert oder wenn möglich beendet werden.“
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Bundesgesundheitsblatt 2007-50:1308-1323: Mitteilungen der Kommission „Methoden und Qualitätssicherung in
der Umweltmedizin“: Schimmelpilzbelastung in Innenräumen-Befunderhebung, gesundheitliche Bewertung und
Maßnahmen.
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2.2 Zu Herrn Grams Kritikpunkten bezüglich meiner “Klebefilmschnelltests“ (Anlage 2.1):
Herr Grams kritisiert, dass ich mit Hilfe von „Klebefilmschnelltests auffällige und unzumutbare Sporen- und Myzelkonzentrationen in Staubablagerungen im Flur und im Lehrerzimmer (siehe Anlage 1 und
Anlage 2)) gefunden“ habe und schreibt dazu, dass „Klebefilmschnelltests der Beprobung von Oberflächen zur Ermittlung möglicher Kontaminationen und üblicherweise nicht zur Staubprobenahme dienen.“
Auch nach Rücksprachen mit Sachverständigen und Labors bleibt offen, wie dies gemeint ist,
denn:
Es ist für Schimmelexperten fachgerecht, zielführend und praxisnah, wenn Klebefilmproben auf
einem „Türrahmen und auf der Fußleiste im Lehrerzimmer“ ob mit oder ohne Staub entnommen
werden. Eben gerade an diesen Stellen kann und konnte die tatsächliche vorhandene Situation
für die Betroffenen zur Orientierung in Bezug auf auffällige Sporenkonzentrationen durch längerfristige Belastungen beurteilt werden. Dies sind Belastungen, die durch eine Sporenmessung
ohne Luftbewegung durch offene Türen oder anwesende Schüler nicht festgestellt werden können, obwohl sie in eine Gefährdungsabschätzung einfließen müssen.
Hätte ich den unter normalen Nutzungsbedingungen relevanten Staub etwa vorher abwischen,
oder grundsätzlich staubfreie Oberflächen beproben sollen?
Diese Äußerung, dass „Auch unklar bleibt, ob die von Herrn Böge-nach seiner Einschätzungbeschriebenen Schimmelbelastungen zumindest in Teilen eine Folge der unsachgemäßen Öffnung der Revisionsklappe darstellt.“ weise ich mit Entschiedenheit zurück.
Unter den gegebenen Umständen wäre es absolut unmöglich gewesen, die aus der für ca. eine
Minute geöffneten Revisionsklappe angeblich „entflogenen“ Pilze (siehe Proben 37 und 38) in
den Klebefilmen der Proben 39 und 40 (entnommen in sehr großem Abstand und bei verschlossener Tür), in dem Korkmaterial unter dem Bodenbelag oder in den MVOC- Raumluftkonzentrationen wieder zu finden.
2.3 Zu Herrn Grams Kritik bezüglich des von mir eingesetzten “Schimmelspürhundes“:
2.3.1 Dem Schimmelpilz-Leitfaden (s.Abs.1) ist unter „C-1.4 Schimmelpilzspürhunde“ zu entnehmen:
"Der Einsatz eines Schimmelpilzspürhundes wird als Ersatz oder als Ergänzung mikrobieller
Messungen oder von MVOC- Messungen bei nicht sichtbaren, aber vermuteten Schimmelpilzschäden in Gebäuden vorgeschlagen."
2.3.2 Herr Grams behauptet, dass „die Schimmelbestimmung mit Spürhunden kein etabliertes
Verfahren ist“. Einerseits hat er recht, dann Schimmelspürhunde werden tatsächlich bisher nie
zur „Schimmelbestimmung“ eingesetzt, sondern ausschließlich zur Lokalisierung versteckter
Schimmelbelastungen.
Herr Grams fordert im Weiteren: „Insgesamt wäre aber zu erwarten, dass ein durch den Hund
als auffällig anerkannter Befall möglichst direkt durch eine Luftkeimsammlung geprüft würde
um den Befund unmittelbar zu erhärten oder zu entkräften.“
Aus fachlicher Sicht macht dies überhaupt keinen Sinn, denn speziell trainierte Schimmelspürhunde riechen keine Sporen, sondern sollen und können in Innenräumen in Richtung unterer
Wandaufbauten und auf geschlossenen Fußböden (egal ob mit Auslegeware, Fliesen, Parkett
oder Laminat) lokalisieren, wo die Stoffwechselprodukte (MVOC) austreten. Dort werden dann
Öffnungen angelegt, um Materialproben zu entnehmen und zu analysieren. Auf keiner Aus- oder
Fortbildung, einem Kongress oder einer Tagung mit dem Thema Schimmelpilze habe ich in über
20 Jahren jemals die Forderung gehört, zur Überprüfung der Markierungen des Schimmelspürhundes eine Luftkeimmessung durchzuführen.
