Bericht zum Staatshaushaltsplan 2015/2016 des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie Frauen und Senioren Bericht zum Staatshaushaltsplan 2015/2016 des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Verteilerhinweis: Diese Informationsschrift wird von der Landesregierung in Baden-Württemberg im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Verpflichtung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von deren Kandidatinnen und Kandidaten oder Helferinnen und Helfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für alle Wahlen. Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist auch die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die vorliegende Druckschrift nicht so verwendet werden, dass dies als Parteinahme des Herausgebers zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Diese Beschränkungen gelten unabhängig vom Vertriebsweg, also unabhängig davon, auf welchem Wege und in welcher Anzahl diese Informationsschrift dem Empfänger zugegangen ist. Erlaubt ist es jedoch den Parteien, diese Informationsschrift zur Unterrichtung ihrer Mitglieder zu verwenden. Herausgegeben vom Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg Schellingstraße 15 70174 Stuttgart Telefon: Telefax: Internet: 0711 123-0 0711 123-3999 www.sozialministerium.de Druck: Schwäbische Druckerei, Stuttgart November 2014 Bericht zumStaatshaushaltsplan 2015/2016 des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie Frauen und Senioren - Sozialministerium – Inhaltsverzeichnis Vorwort der Ministerin ........................................................................................... 11 I. Haushalt, Personal und Organisation ........................................................ 15 1. Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben .......................................... 15 2. Stellenentwicklung ................................................................................. 16 3. Informations- und Kommunikationstechnik, Ausstattung des neuen Dienstgebäudes Dorotheenquartier ..................................... 17 II. Demografische Aspekte .............................................................................. 18 1. Zentrale Faktoren des demografischen Wandels .................................. 18 2. Bürgerengagement, Ehrenamt und Freiwilligendienste ......................... 18 3. Politik für Kinder – Kinderland Baden-Württemberg .............................. 19 4. Junge Menschen ................................................................................... 19 5. Ältere Menschen .................................................................................... 20 6. Generationenpolitik ................................................................................ 20 7. Demografie und Arbeitsmarkt ................................................................ 21 8. Demografie und Gesundheitspolitik ....................................................... 21 III. Seniorenpolitik und Pflege .......................................................................... 23 1. Seniorenpolitik ....................................................................................... 23 2. Pflege und Betreuung alter Menschen .................................................. 24 2.1 Pflegebedarf wächst .............................................................................. 24 2.2 Bedarfsgerechte Pflegeinfrastruktur ...................................................... 24 3. Heimaufsicht und Qualitätssicherung in der Pflege ............................... 25 4. Pflegeversicherung (SGB XI)................................................................. 26 IV. Frauen und Gleichstellungspolitik ............................................................. 28 1. Gleiche Chancen für Mädchen und Jungen........................................... 28 2. Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung ...................... 28 3. Gewalt gegen Frauen – Landesaktionsplan .......................................... 29 4. Frauen- und Kinderschutzhäuser .......................................................... 30 5. Kompetenzzentrum Beruf & Familie Baden-Württemberg ..................... 30 6. Aktionsplan für Toleranz und Gleichstellung Baden-Württemberg ........ 31 V. Kinder und Familien..................................................................................... 32 1. Politik für Kinder .................................................................................... 32 1.1 Kinderland Baden-Württemberg ............................................................ 32 1.2 Stärkung der Rechte von Kindern und Jugendlichen ............................. 32 1.3 Elternkonsens ........................................................................................ 33 1.4 Schutz von Kindern vor Vernachlässigung sowie vor physischer, psychischer und sexueller Gewalt ................................ 33 1.5 Bundesinitiative Frühe Hilfen (BI FH)..................................................... 35 1.6 Unterhaltsvorschuss .............................................................................. 35 2. Familienpolitik ........................................................................................ 36 2.1 Landeserziehungsgeldprogramm .......................................................... 36 2.2 Landesprogramm STÄRKE ................................................................... 36 3. Förderung der anerkannten Schwangerschaftsberatungsstellen ........... 37 4. Stiftung „Familie in Not“ ......................................................................... 37 VI. Jugend .......................................................................................................... 39 1. Jugendarbeit .......................................................................................... 39 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. VII. Jugendbildung ....................................................................................... 40 Soziale Jugendarbeit in Problemgebieten und an Schulen.................... 41 Jugendsozialarbeit an öffentlichen Schulen........................................... 42 Schulen an Heimen ............................................................................... 42 Maßnahmen zum Schutz der Jugend .................................................... 43 Runder Tisch „Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren“ ................ 43 Runder Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeitsund Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ .............................................. 44 Kostenerstattung gem. § 89 d SGB VIII bei Gewährung von Jugendhilfe für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF)............... 45 Arbeitsmarkt ................................................................................................. 46 1. Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Baden-Württemberg ....................... 46 1.1 Arbeitsmarkt in anhaltend robuster Verfassung ..................................... 46 1.2 Arbeitsmarktlage im Herbst 2014 – Arbeitslosigkeit geht leicht zurück .. 46 1.3 Arbeitsmarkt für Benachteiligte bleibt schwierig .................................... 47 1.4 Beschäftigungsaufbau setzt sich bei geringem Rückgang der Arbeitslosigkeit fort ................................................................................ 47 2. Arbeitsmarktpolitische Förderprogramme .............................................. 48 2.1 Landesprogramm „Gute und sichere Arbeit“.......................................... 48 2.1.1 Ausbildung für Benachteiligte, assistierte Ausbildung und Teilzeitausbildung .................................................................................. 48 2.1.2 Sicherung der Nachhaltigkeit der Integration von Arbeitslosen in den Ersten Arbeitsmarkt .................................................................... 48 2.1.3 Modellhafte Entwicklung eines sozialen Arbeitsmarktes – Passiv-Aktiv-Tausch .............................................................................. 49 2.1.4 Modellhafte Unterstützung von Arbeitslosen(beratungs)zentren und Beschäftigungsförderstellen ........................................................... 49 2.1.5 Arbeit und Gesundheit ........................................................................... 49 2.2 Maßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit ........................................... 50 3. Förderung aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) ................ 50 3.1 ESF-Förderung 2007 – 2013 im Ziel Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung (RWB) .................................. 50 3.2 Europäischer Sozialfonds (ESF) – Förderperiode 2014 - 2020 ............. 51 4. Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit ............................... 52 VIII. Arbeit und Gesundheit ................................................................................ 53 1. Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) .......................... 53 2. Arbeitsschutz ......................................................................................... 55 2.1 Technischer Arbeitsschutz..................................................................... 55 2.2. Sozialer Arbeitsschutz ........................................................................... 55 3. Arbeitszeitrecht ...................................................................................... 56 4. Medizinischer Arbeitsschutz .................................................................. 56 4.1 Psychische Belastungen am Arbeitsplatz – Aufgabenschwerpunkt der Gewerbeaufsicht ............................................................................. 56 4.2 Betriebliches Gesundheitsmanagement ................................................ 56 5. Zusammenarbeit mit anderen Stellen .................................................... 57 6. Arbeitsrecht – Führung eines Elektronischen Tarifregisters .................. 58 IX. Sozialversicherung ...................................................................................... 59 1. Gesetzliche Krankenversicherung und ambulante ärztliche Versorgung .............................................................................. 59 1.1 Krankenkassen in Baden-Württemberg ................................................. 59 1.2 Kassenärztliche und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen .................. 59 1.3 Ärztliche Versorgung im Ländlichen Raum – Förderprogramm „Landärzte“ ............................................................................................ 60 2. Gesetzliche Unfallversicherung ............................................................. 62 3. Gesetzliche Rentenversicherung ........................................................... 62 3.1 Zukunftssichere Renten ......................................................................... 62 3.2 Umfassende Wissensvermittlung in Baden-Württemberg, um zusätzliche Altersvorsorge für alle zu erreichen .............................. 63 3.3 Rentenversicherung in Zahlen ............................................................... 63 4. Berufliche Bildung in der Sozialversicherung ......................................... 63 5. Das Prüfwesen in der Sozialversicherung ............................................. 64 5.1 Prüfungsauftrag und -inhalt ................................................................... 64 5.2 Neue Anforderungen an das Prüfungswesen ........................................ 64 5.3 Kosten des Prüfungswesens ................................................................. 65 X. Soziales Entschädigungsrecht ................................................................... 66 XI. Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ............................................. 67 1. Inklusion, Landesbehindertengleichstellungsgesetz .............................. 67 1.1 Inklusion ................................................................................................ 67 1.2 Landesbehindertengleichstellungsgesetz .............................................. 67 2. Konversion, Förderung von Behinderteneinrichtungen .......................... 67 3. Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe ............................................ 68 4. Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder, Familienentlastende Dienste ................................................................. 68 4.1 Frühförderung ........................................................................................ 68 4.2 Familienentlastende Dienste ................................................................. 68 5. Schwerbehindertenrecht (SGB IX) ........................................................ 69 XII. Grundsicherung, Sozialhilfe und Wohlfahrt .............................................. 70 1. Grundsicherung für Arbeitsuchende – Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ........................................................................................ 70 2. Leistungen für Bildung und Teilhabe ..................................................... 71 3. Sozialhilfe / Grundsicherung im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung - Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) .......... 72 4. Förderung von Maßnahmen für Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten (Gefährdetenhilfe) ........................................................ 72 5. Verbraucherinsolvenzverfahren / Schuldnerberatung ............................ 72 6. Betreuungsvereine ................................................................................ 73 7. Armuts- und Reichtumsbericht Baden-Württemberg ............................. 74 XIII. Zukunftsplan Gesundheit ............................................................................ 75 1. Zukunftsplan Gesundheit – Gesundheitsdialog Baden-Württemberg .... 75 2. Gesundheitsatlas ................................................................................... 76 3. Gesundheitsstrategie Baden-Württemberg – Gesundheit in allen Lebensbereichen ................................................................................... 77 4. Gesund aufwachsen und leben in Baden-Württemberg ........................ 78 5. Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit und Zentrum für Bewegungsförderung am Landesgesundheitsamt – Struktur und Projekte in Prävention und Gesundheitsförderung ............ 78 XIV. Versorgung, Prävention und Gesundheitsförderung ............................... 80 1. Maßnahmen zur Versorgung krebskranker Menschen .......................... 80 2. Schmerz- und Palliativversorgung ......................................................... 81 3. 4. 5. 6. XV. Aids und STI (Sexually Transmitted Infections bzw. sexuell übertragbare Infektionen) ...................................................................... 83 Einschulungsuntersuchung (ESU) ......................................................... 83 Jugendzahnpflege ................................................................................. 84 Selbsthilfegruppen chronisch kranker Menschen .................................. 84 Gesundheitsschutz ...................................................................................... 86 1. Öffentlicher Gesundheitsdienst.............................................................. 86 2. Umweltbezogener Gesundheitsschutz .................................................. 86 3. Infektionsschutz ..................................................................................... 87 XVI. Arzneimittel- und Medizinprodukteüberwachung ..................................... 89 1. Arzneimittelüberwachung ...................................................................... 89 2. Medizinprodukte .................................................................................... 89 XVII. Qualitätssicherung ...................................................................................... 91 1. Qualitätssicherung und Bürger- und Patientenorientierung ................... 91 2. Medizinische Ethik ................................................................................. 91 XVIII. Psychiatrie .................................................................................................... 93 1. Zentren für Psychiatrie .......................................................................... 93 2. Maßregelvollzug .................................................................................... 94 3. Außerklinische Einrichtungen und Dienste ............................................ 96 4. Neuordnung der Sicherungsverwahrung ............................................... 97 XIX. Suchtprävention und Suchtkrankenhilfe ................................................... 99 1. Suchtprävention ..................................................................................... 99 2. Suchtkrankenhilfe .................................................................................100 XX. Krankenhauswesen ....................................................................................103 1. Allgemeines ..........................................................................................103 2. Krankenhausplanung ............................................................................103 3. Investitionsprogramme .........................................................................105 4. Finanzierungsbedarf .............................................................................107 XXI. Berufsrecht sowie Aus- und Weiterbildung im Bereich der Gesundheits- und Pflegeberufe ..........................................................109 1. Landesförderung der Ausbildung von Personal in der Pflege und in sozialen Berufen ........................................................................109 2. Landesförderung privater Schulen für Gesundheitsberufe ...................110 XXII. Bürgerschaftliches Engagement, Ehrenamt, Freiwilligendienste .........113 1. Allgemeines ..........................................................................................113 2. Bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt ...................................115 3. Freiwilligendienste ................................................................................116 3.1 Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) ............................................................116 3.2 Landesprogramm Mittendrin .................................................................116 XXIII. Europa..........................................................................................................117 1. Europäische Sozial- und Gesundheitspolitik.........................................117 2. Grenzüberschreitende, europäische und internationale Zusammenarbeit ...................................................................................117 2.1 Grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit den Nachbarländern Frankreich, Schweiz, Österreich und Liechtenstein ..............................117 2.2 Deutsch-Französisch-Schweizerische Oberrheinkonferenz (ORK) ......117 2.3 2.4 2.5 2.6 Internationale Bodenseekonferenz (IBK) ..............................................118 Bilaterale Zusammenarbeit mit Frankreich und der Schweiz ................118 Zusammenarbeit mit den Donauanrainerländern .................................119 Sonstige internationale Zusammenarbeit .............................................119 Vorwort der Ministerin Baden-Württemberg ist auf einem guten Weg. Die Menschen im Land spüren mehr und mehr, dass der Wechsel wirkt und in den vergangenen Jahren viele Maßnahmen angepackt wurden, die in den vorausgegangenen Legislaturperioden liegen geblieben sind. Wir haben schon viele unserer Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt, aber wir haben auch noch einiges vor. Der vorliegende Haushalt des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren zeigt daher eine ausgewogene Mischung aus beeindruckenden Investitionssummen, zum Beispiel für die Krankenhäuser im Land, und wichtigen Projekten, die nicht in erster Linie am Finanzvolumen gemessen werden, sondern an neuen, innovativen Ansätzen und umfangreichen Umsetzungsstrategien, wie etwa unser Aktionsplan gegen Gewalt gegen Frauen. Wir sind auch gut vorangekommen bei unserem zentralen sozial- und arbeitsmarktpolitischen Ziel, Baden-Württemberg zum Musterland für gute und sichere Arbeit umzubauen. Wir verstärken unsere Anstrengungen für die Familien und wir unterstützen die Bürgerinnen und Bürger in Gesundheitsfragen und fördern eine tolerante Gesellschaft. Zusammengenommen umfassen diese und alle weiteren Maßnahmen des Ministeriums für den vorliegenden Doppelhaushalt 2,79 Mrd. Euro, knapp eine Milliarde davon sind Investitionen. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg ist seit Jahren sehr gut. Kaum eine andere Region in Europa kann mit so guten Zahlen aufwarten wie unser Land. Und auch die Prognosen für die nächsten beiden Jahre sind weiterhin positiv. Es gibt aber auch in unserer Gesellschaft Menschen, denen wir zur Seite stehen müssen, damit sie einen Platz in unserer Mitte finden. Mit dem Landesprogramm „Gute und sichere Arbeit“ sind bisher insgesamt weit mehr als 10.000 Menschen erreicht worden, insbesondere junge Menschen ohne Ausbildung, Alleinerziehende und Langzeitarbeitslose mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen. Kernstück des Landesprogramms ist der Passiv-Aktiv-Tausch (PAT), der Langzeitarbeitslosen zu einer regulären Beschäftigung verhelfen soll und in 40 Stadt- und Landkreisen angeboten wird. Die für den PAT landesweit zur Verfügung stehenden 562 Plätze sind komplett ausgebucht. Um diese erfolgreichen Projekte fortzuführen, werden auch für die Jahre 2015 und 2016 Gelder in Höhe von insgesamt rund 14 Mio. Euro aus dem ESF und aus Landesmitteln bereitgestellt. Kinder sind die Zukunft unseres Landes. Daher ist es ein Schwerpunkt des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren und der Landesregierung insgesamt, Familien in allen Lebenslagen zu unterstützen. Die Belange von Kindern und Jugendlichen sind ein wichtiges Feld dieser Familienpolitik. Es geht darum, allen Kindern und Jugendlichen gute Zukunftschancen zu eröffnen und gleiche Startbedingungen zu ermöglichen. Daher haben wir das Landesprogramm STÄRKE zum 1. Juli 2014 weiterentwickelt und neu ausgerichtet. Die Eckpfeiler des Programms wurden fortgeschrieben. So haben wir die engere Verknüpfung mit den Frühen Hilfen und eine verbesserte Kooperation mit Akteuren des Kinderschutzes sowie des Gesundheitsbereichs als Ziel verstetigt. Es wurden aber auch neue Schwerpunkte für Familien in besonderen Lebenssituationen gesetzt, vor allem für Familien in einer schwierigen finanziellen Lage. Insgesamt wird das Angebot niedrigschwelliger. Für diese wichtige Aufgabe stellen wir jährlich 3,8 Mio. Euro zur Verfügung. 11 Darüber hinaus wurde mit den Akteuren der Kinder- und Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit ein „Zukunftsplan Jugend“ erarbeitet. Seit der Unterzeichnung der Vereinbarung wird in der Lenkungsgruppe „Zukunftsplan Jugend“ und in den fünf Arbeitsgruppen an der Umsetzung der Zielvorgaben gearbeitet. Erste Ergebnisse, wie beispielsweise die Neugestaltung des Bildungsreferentenprogramms und die Absenkung der Altersgrenze bei Seminaren, wurden bereits umgesetzt. Projektausschreibungen, Expertisen zu verschiedenen Themengebieten und Fachtage wurden parallel in die Wege geleitet bzw. folgen im Jahr 2015. Hierfür sind jeweils 3 Mio. Euro jährlich vorgesehen. Zudem wollen wir die Rechte von Kindern und Jugendlichen stärken und in der Landes- sowie Kommunalverfassung verankern. Das Land beteiligt sich seit dem Jahr 2012 zu einem Drittel an den Kosten der Schulsozialarbeit. Dafür stellen wir jährlich bis zu 25 Mio. Euro bereit. Das Land fördert sowohl vorhandene als auch neue Stellen im Bereich der Schulsozialarbeit mit einem Drittel der Kosten einer Vollzeitstelle. Diese Förderung hat beim Ausbau der Schulsozialarbeit einen wahren Boom ausgelöst. Auch im reichen Baden-Württemberg gibt es Kinder und Jugendliche, die in materieller Armut aufwachsen oder von ihr bedroht sind und deshalb nicht am sozialen und kulturellen Leben teilhaben können. Deshalb werden wir im ersten Armuts- und Reichtumsbericht für Baden-Württemberg, der 2015 vorliegen wird, die Bekämpfung von Kinderarmut in den Mittelpunkt stellen. Gute Familienpolitik macht aber nicht Halt bei den Kindern und Jugendlichen. Gute Familienpolitik muss es den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes auch ermöglichen zu arbeiten, wenn sie dies wünschen. Ganztägige Betreuungsangebote für Kinder sind daher wichtig und werden durch das Kultusministerium auch verstärkt ausgebaut. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein zentraler Baustein, damit Eltern arbeiten können und auch dafür, dass Kinder vor Armut bewahrt bleiben. Mit dem Gesetz für unterstützende Wohnformen, Teilhabe und Pflege (WTPG) geben wir hierauf eine Antwort. Denn mit dem WTPG werden die Voraussetzungen für mehr Lebensqualität, mehr Selbstbestimmung und mehr Teilhabe für Menschen mit Pflege- bzw. Unterstützungsbedarf und Menschen mit Behinderung geschaffen. Darüber hinaus unterstützen wir innovative Maßnahmen im Vor- und Umfeld der Pflege mit jährlich rund 3,2 Mio. Euro. Baden-Württemberg ist weltoffen und tolerant. Aber noch nicht überall und auch noch nicht in allen Lebensbereichen. Daher haben wir den Aktionsplan für Toleranz und gleiche Rechte auf den Weg gebracht, um Akzeptanz und Teilhabe aller in unserer Mitte zu fördern und zu unterstützen. Die jetzt beschlossenen Maßnahmen unterstützen wir mit 500 Tsd. Euro jährlich. Mit der Neufassung des Landes-Behinderten-Gleichstellungsgesetzes haben wir durch die Schaffung von kommunalen Behindertenbeauftragten die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Baden-Württemberg vorangetrieben. Mit der Einbeziehung der Kommunen in den Geltungsbereich des Gesetzes sollen Menschen mit Behinderungen mehr Rechte erhalten. Das ist in dieser Form bisher einzigartig in Deutschland. Darüber hinaus sieht das Gesetz eine Verbesserung der Barrierefreiheit, eine effektivere Rechtsdurchsetzung durch eine Beweislastumkehr und eine Erweiterung der Möglichkeit des Verbandsklagerechts vor. 12 Ein ganz wichtiger Teil der Gesundheitspolitik im Land ist die Krankenhausförderung. In Baden-Württemberg sind Krankenhausplanung und Krankenhausinvestitionsförderung eng aufeinander abgestimmt. Das Land kommt seiner Verantwortung für die Krankenhausinvestitionsförderung nach. Die Gesamtmittel wurden durch uns schon deutlich erhöht und betrugen 385 Mio. EUR im Jahr 2013 und 410 Mio. EUR im Jahr 2014. Allein über das Krankenhausbauprogramm 2014 können 19 größere Bauvorhaben gefördert werden. Dem gesetzten Ziel, den Investitionsstau sukzessive abzubauen, ist die Landesregierung damit ein großes Stück näher gekommen. Wir lassen aber nicht nach und haben die Gesamtmittel für die Krankenhausfinanzierung nochmals erhöht auf rund 437 Mio. Euro in 2015 und rund 455 Mio. Euro in 2016. Das Sozialministerium hat auf der Grundlage eines umfassenden Beteiligungsprozesses das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz erarbeitet. Mit dem Gesetz werden die Rechte psychisch kranker und psychisch behinderter Menschen und ihrer Angehörigen gestärkt. Hilfen für psychisch kranke und psychisch behinderte Menschen erhalten erstmals in Baden-Württemberg eine gesetzliche Grundlage. Eine zentrale Rolle hat dabei die Gewährleistung der ambulanten Grundversorgung durch die sozialpsychiatrischen Dienste sowie deren verbindliche Einfügung in Gemeindepsychiatrische Verbünde. Im Gesetz ist daher auch deren Finanzierung abgesichert. Die Bedeutung dieses Gesetzes zeigt sich auch daran, dass es im Landtag mit den Stimmen aller Fraktionen verabschiedet wurde. Im Jahr 2012 wurde im Rahmen eines breit angelegten Beteiligungsprozesses die „Engagementstrategie Baden-Württemberg“ entwickelt. Nachdem der Ministerrat im April 2014 den Umsetzungsschritten zur „Engagementstrategie Baden-Württemberg“ zugestimmt hat, wurde anschließende der Startschuss für die Umsetzungsphase gegeben. Zentrales Element der Umsetzung sind dabei Maßnahmen und Empfehlungen, die von Akteuren des Bürgerschaftlichen Engagements vor Ort modellhaft mit dem Ziel erprobt werden sollen, das solidarische Zusammenleben in einer Gesellschaft der Vielfalt zu verbessern. Die vielen ehrenamtlichen Initiativen, die sich derzeit um die große Zahl schutzsuchender Flüchtlinge bei uns kümmern, sind Beweis für unsere funktionierende Zivilgesellschaft. Die Aufgaben des Ministeriums sind so vielfältig wie das Leben der Menschen in Baden-Württemberg. Sie hier alle aufzuführen, würde schlicht den Rahmen sprengen. Die Lektüre der folgenden Seiten zeigt aber, dass der Wechsel 2011 Früchte trägt. Unser Land bewegt sich mit großen Schritten in die richtige Richtung und die in diesem Heft aufgeführten Maßnahmen tragen dazu bei, dass dieser Erneuerungsprozess weitergeht. Katrin Altpeter MdL Ministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren 13 14 I. Haushalt, Personal und Organisation 1. Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben Die Einnahmen und die Ausgaben im Einzelplan 09 des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren (Sozialministerium) stellen sich in den Jahren 2013 bis 2016 wie folgt dar: Beträge in Tsd. EUR Gesamteinnahmen Gesamtausgaben 2013 90.427,7 1.322.913,7 1 2014 91.712,7 1.354.008,8 2015 53.218,7 1.365.051,7 2016 52.921,3 1.423.436,8 Der Anteil des Einzelplans 09 an den gesamten Landesausgaben beträgt in den Jahren 2013 bis 2016 gleichbleibend rd. 3,2 %. Der Rückgang der Einnahmen in den Jahren 2015 ff. entsteht dadurch, dass die erwartenden EU-Fördermittel für den Europäischen Sozialfonds (rd. 40 Mio. EUR) nicht mehr im Haushaltsplan etatisiert werden, sondern als rein durchlaufende Mittel aus dem Landeshaushalt herausgenommen werden. Damit sind jedoch keine Leistungsminderungen verbunden. Die finanziell größten Leistungsfelder im Jahre 2014 Die Leistungen des Sozialministeriums kommen 2014 vor allem folgenden Bereichen zugute: 1 2. Nachtrag 2014 15 Leistungsbereich in Mio. Euro Krankenhausfinanzierung - Ausgaben für Investitionen 410,0 Schulen an Heimen für Minderjährige 163,0 Zentren für Psychiatrie einschl. Maßregelvollzug 129,3 Schulen für Sozial- und Gesundheitsberufe 84,8 Unterhaltsvorschuss 50,0 Arbeitsförderung und Berufsbildung 48,4 Ausblick auf den Staatshaushaltsplan 2015/16 In den Jahren 2015/2016 werden die Mittel für die Jugendhilfe für unbegleitete minderjährige Flüchtlingskinder auf 43,8 Mio. Euro in 2015 und auf 57 Mio. Euro in 2016 erhöht. Zusätzliche Mittel sind für die Schulen für Sozial- und Gesundheitsberufe und für die Zentren für Psychiatrie einschließlich Maßregelvollzug vorgesehen. 2. Stellenentwicklung Dem Sozialministerium stehen im Haushaltsjahr 2014 insgesamt 795,5 Stellen zur Verfügung. Im Jahr 2012 waren es noch 804,0 Stellen gegenüber 814,0 Stellen im Jahr 2011 bzw. 866,0 Stellen im Jahr 2009. 866,0 880 860 840 820 800 780 760 Stellensituation 814,0 804,0 795,5 Stellen Stellen Stellen Stellen Haushaltsjahr Haushaltsjahr Haushaltsjahr Haushaltsjahr 2009 2011 2012 2014 Neben dem haushaltsmäßigen Vollzug der von der Landesregierung für die Ministerien beschlossenen Einsparauflagen spiegeln sich in diesem weiteren Stellenabbau auch noch die Auswirkungen der Verwaltungsreform zum 01.01.2005 wider. Soweit die den Landratsämtern zugewiesenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bzw. Beamtinnen und Beamten des gehobenen und mittleren Dienstes der Versorgungsverwaltung beim Land als Dienstherrn verblieben sind, werden diese Bediensteten auf kw-Stellen geführt. Scheiden die Bediensteten aus, fallen deren Stellen beim Land weg. 16 Die Stellen des höheren Dienstes der Versorgungsämter werden dagegen insgesamt weiterhin – zusammen mit den Ärztinnen und Ärzten des Öffentlichen Gesundheitsdienstes – beim Sozialministerium als zuständigem Fachressort etatisiert. Nach dem gegenwärtigen Planungsstand wird die Stellenzahl im Geschäftsbereich des Sozialministeriums infolge der dem Einzelplan 09 obliegenden Einsparverpflichtungen sowie infolge des Vollzugs weiterer kw-Vermerke in den Jahren 2015/2016 weiter zurückgehen. Im Hinblick auf den geforderten weiteren Stellenabbau und vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung wird es daher zunehmend schwieriger, die Personalausstattung mit der Fülle der im Bereich des Sozialministeriums bestehenden Aufgaben in der Waage zu halten. Schließlich wird mit dem Haushaltsjahr 2015 im Sozialministerium die Personalausgabenbudgetierung eingeführt. 3. Informations- und Kommunikationstechnik, Ausstattung des neuen Dienstgebäudes Dorotheenquartier Das Sozialministerium wird Ende 2016 in das neue Dorotheenquartier umziehen. Nachdem die Restnutzungsdauer der Bürokommunikationsausstattung dann nur noch ein halbes Jahr betragen würde, soll auch unter wirtschaftlichen Aspekten eine Ersatzbeschaffung bereits im Rahmen des Umzugs vorgenommen werden. Betriebssicherheit, Funktionalität und Ergonomie des EDV-Systems, das auch als Trägersystem für das Haushalts- und Rechnungswesen, das Controlling und die Dokumentenund Schriftgutverwaltung dient, müssen für die nächsten Jahre gewährleistet werden. Innerhalb des neuen Dienstgebäudes sollen die Besprechungsräume mit einer zeitgemäßen Präsentationstechnik ausgestattet werden. Durch eine behindertengerechte Tontechnik wird in einzelnen Räumen Barrierefreiheit hergestellt. Der Einsatz von Videokonferenztechnik soll dazu beitragen, insbesondere die Dienstreiseaufwendungen spürbar zu senken und Reisezeiten zu reduzieren. Der laufende Betrieb der EDV-Ausstattung des Sozialministeriums einschließlich der zentralen Komponenten wie Netzwerk und Server wird seit 2010 vom Informatikzentrum Landesverwaltung Baden-Württemberg (IZLBW) im Rahmen eines IuKOutsourcings betreut. Im Jahr 2013 hat das IZLBW die Konditionen an seinen für die Landesverwaltung gültigen, neu entwickelten Servicekatalog angepasst, was zu einem erheblichen Mittelmehrbedarf führte. Die Erstausstattung des neuen Dienstgebäudes Dorotheenquartier, insbesondere die Ausstattung der Büros der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Besprechungsund Funktionsräume, erfordert einen zusätzlichen Mittelbedarf. Wegen der geänderten räumlichen Bedingungen (Größe und Zuschnitt der Räume) und den zu erwartenden Vorgaben von Seiten der Architekten ist eine Neuausstattung mit Möbeln geplant. Nachdem der Zuschnitt der Büros keine Besprechungen mehr zulässt, musste die Zahl der Besprechungsräume angepasst und eine Möblierung eingeplant werden. Hierfür wurden die gültigen FM-Richtlinien angesetzt. 