18 | Burger Rundschau Freitag, 17. April 2015 Sport frei: Fußball-Länderspiele im Sportforum Vorbildliche Fußballarbeit anerkannt / Teil 6 der Volksstimme-Serie zur Geschichte des SV Eintracht Gommern. Von Manuela Langner Am 12. Juni 1865 wurde in Gommern der MännerTurn-Verein ins Leben gerufen. Die Abteilung Turnen gibt es im SV Eintracht Gommern heute noch. Dieses Jahr wird das 150-jährige Bestehen des Sportvereins groß gefeiert. Zum Gründungstag findet ein Sportlerball in der Festscheune statt. Bis dahin stellt die Volksstimme in loser Reihenfolge den Sportverein, seine Geschichte und Abteilungen vor. Petrus zeigte an diesem Nachmittag im August 1977 keinen Sinn für den Anlass. Je näher der Anpfiff rückte, umso dunkler wurden die Wolken am Himmel über Gommern. Und das ausgerechnet vor dem ersten Spiel der Bezirksligasaison, zudem Jutta Irmscher - Gommeranerin und Weltmeisterin im Fallschirmspringen - den Ball aus dem Flugzeug in den Anstoßkreis befördern sollte. Gewitter und Wolkenbruch entluden sich über der Stadt. Jeder, der ein Dach über den Kopf hatte, war froh. In Magdeburg startete das Flugzeug mit Jutta Irmscher. „Wollen sie wirklich springen?“, wurde sie mehrmals angesichts der widrigen Bedingungen gefragt. Ihr Entschluss stand fest: „Ich springe“. Die Weltmeisterin landete sicher auf Gommeraner Boden. Nicht ganz auf dem Spielfeld am Volkshaus, aber nahe genug. Andere Fallschirmspringer hatte es weiter vom Ziel abgetrieben. Sie überreichte den Ball. Das Spiel konnte beginnen. Das Interesse an Fußball begann vor gut 100 Jahren in der Stadt. Im Jahr 1900 war in Leipzig der Deutsche Fußballbund mit damals 86 Mitgliedsvereinen gegründet worden. Und auch in Gommern fanden sich junge Männer, die sich nicht mehr nur mit dem weit verbreiteten Turnen und leichtathletischen Übungen fit halten wollten, sondern auch Interesse am runden Leder hatten. Unter ihnen waren die in der Stadt noch wohl bekannten Ernst Ebert (Bäckermeister) und Hanns Kessler (Friseurmeister). Wobei Ernst Ebert den Fußball schnell wieder aufgab. Zu mehr als zum „zwölften Mann“ reichte seine Begabung nach eigenem Urteil nicht aus. „Wir wissen bis heute, dass die Gommern l Trainer und Übungsleiter Mit den Erfolgen der 1. Männermannschaft sind Namen verbunden wie Rudi Dorbritz, Erich Opel, Achim Hartung, Wolfgang Woche, Jürgen Opel, Manfred Quednau, Klaus-Dieter Lehmann, Rolf Döbbelin, Karl-Heinz Wilke, Günter Reinke, Thomas Wilke und Bodo Thiele, die als Trainer und Übungsleiter über Jahre die Mannschaft geführt haben. Vergessen werden würde auf keinem Fall die ausgezeichnete Nachwuchsarbeit. Hier haben in den letzten vier Jahrzehnten die Sportkameraden Günter Weiland und Hartmut Sens eine sehr gute Arbeit für den Gommeraner Sportverein geleistet, betont Eintracht-Geschäftsführer Gerald Wildner. Leiter & Erfolge Leiter der Abteilung Fußball bis 1953, Ernst Winter, Kurt Daut und Richard Mestchen 1953-1961, Max Huth 1961-1969, Heinz Schulz 1969-1970, Klaus Bock 1970-1977, Bernhard Lüdecke 1977-1986, Gerald Wildner 1986-1987, Bernhard Lüdecke 1987-1993, Volker Woche 993-1998, Günter Hagendorf 1998-2014, Volker Woche seit 2014, Ingo Horn Erfolge der 1. Männermannschaft Beim Internationalen Jugendturnier der UEFA gewann die Mannschaft der BRD am 18. Mai 1980 im Sportforum Gommern gegen Finnland mit 7:2. Tausende Zuschauer verfolgten die Partie. Jutta Irmscher, Fallschirmsprung-Weltmeisterin brachte 1977 den Ball aus der Luft auf den Platz am Volkshaus. Entscheidung richtig war“, sagt Gerald Wildner, Geschäftsführer des SV Eintracht Gommern. Schließlich gilt Ernst Ebert als Turnvater Gommerns. Anfangs spielten die Männer noch unter dem Dach des MTV (Männer-Turn-Verein) Fußball, bis 1923 der SV Germania Gommern gegründet wurde. Zu ihren Vereinsfarben wählten die Männer gelb und blau. Tornetz? Unbekannt Als Spielfeld stellte Landwirt Döring an der Zerbster Chaussee hinter der Bahnlinie eine Wiese zur Verfügung. Zu jedem Spiel mussten die Tore eingegraben und danach wieder mitgenommen werden. Der Schlussmann verstand besser seinen Job, denn Tornetze gab es zu dieser Zeit noch nicht ... Aber je populärer der Fußball in der Stadt wurde, desto besser wurden auch die Spielund Trainingsmöglichkeiten. An der Plötzkyer Chaussee (ehemals Hotel Drei Linden) entstand ein Sportplatz. Zudem konnte der Platz am Schützenhaus (heute Volkshaus) zum Kicken genutzt werden. Dieser Spieler der BSG Aktivist werden zu ihrem Pokalerfolg über Lok Halberstadt mit 2:1 beglückwünscht. 