2.3.4 Herr Grams stellt nicht nur fest, das Schimmelspürhunde“ kein etabliertes Verfahren“ sind,
sondern auch, dass „die Methode Schimmelspürhund ein Verfahren darstellt, das von wenigen
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Laboren in Eigenregie entwickelt und genutzt wird.“ und äußert sich zu fehlenden „Begleitdokumentation“, Ausbildungsstand“ oder die „Frage der Treffergenauigkeit bzw. Fehlerrate“.
a) Ich kenne in ganz Europa kein Labor, dass Schimmelspürhunde entwickelt und nutzt, sondern
dies sind Schimmelexperten, die bei Ihrer Arbeit mit dem eigenen Hund oder durch einen angeforderten Schimmelspürhundführer versteckte Belastungen aufspüren, die nach wissenschaftlichen Untersuchungen in immerhin ca. 85 % aller Problemfälle visuell nicht erkennbar sind.
b) Meine Schimmelspürhunde wurden in den letzten 20 Jahren bei dem weltweit mit Abstand erfahrensten Spezialisten (SBK, Reino Oskarrson in Gömmet), Schweden ausgebildet sowie regelmäßig trainiert und überprüft. Die Frage der Fehlerrate (s.o.) ist sehr schnell zu beantworten:
Markiert der Hund in einem Fall und evtl. bei einer zweiten Nachprüfung fälschlich positiv oder
erkennt einen Schimmelbefall nicht, wird er unmittelbar danach aus dem Verkehr gezogen!
Die Arbeit des Schimmelspürhundes wird in der Regel sofort nach den Markierungen durch die
Entnahme von Materialproben und durch Analysen in einem Speziallabor überprüft. Ein aktuelles und positives Beispiel dazu bieten meine Untersuchungen in der Grundschule Garbsen Mitte
(siehe Abs. 2.4).
Einräumen muss ich natürlich, dass es unter den Schimmelspürhundführern (nicht den Hunden)
auch „schwarze Schafe“ gibt. Das gilt aber nicht nur für diese Branche und ist in der Regel keine
Grundlage für pauschale (Vor-) Verurteilungen.
2.3.5 Gerne verweise ich Herr Grams bezüglich des Einsatzes von Schimmelspürhunden nicht
nur auf meine Beteiligungen an diversen wissenschaftlichen Untersuchungen, sondern auch auf
die Schimmelpilzleitfäden (siehe Abs. 1), und andere Veröffentlichungen von erfahrenen wissenschaftlich und praktisch tätigen Umweltmedizinern und Toxikologen. Es gibt neben unzähligen Veröffentlichungen aus den letzten 20 Jahren, die bisher alle zu den gleichen Erkenntnissen
gekommen sind, aktuell ein Buch 2, das auf der Basis einer Doktorarbeit erschienen ist und bei
einer kritischen Einstellung zu Schimmelspürhunden zu entnehmen ist:
„Dr. Gerhard Führer: Zu den Themenbereichen „Schimmelpilze“ im Allgemeinen und „Schimmelspürhunde“ im Besonderen gibt es viele Vorurteile und Mythen: Obwohl Spürhunde seit
Jahrhunderten und Schimmelspürhunde seit Jahrzehnten wegen ihres im Vergleich zum Menschen viel besseren Geruchssinns eingesetzt werden, wurde und wird deren Einsatz in der
Fachwelt oftmals kritisiert: Muss jedes Gebäude eine Schimmelhundbegehung über sich ergehen lassen? Welche Schimmelart und welche Schimmelpilzkonzentration kann der Schimmelhund identifizieren? Ein Aufspüren von Schimmelpilzquellen im Dach-/Deckenbereich sei nicht
möglich, ... Das Erstaunlichste bei derartigen Ausführungen ist, dass die größten Kritiker die
Arbeit mit Schimmelspürhunden gar nicht kennen, häufig nicht mikrobiologisch ausgebildet sind
oder trotz neuer Erkenntnisse eigentlich nur dem „weiter so“ frönen wollen“.