17 II. Demografische Aspekte Die demografische Entwicklung wird nahezu alle Felder der Landespolitik für Jahre und Jahrzehnte beeinflussen. Die Gestaltung der damit verbundenen Herausforderungen berührt als Querschnittsaufgabe fast alle Handlungsfelder des Sozialministeriums. Nachfolgend wird auf einige bedeutsame Ansätze und Maßnahmen des Sozialministeriums in den einzelnen politischen Handlungsfeldern eingegangen. 1. Zentrale Faktoren des demografischen Wandels Der demografische Wandel umfasst unterschiedliche Aspekte sozialer Veränderungen. Zentrale Faktoren sind dabei die Entwicklung der Altersstruktur – während die Zahl und der Anteil der jungen Menschen stetig abnimmt, wächst die Zahl und der Anteil älterer Menschen. quantitative Bevölkerungsentwicklung – die Bevölkerungszahl nimmt langfristig ab. Pluralisierung von Lebensentwürfen und Lebensformen sowie die verstärkte Herausbildung unterschiedlicher sozialer Milieus. gewachsene Bedeutung von Immigration und Emigration. Politische Ansätze/Maßnahmen haben alle diese Faktoren mit in den Blick zu nehmen. Es ist daher zu begrüßen, dass es inzwischen eine öffentliche Diskussion und ein gesellschaftliches Bewusstsein über den demografischen Wandel und die damit einhergehenden Veränderungen gibt. Unsere Gesellschaft hat jetzt die Chance, den Rückgang der Kinderzahlen, die Alterung der Gesellschaft sowie die Veränderung der Familienstrukturen aktiv zu gestalten. Die Lebenserwartung ist erheblich angestiegen. Nie zuvor gab es so vielfältige innerfamiliäre Unterstützung der Generationen. Daneben wird immer wichtiger werden, das Zusammenleben sowie die nachbarschaftlichen und bürgerschaftlichen Netzwerke zu stärken und den Austausch und die Selbsthilfe zwischen den Generationen auch jenseits verwandtschaftlicher Beziehungen zu fördern. 2. Bürgerengagement, Ehrenamt und Freiwilligendienste Das Thema Demografie hat auch im Bereich des Bürgerschaftlichen Engagements, des Ehrenamts und der Freiwilligendienste einen hohen Stellenwert. Neuere Untersuchungen zum Engagementverhalten der Bevölkerung bestätigen, dass sich die Menschen in allen Generationen in unterschiedlichen Ausprägungen, Stärken und Ressourcen gesellschaftlich, ökonomisch und sozial einbringen. Zu nennen ist beispielsweise die spürbare Verbesserung der Rahmenbedingungen für bürgerschaftlich engagierte Menschen in der Pflege. Für die Bewältigung der vielfältigen Herausforde- 18 rungen werden wir künftig in noch stärkerem Maße als bisher auf sozial engagierte Menschen im „dritten Lebensabschnitt“ angewiesen sein. 3. Politik für Kinder – Kinderland Baden-Württemberg In Baden-Württemberg werden seit dem Ende des „Babybooms“ vor rund 45 Jahren – wie im gesamten Bundesgebiet – immer weniger Kinder geboren. Die Geburtenrate bewegt sich mit 1,3 bis 1,4 Kindern pro Frau weiterhin deutlich unterhalb der für eine Bestandserhaltung der Bevölkerung erforderlichen Geburtenrate von 2,1 Kindern pro Frau im gebärfähigen Alter. So schrumpft jede nachfolgende Generation - und damit auch die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter – zahlenmäßig um etwa ein Drittel. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Politik für Kinder an Bedeutung verlöre. Im Gegenteil: Je kleiner die nachwachsenden Jahrgänge zahlenmäßig werden, desto wichtiger wird es, dass alle Kinder körperlich und seelisch gesund aufwachsen, eine stabile Persönlichkeit entwickeln können und eine gute schulische sowie außerschulische Bildung erhalten. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei Kindern, die in sozialen Problemlagen, in wirtschaftlicher Armut oder unter anderen schwierigen psychosozialen Rahmenbedingungen aufwachsen. Häufig treten diese prekären Rahmenbedingungen auch kumuliert auf. Es ist nicht nur ein humanitäres Gebot, sondern auch ein gesellschafts- und wirtschaftspolitisches Ziel von zukunftsentscheidender Bedeutung, dass alle Kinder ihre Potenziale bestmöglich entfalten können und vor Schädigungen geschützt werden. Investitionen in Kinder sind Investitionen in die Zukunft. Ein größerer Teil der Erwachsenen hat nur wenig oder überhaupt keinen familiären Kontakt zu Kindern. Dies kann dazu führen, dass Erwachsene kaum Verständnis für die Bedürfnisse von Kindern haben („kinderentwöhnte Gesellschaft“). Aufgabe der Politik ist es daher auch, das Bewusstsein für die Belange der Kinder bei den Erwachsenen zu fördern. Die Politik muss den Kindern ferner Gelegenheit geben und sie darin unterstützen, für ihre Belange und Rechte einzutreten. Vor diesem Hintergrund liegt der Schwerpunkt der Kinderland-Politik in der Stärkung der Kinderrechte und dem Ausbau der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. 4. Junge Menschen Die Landesregierung hat am 12. März 2013 den „Zukunftsplan Jugend“ verabschiedet und noch am selben Tag mit den Partnern der Kinder- und Jugendarbeit sowie Jugendsozialarbeit im „Zukunftsplan Jugend“ eine Vereinbarung zur Umsetzung für die Jahre 2013 bis 2016 unterschrieben, die die Rahmenbedingungen festlegt. Wesentliche Zielsetzungen des „Zukunftsplan Jugend“ sind die Weiterentwicklung und Stärkung der Förderung der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit und -bildung sowie der Jugendsozialarbeit, 19 5. die Vertiefung der Themen Partizipation, Chancengleichheit, Prävention gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Bildung für nachhaltige Entwicklung (z.B. Gesundheit, Umwelt, Verbraucherbildung, Medienkompetenz), das Ansprechen neuer Zielgruppen, insbesondere auch benachteiligter Kinder und Jugendlicher sowie Vielfaltskultur, die Stärkung der Kooperation der Kinder- und Jugendarbeit – Schule sowie von Bildungsnetzwerken, die Schaffung neuer und verlässlicher Förderstrukturen sowie die deren Verankerung im Landesjugendplan. Ältere Menschen Zahlenmäßig betrachtet machen die Seniorinnen und Senioren heute und in Zukunft einen bedeutenden Anteil an der Bevölkerung aus. Die Seniorenpolitik weist als Querschnittsthema zahlreiche Berührungspunkte zu anderen Politikbereichen auf. Spezifische Bedarfslagen älterer Menschen müssen verstärkt in das Bewusstsein der Entscheidungsträger auf allen Ebenen gerückt und stets „mitgedacht“ werden. Dabei ist insbesondere auch die Vielfältigkeit des Alterns und des Alters zu berücksichtigen. Im Durchschnitt sind ältere Menschen heute und in Zukunft aktiver und gesünder als die entsprechende Altersgruppe vor 20 oder 30 Jahren. Sie wollen sich einbringen in gesellschaftliche Prozesse und aktiv teilhaben an der Gesellschaft. Politik und Gesellschaft müssen dies als Chance dafür wahrnehmen, die erheblichen Potenziale des Alters gesellschaftlich wirksam werden zu lassen. Der Altersaufbau der Bevölkerung hat auch Auswirkungen auf die Rentenversicherung. Bei der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung spielt das zahlenmäßige Verhältnis von Personen im Rentenalter und Beitragszahlerinnen bzw. -zahlern eine wichtige Rolle. Während im Jahr 2008 noch knapp drei Personen im Erwerbsalter einer potenziellen Rentenbezieherin bzw. einem potenziellen Rentenbezieher gegenüberstanden, werden es im Jahr 2030 voraussichtlich nur noch zwei Personen sein. Die Menschen werden – erfreulicherweise – immer älter und erhalten dementsprechend länger Rente. Von 1960 bis 2011 stieg die durchschnittliche Rentenbezugsdauer daher von rund 10 auf 18,3 Jahre. 6. Generationenpolitik Der demografische Wandel führt zu veränderten Generationenbeziehungen und fordert die Gesellschaft auf, die Generationenbeziehungen und das Zusammenleben von Jung und Alt als eine zentrale soziale Frage der Zukunft in allen Politikfeldern neu zu denken. Die Familienstrukturen werden flexibler und vielfältiger. Diese Entwicklungen wirken sich unmittelbar auf das Verhältnis der Generationen, den Generationenzusammenhalt sowie die Verantwortung der Generationen füreinander aus. Vor diesem Hintergrund wird der Ansatz einer Generationenpolitik entwickelt. Es gilt, eine solidarische und generationengerechte Gesellschaft zu gestalten, das Zusammenleben der Generationen zu ermöglichen und damit eine nachhaltige Generationenpolitik voranzubringen. 20 Generationengerechtigkeit soll dabei zu einem wichtigen Maßstab bei der Beurteilung sämtlicher sozialpolitischer Handlungsfelder werden. Der Politikbereich wird prozesshaft weiterentwickelt: Einerseits wird die Diskussion durch Fachtagungen und vergleichbare Aktivitäten gefördert, andererseits werden auch konkrete Projekte konzipiert und unterstützt. 7. Demografie und Arbeitsmarkt Der demografische Wandel ist in den kommenden Jahrzehnten auch für den Arbeitsmarkt eine zentrale Herausforderung. Zum einen sinkt langfristig – trotz aktueller Zuwanderung – das Arbeitskräfteangebot durch den Rückgang der Zahl der Erwerbspersonen. Zum anderen wird das Durchschnittsalter der Beschäftigten weiterhin stetig ansteigen. Sobald die geburtenstarken Jahrgänge („Baby-Boomer“) nach und nach ins Rentenalter hineinwachsen, werden die Veränderungen noch deutlicher sichtbar. Bereits heute bestehen in bestimmten Bereichen Engpässe, zum Beispiel bei Elektro- und Maschinenbauingenieurinnen und -ingenieuren oder Ingenieurinnen und Ingenieuren in der Fahrzeugbautechnik. Gleiches gilt für den Bereich qualifizierter Pflege bei der steigenden Zahl pflegebedürftiger Menschen. Die Sicherung des Fachkräfteangebotes wird somit eine zentrale Aufgabe der kommenden Jahre sein. Hierbei muss auch die Frage beantwortet werden, wie im globalen Wettbewerb bei einem im Durchschnitt immer älteren Arbeitskräftepotenzial das Produktivitätsniveau und die Innovationskraft erhalten oder weiter gesteigert werden können. Zusätzliche Anstrengungen im Bereich der Aus- und Weiterbildung („lebenslanges Lernen“) und der Gesunderhaltung der Arbeitskräfte sind zwingend erforderlich. Eine weitere Herausforderung besteht darin, die Qualifikationsanforderungen der Unternehmen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Qualifikationsprofile der Beschäftigten und vor allem der Arbeitslosen zusammenzubringen. Dies erfordert verstärkte arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, wobei insbesondere die Potenziale bei Älteren, Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund, Langzeitarbeitslosen und Geringqualifizierten stärker in den Blick zu nehmen sind. 8. Demografie und Gesundheitspolitik Der stark anwachsende Anteil hoch betagter, chronisch und mehrfach kranker Menschen erfordert neben der bisher im Vordergrund stehenden Akutversorgung eine Neuausrichtung des Gesundheitssystems hin zu Prävention und Gesundheitsförderung sowie zur Versorgung chronisch kranker oder pflegebedürftiger Menschen. Zugleich sind Anpassungen der Prozesse des Gesundheitswesens über die gesamte Versorgungskette erforderlich. Hierzu gehören auch telematische Unterstützung sowie die Stärkung von Infrastrukturen im sozialen und familiären Bereich. Neben einer guten patientenorientierten Versorgung soll durch verstärkte Prävention und Gesundheitsförderung der Eintritt chronischer Krankheiten vermieden, in ein höheres Lebensalter verschoben und/oder ihre Schwere gemildert werden. 21 In Baden-Württemberg wurden bereits frühzeitig Konzepte in den Schwerpunktbereichen gesundheitliche Versorgung, Geriatrie und Demenz entwickelt. Die Versorgungsstrukturen in einer älter werdenden Gesellschaft insbesondere in den Bereichen Krankenhausversorgung, Pflege, ärztliche Versorgung in Heimen, Unterstützung im häuslichen Umfeld, Palliativversorgung, Alterspsychiatrie, Sucht und Telemedizin sollen kontinuierlich weiterentwickelt und speziell an den Bedürfnissen der älteren Menschen ausgerichtet werden. Auch eine Weiterentwicklung in der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Berufe des Gesundheitswesens, der Pflegeberufe, der sozialen Berufe und der Hauswirtschaft ist notwendig. 22 III. Seniorenpolitik und Pflege 1. Seniorenpolitik Die Zahl der über 65-jährigen Menschen in Baden-Württemberg wächst stetig. Sie stieg zwischen 1970 und 2012 um knapp 100 % an (von 1,06 Mio. auf 2,06 Mio.) und steigt weiter. In Baden-Württemberg sind rund 266.000 Personen 85 Jahre oder älter, zu drei Vierteln Frauen. Die Zahl der Hochbetagten hat sich damit seit Anfang der 1970er-Jahre mehr als verfünffacht; bis zum Jahr 2060 könnte sich deren Zahl nochmals annähernd verdreifachen. Erfreulicherweise sind wir heute gesundheitlich besser versorgt als früher. Das bedeutet, dass sich viele ältere Menschen beim Schritt in die Phase nach der Erwerbstätigkeit meist noch vieler guter Jahre erfreuen können. Es ist ein großes Anliegen der Landesregierung, bei älteren Menschen und in der Gesellschaft insgesamt dafür zu werben, die Lebensphase Alter als Chance zu begreifen. Sie setzt sich daher für einen Perspektivwechsel im Hinblick auf ältere Menschen ein. Im Zentrum stehen die Ziele, die aktive soziale Teilhabe Älterer in der Gesellschaft so lange wie möglich zu erhalten und die Potenziale des Alters zu erkennen, zu fördern und wertzuschätzen. Diese Ziele weisen viele Bezüge zu anderen Politikfeldern auf. Seniorenpolitik als Querschnittsaufgabe erfordert daher eine enge Zusammenarbeit innerhalb der Landesregierung und darüber hinaus. Angesichts der Herausforderungen durch den demografischen Wandel arbeitet das Sozialministerium konsequent daran, eine ganzheitlich wirkende Gestaltung der Lebensbedingungen für Ältere in städtischem und ländlichem Raum zu bewirken, im Sinne einer Erhaltung und Verbesserung der Lebensqualität. Da die Anpassung der Infrastruktur an die Bedürfnisse älterer Menschen eine elementare Voraussetzung dafür ist, dass älteren Menschen eine aktive soziale Teilhabe sowie die Einbindung in gesellschaftliche Prozesse auch praktisch möglich bleiben, hat die Seniorenpolitik bereits nachhaltige Impulse hinsichtlich Mobilitäts- und Verkehrsraumgestaltung gesetzt. Die Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Verkehr und Infrastruktur und dem Innenministerium soll fortgesetzt werden. Im Auftrag des Ministerrats hat das Sozialministerium einen landesweiten Beteiligungsprozess mithilfe von „seniorenpolitischen Werkstattgesprächen“ durchgeführt. Sie sind eine wichtige Grundlage für den „Kompass Seniorenpolitik“, der im Jahr 2015 die wichtigsten Ziele der Landespolitik für diese ständig wachsende Bevölkerungsgruppe darstellen und alle Akteure zur Umsetzung motivieren soll. 23 2. Pflege und Betreuung alter Menschen 2.1 Pflegebedarf wächst Die Zahl der Pflegebedürftigen in Baden-Württemberg wird trotz rückläufiger Bevölkerungszahlen weiter zunehmen. Im Dezember 2011 waren in Deutschland 2,5 Mio. Menschen pflegebedürftig im Sinne der Pflegeversicherung (SGB XI), davon 278.295 in Baden-Württemberg. Nach einer Modellrechnung des Statistischen Landesamtes werden im Jahr 2030 voraussichtlich 381.000 Menschen in Baden-Württemberg Hilfe- und Unterstützungsbedarf in der Pflege haben. Dies wäre ein Anstieg um 37 %. Bis zum Jahr 2050 könnte die Zahl pflegebedürftiger Menschen um 80 % auf dann rund 502.000 Pflegebedürftige ansteigen. Damit wächst der Pflegebedarf. 2.2 Bedarfsgerechte Pflegeinfrastruktur Wir bauen die ambulante Pflegeinfrastruktur aus, um häusliche Pflegearrangements nachhaltig zu unterstützen. Im Land gewährleisten etwa 1.110 ambulante Pflegedienste flächendeckend eine hochwertige pflegerische Versorgung im Bereich der Kranken- und Altenpflege. Zusätzlich zu den durch die Sozialleistungsträger abgedeckten Leistungsbereichen fördert das Land folgende Maßnahmen im Vorfeld und Umfeld der Pflegebedürftigkeit: Betreuungsgruppen und häusliche Besuchsdienste für demenzkranke Menschen (niedrigschwellige Betreuungsangebote), Seniorennetzwerke und Pflegebegleiter-Initiativen für Pflegebedürftige und Menschen mit erheblichem allgemeinem Betreuungsbedarf sowie deren Angehörige (Initiativen des Ehrenamts), Modellvorhaben zur Weiterentwicklung von Versorgungsstrukturen und Versorgungskonzepten zur Stärkung der häuslichen Pflege für betroffene Menschen und zur Entlastung der pflegenden Angehörigen, Familienpflege- und Dorfhilfedienste. Zur Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen in der häuslichen Pflege sowie für Modellvorhaben zur Erprobung neuer Versorgungskonzepte insbesondere für demenzkranke pflege- und hilfebedürftige Menschen besteht bei den Pflegekassen ein bundesweiter Fonds in Höhe von 25 Mio. Euro. Der Fonds ergänzt Fördermittel der Länder, der Kommunen oder der Arbeitsverwaltung. Die Landesförderung schafft die Basis für eine Inanspruchnahme der Pflegekassenzuschüsse. Einem Euro des Landes folgt ein Euro der Pflegekassen. Die Zahl der geförderten Betreuungsangebote hat sich von 78 im Jahr 2001 auf 651 im Jahr 2013 erhöht. 35 Initiativen des Ehrenamts haben 2013 eine Förderung erhalten. Die Landesförderung ist in der Verwaltungsvorschrift des Sozialministeriums zur Förderung der ambulanten Hilfen (VwVAmbulante Hilfen) vom 22.12.2011 geregelt, das Förderverfahren in der Betreuungsangebote-Verordnung vom 28. Februar 2011. Das Land hat den Ausbau der stationären Pflegeinfrastruktur in Baden-Württemberg langjährig nachhaltig unterstützt und verfügt heute mit über 100.000 teil- und vollstationären Pflegeplätzen über eine gut ausgebaute, moderne und leistungsfähige stationäre Pflegeinfrastruktur. 24 Zur Stabilisierung ambulanter Pflegearrangements fördert das Land den weiteren Ausbau des teilstationären Pflegeangebots, vor allem im ländlichen Raum. Die teilstationären Hilfeangebote der Kurzzeitpflege und der Tagespflege können einen sehr wichtigen Beitrag zur Unterstützung und Entlastung pflegender Familien leisten. Sie erleichtern den Verbleib der Pflegebedürftigen in ihrem gewohnten häuslichen Umfeld. Auch bei einem stationären Hilfebedarf sollen die Pflegebedürftigen soweit wie möglich in ihrem vertrauten Lebensumfeld verbleiben können. Dezentrale, kleinräumige Versorgungsstrukturen und überschaubare Einrichtungsgrößen begünstigen zudem die Einbindung der Pflegeeinrichtungen in das Gemeinwesen wie auch die Einbindung von bürgerschaftlichem Engagement in die Arbeit der Heime. Wie in keinem anderen Bundesland wurden in Baden-Württemberg gemeinde- und stadtteilbezogene Versorgungsstrukturen konsequent ausgebaut und gefördert. Zur Unterstützung des Ausbaus von wohnortnahen und innovativen Versorgungsstrukturen fördert das Land im Modellprogramm Pflege neben innovativen Demenzprojekten, Maßnahmen zur Verbesserung der Strukturqualität sowie Projekte, die sich mit Ambulantisierung und Dezentralisierung befassen. 3. Heimaufsicht und Qualitätssicherung in der Pflege Mit dem Gesetz für unterstützende Wohnformen, Teilhabe und Pflege (Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz - WTPG), das am 31.05.2014 in Kraft getreten ist, wird die Teilhabe, Selbstbestimmung und Selbstorganisation der Menschen in den Pflegeund Behinderteneinrichtungen und in der Gesellschaft gefördert und insbesondere die Bildung gemeinschaftlicher, selbstbestimmter Wohnformen älterer, behinderter und pflegebedürftiger Menschen unterstützt. Damit wird die Vielfalt der bereits bestehenden und sich noch entwickelnden ambulant betreuten Wohngemeinschaften gefördert. Darüber hinaus stärkt das neue Gesetz ältere, behinderte und pflegebedürftige Menschen auch als Verbraucherinnen und Verbraucher. Das WTPG geht deshalb weg vom „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ des Landesheimgesetzes. Das alte Heimrecht kannte entweder die Versorgung im Heim oder zuhause. Erstere fiel vollständig unter die Regelungen und den Schutzbereich des Heimrechts, letztere fiel vollständig heraus. Den vielen Zwischenformen des gemeinschaftlichen Wohnens wurde dies nicht mehr gerecht. Mit dem neuen Landesgesetz wird zudem die konzeptionelle Weiterentwicklung der Einrichtungen in Richtung Inklusion und Öffnung gefördert. Der Teilhabegedanke und die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention werden in das Gesetz aufgenommen. Die im WTPG enthaltenen Verordnungsermächtigungen sollen bei der notwendigen Weiterentwicklung der Pflegeinfrastruktur die Würde des Einzelnen noch mehr in den Mittelpunkt staatlichen Handelns stellen. Einrichtungen sollen in Zukunft noch stärker dieser Zielsetzung und den sich verändernden Lebensstilen gerecht werden. Dazu gehört auch die Gewährleistung eines möglichst hohen Maßes an Selbstbestimmung und Lebensqualität sowie das Recht auf eine Privatsphäre. Die Verordnung des Sozialministeriums zur baulichen Gestaltung von Heimen und zur Verbesserung der Wohnqualität in den Heimen Baden-Württembergs (LHeimBauVO), die bereits auf der Grundlage der im Landesheimgesetz enthaltenen Ver25 ordnungsermächtigung erlassen wurde, setzt diese Vorgaben konkret um. Sie umfasst im Wesentlichen Grundsätze zur Ausgestaltung und Weiterentwicklung von Heimen sowie Regelungen zu den individuellen und gemeinschaftlichen Wohnbereichen innerhalb der Heime. Eckpunkte dieser Grundsätze und Regelungen sind: Heime sollen vorrangig als Wohnraum ausgestaltet werden und ihren Bewohnerinnen und Bewohnern immer auch eine geschützte Privatsphäre bieten. Heimbewohnerinnen und -bewohnern soll daher grundsätzlich ein individuell nutzbarer Wohnraum bzw. ein Einzelzimmer zur Verfügung stehen. Durch flexible Raumkonzepte soll auch das gemeinsame Wohnen in einem Privatbereich möglich sein. Heime sollen weiterhin in überschaubare Wohneinheiten untergliedert werden. Mit der bestehenden Landesheimmitwirkungsverordnung (LHeimMitVO) soll die Selbstbestimmung und Teilhabe der Heimbewohnerinnen und -bewohner mit praktikablen, in der Praxis umsetzbaren Regelungen ermöglicht werden. Hierzu gibt es eine Mustergeschäftsordnung. Die Arbeiten für eine Verordnung über personelle Anforderungen in Heimen (Verordnung über personelle Anforderungen für stationäre Einrichtungen des Sozialministeriums BW – PersVOE) werden im Jahr 2015 zum Abschluss gebracht werden. 4. Pflegeversicherung (SGB XI) Das Ausgabenvolumen der landesunmittelbaren Pflegekassen in Baden-Württemberg betrug im Jahr 2012 nahezu 3 Mrd. Euro. Das zum 1. Januar 2015 in Kraft tretende 1. Pflegestärkungsgesetz sieht vor, dass alle Leistungsbeträge der Pflegeversicherung erhöht werden. Unterstützungsangebote wie die Kurzzeit-, Verhinderungs-, Tages- und Nachtpflege können besser in Anspruch genommen werden. Außerdem werden durch das 1. Pflegestärkungsgesetz erstmals Entlastungsleistungen für die häusliche Pflege eingeführt. Im Jahr 2015 wird das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren durch Rechtsverordnung die Rahmenbedingungen zur Anerkennung von niedrigschwelligen Entlastungsangeboten schaffen. Auch werden in stationären Pflegeeinrichtungen die finanziellen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass bis zu 20.000 zusätzliche Betreuungskräfte eingestellt werden können. Ferner wird ein Pflegevorsorgefonds eingerichtet, mit dem Ziel, den Beitragssatz in der Pflegeversicherung ab dem Jahr 2035 stabil zu halten, wenn die geburtenstarken Jahrgänge ins Pflegealter kommen. Zur Finanzierung dieser Verbesserungen wird der Beitragssatz zur Pflegeversicherung zum 1. Januar 2015 um 0,3 Prozentpunkte angehoben. Damit stehen jährlich zusätzlich rund 3,6 Milliarden Euro für die Pflege zur Verfügung. Der Bundesgesetzgeber beabsichtigt, in der laufenden Legislaturperiode den zweiten Teil der Pflegereform zu verabschieden. Mit dem 2. Pflegestärkungsgesetz soll der Begriff der Pflegebedürftigkeit neu definiert werden. Statt der bisherigen drei Pflegestufen soll es künftig fünf Pflegegrade geben. Bei der Einstufung soll dann nicht mehr 26 zwischen körperlichen, geistigen und psychischen Beeinträchtigungen unterschieden werden. Maßgeblich soll stattdessen sein, wie selbständig der oder die Pflegebedürftige im Alltag handeln kann. Eine auf Ministerebene eingerichtete Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Leitung des Bundesministeriums für Gesundheit soll im Jahr 2015 klären, wie die Rolle der Kommunen bei der Pflege noch weiter gestärkt und ausgebaut werden kann. Insbesondere soll geklärt werden, wie die Steuerungs- und Planungskompetenz für die regionale Pflegestruktur gestärkt werden kann. In Baden-Württemberg sind 48 Pflegestützpunkte, in 42 von 44 Stadt- und Landkreisen errichtet. Die jeweiligen Pflegestützpunkte werden durch einen kommunalen Träger als geschäftsführendem Träger und den Pflege- und Krankenkassen als weitere Träger getragen. Mit Beratungs- und Begleitungsleistungen sollen Pflegestützpunkte den Rat- und Hilfesuchenden die Unterstützung geben, die sie oder ihr soziales Umfeld benötigen: von der präventiven Beratung bis zur Organisation und dem Management von gewünschten Versorgungsarrangements. Dabei wird es oft darum gehen, eine stationäre Versorgung zu vermeiden. Pflegestützpunkte bündeln die Beratung über alle pflegerischen, medizinischen und sozialen Leistungen unter einem Dach. Weiter dienen sie dazu, die auf der wohnortnahen Ebene vorhandenen Versorgungsangebote im Bereich der Pflege und der Gesundheitsversorgung so zu vernetzen, dass eine abgestimmte Versorgung und Betreuung der Pflegebedürftigen ermöglicht wird. Die Evaluation der baden-württembergischen Pflegestützpunkte hat ergeben, dass sie inzwischen sehr gut in die Versorgungslandschaft vor Ort eingebunden sind und eine feste Rolle in der baden-württembergischen Beratungsinfrastruktur haben. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird es nach Auffassung der Landesregierung notwendig, die Pflegestützpunkte nach § 92c Sozialgesetzbuch (SGB) XI auszubauen, zu stärken und deren Beratungs- und Begleitungsangebote noch stärker in der Bevölkerung bekannt zu machen. Wie die Pflegestützpunkte in Baden-Württemberg weiterentwickelt werden, wird derzeit auch intensiv in der Landesarbeitsgemeinschaft Pflegestützpunkte Baden-Württemberg e.V. diskutiert. In der Landesarbeitsgemeinschaft Pflegestützpunkte Baden-Württemberg e.V. sind mit den Landesverbänden der Pflege- und Krankenkassen und den Kommunalen Landesverbänden alle Hauptakteure im Bereich Pflegestützpunkte zusammengeschlossen. Die Landesarbeitsgemeinschaft Pflegestützpunkte Baden-Württemberg e.V. hat am 4. Juni 2014 die Anforderungen für die Weiterentwicklung der Pflegestützpunkte in BadenWürttemberg festgelegt. Auf der Grundlage dieser Anforderungen und der bei Antragstellung durch kommunale Träger vorgelegten Konzeption wird der Vorstand der Landesarbeitsgemeinschaft Pflegestützpunkte Baden-Württemberg e.V. über die Weiterentwicklung der Pflegestützpunkte entscheiden. 27 IV. Frauen und Gleichstellungspolitik 1. Gleiche Chancen für Mädchen und Jungen Mädchen und Jungen konzentrieren sich bei ihrer Berufswahl auf wenige geschlechtertypische Berufe. Eine Erweiterung des Berufswahlspektrums wird mit dem Girls‘/Boys‘ Day angestrebt, an dem sich das Sozialministerium auch weiterhin finanziell beteiligen wird. Mit dem Förderprogramm „Mädchen gestalten Zukunft“ werden gezielt Mädchenprojekte im Bereich der Berufswahlorientierung gefördert, die sich mit entsprechenden Angeboten an den individuellen Lebenswelten der Mädchen und jungen Frauen orientieren, von einer genderkompetenten Haltung geprägt und nachhaltig angelegt sind. Die Ausbildung von Selbstbewusstsein sowie das Wissen um die eigenen Stärken und Lebenskompetenzen sind grundlegende Voraussetzungen für die persönliche Entwicklung. Vor allem im Berufswahlprozess bzw. im Übergang von der Schule in den Beruf spielen diese Faktoren eine entscheidende Rolle. Sie sind wichtige Voraussetzungen, wenn es darum geht, stereotype Geschlechterrollen aufzubrechen und die Berufsorientierung von Mädchen und jungen Frauen zu erweitern. Sowohl in der Bildungs- und Ausbildungssituation als auch bei speziellen Themen wie Freizeit- und Konsumverhalten, Gesundheitssituation und besonderen Problemlagen haben auch Jungen einen geschlechtsspezifischen Förderbedarf. Seit 2010 fördert das Sozialministerium das Projekt „Genderbewusstes Arbeiten mit Jungen“ der LAG Jungenarbeit zur Fort- und Weiterbildung ehren- und hauptamtlicher Fachkräfte in der differenz- und geschlechterbezogenen Arbeit mit Jungen unterschiedlicher Altersgruppen. Die LAG Mädchenpolitik und die LAG Jungenarbeit setzen sich in Baden-Württemberg für geschlechtsspezifisches Arbeiten mit Mädchen und Jungen ein. Die Geschäftsstellen beider Landesarbeitsgruppen werden vom SM institutionell gefördert. 2. Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung Menschenhandel ist eine besonders entwürdigende Erscheinungsform der professionellen, häufig organisierten Kriminalität. Opfer sind vor allem Frauen und Mädchen, die zur Prostitution gezwungen werden. Daher werden in Baden-Württemberg vier Fachberatungsstellen für Opfer von Menschenhandel gefördert, und zwar die Mitternachtsmission in Heilbronn, das Fraueninformationszentrum in Stuttgart, FreiJa in Freiburg und Amalie in Mannheim. Außerdem können über den „Fonds für Opfer von Menschenhandel in bestimmten Fällen Gelder für die Beratung, Alimentierung und einfache Ausstattung mit Dingen des persönlichen Bedarfs für Opfer von Menschenhandel bereitgestellt werden. Eine weitere Kofinanzierung des Bundesmodellprojekts zur Unterstützung des Ausstiegs aus der Prostitution P.I.N.K (Prostitution – Integration – Neustart – Know-how) in Freiburg ist vorgesehen. 28 3. Gewalt gegen Frauen – Landesaktionsplan Ein Schwerpunkt der Politik der Landesregierung ist die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Unter Federführung des Sozialministeriums wurde in Zusammenarbeit mit relevanten staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren der Landesaktionsplan gegen Gewalt an Frauen erstellt. Gegenstand des Landesaktionsplans sind Formen von Gewalt, die Frauen unverhältnismäßig stark betreffen. Dazu zählen häusliche Gewalt, sexuelle Gewalt, Zwangsverheiratung und Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung. Der Landesaktionsplan schafft Rahmenbedingungen und gibt Impulse zur Vorhaltung eines bedarfsdeckenden Schutz- und Unterstützungsangebots für gewaltbetroffene Frauen und ihrer Kinder, zur Bekämpfung und nachhaltigen Beendigung von Gewalt gegen Frauen durch gut abgestimmte Interventionsketten und zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen durch eine koordinierte und wirkungsvolle Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit. Eine wesentliche strukturelle Weiterentwicklung ist die Schaffung einer Landeskoordinierungsstelle mit folgenden Aufgabenschwerpunkten: Organisation und Moderation des behörden- und institutionenübergreifenden Erfahrungs- und Informationsaustauschs und Zusammenarbeit mit entsprechenden Stellen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene zur gegenseitigen Unterstützung und Absprache der Vorgehensweise, Unterstützung der interinstitutionellen Interventionsketten gegen Gewalt an Frauen auf Stadt- und Landkreisebene, Koordination und Organisation von Fortbildungen und Fachveranstaltungen für Fachkräfte sowie Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, Öffentlichkeitsarbeit, Abwicklung und Begleitung von wissenschaftlich fundierten Bedarfsanalysen und Bedarfsplanungen im Hinblick auf ein adäquates Unterstützungssystem für gewaltbetroffene Frauen im Land, Zusammenarbeit und Koordinierung des Austauschs mit dem bundesweiten Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“, Impulsgebung zur Anpassung rechtlicher Rahmenbedingungen, systematisiertes und kontinuierliches Monitoring des Unterstützungssystems für gewaltbetroffene Frauen, Konzeptentwicklungen (z.B. Akut-Schutz-Konzepte für Frauen mit erhöhtem Betreuungs- und Pflegebedarf, Konzepte für flächendeckende Angebote der Täterarbeit und der verfahrensunabhängigen Beweissicherung, Schutzkonzepte für junge volljährige Opfer von Menschenhandel). Die Beratung und Begleitung der Umsetzung soll durch einen Beirat als behördenund institutionenübergreifendes Fachgremium erfolgen. Das Land gibt durch eine anteilige Förderung der über die grundständigen Leistungen hinausgehenden Arbeit sowie durch investive Zuschüsse bereits Impulse zum Abbau von Zugangsbarrieren in Frauen- und Kinderschutzhäuser und wird darüber hinaus auch die wissenschaftliche Praxisbegleitung von Weiterentwicklungen in den Schutz- und Beratungskonzepten der Frauenhäuser bezuschussen. 29 Zur Verbesserung der Akut-Versorgung von Gewaltopfern wird die Gewaltambulanz Heidelberg mit ihrem niedrigschwelligen Angebot der rechtsmedizinischen Untersuchung, der gerichtsfesten Dokumentation und Asservierung von Spuren auch für Gewaltopfer, die keine Anzeige erstattet haben, gefördert. 4. Frauen- und Kinderschutzhäuser Die 41 Frauen- und Kinderschutzhäuser freier und kommunaler Träger im Land sind ein notwendiger und wesentlicher Bestandteil des Hilfesystems. Sie bieten Frauen und deren Kindern Schutz vor häuslicher Gewalt in akuten Situationen, die durch einen Wohnungsverweis nicht abgewendet werden können, und unterstützen durch fachkundige Beratung und praktische Lebenshilfen die Betroffenen. Das Land beteiligt sich an den Kosten der Frauen- und Kinderschutzhäuser, die überwiegend von den Gemeinden, Städten und/oder Landkreisen entweder einrichtungs- oder personenbezogen (Tagessatz) gefördert werden. Für Investitionen stehen jährlich 330.000 Euro Landesmittel zur Verfügung. Für die Wahrnehmung von Aufgaben der Prävention und der Nachsorge stehen jährlich 790.000 Euro zur Verfügung. Diese auf Antrag gewährten Zuschüsse setzen sich aus einem Sockelbetrag von 15.600 Euro pro Frauen- und Kinderschutzhaus und aus einem variablen Anteil pro Platz (Platzwert) zusammen. Der Platzwert wird jährlich vom Sozialministerium nach der Gesamtzahl der Plätze in allen antragstellenden Häusern festgesetzt. 5. Kompetenzzentrum Beruf & Familie Baden-Württemberg Das Kompetenzzentrum Beruf & Familie Baden-Württemberg wurde 2008 im Auftrag des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren durch die FamilienForschung (FaFo) Baden-Württemberg eingerichtet. Das Kompetenzzentrum ist eine landesweite Informations-, Beratungs- und Unterstützungsstelle für Arbeitgeber in Baden-Württemberg. Als zentrale Serviceagentur unterstützt das Kompetenzzentrum Betriebe und Institutionen bei der Verbreitung von familienfreundlichen Angeboten, indem bereits bestehende Initiativen und regionale Netzwerke gebündelt werden. Landesweit werden so Strukturen zur Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Pflege vorangebracht und Umsetzungsprozesse vor Ort unterstützt. Um Angebote zielgenauer auf die regionalen und branchenbezogenen Bedürfnisse des Arbeitsmarktes auszurichten, werden künftig die Serviceleistungen des Kompetenzzentrums stärker ausdifferenziert. Das Kompetenzzentrum wurde seit 2011 mit insgesamt 890.605 Euro gefördert. 