150 Jahre Eintracht war 1923 erbaut worden und ist sowohl 1957 als auch 1976/77 rekonstruiert worden und erhielt 1996 eine neue Rasenfläche. 1925 wurde der VfB Gommern gegründet, der vor allem Sportler aus der Arbeiterschaft, die es mit den Steinbrüchen, den kleineren Betrieben wie den Schuhfabriken und der Landwirtschaft in der Stadt viele gab, ansprach. 1932 entstand zudem der Arbeitersportverein Sparta, der jedoch wie alle anderen Arbeitersportvereine schon 1933 nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wieder aufgelöst werden musste. „Männern wie Kurt Daut, Ernst Winter, Richard Mestchen, Karl Rudloff und Max Huth ist es zu verdanken, dass die Fußballer, die den Krieg überlebt hatten, sich der am 28. November 1948 gegründeten SG Eintracht Gommern anschlossen, aus der am 27. Juni 1953 die BSG Aktivist Gommern mit dem Trägerbetrieb VEB Geologische Bohrungen, später dem VEB ZRAW Gommern, hervorging“, blickt Gerald Wildner zurück. Gegen eine Mannschaft aus Zerbst wurde das Gommern Die Gommeraner Fußball-Junioren im Jahre 1954. erste Spiel nach dem Zweiten Weltkrieg bestritten. „Viele von uns erinnern sich noch an das UEFA-Qualifikationsspiel der Junioren DDR gegen Jugoslawien am 30. März 1975, als die DDR-Junioren mit 2:0 gewannen“, schildert Gerald Wildner, der natürlich zu den mehr als 5000 Zuschauern im Sportforum gehört hatte. Vor allem wollte der Jubel kein Ende mehr finden, nachdem der Gommeraner Uwe Grüning das zweite Tor für seine Mannschaft erzielt hatte. Dass Gommern so ein wichtiges Spiel austragen durfte, hing mit der Errichtung des 1974 eingeweihten Sportforums zusammen. Ursprünglich existierten dort zwei Fußballplätze. Der Nebenplatz ist Anfang der 1990er Jahre demNeubau der Grundschule gewichen. Nicht weniger Zuschauer erlebten 1980 das UEFA-Gruppenspiel BRD-Finnland. Zu den unvergessenen Höhepunkten zählen zudem das Spiel der BSG Aktivist gegen die DDRNationalmannschaft der 1970er Jahre mit so klangvollen Namen wie Joachim Streich, Peter Ducke und Hans-Georg Mol- denhauer anlässlich des 65-jährigen Bestehens des Fußballs in Gommern. Zum 75. Geburtstagkam der VfL Wolfsburg nach Gommern, zum 80. Geburtstag trat der SCM zum Fußballspiel an. „Das waren schon große Ereignisse für eine Kleinstadt wie Gommern“, betont Gerald Wildner. Schwierige Entwicklung Die vorbildliche Fußballarbeit in Gommern war überall anerkannt. Allein dreimal - 1974, 1979 und 1984 - erhielten die Fußballer den Ehrentitel „Vorbildliche Sektion des Deutschen Fußballverbandes der DDR“. Die zahlreichen Erfolge sind das eine. In der langen Fußballgeschichte gab es aber auch Tiefpunkte. Noch immer nicht vergessen ist der Fauxpas des damaligen Sektionsleiters Max Huth, der eine Sperrmitteilung des Verbandes für einen Spieler in seiner Tasche vergessen hatte und es auch versäumte, den Trainer über die Sperre des Spielers zu informieren. Dieser setzte den Spieler im Juni 1960, dann in der alles entscheidenden Partie ein. Im Nachhinein Überreicht durch Kurt Leue. kam es zum Punktabzug und Gommern verpasste den Aufstieg. „Über Sperren wurden die Vereine damals noch schriftlich informiert. Der Spieler selbst konnte ohne Information des Trainers nicht wissen, dass er nicht spielen durfte“, erklärt Hartmut Melz die damaligen Regeln. Der „Spielerstreik“ von 1998 ist natürlich auch noch nicht vergessen. Gleich sechs Spieler verließen den Verein, weil sie mit einem Trainerwechsel nicht einverstanden waren. Dunkle Wolken wie bei Jutta Irmschers Ball-Lieferung 1977 schweben auch derzeit über der Abteilung Fußball. Ein Konflikt zwischen 1. Mannschaft und Juniorenmannschaft führte dazu, dass bis auf Volker Woche und Ingo Horn die gesamte Abteilungsleitung zurücktrat und auch die Spieler der 1. und 2. Mannschaft den Verein im vorigen Sommer verließen. „Wie schwer der Neuanfang ist, lässt sich am jetzigen Tabellenstand ablesen“, sagt Gerald Wildner. „Sollte das der Abstieg aus der Landesklasse sein, würde Gommern seit 1953 erstmals wieder im Kreismaßstab spielen.