Dazu aber sind u.a. die von Frau Wallner im Rahmen ihrer Masterthesis gefundenen Zusammenhänge zwischen Markierungsverhalten von Schimmelhunden und Bauschäden mittlerweile
klar belegt, in der Gesamtschau erdrückend und für die am Bau Beteiligten ernüchternd. Voraussetzung für den Einsatz von Schimmelspürhunden ist allerdings, dass eine systematische
und streng an technisch-wissenschaftlichen Gesichtspunkten orientierte Vorgehensweise eingehalten wird. Weil mit dieser Methode häufig versteckte Baumängel oder versicherungsrelevante Schäden erkannt und aufgedeckt werden, findet der Einsatz von Schimmelspürhunden
naturgemäß nicht nur Anhänger. ...
„Mittlerweile liegen zusätzlich erste Gerichtsentscheidungen vor zum Einsatz von Schimmelspürhunden in Gebäuden mit folgendem Tenor: „Auch wenn es sich noch nicht um eine anerkannte wissenschaftliche Methode handelt, waren auf der Grundlage des Einsatzes eines
Schimmelspürhundes zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Sachverständigengutachten
incl. Materialuntersuchungen notwendig, um sämtliche mikrobiellen Schäden zu erkennen“.
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Jasmin Wallner „Schimmelspürhund und Labordiagnostik“, verlegt im vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich, 2013, ISBN 978-3-7281-3459-2
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Jasmin Wallner: „Auf Basis der Messergebnisse aus 32 Objekten, die in den Jahren zwischen
2006 und 2011 systematisch mit einem Schimmelhund begangen wurden, und insgesamt 284
laboranalytisch untersuchten Materialproben konnte belegt werden, dass es sich bei dem
Schimmelhund um eine höchst zuverlässige und effiziente Methode zur Erkennung und Lokalisierung von verdeckten, nicht sichtbaren mikrobiellen Belastungen handelt. ... Eine anschließende Materialprobenahme mit labortechnischer Analyse ist unbedingt erforderlich, um konkrete Aussagen über eine mikrobielle Belastung geben zu können. Durch die Laboranalytik ist
auch die Qualität des Schimmelspürhundes laufend zu überprüfen.“
Zu: „Messung auf MVOC in der Luft (dazu auch Abs. 2.5)
MVOC-Messungen wurden in den für diese Studie ausgewerteten Gutachten bei nahezu allen
Aufträgen durchgeführt. Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass die gasförmigen Verbindungen im Gegensatz zu den partikelförmigen Bestandteilen durch Baumaterialien diffundieren
oder über Haarrisse freigesetzt werden können und somit ein verdeckter Schimmelpilzbefall
auch in der Raumluft nachgewiesen werden kann. Die Erfahrungswerte der MVOC-Messungen
aus der Praxis haben sich als ein zuverlässiger Indikator für den verdeckten, nicht sichtbaren
mikrobiellen Schaden größeren Umfangs erwiesen.“
2.3.6 Eine ergänzende Grundlage für den Einsatz eines Schimmelspürhundes ergibt sich aus gerichtlichen Entscheidungen:
"Am ... fand ... ein weiterer Ortstermin statt. ...Aufgrund des beigezogenen Schimmelspürhundes wurden Hinweise deutlich, dass in der Wohnung der Klägerin großflächig verteilte Schimmelpilzschäden in den Fußbodenkonstruktionen vorhanden sind."... "D er B eklagte hat des
Weiteren eingewandt, dass es sich bei der Einsetzung eines Schimmelspürhundes nicht um eine anerkannte wissenschaftliche Methode handle und darauf nicht irgendwelche Ergebnisse
begründet werden können. Diesbezüglich ist jedoch zu sagen, dass die Erkenntnisse des
Sachverständigen ... nicht nur aufgrund des Schimmelspürhundes gewonnen worden sind. Im
Übrigen ist die Einsetzung von Hunden bei Drogenaufspüren und Leichenaufspüren eine anerkannte Methode, die auch von der Polizei immer wieder verwendet wird. Es erschließt sich dem
Gericht nicht, weshalb ein Hund nicht darauf trainiert sein kann, auch „Schimmel“ aufzuspüren.
..." "... Der Klage war daher insgesamt stattzugeben." ( AG München – 484 C 428/10; Urteil vom
29.12.2010 – rechtskräftig seit 18.10.2011 ).
"Mit Beschluss vom 18.10.2011 hat das LG München I ( LG München I – 36 S 2415/11; Hinweisbeschluss vom 24.06.2011 ) auch die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des
Amtsgerichtes vom 29.12.2010 zurück gewiesen."