30 6. Aktionsplan für Toleranz und Gleichstellung Baden-Württemberg Ein wichtiges Ziel der Landesregierung ist es, Vorurteile gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und Queeren abzubauen und Baden-Württemberg zu einem Vorreiter für Offenheit und Vielfalt zu machen. In einem landesweiten Aktionsplan für Toleranz und Gleichstellung werden daher Konzepte und entsprechende Maßnahmen gegen Diskriminierung auf Basis einer kritischen Analyse der bestehenden strukturellen Nachteile und vorurteilsmotivierten Ausgrenzungen entwickelt. Die Erstellung des Aktionsplans für Toleranz und Gleichstellung wird von Anfang an begleitet durch einen Beirat, bestehend aus Vertretungen der Ministerien sowie Vertretungen der maßgeblichen relevanten gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen der LSBTTIQ-Community (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Transsexualität, Intersexualität und Queer). Um bereits in dem Prozess der Erarbeitung eines Aktionsplans deutlich zu machen, dass andere Lebensformen keine Bedrohung oder Störung darstellen, bedarf es einer entsprechenden Öffentlichkeitsarbeit, die mit 70.000 Euro aus dem laufenden Haushalt finanziert wird. 31 V. Kinder und Familien 1. Politik für Kinder 1.1 Kinderland Baden-Württemberg Die Landesregierung verfolgt im Rahmen ihrer Kinderland-Politik das Ziel, die Rahmenbedingungen für ein gutes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in BadenWürttemberg zu verbessern. Die Aufgabe, Baden-Württemberg zu einem Kinderland zu machen, liegt dabei nicht in der Verantwortung eines einzelnen Ministeriums, vielmehr sind alle Politikbereiche aufgefordert, an der Verwirklichung der Kinderlandidee mitzuwirken. Die Ministerien arbeiten daher gemeinsam an dieser Aufgabe. Zur Darstellung des Kinderlands im Internet wurde unter www.kinderland-bw.de und www.kinderland-baden-wuerttemberg.de ein zentraler Kinderland-Auftritt im Rahmen des Landesportals erstellt. Von hier aus führen Links zu den jeweiligen Kinderlandseiten der einzelnen Ministerien. 1.2 Stärkung der Rechte von Kindern und Jugendlichen Ein Schwerpunkt der Kinderland-Politik des Sozialministeriums liegt auf der Stärkung der Kinderrechte. Anlässlich des Jubiläums 25 Jahre UN-Kinderrechtskonvention hat das Sozialministerium im Jahr 2014 gemeinsam mit den Verbänden, Vereinen, Kommunen und Schulen im Land ein „Jahr der Kinder- und Jugendrechte“ veranstaltet. Im ganzen Land fanden zahlreiche Aktivitäten, Projekte und Veranstaltungen sowie Kampagnen statt: lokal und überregional, für und mit Kindern und Jugendlichen, für die breite Öffentlichkeit sowie für Fachkräfte. Das Sozialministerium trat als (Mit-)Veranstalter einzelner Veranstaltungen auf (Auftakt-Konferenz, 2. baden-württembergischer Kindergipfel, Abschlussveranstaltung „Kinder- und Jugendrechte bewegen“) und konnte einige Aktivitäten von Verbänden und Vereinen fördern. Eine Reihe von Regionalkonferenzen zum Thema Kinder- und Jugendrechte wurde ins Leben gerufen, die von der FamilienForschung Baden-Württemberg im Auftrag des Sozialministeriums durchgeführt wird. Mit den Aktivitäten im Jahr der Kinder- und Jugendrechte wurden die Rechte von Kindern und Jugendlichen gestärkt. Darüber hinaus wurde die Öffentlichkeit für die Kinderrechte sensibilisiert. Um die Kinderrechte nachhaltig zu stärken und einen entsprechenden Bewusstseinswandel in der Gesellschaft mitzugestalten, sollen die Kinderrechte in der Landesverfassung verankert werden. Die Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen sollen in der Gemeindeordnung verbindlich festgeschrieben werden. Denn Kinder und Jugendliche sind Experten in eigener Sache. Durch die Möglichkeit, sich zu beteiligen, lernen die jungen Menschen früh, dass es sich lohnt, das Gemeinwesen mitzugestalten. Damit sie sich auch früher an Wahlen und Abstimmungen beteiligen können, wurde bereits das Wahlalter bei Kommunalwahlen und kommunalen Abstimmungen auf 16 Jahre abgesenkt. Auch in den kommenden Jahren sollen vielfältige Aktivitäten zu einer weiteren Stärkung der Kinder- und Jugendrechte führen. Hierzu gehört neben den genannten Gesetzgebungsvorhaben die Fortführung der Regionalkonferenzen zum Thema Kinder32 und Jugendrechte, eine regelmäßige Durchführung des Kindergipfels und des Jugendlandtags, die Bekämpfung der Kinderarmut im Rahmen der Armuts- und Reichtumsberichterstattung sowie die Weiterentwicklung der Partizipation von Kindern und Jugendlichen im Rahmen des „Zukunftsplan Jugend“. 1.3 Elternkonsens Unter dem Titel Elternkonsens wird gemeinsam mit dem Justizministerium die interdisziplinäre Zusammenarbeit der mit Umgangs- und Sorgerechtsstreitigkeiten befassten Berufsgruppen gefördert. Elternkonsens steht für Grundsätze und Verfahrensweisen im familiengerichtlichen Verfahren, die darauf abzielen, bei Trennung und Scheidung zum Wohl der Kinder eine möglichst einvernehmliche und tragfähige Lösung für Umgang und Sorge zu ermöglichen. Im Juli 2014 wurde das von den beteiligten Ministerien gemeinsam erarbeitete Internetportal Elternkonsens unter der Adresse www.elternkonsens.de freigeschaltet. Das Portal informiert über Grundsätze und Ziele des Elternkonsenses, über Veranstaltungen, Fortbildungsangebote, Aktivitäten lokaler Arbeitskreise und bietet Informationen für betroffene Kinder und Jugendliche. Um den Elternkonsens weiter landesweit zu implementieren, werden im jährlichen Wechsel Fortbildungsveranstaltungen und Landes- bzw. Bundeskongresse für die beteiligten Professionen durchgeführt. Am 4. Februar 2015 findet in Stuttgart ein weiterer Bundeskongress Elternkonsens mit etwa 350 Teilnehmern statt. Er dient dem bundesweiten Informationsaustausch und einer Standortbestimmung. 1.4 Schutz von Kindern vor Vernachlässigung sowie vor physischer, psychischer und sexueller Gewalt Die Landesregierung misst der Gewährleistung eines wirksamen, vor allem auch präventiv ausgerichteten Kinderschutzes einen hohen Stellenwert zu. Das hierzu vom Land entwickelte Kinderschutzkonzept setzt vier zentrale Ziele: Früherkennung und Prävention, Ausbau und Qualifizierung der Frühen Hilfen, Qualifizierung der Fachkräfte, Vernetzung der Akteurinnen und Akteure. Die wichtigsten gesetzgeberischen Maßnahmen sind das Kinderschutzgesetz Baden-Württemberg (z.B. verpflichtende Früherkennungsuntersuchungen) und Elemente des Kinderschutzes im Kindertagesbetreuungsgesetz (Nachweis über die Teilnahme an einer ärztlichen Untersuchung vor Eintritt in die Kindertagesbetreuungseinrichtung), Gesundheitsdienstgesetz (umfassende Untersuchung auf kindliche Entwicklungsverzögerungen bei der Einschulungsuntersuchung) und im Schulgesetz (Vernetzung von Schulen und Jugendamt, Möglichkeit eines verpflichtenden Elterngesprächs). Einen wichtigen Rahmen für die Frühen Hilfen und den Kinderschutz bilden die bundesgesetzlichen Vorgaben im SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfe – und im Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG). 33 Als Handlungsempfehlungen für die Praxis dienen im Bereich des Kinderschutzes die Arbeitshilfen zur Umsetzung des Schutzauftrags bei Kindeswohlgefährdung des Landesjugendamtes beim Kommunalverband für Jugend und Soziales, die Gemeinsamen Empfehlungen von Justiz-, Innen-, Kultus- und Sozialministerium sowie des Landesjugendamtes zur interdisziplinären Zusammenarbeit im Kinderschutz auf örtlicher Ebene und die Handreichung „Sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Jungen“ zur Prävention und Intervention an Kindertageseinrichtungen und Schulen des Kultusministeriums und des Sozialministeriums. Die im Rahmen des Kinderschutzkonzepts erfolgten Anschub- und Initiativfinanzierungen (Förderprogramm Familienhebammen, Projekt Netzwerke Frühe Hilfen und Kinderschutz zum Aufbau qualifizierter Netzwerkstrukturen in den Jugendamtsbezirken, Entwicklung eines E-Learning-Kurses zur Qualifizierung von Fachkräften im Bereich der Frühen Hilfen und des präventiven Kinderschutzes) laufen Ende 2014 planmäßig aus. Sie konnten wesentlich zu einer verbesserten Infrastruktur im Bereich der Frühen Hilfen und des präventiven Kinderschutzes beitragen. Hieran knüpft die Bundesinitiative Frühe Hilfen (siehe unter V. 1.5.). Zusätzlich fördert das Sozialministerium den Kinderschutz und die Frühen Hilfen mit folgenden Maßnahmen: 34 „Beratungs- und Behandlungsangebote für Tatgeneigte“ Das Projekt stellt eine Ergänzung im Bereich des Kinderschutzes dar. Hierbei geht es darum, durch Beratung und ggf. durch psychotherapeutische und pharmakotherapeutische Behandlung gefährdete Menschen zu befähigen, keinen sexuellen Kindesmissbrauch (mehr) zu begehen. Das Sozialministerium hat im Jahr 2014 mit drei geeigneten Institutionen (Behandlungsinitiative Opferschutz BIOS-BW e.V., Bewährungshilfe Stuttgart e.V. sowie Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Ulm mit Anbindung an die Charité Berlin) eine Vereinbarung über die Bereitstellung eines flächendeckenden Beratungs- und Behandlungsangebots für sogenannte tatgeneigte Personen in Baden-Württemberg abgeschlossen. Die drei genannten Institutionen kooperieren untereinander und ergänzen einander in ihren Angeboten für diesen Personenkreis. Sie kooperieren und auch mit anderen Institutionen (sonstige Beratungsstellen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Psychiatrien). Für die Bereitstellung dieses Angebots erhalten die drei Träger im Rahmen der Vereinbarung insgesamt jährlich 170.000 Euro. Programm „STÄRKE“ Zur Stärkung der Elternkompetenzen stehen jährlch jeweils 4 Mio. Euro zur Verfügung (siehe auch unter V. 2.2). Initiative „Wellcome!“ Unterstützung für Familien im ersten Lebensjahr nach der Geburt des Kindes im Sinne ehrenamtlicher Nachbarschaftshilfe bei der Betreuung des Babys und/ oder des Geschwisterkindes und ggf. zur Krisenvorbeugung. Seit dem Jahr 2013 wurde „Wellcome!“ in die Verbändeförderung aufgenommen und erhält jährlich 45.000 Euro für die Landeskoordinierungsstelle in Baden-Württemberg. 1.5 Bundesinitiative Frühe Hilfen (BI FH) Für den Bereich der Frühen Hilfen und des präventiven Kinderschutzes ist vor allem auf die Umsetzung der Bundesinitiative Frühe Hilfen (BI FH) hinzuweisen. Mit der im Jahr 2012 begonnenen BI FH, die nach ihrem Auslaufen zum 31. Dezember 2015 von einem aus Bundesmitteln gespeisten Fonds abgelöst wird, werden die Frühen Hilfen und der präventive Kinderschutz in den folgenden vier Kernbereichen weiter ausgebaut und qualitativ fortentwickelt: Netzwerkarbeit auf der Ebene der Jugendämter, Einsatz von Familienhebammen und Familien-Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen, ehrenamtliches Engagement im Bereich der Frühen Hilfen (z.B. Familienpatinnen und Familienpaten), sonstige innovative Ansätze und Projekte. Im Haushaltsjahr 2015 stehen zur Umsetzung der BI FH im Land Bundesmittel in Höhe von rund 5,3 Mio. Euro zur Verfügung. Hiervon sind rund 5,0 Mio. Euro für Projekte und Maßnahmen zweckbestimmt, 0,3 Mio. Euro sind für die beim Kommunalverband für Jugend und Soziales – Landesjugendamt – errichtete Landeskoordinierungsstelle vorgesehen. 1.6 Unterhaltsvorschuss Das Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) sichert den Unterhalt von Kindern allein erziehender Eltern, wenn der andere Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt, seinen Verpflichtungen zur Unterhaltszahlung nicht oder nicht vollständig nachkommt. Der Anspruch des Kindes auf Unterhaltsvorschuss ist auf 72 Monate begrenzt und endet spätestens mit der Vollendung des zwölften Lebensjahres. Die monatliche Unterhaltsleistung bemisst sich nach dem Mindestunterhalt des Bürgerlichen Rechts (§ 2 UVG, § 1612a Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Sie beträgt in der ersten Altersstufe (bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres) zurzeit 317 Euro und in der zweiten Altersstufe (bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres) 364 Euro. Das Erstkindergeld von derzeit 184 Euro ist dabei voll anzurechnen. Der monatliche Auszahlungsbetrag beträgt somit 133 Euro in der ersten bzw. 180 Euro in der zweiten Altersstufe. Die Unterhaltsvorschussleistungen werden von dem unterhaltspflichtigen Elternteil zurückgefordert. Die vom Land gezahlten Unterhaltsvorschussleistungen werden zu einem Drittel durch den Bund erstattet. Seit dem 1. April 2004 werden die Stadt- und Landkreise sowie die kreisangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt zu je einem Drittel an den Ausgaben sowie an den Einnahmen aus Rückgriffen beim Unterhaltsschuldner beteiligt. Der Mittelbedarf betrug im Jahr 2013 45,7 Mio. Euro (Bundes- und Landesanteil). Die erzielten Einnahmen konnten wie bereits in den vergangenen Jahren durch das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendämter, die fachliche Unterstützung der Landesregierung sowie zahlreiche Fortbildungsveranstaltungen für die Unterhaltsvorschussstellen kontinuierlich gesteigert werden (2006: 11,6 Mio. Euro, 2009: 12,9 Mio. Euro, 2011: 13,5 Mio. Euro, 2013: 15,1 Mio. Euro). Baden- Württem35 berg belegt im Jahr 2013 mit einer Rückgriffsquote (Anteil der Einnahmen eines Jahres gemessen an den Ausgaben) von 33 % im Ländervergleich hinter Bayern den zweiten Platz (Bundesdurchschnitt: 21 %). Die beständige Verbesserung des Rückgriffserfolgs beim Unterhaltsvorschuss und generell die Verbesserung der Zahlung von Kindesunterhalt durch die zahlungspflichtigen Elternteile bleiben wichtige Anliegen der Landesregierung. 2. Familienpolitik 2.1 Landeserziehungsgeldprogramm Das Erziehungsgeld des Landes wurde 1986 zeitgleich mit dem Bundeserziehungsgeld eingeführt und im dritten Lebensjahr des Kindes im Anschluss an die Bundesleistung gewährt. Für Geburten seit 1. Januar 2007 wurde es im zweiten Lebensjahr im Anschluss an das Bundeselterngeld gezahlt, das das Bundeserziehungsgeld abgelöst hat. Zwischenzeitlich hat die Landesregierung beschlossen, für Geburten ab dem 1. Oktober 2012 kein Landeserziehungsgeld mehr zu bewilligen, nachdem die Bundesregierung nicht ausschließen wollte, dass das Landeserziehungsgeld auf die Leistungen des SGB II und XII angerechnet wird und damit ausschließlich dem Bund zugute gekommen wäre. 2.2 Landesprogramm STÄRKE Die Eltern- und Familienbildung hat in den letzten Jahren enorm an Bedeutung zugenommen. Um die Eltern in Baden-Württemberg bei der Pflege und Erziehung ihrer Kinder nicht allein zu lassen hat das Land mit seinen Partnern das Landesprogramm STÄRKE eingeführt. Für STÄRKE werden jährlich insgesamt 4 Mio. EUR im Staatshaushaltsplan bereitgestellt. Die Durchführung des Programms koordiniert der Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS). Er hat u.a. den Auftrag, die STÄRKE-Mittel proportional zur Anzahl der Geburten im Vorjahr an die einzelnen Jugendämter zu verteilen und die Jugendämter und Bildungsträger bei der Programmumsetzung zu beraten. Auf der Grundlage einer Evaluation des Programms und unter Berücksichtigung von Empfehlungen aus einer Prüfung des Rechnungshofs im Jahr 2011 wurde das Landesprogramm STÄRKE zum 1. Juli 2014 weiterentwickelt und neu ausgerichtet. Folgende neue Schwerpunkte wurden gesetzt: 36 Eine effizientere Zuteilung der knappen finanziellen Ressourcen an Familien in schwieriger finanzieller Lage. Durch die Neujustierung der finanziellen Spielräume wird Familien mit finanziellem Unterstützungsbedarf die Teilnahme an allgemeinen Familienbildungsangeboten für Familien mit Kinder im ersten Lebensjahr ermöglicht, in dem bis zu 100,- Euro pro Angebot übernommen werden. Ebenso werden Familienbildungsfreizeiten für Familien in besonderen Lebenssituationen ins Programm aufgenommen. Außerdem werden der Fokus mehr auf Angebote für Familien mit Kindern im Alter von bis zu drei Jahren gelegt und Väter stärker einbezogen. 3. Ein neuer Schwerpunkt von STÄRKE besteht in der Förderung von Offenen Treffs, die den niederschwelligen und diskriminierungsfreien Ansatz der Familienbildung als frei zugänglicher Begegnungsort in einem Sozialraum realisieren helfen. Sie sind damit auch als ein Bestandteil der aufsuchenden Elternarbeit zu verstehen. Förderung der anerkannten Schwangerschaftsberatungsstellen Die landesweit 124 anerkannten Schwangerschaftsberatungsstellen stellen nach dem Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktgesetz – SchKG) ein ausreichendes, wohnortnahes Beratungsangebot sicher. Die Beratung werdender Mütter soll die Fortsetzung der Schwangerschaft ermöglichen und diesen helfen, Not- und Konfliktlagen zu überwinden. Der Beratungsauftrag umfasst: Informationen über soziale und finanzielle Hilfen für Schwangere und zu Fragen der Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung (§§ 2, 2a und 3 SchKG), die nach § 219 StGB notwendige Schwangerschaftskonfliktberatung (§§ 5, 6 und 8 SchKG) sowie psychosoziale Beratung im Zusammenhang mit Pränataldiagnostik (§ 2a SchKG) Mit in Kraft treten des Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt zum 1. Mai 2014 haben die Schwangerschaftsberatungsstellen zudem den Auftrag, schwangere Frauen, die ihre Identität nicht preisgeben möchten, über die Möglichkeit, den Ablauf und das Verfahren einer vertraulichen Geburt zu informieren. Das Fördervolumen beträgt im Jahr 2014 insgesamt 17.554.800 Euro. Für 2015 sind 17.718.200 Euro und für 2016 Mittel in Höhe von 18.085.500 Euro veranschlagt. 4. Stiftung „Familie in Not“ Die Stiftung „Familie in Not" wurde vom Land Baden-Württemberg im März 1980 als rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts errichtet, das Stiftungskapital beläuft sich auf 8.980.670,10 Euro. Aufgabe der Stiftung ist es, in finanzielle Not geratene Familien mit mindestens einem Kind, Familien mit behinderten Angehörigen sowie alleinerziehende Elternteile und werdende Mütter in Not- und Konfliktsituationen durch finanzielle Leistungen nachhaltig zu unterstützen, soweit diese Notlagen nicht durch andere, vorrangige Hilfen abgewendet werden können. Die Stiftungsleistungen sind freiwillige Leistungen. Die Stiftung „Familie in Not“ hat im Jahr 2013 an 1.322 Familien und werdende Mütter finanzielle Hilfeleistungen im Umfang von jährlich rund 200.000 Euro gezahlt. Seit 37 Bestehen der Stiftung 1980 bis zum Jahresende 2013 erhielten 27.912 Familien und werdende Mütter Stiftungsleistungen. Die Stiftung „Familie in Not“ übernimmt in Baden-Württemberg auch die Vergabe von Leistungen aus Mitteln der im Jahr 1984 errichteten Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“. Aus der Bundesstiftung erhält Baden-Württemberg jährlich ca. 11,5 Mio. Euro. Aufgabe der Bundesstiftung ist es, schwangere Frauen in Notlagen zu unterstützen, um ihnen die Fortsetzung der Schwangerschaft zu erleichtern. Jährlich erhalten rund 10.500 schwangere Frauen auf Antrag eine finanzielle Unterstützung durch die Bundesstiftung. Die Vergabe der Stiftungsleistungen der Landesstiftung „Familie in Not“ sowie der Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ erfolgt durch den Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg. 38 VI. Jugend 1. Jugendarbeit Die Landesregierung hat gemeinsam mit den Akteuren der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und den kommunalen Landesverbänden den „Zukunftsplan Jugend“ erarbeitet, in dem die mittel- und langfristigen Ziele zur Weiterentwicklung der Kinderund Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit sowie die finanziellen Rahmenbedingungen festgeschrieben und im Landesjugendplan verankert sind. Die Umsetzung der im „Zukunftsplan Jugend“ vorgesehenen Projekte und Maßnahmen erfolgt Schritt für Schritt. Mit dem „Zukunftsplan Jugend“ wird die Arbeit der Partner im „Zukunftsplan Jugend“ gesichert. Er enthält daher auch einen im Rahmen der Planaufstellung 2015/2016 zu beschließenden Finanzierungsplan. Nachstehende Aufgaben der Kinder und Jugendarbeit sind besonders hervorzuheben: Zentrale Aufgaben der Jugendorganisationen (Jugendverbandsförderung) Das Land gewährt den Jugendorganisationen Zuwendungen für die Kosten, die durch die Leitungsaufgaben entstehen. Die Haushaltsansätze für Zuschüsse für zentrale Aufgaben (Kap. 0918 Tit. 684 02) an den Landesjugendring BadenWürttemberg e.V., an die im Landesjugendring Baden-Württemberg e.V. zusammengeschlossenen Jugendverbände sowie an sonstige anerkannte Träger der Jugendarbeit betragen weiterhin unverändert 1.340.000 Euro (ohne die Förderung der Sportjugend). In den Jahren 2009, 2010 und 2013 wurde die Jugendverbandförderung um 95.000, 50.000 bzw. 60.000 Euro erhöht. Ring politischer Jugend Für die politische Bildungs- und die staatsbürgerliche Erziehungsarbeit des Rings politischer Jugend und der in ihm zusammengeschlossenen politischen Jugendverbände werden Zuschüsse zu den anerkannten Verwaltungskosten und zu Bildungsmaßnahmen in Höhe von jährlich 263.700 Euro veranschlagt. Jugenderholungsmaßnahmen Die Jugendverbände und Jugendringe leisten mit ihren jugendgemäßen, pädagogisch verantworteten Freizeiten einen wertvollen Beitrag zur Jugenderholung. Im Gegensatz zu Angeboten kommerzieller Reiseveranstalter oder gemeinnütziger Jugendreisedienste sind die Jugenderholungsmaßnahmen meist in ein Ganzjahreskonzept der Arbeit für junge Menschen eingebunden. Nach wie vor besteht bei vielen Jugendlichen großes Interesse, an Jugenderholungsmaßnahmen teilzunehmen. Die Fördersätze (Tagessätze) für Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Jugenderholungsmaßnahmen betragen derzeit für - Kinder und Jugendliche aus finanziell schwächer gestellten Familien 7,50 Euro, - den Einsatz ehrenamtlicher pädagogischer Betreuer 8,70 Euro, - Ferienfreizeiten unter Einbeziehung behinderter Kinder und Jugendlicher 9,20 Euro. 39 2. Stätten der Jugendarbeit Der Mittelansatz bei der Förderung der Zeltbeschaffung beträgt 284.500 Euro. Dabei wird angestrebt, weiterhin eine Förderquote von 35 % zu erreichen. Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit Neben der Gewährung eines Landeszuschusses an die Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit Baden-Württemberg und die in ihr zusammengeschlossenen Trägergruppen, soweit sie Jugendsozialarbeit betreiben, fördert das Sozialministerium die spezifische Jugendbildungsarbeit in den Jugendwohnheimen, Mädchenclubheimen und Jugendgemeinschaftswerken sowie Eingliederungsmaßnahmen und Projekte für junge Menschen mit Migrationshintergrund. Jugendbildung Das Sozialministerium ist für allgemeine und grundsätzliche Angelegenheiten der außerschulischen Jugendbildung zuständig. Hierzu zählen Angelegenheiten des Jugendbildungsgesetzes, das Zusammenwirken mit dem Landeskuratorium für außerschulische Jugendbildung und die Zusammenarbeit mit der Jugendstiftung BadenWürttemberg, um einige Schwerpunkte zu nennen. 40 Bildungsreferenten Das Sozialministerium fördert anerkannten Träger der freien Kinder- und Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit, Personalausgaben für Bildungsreferentinnen und -referenten. Im Staatshaushaltsplan 2015 und 2016 sind hierfür je 1.518.000 Euro vorgesehen. Jugendbildungsakademien Die überverbandlich in Baden-Württemberg tätige Jugendbildungsakademie Jugendburg Rotenberg wird zur teilweisen Finanzierung ihrer laufenden Aufwendungen institutionell aus Mitteln des Sozialministeriums gefördert. Darüber hinaus erhält sie Investitionsmittel zur Sanierung ihrer Einrichtung. Im Jahr 2015/2016 sind für die Sanierung 26.200 Euro vorgesehen. Träger der Akademie der Jugendarbeit Baden-Württemberg e.V. sind der Landesjugendring Baden-Württemberg e.V. und die Arbeitsgemeinschaft Jugendfreizeitstätten Baden-Württemberg e.V. Die Akademie der Jugendarbeit Baden-Württemberg e.V. will dem Bedarf an breit gefächerter und zusätzlicher Qualifikation der ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Unterstützung des Ehrenamts ein träger- und institutionenübergreifendes Angebot gegenüberstellen und insbesondere bestehende Fortbildungsangebote vernetzen. Die Einrichtung wird mit rd. 128.000 Euro jährlich institutionell gefördert. Jugendbildungsmaßnahmen Die hauptsächlich von den Jugendverbänden getragenen Lehrgänge zur Ausbildung und Fortbildung von Jugendleiterinnen und -leitern sowie Seminare zur außerschulischen Jugendbildung zu Fragen der politischen, sozialen, sportlichen, musisch-kulturellen, ökologischen, technologischen Jugendbildung sowie der Mädchen- und Jungenbildung bilden das Kernstück der Jugendbildungsmaßnahmen im Landesjugendplan. Bei den Jugendleiterlehrgängen und Seminaren wurde im Jahr 2014 ein Tagessatz von 9,20 Euro erstattet. Im Staatshaushaltsplan 2015/2016 sind 3. 1.103.800 Euro für Jugendleiterlehrgänge (Zuschüsse einschließlich Sachkosten) und 2.039.200 Euro für Seminare und praktische Maßnahmen vorgesehen. Die Altersgrenze für Seminare der Kinder- und Jugendarbeit wurde von 14 auf 12 Jahre gesenkt, um mehr Kinder zu erreichen. Hierzu werden zusätzlich jährlich 100.000 Euro aus Mitteln des „Zukunftsplans Jugend“ bereitgestellt. Kooperation Jugendarbeit/Schule Im Hinblick auf die Kooperationsfelder zwischen Jugendarbeit/Jugendbildung und Schule ist das Sozialministerium zuständig, soweit der Schwerpunkt der Fragen bei den Jugendverbänden liegt. Integrationsoffensive Das Thema Integration wird auch in den nächsten Jahren ein wichtiges Thema sein. Das Sozialministerium fördert daher die Integrationsoffensive der Arbeitsgemeinschaft Jugendfreizeitstätten Baden-Württemberg e.V. auch in 2015 und 2016 mit 100.000 Euro jährlich. Ferner wird das Thema Integrationinsbesondere auch im Rahmen des „Zukunftsplan Jugend“ berücksichtigt. Soziale Jugendarbeit in Problemgebieten und an Schulen Die Mobile Jugendsozialarbeit in Problemgebieten (Mobile Jugendarbeit) ist eine besondere Form der offenen Jugendarbeit. Sie richtet sich an benachteiligte Jugendliche und junge Erwachsene, die besonders von Ausgrenzung und sozialer Benachteiligung betroffen sind und von anderen Angeboten der Jugendhilfe nicht oder nur unzulänglich erreicht werden. Ihr prägendes Merkmal ist die aufsuchende Arbeit auf der Straße sowie Beziehungsarbeit, die einen freiwilligen und niedrigschwelligen Kontakt zulässt. Mit Hilfe der Fachkräfte der Mobilen Jugendarbeit kann ein Zugang zu den Jugendlichen aufgebaut und durch die Stärkung der Persönlichkeit und des Sozialverhaltens auf die schulische, berufliche und gesellschaftliche Integration hingewirkt werden. Im Rahmen des Bündnisses zur Stärkung der beruflichen Ausbildung in Baden-Württemberg 2007 bis 2010 wurden die Landesmittel für die Mobile Jugendarbeit deutlich aufgestockt – von rd. 1 Mio. auf rd. 2,4 Mio. Euro/Jahr, ab 2012 auf ca. 2,3 Mio. Euro/Jahr. Im Ausbildungsbündnis 2010 bis 2014 war die Mobile Jugendarbeit Bestandteil des Bündnisses. Das Ausbildungsbündnis wird 2015 bis 2018 weitergeführt. Aufgrund der Handlungsempfehlungen des Sonderausschusses „Konsequenzen aus dem Amoklauf in Winnenden und Wendlingen“ wurde die Zahl der geförderten Vollzeitstellen bei der Mobilen Jugendarbeit durch eine Mittelaufstockung von rd. 120 im Jahr 2007 auf mittlerweile 220 Vollzeitstellen (Stand: Mai 2014) ausgebaut werden. Das Ausbauziel ist damit erreicht. Die Landesförderung wird als Personalkostenzuschuss in Höhe von 11.000 Euro pro Vollzeitstelle/Jahr gewährt. Über die Förderung von Modellmaßnahmen wie auch von praxisbezogenen Forschungsvorhaben werden zudem neue Erfahrungen und Erkenntnisse gewonnen, die auf sich ändernde Bedarfe und Situationen eingehen und neue Wege in der Jugendhilfe aufzeigen. So wird beispielsweise seit 2012 ein Modellprojekt „Mobile Kindersozialarbeit“ für drei Jahre gefördert. Zur Zielgruppe gehören ältere Kinder (Acht- bis Dreizehnjährige), die im öffentlichen Raum durch selbst- und fremdgefährdendes 41 Verhalten verstärkt auffallen und durch herkömmliche Angebote der Jugendhilfe nicht erreicht werden. Die umfassende berufliche und soziale Integration von benachteiligten jungen Menschen wird auch in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen und intensive Anstrengung erfordern. 4. Jugendsozialarbeit an öffentlichen Schulen Nach dem „Pakt für Familien mit Kindern“ zwischen der Landesregierung und den Kommunalen Landesverbänden beteiligt sich das Land seit 2012 zu einem Drittel an den Kosten der Jugendsozialarbeit an öffentlichen Schulen (Schulsozialarbeit) bis zu einer Obergrenze von 15 Mio. Euro jährlich. Die anfallenden Verwaltungskosten sowie die von den Kommunalen Landesverbänden geforderte Anpassung an die Kostenentwicklung fließen in diesen Betrag mit ein. Nach den Fördergrundsätzen des Sozialministeriums fördert das Land sowohl vorhandene als auch neue Stellen im Bereich der Schulsozialarbeit mit einem Drittel der Kosten einer Vollzeitstelle. Die Förderpauschale pro Vollzeitstelle beträgt 16.700 Euro, bei Teilzeitkräften entsprechend reduziert. Das Bewilligungsverfahren und die finanzielle Abwicklung des Förderprogramms führt der Kommunalverband Jugend und Soziales Baden-Württemberg durch. Seit dem Jahr 2014 sind insgesamt bis zu 25 Mio. Euro für die Schulsozialarbeit vorgesehen. 5. Schulen an Heimen Das Sozialministerium fördert die Schulen an anerkannten Heimen für Minderjährige und an Berufsbildungswerken nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz für BadenWürttemberg. Die Träger dieser Schulen haben einen gesetzlich garantierten Anspruch auf Übernahme der vollen Personalkosten für den Schulleiter, die anerkannten wissenschaftlichen und technischen Lehrer sowie die Ausbilder durch das Land. Daneben werden pauschalierte Sachkostenzuschüsse gewährt. Im Jahr 2013 wurden hierfür Mittel in Höhe von rd. 153,2 Mio. Euro benötigt. Zum Stichtag 15. Februar 2014 wurden an den im Zuständigkeitsbereich des Sozialministeriums liegenden Schulen an Heimen und an den Berufsbildungswerken insgesamt 11.315 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Gerade im Bereich der Schulen für Erziehungshilfe dürfte mit weiterhin steigenden Schülerzahlen zu rechnen sein. Für das Jahr 2014 sind hierfür rd. 163 Mio. Euro veranschlagt. Für das Jahr 2015 sollen rd. 166,8 Mio. Euro und für das Jahr 2016 rd. 169,3 Mio. Euro veranschlagt werden. 42 6. Maßnahmen zum Schutz der Jugend Die Bedeutung des gesetzlichen, des erzieherischen und des strukturellen Jugendschutzes nimmt insbesondere vor dem Hintergrund expandierender, oft jugendschutzrelevanter Medienangebote sowie des problematischen Umgangs vieler Jugendlicher mit legalen und illegalen psychoaktiven Substanzen zu. Aber auch die Durchsetzung von Kinderrechten, gewaltpräventive Maßnahmen, Vermittlung interkultureller Kompetenz und die Förderung eines altersgerechten Konsumverhaltens sind Aufgaben des Jugendschutzes. Die ganze Breite dieses Themenspektrums wird durch die Tätigkeit der im Wesentlichen aus Landesmitteln finanzierten Aktion Jugendschutz – Landesarbeitsstelle Baden-Württemberg e.V. – und des AGJ Fachverbandes für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Freiburg e.V. abgedeckt. Sie leisten Präventions-, Informations- und Aufklärungsarbeit in Form von Vorträgen, Fortbildungsveranstaltungen, Seminaren, Einzelberatungen sowie durch zahlreiche Veröffentlichungen über aktuelle Fragen des Jugendschutzes. Daneben werden Projekte, die jugendschutzrelevante Themen aufgreifen, gefördert. Für die Förderung des Jugendschutzes stehen 2015 und 2016 jeweils 722.300 Euro zur Verfügung, davon aufgrund der Empfehlungen des Sonderausschusses „Konsequenzen aus dem Amoklauf in Winnenden und Wendlingen: Jugendgefährdung und Jugendgewalt“ 150.000 Euro. Damit werden medienpädagogische und gewaltpräventive Maßnahmen gefördert. Nach dem Jugendschutzgesetz obliegt den Ländern die Altersfreigabe von sämtlichen Bildträgern mit Filmen oder Spielen. Diese Aufgabe nehmen die Länder in Kooperation mit Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle, insbesondere der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft und der Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle wahr. Darüber hinaus finanzieren die Länder seit 1997 gemeinsam die Zentralstelle der Obersten Landesjugendbehörden für Jugendschutz in Mediendiensten „jugendschutz.net“. 7. Runder Tisch „Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren“ Seit dem 1. Januar 2012 stehen Betroffenen Mittel aus dem Fonds "Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1949 bis 1975" (Fonds "Heimerziehung West") zur Verfügung. Aus dem Fonds sollen Hilfen für ehemalige Heimkinder finanziert werden, die heute noch unter den Folgen von Traumatisierungen oder anderen Beeinträchtigungen leiden. In Fällen, in denen es aufgrund nicht gezahlter Sozialversicherungsbeträge zu einer Minderung von Rentenansprüchen gekommen ist, soll mit Hilfe des Fonds ein Ausgleich gewährt werden. Darüber hinaus sollen Betroffene dabei unterstützt werden, ihre Zeit der Heimunterbringung zwischen 1949 und 1975 aufzuarbeiten. Der Fonds wurde durch den Bund, die westlichen Bundesländer einschließlich Berlins, die Evangelische Kirche in Deutschland, die (Erz-)Bistümer der katholischen Kirche im Bundesgebiet, den Deutschen Caritasverband, das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland und die Deutsche Ordensobernkonferenz er43 richtet. Insgesamt stehen 120 Millionen Euro zur Verfügung, die jeweils zu einem Drittel von Bund, Ländern und Kommunen sowie katholischer und evangelischer Kirche, deren Wohlfahrtsverbänden und den Orden erbracht werden. Der Fonds endet gemäß der Satzung spätestens zum 31. Dezember 2016. Nachdem sich im Frühjahr 2014 abzeichnete, dass das Fondsvermögen nicht ausreichen wird, um allen ehemaligen Heimkindern, die Hilfen aus dem Fonds in Anspruch nehmen möchten, Hilfen zukommen zu lassen, haben die Errichter ihre grundsätzliche Bereitschaft zu einer Aufstockung erklärt. Über die Details wird verhandelt mit dem Ziel, ab dem Jahr 2015 die Aufstockung vollziehen zu können. Der bisherige Anteil Baden-Württembergs am derzeitigen Fondsvolumen beträgt insgesamt rund 6,2 Millionen Euro. Die Kommunalen Landesverbände haben sich mit einem Drittel hieran beteiligt. Baden-Württemberg hat eine zentrale Anlauf- und Beratungsstelle für Betroffene eingerichtet. Sie berät und begleitet ehemalige Heimkinder, bietet Unterstützung bei der Akteneinsicht, hilft Therapien zu vermitteln und Gelder aus dem Fonds Heimerziehung zu beantragen. Anträge können dort bis zum 31. Dezember 2014 gestellt werden. Entstehende Kosten für die Beratung der Betroffenen in den regionalen Anlaufund Beratungsstellen können über den Fonds abgerechnet werden. Der Landtag hatte 2011 zunächst beschlossen, die Kosten für die Anlauf- und Beratungsstelle auf maximal fünf Prozent der Mittel zu begrenzen. 