“ 1932, Bezirksmeister und Spiel um die Landesmeisterschaft Jeßnitz – Gommern 5:3 1953, Kreismeister und Aufstieg in die Bezirksklasse 1957, Einweihung des Sportplatzes am Volkshaus nach grundhafter Erneuerung durch das Spiel Gommern – SC Aktivist Brieske Senftenberg (damals DDR-Oberliga 1959, Pokalsieger im Bezirk Magdeburg, gegen Turbine Magdeburg mit 2:1 gewonnen 1961, Aufstieg zur Bezirksliga 1964, Gewinn des FairnessPokals der Volksstimme 1965, erster internationaler Vergleich mit dem Partnerbetrieb in Hodonin/CSSR 1974, Vizemeister im Bezirk Magdeburg und Gewinner des Fairness-Pokals 1977, Vizemeister und Pokalsieger im Bezirk Magdeburg durch einen 1:0 Erfolg über Motor Salzwedel in Calbe 1979, Gewinner des FairnessPokals im Bezirk Magdeburg 1982, Pokalsieg des Bezirks Magdeburg: Gommern gegen Lok Halberstadt in Wanzleben mit 2:1 nach Verlängerung, damals spielten: Choruschke, Winn, Lehmann, Martolock, Grüning, Prinz, Loch, Hartung, Sandrock, Knust, Lerche, Pitz, Kunitschke 1997, 75 Jahre Fußball, Gommern – VfL Wolfsburg 1:11 vor 1000 Zuschauern 2001, Aufstieg in die Landesliga 2003, Gommern feiert das 80-jährige Fußballjubiläum. Am 19. Juli spielt Gommern gegen die SCM Handballer 3:8, vor 500 Zuschauer; im November gibt Bürgermeister Wolfgang Rauls den Kunstrasenplatz am Volkshaus frei 2008, Übergabe des DFBBolzplatzes durch den DFBVize Hans-Georg Moldenhauer und U-21 Nationaltrainer Dieter Eiltz Gommeraner Talenteschmiede Nationalspieler, Olympiasieger und UEFA-Cup-Teilnehmer Von Manuela Langner Gommern l In der langen Gommeraner Fußballgeschichte sind einige Spieler entdeckt worden, die es weit gebracht haben. Zu ihnen zählt Rudi Dorbitz, der 1940 in die Stadtauswahl Magdeburg berufen wurde. Von 1951 bis 1954 spielten Rudi Dorbritz und Emanuel Linkert bei Eintracht Burg, Emanuel Linkert in der Oberliga bei Turbine Halle und Lokomotive Stendal. Ein Jahr später wurde Gerhard Prange zum Oberligisten SC Aktivist Brieste-Senftenberg delegiert. Den Sprung zum 1. FC Magdeburg schafften Bodo Sommer und Uwe Grüning. Beide gehörten dem Oberligakollektiv an, waren Europacup, -UEFA-Cupteilnehmer sowie U-18 Nationalspieler. Der erfolgreichste Gommeraner Fußballer ist zweifellos Martin Hoffmann. Er wurde 1968 zum 1. FC Magdeburg delegiert. Er bestritt 67 A-Länderspiele und gewann 1976 in Montreal mit der Mannschaft die Goldmedaille. „Mein erster Trainer bei Aktivist Gommern war Alfred Falk. Begleitet haben mich in erster Linie meine Eltern, die mich zweimal pro Woche nach Magdeburg zum Stützpunkttraining fuhren“, erinnerte sich Martin Hoffmann. Zielstrebigkeit und Beharrlichkeit bei der der Lösung von Aufgaben möchte er aus seiner persönlichen Erfahrung jungen Menschen mit auf den Weg geben, der bis Mitte 2013 Nachwuchstrainer beim FCM gewesen ist. Erfolge Martin Hoffmanns sportliche Erfolge: 1973, 2. Platz Europameisterschaft A-Jugend 1974, 2. Platz Europameisterschaft, Nachwuchsauswahl U23 1974, Europapokalsieger der Pokalsieger/ WM-Teilnehmer (6. Platz) 1976, Olympiasieger 1973/1978/1979/1983, FDGBPokalsieger 1973/74 und 1974/75, DDRMeister 1972/73, 1976/77 und 1977/78, Vize-Meister 1975/76 und 1980/81, Dritter der Meisterschaft Martin Hoffmann - hier auf einer offiziellen Autogrammkarte - ist als Olympiasieger von 1976 der erfolgreichste Fußballspieler, der in Gommern seine Karriere begonnen hat. Fotos: privat
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