2.4 Zu Herrn Grams Kritik bezüglich der von mir beauftragten “Materialanalysen“
Herr Grams kritisiert die angeblich fehlenden Orientierungswerte für Hintergrundbelastungen
und Materialvergleichswerte.
Warum Herr Grams die dem Originalbericht beigefügten Tabelle für Vergleichswerte (Anlage
2.2) nicht vorliegt, kann ich von hier nicht klären. Ein Anruf (Mail, Fax) bei mir oder im Labor
hätte seine Vorwürfe unmittelbar entkräften können.
Die Unterlagen waren auch in meiner Stellungnahme vom 4.6.2014 enthalten, die lt. Herrn
Grams „keine neuen Informationen geliefert hat“. Viele der von Herrn Grams aufgeführten Kritikpunkte hätten sich nach Durchsicht dieser Stellungnahme schon geklärt, aber das war offenkundig nicht das Ziel.
Zur Information füge ich noch einmal die Angaben des Labors zu den auf der Basis von vielen
tausend Proben entwickelten Hintergrundwerte (Anlage 2.3) und über die Untersuchungsmethoden Anlage 2.4) bei.
Zum Einsatz meines Hundes (siehe vorhergehender Absatz) und die Bewertung einer beispielhaft entnommenen Materialprobe (siehe Abs. 2):
„1. Der eingesetzte Schimmelspürhund hat in den überprüften Räumen (7 +Lzi) auf dem gesamten Fußboden intensiv markiert, was auf versteckte mikrobielle Belastungen hindeutet“.
„Die vom Unterzeichner beispielhaft entnommene Materialprobe wurde im Speziallabor „Urbanus“ in
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Düsseldorf auf Gesamtzellzahlen (anzüchtbare und nicht anzüchtbare) und auf Keimbildende Einheiten
(KBE) für Pilze und Bakterien sowie die unterschiedlichen Spezies analysiert. Der Laborbericht und die
Bewertung können den Anlagen 2.2 und 2.3 entnommen werden.
Ergebnis Probe 35
Material: Kork unter Linoleumbelag (jetzt Anlage 2.2)
Keimbildende Einheiten (KBE):
Pilze: 20.000 pro Gramm = etwas erhöht
Bakterien: 14.000 pro Gramm = normal
Gesamtzellkonzentration:
Pilze: 3.900.000 pro Gramm = erhöht
Bakterien: 6.800.000 pro Gramm = etwas erhöht
Myzel wurde mikroskopisch nachgewiesen
Die niedrigen Quoten zwischen KBE und GZ belegen zweifelsfrei einen Altschaden“
„Als Orientierungswert für auffällige und unzumutbare Materialbelastungen sehen Experten in Deutschland z.Zt. eine Größenordnung von ca. 100.000 Pilzen und 1.000.000 Bakterien pro Gramm an. In die
Entscheidungsfindung fließen allerdings diverse andere Parameter, wie Ursachen, Feuchtesituation,
Durchlässigkeit von Belägen, Alter des Schadens, Geruchsbildung, Nutzung der Räume, Situation der
Betroffenen, usw. ein.
Im vorliegenden Fall ist zudem dringend die Ausbildung des Deckenaufbaus über dem Kriechkeller (Betondecke ohne Feuchtesperren und Dämmung?) zu prüfen.
Grundsätzlich kann natürlich nicht von einer einzigen Materialprobe auf die zwingende Notwendigkeit einer Entfernung von Materialien in einem ganzen Schultrakt geschlossen werden, wenngleich hier der eingesetzte Schimmelspürhund in zwei beispielhaft überprüften Räumen gleichmäßig und intensiv auf allen Fußböden markiert hat.“
2.5 Zu Herrn Grams Kritik bezüglich der eingesetzten “MVOC- Raumluftmessung“:
2.5.1 Herr Grams schreibt zu MVOC-Untersuchungen: „Mitte bis Ende der 90-er Jahre kam die
Idee auf Luftbelastungen durch Schimmelsporen auch mit Hilfe .... der MVOC zu untersuchen.“
Nach meinen Unterlagen gibt es schon seit Ende der 80-er Jahre qualifizierte MVOC- Analysen
und unzählige wissenschaftliche Veröffentlichungen, in denen die Methode zur Indikation versteckter Schimmelbelastungen in der Praxis nachhaltig bestätigt wird.