2014 hat er diese Obergrenze angehoben, um die erforderliche personelle Verstärkung der Anlauf- und Beratungsstelle zu ermöglichen. 8. Runder Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ Nach Bekanntwerden einer Reihe von Fällen sexuellen Kindesmissbrauchs in kirchlichen und weltlichen Einrichtungen hat das Bundeskabinett am 24. März 2010 die Einrichtung des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ beschlossen. Am 30. November 2011 hat der Runde Tisch Sexueller Kindesmissbrauch seinen Abschlussbericht vorgelegt. Zur Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tisches sollte für Betroffene, bei denen die Folgen sexueller Gewalt nicht durch bestehende Hilfesysteme überwunden oder gemindert werden konnten, ein ergänzendes Hilfesystem eingerichtet werden. Nach längeren Verhandlungen zwischen Bund und Ländern hat der Bund im Mai 2013 einen Fonds Sexueller Missbrauch im familiären Bereich eingerichtet, an dem sich auch zwei Länder beteiligen. Dieser Fonds ist mit knapp 59 Mio. Euro ausgestattet. Für Betroffene, die in Institutionen sexuellen Missbrauch erlitten haben, sind die Länder und andere Institutionen infolge ihrer Arbeitgeberverantwortung aufgefordert, ein ergänzendes Hilfesystem zu schaffen, das sie in eigener Verantwortung umsetzen. Bund und Länder haben 2014 eine gemeinsame Vereinbarung und Leitlinien fachlich abgestimmt. Die für die geplante Einrichtung des ergänzenden Hilfesystems für den 44 institutionellen Bereich Anfang 2015 erforderlichen Entscheidungen sind in Vorbereitung. 9. Kostenerstattung gem. § 89 d SGB VIII bei Gewährung von Jugendhilfe für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) Seit Jahren steigen die Ausgaben der Jugendämter, die nach der Einreise von unbegleiteten minderjährigen Personen ohne gewöhnlichen Aufenthalt im Inland Jugendhilfe gewähren. Im Jahr 2007 betrugen die bundesweiten Ausgaben rd. 51,5 Mio. Euro und sind seither auf 214,3 Mio. Euro im Jahr 2013 gestiegen. Dementsprechend steigt auch der auf das Land entfallende Kostenanteil. Auf Grund der derzeitigen weltweiten Krisensituationen ist zu erwarten, dass die Flüchtlingszahlen und die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge auch künftig steigen werden. Im Jahr 2015 sind für die Kostenerstattung des Landes an die Jugendämter rd. 43,8 Mio. Euro und im Jahr 2016 rd. 57 Mio. Euro veranschlagt. 45 VII. Arbeitsmarkt 1. Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Baden-Württemberg 1.1 Arbeitsmarkt in anhaltend robuster Verfassung Der Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg hat sich nach der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise schnell erholt. Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt seit 2008 ist in der nachfolgenden Grafik dargestellt. Im Jahr 2011 lag die Arbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt mit 226.859 – was einer Arbeitslosenquote von 4,0 Prozent entspricht – bereits wieder unter dem VorkrisenBestand im Jahr 2008 mit 228.615 Arbeitslosen. Seit 2011 blieb die Zahl der Arbeitslosen nahezu unverändert. Auch für das Jahr 2014 ist keine entscheidende Veränderung der Zahlen zu erwarten. 1.2 Arbeitsmarktlage im Herbst 2014 – Arbeitslosigkeit geht leicht zurück Seit Ende 2013 hat sich die Arbeitsmarktsituation kaum verändert. Im Oktober 2014 blieb die Zahl der Arbeitslosen mit 221.272 um 2.397 bzw. 1,1 Prozent unter dem Vorjahresmonat. Mit 3,8 Prozent (Vorjahr 3,9 Prozent) hatte Baden-Württemberg im Oktober 2014 nach Bayern (3,4 Prozent) die zweitbeste Arbeitslosenquote aller Bundesländer; die Arbeitslosenquote im Bund lag bei 6,3 Prozent. 46 1.3 Arbeitsmarkt für Benachteiligte bleibt schwierig Benachteiligte Jugendliche, Ältere und Langzeitarbeitslose profitieren erfahrungsgemäß in geringerem Umfang von der positiven Arbeitsmarktentwicklung. Jugendliche Im Vergleich zum Vorjahr blieb die Jugendarbeitslosigkeit – ebenso wie die Arbeitslosigkeit insgesamt – im Land im Oktober 2014 nahezu unverändert. Baden-Württemberg hatte im Oktober 2014 mit 2,8 Prozent nach Bayern (2,7 Prozent) die zweitbeste Jugendarbeitslosenquote im Bund. Die geringe Arbeitslosenquote bei jungen Menschen ist auch ein Verdienst der konzertierten Anstrengungen und Aktivitäten der Bündnispartner der baden-württembergischen Bündnisse zur Stärkung der beruflichen Ausbildung und des Fachkräftenachwuchses. Danach konnte jedem Ausbildungswilligen und Ausbildungsfähigem jungen Menschen ein Angebot unterbreitet werden. Ältere Ältere sind auch weiterhin stärker von Arbeitslosigkeit betroffen. Im Vergleich zum Oktober 2013 lag die Arbeitslosenquote der Altersgruppe über 55 Jahre mit 4,9 Prozent zwar unter dem Vorjahreswert von 5,1 Prozent, aber immer noch deutlich über der allgemeinen Quote von 3,8 Prozent. Langzeitarbeitslose Im Oktober 2014 waren im Land 71.879 Menschen (714 mehr als im Vorjahresmonat) ein Jahr und länger arbeitslos. Dies entspricht einem Anteil von 32,5 Prozent an den Arbeitslosen insgesamt. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen im Bund lag mit 38,6 Prozent (1.054.461 Personen) deutlich über dem Landeswert. 1.4 Beschäftigungsaufbau setzt sich bei geringem Rückgang der Arbeitslosigkeit fort Der (sozialversicherungspflichtige) Beschäftigtenzuwachs lag im August 2014 in Baden-Württemberg mit 81.988 (plus 2,0 Prozent) auf 4,256 Mio. über der Entwicklung im Bund mit plus 1,6 Prozent. Allerdings ist die Zahl der bei Leiharbeitsfirmen Beschäftigten im August 2014 gegenüber dem Vorjahresmonat weiter auf jetzt 97.800 angestiegen (ein Plus 5.614 bzw. 6,1 Prozent). Im Bundesgebiet war der Anstieg zum Vorjahr mit plus 26.691 auf 802.700 bzw. plus 3,4 Prozent etwas schwächer ausgeprägt. Die Regionaldirektion Baden-Württemberg rechnet für das Jahr 2015 im Land mit einem Anstieg der Beschäftigung um 70.000, aber nur mit einem Rückgang der Arbeitslosigkeit um 3.000. Der Beschäftigungsaufbau würde nach den Erwartungen der Bundesagentur für Arbeit dabei zu gleichen Teilen aus der stillen Reserve und der Zuwanderung gespeist. 47 2. Arbeitsmarktpolitische Förderprogramme 2.1 Landesprogramm „Gute und sichere Arbeit“ Mit dem von der Landesregierung beschlossenen Landesprogramm „Gute und sichere Arbeit“ will das Land Lücken im bestehenden Fördersystem schließen und gleichzeitig den Nachweis führen, dass eine entsprechende Weiterentwicklung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente im SGB II sinnvoll und zweckmäßig ist. Dabei werden über verschiedene Projekte und Fördermaßnahmen insbesondere benachteiligte junge Menschen und Langzeitarbeitslose mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen gefördert. Speziell für diese Zielgruppen wurden insgesamt fünf Förderbausteine ausgearbeitet, die einerseits mit finanziellen Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF), andererseits aus Landesmitteln finanziert werden. Seit 2012 stehen hierfür jährlich 5,43 Mio. Euro Landesmittel zur Verfügung, die mit weiteren 7,27 Mio. Euro aus Mitteln des ESF ergänzt werden. Die vom konjunkturellen Aufschwung getragene positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt stößt bei den sog. Problemgruppen des Arbeitsmarktes an Grenzen. Hier besteht weiter Handlungsbedarf, mit Hilfe von gezielten arbeitsmarktpolitischen Förderprogrammen die Eingliederung schwer vermittelbarer Arbeitsloser in den Arbeitsmarkt zu fördern. Das Land ergänzt und flankiert dabei die Aktivitäten der für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit primär zuständigen Bundesagentur für Arbeit. 2.1.1 Ausbildung für Benachteiligte, assistierte Ausbildung und Teilzeitausbildung Mit neun mehrjährigen Modellprojekten wird die Ausbildung und berufliche Integration von Benachteiligten unterstützt. Auch das landesweit vertretene Projekt Carpo ist hier erfasst und wurde auf insgesamt 20 Standorte erweitert. Acht dieser Modellprojekte zur Ausbildung für benachteiligte junge Menschen haben eine frauenspezifische Ausrichtung. Kern dieses Programmteils ist die Finanzierung der sozialpädagogischen Begleitung während der Ausbildung. Die speziellen Problemlagen von Migrantinnen und Migranten werden dabei besonders berücksichtigt, ebenso der hohe Bedarf an Personal im Bereich der Pflege und Altenhilfe. Darüber hinaus werden acht weitere Modellprojekte zur Förderung der Teilzeitausbildung von alleinerziehenden Frauen unterstützt. Dieser Baustein wird jährlich mit rund 5,13 Mio. Euro aus Mitteln des ESF und rund 0,6 Mio. Euro aus Landesmitteln gefördert. 2.1.2 Sicherung der Nachhaltigkeit der Integration von Arbeitslosen in den Ersten Arbeitsmarkt Mit diesem Baustein werden fünf Modellprojekte mit einem aktivierenden Angebot an individueller Beratung, Unterstützung und Qualifizierung finanziell unterstützt. Dieser 48 Baustein wird jährlich mit rund 1,63 Mio. Euro aus Mitteln des ESF und rund 0,23 Mio. Euro Landesmitteln gefördert. 2.1.3 Modellhafte Entwicklung eines sozialen Arbeitsmarktes – Passiv-AktivTausch Einem erheblichen Anteil der Langzeitarbeitslosen ist es aufgrund verschiedenster Vermittlungshemmnisse trotz zum Teil mehrfacher Teilnahme an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen seit längerem nicht gelungen, eine reguläre Beschäftigung aufzunehmen. Mit dem Baustein „Sozialer Arbeitsmarkt“ sollen Arbeitgeber über ein Förderpaket animiert werden, Langzeitarbeitslose mit mehreren Vermittlungshemmnissen, die in der Regel bereits seit 36 Monaten im Leistungsbezug sind, sozialversicherungspflichtig zu beschäftigen. Neben finanziellen Zuschüssen wird eine sozialpädagogische Fachkraft zur Verfügung gestellt. Es werden über das Förderprogramm somit Arbeitsuchende im SGB II gefördert, die mit den bislang zur Verfügung stehenden Förderinstrumenten nicht in erforderlichem Maße erreicht und unterstützt werden können. Mit dem Modellprojekt soll unter anderem nachgewiesen werden, dass der aktive Einsatz bislang passiv geleisteter Mittel – dies sind im Wesentlichen der vom Bund finanzierte Regelbedarf und die kommunal finanzierten Kosten für Unterkunft und Heizung – dieser Zielgruppe besser gerecht wird und das SGB II entsprechend weiterentwickelt werden muss. Für den Baustein sozialer Arbeitsmarkt sind 4 Mio. Euro Landesförderung pro Jahr vorgesehen. 2.1.4 Modellhafte Unterstützung von Arbeitslosen(beratungs)zentren und Beschäftigungsförderstellen Das Land fördert modellhaft 12 unabhängige Arbeitslosen(beratungs)zentren. Langzeitarbeitslose mit multiplen Vermittlungshemmnissen (z.B. Alleinerziehende, Menschen mit Migrationshintergrund, fehlender Berufsausbildung oder gesundheitlichen Leistungsbeeinträchtigungen, ältere Erwerbslose) sollen unabhängig und qualitätsgesichert ganzheitlich beraten und begleitet werden. Im Vordergrund stehen die Aktivierung zur Selbsthilfe, die Beistandstätigkeit gegenüber Behörden und Gerichten, die Gewinnung, Qualifizierung und Begleitung ehrenamtlicher Helfer sowie die Gestaltung von Kooperationsansätzen vor Ort einschließlich der fach- und zielgruppenbezogenen Information durch entsprechende Veranstaltungen. Die Landesförderung für die Arbeitslosen(beratungs)zentren beträgt 0,75 Mio. Euro pro Jahr (2012 - 2014). 2.1.5 Arbeit und Gesundheit Aufgrund des Fachkräftemangels und der demografischen Entwicklung bekommt die Gesunderhaltung der Arbeitskräfte durch ein gutes betriebliches Gesundheitsmanagement ein zunehmendes Gewicht. Im Rahmen des Zukunftsplan Gesundheit – Gesundheitsdialog Baden-Württemberg (siehe auch XIII.) sollen in einem besonderen Dialog „Arbeit und Gesundheit“ gemeinsam mit den Sozialpartnern, den Kranken- und Rentenkassen sowie weiteren Akteuren insbesondere durch Unterstützung lokaler Initiativen betriebliche Gesundheitsdialoge auf breiter Basis „von unten“ ermöglicht werden. 49 Dieser Baustein zur Gesundheits- und Beschäftigungsförderung von Langzeitarbeitslosen wird jährlich mit rund 0,5 Mio. Euro aus Mitteln des ESF gefördert. 2.2 Maßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit Ein Schwerpunkt der Aktivitäten des Landes sind Maßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit, da der Integration von benachteiligten jungen Menschen in Ausbildung und Beruf auch in den kommenden Jahren hohe Bedeutung zukommt. Beispielhaft für die Aktivitäten des Landes im Bereich der Integration benachteiligter arbeitsloser junger Menschen in den Arbeitsmarkt ist die Förderung des Berufspraktischen Jahres (BPJ). Das BPJ ist ein erfolgreiches Kooperationsmodell mit der baden-württembergischen Wirtschaft zur beruflichen Eingliederung schwervermittelbarer arbeitsloser junger Menschen im Rahmen eines Betriebspraktikums. Maßnahmeträger ist der Bildungsverbund Berufliche Qualifikation (BBQ) im Bildungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft. An der Bereitstellung von Praktikumsplätzen sind Großbetriebe wie Daimler, Porsche und Audi aber auch kleine Einzelhandelsbzw. Handwerksbetriebe beteiligt. Das BPJ wird vom Sozialministerium aus Landesmitteln und ESF-Mitteln und von der Bundesagentur für Arbeit gefördert. Aus Landesmitteln fördert das Sozialministerium die Kosten der Koordinatoren zur ergänzenden sozialpädagogischen Betreuung (Planung, Betreuung, Qualitätssicherung) von 36 Lehrgängen mit 756 Plätzen i.H.v. derzeit 651.000 Euro/Jahr. Die Lehrgangskosten beim BPJ 21 in Höhe von rd. 2,8 Mio. Euro werden mit 1,5 Mio. Euro aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und mit 1,3 Mio. Euro von der Bundesagentur für Arbeit (ausbildungsbegleitende Hilfen) finanziert. Der Lebensunterhalt der Teilnehmenden wird durch die Arbeitsverwaltung (Förderung der Einstiegsqualifizierung) oder die Grundsicherung nach SGB II gefördert. 3. Förderung aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) Der Europäische Sozialfonds (ESF) ist das bedeutendste Instrument der Europäischen Union (EU) für die Arbeitsmarktpolitik. Er ist neben dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) einer der wichtigsten EU-Strukturfonds und unterstützt die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Europäischen Beschäftigungsstrategie und einer aktiven Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik. 3.1 ESF-Förderung 2007 – 2013 im Ziel Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung (RWB) Die Europäische Union stellt für das Programm „Chancen fördern – Der Europäische Sozialfonds in Baden-Württemberg“ im Rahmen des Ziels „Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ (RWB) in der Förderperiode 2007 – 2013 insgesamt 266 Mio. Euro an ESF-Mitteln zur Verfügung. Diese Summe wird aus Mitteln des Landes, der Kommunen, der Bundesagentur für Arbeit sowie aus privaten Mitteln in mindestens gleicher Höhe ergänzt. 50 Die konkreten Ziele und Maßnahmen der Förderung aus dem ESF werden auf Landesebene im Operationellen Programm „Chancen fördern“ (OP) für den ESF in Baden-Württemberg festgelegt. Darin sind Prioritäten definiert, die Akzente für mehr Wachstum und Beschäftigung setzen. Das Sozialministerium ist als Verwaltungsbehörde verantwortlich für die Verwaltung und Durchführung des OP im Land. In seinem Ressortbereich stehen in der Förderperiode – ohne die für Vorhaben anderer Ressorts und für transnationale Projekte vorgesehenen Mittel – unmittelbar rd. 130 Mio. Euro zur Verfügung. Entsprechend den Maximen von Dezentralität und Subsidiarität wird der überwiegende Teil der Mittel (rund 100 Mio. Euro über die gesamte Förderperiode) im Rahmen der regionalen Förderung über die bei den Stadt- und Landkreisen angesiedelten ESF-Arbeitskreise umgesetzt. Daneben werden ESF-Fördermittel für zentrale Projekte mit überregionaler Bedeutung gewährt. Zu diesen zählen u.a. die über den ESF geförderten Modellprojekte des 2011 gestarteten Landesprogramms „Gute und sichere Arbeit“, mit denen die Ausbildung für Benachteiligte, die assistierte Ausbildung, die Teilzeitausbildung für Alleinerziehende sowie die nachhaltige Integration von Langzeitarbeitslosen unterstützt werden (vgl. auch VII. 2.). Dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft als zwischengeschalteter Stelle stehen rd. 87,4 Mio. Euro ESF-Mittel für Fördermaßnahmen im Bereich Wirtschaft zur Verfügung. Zum 31. Juli 2014 waren bereits 263,5 Mio. Euro der verfügbaren 266 Mio. Euro an ESF-Mitteln bewilligt. Das bisher erreichte landesweite Volumen der ESF-Förderung in der Förderperiode 2007 – 2013 verdeutlichen die folgenden Daten (ohne Förderbereich Wirtschaft): 3.2 In den Jahren 2007 – 2014 wurden insgesamt 2.149 Vorhaben im Förderbereich Arbeit und Soziales durchgeführt bzw. begonnen. In den Jahren 2007 – 2014 (Stand 31.7.2014) wurden insgesamt über 250.000 reguläre Teilnehmende in ESF-geförderten Maßnahmen im Förderbereich Arbeit und Soziales verzeichnet, davon 101.013 Teilnehmerinnen. Europäischer Sozialfonds (ESF) – Förderperiode 2014 - 2020 Als erstes ESF-Programm in Deutschland hat die EU-Kommission das baden-württembergische Operationelle Programm (OP) am 01.09.2014 genehmigt. In diesem Operationellen Programm wurden die konkreten Maßnahmen und Ziele für die ESFFörderung festgelegt. Die Europäische Union stellt für das Programm „Chancen fördern – Der Europäische Sozialfonds in Baden-Württemberg“ im Rahmen des Ziels „Investitionen in Wachstum und Beschäftigung“ in der Förderperiode 2014 – 2020 insgesamt 260 Mio. Euro an ESF-Mitteln zur Verfügung für die (zentrale) Förderung im Bereich Arbeit und Soziales rund 84,5 Mio. Euro, regionale Förderung im Bereich Arbeit und Soziales rund 92,5 Mio. Euro, Förderung im Bereich Wirtschaft (zwischengeschaltete Stelle: MFW) rund 83 Mio. Euro. 51 Diese Summen werden aus Mitteln des Landes, der Kommunen, der Bundesagentur für Arbeit sowie aus privaten Mitteln in mindestens gleicher Höhe ergänzt. In den ESF-Mitteln für die (zentrale) Förderung im Bereich Arbeit und Soziales sind die Mittel für das Kultusministerium, das Justizministerium und das Ministerium für Wissenschaft und Kunst enthalten. Die regionale Förderung wird über die bei den Stadt- und Landkreisen angesiedelten ESF-Arbeitskreise umgesetzt. 4. Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit Die Landesregierung von Baden-Württemberg und die Bundesagentur für Arbeit verbindet eine vertrauensvolle und erfolgreiche Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Arbeitsmarktpolitik. Um die Integrationschancen von Personengruppen mit Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern, haben das Sozialministerium und die Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit eine enge Zusammenarbeit bei der Umsetzung ihrer arbeitsmarktpolitischen Aktivitäten, Programme und Maßnahmen vereinbart. Eine enge Zusammenarbeit besteht insbesondere im Rahmen der Förderung aus dem ESF, bei schwerbehinderten Menschen und bei der Verbesserung der Ausbildungschancen Jugendlicher. Die gesetzlich vorgeschriebene Abstimmung der Leistungen der Arbeitsförderung mit der Arbeitsmarkt-, Struktur- und Wirtschaftspolitik des Landes erfolgt regelmäßig im Beirat Arbeitsmarktpolitik. 52 VIII. Arbeit und Gesundheit Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung und der dynamischen Veränderungen in der Arbeitswelt (Stichworte: Arbeitswelt 4.0, flexible Beschäftigungsformen, alternde Belegschaften, Vereinbarkeit von Familie und Beruf etc.) gewinnt das Thema Gesundheit in allen Lebenswelten und insbesondere auch in der Arbeitswelt eine zunehmend strategische Bedeutung für die weitere Wohlstandsentwicklung in Europa und in Deutschland. Dem haben die Europäische Union u.a. mit dem „Strategischen Rahmen für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2014 – 2020“ sowie der Bund und die Länder mit der mit allen Akteuren und insbesondere den Sozialpartnern abgestimmten „Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA)“ Rechnung getragen. Ziel ist es, die strategische Bedeutung gesunder und guter Arbeitsverhältnisse für die künftige europäische und globale Wettbewerbsfähigkeit in allen Betrieben der öffentlichen Verwaltung und der (Privat-)Wirtschaft zu erkennen und wirksame zusätzliche Maßnahmen zur Förderung und Unterstützung von Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz zu entwickeln und einzuführen bzw. zu stärken. Besonders im Blickpunkt sollen dabei künftig KMU stehen, da diese einerseits das Gros der Arbeitsplätze stellen, andererseits aber besondere Unterstützung benötigen. Betriebliche Gesundheitsförderung wird vor allem für die weitere gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung so bedeutsam sein wie z.B. betrieblicher Umweltschutz. Mithin wird betriebliche Gesundheitsförderung eine zentrale Säule jeder nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung werden. Eine moderne betriebliche Gesundheitsförderung verbindet zwei zentrale Elemente: Zum einen den betrieblichen Arbeitsschutz auf der Basis eines modernen Arbeitsschutzmanagementsystems, das die gesetzlichen Verpflichtungen zur umfassenden und stets aktuellen Gefährdungsbeurteilung und Prävention vor Gesundheitsgefahren an den Arbeitsplätzen mit klaren organisatorischen Verantwortlichkeiten sicherstellt. Zum anderen darüber hinausgehende (freiwillige) Maßnahmen der Gesundheitsförderung der Beschäftigten, wie Unterstützung zu gesunder Ernährung und Lebensweise etc. Zusammenfassend spricht man häufig vom Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM). Vor diesem Hintergrund ist es auch erforderlich, die Situation der Arbeitsschutzverwaltung im Land zu betrachten und ggf. schrittweise Anpassungen bzw. Verbesserungen anzustreben. 1. Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) Die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) ist die von Bund, Ländern und Unfallversicherungsträgern gemeinsam getragene, bundesweit geltende Arbeitsschutzstrategie. Sie hat das Ziel, Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten durch einen abgestimmten und systematisch wahrgenommenen Arbeitsschutz – ergänzt durch Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung – zu erhalten, zu verbessern und zu fördern. 53 Bund, Länder und Unfallversicherungsträger handeln im Bereich der Prävention künftig in noch engerer Abstimmung und auf der Grundlage gemeinsam festgelegter Arbeitsschutzziele. Das duale Arbeitsschutzsystem in Deutschland bleibt bestehen, jedoch wird die Zusammenarbeit der Aufsichtsdienste der gesetzlichen Unfallversicherungen und der Arbeitsschutzbehörden der Länder bei der Beratung und Überwachung der Betriebe verbessert. Die GDA wird von der Nationalen Arbeitsschutzkonferenz (NAK) entwickelt, gesteuert und fortgeschrieben. Die NAK setzt sich aus jeweils drei stimmberechtigten Vertretungen von Bund, Ländern und Unfallversicherung und bis zu je drei beratenden Vertretungen der Spitzenverbände der Sozialpartner zusammen. Die drei Träger der GDA (Bund, Länder und Unfallversicherungsträger) vereinbaren dazu für alle Träger verbindliche Ziele und Handlungsfelder, um die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit zu verbessern. Aus diesen Arbeitsschutzzielen und Handlungsfeldern werden Arbeitsprogramme entwickelt und von der NAK sowie der Arbeits- und Sozialministerkonferenz beschlossen. Einen besonderen Schwerpunkt legt die GDA mit ihren Arbeitsprogrammen auf KMU. Die 11 Arbeitsprogramme der ersten GDA-Periode wurden von 2008 bis 2012 umgesetzt. Baden-Württemberg beteiligt sich mit seinen Arbeitsschutzbehörden in der 2. GDA-Periode (2014 bis 2017) – wie alle anderen Länder – mit 10 % des vorhandenen Personals in den Arbeitsschutzbehörden. Das entspricht etwa 15 Vollzeitäquivalenten pro Jahr und 13 % der von den Ländern insgesamt eingebrachten Vollzeitäquivalente. Insbesondere in ambulanten Pflegeeinrichtungen stehen Aufsichtspersonen vielfältigen Herausforderungen gegenüber, wie sie die Verantwortlichen dazu bewegen können, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der alltäglichen Arbeit umzusetzen. Die Träger des Arbeitsprogramms haben daher einen strategischen Ansatz gewählt, der die Effektivität klassischer Instrumente der Aufsichtsdienste erhöhen und die Ressourcen effizient einsetzen sollte. Dieser Ansatz zeichnete sich durch folgende Schritte aus: Informationsveranstaltungen im Bereich Pflege, Selbstbewertung zur Unterstützung der Revisionstätigkeit und Unternehmensentwicklung, Besichtigungen – dualer Arbeitsschutz vor Ort, Schulungen – Führungskräfte und Multiplikatoren zu Partnern machen. In der 2. GDA-Periode wurden folgende Ziele und Handlungsfelder vereinbart: 54 Verbesserung der Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes (Ziel ORGA) mit den Handlungsfeldern Integration von Sicherheit und Gesundheit in betriebliche Prozesse und Entscheidungsbereiche und Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung verbessern. Verringerung von arbeitsbedingten Gesundheitsgefährdungen und Erkrankungen im Muskel-Skelett-Bereich (Ziel MSE) mit den Handlungsfeldern Tätigkeiten mit hohen körperlichen Belastungen gesundheitsgerecht gestalten und bewegungsarme, einseitig belastende Tätigkeiten gesundheitsgerecht gestalten. Schutz und Stärkung der Gesundheit bei arbeitsbedingter psychischer Belastung (Ziel PSYCHE) mit den Handlungsfeldern arbeitsbedingte psychische Belastungen frühzeitig erkennen und im Hinblick auf Gesundheitsgefährdungen beurteilen und präventive, arbeitsorganisatorische sowie gesundheits- und kompetenzfördernde Maßnahmen zur Verminderung arbeitsbedingter psychischer Gefährdungen entwickeln und umsetzen. Bereits gestartet wurden die Arbeitsprogramme ORGA und MSE, das Arbeitsprogramm PSYCHE soll 2015 folgen. 2. Arbeitsschutz 2.1 Technischer Arbeitsschutz Nach dem Regierungswechsel im Jahr 2011 ist der bis dahin vom Umweltministerium wahrgenommene technische Arbeitsschutz mit dem sozialen und medizinischen Arbeitsschutz beim Sozialministerium zusammengeführt worden. Der technische Arbeitsschutz befasst sich mit der Abwehr von Gefahren für Leib und Leben bei der Arbeit. Zusammen mit dem medizinischen und sozialen Arbeitsschutz, der neben dem Arbeitszeitschutz der Beschäftigte auf bestimmte Personengruppen (u.a. Jugendliche, werdende und stillende Mütter, Fahrinnen/Fahrer von Omnibussen und Lastkraftwagen) zielt, bilden diese drei Bereiche den Kernbereich des klassischen Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Durch die weitgehende Bündelung im Sozialministerium ist eine homogene Betrachtung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, der die Grundlage für die Verhältnis- und Verhaltensprävention ist, erleichtert worden. Einführung systematischer Arbeitsplatzüberprüfungen Seit Mitte 2014 werden Betriebsüberwachungen in Baden-Württemberg grundsätzlich als Systemkontrolle einschließlich Complianceprüfung (repräsentative Stichprobenprüfung von Arbeitsplätzen und -bereichen) durchgeführt. Dies ist Folgewirkung der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie, die eine Überwachung der Arbeitsschutzvorschriften nach einer zwischen Unfallversicherungsträgern und Staatlichen Arbeitsschutzbehörden abgestimmten Methodik fordert. Weiteres Ziel für die nächsten Jahre ist es, die Überwachung der Betriebe stärker risikoorientiert zu gestalten und die Überwachungsaufgabe Arbeitsschutz so weit wie möglich auf ihren Kern zurückzuführen. 2.2. Sozialer Arbeitsschutz Mutterschutz – Beratung des Mutterschutzgesetzes Beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen, und Jugend wurde eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit dem Novellierungsbedarf des Mutterschutzrechts befasst. Ergebnisse sollen voraussichtlich 2015 vorliegen. 55 3. Arbeitszeitrecht EU-Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG) Die Kommission versucht derzeit, das Thema Revision der Arbeitszeitrichtlinie voranzubringen. Hierzu hat sie diverse Institute und Einrichtungen u.a. beauftragt, Vorbereitungen wie z.B. Erhebung von Daten (Fragebögen) durchzuführen. Es wird erwartet, dass die Kommission in der 2. Hälfte des Jahres 2015 einen Vorschlag macht. 4. Medizinischer Arbeitsschutz 4.1 Psychische Belastungen am Arbeitsplatz – Aufgabenschwerpunkt der Gewerbeaufsicht Die Hauptakteure im Arbeitsschutz – Bund, Unfallversicherungsträger, Länder und Sozialpartner – sind sich darüber einig, dass den psychischen Belastungen in der Arbeitswelt hohe Bedeutung beizumessen ist. Vor diesem Hintergrund haben auch die Gewerbeaufsicht und das Landesgesundheitsamt (beim Regierungspräsidium Stuttgart) die Thematik „Psychische Belastungen am Arbeitsplatz“ aufgegriffen. Aufbauend auf den Erfahrungen einer Testphase werden seit Herbst 2009 in allen Regierungsbezirken Schulungen zu dieser Thematik angeboten. Die Schulungen und anschließende vertiefende Praxisphasen (Betriebsbesichtigungen) sollen dazu beitragen, das Bewusstsein über die Rolle und die Funktion des staatlichen Arbeitsschutzes im Bereich der psychischen Belastungen zu schärfen, die Berücksichtigung der psychischen Belastungen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung in die Routine sowohl der Arbeitsschutzbehörden als auch der Betriebe zu überführen und die Handlungssicherheit zu verbessern. Das Schulungsprogramm wurde bis Ende 2013 durchgeführt. Im Jahr 2014 hatte jeder Bedienstete der Gewerbeaufsicht in Baden-Württemberg in mindestens vier Betrieben die Berücksichtigung psychischer Belastungen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu prüfen. Dieser landesspezifische Schwerpunkt wird in den Systemkontrollen und dem GDA-Programm PSYCHE weitergeführt und verstetigt. 4.2 Betriebliches Gesundheitsmanagement Unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung und des sich abzeichnenden Fachkräftemangels erhält die Gesundheit der Erwerbstätigen eine immer größere Bedeutung. Zur landesweiten Koordination sinnvoller Maßnahmen hat das Sozialministerium im Februar 2012 eine Strategiegruppe mit kompetenten Experten gebildet. Wichtigstes Ergebnis ist die Verabschiedung von 11 Leitsätzen, die voraussichtlich im Jahr 2015 in ein Bündnis für „Arbeit und Gesundheit“ überführt werden sollen. Die Ergebnisse sollen insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) eine Hilfestellung dahingehend sein, ein bedarfsgerechtes Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) aufzubauen. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass die Unternehmen durch das BGM, wie bei anderen Investitionen auch, mit einem Gewinn rechnen können. 56 Inhaltliche Vorarbeiten erfolgen in einer Projektgruppe. Die effektive Koordination von betrieblichen Aufgaben insbesondere im (gesetzlichen) Arbeits- und Gesundheitsschutz und bei der betrieblichen Wiedereingliederung von länger erkrankten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie der betrieblichen Gesundheitsförderung durch ein BGM erbringt einen nicht zu unterschätzenden Wettbewerbs- und Kostenvorteil. Für eine stärkere Verbreitung des BGM in KMU wirbt das Sozialministerium zusammen mit den Sozialpartnern und Sozialversicherungsträgern seit einigen Jahren durch Veranstaltungen bei Kammern und Verbänden. In den nächsten Jahren sollen diese Veranstaltungen weiterhin unterstützt werden. In einer Pilotphase wird die Einrichtung von Kompetenzzentren in zwei Landkreisen unterstützt. Angestrebt wird eine Übernahme erfolgreicher Pilotprojekten in anderen Regionen sowie eine sich selbst tragende regionale Verstetigung und Vernetzung. 5. Zusammenarbeit mit anderen Stellen Grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Arbeitsschutz mit Frankreich Am 15.3.2013 wurde ein deutsch-französisches Forum zu den Auswirkungen von Unternehmensrestrukturierungen auf die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durchgeführt. Die Veranstaltung hat im Europaparlament in Straßburg stattgefunden. Teilnehmende waren Abgeordnete, Beschäftigte in der Gewerbeaufsicht, Vertretungen der Sozialpartner, Betriebsrätinnen und -räte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsärztinnen und -ärzte sowie Beschäftigte aus den Aufgabenbereichen der Insolvenzverwaltung, Wirtschaftsprüfung sowie aus Sozialversicherungen und Bildungseinrichtungen. Zu Restrukturierungen zählen Schließungen, Personalabbau, Outsourcing, Offshoring (Verlagerungen ins Ausland), Verlagerung in Subunternehmen, Fusionen, räumliche Veränderungen, unternehmensinterne Mobilität und Arbeitsmärkte. Die Auswirkungen von Restrukturierungen (z.B. psychosoziale Belastungen) sowie bestpractice-Beispiele wurden vorgestellt und diskutiert. Grundlagen dafür waren Gestaltungsempfehlungen aus dem HIRES-Projekt (Health in Restructuring) der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Im Fokus der Veranstaltung standen Möglichkeiten früher Prävention, z.B. durch rechtzeitige und adäquate Kommunikation, Entwicklung frühzeitiger strategischer Ansätze (auf der Beschäftigtenseite: nachhaltiger Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und auf Unternehmensebene: Vermeidung von kurzfristigem Krisenmanagement). Am 27.11.2014 findet ein deutsch-französisches Forum zum Schutz der Beschäftigten auf Baustellen unter dem Titel „Chaos auf der Baustelle: muss das sein“ in Straßburg statt. Hier geht es hauptsächlich um die gute Organisation der Sicherheit und des Schutzes der Gesundheit der Beschäftigten bei Neu- und Umbaumaßnahmen in Deutschland und Frankreich. Die Reihe der deutsch-französischen Zusammenarbeit im Arbeitsschutz soll auch 2015 fortgeführt werden. 57 6. Arbeitsrecht – Führung eines Elektronischen Tarifregisters Tarifverträge regeln die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthalten Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können. Die Tarifvertragsparteien sind verpflichtet, neben dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales auch den obersten Arbeitsbehörden der Länder Abschriften der Tarifverträge bzw. von Änderungen zu übersenden und auch das Außerkrafttreten von Tarifverträgen mitzuteilen. Die tarifvertraglichen Regelungen wurden bis Mitte des Jahres 2013 in einem Register in Papierform erfasst. Seit Herbst 2013 werden sämtliche schriftlich übersandten Tarifverträge zeitnah digitalisiert und zusammen mit den elektronisch übersandten Verträgen berechtigten Kreisen auf der Basis eines Internet/Intranet-Auftritts für Recherchen zur Verfügung gestellt. Zugriffsmöglichkeiten bestehen derzeit für die Unfallversicherungsträger, Arbeits- und Arbeitsschutzverwaltung, Regionaldirektion der Agentur für Arbeit, die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende sowie seit kurzer Zeit auch für die Sozialgerichtsbarkeit in Baden-Württemberg. Kooperationspartner ist das Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg, welches für Hosting und Betrieb der Homepage auf Web Genesis Basis verantwortlich zeichnet. Das Elektronische Tarifregister in Baden-Württemberg soll bis zur Einrichtung eines solchen Registers auf Bundesebene, voraussichtlich im Jahr 2017, weitergeführt werden. 