Kann das Landesgesundheitsamt seine Behauptungen mit Fakten unterlegen, z.B.:
a) Wie viele MVOC- Raumluftmessungen wurden in Deutschland pro Jahr durchgeführt?
b) Wie viele und welche dokumentierten Fälle liegen davon vor, in denen die Kausalität zwischen MVOC- Raumluftmessungen, Markierungen des Schimmelspürhundes und nachfolgend
analysierten Materialproben nicht bestätigt wurde?
2.5.2 Wenn Raumsporenmessungen wegen versteckter Belastungen in Fußboden-, Wand- und
Deckenaufbauten keinen Sinn machen, werden zur Indikation möglicher versteckter Belastungen
und deren Größenordnung MVOC- Raumluftmessungen gemacht. Weiter liefern die Einzelsubstanzen noch Hinweise darauf, ob es sich um Altschäden, aktive Schäden oder Zusammenhänge
mit Abwasserproblemen handelt.
2.5.3 Dazu Auszüge aus dem Schimmelpilz- Leitfaden unter A- 2.2 „Einige Studien weisen auf
einen Zusammenhang zwischen MVOC – Exposition und gesundheitlichen Beschwerden wie
Schleimhautreizungen und Kopfschmerzen hin.“ und: C-1.3 MVOC-Messungen: "Nicht immer
lässt, wie beschrieben, der quantitative Nachweis von luftgetragenen Mikroorganismen gesicherte Aussagen über mikrobielle Schäden im Innenraum zu, da nur ein Teil der in der Luft vorhandenen Mikroorganismen mit Kultivierungsmethoden erfasst werden kann oder es sich um verdeckte mikrobielle Schäden handelt. Die qualitative Bestimmung der charakteristischen MVOC
kann in solchen Fällen ein gutes Hilfsmittel zum Aufdecken von mikrobiell bedingten Bauschäden sein."
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2.5.4 Neuere Erkenntnisse lassen den Schluss zu, dass MVOC eine wesentlich höhere Korrelation zu Krankheitssymptomen haben als luftgetragene Sporen. Die MVOC können durch viele
Baumaterialien hindurch diffundieren und gelangen so in die Raumluft, obwohl der Schaden eigentlich innerhalb der Baukonstruktion verborgen ist. Bei den Substanzen handelt es sich um
flüchtige Stoffwechselprodukte der Schimmelpilze und Bakterien, die noch jahrzehntelang nach
dem Absterben der Mikroorganismen an die Raumluft abgegeben werden können. Die im Analysenbericht angegebenen Substanzen sind lediglich "Indikatoren" für das Vorkommen von
Emissionen und stellen nur einen Teil der flüchtigen Verbindungen mikrobiellen Ursprungs dar.
Ihre Summe ist nicht als die Gesamtmenge flüchtiger Verbindungen anzusehen und auch nicht
für eine toxikologische Bewertung geeignet.
2.5.5 Bei meiner alltäglichen praktischen Arbeit als ö.b.u.v. Sachverständiger und als Messwagen für Krankenkassen und Ärzte, nach deren Kriterien zur „Qualitätssicherung in der Umweltmedizin“ ich vorgehen muss–wurden folgende Zusammenhänge in über 1000 Fällen zweifelsfrei
bestätigt.
• von erfahrenen Ärzten festgestellte schimmeltypische gesundheitliche Probleme,
• deutlich erhöhte MVOC- Raumluftkonzentrationen,
• von Schimmelhunden lokalisierte versteckte mikrobielle Materialbelastungen,
• deutlich mit kultivierbaren und nicht kultivierbaren Sporen einschließlich Myzel- und
Hyphenfragmenten von auffällig mit Pilzen und Bakterien belasteten Baumaterialien.