58 IX. Sozialversicherung 1. Gesetzliche Krankenversicherung und ambulante ärztliche Versorgung 1.1 Krankenkassen in Baden-Württemberg Das Sozialministerium ist Rechtsaufsichtsbehörde für die Allgemeine Ortskrankenkasse Baden-Württemberg, den Landesverband der Betriebskrankenkassen Süd sowie für acht landesunmittelbare Betriebskrankenkassen. Als Aufsichtsbehörde ist das Ministerium auf eine Rechtsaufsicht beschränkt und darf nicht fachaufsichtlich Umfang und Zweckmäßigkeit von Maßnahmen zum Gegenstand ihrer aufsichtsrechtlichen Überwachungstätigkeit machen. Die Aufsichtsbehörde hat darüber zu wachen, dass die Krankenkasse die Gesetze und sonstiges für sie maßgebendes Recht beachtet. Dazu gehört auch die Beachtung einer gesicherten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Andererseits muss die Aufsichtsbehörde dem Selbstverwaltungsrecht der Krankenkassen als Träger mittelbarer Staatsgewalt Rechnung tragen. Dabei ist zu beachten, dass der eigenverantwortliche Vollzug einer detaillierten Sozialgesetzgebung zum wesentlichen Kompetenzbereich der selbstverwaltenden Krankenkassen gehört. Am 1.10.2014 gehörten den der Aufsicht des Landes unterstehenden Krankenkassen ca. 3 Mio. Mitglieder bzw. ca. 4 Mio. Versicherte an. Sehr wahrscheinlich wird sich die Vermögenssituation der landesunmittelbaren Krankenkassen zum Ende des Jahres 2014 – wie auch in den vergangenen Jahren – weiterhin gut darstellen. Auch bundesweit ist die finanzielle Situation der Krankenkassen und des Gesundheitsfonds derzeit relativ entspannt. Die finanzielle Situation und die Mitglieder- bzw. Versichertenentwicklung der Krankenkassen wird künftig auch durch die Regelungen des am 21. Juli 2014 in Kraft getretenen Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz – GKV-FQWG) geprägt werden. Durch dieses Gesetz wird zum 1. Januar 2015 der allgemeine Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung, der paritätisch finanziert wird, von 15,5 Prozent auf 14,6 Prozent abgesenkt. Der bisherige mitgliederbezogene Beitragssatzanteil von 0,9 Prozentpunkten entfällt. Stattdessen können die Krankenkassen künftig einkommensabhängig Zusatzbeiträge erheben. Dadurch wird die Beitragsautonomie der einzelnen Krankenkassen gestärkt. 1.2 Kassenärztliche und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen Neben den Krankenkassen führt das Sozialministerium die Rechtsaufsicht über die Kassenärztliche Vereinigung (KVBW) und die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV BW) Baden-Württemberg. 59 KVBW und KZV BW sind Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Pflichtmitgliedschaft. Einerseits nehmen sie Rechte und Interessen der Vertragsärztinnen und -ärzte/Vertragszahnärztinnen und -ärzte gegenüber den Krankenkassen wahr. Andererseits obliegen ihnen gesetzliche Gewährleistungs- und Sicherstellungsaufgaben für die vertragsärztliche Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Für das Jahr 2012 wurden folgende Honorarbeträge abgerechnet: Abgerechnete Gesamtvergütung Ärztinnen/Ärzte Zahnärztinnen/-ärzte Ärztinnen/Ärzte und Zahnärztinnen/-ärzte insgesamt in Mio. Euro 3.888 1.552 5.40 Eine weitere, für die allgemeine Daseinsvorsorge wichtige Aufgabe der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen ist die Mitwirkung an der Bedarfsplanung. Nach den Bedarfsplanungsrichtlinien, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss bundesweit verbindlich vorgegeben werden, spricht man bei der vertragsärztlichen Versorgung von einer Unterversorgung, wenn der ausgewiesene bedarfsgerechte Versorgungsgrad (100 v.H.) bei der allgemein-/hausärztlichen Versorgung um mehr als 25 v.H. und bei der fachärztlichen Versorgung um mehr als 50 v.H. unterschritten wird und die Kassenärztliche Vereinigung feststellt, dass im betroffenen Planungsbereich tatsächlich eine Unterversorgung vorliegt. Da sich die bisherige Bedarfsplanung als unzureichend erwiesen hat, wurden die gesetzlichen Grundlagen reformiert. Insbesondere bei der hausärztlichen Versorgung wurden kleinräumige Planungsbereiche (sog. Mittelbereiche) eingerichtet. Darüber hinaus wurden Beteiligungsrechte der Länder gestärkt und Abweichungsmöglichkeiten von den Bedarfsplanungsrichtlinien geschaffen. 1.3 Ärztliche Versorgung im Ländlichen Raum – Förderprogramm „Landärzte“ Baden-Württemberg nimmt in Bezug auf die vertragsärztliche Versorgung eine Spitzenposition im Ländervergleich ein. Eine Unterversorgung anhand der aktuellen Planungskriterien ist in Baden-Württemberg nicht gegeben. Auf lokaler Ebene, insbesondere im ländlichen Raum, kann es aber – aus unterschiedlichen Gründen – zu Versorgungsengpässen kommen. Das in diesem Zusammenhang aufgelegte Förderprogramm setzt mit verschiedenen Bausteinen an den Ursachen des so genannten „Ärztemangels“ an, um Versorgungsengpässe zu vermeiden. Das Programm ist mit insgesamt 7,07 Mio. Euro ausgestattet, wobei im Geschäftsbereich des Sozialministeriums 6,57 Mio. Euro bewirtschaftet werden. Mit den einzelnen Bausteinen werden folgende Bereiche gefördert: 60 die ärztliche Versorgung in unterversorgten ländlichen Räumen (Niederlassungsförderung), in Modellprojekten die ärztliche Versorgung von Patientinnen und Patienten in Heimen, der Einsatz von Telemonitoring zur qualitativen Verbesserung und Unterstützung der sektorenübergreifenden Versorgung im ländlichen Raum sowie zur Überbrückung von Distanzen, die Aus- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten im Bereich der Allgemeinmedizin und sektorenübergreifende Bedarfsplanungsstrukturen einschließlich ihrer Umsetzung in den Stadt- und Landkreisen (Sektorenübergreifender Landesbeirat und regionale Gesundheitskonferenzen). Der zum 2. Halbjahr 2012 überarbeitete Förderbaustein Landärzte (Niederlassungsförderung) zielt auf die Verbesserung der ambulanten hausärztlichen Versorgung in vom Ministerium ausgewiesenen Fördergebieten im ländlichen Raum ab, in denen es heute schon Versorgungsengpässe gibt bzw. perspektivisch geben kann. Damit soll eine gute ärztliche Grundversorgung in den ländlichen Regionen für die künftigen Jahre gesichert werden. Das Förderprogramm ist mit insgesamt 2,12 Mio. Euro ausgestattet (2,0 Mio. Euro originäre Haushaltsmittel und 0,12 Mio. Euro ZO III-Mittel). Das Land hat im Jahr 2011 als erstes Bundesland einen sektorenübergreifenden Landesbeirat eingeführt. Dieser ist Teil des im Aufbau befindlichen umfassenden Gesundheitsdialogs, der der Vernetzung aller im Gesundheitswesen Beteiligten dienen soll. Ziel ist es, im Dialog u.a. von Leistungserbringern, Kostenträgern, Patientenvertretungen und ggf. weiteren Beteiligten eine gute medizinische Versorgung sicherzustellen. Insbesondere soll sich der Landesbeirat mit den Fragen der Sicherstellung einer flächendeckenden und bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung durch Vertragsärztinnen und -ärzte sowie Krankenhäuser in seiner Rolle als beratendes Gremium beschäftigen. 61 2. Gesetzliche Unfallversicherung Das Sozialministerium hat die Aufsicht über die Unfallkasse Baden Württemberg. Sie ist die Unfallversicherung für die Beschäftigten in den Unternehmen (Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen) des Landes, Angehörige der Hilfeleistungsunternehmen, Kinder in Tageseinrichtungen von Trägern der freien Jugendhilfe und in anderen privaten als gemeinnützig anerkannten Tageseinrichtungen, Schülerinnen und Schüler an privaten allgemein- und berufsbildenden Schulen und Studierende an staatlichen und privaten Hochschulen. Die Unfallkasse hat im Landesbereich im Jahr 2013 für die Entschädigungsleistungen (Aufwendungen für Heilbehandlung, Verletztengeld, Renten) von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten rd. 31,6 Mio. Euro aufgewendet. Auf die Schülerunfallversicherung entfielen davon rd. 12,1 Mio. Euro. Tabelle: Gesetzliche Unfallversicherung im Jahr 2013 – landesunmittelbarer Unfallversicherungsträger Versicherungsträger Haushaltsvolumen Mio. Euro rd. Unfallkasse Baden-Württemberg 157,0 Entschädigungsleistungen und Unfallverhütung Mio. Euro rd. 142,8 3. Gesetzliche Rentenversicherung 3.1 Zukunftssichere Renten Unfälle und Berufskrankheiten davon Schülerunfälle 228.768 180.085 Das Sozialministerium beteiligt sich an der Schaffung der Rahmenbedingungen für eine solide Alterssicherung der Bürgerinnen und Bürger. Ziel ist es, die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung zu erhalten und fortzuentwickeln. Dank der guten Konjunktur und gestiegener Beitragseinnahmen hat sich die Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherung in den vergangenen Jahren positiv entwickelt. Diese Entwicklung hält weiterhin an. Nach aktuellen Berechnungen wird für 2015 eine weitere Absenkung des Rentenbeitrags von 18,9 Prozent auf 18,7 Prozent erfolgen. Daneben kam es im Rentenrecht zum 01.07.2014 zu Verbesserungen für die Menschen, die über mehrere Jahrzehnte ihren Beruf ausgeübt haben sowie für Mütter bzw. Väter, die Kinder erzogen haben. Seit diesem Zeitpunkt gibt es die Rente ab 63, die sogenannte Mütterrente, eine verbesserte Erwerbsminderungsrente und eine Er62 höhung des Reha-Budgets. Darüber hinaus wurde auf Bundesebene eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die Vorschläge entwickeln soll, wie Arbeit und Rente besser als bisher kombiniert werden können. Dabei soll das flexiblere Arbeiten sowohl bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze als auch danach Inhalt sein. 3.2 Umfassende Wissensvermittlung in Baden-Württemberg, um zusätzliche Altersvorsorge für alle zu erreichen Der Rückgang des Rentenniveaus macht es erforderlich, zusätzliche Altersvorsorge zu betreiben, um den Lebensstandard des Erwerbslebens auch im Alter beibehalten zu können. Das hierfür notwendige Vorsorgewissen erhalten die Menschen in BadenWürttemberg landesweit in „Servicezentren für Altersvorsorge“, die an die Regionalzentren der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg angegliedert sind. Dieses umfassende, individuelle und neutrale Informationsangebot geht auf eine Handlungsempfehlung eines Landesbeirats unter der Federführung des Sozialministeriums zurück, dessen Name „PROSA – Pro Sicherheit im Alter“ mittlerweile zu einem Markenzeichen geworden ist. Damit bereits junge Leute für das Thema Altersvorsorge sensibilisiert werden, fand darüber hinaus im Rahmen der Messe Invest 2014 erstmals ein Jugend-Altersvorsorgekongress mit über 400 Teilnehmenden statt. Diese Aktivitäten verdeutlichen, dass Baden-Württemberg auf dem Gebiet der Wissensvermittlung zur Altersvorsorge eine Vorreiterrolle in Deutschland einnimmt. 3.3 Rentenversicherung in Zahlen Das Sozialministerium führt die Rechtsaufsicht über die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg, deren Etat der zweitgrößte Etat nach dem Landeshaushalt ist (Haushaltsansatz 2015: 17,4 Mrd. Euro; Haushaltsvolumen 2013: 14,5 Mrd. Euro). Weitere Kennzahlen aus dem Jahr 2013, wie beispielsweise die Zahl der Versicherten von über 3,7 Millionen sowie die Zahl der Renten von knapp 1,5 Mio. unterstreichen die große Bedeutung dieses Versicherungsträgers. 4. Berufliche Bildung in der Sozialversicherung Das Sozialministerium ist Zuständige Stelle für die Berufliche Bildung bei den der Aufsicht des Landes unterstehenden Krankenkassen und der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg. Zentraler Ausbildungsgang ist der Beruf der/des Sozialversicherungsfachangestellten (SoFa). Die Ausbildungszahlen sind – abgesehen von den üblichen Schwankungen – im letzten Jahrzehnt insgesamt stabil geblieben. In der Fachrichtung allgemeine Krankenversicherung sind ca. 2/3 der Auszubildenden Abiturientinnen und Abiturienten mit einer auf zwei Jahre verkürzten Ausbildungszeit und ohne Berufsschulpflicht. Die Deutsche Rentenversicherung BadenWürttemberg bildet ihre Auszubildenden in der regulären 3-jährigen Ausbildungszeit aus. 63 Aufgabe der Zuständigen Stelle ist auch die Organisation und Durchführung der Ausbildereignungsprüfung, die ein Mal pro Jahr stattfindet. 5. Das Prüfwesen in der Sozialversicherung 5.1 Prüfungsauftrag und -inhalt Das Prüfungsamt für die Sozialversicherung prüft als unabhängige Einrichtung die in seinem Zuständigkeitsbereich liegenden landesunmittelbaren Sozialversicherungsträger und sonstigen Organisationen der Sozialversicherung. Dabei handelt es sich zum einen um die ausschließlich aus Landesmitteln finanzierte Aufsichtsprüfung nach § 88 Absatz 1 SGB IV, die sich auf den Bereich der gesamten Sozialversicherung erstreckt. Weiter gibt es für die Gesetzliche Krankenversicherung, die Pflegekassen, die Kassenärztliche und die Kassenzahnärztliche Vereinigung und weitere Institutionen die Beratungsprüfung nach § 274 SGB V und § 46 Absatz 6 SGB XI, die im gesetzlich vorgeschriebenen 5-Jahresturnus durchgeführt wird und für die eine Prüfungsumlage erhoben wird bzw. eine Kostenerstattungspflicht besteht. Allein die fünf größten der zu prüfenden Einrichtungen verfügen über ein Haushaltsvolumen von rund 30 Milliarden Euro. 5.2 Neue Anforderungen an das Prüfungswesen Gesundheitsfonds und weiterentwickelter Risikostrukturausgleich Das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) hat die Krankenkassenfinanzierung nachhaltig verändert. Im Prüfungswesen sind hierzu angepasste Prüfansätze und -kriterien zu entwickeln und in die Praxis umzusetzen. Pilot- und Orientierungsprüfungen haben stattgefunden. Infolge der Struktur des Gesundheitsfonds und der Komplexität des Morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs der Gesetzlichen Krankenversicherung ist dabei auch eine enge Kooperation und Abstimmung unter den Prüfdiensten des Bundes und der Länder erforderlich. Insolvenzordnung Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) hat ab 1.1.2010 alle gesetzlichen Krankenkassen in den Anwendungsbereich der Insolvenzordnung einbezogen. Das vom Prüfungsamt bei den Kassen durchzuführende Finanzcontrolling schließt die Betriebsmittel und Rücklagen, die Forderungen und Verbindlichkeiten, die Auswirkungen des Risikostrukturausgleichs auf die Krankenkassen sowie gegebenenfalls die Gesamtverschuldung und den Entschuldungsplan in die Bewertung ein. Arbeitsgemeinschaften und Outsourcing körperschaftlicher Aufgaben Das Gesetz zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften vom 24.7.2010 hat den Prüfungsauftrag des § 274 SGB V um die Arbeitsgemeinschaften der Krankenkassen erweitert. Damit sind auch Institutionen prüffähig ge64 worden, die sich in der Praxis herausgebildet haben und zuvor den Prüfdiensten nicht zugänglich waren. 5.3 Kosten des Prüfungswesens Die Kosten des Prüfungswesens beliefen sich 2010 auf rund 1,6 Mio. Euro. Die erstattungspflichtigen Institutionen trugen hiervon circa 1,23 Mio. Euro, der Anteil des Landes belief sich auf rund 0,37 Mio. Euro. 65 X. Soziales Entschädigungsrecht Grundgedanke des Sozialen Entschädigungsrechts (SER) ist es, für diejenigen eine angemessene wirtschaftliche Versorgung sicher zu stellen, die einen Gesundheitsschaden erleiden, für dessen Folgen die staatliche Gemeinschaft in Abgeltung eines besonderen Opfers oder aus anderen Gründen einsteht. Den Kernbereich des SER bildet das Bundesversorgungsgesetz, in dem neben dem berechtigten Personenkreis der Kriegsopfer und ihrer Hinterbliebenen auch alle in Betracht kommenden Leistungen festgelegt sind. Diese teilen sich auf in die Leistungen der Kriegsopferversorgung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, und Leistungen der Kriegsopferfürsorge im Sinne von ergänzenden Leistungen (z.B. Hilfen in besonderen Lebenslagen). Die sogenannten Nebengesetze zum SER (u.a. Opferentschädigungsgesetz, Infektionsschutzgesetz, Soldatenversorgungsgesetz) regeln dagegen nur den berechtigten Personenkreis, die Leistungen werden in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes gewährt. Die wesentlichen länderfinanzierten Gesetze im SER sind das Opferentschädigungsgesetz und das Infektionsschutzgesetz. Das Land wird die von der amtierenden Bundesregierung beabsichtigte Reform des SER konstruktiv begleiten. Über die Entwicklung der Fallzahlen im SER gibt der Jahresbericht der Abteilung 10 des Regierungspräsidiums Stuttgart detaillierte Auskunft. Er kann im Internet abgerufen werden: http://www.rp-stuttgart.de/servlet/PB/show/1339978/rps-abt10-bericht13.pdf 66 XI. Teilhabe von Menschen mit Behinderungen 1. Inklusion, Landesbehindertengleichstellungsgesetz 1.1 Inklusion Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist ein Schwerpunktthema der Sozialpolitik des Landes. Die tatsächliche, selbstverständliche, gleichberechtigte Teilhabe sowie eine umfassend inklusive Gesellschaft werden mit wegweisenden Projekten, innovativen Ideen und Forschungsvorhaben vorangebracht. Mit der Erstellung eines Aktionsplans der Landesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sollen die zuständigen gesellschaftlichen Akteure zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention angehalten und Schritt für Schritt bestehende Barrieren beseitigt werden. Dabei sollen die Ergebnisse des vom Beauftragten der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen durchgeführten Beteiligungsprozesses im Landesbehindertenbeirat und in vier Regionalkonferenzen, an denen sich vorwiegend Menschen mit Behinderungen beteiligt haben, einbezogen werden. 1.2 Landesbehindertengleichstellungsgesetz Mit der auf den parlamentarischen Weg gebrachten Neufassung des Landesbehindertengleichstellungsgesetzes soll insbesondere durch die Einführung einer Verpflichtung zur Bestellung von kommunalen Behindertenbeauftragten die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Baden-Württemberg befördert werden. Mit der Einbeziehung der Kommunen in den Geltungsbereich des Gesetzes sollen Menschen mit Behinderungen mehr Rechte erhalten. Darüber hinaus sieht das Gesetz eine Verbesserung der Barrierefreiheit, eine effektivere Rechtsdurchsetzung durch eine Beweislastumkehr und eine Erweiterung der Möglichkeit des Verbandsklagerechts vor. 2. Konversion, Förderung von Behinderteneinrichtungen Menschen mit Behinderungen soll nach dem Inklusionsgedanken der UN-Behindertenrechtskonvention ein selbstbestimmtes Leben im örtlichen Gemeinwesen ermöglicht werden. Das Land wird daher den Dezentralisierungsprozess in der Behindertenhilfe weiter unterstützend begleiten und dazu beizutragen, dass Menschen mit Behinderungen mehr Möglichkeiten bei der Auswahl von Wohn- und Beschäftigungsangebote haben. Die 2013 neu erlassene Verwaltungsvorschrift des Sozialministeriums zur Investitionsförderung von Behinderteneinrichtungen soll bis Anfang 2015 dahingehend evaluiert werden, ob der Ausbau neuer, gemeindeintegrierter inklusiver Wohn- und Beschäftigungsangebote vorangebracht wurde. 67 3. Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung sieht die Entlastung der Kommunen bereits vor der Verabschiedung eines Bundesteilhabegesetzes für Menschen mit Behinderungen vor, und zwar in Höhe von 1 Mrd. Euro pro Jahr. In einem zweiten Schritt ist die Erarbeitung und Verabschiedung eines Bundesteilhabegesetzes für Menschen mit Behinderungen vorgesehen, mit dem die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen aus dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch herausgelöst und zu einem modernen Teilhaberecht weiterentwickelt werden soll. Dabei soll auch die Einführung eines Bundesteilhabegeldes geprüft werden. Mit der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes sollen die Kommunen im Umfang von weiteren 4 Mrd. Euro jährlich entlastet werden (Gesamtumfang der Entlastung durch den Bund = 5 Mrd. Euro jährlich). Des Weiteren wurde im Koalitionsvertrag vereinbart, dass die Reform der Eingliederungshilfe so geregelt werden soll, dass keine neue Ausgabendynamik entsteht. Wann und in welcher Form ein Bundesteilhabegesetz beschlossen wird, ist jedoch noch offen. Das Sozialministerium wird das anstehende Gesetzgebungsverfahren aktiv begleiten. 4. Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder, Familienentlastende Dienste 4.1 Frühförderung Mit der Erhaltung und dem Ausbau eines flächendeckenden Systems regionaler Frühfördereinrichtungen in Baden-Württemberg trägt die Landesregierung dazu bei, dass jedes förderbedürftige Kind die erforderlichen Hilfen erhalten kann. In den Jahren 2013 und 2014 wurden Interdisziplinäre Frühförderstellen auf Grundlage der „Fördergrundsätze des Ministeriums für Arbeit und Soziales für Zuwendungen zu Interdisziplinären Frühförderstellen“ mit jeweils 1,8 Mio. Euro gefördert. Am 1. Juli 2014 trat die Landesrahmenvereinbarung zur Umsetzung der Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder (Frühförderungsverordnung- FrühV) in Kraft. Im Zuge des Abschlusses der Landesrahmenvereinbarung werden die Fördergrundsätze des Sozialministeriums für die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung Interdisziplinärer Frühförderstellen angepasst. Die Höhe des Zuschusses richtet sich dabei nach dem Grad der interdisziplinären Besetzung und der Größe des Einzugsbereichs. 4.2 Familienentlastende Dienste Die Betreuung von Menschen mit Behinderungen ist mit erheblichen psychischen und physischen Belastungen verbunden und übersteigt in vielen Fällen die Selbsthilfekräfte von Familien bzw. des sozialen Umfelds. Durch die verlässliche Unterstützung der Familienentlastenden Dienste (FED) erhalten Menschen mit Behinderungen die Chance, integriert in ihrer Familie und ihrem sozialen Umfeld zu leben; Heimunterbringungen können dadurch in vielen Fällen vermieden oder zumindest aufgeschoben werden. Die Förderung der FED entspricht daher in besonderer Weise dem Inklusionsgedanken der 68 UN-Behindertenrechtskonvention. Die FED tragen auch dazu bei, die hohen Kosten der stationären Eingliederungshilfe zu reduzieren. 2014 standen dafür 2,4 Mio. Euro zur Verfügung. 5. Schwerbehindertenrecht (SGB IX) Die Umsetzung der Regelungen des Schwerbehindertenrechts obliegt in Baden-Württemberg der Versorgungsverwaltung (beim Regierungspräsidium Stuttgart und bei den Landratsämtern) sowie dem Integrationsamt beim Kommunalverband für Jugend und Soziales. Hauptaufgabe der Versorgungsverwaltung ist hierbei die Feststellung des Vorliegens einer Behinderung und des daraus resultierenden Grades der Behinderung sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen (sogenannte Merkzeichen). Zum 31. Dezember 2013 waren in Baden-Württemberg 1.121.723 schwerbehinderte Menschen (Grad der Behinderung – GdB – von mindestens 50) registriert. Die Entwicklung der Fallzahlen im Bereich des Feststellungsverfahrens nach dem SGB IX, die genaue Zahl der schwerbehinderten Menschen, gestuft nach dem Grad der Behinderung, sowie die Zahl der ausgegebenen Wertmarken für eine unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr stellt der Jahresbericht der Abteilung 10 des Regierungspräsidiums Stuttgart detailliert dar. Er kann im Internet abgerufen werden: http://www.rp-stuttgart.de/servlet/PB/show/1339978/rps-abt10-bericht13.pdf. Das Regierungspräsidium Stuttgart erstattet den Verkehrsunternehmen die ihnen durch die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen und ggf. erforderlicher Begleitpersonen entstehenden Fahrgeldausfälle. Im Jahr 2013 wurden rund 37,7 Mio. Euro an Erstattungen an die Verkehrsunternehmen ausbezahlt. Hauptaufgaben des Integrationsamtes sind die Erhebung und Verwendung der Ausgleichsabgabe, die von Arbeitgebern zu entrichten ist, die die Pflichtbeschäftigungsquote von 5 v.H. nicht erfüllen, Umsetzung des Kündigungsschutzes für schwerbehinderte Menschen, Organisation und Finanzierung begleitender Hilfe für schwerbehinderte Menschen im Arbeits- und Berufsleben, Durchführung von Aufklärungs-, Schulungs- und Bildungsmaßnahmen für Vertrauenspersonen, Beauftragte der Arbeitgeber, Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialrätinnen und -räte. 69 XII. Grundsicherung, Sozialhilfe und Wohlfahrt 1. Grundsicherung für Arbeitsuchende – Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) Die Sicherung des Lebensunterhalts für erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Alter von 15 bis 65 (bzw. ggf. 67) Jahren und ihre Angehörigen nach dem SGB II erfolgt über das Arbeitslosengeld II (für die Arbeitsuchenden) und das Sozialgeld (für nicht erwerbsfähige Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft). Die Leistungen umfassen den pauschalierten monatlichen Regelbedarf, etwaige Mehrbedarfe sowie den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Mit Wirkung zum 1.1.2011 hat der Bundesgesetzgeber die Regelbedarfe nach dem SGB II (und dem SGB XII) neu bemessen, nachdem das Bundesverfassungsgericht die bisherige Berechnung mit Urteil vom 9.2.2010 für verfassungswidrig erachtet hatte. Zugleich wurden zum 1.1.2011 Leistungen zur Deckung von Bedarfen für Bildung und Teilhabe eingeführt. Zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt stehen den Leistungsberechtigten darüber hinaus sowohl kommunale Eingliederungsleistungen (wie Betreuungs- und Pflegeleistungen, Schuldner- und Suchtberatung) als auch arbeitsmarktpolitische Instrumente (wie Einstiegsgeld, Eingliederungszuschüsse oder Arbeitsgelegenheiten) zur Verfügung. Die SGB II-Leistungen werden von unterschiedlichen Trägern erbracht. Die 44 baden-württembergischen Stadt- und Landkreise sind als kommunale Träger für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung, Bildung und Teilhabe sowie für die kommunalen Eingliederungsleistungen zuständig. Die Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit erstreckt sich auf die sogenannten Regel- und Mehrbedarfe sowie auf die übrigen Eingliederungsleistungen. Aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und nach einer Grundgesetzänderung wurde die Zusammenarbeit in sogenannten gemeinsamen Einrichtungen ermöglicht und im SGB II mit Wirkung zum 1.1.2011 verankert. Die getrennte Aufgabenwahrnehmung ist seitdem nicht mehr vorgesehen. Gleichzeitig wurde eine weitere Organisationsform, die seit der „Hartz IV“-Reform im Jahr 2005 lediglich über eine Experimentierklausel zugelassen war, verstetigt und ausgebaut, nämlich die alleinige Aufgabenwahrnehmung durch Stadt- und Landkreise. Die ursprünglich als „Optionskommunen“ bezeichneten zugelassenen kommunalen Träger nehmen nicht nur die kommunalen Aufgaben wahr, sondern übernehmen gegen Kostenerstattung auch die Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit. Nach einem Auswahlverfahren gibt es seit dem 1.1.2012 in Baden- Württemberg daher nicht mehr fünf, sondern elf zugelassene kommunale Träger. Mit der Neuregelung der Organisationsformen konnte das von der Landesregierung gewünschte Ziel, die Rolle der Kommunen bei der Aufgabenwahrnehmung zu stärken und mehr dezentrale Verantwortung im System zu verankern, weitgehend erreicht werden. 70 Im Zuge der Organisationsreform war die Anpassung der landesrechtlichen Bestimmungen über die Aufsicht erforderlich: Mit dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 13.12.2011 wurde unter anderem klargestellt, dass das Sozialministerium als zuständige oberste Landesbehörde im Sinne des SGB II die Rechtsaufsicht über die kommunalen Träger führt. Die Kosten werden von den jeweiligen Trägern getragen, wobei sich der Bund über eine Bundesbeteiligung an den Leistungen für Unterkunft und Heizung beteiligt (2011 bis 2013 mit 34,4 %, ab 2014 mit 31,6 % jeweils zuzüglich einer weiteren Beteiligung von derzeit [bis 2015] 4,3 Prozentpunkten für die Leistungen für Bildung und Teilhabe). 2. Leistungen für Bildung und Teilhabe Nachdem das Bundesverfassungsgericht dem Bundesgesetzgeber mit Urteil vom 9.2.2010 unter anderem eine alters- und entwicklungsspezifische Festsetzung der Bedarfe zur Sicherung des physischen und soziokulturellen Existenzminimums aufgegeben hatte, wurden sowohl im SGB II als auch im SGB XII bzw. im Bundeskindergeldgesetz (BKGG) eigenständige bedarfserhöhende und bedürftigkeitsabhängige Ansprüche auf Leistungen für Bildung und Teilhabe verankert. Bedürftige Schülerinnen und Schüler bzw. Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres können danach zusätzliche Leistungen erhalten für Schul-/Kitaausflüge bzw. Klassen-/Kitafahrten, für den persönlichen Schulbedarf, für die Beförderung zur nächstgelegenen Schule, für eine ergänzende außerschulische Lernförderung, für Mehraufwendungen im Zusammenhang mit Schul-/Kitamittagessen sowie für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Die Erbringung der Leistungen für Bildung und Teilhabe, die überwiegend in der Form der Sach- bzw. Dienstleistung erfolgt, obliegt in Baden-Württemberg als weisungsfreie Pflichtaufgabe den Stadt- und Landkreisen, die mit dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 13.12.2011 auch als zuständige Stellen für die Erbringung von Bildungs- und Teilhabeleistungen nach dem BKGG bestimmt wurden. Sie unterliegen bei der Leistungserbringung der Rechtsaufsicht; oberste Rechtsaufsichtsbehörde ist das Sozialministerium. An den kommunalen Ausgaben für Bildung und Teilhabe beteiligt sich der Bund über eine Erhöhung der Beteiligungsquote an den Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe eines variablen Prozentpunktewertes; derzeit (bis 2015) beträgt dieser Wert für Baden-Württemberg 4,3 Prozentpunkte. 71 3. Sozialhilfe/Grundsicherung im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung - Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) Der Bund erstattet seit 2014 die kommunalen Nettoausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII vollständig. Die Erstattung wird im Jahre 2014 voraussichtlich über eine halbe Milliarde betragen. Im Jahre 2015 ist mit einer Erstattung von 570 Mrd. Euro, im Jahre 2016 mit einer Erstattung von über 610 Mrd. Euro zu rechnen. Da der Bund mehr als die Hälfte der Nettoausgaben trägt, ist nach dem Grundgesetz Bundesauftragsverwaltung eingetreten. Die Länder unterliegen damit in vollem Umfang den Weisungen des Bundes, die diese an die Kommunen weitergeben müssen. Die Bundesauftragsverwaltung und die Modalitäten der neuen Bundeserstattung wurden auf der Landesebene durch das Gesetz zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum SGB XII vom Juli 2014 umgesetzt. 4. Förderung von Maßnahmen für Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten (Gefährdetenhilfe) Als freiwillige Leistung beteiligt sich das Land an der Wohnungslosenhilfe, indem es den Erwerb, Bau, Umbau und die Sanierung von stationären, teilstationären und ambulanten Einrichtungen zu Rehabilitation von Wohnungslosen mit 40 v. H. der zuwendungsfähigen Investitionskosten fördert. Die Landesmittel für die Investitionsförderung konnten 2012 von zuvor 0,5 Mio. Euro vervierfacht und seit 2013 im Rahmen des Kommunalen Investitionsfonds mit rd. 1,7 Mio. Euro jährlich auf hohem Niveau gehalten werden. Mit der Landesförderung können wichtige Impulse zur Entwicklung regionaler und überregionaler Angebote für flächendeckende Hilfestrukturen im Land geschaffen werden. Als ein Schwerpunkt im Rahmen der Armuts- und Reichtumsberichterstattung soll die Situation wohnungsloser Menschen in Baden-Württemberg näher dargestellt werden. Ein in Auftrag gegebenes Untersuchungsvorhaben soll aufzeigen, an welchen Stellen des Systems der Wohnungslosenhilfe Verbesserungen bei der Vermeidung von Wohnungslosigkeit erreicht werden können. Zudem sind die landesweiten Planungen der Träger der Wohnungslosenhilfe mit den sich aus der Studie ergebenden Schlussfolgerungen in Einklang zu bringen. 5. Verbraucherinsolvenzverfahren / Schuldnerberatung Die Tätigkeit der rd. 130 kommunalen und frei gemeinnützigen Schuldnerberatungsstellen in Baden-Württemberg umfasst neben der klassischen Beratungsarbeit für überschuldete oder von Überschuldung bedrohte Menschen auch deren Unterstützung im außergerichtlichen Einigungsverfahren im Rahmen der Verbraucherinsolvenz. Seit Einführung des pfändungsfreien Kontos (P-Konto) unterstützen die Beratungsstellen von Pfändung betroffene Bürgerinnen und Bürger, in dem sie Bescheini- 72 gungen darüber ausstellen, in welchem Umfang die Einkünfte der Schuldnerinnen bzw. Schuldner von einer Pfändung im jeweiligen Einzelfall nicht erfasst werden. Das Tätigkeitsfeld der Schuldnerberatungsstellen hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich verbreitert und beinhaltet häufiger auch Maßnahmen zur Überschuldungsprävention oder zur Gewinnung und Anleitung von ehrenamtlich Tätigen. Die Schuldnerberatungsstellen, die im außergerichtlichen Verbraucherinsolvenzverfahren Vergleiche zwischen ihren Klientinnen und Klienten und den jeweiligen Gläubigern abschließen oder eine Bescheinigung über einen gescheiterten Einigungsversuch erteilen, erhalten hierfür eine Landesförderung. Die Förderung erfolgt in Form von differenzierten Fallpauschalen, die den Schuldnerberatungsstellen ihre diesbezüglich entstehenden Aufwendungen teilweise abgelten sollen. Die Entwicklung der Fallzahlen und Ausgaben im außergerichtlichen Verbraucherinsolvenzverfahren ergibt sich aus der nachfolgenden Tabelle: Haushaltsjahr 2009 2010 2011 2012 2013 6. Vergleiche 1.042 1.161 1.109 1.030 986 Bescheinigungen 3.282 3.805 3.772 3.673 3.803 Gesamt 4.324 4.966 4.881 4.703 4.789 Ausgaben 1,34 Mio.€ 1,50 Mio.€ 1,47 Mio.€ 1,54 Mio.€ 1,55 Mio. € Betreuungsvereine Die rechtliche Betreuung von Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen gewinnt stetig an Bedeutung. Die Grundlagen des Betreuungswesens sind im BGB geregelt. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die rechtliche Betreuung grundsätzlich ehrenamtlich erfolgen, eine berufliche Betreuung soll nur eingerichtet werden, wenn keine ehrenamtliche Betreuung zur Verfügung steht. Für das Betreuungsrecht ist in Baden-Württemberg das Justizministerium federführend zuständig, das Sozialministerium für die Richtlinien zur Förderung der Betreuungsvereine. Die Gewinnung, Unterstützung und Begleitung von Ehrenamtlichen obliegt maßgeblich den Betreuungsvereinen. Für die Wahrnehmung dieser Aufgabe werden sie vom Land gefördert. Die Landesförderung erfolgt durch den Kommunalverband für Jugend und Soziales als überörtliche Betreuungsbehörde auf Grundlage des Landesausführungsgesetzes zum Betreuungsgesetz (AG BtG) in Verbindung mit der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Arbeit und Soziales über die Förderung von Betreuungsvereinen vom 23.11.2010. Angesichts der demografischen Entwicklung wird in den kommenden Jahren mit einem weiteren Anstieg der Betreuungen gerechnet. Für die Zukunft gilt es daher, die Betreuungsvereine bei der Gewinnung, Begleitung und Fortbildung ehrenamtlicher Betreuerinnen und Betreuuer weiterhin zu unterstützen, insbesondere auch im Hinblick darauf, dass durch berufliche Betreuung der öffentlichen Hand erheblich höhere Kosten entstehen. 73 7. Armuts- und Reichtumsbericht Baden-Württemberg Der Landesregierung ist es ein wichtiges Anliegen, in Baden-Württemberg eine Armuts- und Reichtumsberichterstattung einzuführen. Der erste Armuts- und Reichtumsbericht mit einem besonderen Fokus auf dem Thema Kinderarmut und mit konkreten Handlungsempfehlungen für die Bekämpfung und Vermeidung von Kinderarmut soll im Jahr 2015 vorgelegt werden. Ergänzt wird der Bericht durch aktuelle Datenreports. Zuletzt hat Frau Ministerin Altpeter MdL am 4. Juni 2014 den Report zu „Einkommenslagen älterer Menschen“ vorgestellt. Weiterer Baustein des Konzepts ist die Förderung oder wissenschaftliche Begleitung von Projekten zur Armutsprävention oder Armutsbekämpfung. Diese werden im Bericht dokumentiert. Dies gilt auch für die „Untersuchung zu Umfang und Struktur von Wohnungslosigkeit und zu den Hilfen für Menschen in Wohnungsnotlagen in BadenWürttemberg“. Der Bericht entsteht in Zusammenarbeit mit dem von Frau Ministerin berufenen „Landesbeirat für Armutsbekämpfung und Prävention“. Ihm gehören an die Liga der Freien Wohlfahrtspflege, Landesarmutskonferenz, Landesfamilienrat, Kinderschutzbund, KVJS, Landesfrauenrat, Landesseniorenrat, Städtetag, Landkreistag, Gemeindetag, Deutscher Gewerkschaftsbund, Landesvereinigung der baden-württembergischen Arbeitgeberverbände, das Statistische Landesamt, die im Landtag vertretenen Fraktionen und die berührten Ministerien. Auf Fachkonferenzen können sich viele Menschen in den Prozess der Armuts- und Reichtumsberichterstattung einbringen. Bisher fanden die Konferenz „Wege aus der Kinderarmut“ am 9. Dezember 2013 und die Konferenz „Armut aus Sicht der Praxis und der Betroffenen“ am 9. Oktober 2014 statt. Auf einer weiteren Konferenz im Jahr 2015 soll der fertige Bericht der Öffentlichkeit vorgestellt werden. 74 XIII. Zukunftsplan Gesundheit 1. Zukunftsplan Gesundheit – Gesundheitsdialog BadenWürttemberg Der demografische Wandel, die alternde Gesellschaft, der medizinische Fortschritt und der sich abzeichnende Mangel an medizinischen Fachkräften stellen neue Herausforderungen an das Gesundheitssystem in Baden-Württemberg und machen einen grundlegenden Wandlungsprozess notwendig. Auch für die Zukunft muss eine flächendeckende, bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige gesundheitliche und medizinische Versorgung für alle Bürgerinnen und Bürger sichergestellt werden. Dies wird nur gelingen, wenn alle Beteiligten (Kostenträger, Leistungserbringer, Patientinnen/Patienten, Bürgerinnen/Bürger) in diesen Prozess der Neuausrichtung einbezogen werden. Baden-Württemberg soll eine Vorreiterrolle in der Entwicklung medizinischer Versorgungsstrukturen einnehmen. Der Zukunftsplan Gesundheit bündelt die Aktivitäten der Landesregierung zur Weiterentwicklung des Gesundheitswesens in Baden-Württemberg. Mit Ministerratsbeschluss vom 23.10.2012 wurde festgelegt, welche Schwerpunkte die Landesregierung bei der Weiterentwicklung des Gesundheitswesens setzt. Der Zukunftsplan Gesundheit umfasst verschiedene Ebenen, Strukturen und Elemente, die mittlerweile etabliert wurden: 75 Die erste Landesgesundheitskonferenz (LGK) im Oktober 2013 hatte den Auftrag ein Gesundheitsleitbild für Baden-Württemberg unter Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern zu entwickeln. Die Leitbildentwicklung ist im Rahmen eines Statussymposiums der LGK im Juli 2014 abgeschlossen worden. Die Umsetzung des Gesundheitsleitbilds wird von der LGK begleitet. Von besonderer Bedeutung für die erfolgreiche Umsetzung des Zukunftsplans Gesundheit im Rahmen von Gesundheitsdialogen vor Ort ist die Etablierung von Kommunalen Gesundheitskonferenzen. In den Land- und Stadtkreisen bilden die Kommunalen Gesundheitskonferenzen eine wichtige Plattform für die Vernetzung und Koordinierung aller Aktivitäten zum Thema gesundheitliche Versorgung und für den Dialog mit der Bürgerschaft. Sie fördern – unter Einbeziehung aller relevanten Partner vor Ort – die Vernetzung und eine gute und nachhaltige Zusammenarbeit auf lokaler Ebene. Sie bilden zudem die Plattform für Kreisstrukturgespräche, in denen sektorenübergreifend die Bereitstellung medizinischer Leistungen beraten, vernetzt und gesteuert wird. Mit Gesundheitsdialogen werden Fachleute, Bürgerinnen und Bürger, Patientinnen und Patienten in je nach Thema unterschiedlicher Zusammensetzung in Fach- und Bürgerdialogen zur Weiterentwicklung des baden-württembergischen Gesundheitswesens im Rahmen des Gesundheitsleitbildes beteiligt. Im Rahmen des Förderprogramms „Landärzte“ wurde die Etablierung von Kommunalen Gesundheitskonferenzen in 34 Land- und Stadtkreisen mit einer Anschubfinanzierung gefördert. Die Möglichkeiten der Beteiligung bei Gesundheitsthemen auf Ebene der Land- und Stadtkreise sowie der Städte und Gemeinden wurden im Rahmen von Pilotprojekten im Jahr 2013 erprobt. Dialoge fanden zu Gesundheitsthemen wie der Zukunft von Kreiskliniken, der Gesundheitstelematik, der Aktivierung schwer erreichbarer älterer Menschen, der Bewegungsförderung ab 50 und zur gesundheitsförderlichen Stadtplanung statt. Hierzu wurde eine „Handlungsempfehlung zur Bürgerbeteiligung bei Gesundheitsthemen“ erarbeitet, die zur weiteren Umsetzung des Zukunftsplans Gesundheit im Rahmen des Gesundheitsleitbilds Baden-Württemberg beitragen soll. Beide Publikationen sind Grundlage einer Ausschreibung zum Fachplan Gesundheit, die Umsetzung des Vorhabens erfolgt 2015 und 2016. Auf Landesebene wurden 2012 und 2013 Bürgerdialoge zur „Gesundheitsversorgung – heute und in Zukunft“ durchgeführt. Fachdialoge finden z.B. in den Fachgremien des Sozialministeriums, wie beispielsweise im Landesbeirat Onkologie, im Landesbeirat Schmerzversorgung oder im Landesbeirat Palliativversorgung jeweils unter Beteiligung von Patientenvertretungen statt. Gebündelt werden diese Aktivitäten in der Landesgesundheitskonferenz. Zur Patientenorientierung im Gesundheitswesen wurde zudem eine AG Patienten eingerichtet. 2. Gesundheitsatlas Die Verfügbarkeit von Gesundheitsinformationen (Gesundheitsberichterstattung) erhöht die Transparenz und ist eine Voraussetzung für die Entwicklung gesundheitsbe76 zogener Kompetenzen. Grundlage für die Mitgestaltung des Gesundheitssystems im Rahmen von Gesundheitsdialogen sind ausreichende, leicht abrufbare Informationen und Daten zur Gesundheit (z.B. zur Qualität der medizinischen Versorgung in den Landesqualitätsberichten Gesundheit Baden-Württemberg). Denn gesunde wie kranke Menschen benötigen qualitätsgesicherte, verständliche und leicht zugängliche Informationen. Diesem wichtigen Aspekt hat die Landesregierung mit dem zwischenzeitlich in einer zweiten Ausbaustufe erweiterten Gesundheitsatlas Baden-Württemberg mit einem eigenen Internetauftritt und inhaltlichen Erweiterungen Rechnung getragen. Landesweite und regionale Gesundheitsinformationen sollen als Grundlage von Bedarfsanalysen aufbereitet und öffentlich zugänglich gemacht werden. Die Daten zu gesundheitsrelevanten Themen wie beispielsweise medizinische Versorgung, Gesundheitszustand der Bevölkerung, Gesundheitsförderung und Prävention sind in Form von Tabellen, Karten und Berichten aufbereitet. Begleitend zum Aufbau des Gesundheitsdialogs Baden-Württemberg ist es weiterhin notwendig, die Gesundheitsberichterstattung, insbesondere den Gesundheitsatlas Baden-Württemberg (einschließlich der fachlichen Beratung für die Stadt- und Landkreise sowie die Städte und Gemeinden hierzu) weiterzuentwickeln. 3. Gesundheitsstrategie Baden-Württemberg – Gesundheit in allen Lebensbereichen Die wachsenden Herausforderungen für die Gesundheit der Bevölkerung erfordern einen langfristigen strategischen Ansatz. Mit der „Gesundheitsstrategie Baden-Württemberg – Gesundheit in allen Lebensbereichen“ wird, im Rahmen der Umsetzung des Zukunftsplans Gesundheit, eine gesundheitspolitische Gesamtpolitik skizziert, die es sich zum Ziel gesetzt hat, das Auftreten chronischer Krankheiten zu vermeiden und, wo dies nicht möglich ist, deren Auftreten in eine spätere Lebensphase zu verschieben. Hierzu setzt die „Gesundheitsstrategie Baden-Württemberg – Gesundheit in allen Lebensbereichen“ verstärkt auf Gesundheitsförderung und Prävention, die in Baden-Württemberg als gleichwertige Säule des Gesundheitswesens neben Behandlung, Rehabilitation und Pflege etabliert werden soll. Ziel ist es, die Gesundheit der Menschen in allen Lebensphasen und Lebenswelten zu fördern. Die Gestaltung gesundheitsförderlicher Lebenswelten ist dabei eine Querschnittsaufgabe, an der alle Politikbereiche zu beteiligen sind und bei der es auch darum geht, die gesundheitliche Chancengleichheit, insbesondere von sozial benachteiligten Menschen, zu erhöhen. Weitere Schwerpunkte der Strategie bilden die bessere Versorgung chronisch kranker Menschen und deren Befähigung zum besseren Umgang mit ihrer Erkrankung sowie die Stärkung der Patientenrechte und der Selbsthilfe. Für die langfristige Umsetzung dieses strategischen Ansatzes stellen die von einer Arbeitsgruppe erarbeiteten Gesundheitsziele für Baden-Württemberg wichtige Handlungsempfehlungen für die operative Ebene dar. 77 4. Gesund aufwachsen und leben in Baden-Württemberg Die Landesinitiative "Gesund aufwachsen und leben in Baden-Württemberg" unterstützt Städte und Gemeinden bei einer generationenfreundlichen und gesundheitsförderlichen Kommunalentwicklung. Bürgerbeteiligungsprozesse werden dabei in das Gesamtkonzept integriert. Städte und Gemeinden haben einen großen Einfluss auf die Lebensbedingungen von Kindern, Jugendlichen, Familien und älteren Menschen. Hier werden die Grundlagen für ein gesundes Aufwachsen und ein selbstbestimmtes Leben im Alter gelegt. Einrichtungen wie Kitas, Schulen, Freizeiteinrichtungen und Begegnungsstätten sowie das eigene Wohnumfeld haben großen Einfluss auf das Gesundheitsverhalten und das Wohlbefinden der gesamten Bevölkerung. Die Landesinitiative „Gesund aufwachsen und leben in Baden-Württemberg“ unterstützt deshalb im Rahmen des Zukunftsplans Gesundheit Städte und Gemeinden dabei, ein Gesamtkonzept für eine gesundheitsförderliche, generationenfreundliche und lebenswerte Kommune zu entwickeln. Über Gesundheitsdialoge werden dabei die Interessen aller Bevölkerungsgruppen mit einbezogen. Die Projektträgerschaft liegt beim Landesgesundheitsamt (LGA) Baden-Württemberg im Regierungspräsidium Stuttgart. Die aktuell 25 teilnehmenden Städte und Gemeinden werden z.B. durch prozessbegleitende Beratung oder die kostenfreie Qualifizierung von kommunalen Verwaltungskräften unterstützt. Die Robert Bosch Stiftung hat das Vorhaben mitinitiiert und gefördert. Künftig wird diese Landesinitiative mit dem landesweiten Vorhaben „Fachplanung Gesundheit“ verknüpft. Damit werden die Erfahrungen zu kommunaler Gesundheitsförderung mit Bürgerbeteiligung über die Kommunalen Gesundheitskonferenzen auf Ebene der Land- und Stadtkreise weiter verbreitet. 5. Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit und Zentrum für Bewegungsförderung am Landesgesundheitsamt – Struktur und Projekte in Prävention und Gesundheitsförderung Die Umsetzung der „Gesundheitsstrategie – Gesundheit in allen Lebensbereichen“ erfordert in der Praxis eine bedarfsgerechte, zielorientierte Planung, eine flächendeckende Verbreitung sowie die Qualitätssicherung von gesundheitsfördernden Maßnahmen. Hierfür ist das Referat Gesundheitsförderung, Prävention und Landesarzt für behinderte Menschen im LGA beim Regierungspräsidium Stuttgart der maßgebliche Partner und Fachbereich im öffentlichen Gesundheitsdienst. Dort erfolgt die Entwicklung und modellhafte Erprobung fachlicher Konzepte und Strategien, die Beratung, Fortbildung und Unterstützung des öffentlichen Gesundheitsdienstes und der weiteren Akteure auf Landes-, regionaler und kommunaler Ebene. Das Referat ist zusammen mit der angegliederten Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit und dem ebenfalls angeliederten Zentrum für Bewegungsförderung BadenWürttemberg Informations-, Koordinierungs- und Vernetzungsstelle und initiiert Modellvorhaben. 78 Die Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit, ein Drittmittelprojekt unter Beteiligung der Krankenkassen und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) mit Laufzeit bis Dezember 2015, ist Partner des bundesweiten Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit. Zielsetzung der Koordinierungsstelle in Baden-Württemberg ist die Verbesserung gesundheitlicher und sozialer Teilhabe älterer Menschen unabhängig von sozialer Lage, Herkunft, Bildung, Alter und Geschlecht. Aufgaben sind insbesondere die Identifizierung und Verbreitung guter Praxis zur Gesundheitsförderung, die interdisziplinäre und intersektorale Vernetzung zusammen mit Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer auf landesund kommunaler Ebene. Das Zentrum für Bewegungsförderung Baden-Württemberg (Landesförderung mit Laufzeit bis Dezember 2015) ist die landesweite Anlaufstelle zur Koordination und Kooperation bestehender Angebote und bereits tätiger Akteure im Bereich Bewegungsförderung mit älteren Menschen. Aufgaben sind Verstetigung des aufgebauten landesweiten Netzwerks, Weiterführung eines landesweiten Informationsdienstes gemeinsam mit der Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit, Erstellung von Handlungshilfen zur Förderung der Alltagsbewegung für Städte und Gemeinden und Weiterentwicklung von kommunalen Ansätzen zur Bewegungs- und Teilhabeförderung unter besonderer Berücksichtigung soziallagen- und migrationssensibler Aspekte und der Bedeutung von Stadtplanung für Bewegungsförderung. Um die Nachhaltigkeit und die strukturelle Verankerung zu sichern, sollten beide sozial- und gesundheitspolitisch bedeutsamen Aufgabenschwerpunkte auch über das Jahr 2015 hinaus weitergeführt werden. 79 XIV. Versorgung, Prävention und Gesundheitsförderung 1. Maßnahmen zur Versorgung krebskranker Menschen Baden-Württemberg verfügt mit insgesamt fünf Tumorzentren und vierzehn Onkologischen Schwerpunkten über ein leistungsfähiges und für alle Menschen gut zugängliches, flächendeckendes onkologisches Versorgungssystem. Für alle krebskranken Menschen besteht in allen Landesteilen eine adäquate Versorgung auf hohem Niveau. Für das Sozialministerium zählen die Weiterentwicklung der onkologischen Versorgungsstrukturen, die Qualitätssicherung, die Primärprävention sowie die psychosoziale Versorgung krebskranker Menschen zu den gesundheitspolitischen Schwerpunkten seiner Arbeit. Tumorzentren und Onkologische Schwerpunkte (OSP) Zur Qualitätssicherung wurde das seit dem Jahr 2000 bestehende Zertifizierungsverfahren für Tumorzentren und Onkologische Schwerpunkte weiterentwickelt und verbessert. Im Laufe der nächsten Jahre werden bei den Onkologischen Schwerpunkten und Zentren Rezertifizierungsverfahren anhand dieser neuen Zertifizierungskriterien durchgeführt. Dadurch kann auch künftig eine hohe Qualität gesichert werden. Selbsthilfegruppen nach Krebs Eine unverzichtbare Ergänzung der professionellen Hilfsdienste auf dem Gebiet der Nachsorge der Krebspatientinnen und -patienten stellen die nahezu 225 Erwachsenen-Selbsthilfegruppen nach Krebs und acht Förderkreise krebskranker Kinder dar. Das Sozialministerium unterstützt die Arbeit der Erwachsenen-Selbsthilfegruppen und der Förderkreise krebskranker Kinder finanziell mit jährlich insgesamt 103.800 Euro. Weiter werden für die vom Krebsverband Baden-Württemberg auf dem Gebiet der Prävention und Nachsorge geleistete Arbeit insgesamt jährlich 31.200 Euro bereitgestellt. Ambulante psychosoziale Krebsberatungsstellen Ambulante psychosoziale Krebsberatungsstellen haben als niederschwellige Anlaufstellen für Patientinnen und Patienten und Angehörige eine hohe Bedeutung. Es werden auf den jeweiligen Bedarf ausgerichtete psychosoziale Hilfen für im Zusammenhang mit der Krebserkrankung aufgetretene Probleme angeboten. Zur Sicherstellung und Etablierung eines flächendeckenden Netzes von qualitätsgesicherten ambulanten psychosozialen Krebsberatungsstellen mit dem Ziel der anschließende Übernahme in die Regelfinanzierung durch die Krankenkassen und Sozialversicherungsträger werden vom Sozialministerium als Anschubfinanzierung 2015 und 2016 jeweils 600.000 Euro bereitgestellt. Landeskrebsregister Das am 7. März 2006 in Kraft getretene Gesetz über die Krebsregistrierung in Baden-Württemberg (LKrebsRG) verknüpfte erstmalig in Deutschland klinische und epidemiologische Krebsregistrierung. Das Epidemiologische Krebsregister erfasst die in der Bevölkerung Baden-Württembergs auftretenden Krebserkrankungsfälle, die Klinische Landesregisterstelle trägt Daten zu in Baden-Württemberg durchgeführten Therapien von Krebserkrankungen und deren Verlauf zusammen. Die gesammelten Daten sollen die Krebsursachenforschung unterstützen sowie Aussagen über den Erfolg 80 von Krebsbehandlungen als Grundlage einer Qualitätssicherung in der Onkologie ermöglichen. Um die Entwicklung des Krebsgeschehens in der Bevölkerung kontinuierlich zu beobachten und Qualitätsverbesserungen in der Krebsbehandlung zu erreichen, ist eine möglichst vollzählige Erfassung aller Krebserkrankungen erforderlich. Durch das am 9. April 2013 in Kraft getretene Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz (KFRG) des Bundes werden alle Länder verpflichtet, Klinische Krebsregister einzurichten. Die Krankenkassen fördern künftig den Betrieb Klinischer Krebsregister (in Baden-Württemberg Vertrauensstelle und Klinische Landesregisterstelle) durch Gewährung einer fallbezogenen Krebsregisterpauschale und der für Meldevergütungen entstehenden Kosten; die Länder haben einen Eigenanteil von zehn Prozent zu tragen. Das Sozialministerium hat die Investitionskosten für den Ausbau und die Anpassung des Klinischen Krebsregisters an die Vorgaben des KFRG sowie die Kosten des Epidemiologischen Krebsregisters zu tragen. Unter Berücksichtigung und zur Umsetzung des KFRG wird derzeit das LKrebsRG novelliert und das Krebsregister Baden-Württemberg an die Vorgaben des KFRG angepasst. 2. Schmerz- und Palliativversorgung Hospizarbeit und Palliativversorgung Das Hospizwesen und die palliative Versorgung haben sich vor dem Hintergrund eines gewandelten Umgangs mit Sterben und Tod in unserer Gesellschaft in den letzten Jahren sehr stark weiterentwickelt. Der Gedanke, dass medizinische Versorgung nicht nur das Heilen von Krankheiten, sondern auch das Begleiten beim Sterben umfasst, setzt sich immer stärker durch. Die große Mehrzahl der schwer erkrankten (Palliativ-)Patientinnen und -patienten kann nach dem Konzept der AAPV (Allgemeine Ambulante Palliativversorgung) durch Hausärztinnen und Hausärzte sowie ambulante Pflegedienste in häuslicher Pflege betreut werden. Rund 10 % der schwer Erkrankten, das heißt bis zu 10.000 Personen pro Jahr, bedürfen einer Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV). SAPV soll es Menschen ermöglichen, ihrem Wunsch entsprechend in ihrer häuslichen Umgebung im Kreis ihrer Angehörigen sterben zu können. Ziel ist es, die Patientenversorgung weiter zu verbessern und insbesondere ein flächendeckendes Angebot an spezialisierter ambulanter Palliativversorgung vorzuhalten. Aktuell (Stand: November 2014) sind 30 Verträge zur SAPV für 8,77 Mio. Einwohnerinnen und Einwohner in Baden-Württemberg abgeschlossen worden; weitere Verträge sollen hinzukommen. An der palliativen Versorgung wirken viele Akteure mit. Im ambulanten Bereich zum Beispiel rund 8.000 Hausärztinnen und -ärzte, 1.000 Pflegedienste mit über 25.000 Beschäftigten (AAPV), 20 Brückenpflegedienste an den OSP und den Tumorzentren für onkologische Patientinnen und Patienten sowie 259 ambulante Hospizgruppen und -dienste. Im stationären Bereich außerdem 26 Krankenhäuser mit rund 212 Palliativbetten und speziellen Palliativstationen, 1.466 Pflegeheime mit rund 81.000 Beschäftigten und 26 stationäre Hospize mit 195 Betten. In Baden-Württemberg sind außerdem rund 6.000 Ehrenamtliche in der Hospizarbeit engagiert. 81 Diese Strukturen weiter zu verbessern und bedarfsgerecht auszubauen, zählt zu den vorrangigen gesundheitspolitischen Zielen. Dazu müssen im Rahmen von Palliativnetzwerken vor Ort in den kommenden Jahren die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden. Durch Gremien wie der Arbeitsgruppe Ambulante Hospizdienste und dem Landesbeirat Palliativversorgung Baden-Württemberg wird ein Beitrag dazu geleistet, dass sich die an der palliativen Versorgung beteiligten Akteure landesweit vernetzen und dass ein interdisziplinärer Dialog stattfindet. Zusammen mit dem Landesbeirat Palliativversorgung Baden-Württemberg hat das Sozialministerium 2014 eine Hospiz- und Palliativversorgungskonzeption erarbeitet. In dieser Konzeption werden neben einer Ist-Analyse und einer Bedarfsbeschreibung die Ziele für eine Weiterentwicklung der Hospiz- und Palliativversorgung dargestellt und Handlungsempfehlungen formuliert. Über allem steht dabei der Grundsatz: ambulant vor stationär. Besondere Schwerpunkte bei der Umsetzung der Konzeption sind die Verbesserung der Palliativversorgung für Kinder und Jugendliche durch eine bedarfsgerechte SAPPV (Spezialisierte Ambulante Pädiatrische Palliativversorgung) und die verstärkte Information der Betroffenen und ihrer Angehörigen über die vorhandenen Versorgungsmöglichkeiten im Bereich der gesamten Hospiz- und Palliativversorgung durch Aufbau eines Online-Informations-Portals. Das Sozialministerium fördert die überregionale ambulante Hospizarbeit jährlich mit 96.000 Euro (LAG Hospiz: 46.000 Euro; vier kirchliche Wohlfahrtsverbände je 6.500 Euro; drei Servicepoints je 8.000 Euro). Schmerzversorgung Schmerzen sind eine häufige Begleitsymptomatik bei vielen Erkrankungen. Sie können auch nach therapeutischen Maßnahmen (z.B. operativen Eingriffen) oder vorangegangenen Verletzungen, aber auch ohne erkennbare Ursachen auftreten. Ziel ist es deshalb, die Qualität der Versorgung von Schmerzpatienten auf allen Ebenen systematisch zu verbessern. Von den schätzungsweise rund eine Million chronischen Schmerzpatientinnen und -patienten in Baden-Württemberg bedürfen rund zehn Prozent einer speziellen Schmerztherapie mit der Möglichkeit einer stationären oder teilstationären Behandlung. Dazu sind bislang vier überregionale und siebzehn regionale Schmerzzentren im Landeskrankenhausplan Baden-Württemberg ausgewiesen worden. Durch den Landesbeirat Schmerzversorgung Baden-Württemberg ist auch im Bereich der Schmerzbekämpfung gewährleistet, dass sich alle an der Schmerzversorgung beteiligten Akteure landesweit vernetzen und dass ein interdisziplinärer Dialog stattfindet. Zur Qualitätssicherung wurde ein Zertifizierungsverfahren für regionale und überregionale Schmerzzentren entwickelt. Bei den Zertifizierungsverfahren wird von einer Begutachtungskommission des Landesbeirats Schmerzversorgung im Rahmen von Begehungen geprüft, ob die Zertifizierungskriterien für die Ausweisung eines Schmerzzentrums erfüllt werden. Dadurch kann auch künftig eine hohe Qualität in den Schmerzzentren gesichert werden. Baden-Württemberg verfügt bereits über ein leistungsfähiges und gut zugängliches, flächendeckendes Versorgungssystem zur Behandlung von Schmerzen. Um die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen kontinuierlich und bedarfsgerecht weiter zu entwickeln und zu verbessern, hatte das Sozialministe- 82 rium eine Schmerzversorgungskonzeption erarbeitet. Derzeit arbeitet der Landesbeirat Schmerzversorgung Baden-Württemberg an der Fortschreibung der Konzeption, die im Frühjahr 2015 fertiggestellt werden soll. Im Herbst 2012 hat das Sozialministerium außerdem bereits einen Patientenratgeber zum Thema Schmerz veröffentlicht, der aufzeigt, worauf es bei guter Qualität bei der Behandlung und Versorgung von Schmerzpatientinnen und Schmerzpatienten in Baden-Württemberg ankommt. 3. Aids und STI (Sexually Transmitted Infections bzw. sexuell übertragbare Infektionen) Die Aids- und STI-Prävention wie auch die Begleitung von Menschen mit HIV/Aids sind gesundheitspolitisch wichtige Aufgaben. Das Sozialministerium arbeitet dabei eng mit der auf Landesebene eingerichteten Arbeitsgruppe Aids/STI zusammen, in der die verschiedenen, mit diesem Themenbereich befassten Institutionen vertreten sind. Dabei ist Präventionsarbeit so zu gestalten, dass sie adäquate Antworten auf Tendenzen zu riskantem Verhalten findet. Neben der Allgemeinbevölkerung sollen auch besonders betroffene Gruppen wie bspw. Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), Menschen mit Migrationshintergrund aus Ländern mit besonders starker HIVPrävalenz, Drogengebraucherinnen und -gebraucher sowie Sexworkerinnen und Sexworker erreicht werden. Es gibt eine zunehmende Zahl von Betroffenen, die nichts von ihrer HIV-Infektion wissen. Dadurch ist das Risiko sich zu infizieren, in den letzten Jahren gestiegen. Umso wichtiger ist es, Menschen verstärkt zu motivieren, sich nach Risikokontakten risikobezogen auf HIV und STI testen zu lassen. In den Jahren 2015/2016 soll das nahezu von allen Aids-Hilfe-Vereinen im Land inzwischen umgesetzte, zielgruppenspezifische Projekt zur HIV- und STI-Prävention bei homosexuellen männlichen Jugendlichen und Männern „Gentle Man“, das im Jahr 2012 entsprechend weiterentwickelt wurde, fortgeführt werden. Die Förderanteile für die 12 langjährig tätigen Aids-Hilfe-Vereine sowie das 2012 entwickelte und von PLUS e.V. aufgebaute Kompetenzzentrum für sexuell übertragbare Infektionen in Mannheim „KOSI.MA“ liegen inzwischen bei 40.800 Euro und 63.000 Euro. Außerdem wird der Sozialdienst katholischer Frauen in Freiburg weiterhin gefördert (derzeit mit 18.400 Euro). Die Mittelverteilung erfolgt seit 2011 auf der Grundlage des von den Einrichtungen gemeinsam mit dem Landesverband zu erarbeitenden Verteilervorschlags. Landeszuschüsse werden an die Einrichtungen zur Teilfinanzierung als institutionelle Förderung gewährt. 4. Einschulungsuntersuchung (ESU) Einschulungsuntersuchungen erfolgen landesweit nach einem einheitlichen Verfahren. Die erhobenen Daten können ausgewertet und in anonymisierter Form veröffentlicht werden. 83 Neben individuellen Aussagen zu jedem einzelnen Kind ermöglicht die ESU einen Überblick über alterstypische Aspekte des Gesundheitszustands der 4- und 5-jährigen Kinder in Baden-Württemberg, bietet eine wichtige Datengrundlage für die Gesundheitsberichterstattung und ist somit auch ein Planungs- und Steuerungsinstrument für die Gesundheitspolitik. 5. Jugendzahnpflege Die Jugendzahnpflege dient der Förderung der Zahngesundheit vor allem bei Kindern und Jugendlichen durch Gruppenprophylaxe in Kindergärten und Schulen. Die Maßnahmen der Jugendzahnpflege können unterteilt werden in zahnärztliche Untersuchungen zur Erhebung des Zahnstatus, Maßnahmen zur Zahnschmelzhärtung und Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung. Die Verordnung zur Durchführung der Jugendzahnpflege und die Verwaltungsvorschrift des Sozialministeriums zur Durchführung der Jugendzahnpflege (VwV Jugendzahnpflege) wurden 2011 überarbeitet. Dabei wurden die Empfehlungen der Projektgruppe Jugendzahnpflege zur Neukonzeption der Jugendzahnpflege von 2007, die in unterschiedlichem Umfang bereits zuvor Eingang in die Praxis gefunden hatten, berücksichtigt. Besonderes Augenmerk gilt Gruppen mit erhöhtem Kariesrisiko. Arbeitsrichtlinien für die Jugendzahnpflege wurden erarbeitet. Die VwV Jugendzahnpflege wurde mit der Einschulungsuntersuchungs-VwV zusammengefasst, die VwV Einschulungsuntersuchung und Jugendzahnpflege trat zum 01.01.2012 in Kraft. Mit der regelmäßigen Dokumentation der Zahngesundheit im Rahmen repräsentativer Begleituntersuchungen zur Gruppenprophylaxe bei 6-, 9-, 12- und 15-jährigen Kindern wird die Wirksamkeit der Maßnahmen der Jugendzahnpflege überprüft. Repräsentative Begleituntersuchungen zur Gruppenprophylaxe sind für das Schuljahr 2015/2016 geplant. 6. Selbsthilfegruppen chronisch kranker Menschen Die Vielfalt der heute bestehenden Selbsthilfegruppen belegt, dass die Selbsthilfebewegung in ihrer unterschiedlichen Ausformung inzwischen sämtliche Bereiche der Familien-, Gesellschafts-, Gesundheits- und Sozialpolitik umfasst. Die Erfahrungen und die Kompetenz der Betroffenen in der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe sind ein unverzichtbarer Beitrag für eine patientenorientierte Gesundheitsversorgung. Die Selbsthilfegruppen im Gesundheitswesen und deren Landesverbände stellen ein wesentliches Bindeglied zwischen den betroffenen Menschen, den politisch Verantwortlichen, Behörden, Leistungserbringern und wissenschaftlichen Einrichtungen dar. Die Erfahrungen mit der Arbeit der Selbsthilfegruppen zeigen, dass zur Verwirklichung ihrer Zielsetzungen eine gezielte staatliche Förderung unverzichtbar ist. Das Land Baden-Württemberg unterstützt deshalb die Arbeit der Selbsthilfegruppen chro- 84 nisch Kranker im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe und zur Stärkung des ehrenamtlichen Engagements ihrer Mitglieder. Die Förderung der Selbsthilfegruppen chronisch Kranker soll auch in den nächsten Jahren fortgesetzt werden. Im Haushaltsjahr 2012 erfüllten 24, im Jahr 2013 23 Selbsthilfegruppen chronisch Kranker bzw. deren Landesverbände die Voraussetzungen für eine Förderung. Auch die Krankenkassen beteiligen sich auf der Grundlage der Grundsätze des GKV-Spitzenverbandes zur Förderung der Selbsthilfe gemäß § 20c SGB V vom 10. März 2000 in der Fassung vom 17. Juni 2013 an der Förderung der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe. Es bestehen zwei Förderstränge: die kassenartenübergreifende Gemeinschaftsförderung (Pauschalförderung) sowie die kassenindividuelle Förderung (Projektförderung) einzelner Krankenkassen. 85 XV. Gesundheitsschutz 1. Öffentlicher Gesundheitsdienst Öffentlicher Gesundheitsdienst Um den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) den zukünftigen Herausforderungen anzupassen ist eine Ausrichtung des ÖGD auf bevölkerungsmedizinische Kernbereiche notwendig. Für eine effektive und effiziente Aufgabenwahrnehmung ist dies notwendig. Kern- und Pflichtaufgaben des ÖGD, wie Gesundheitsschutz, Prävention und Gesundheitsförderung sowie Gesundheitsberichterstattung müssen gestärkt werden. Innerhalb dieser Aufgabenfelder soll beispielsweise der gesundheitsförderlichen Ausgestaltung der Lebenswelten der Menschen eine wichtige Rolle zukommen. Im Bereich des Gesundheitsschutzes sind der Infektionsschutz und der umweltbezogene Gesundheitsschutz und bei der Gesundheitsberichterstattung die Berichterstattung über die Entwicklung der gesundheitlichen Verhältnisse der Bevölkerung zentrale Aufgabenfelder des ÖGD. Im Rahmen eines umfassenden Gesetzesvorhabens sollen deshalb das Gesundheitsdienstgesetz sowie weitere landesrechtliche Normen novelliert werden. Das Aufgabenspektrum der Gesundheitsämter soll fortentwickelt und den aktuellen Anforderungen an ein modernes Gesundheitsamt angepasst werden. Die amtsärztlichen Untersuchungen sollen neu geregelt und die bevölkerungsmedizinischen Schwerpunktbereiche konkretisiert werden. Von besonderer Bedeutung ist dabei vor allem die Stärkung der Bereiche Prävention, Gesundheitsförderung und Gesundheitsberichterstattung. Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg (LGA) Das LGA beim Regierungspräsidium Stuttgart ist als fachlich-wissenschaftliche Gesundheitseinrichtung an der Schnittstelle zwischen den Gesundheitsämtern, der Gesundheitspolitik und der Wissenschaft angesiedelt. Als fachliche Leitstelle für den ÖGD und für das Sozialministerium leistet es wissenschaftliche, konzeptionelle und beratende Unterstützung. Es sammelt wissenschaftliche Erkenntnisse und wertet Untersuchungs- und Forschungsprogramme aus, führt fachbezogene Untersuchungen und Forschungsprojekte durch, entwickelt fachliche Konzepte und Strategien und bietet Aus-, Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen an. Als künftige Aufgabenschwerpunkte sollen auch beim LGA neben dem Gesundheitsschutz vor allem die Bereiche Gesundheitsförderung und Prävention sowie Gesundheitsberichterstattung neu ausgerichtet und gestärkt werden. 2. Umweltbezogener Gesundheitsschutz Ziel des umweltbezogenen Gesundheitsschutzes ist es, die Bevölkerung effektiv vor negativen gesundheitlichen Auswirkungen von Umwelteinflüssen zu schützen. Dazu werden die Einwirkungen aus der Umwelt, wie zum Beispiel Luftschadstoffe (Feinstaub), andere Schadstoffe, Lärm, Strahlung usw. auf die menschliche Gesundheit 86 beobachtet und bewertet, um Risiken frühzeitig zu erkennen sowie Strategien und konkrete Möglichkeiten zu ihrer Verhütung und Minimierung zu entwickeln. Daten über die interne Belastung der Menschen mit Umweltschadstoffen sowie zu gesundheitlichen Wirkungen werden in Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen erhoben. Aktuelle Schwerpunkte sind Untersuchungen der Luftqualität von Innenräumen im Rahmen des WHO Collaborating Center beim Landesgesundheitsamt. Ein weiterer Aufgabenschwerpunkt besteht in der Untersuchung zur Häufigkeit von Allergien sowie in der Bekämpfung von Pflanzenarten mit allergenem Potential, wie z.B. Ambrosia (Traubenkraut). Der Gesundheitsschutz, aber auch die Eigenverantwortung insbesondere von Kindern und Jugendlichen im Bereich Lärm soll gestärkt werden. Es werden Aufklärungsmaßnahmen zum Thema Freizeitlärm, die insbesondere die Zielgruppe Jugendliche ansprechen sollen, gefördert und unterstützt sowie die Fortführung freiwilliger Maßnahmen von Anbietern angeregt. Novellierung der Badegewässerverordnung Baden-Württemberg, Badegewässerkarte Baden-Württemberg In Baden-Württemberg gilt seit 2008 eine neue Badegewässerverordnung. Die zu untersuchenden mikrobiologischen Parameter, die Erstellung sogenannter Badegewässerprofile sowie die Vorgaben der EU zur Bürgerbeteiligung werden zeitnah umgesetzt. Das Sozialministerium erstellt den jährlichen Bericht über die Qualität der Badegewässer im Land und gibt vor dem Beginn der Badesaison eine Badegewässerkarte für Baden-Württemberg heraus. Die Wasserqualität fast aller überwachten Seen, Weiher und sonstiger natürlicher Gewässer in Baden-Württemberg war auch im vergangenen Jahr hervorragend. Aktuelle Hinweise zur Wasserqualität können während der Badesaison, die in Baden-Württemberg üblicherweise vom 01.Juni bis zum 15. September dauert, auch beim Aufruf der im Internet eingestellten Badegewässerkarte auf der Homepage des Sozialministeriums (www.sozialministerium-bw.de) eingesehen werden. 