Nachstehend einige wichtige Zitate aus der Fachliteratur über MVOC – Raumluftmessungen aus
umweltmedizinischer und toxikologischer Sicht, die bisher von keiner wissenschaftlichen Studie
wiederlegt wurden:
2.5.6 Aus dem Ergebnis einer Sachverständigenbefragung vom „Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung zur Frage einer umweltmedizinischen Indikation“ (1999):
„Ein Messerfordernis ergibt sich u.U. dann, wenn die Beschwerden des Patienten und die Befunde der Wohnungsinspektion insgesamt auf eine Belastung durch versteckt wachsende Schimmelpilze hindeuten und alternative Belastungsquellen ausgeschlossen werden konnten. Unter
diesen Vorrausetzungen kommt entweder eine Bestimmung von MVOC und von Toxinen in der
Raumluft in Frage oder das Suchen von verstecktem Befall unter Einsatz eines auf Schimmel
abgerichteten Spürhundes in Frage.“
2.5.7 Aus dem „Leitfaden Umweltmedizin der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen Lippe
2007“
„3.12.8 MVOC – Luftmessung .... Bewertung. Die MVOC – Messung liefert bei sachgerechter
Anwendung Hinweise darauf, ob ein mikrobieller Befall vorhanden ist oder nicht. Auch ältere
abgestorbene Schäden werden erkannt, soweit die toten Mikroorganismen nicht entfernt worden sind.“. Diesem Leitfaden ist ebenso wie dem „Abgestimmten Arbeitsergebnis des Arbeitskreises „Qualitätssicherung- Schimmelpilze in Innenräumen am Landesgesundheitsamt BadenWürttemberg in der überarbeiteten Fassung vom Dezember 2004“ ein „Bewertungsschema zur
Interpretation von MVOC- Messungen“ zu entnehmen.
2.5.8 Einer Stellungnahme vom Umweltausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung S.- H.
und des Instituts für Toxikologie der Uni Kiel (2002) ist zu entnehmen:
„Umdenken erforderlich“:.... „Bei Verdacht auf mikrobielle Belastungen muss auch nach nicht
sichtbarem Vorkommen gesucht werden. .... Alter, trockener Befall muss untersucht und dann
entfernt werden, denn auch von versteckten, abgestorbenen Pilzen und Bakterien können
MVOC sowie die Ihnen anhaftenden Toxine in die Raumluft gelangen und Allergien oder andere Erkrankungen auslösen“.
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2.5.9 Aktuelle neue Erkenntnisse über die mögliche MVOC- Beeinflussung wichtiger Funktionen des Immunsystems bzw. die möglichen Effekte mikrobiell assoziierter VOC (MVOC) auf
die Funktion humaner neutrophiler Granulozyten haben Dr. N. Reiling und Dr. W. Lorenz im
Juni 2011 veröffentlicht: „Die in vitro Experimente zeigen erstmalig eine chemotaktische Wirkung von MVOC auf humane neutrophile Granulozyten und dass MVOC die Antwort dieser
Zellen inhibieren können.“
2.6 Zu Herrn Grams Ausführungen bezüglich der Sporen- und Partikel- Raumluftmessungen der Herren Peuker:
2.6.1 Grundsätzlich können Auftraggeber und Gutachter in Innenräumen messen, was immer sie
wollen, aber eines fällt im vorliegenden Fall insbesondere nach Kontrollen und Probenahmen des
Unterzeichners vom 16.4.2014 auf: Die sehr deutlichen Hinweise auf versteckte mikrobielle Belastungen in Wand- oder Fußbodenaufbauten wurden trotz immer wieder vorgetragener gesundheitlicher Beeinträchtigungen von den verantwortlichen Gremien ignoriert.
2.6.2 Dem „Schimmelpilz- Leitfaden des Umweltbundes 2002“ ist bezüglich der Messung von
Schimmelpilzen in der Innenraumluft zu entnehmen:
„ C-1.2.1 Messung kultivierbarer Schimmelpilze in der Innenraumluft
Die quantitative Methode zur Bestimmung der kultivierbaren luftgetragenen Pilzsporen in der Innenraumluft ist die am weitesten verbreitete Methode zur Erfassung von Schimmelpilzen in Gebäuden. Sie
stellt eine Momentaufnahme der Schimmelpilzkonzentration in der Raumluft dar. ...
Die Beantwortung der Frage, ob eine Schimmelpilzquelle im Innenraum vorliegt, wird in der Praxis aber
oft erschwert, da
 mikrobiologische Bestimmungen mit einer hohen Streuung behaftet sind. Schimmelpilzsporen sind
in der Luft nicht gleichmäßig verteilt, sondern ihre Verteilung hängt von den unterschiedlichsten Parametern (z. B. Luftzirkulation, Bewegungen im Raum, relative Feuchtigkeit) ab. Daher sind einzelne
Schimmelpilzmessungen mit einem großen Unsicherheitsfaktor behaftet. Es wird empfohlen mehrere Parallelmessungen durchzuführen.
 die bisherigen Messverfahren weitgehend auf Kurzzeitmessungen (meist 5–15 min.) basieren und
trotz Mehrfachmessungen eine verallgemeinernde Einschätzung nur bedingt möglich ist.
 nicht alle vorhandenen Schimmelpilze kultivierbar sind.