3. Infektionsschutz Maserneliminierung und Verbesserung der Impfquoten Das von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Eliminierung von Masern vorgegebene Impfziel von 95 % für die zweite Masernimpfung wird in Baden-Württemberg noch nicht erreicht. Deshalb stellen Maßnahmen zur Steigerung der Impfraten, insbesondere gegen Masern, weiterhin eine Schwerpunktaufgabe im Bereich des Gesundheitsschutzes dar. Mit der Aktion “Mach den Impfcheck“, die gemeinsam vom Sozialministerium und der AOK Baden-Württemberg finanziert wird, werden Schüler der 6. bis 8. Klassenstufe über verschiedene Wege angesprochen, ihren Impfstatus zu überprüfen und zu vervollständigen. Zusätzlich ist die Einrichtung einer Arbeitsgemeinschaft Impfen BadenWürttemberg geplant. Sie soll eine Impfstrategie Baden-Württemberg entwickeln, die die Umsetzung der im Nationalen Impfplan vereinbarten Impfziele konkretisiert. 87 Verbesserung der Krankenhaushygiene und MRE2-Strategie BadenWürttemberg Schätzungen zufolge erkranken in Deutschland jährlich zwischen 400.000 und 3 600.000 Personen an nosokomialen Infektionen . Maßnahmen zur Stärkung der Hygiene und Infektionsprävention kommt daher eine große Bedeutung zu. Regionale Netzwerke, in denen alle an der medizinischen Versorgung beteiligten Akteure zusammenarbeiten, um den Informationsaustausch an den Schnittstellen der Patientenversorgung zu verbessern, stellen ein wichtiges Instrument zur Eindämmung resistenter Krankheitserreger dar. Im Rahmen der MRE-Strategie Baden-Württemberg erfolgt in einem auf drei Jahre angelegten Projekt eine Anschubfinanzierung des Aufbaus und der Verfestigung der Netzwerkstruktur bei der Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von nosokomialen Infektionen und von Erregern mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen in Baden-Württemberg durch die Krankenkassen (GKV und PKV). Die Projektlaufzeit erstreckt sich über den Zeitraum 1. Juni 2012 bis 31. Mai 2015. 2 3 88 Multiresistente Erreger Infektionen, die durch Aufenthalt oder Behandlung in einem Krankenhaus (oder Pflegeheim) verursacht wurden. XVI. Arzneimittel- und Medizinprodukteüberwachung Die Überwachung des Verkehrs mit Arzneimitteln und Medizinprodukten dient dem Gesundheitsschutz und soll die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung sicherstellen. Überprüft werden insbesondere Arzneimittel- und Medizinproduktehersteller, Großhandelsbetriebe und Apotheken. Zudem werden Betriebe und Einrichtungen, die Arzneimittel klinisch prüfen, und die Heilmittelwerbung sowie Einrichtungen, die Medizinprodukte betreiben bzw. anwenden, kontrolliert. 1. Arzneimittelüberwachung Das Regierungspräsidium Tübingen – Leitstelle Arzneimittelüberwachung BadenWürttemberg – überwacht seit dem Jahr 2001 landesweit die pharmazeutischen Unternehmen und Hersteller sowie seit dem Inkrafttreten des 12. Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes im Jahr 2004 die Hersteller von definierten, besonders risikoträchtigen Arzneimittelwirk- und -ausgangsstoffen mit Blick auf die Einhaltung der in Arzneimittelgesetz (AMG) und Pharmabetriebsverordnung festgelegten rechtlichen Regelungen sowie der internationalen Standards der Guten Herstellungspraxis (Good Manufacturing Practices – GMP). Darüber hinaus werden Produktionsstätten in Nicht-EU- bzw. EWR-Staaten überprüft, sofern für diese eine Einfuhrgenehmigung beantragt wird. Die Neuregelungen im Bereich der Arzneimittelwirk- und -ausgangsstoffe stellen verstärkte Anforderungen an die pharmazeutische Überwachung. Für die Erteilung von Erlaubnissen, die Durchführung von GMP-Inspektionen sowie die Ausstellung von Exportzertifikaten werden Gebühren erhoben. Weitere pharmazeutische Überwachungsaufgaben werden dezentral von den Regierungspräsidien wahrgenommen. Hierzu zählen die Überwachung der Apotheken, der klinischen Prüfungen und des pharmazeutischen Großhandels. 2. Medizinprodukte Das Thema „Medizinprodukte“ steht aktuell in besonderem Interesse der Öffentlichkeit. So riefen z.B. der Skandal um Brustimplantate einer französischen Firma und das damit verbundene Gesundheitsrisiko für Patientinnen, Probleme im Zusammenhang mit künstlichen Hüftimplantaten sowie bei der hygienischen Aufbereitung von Operationsbesteck in Kliniken ein großes Medienecho hervor und erhöhten den öffentlichen Druck in Richtung einer Intensivierung der Überwachung im Bereich der Medizinprodukte. Mit der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Medizinproduktegesetzes (Medizinprodukte-Durchführungsvorschrift – MPGVwV), die am 1. Januar 2013 in Kraft getreten ist, werden von Seiten des Bundes konkrete Vorgaben gemacht, die eine einheitliche qualitätsgesicherte Überwachung sicherstellen sollen. Die MPGVwV beinhaltet Regelungen insbesondere zur Durchführung und Qualitätssicherung der Überwachung, zur Sachkenntnis der mit der Überwachung beauftrag89 ten Personen, zur Ausstattung, zum Informationsaustausch und zur Zusammenarbeit der Behörden. Hinzu kommen die Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 über die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung. Durch Beschluss des Ministerrats vom 9. Juli 2013 über das Gesamtkonzept zur Aufgabenwahrnehmung in der Marktüberwachung und zum Vollzug der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Medizinproduktegesetzes werden diese Vorgaben in Baden-Württemberg für den Bereich der Marktüberwachung des Rechtsbereichs Medizinprodukte umgesetzt. 90 XVII. Qualitätssicherung 1. Qualitätssicherung und Bürger- und Patientenorientierung Im Rahmen der Gesundheitspolitik für Baden-Württemberg – Zukunftsplan Gesundheit, des Gesundheitsdialogs Baden-Württemberg, der Landesgesundheitskonferenz und der Entwicklung des Gesundheitsleitbildes soll künftig verstärkt darauf hingewirkt werden, das Gesundheitswesen in allen Handlungsfeldern bürger- und patientenorientierter zu gestalten. Bisher liegen die Systemverantwortung sowie die Verantwortung für das Erreichen von Gesundheit bei den Kostenträgern und Leistungserbringern. Ziel muss es aber sein, die Mitgestaltungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger im Hinblick auf Systemveränderungen zu untersuchen und zu unterstützen. Gleichzeitig sollen auch Ansätze weiterentwickelt werden, die Patientinnen und Patienten befähigen, eigenverantwortlich für Ihre Gesundheit einzustehen. System- und Gesundheitsverantwortung der Versicherten sowie der Patientinnen und Patienten sollen eingefordert und eingebracht werden. In einer 2014 eingerichteten Arbeitsgruppe Patienten unter der Federführung des Sozialministeriums sollen daher die Erfahrungen und Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten sowie vor allem die daraus abgeleiteten Bedarfe unmittelbar herausgearbeitet und im Dialog von Patientinnen und Patienten, Leistungserbringern und Kostenträgern Maßnahmen für eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung abgeleitet werden. Entsprechend der Erkenntnisse zu einer partizipativen Gestaltung der Gesundheitsversorgung und vor dem Hintergrund der großen Bedeutung der Eigenverantwortung bzw. des Selbstmanagements der Patientinnen und Patienten gilt es, die Patientinnen und Patienten in der Arbeitsgruppe als Expertinnen und Experten für ihre Gesundheit einzubeziehen. Die Arbeit der AG Patienten wird wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Qualitätssicherung umfasst auch die mit den Herstellern und den Anwendern abgestimmte Entwicklung neuer telematischer Lösungen, um vor allem im ländlichen Raum die Qualität der gesundheitlichen Versorgung trotz eines möglichen Mangels an qualifizierten Ärztinnen und Ärzten in der Fläche zu erhalten. Die Arbeitsgruppe Gesundheitstelematik Baden-Württemberg (unter Federführung des Wissenschaftsministeriums) nimmt sich dieser Thematik an, insbesondere mit dem Ziel der Initiierung und nachhaltigen Verbreitung von Telebetreuungs- und Telemedizinprojekten zur Unterstützung von regionalen sektorenübergreifenden Versorgungsnetzwerken. 2. Medizinische Ethik Organtransplantation Trotz des dringenden Bedarfs an Spenderorganen gibt es kein Recht auf fremde Organe, sie bleiben immer ein Geschenk von Spenderinnen und Spendern an Empfänginnen und Empfänger. Nach dem 2012 novellierten Transplantationsgesetz werden im Zuge der sog. Entscheidungslösung alle Bürgerinnen und Bürger von den 91 Krankenkassen regelmäßig dazu aufgefordert, in Ruhe eine Entscheidung zur eigenen Spendenbereitschaft zu treffen, diese in einem Organspenderausweis zu dokumentieren und auch dafür zu sorgen, dass die Entscheidung zur Organspende nicht mit den Vorgaben einer Patientenverfügung kollidiert. Die in der Gesetzesnovelle außerdem vorgeschriebene verbindliche Bestellung von Transplantationsbeauftragten ist in Baden-Württemberg in ca. 120 Spenderkrankenhäusern umgesetzt. Unterstützt durch Landesmittel wird ein 40-stündiges Curriculum zur Qualifizierung der baden-württembergischen Transplantationsbeauftragten durchgeführt. Das Curriculum, das in der Arbeitsgruppe Fortbildung des Aktionsbündnisses Organspende unter maßgeblicher Beteiligung der Landesärztekammer und der Deutschen Stiftung Organtransplantation, Region Baden-Württemberg erarbeitet wurde, stößt auf große Resonanz bei den Transplantationsbeauftragten. Ab 2015 werden die an den 24stündigen Grundkurs anknüpfenden 16-stündigen Aufbaukurse angeboten. Auf Grund der bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten bei der Wartelistenführung und Transplantationen von Organen durch Transplantationszentren außerhalb von Baden-Württemberg sind das Vertrauen der Bevölkerung und die Bereitschaft zur Organspende zurückgegangen. Die bisherigen Überprüfungen der baden-württembergischen Transplantationszentren haben keine Hinweise auf Manipulationen ergeben. Auf Grund der zurückgegangenen Spendenbereitschaft ist es umso wichtiger, die intensive Öffentlichkeitsarbeit über das Aktionsbündnis Organspende u.a. bei Messen, Landesgartenschauen, dem Tag der Organspende und anderen Veranstaltungen sowie in Schulen fortzuführen. 92 XVIII. Psychiatrie 1. Zentren für Psychiatrie Die sieben Zentren für Psychiatrie (ZfP) sind rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts. Sie werden durch insgesamt drei allein vertretungsberechtigte Geschäftsführer, die jeweils für zwei bzw. drei Zentren bzw. Krankenhausstandorte zuständig sind, sowie jeweils einen Aufsichtsrat geleitet. Es besteht ein gesetzlicher Auftrag zur fortlaufenden zentrumsübergreifenden Koordinierung in medizinischen und ökonomischen Bereichen, der eine gemeinsame und gruppenbezogene Namensführung einschließt. Die Zentren konnten ihre Aufgaben (psychiatrisches und neurologisches Krankenhaus, Pflegeheim, Entwöhnungs- und Maßregelvollzugseinrichtung) trotz der vielfach durch Einsparauflagen gekennzeichneten gesundheits- und sozialpolitischen Rahmenbedingungen erfüllen. Sie wurden in die Krankenhausversorgung im Fachgebiet psychotherapeutische Medizin einbezogen. Die Zentren haben im Wesentlichen ausgeglichene Jahresergebnisse erreicht. Dazu haben neben einer straffen, auf eine Leistungs- und Kostenrechnung gestützten und ergebnisorientierten Betriebsführung vielfältige Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit beigetragen. Die Zentren beteiligen sich engagiert an der Verbesserung der gemeindenahen psychiatrischen Versorgung der Bevölkerung und damit der Umsetzung des Gemeindepsychiatrischen Verbunds (GPV). Der Aufbau von Satellitenstationen, das sind an Allgemeinkrankenhäuser ausgelagerte Stationen der Zentren für Psychiatrie, sowie die Einrichtung von Tageskliniken werden weiter vorangetrieben. 93 Die Zentren beteiligen sich am Aufbau Gemeindepsychiatrischer Zentren (GPZ) und psychiatrische Leistungsverbünde. Der besseren Verzahnung von stationärer und ambulanter Krankenbehandlung dienen ambulante psychiatrische Pflegedienste, ambulante Krankengymnastik sowie Ergotherapieangebote. Außerdem haben sie bereits viele Psychiatrische Institutsambulanzen (PIA) gemäß § 118 SGB V in Betrieb. 2. Maßregelvollzug In Baden-Württemberg werden die freiheitsentziehenden Maßregeln nach § 63 StGB (Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus) und § 64 StGB (Unterbringung in einer Entziehungsanstalt) – im Gegensatz zu einigen anderen Bundesländern – dezentral an acht Standorten in chefärztlich geleiteten Abteilungen mit unterschiedlicher Größe durchgeführt. Diese Forensischen Fachabteilungen sind an den Krankenhausbereich der Zentren für Psychiatrie angegliedert. Der Maßregelvollzug wird damit in Baden-Württemberg innerhalb des allgemeinen stationären psychiatrischen Versorgungssystems vollzogen. Die Entwicklung der im Maßregelvollzug belegten Betten stellt sich im Jahresdurchschnitt für die Jahre von 1998 bis 2013 wie folgt dar: Durch das Ende 2002 beschlossene Ausbauprogramm konnten von 2003 bis 2012 die damals im Maßregelvollzug nach §§ 63, 64 StGB vorhandenen 755 Planbetten auf jetzt 997 gesteigert werden. Zuletzt wurden im ZfP Emmendingen 20 weitere Betten für die Unterbringung von Patienten nach § 64 StGB geschaffen. Die Betriebskosten für die Durchführung der freiheitsentziehenden Maßregeln sind in voller Höhe vom Land zu tragen. Die Aufwendungen des Landes haben sich in den letzten Jahren kontinuierlich erhöht. Der Anstieg beruht insbesondere auf der allgemeinen Kostensteigerung und Anpassung der Personalausstattung an die höhere 94 Belegung. Hinzu kommen verstärkte, kostenintensive Sicherheitsmaßnahmen um dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung Rechnung zu tragen. Im Rahmen der seit 1996 vom Sozialministerium mit den Zentren für Psychiatrie jährlich geführten Budgetverhandlungen Maßregelvollzug konnte die Zahl der Stellen für therapeutisches Personal zwar absolut gesehen stets gesteigert werden, hielt aber oft mit der starken Zunahme der Patientenzahlen nicht mit. Um die Zahl der so genannten Fehlstellen – der Differenz zwischen den nach der PsychiatriePersonalverordnung Maßregelvollzug für Ärzte, Psychologen, Krankenpflegepersonal, Sozialarbeiter und Ergotherapeuten etc. notwendigen Stellen zu den tatsächlich vorhandenen Stellen – abzubauen, mussten verstärkte Anstrengungen durch Erhöhung der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel unternommen werden. Tarif- und Sachkostensteigerungen machen weitere Erhöhungen notwendig. Die Betriebskosten, d.h. Personal- und Sachkosten entwickelten sich seit dem Jahr 2004 wie folgt: Seit dem Jahr 2007 sind erweiterte gesetzliche Voraussetzungen für die Therapie und nachsorgende Betreuung von Probandinnen und Probanden aus dem Maßregelvollzug in der Führungsaufsicht vorgesehen. Damit soll die Gefahr erneuter Straftaten, vor allem im Bereich schwerer Sexual- und Gewaltdelinquenz, verringert werden. Diese Therapie und die nachsorgende Betreuung werden in forensischen Ambulanzen durchgeführt. Diese sind, insbesondere für Patientinnen und Patienten aus dem Maßregelvollzug, bei den Zentren für Psychiatrie angesiedelt und haben eine eigenständige, an den jeweiligen Abteilungen für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie angebundene Organisations- und Personalstruktur. Da die Probandinnen und Probanden wirtschaftlich meist nicht in der Lage sind, die Therapiekosten selbst zu zahlen, fallen neben dem Aufwand für den Auf- und Ausbau forensischer Ambulanzen im Regelfall auch die Therapiekosten auf das Land zu95 rück. Ende 2014 befinden sich bereits 400 Patienten in ambulanter Behandlung. Die Fallkosten betragen 6.000 Euro pro Patient und Jahr. 3. Außerklinische Einrichtungen und Dienste In Baden-Württemberg besteht ein flächendeckendes Netz von Sozialpsychiatrischen Diensten (SpDi). Sie erbringen im Rahmen von Vorsorge, Nachsorge und Krisenintervention Betreuungsleistungen überwiegend für chronisch psychisch Kranke und seelisch Behinderte und vermitteln ihnen soziale Hilfen. Außerdem erfüllen sie wichtige Aufgaben im Rahmen der trägerübergreifenden und klientenbezogenen Kooperation und Koordination auf Kreisebene im gemeindepsychiatrischen Verbund. Ab dem Jahr 2002 wurden im Land psychiatrische Institutsambulanzen eingerichtet und die Soziotherapie als neue Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt. Als Eingliederungshilfe für psychisch behinderte Menschen wurden die Tagesstätten und das ambulant betreute Wohnen ausgebaut. Die verschiedenen Angebote erfordern eine enge Abstimmung. Nach der „Konzeption eines Gemeindepsychiatrischen Verbunds (GPV)“ sollen sich die Leistungserbringer einer Versorgungsregion zusammenschließen. Ergänzend wurde die Konzeption „Gemeindepsychiatrisches Zentrum (GPZ)“ erstellt, um verbindliche Kooperationen zumindest in zentralen Anlauf-, Beratungs- und Vermittlungsstellen der Gemeindepsychiatrie anzuregen. Neben diesen beiden Konzeptionen wird vom Land auch eine trägerübergreifende personenzentrierte Hilfeplanung zur Umsetzung empfohlen. Die Sicherstellung der Grundversorgungsleistungen der SpDi ist ein zentrales Anliegen der Landesregierung. Neben der bestehenden Förderung der SpDi gemäß der Verwaltungsvorschrift für die Förderung von sozialpsychiatrischen Diensten (VwVSpDi) vom 30.11.2006 (GABl. S. 706) in Höhe von jährlich 2,1 Mio. Euro hat die Landesregierung auf die zunehmende Zahl von Hilfesuchenden reagiert und im Bereich der nachgehenden Hilfen, insbesondere im Bereich von Hausbesuchen sowie in der Langzeitbetreuung, einmalig für das Jahr 2012 insgesamt 2,0 Mio. Euro und ab dem Jahr 2013 eine Regelförderung von 4 Mio. Euro zur Stärkung des Leistungsangebots zusätzlich bereitgestellt. Auf Grund dieser Erhöhung des Regelförderbetrags ab dem Jahr 2013 war eine Anpassung der VwV-SpDi notwendig, die im Wege der Verwaltungsvorschrift des Sozialministeriums zur Änderung der Verwaltungsvorschrift für die Förderung von sozialpsychiatrischen Diensten (Änderung-VwV-SpDi) vom 12. Februar 2013 umgesetzt wurde. Mit Verwaltungsvorschrift vom 28. Juli 2014 wurde die Geltungsdauer VwV-SpDi bis zum 31. Dezember 2016 verlängert. Die VwV vom 28. Juli 2014 tritt am 31. Dezember 2014 in Kraft. Mit Inkrafttreten des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes zum 1. Januar 2015 erhalten die GPV und SpDi eine verbindliche gesetzliche Grundlage. Um die notwendige Bündelung im außerklinischen Bereich weiterhin gestalten zu können und die Versorgung jener chronisch psychisch kranken Menschen zu sichern, die krankheitsbedingt einzelfallbezogene Sozialleistungen nicht in Anspruch nehmen (können), werden weiterhin Landesmittel benötigt. 96 Selbsthilfegruppen ergänzen durch ihre ehrenamtlichen Unterstützungsangebote das Hilfe- und Betreuungsangebot der professionellen Dienste und Einrichtungen. Zur Förderung der Arbeit von Selbsthilfegruppen Psychiatrie-Erfahrener, Angehöriger und Bürgerhelfer über den Hilfsverein für seelische Gesundheit in Baden-Württemberg e.V. sind 199.900 Euro im Staatshaushaltsplan 2015/16 veranschlagt. Ferner sind für die Förderung der in der Suizidprävention tätigen Arbeitskreise Leben 260.000 Euro im Jahr 2015/16 angesetzt. 4. Neuordnung der Sicherungsverwahrung Mit Urteil vom 4. Mai 2011 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Regelungen des Strafgesetzbuches und des Jugendgerichtsgesetzes zur Sicherungsverwahrung für nicht vereinbar mit dem Grundgesetz erklärt, da das Abstandsgebot (Trennung von Strafvollzug und Sicherungsverwahrung) nicht gewahrt sei. Die Sicherungsverwahrung fällt in den Zuständigkeitsbereich der Justizministerien. Der Geschäftsbereich des Sozialministeriums ist mittelbar betroffen, weil gemäß § 67 a StGB Überweisungen von Gefangenen aus dem Straf- in den Maßregelvollzug sehr viel weitgehender als bisher möglich sind. In ersten Einzelfällen wurden zum Teil bereits sehr schwierige Patientinnen und Patienten überwiesen. Eine steigende Anzahl von im Maßregelvollzug unterzubringenden und zu behandelnden Gefangenen führt zu Mehrkosten in den Maßregelvollzugseinrichtungen. 5. Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz Der Landtag hat am 12. November 2014 das erste Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz für Baden-Württemberg beschlossen. Das Gesetz wird zum 1. Januar 2015 in Kraft treten. Mit dem Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz werden die Rechte psychisch kranker und psychisch behinderter Menschen und ihrer Angehörigen gestärkt. Hilfen für psychisch kranke und psychisch behinderte Menschen erhalten erstmals in BadenWürttemberg eine gesetzliche Grundlage. Eine zentrale Rolle hat dabei die Gewährleistung der ambulanten Grundversorgung durch die SpDi sowie deren verbindliche Einfügung in GPV. Regelungen über die öffentlich-rechtliche Unterbringung sowie den Maßregelvollzug wurden unter besonderer Berücksichtigung der Grundrechte der betroffenen Personen überarbeitet. Die Stärkung der Patientenrechte spielt dabei eine zentrale Rolle; hierzu werden nicht zuletzt neue Institutionen etabliert, wie die Einrichtung von Informations-, Beratungs- und Beschwerdestellen als Anlaufstellen für Betroffene und Angehörige, die zwischen psychiatrischen Einrichtungen und Betroffenen vermitteln und darüber hinaus allgemeine Informationen über wohnortnahe Hilfs- und Unterstützungsangebote erteilen, einer Ombudsstelle, die gegenüber dem Landtag berichtspflichtig ist, eines zentralen, anonymisierten Melderegisters zur Erfassung von Zwangsmaßnahmen, 97 von Besuchskommissionen zur Überprüfung der Qualität in anerkannten stationären psychiatrischen Einrichtungen. Für die Umsetzung des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes stehen 1 Mio. Euro zur Verfügung. 98 XIX. Suchtprävention und Suchtkrankenhilfe 1. Suchtprävention Suchtprävention zielt darauf ab, gesundheitlichen, sozialen und ökonomischen Schäden, die mit dem Gebrauch legaler und illegaler Substanzen sowie den Folgen süchtigen Verhaltens verbunden sind, vorzubeugen. Für jeden Menschen soll sich dadurch die Chance erhöhen, ein suchtfreies oder von Sucht so weit wie möglich unbeeinträchtigtes Leben zu führen. Suchtprävention umfasst alle verhältnis- und verhaltensbezogenen Maßnahmen, die riskanten und abhängigen Gebrauch von Suchtmitteln sowie süchtige Verhaltensweisen verhindern, reduzieren oder risikoärmere Verhaltensmuster fördern. Dies bezieht die positive Beeinflussung der Lebenszusammenhänge ein. Im Vordergrund steht der Ausbau der Prävention. Weiterhin werden insbesondere die zielgruppenspezifischen und niedrigschwelligen Angebote gestärkt und die Konzepte zur Prävention weiterentwickelt werden. Dies schließt Angebote für Menschen mit HIV oder anderen sexuell übertragbaren Krankheiten mit ein. Neben aufsuchenden Angeboten für die Betroffenen ist es Ziel, die Zusammenarbeit der in diesem Themenbereich tätigen Institutionen vor Ort zu stärken und zu verstetigen. In diesem Zusammenhang wird die Struktur der bisherigen Kommunalen Suchthilfenetzwerke um den Bereich Suchtprävention erweitert und zu den neuen Kommunalen Netzwerken Sucht umgestaltet. Psychosoziale Beratungsstellen und Kontaktläden sowie kommunale Suchtbeauftragte in allen 44 Stadt- und Landkreisen in Baden-Württemberg leisten hier wertvolle Arbeit und einen ganz wichtigen Beitrag. Diese Angebots- und Versorgungsstrukturen werden vom Land durch Zuschüsse von insgesamt über 9 Millionen Euro jährlich gefördert. Thematischer Schwerpunkt der suchtpräventiven Aktivitäten sind Maßnahmen zur Vorbeugung des Alkohol- und des Nikotinmissbrauchs. Die laufende Tabakpräventionskampagne „Be smart, don’t start“ wird von der AOK Baden-Württemberg und auf örtlicher Ebene vor allem durch die Beauftragten für Suchtprophylaxe/Kommunalen Suchtbeauftragten unterstützt und durch begleitende Veranstaltungen vertieft. Zahlreiche Tabakpräventionsprojekte auf der örtlichen Ebene, initiiert und durchgeführt durch die Beauftragten für Suchtprophylaxe/Kommunalen Suchtbeauftragten sowie die Fachkräfte für Suchtprävention an den Gesundheitsämtern, kommen hinzu. Um der Suchtprävention in Baden-Württemberg zu mehr Durchschlagskraft zu verhelfen, hat das Sozialministerium im Jahr 2010 die „Arbeitsgruppe Suchtprävention“ eingesetzt. In ihr wirken sämtliche Körperschaften, Verbände und Ministerien mit, die mit der Wahrnehmung von Aufgaben in der Suchtprävention beauftragt sind. Sie hat die Aufgabe, Empfehlungen für die Suchtprävention in Baden-Württemberg zu verabschieden, die dann als fundierte Grundlage für suchtpolitische Entscheidungen dienen. Durch den Einsatz dieser Arbeitsgruppe soll auch ein breiter gesellschaftlicher Konsens hinsichtlich künftiger Maßnahmen hergestellt werden, weil nur dadurch eine tragfähige Umsetzung vor Ort möglich ist. Das „Grundlagenpapier Suchtprävention in Baden-Württemberg“ beschreibt in konzentrierter Form insbesondere für Entscheidungsträger im kommunalen Bereich die 99 Ursachen der Entwicklung von Abhängigkeitserkrankungen sowie sinnvolle Präventionsmaßnahmen. Ergänzend hierzu wurden Ende 2011 Empfehlungen zur Prävention des Alkoholmissbrauchs bei Kindern und Jugendlichen in Baden-Württemberg beschlossen. Diese erläutern die wesentlichen Elemente, die für die Wirksamkeit der Prävention von Alkoholmissbrauch entscheidend sind. Suchtprävention in Baden-Württemberg wendet sich verstärkt an Jugendliche im Einstiegsalter, um Missbrauch und Abhängigkeit vorzubeugen. Ein Schwerpunktthema der Suchtprävention wird auch im Jahr 2015/2016 wieder die Alkoholmissbrauchsprävention sein. Zielgruppe sind jedoch auch Erwachsene. Sucht im Alter ist bislang ein noch weitgehend verkanntes Thema. Aufgrund des demografischen Wandels gewinnt es jedoch zunehmend an Bedeutung. Aus suchtpräventiver Sicht ist es unabdingbar, die sozialen Ressourcen und die Gesundheit älterer Menschen zu fördern, damit ihnen möglichst lange ein hohes Maß an Selbstbestimmung und Lebensqualität erhalten bleibt. Deshalb ist der Landesseniorenrat über die AG Suchtprävention in die weitere Entwicklung eingebunden. An der Schnittstelle zum Kinderschutz soll auch in den kommenden Jahren außerdem die Zielgruppe Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien weiter in den Blickpunkt gerückt werden. Hier gilt es, die Qualifikation und die gegenseitige Vernetzung der Angebote von Jugendhilfe und Suchthilfe weiter zu fördern. Bei der Prävention von Glücksspielsucht und dem Spielerschutz hat das Sozialministerium einen Schwerpunkt auf die rechtlichen Rahmenbedingungen für Glücksspielanbieter gelegt, indem es im § 7 Landesglücksspielgesetz Baden-Württemberg (LGlüG) weitreichende Vorschriften zur Prävention und zum Spielerschutz verankert hat. Darüber hinaus ist im § 9 Abs. 6 LGlüG geregelt, dass das Land die wissenschaftliche Forschung zur Vermeidung und Abwehr von Suchtgefahren durch Glücksspiele, die Suchtprävention und -hilfe sowie die Glücksspielaufsicht als öffentliche Aufgabe wahrnimmt. Es stellt hierfür einen angemessenen Anteil aus den Reinerträgen der Glücksspiele zur Verfügung. Hier gilt es insbesondere, die Beratungsstellen auch in ihrer fachlichen Kompetenz weiter zu stärken, damit diese ihre Schlüsselrolle im Bereich der Prävention von Glücksspielsucht und der Suchthilfe für problematische und pathologische Glücksspieler weiterhin nachkommen können. In diesem Zusammenhang hat sich die Praxis bewährt, die Landesförderung der Suchtberatungsstellen ab dem Jahr 2009 von deren Einbindung in die Kommunalen Suchthilfenetzwerke abhängig zu machen, die sich als belastbare Grundstruktur schon vielfältig auch für den problematischen Umgang mit den digitalen Medien bewährt haben. Sie wurden als Basis bei der Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrages genutzt. Dabei wurden keine neuen Sonderstrukturen aufgebaut, sondern die bisherigen Strukturen so verstärkt, dass auch problematische und pathologische Spieler effizient und gut versorgt werden können. Dies umfasst auch den Bereich des Spielens im Internet. 2. Suchtkrankenhilfe Die Suchthilfe orientiert sich an der Definition von Sucht als „behandlungsbedürftige, psychosoziale und psychiatrisch relevante Krankheit und Behinderung mit chroni100 schen Verläufen“. Deren Folge ist das Entstehen einer sozialen, körperlichen und seelischen Beeinträchtigung, die die betroffenen Menschen daran hindern kann, ihren sozialen und gesellschaftlichen Verpflichtungen nachzukommen und am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben. Deshalb ist die Sicherung des vorhandenen, über Jahrzehnte aufgebauten flächendeckenden Netzes an ambulanten Hilfeangeboten mit rd. 110 Psychosozialen Beratungs- und ambulanten Behandlungsstellen für Suchtgefährdete und Suchtkranke (PSB) und Kontaktläden (KL) in Trägerschaft der Verbände der freien Wohlfahrtspflege und in kommunaler Trägerschaft als dem Kernstück der Suchthilfe unerlässlich. Die Anforderungen an die Suchtkrankenversorgung sind durch die Natur der Erkrankung äußerst komplex. Die verschiedenen Stadien der Erkrankung erfordern unterschiedliche Zugangswege zu den Hilfebedürftigen und differenzierte Hilfemaßnahmen. Die Entgiftung Suchtkranker und der qualifizierte Entzug als multimodales Behandlungskonzept sind nach SGB V eine Krankenbehandlung in der Leistungsverantwortung der Gesetzlichen Krankenversicherung. Gleiches gilt für die Durchführung von Substitutionsbehandlungen. Oft entsteht erst durch den Wegfall des täglichen Suchtdrucks, den verbesserten Gesundheitszustand und die soziale Integration die Grundlage für einen erfolgreichen Weg aus der Sucht. Die medizinische Suchtrehabilitation („Entwöhnung“) ist gemäß SGB VI in der Regel eine Leistung der Rentenversicherungsträger und wird in dafür geeigneten und anerkannten Einrichtungen stationär, teilstationär, ambulant oder in den verschiedensten Varianten als ambulant-stationäre Kombinationsbehandlung durchgeführt. Die psychosoziale Beratung und Betreuung erfolgen in eigens dafür eingerichteten PSB und werden im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge von den Kreisen, vom Land sowie durch einen oft erheblichen freiwilligen Eigenanteil der Träger der Beratungsstellen – meist Verbänden der freien Wohlfahrtspflege – gemeinsam finanziert. Die psychosozialen Sucht- und Drogenberatungsstellen sind in aller Regel von den Rentenversicherungsträgern auch als ambulante Rehabilitationseinrichtungen anerkannt. Schlussendlich ist es die Aufgabe der Arbeitsverwaltung, im Rahmen von SGB II und SGB III die Behandlungskette mit der Integration oder Reintegration in das Erwerbsleben abzuschließen und damit die wichtigste Voraussetzung für die soziale Teilhabe zu schaffen. Flankiert wird diese Phase der Behandlung durch das breite Spektrum der Selbsthilfegruppen und der ehrenamtlichen Suchthelfer. Diese unterschiedlichen Zuständigkeiten in der Versorgung Suchtkranker erschwert die Orientierung von Suchtkranken und ihren Angehörigen, verzögert den Behandlungsbeginn und birgt die Gefahr des Entstehens nicht bedarfsgerechter Parallelstrukturen. Auf Initiative des Sozialministeriums wurden zwischenzeitlich in allen Stadt- und Landkreisen die kommunalen Suchthilfenetzwerke eingerichtet, welche um den Bereich Suchtprävention erweitert und in Kommunale Netzwerke Sucht umgestaltet werden und erfolgreich arbeiten. 101 Auf Grund des demografischen Wandels ist es derzeit eine große Herausforderung für die Kassenärztliche Vereinigung, ihrem Sicherstellungsauftrag nach dem altersbedingten Ausscheiden substituierender Ärztinnen und Ärzte nachzukommen. Neben der Aufrechterhaltung der bestehenden Substitutionsmöglichkeiten kommt der Verbesserung der rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen der Substitutionsbehandlung sowie gesellschaftlicher Teilhabe der Betroffenen eine besondere Bedeutung zu. Beide Themenkomplexe werden von Fachleuten sowie Praktikerinnen und Praktikern in der AG Substitution beim Sozialministerium fachlich aufgearbeitet, um einen breiten Konsens für die weitere Vorgehensweise zu schaffen und fundierte, abgestimmte Vorschläge in die politische Diskussion einzubringen. 102 XX. Krankenhauswesen 1. Allgemeines Die Krankenhausfinanzierung teilen sich seit Einführung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) im Jahr 1972 die Länder und die gesetzlichen Krankenversicherungen. Die Investitionskosten werden im Wege der Förderung von den Ländern getragen, die Krankenkassen finanzieren die laufenden Betriebskosten im Rahmen der Krankenhausvergütung. Die Krankenhäuser haben Anspruch auf entsprechende Investitionsförderung soweit und solange sie in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen sind. Die Fördermittel sind zweckgebunden und werden nach Maßgabe des KHG und des Landeskrankenhausgesetzes (LKHG) so bemessen, dass sie die förderfähigen und unter Beachtung des Versorgungsauftrages notwendigen Investitionskosten nach den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit decken. Die Förderung von Investitionskosten erfolgt dabei im Wege der Einzel- und Pauschalförderung. Während die Einzelförderung vor allem langfristige Investitionen wie etwa Neubauten oder Sanierungsmaßnahmen umfasst, beinhaltet die Pauschalförderung kleinere bauliche Maßnahmen und die Wiederbeschaffung kurzfristiger Anlagegüter. Zur Förderung des Krankenhausbaus in Baden-Württemberg werden auf der Grundlage des Krankenhausplans jährliche Investitionsprogramme aufgestellt (Jahreskrankenhausbauprogramme und ergänzende Förderprogramme). Die Landesregierung bekennt sich eindeutig zu seiner Finanzierungsverantwortung für Krankenhausinvestitionen. Insbesondere auf Basis neu erarbeiteter zukunftsorientierter Förderkriterien und Förderschwerpunkte soll eine flächendeckende, bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige gesundheitliche und medizinische Versorgung für alle Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg sichergestellt werden. Der aktiven Begleitung des laufenden Strukturwandels in der stationären Versorgung kommt mit der Krankenhausplanung und Krankenhausförderung eine besondere Bedeutung zu. Durch gezielten und ausreichenden Mitteleinsatz sollen die baulichen, medizinischen und organisatorischen Strukturen der Krankenhäuser kontinuierlich verbessert und zukunftsfähig gemacht bzw. gehalten werden. Zum weiteren sukzessiven Abbau des Antragsstaus (bei allen Förderarten) ist ein Ausbau der Krankenhausförderung notwendig. Bereits seit 2011 werden in der Krankenhausfinanzierung mehr Haushaltsmittel bereitgestellt. Auch im Haushalt 2015/2016 wird dieser Trend fortgesetzt. Bei der für die Krankenhausträger wichtigen, weil verlässlich kalkulierbaren, jährlichen Pauschalförderung konnte 2012 nach längerer Zeit eine Erhöhung um 10 Mio. Euro erreicht werden. 2. Krankenhausplanung Der nach dem KHG und dem LKHG vom Land aufzustellende Krankenhausplan ist Grundlage für die Krankenhausförderung des Landes. Der Krankenhausplan 2010 vom 9. November 2010 gibt die wichtigsten Grundsätze für eine qualitativ hochwerti103 ge, wirtschaftliche, konzentrierte und dennoch flächendeckende Versorgungsstruktur bei relativ hoher Patientennähe in Baden-Württemberg vor. Er wird in zeitlich unterschiedlichen Intervallen der Entwicklung angepasst. Im Mittelpunkt steht die kontinuierliche Anpassung der Strukturen und der Versorgungskapazitäten an den sich laufend verändernden Bedarf. Baden-Württemberg hat mit seiner seit vielen Jahren bewährten, konsequent am Konsens aller Beteiligten orientierten Krankenhauspolitik den aktuellen Entwicklungen Rechnung getragen. Dabei wurden die Hauptziele nie aus dem Auge verloren, nämlich durch Verzicht auf entbehrliche Kapazitäten und unwirtschaftliche Strukturen die notwendigen Freiräume für medizinische Innovationen zu schaffen und damit die Versorgungsqualität weiter zu verbessern, die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen sowie eine regionale Ausgewogenheit zu erlangen. Seit 1983 sind in Baden-Württemberg in einem kontinuierlichen Prozess im Saldo 141 der ehemals 363 Krankenhäuser weggefallen, eine große Zahl davon durch endgültige Schließung. Einige Krankenhäuser wurden in ein anderes – meist leistungsfähigeres – Krankenhaus integriert. Andere wurden in Pflegeheime, Sozialstationen, Praxisgemeinschaften oder auch Rehabilitationseinrichtungen umgewandelt. Die Krankenhausbetten bzw. -plätze haben sich um rund 12.900 reduziert. Krankenhausentwicklung in Baden-Württemberg seit Inkrafttreten des Krankenhausbedarfsplans II (01.01.1983) Stichtag ... Planrelevante Krankenhäuser 1) Planrelevante Betten / Plätze Anzahl Insgesamt 01.01.1983 363 70.535 31.12.1993 306 68.395 31.12.1998 296 65.301 31.12.2002 284 64.407 01.01.2011 237 58.026 01.01.2014 222 57.607 Erläuterungen: 1) jeweils einschließlich selbständiger Tageskliniken und zugelassener im Bau befindlicher Einrichtungen; Einrichtungen mit Versorgungsvertrag nach § 109 SGB V, die für einen Teilbereich auch nach dem KHG gefördert werden, sind als zwei Einrichtungen gezählt Die Versorgung von Suchtkranken (niedrigschwelliger Entzug) und Schmerzpatientinnen und -patienten oder die Ausstattung von Tumorzentren und der Onkologischen Schwerpunkte wurden verbessert. Das Konzept zur Versorgung von Schlaganfallpatienten wurde aktualisiert. Das Fachkonzept zur Neurologischen Frührehabilitation Phase B sowie die Fachplanung Kinder- und Jugendpsychiatrie wurden fortgeschrieben. 104 Zwischen qualitativer Weiterentwicklung der Krankenhausversorgung und Konzentration von Kapazitäten besteht somit kein Widerspruch. Der Bettenindex liegt derzeit im vollstationären Bereich in Baden-Württemberg bei 50,7 Betten je 10.000 Einwohner. Im Ländervergleich schneidet Baden-Württemberg hinsichtlich der Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen am besten ab. Auf 1.000 Versicherungsjahre kommen 178,5 Krankenhausfälle und 1.428,2 Krankenhaustage. Bei den übrigen Bundesländern liegt die Anzahl der Krankenhausfälle zwischen 195,5 und 229; die Anzahl der Krankenhaustage je 1.000 Versichertenjahre liegt zwischen 1.528,1 und 1.808,2. Auch die Krankenhauskosten je Versichertenjahr fielen 2013 mit 713 Euro in Baden-Württemberg im Vergleich zu den anderen Ländern am niedrigsten aus (übrige Bundesländer zwischen 750 und 882 Euro). Die Entwicklung der Krankenhausdaten in Baden-Württemberg seit 1990 bis ein4 schließlich 2010 stellt sich wie folgt dar : Jahr stationäre Behandlungsfälle Pflegetage Pflegetage Verweildauer Bettennutzung Mio. Mio. je 1.000 EW Tage v. H. 1990 1,604 21,6 2.197 13,50 85,3 2009 1,992 15,9 1.515 8,00 75,9 2010 2,019 15,9 1.478 7,87 76,1 2013 2,082 15,7 1.452 7,52 77,13 Unter Einsatz beträchtlicher Investitionsmittel muss das Krankenhauswesen unterstützt werden, um sicherzustellen, dass das bestehende medizinische Wissen und die weiteren Fortschritte der Medizin auch künftig allen Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stehen (Innovation erfordert Investition). Das Land wird dies mit Fördermitteln und im intensiven Kontakt mit allen Beteiligten unterstützen. 3. Investitionsprogramme Die Entwicklung der Haushaltsmittel des Landes für die Förderung der Plankrankenhäuser seit 2005 ergibt sich aus der nachstehenden Übersicht: 4 Quelle: Stat. Landesamt Baden-Württemberg; Berechnungen des Sozialministeriums 105 Mittelaufbringung in Mio. Euro Jahr 2005 2006 2007 2008 6 2009 7 2010 2011 5 2012 2013 2014 2015 2016 gesamt 281,2 296,7 305,0 310,0 340,0 337,0 382,5 370,0 385,0 410,0 437,5 455,7 davon KIF 281,2 296,7 305,0 310,0 340,0 337,0 332,5 370,0 385,0 410,0 437,0 455,2 5 Von den zur Verfügung stehenden Mitteln wurden 2012 rd. 157,2 Mio. Euro und 2013 rd. 155,7 Mio. Euro im Rahmen der Pauschalförderung verausgabt; für 2014 sind 160 Mio. Euro für die Pauschalförderung vorgesehen. Bezogen auf die Investitionsprogramme (Bau- und Förderprogramme) stellt sich die Entwicklung seit 2005 wie folgt dar: Bau-, Förder-(Regional-)programm in Mio. Euro Jahr 2005 2006 2007 2008 2009 4 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 5 6 7 Bauprogramm 150,80 163,80 161,30 162,00 162,00 162,00 235,00 230,00 250,00 250,00 250,00 255,00 Förder-/Regionalprogramm 9,00 9,00 9,00 9,00 15,00 10,00 14,50 8,00 8,00 8,00 8,00 8,00 Summe Investitionsprogramm 159,80 172,80 170,30 171,00 177,00 172,00 249,50 238,00 258,00 258,00 258,00 263,00 KIF = Kommunaler Investitionsfonds aus Finanzausgleichsmasse B nach FAG zuzüglich 130 Mio. Euro aus dem Zukunftsinvestitionsprogramm des Bundes (ZIP) sowie 25 Mio. Euro Verpflichtungsermächtigungen aus dem Landesinfrastrukturprogramm (LIP) mit späterer Abdeckung in Kap. 0922 TG 91 inklusive Abdeckung Landesinfrastrukturprogramm (LIP) 106 4. Finanzierungsbedarf Bei der Aufstellung des Jahreskrankenhausbauprogramms 2014 betrug der Anmeldebestand zum Stichtag 1. Oktober 2013 rund 751 Mio. Euro. Darin sind stets in erheblichem Umfang auch nicht förderfähige Kostenanteile enthalten. Wie hoch der förderfähige Kostenrahmen eines einzelnen Projektes tatsächlich ist, wird erst nach Abschluss der baufachlichen und förderrechtlichen Detailprüfung der eingereichten Antragsunterlagen festgelegt. Mit dem Jahreskrankenhausbauprogramm 2014, das im Dezember 2013 vom Ministerrat beschlossen wurde, kann mit einem zur Verfügung gestellten Gesamtfördervolumen in Höhe von 250 Mio. Euro ein Anmeldebestand von mehr als 400 Mio. Euro abgebaut werden. Der Anmeldebestand konnte auf Grund des zusätzlichen Bauprogrammvolumens reduziert werden. An mehreren Krankenhausstandorten zeichnen sich jedoch in näherer Zukunft große Baumaßnahmen ab. Exemplarisch seien hier anstehende Klinikgroßprojekte in den Stadtkreisen Stuttgart, Karlsruhe und Heilbronn sowie in den Landkreisen Schwäbisch Hall, Böblingen, Göppingen und Biberach erwähnt. Als wesentliche Gründe dieser Entwicklung sind zu nennen: Der Kostendruck im Gesundheitswesen zwingt die Krankenhäuser, ihre inneren und äußeren Strukturen neu zu ordnen, zu vernetzen, zu konzentrieren, Schwerpunktsetzungen zu verabreden und vieles andere mehr, um die Effizienz im medizinischen und ökonomischen Bereich zu steigern. Das DRGEntgeltsystem (Fallpauschalen) wird diesen Zwang noch erheblich erhöhen. Um solche Veränderungen in Gang zu setzen, bedarf es erfahrungsgemäß erheblicher Investitionen. Es werden kontinuierlich neue medizinische Untersuchungs- und Behandlungsmethoden entwickelt, deren Anwendung sowohl neue und teure Geräte als auch zusätzliche Flächen und Räume im Krankenhaus erfordern. Aus bisher eher untergeordneten Leistungsschwerpunkten werden eigene Fachgebiete, die eine eigene Infrastruktur am Krankenhaus erfordern. Beispiele hierfür sind Herzchirurgie, Kinderchirurgie, Plastische Chirurgie und Psychotherapeutische Medizin. Obwohl die Verweildauer kontinuierlich sinkt, nimmt die Patientenzahl auf Grund der sich rapide verändernden Altersstruktur weiter zu. Es werden in immer kürzerer Zeit immer mehr Patientinnen und Patienten im Krankenhaus behandelt. Diese zunehmende Leistungsverdichtung führt dazu, dass die Krankenhäuser schneller wieder der Sanierung bedürfen. Mittlerweile werden schon Krankenhäuser zur Generalsanierung angemeldet, die erst in den 70er-Jahren komplett neu gebaut wurden. Im Zuge der eingeführten Abrechnung über DRG/Fallpauschalen und zur Erreichung optimaler Betriebsstrukturen beabsichtigen einige Krankenhausträger im Land ihre Häuser baulich und betrieblich umfassend umzustrukturieren. Alternativ werden an einigen Krankenhausstandorten neben umfassenden baulichen und organisatorischen Bestandssanierungen auch verstärkt Komplettneubauten diskutiert. Neubauten können im Ausnahmefall, gerade bei einem örtlich hohen Anpassungsbedarf der Bettenkapazitäten und Versorgungsstrukturen oder bei einer überalterten Bausubstanz mit hohem Sanierungspotenzial eine zielführende Realisierungsvariante darstellen. Den höheren Investitionskosten eines Neubaus stehen dauerhaft, aufgrund optimaler Betriebsstrukturen, günstigere Betriebskosten gegenüber. Um dauerhaft 107 leistungs- und wettbewerbsfähige Krankenhäuser in Baden-Württemberg zu haben, werden die Bemühungen der Träger vom Land nachhaltig unterstützt. Neben dem Einstieg in neue Großvorhaben müssen aber an bedarfsgerechten Krankenhausstandorten bereits begonnene Sanierungen kontinuierlich weitergeführt und zum Abschluss gebracht werden. Dies führt im Ergebnis dazu, dass der Rahmen der künftigen Investitionsförderung erhöht werden muss, um den Investitionsstau Zug um Zug abzubauen. Auch bei der Pauschalförderung wäre eine weitere Erhöhung der Mittel dringend notwendig. 108 XXI. Berufsrecht sowie Aus- und Weiterbildung im Bereich der Gesundheits- und Pflegeberufe 1. Landesförderung der Ausbildung von Personal in der Pflege und in sozialen Berufen Haushaltswirksam sind insbesondere die Ausgaben im Bereich der Privatschulförderung für die in freier Trägerschaft befindlichen Schulen für Altenpflege, für Altenpflegehilfe und für soziale Berufe. Es handelt sich bei allen Schulen um Ersatzschulen, die nach Privatschulgesetz einen Rechtsanspruch auf Förderung haben. Demgegenüber wird das Krankenpflegepersonal an mit Krankenhäusern verbundenen Schulen ausgebildet. Diese Schulkosten werden über eine Umlage mit den Krankenhausentgelten finanziert. In der Krankenpflege und Krankenpflegehilfe wurden im Schuljahr 2013/14 8.892 Schülerinnen und Schüler ausgebildet. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler an privaten Altenpflege- und Altenpflegehilfeschulen hat sich gegenüber dem letzten Berichtszeitraum im Schuljahr 2013/14 auf 6.114 erhöht. Damit hat sich der Anstieg fortgesetzt. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler an öffentlichen Altenpflegeschulen (Geschäftsbereich des Kultusministeriums) ist ebenfalls angestiegen. Schuljahr 1991/92 2000/01 2011/12 2012/13 2013/14 Schülerzahlen an privaten Altenpflege- und Altenpflegehilfeschulen Schülerzahlen an öffentlichen Altenpflege- und Altenpflegehilfeschulen 2.125 3.367 5.813 6.033 6.114 448 2.476 3.983 4.034 4.076 Gesamt 2.573 5.843 9.796 10.067 10.190 An den privaten Schulen für Sozialberufe wurden im Schuljahr 2013/14 insgesamt 5.123 Schülerinnen und Schüler ausgebildet. Schulart Fachschule für Heilerziehungspflege Fachschule für Haus- und Familienpflege Fachschule für Heilerziehungshilfe Fachschule für Heilpädagogik Fachschule für Jugend- und Heimerziehung Fachschule für Arbeitserziehung Berufsfachschule für Sozialpflege – Alltagsbetreuung Gesamt Schülerzahlen im Schuljahr 2013/14 2.319 81 83 380 1.504 615 141 5.123 Das Landespflegegesetz bietet die Möglichkeit, innerhalb der landesrechtlichen Gesetzgebungskompetenz Pflegeberufe unterhalb der dreijährigen Ausbildung zu re109 geln. Derzeit wird ein zweijähriger Pflegeberuf modellhaft erprobt. Des Weiteren werden besondere Ausbildungsangebote erprobt, die sich an zusätzlichen Anforderungen orientieren, wie z.B. die Verknüpfung einer Altenpflegehilfeausbildung mit einem Deutschkurs. Neu geschaffen wurde der Ausbildungsgang Heilerziehungsassistenz als Weiterentwicklung der bisherigen Heilerziehungshilfe. Die Weiterbildungen in der Krankenpflege, z.B. Intensivmedizin, werden zurzeit an die aktuellen Bedürfnisse angepasst. Informations- und Werbekampagne „Attraktivität der Pflegeberufe und der sozialen Berufe“ in Baden-Württemberg Nach Angaben des Statistischen Landesamtes werden in Baden-Württemberg in zwanzig Jahren rund 60 % mehr Pflegekräfte in ambulanten und stationären Einrichtungen benötigt als heute. Um dem prognostizierten Bedarf an Pflegekräften gerecht zu werden, soll mit einer Informations- und Werbekampagne die Attraktivität der Pflege insgesamt hervorgehoben und auf eine neue gesellschaftliche Anerkennung der Pflege hingewirkt werden. Unter dem Motto "Vom Fach – Für Menschen, Pflege- und Sozialberufe in BadenWürttemberg" werden die großen Leistungen sowie die fachliche und persönliche Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege sowie in den sozialen und hauswirtschaftlichen Berufen in der Öffentlichkeit dargestellt. Außerdem wird über die jeweiligen Berufsbilder, Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten sowie die Veränderungen, die das Feld der Pflege und die Pflegenden betreffen, informiert. Zur Begleitung der Kampagne wurde eine Lenkungsgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern von Verbänden und Partnern eingerichtet. Die Kampagne wurde im Herbst 2012 mit einer Auftaktveranstaltung gestartet. Es wurden eine Internetseite freigeschaltet und verschiedene weitere Materialien erstellt, die eine Vielzahl von Informationen zu Pflege- und sozialen Berufen bieten. Schwerpunkt der Arbeit im Rahmen der Kampagne stellt zurzeit der Besuch von Ausbildungsmessen und anderen Veranstaltungen dar. 2. Landesförderung privater Schulen für Gesundheitsberufe Die Gesundheitsberufe sind in vielen Bereichen der Prävention, Therapie und Rehabilitation sowohl in der Kinder- als auch Erwachsenenversorgung vertreten. Ihnen kommt eine immer größere Bedeutung zu. Die Gesundheitsberufe sind erheblichen Wandlungen unterworfen und müssen sich geänderten Anforderungen stellen. Eine qualifizierte Aus-, Fort- und Weiterbildung ist daher geboten. Die Förderung von Schulen in freier Trägerschaft (Privatschulen) für die Gesundheitsberufe aus Landesmitteln ist eine wichtige gesundheits- und sozialpolitische Aufgabe des Landes Baden-Württemberg. Die gewährten Zuschüsse an nicht mit Krankenhäusern verbundene Privatschulen im Rahmen des Privatschulgesetzes und nach Maßgabe des Staatshaushaltsplanes sollen dazu beitragen, dass eine qualitativ gute Ausbildung in den Gesundheitsberufen angeboten werden kann. 110 Der Dienstleistungssektor Gesundheit ist im Wachstum begriffen und beinhaltet noch Wachstumspotenziale, die zur Schaffung von Arbeitsplätzen bzw. zu deren Erhalt beitragen können. Nicht nur die demografische Entwicklung (Zunahme des Anteils älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung), sondern auch das zunehmend problematische Bewegungs- und Ernährungsverhalten der jüngeren Bevölkerung sowie die Belastungen der arbeitenden Bevölkerung am Arbeitsplatz ziehen einen vermehrten Bedarf an qualifizierten Fachkräften im Gesundheitswesen nach sich. Neue Beschäftigungsmöglichkeiten und neue Berufsbilder erwachsen auch durch den weiterhin rasanten medizinisch-technischen Fortschritt und die zunehmende Qualitätssicherung bei den Gesundheitsleistungen und -dienstleistungen. Die Privatschulförderung für Gesundheitsberufe gliedert sich in zwei Bereiche. Zum einen werden die genehmigten Ersatzschulen (Berufskollegs und Berufsfachschulen) auf Grund des Rechtsanspruchs auf Fördermittel nach dem Privatschulgesetz durch einen vom Kultusministerium festgelegten Kopfsatz je Schülerin bzw. Schüler zum Stichtag der amtlichen Schulstatistik gefördert. Zum anderen erhalten die staatlich anerkannten Ergänzungsschulen (Ergotherapie- und Podologieschulen sowie Schulen für Masseure und medizinische Bademeister/Masseurinnen und medizinische Bademeisterinnen) eine Förderung nach Maßgabe des Staatshaushaltsplans. In den vergangenen Jahren stieg sowohl die Anzahl der geförderten Schulen als auch die Zahl der zu fördernden Schülerinnen und Schüler stetig an. Dieser Trend wird sich auch weiterhin fortsetzen. Landesförderung privater Schulen für Gesundheitsberufe: Jahr 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Ersatzschulen 29 31 33 31 32 33 34 37 37 39 40 43 45 45 Schulen Schülerzahl Ergänzungs- ErsatzErgänzungsschulen schulen schulen 11 1.994 960 12 1.960 979 13 2.144 997 14 2.252 1.064 15 2.531 1.124 15 2.621 1.160 15 2.700 1.171 16 3.132 1.210 17 3.164 1.184 18 3.276 1.139 19 3.411 1.088 19 3.625 1.112 19 3.809 1.041 21 3.747 1.170 Fördermittel (umgerechnet in Tsd. Euro) 9.355.8 9.288.5 10.387.7 10.631,7 11.197,1 12.146,2 12.997,6 14.443,3 15.186,2 16.207,9 16.992,3 17.527,5 19.064,2 19.831,7 Der Kostendeckungsgrad der Ersatzschulen gegenüber den öffentlichen Schulen betrug 2012 71,5 %. Eine erste Erhöhung erfolgte im August 2013. Durch die im Jahr 2014 erfolgte Erhöhung (rückwirkend zum 01.08.2014) liegt dieser jetzt bei 78,7 %. Eine zusätzliche Erhöhung ab August 2015 ist ebenso eingeplant. Die Zuschussanhebung entspricht dem Ziel der Landesregierung, bei der Förderung der Schulen in freier Trägerschaft einen Kostendeckungsgrad von mindestens 80 % zu erreichen. 111 Neu in Baden-Württemberg implementiert wurde die bundesrechtlich geregelte Ausbildung der Notfallsanitäterin/des Notfallsanitäters, die auf der bisherigen Ausbildung der Rettungsassistentin/des Rettungsassistenten aufbaut. 112 XXII. Bürgerschaftliches Engagement, Ehrenamt, Freiwilligendienste 1. Allgemeines In Baden-Württemberg sind Tag für Tag rund vier Millionen Menschen in ihrer Freizeit freiwillig und unentgeltlich für andere Menschen oder in gemeinschaftlichen Projekten aktiv. Das sind 41 % der Bevölkerung hier im Land. Damit liegt BadenWürttemberg im Bundesvergleich mit an der Spitze. Dieses gute Ergebnis hat Tradition und bestätigt die konsequente Unterstützung des bürgerschaftlichen Engagements und Ehrenamts durch die Landesregierung. Freiwillig Engagierte und gemeinschaftlich Aktive Baden-Württemberg 2009 41% 33% 26% 2004 42% 31% 27% 1999 40% 31% 29% BRD 2009 36% 35% 2004 36% 34% 1999 34% freiwillig engagiert 32% 29% 30% 34% gemeinschaftlich aktiv (aber ohne freiwilliges Engagement) © zze Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung 2010 nichts davon Landesauswertung FWS 2009 für Baden-Württemberg (Sept. 2010) 2 Erfreulich ist, dass auch die Zahl der Menschen in Baden-Württemberg, die sich vorstellen können, künftig ehrenamtlich tätig zu werden, weiterhin hoch ist. Hierzu zählen auch viele junge Menschen, die sich freiwillig einsetzen. Junge Menschen in Schule oder Ausbildung weisen mit 48 Prozent eine überdurchschnittliche Engagementquote auf. Beim Berufseinstieg oder in der Familiengründungsphase (ca. 20 bis 34 Jahre) nimmt das Engagement ab, um in der Altersgruppe der 45- bis 49-jährigen den Gipfel zu erreichen. Insgesamt übten in Baden-Württemberg mehr als die Hälfte (54 %) der Engagierten bereits im Alter von 6 bis 19 Jahren eine freiwillige Tätigkeit aus (Bundesebene: 51 %). Im Alter zwischen 14 und 30 Jahre engagieren sich 43 Prozent. 113 Freiwillig Engagierte nach Alter (Baden-Württemberg, 2009) 48% 14 bis 19 Jahre 20 bis 24 Jahre 41% 40% 25 bis 29 Jahre 37% 30 bis 34 Jahre 38% 35 bis 39 Jahre 45% 40 bis 44 Jahre 48% 45 bis 49 Jahre 44% 50 bis 54 Jahre 55 bis 59 Jahre 46% 46% 60 bis 64 Jahre 40% 65 bis 69 Jahre 36% 70 bis 74 Jahre 24% 75 bis 79 Jahre 80+ Jahre 13% © zze Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung 2010 Landesauswertung FWS 2009 für Baden-Württemberg (Sept. 2010) 14 Der Schwerpunkt des Engagagents liegt bei Sport und Bewegung. Die Waagschale halten sich die Bereiche Kultur und Musik, Schule und Kindergarten mit der Kirche und Religion. Schlusslicht bildet dagegen das politische Engagement. Gestiegen ist die Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund, die ehrenamtlich aktiv sind. Auch Erwerbstätige engagieren sich besonders häufig. Es ist erfreulich, dass immer mehr ehrenamtlich und bürgerschaftlich Aktive bereit sind, sich für ihre Tätigkeiten auch weiterzubilden. In welchen Bereichen sind Engagierte tätig? (BadenWürttemberg) (Mehrfachnennungen möglich) 1999 2004 2009 Sport und Bewegung 16% 15% 12% Kultur und Musik 6% 9% 8% Schule und Kindergarten 6% 8% 8% Kirche und Religion 8% 9% 8% Sozialer Bereich 4% 7% 6% Freizeit und Geselligkeit 6% 5% 4% Jugendarbeit und Erwachsenenbildung 1% 3% 3% Unfall, Rettungsdienst und Feuerwehr 2% 3% 3% Umwelt, Natur- und Tierschutz 2% 4% 3% Politik 2% 3% 3% Berufliche Interessenvertretung 2% 2% 2% Gesundheitsbereich 2% 1% 2% Sonstige Bereiche und Bürgerschaftliche Aktivität 2% 2% 1% Justiz und Kriminalität 0% 1% 1% Engagementbereich © zze Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung 2010 114 Landesauswertung FWS 2009 für Baden-Württemberg (Sept. 2010) 9 2. Bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt Das Landesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement in Baden-Württemberg begleitet und unterstützt das bürgerschaftliche Engagement im Land durch systematische und kontinuierliche Arbeit an Rahmenbedingungen und Strukturen. Kern des Landesnetzwerkes sind das Gemeindenetzwerk, das Landkreisnetzwerk, das Städtenetzwerk, die Arbeitsgemeinschaft des Bürgerschaftlichen Engagements, die Fachkräfte im Landesnetzwerk sowie die Bürgermentorinnen und Bürgermentoren und das Referat Bürgerschaftliches Engagement im Sozialministerium. Im Landesnetzwerk spielen wissenschaftliche Begleitung, Fachberatung und Qualifizierungsträger eine wichtige Rolle. Zwischenzeitlich wurde das Landesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement geöffnet und um landesweit agierende Verbände, Vereine und den Bereich des Sports erweitert. Die vierte Kooperationsvereinbarung zwischen dem Gemeindetag, dem Landkreistag, dem Städtetag und dem Sozialministerium Baden-Württemberg sieht einen besonderen Schwerpunkt darin, das Engagement jener Bürger und Bürgerinnen zu stärken, die derzeit nur begrenzt Zugang zu Bürgerschaftlichem Engagement haben. Dazu wurde im Jahr 2012 im Rahmen eines breit angelegten Beteiligungsprozesses die „Engagementstrategie Baden-Württemberg“ entwickelt. Alle wichtigen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sowie Unterstützerinnen und Unterstützer des Bürgerschaftlichen Engagements im Land haben daran mitgewirkt. Hintergrund der Überlegungen war einerseits der Eindruck, dass das Bürgerschaftliche Engagement in Baden-Württemberg neuer Impulse bedarf. Zum anderen sollen zusätzliche Engagementpotentiale aktiviert und Hemmnisse, die einem Engagement im Weg stehen, abgebaut werden. Nachdem der Ministerrat am 08.04.2014 den Umsetzungsschritten zur „Engagementstrategie Baden-Württemberg“ zugestimmt hat, wurde im Rahmen einer Auftaktveranstaltung am 23.06.2014 in Stuttgart der Startschuss für die sich unmittelbar anschließende Umsetzungsphase gegeben. Zentrales Element der Umsetzung sind dabei Maßnahmen und Empfehlungen, die von Akteuren des Bürgerschaftlichen Engagements vor Ort modellhaft mit dem Ziel erprobt werden sollen, das solidarische Zusammenleben in einer Gesellschaft der Vielfalt zu verbessern. Das Landesprogramm „Gemeinsam sind wir bunt“ bietet über eine Laufzeit von zweieinhalb Jahren die Möglichkeit, in einem ersten Schritt das eigene Lebensumfeld zu erkunden und zu aktivieren und in einem zweiten Schritt konkrete Handlungsempfehlungen der „Engagementstrategie Baden-Württemberg“ umzusetzen. Das Vorhaben der Engagementstrategie wird von der BW-Stiftung über die Laufzeit bis Frühjahr 2017 mit insgesamt 1,5 Mio. Euro unterstützt. Ehrenamtliche Arbeit in all ihren Facetten und Tätigkeitsfeldern ist Ausdruck von Verantwortungsbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, von Solidarität für die Gemeinschaft. Es ist die Pflicht des Staates, Voraussetzungen zu schaffen, dass sich dieses entfalten kann. Funktionsfähigkeit und Selbstverständnis unseres Gemeinwesens sind auf diese Art gelebter Solidarität angewiesen. Mit dem Ehrenamtswettbewerb ´Echt gut` und einer anschließenden Gala für die Gewinner wurde der große Dank der Landesregierung an die seit vielen Jahren Engagierten in den Jahren 2013 und 2014 zum Ausdruck gebracht. 115 3. 3.1 Freiwilligendienste Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) Ein Schwerpunkt ist das „Freiwillige Soziale Jahr“. Baden-Württemberg ist mit rund 10 900 Freiwilligen im FSJ im Jahr 2013 das Land der Freiwilligendienste; es gilt, dieses bewährte Format zu erhalten. Neben der Förderung durch das Land obliegen dem Sozialministerium die Zulassung von Trägern, die zur Durchführung eines FSJ berechtigt sind, sowie die Ausgestaltung des FSJ im Land, auch unter Berücksichtigung des Bundesfreiwilligendienstes. Für junge Freiwillige ist ein Einsatz im FSJ als Ort des sozialen Lernens eine Bereicherung, in dem sie berufliche Orientierung erfahren, soziale Kompetenzen erwerben und lernen, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Mit dem FSJ erfolgt häufig eine berufliche Orientierung der Freiwilligen. Damit verbunden ist eine starke Motivation zur Wahl eines sozialen Berufes. Von einer wachsenden Nachfrage am FSJ profitiert vorrangig die Allgemeinheit, indem sich die jungen Menschen durch ihren Einsatz aktiv an der Bürgergesellschaft beteiligen und sich häufig auch nach Abschluss des FSJ für andere engagieren. Die Träger haben in den vergangenen Jahren ihre Platzzahlen kontinuierlich steigern können. Um auch zukünftig junge Freiwillige für einen Dienst zu gewinnen, ist es unverzichtbar, die derzeitigen Qualitätsstandards zu erhalten und zu steigern. Deshalb ist eine Förderung im bisherigen Rahmen unabdingbar. 3.2 Landesprogramm Mittendrin Mit dem Projekt „Mittendrin“ sollen Freiwillige angesprochen werden, die sich bisher nicht engagiert haben und die bereit sind, ihr Wissen und ihr Engagement verbindlich über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten mit einer wöchentlichen Mindesteinsatzdauer von etwa fünf Stunden für ein Projekt zur Verfügung zu stellen. Inhaltliche Schwerpunkte des Programms „Mittendrin“ sind Entfaltung des Erfahrungswissens Älterer in der freiwilligen Tätigkeit, die Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund, die Unterstützung von benachteiligten Kindern, der Abbau von Stigmatisierungen bei Menschen mit Handicaps und generationsübergreifende Projekte. Neue innovative Projekte in Bereichen mit Nachholbedarf werden mit maximal 5 000 Euro gefördert. 116 XXIII. Europa 1. Europäische Sozial- und Gesundheitspolitik In der europäischen Arbeits-, Gesundheits- und Sozialpolitik wirken die Länder in erster Linie über den Bundesrat an der politischen Willensbildung und Entscheidungsfindung mit. Im Vorfeld stimmen die Länder Positionen im Rahmen der Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) und in der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) ab. Beide Fachministerkonferenzen haben EU-Arbeitsgruppen eingerichtet. Diese erarbeiten auch Beschlüsse und Anträge für das Bundesratsverfahren und für die Ministerkonferenzen. Aus Anlass der neuen Mandatsperioden des Europäischen Parlaments sowie der Europäischen Kommission wurden sozial- und beschäftigungspolitische Erwartungen, deren Zielerreichung und Weiterentwicklung künftig in den Blick zu nehmen sind, an die EU formuliert und im Rahmen der Konsultation zur Strategie 2020 Stellung genommen. Den Informationsaustausch führen die Länder über Bundesratsvertretungen in EUGremien, insbesondere in den Ratsarbeitsgruppen für Sozialfragen und für Gesundheitsfragen sowie durch direkte Kontakte zu EU-Stellen und relevanten Interessenvertretungen in Brüssel, die vor allem auch von der bzw. dem Beauftragten in der Landesvertretung in Brüssel wahrgenommen werden. 2. Grenzüberschreitende, europäische und internationale Zusammenarbeit 2.1 Grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit den Nachbarländern Frankreich, Schweiz, Österreich und Liechtenstein Im Bereich der Gesundheits- und Sozialpolitik ist die Kooperation mit den Nachbarländern entlang der Grenzen Baden-Württembergs weiter vertieft worden. Die Zusammenarbeit erfolgt insbesondere im Rahmen der Internationalen Bodenseekonferenz (IBK) und der Deutsch-Französisch-Schweizerischen Oberrheinkonferenz (ORK), darüber hinaus auch bilateral mit der Schweiz und Frankreich sowie auch im Rahmen behördlicher Zusammenarbeit. 2.2 Deutsch-Französisch-Schweizerische Oberrheinkonferenz (ORK) Im Rahmen der Arbeitsgruppe Gesundheitspolitik der ORK, deren Vorsitz 2014 für die nächsten drei Jahre von Baden-Württemberg an die Schweiz überging, haben sich regelmäßige Arbeitskontakte entwickelt. Grenzüberschreitende gesundheitspolitische Fragestellungen werden zur Bearbeitung an mehrere Expertenausschüsse verwiesen. 117 Wichtige Themen und Projekte sind vor allem die Mobilität von Patienteninnen und Patienten und Gesundheitsdienstleistungen im stationären, ambulanten und rehabilitativen Bereich, Fachkräftemangel im Gesundheits- und Pflegebereich, die grenzüberschreitende Notfallrettung, Epidemiologie, übertragbare Krankheiten (Projekt Epi-Rhin), Influenzapandemie, Gesundheitsprävention, betriebliches Gesundheitsmanagement sowie Sucht- und Drogenprävention, Gesundheitsberichterstattung und Fragen der grenzüberschreitenden Sozialversicherung. Hierfür wurde eine trinationale Gesundheitsinformationsplattform entwickelt und erste Konzeptionen zu einem grenzüberschreitenden Ärztehaus am Oberrhein zur Sicherstellung der Gesundheitsversorgung in strukturschwachen Regionen mit den beteiligten Institutionen erörtert. Der Mangel an Fachkräften im Gesundheits- und Pflegebereich wird im Rahmen einer Studie derzeit untersucht. Am 17./18. November 2014 fand ein trinationaler Kongress zum Thema „Gesundheitsversorgung ohne Grenzen – Erfahrungen und Aussichten in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung“ in Baden-Baden statt. 2.3 Internationale Bodenseekonferenz (IBK) Schwerpunkte der Zusammenarbeit mit den Nachbarländern und Kantonen des Bodenseeraums im Rahmen der IBK-Kommission Gesundheit und Soziales sind vor allem im Bereich der gesundheitlichen Prävention angesiedelt. Wichtige Projekte und Themen sind die „Gesundheitsförderung im Bodenseeraum“, ein gemeinsames Präventionsprojekt mit Preisverleihung, das EU-Modellprojekt „Adipositas Kompetenzzentrum KIG – Kinder im Gleichgewicht“, grenzüberschreitende Rehabilitationsangebote im Bodenseeraum, die Erörterung der demografischen Entwicklung im Bodenseeraum, Zukunft der Krankenhauslandschaft, Zusammenarbeit im Rettungswesen, Influenzapandemie, E-Health, die Mobilität von Gesundheitsdienstleistungen und Patientinnen bzw. Patienten im Bodenseegebiet sowie der Mangel an Fachkräften im Gesundheits- und Pflegebereich. Die Zusammenarbeit in Fragen der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung soll vertieft werden. Für die Jahre 2015/2016 sind weitere Treffen von Expertinnen und Experten zu den aktuellen Themen geplant. Am 10./11. Juni 2015 wird auf Einladung von Ministerin Katrin Altpeter MdL eine Konferenz der Gesundheitsministerinnen und -minister in Konstanz stattfinden. 2.4 Bilaterale Zusammenarbeit mit Frankreich und der Schweiz Das Deutsch-Französische Rahmenabkommen und die Verwaltungsvereinbarung über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich sind wichtige Grundlagen für die Intensivierung der Kooperation mit Frankreich. Die Kontinuität dieser Arbeit wird auch 2015/16 im Mittelpunkt der Aktivitäten stehen. Darüber hinaus setzt das Sozialministerium die laufende grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Arbeitsschutzbehörden aus Baden-Württemberg und dem Elsass fort. Im Grenzgebiet zur Nordschweiz steht die Fortsetzung des Pilotprojekts BaselLörrach zur Mobilität von Patientinnen und Patienten sowie Gesundheitsdienstleistungen im stationären und rehabilitativen Bereich im Mittelpunkt der Zusammenarbeit. 118 2.5 Zusammenarbeit mit den Donauanrainerländern Die Zusammenarbeit mit den Donauanrainerländern konzentriert sich vor allem auf Fragen der Gesundheitsversorgung sowie Fragen der Integration von Roma in diesen Ländern. Im Mittelpunkt steht die Teilnahme an dem 4. Jahresforum der EUDRS im November 2015 in Ulm sowie die Fortsetzung der Donaugesundheitskonferenz. Hier hat Bukarest bereits Interesse zur Durchführung der 2. Donaugesundheitskonferenz bekundet. Sowohl mit Ungarn als auch Bulgarien bestehen im Rahmen von Gemischten Regierungskommissionen gemeinsame Arbeitsprogramme, die zusammen mit den jeweiligen Fachministerien durchgeführt werden. Mit Polen und Rumänien wurde vor allem durch die Zentren für Psychiatrie in BadenWürttemberg eine enge Zusammenarbeit beim Aufbau gemeindenaher Versorgungsstrukturen und beim Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer entwickelt. Diese Zusammenarbeit wird weiter fortgesetzt. 2.6 Sonstige internationale Zusammenarbeit Die internationale Zusammenarbeit des Sozialministeriums orientiert sich wesentlich an den Schwerpunkten der Politik der Landesregierung. Zu diesen zählt auch die Zusammenarbeit mit der chinesischen Provinz Jiangsu. Im Rahmen der Gemischten Arbeitsgruppe Jiangsu – Baden-Württemberg wurde 2014 für die künftige Zusammenarbeit ein umfangreiches Arbeitsprogramm auf dem Gebiet des Gesundheitswesens vereinbart. In diesem Rahmen finden jährlich mehrmonatige Ärztehospitationen chinesischer Ärztinnen und Ärzte in Kliniken in Baden-Württemberg statt. Seit April 2011 besteht auf dem Gebiet der Sozialversicherung eine Kooperationsvereinbarung mit der Provinz Jiangsu, die u.a. umfangreiche Ausbildungsprogramme für chinesische Expertinnen und Experten vorsieht. 119
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