Manche Schimmelpilzarten wachsen sehr schlecht auf den Nährmedien, besonders, wenn sie unter
Stressbedingungen (z.B. längeres Austrocknen) überleben müssen. Je nach Zusammensetzung der
Schimmelpilzpopulation können kulturell auf Nährböden deutlich weniger Schimmelpilze nachgewiesen werden als wirklich vorhandenen sind. Die Ermittlung der Gesamtsporenkonzentration, die
unabhängig vom Wachstum auf Nährmedien ist, kann diesem Problem Rechnung tragen.“
" C-2.2 Bewertung von Luft- und Staubproben
Die Entscheidung über das Vorhandensein einer Schimmelpilzquelle im Innenraum anhand von Luftoder Staubproben setzt einen hohen Sachverstand voraus. Eine schematische Herangehensweise ist
problematisch. Es ist jeweils der konkrete Einzelfall unter Hinzuziehung aller vorhandenen Informationen zu beurteilen. ....
Weiterhin ist zu beachten, dass die bei der Luftproben- (Luftkeimsammlung, Luftpartikelsammlung,
MVOC) oder Staubprobenuntersuchung erhaltenen Messwerte nicht als alleinige Beurteilungsparameter herangezogen werden können, sondern nur im Gesamtzusammenhang mit den bei der Begehung erhaltenen Informationen eine sinnvolle Bewertung möglich ist. In Einzelfällen kann es nämlich
vorkommen, dass z.B. Ergebnisse von Luftkeimsammlungen negativ ausfallen, obwohl ein Schaden
vorliegt“.
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von der IHK zu Lübeck öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Messungen und Beurteilungen von Innenraumluft
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2.6.3 Als Ergebnis einer Sachverständigenbefragung wurde vom „Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung“ „zur Frage einer umweltmedizinischen Indikation“ schon 1999 zusammenfassend festgestellt, "dass insbesondere der Nachweis einer niedrigen Sporenkonzentration in der Raumluft keine Sicherheit dahingehend bietet, dass kein gesundheitsgefährdender Schimmelpilzbefall vorliegt.“
2.6.4 Einer Stellungnahme von praxiserfahrenen Umweltmedizinern des Umweltausschusses der
Kassenärztlichen Vereinigung S.- H. sowie Toxikologen des Instituts für Toxikologie der Uni
Kiel (2002) ist zu entnehmen:
„Aus internationalen Veröffentlichungen sowie aktuellen Untersuchungsergebnissen des
„Messwagens der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein“ muss geschlossen werden,
dass die bisher gängige Praxis zur Beurteilung einer Gesundheitsgefährdung durch Schimmelpilze mittels der Messung von lebenden, kultivierbaren Sporen in der Raumluft nicht ausreicht.
Viele öffentliche Institutionen, Gesundheitsämter und Sachverständige arbeiten jedoch immer
noch ausschließlich nach dieser herkömmlichen Methode und kommen daher zu falschen
Bewertungen.“
2.6.5 Zusammenfassung der Unsicherheiten bei Sporenmessungen in der Raumluft:
-
-
Bei Messungen der "keimbildenden Einheiten" (KBE pro m3) in der Raumluft können nur in
ca. 1 bis 10% der Fälle die vorhandenen Mikroorganismen überhaupt erfasst werden,
denn selbst bei einer sichtbaren Belastung besteht häufig ohne eine aktuelle Sporulation,
zufällig fehlender Thermik zum (sehr kurzen und zufälligen) Messzeitpunkt keine auffällige Raumluftbelastung.
Pilze und Bakterien sind in ca. 85% der Fälle in Fußböden, Wänden oder Decken versteckt
und können deshalb bei der Raumluftmessung auf anzüchtbare Sporen zwangsläufig überhaupt nicht erfasst werden.
Je nach Labor (und seiner Beziehung zum Auftraggeber) werden bei verschiedenen Anzahlen und Arten von Nährböden und verschiedenen Anzüchtungstemperaturen oft nur
Teilmengen der kultivierbaren Pilze erfasst.
Nach wissenschaftlichen Veröffentlichungen werden die Ergebnisse vor allem durch die Aktivität des Probenehmers (z.B. durch unkontrollierte Luftbewegungen) selbst beeinflusst.
Praxisferne Probenahmen (z.B. 8 Stunden geschlossene und gereinigte Klassenräume ohne
Schüler) schließen gesundheitliche Bewertungen zwangsläufig aus.
Fazit: Genauso wie hohe Sporenkonzentrationen in der Raumluft keine konkrete Gesundheitsgefahr belegen, garantieren niedrige Konzentrationen auch keine gesundheitliche Unbedenklichkeit. Die Ergebnisse einer Luftkeimmessung können ebenso wie die Ergebnisse einer MVOCRaumluftmessung lediglich für den Hinweis auf eine mikrobielle Quelle (s. Abs. 2.1.3) dienen.
2.6.6 Fehlende Ermittlung der Bakterienkonzentration
2.6.6.1 Die Sachverständigen Peuker haben Analysen vorgelegt, in denen allein Pilze und keine
Bakterien analysiert worden. Zwar bestehen mikrobielle Belastungen in Gebäuden überwiegend
aus Schimmelpilzen, in über 50 % aller Fälle treten zusätzlich auch gleichermaßen gefährliche
Bakterien, wie z.B. „Aktinomyzeten“ auf. Dies darf bei Messungen und den Beurteilungen einer
möglichen Gesundheitsgefährdung nicht übersehen werden.
2.6.6.2 U.a. wird auch im „UBA- Leitfaden für die Innenräumhygiene in Schulgebäuden, 2008“
ausdrücklich auf die Bakterien (Aktinomyzeten) hingewiesen.
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2.6.6.3 Fast immer bei Feuchteschäden vorkommende„Aktinomyceten (Feuchteanspruch
hoch, langsam wachsend) sind eine Bakteriengruppe (grampositiv), die wie Pilze hyphenartige
Fäden (ein Mycel) und Sporen mit verschiedenen toxischen und antibiotischen Stoffen produzieren können
2.6.6.4 In den letzten 10 Jahren wurde die mögliche gesundheitsgefährdende Bedeutung von
Bakterien vielfach in der wissenschaftlichen Literatur veröffentlicht, wie z.B.:
a) Prof. Dr. Klaus P. Schaal, Institut für medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität, Bonn: „Infektionen durch Aktinomyzeten“
b) Umweltmykologie, Dr. Dill, Dr. Trautmann GbR, Berlin: Veröffentlicht in „Allergologie, Jahrgang 31 - März 2008 (99 - 109)“: „Aktinomyzeten im Innenraum“, Zitat aus „Abstract“:
„Untersuchungen zufolge sind Bewohner von Innenräumen mit Feuchteschäden einem erhöhten gesundheitlichen Risiko ausgesetzt. Die festgestellten Beschwerden sind mit großer Wahrscheinlichkeit die Auswirkungen von Mikroorganismen, die sich in den Schadensbereichen entwickelt haben. Neben den in diesem Zusammenhang bereits weitgehend bekannten Schimmelpilzen wird auch eine Vielzahl von Bakterien festgestellt, deren exakte Differenzierung jedoch
aufgrund fehlender bzw. sehr aufwendiger Analysemethoden noch mangelhaft ist. Hierbei ist
die Bakteriengruppe der Aktinomyzeten, die heute systematisch als fädig wachsende grampositive Bakterien innerhalb der Aktinomycetales eingeordnet werden, von besonderem Interesse,
da unter ihnen sowohl Erreger von Infektionen und allergischen Symptomen als auch viele Arten vorkommen, die irritierende oder sogar toxische Sekundärmetabolite bilden können.“
3 Zusammenfassung:
Warum setzt das Landesgesundheitsamt im vorliegenden Fall mit den vorliegenden Sporenmessungen allein auf die (praktisch und wissenschaftlich belegt) unsicherste Messmethode zur Indikation möglicherweise gesundheitsgefährdender Schimmelbelastungen und verfolgt oder widerlegt in praktischen Untersuchungen nicht die seit fast einem Jahr vorliegenden Beweise für unzumutbare Schimmelbelastungen auf ungereinigten Flächen (die sich bei Schulbetrieb in der
Raumluft ausbreiten können und im Fußbodenaufbau (Korkbelag auf der Kellerdecke).
Es wird sicher gelingen, möglich Sporenausbreitungen aus dem Keller zu vermeiden, aber die
übrigen Belastungen können nicht ignoriert werden.
Der Aufwand für bauphysikalische Untersuchungen und mikrobiologische Materialanalysen auf
KBE und Gesamtzellzahlen für Pilze und Bakterien liegt im Vergleich zu den möglichen gesundheitlichen Folgen im technischen wie finanziellen Aufwand in einer zumutbaren Größenordnung.
Böge
Lübeck, den 17.03.2014
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