- Wie krieg ich Frieden

Infobrief März 2015, Nr. 2
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Militärbischof Rink für europäische Armee Militärseelsorge will Positionen zur
evangelischen Friedensethik weiterentwickeln
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Weltkirchenrat Friedliche Lösung des Nahost- Konflikts gefordert
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Ausstellung über »westfälischen Märtyrer« Ludwig Steil »Das Weltbild wieder
zurechtrücken«
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Kinderfragen zu Kriegen weltweit: Psychologin rät zu ehrlichen Antworten
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Weltweite Waffenexporte weiter gestiegen
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Nato-Luftangriff in Kundus Wohl keine Entschädigung für Opfer
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»Earth Hour« 35 NRW-Städte schalten das Licht aus
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EU-Kulturerbe-Siegel für Stätten des Westfälischen Friedens
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Auszeichnungen Eugen-Kogon-Preis für »Stolperstein«-Künstler Demning
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Kriegsschäden am Kölner Dom sollen sichtbar bleiben
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»Die Vergangenheit ist immer noch da« Die Traumatherapeutin Esther MujawayoKeiner erhält den Bremer Solidaritätspreis
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Keine Urlaubsreise Maurer-Azubis vom Niederrhein bauen in Haiti Häuser wieder auf
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Strafgerichtshof Opfern von Kriegsverbrechen Hilfen zugesprochen Ein Garten des
Friedens In Timbuktu bauen Frauen unterschiedlicher Ethnien gemeinsam Gemüse an
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Benachteiligung und Gewalt bekämpfen Entwicklungsorganisationen fordern mehr
Einsatz für Frauenrechte weltweit
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US-Präsident erinnert in Selma an schwarze Bürgerrechtler
Infobrief März 2015
Militärbischof Rink für europäische Armee
Militärseelsorge will Positionen zur evangelischen Friedensethik weiterentwickeln
Rösrath (epd). Der evangelische Militärbischof Sigurd Rink hat die Debatte über eine europäische Armee
begrüßt. »Dieser Schritt wäre ein wichtiger Prozess, um europäische Nationalismen zu untergraben«, sagte
der Theologe bei der Gesamtkonferenz evangelischer Militärgeistlicher am Donnerstag in Rösrath bei Köln.
Angesichts des zunehmenden Einflusses nationalistischer Parteien könnten gemeinsame Streitkräfte
Bündnisse zwischen den europäischen Staaten stärken. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Konfliktes hatte
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Wochenende eine gemeinsame Armee der Europäer
ins Gespräch gebracht. Unterstützung findet diese Initiative von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Auch eine religiöse Begleitung muslimischer Soldaten der
Bundeswehr durch Imame hält Rink für denkbar. In anderen Ländern gebe es bereits Beispiele für eine
funktionierende Zusammenarbeit christlicher und muslimischer Militärgeistlicher, berichtete der Bischof. In
einem solchen Fall müsse allerdings sichergestellt werden, dass die muslimische Seelsorge von deutschen
Imamen geleistet und nicht aus dem Ausland gelenkt werde. Der Anteil der Muslime in der Bundeswehr
betrage allerdings nur etwa ein Prozent, deshalb müsse geprüft werden, ob und wo »Militär-Imame«
überhaupt sinnvoll eingesetzt werden könnten. Angesichts der Debatten über bewaffnete Drohnen und
Waffenlieferungen an die kurdischen Peschmerga- Milizen sprach sich der Theologe für eine
Weiterentwicklung der Position der Militärseelsorge zur evangelischen Friedensethik aus. Mit Blick auf den
Konflikt in der Ukraine müsse auch über die deutsche Ostpolitik nachgedacht werden, betonte Rink. Für ein
entsprechendes Projekt stelle die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) 500.000 Euro zur Verfügung.
Nach Rinks Worten sollen künftig alle neuen Militärgeistlichen intensiv auf die Rahmenbedingungen im
Auslandseinsatz vorbereitet werden. Ein solcher Lehrgang wurde schon lange eingefordert. Gerade bei der
Marine seien die Seelsorger besonders beansprucht und leisteten pro Jahr drei bis vier Monate im
Auslandseinsatz ab, sagte der Bischof. Die Bewerberzahl für die Militärseelsorge hat sich nach Rinks
Angaben verringert. Zwölf der 100 Stellen seien aktuell schwer zu besetzen. Um den Nachwuchs nicht zu
verlieren, müssten abgelehnten Bewerbern andere, zu ihren Fähigkeiten passende Posten angeboten
werden, sagte der Militärbischof. Er regte zudem an, die Bewerbungsverfahren künftig nicht mehr nur über
die jeweiligen Landeskirchen laufen zu lassen, sondern Stellen zusätzlich bundesweit auszuschreiben. Rink
plant zudem Besuche bei den verschiedenen Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Aktuell seien Besuche
im Libanon, Afghanistan und Estland geplant. Der Theologe ist seit 2014 der erste hauptamtliche
Militärbischof der EKD. Der Militärbischof mit Sitz in Berlin leitet die evangelische Seelsorge in der
Bundeswehr und hat die Dienstaufsicht über die knapp 100 evangelischen Militärpfarrer.
epd-Wochenspiegel | AUSGABE WEST Nr. 12_2015 Seite _4
Weltkirchenrat Friedliche
Lösung des Nahost- Konflikts gefordert
Jerusalem/Genf (epd). Zum Abschluss politischer und religiöser Gespräche in Israel und den
Palästinensergebieten hat eine Delegation des Weltkirchenrates eine friedliche Lösung des NahostKonflikts angemahnt. Frieden könne nur miteinander und nicht gegeneinander erreicht werden, sagte der
Generalsekretär der Ökumene-Organisation, Olav Fykse Tveit, am 12. März in Jerusalem. Der
Ökumenische Rat der Kirchen mit seinen knapp 350 Mitgliedern unterstütze alle Bemühungen für eine
Beilegung der Spannungen, betonte Tveit. Neben dem ÖRK-Generalsekretär nahm auch die Moderatorin
des Zentralausschusses, Agnes Abuom, an einem Treffen mit dem früheren israelischen Staatspräsidenten
Schimon Peres teil. Ein weiterer Meinungsaustausch fand mit dem palästinensischen Premierminister Rami
Hamdallah statt. Der Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern liegt derzeit auf Eis. Im
Sommer 2014 kam es zur vorläufig letzten militärischen Auseinandersetzung. Israel und die HamasRegierung des Gaza-Streifens lieferten sich heftige Kämpfe. Weitere Gesprächspartner des Delegation
waren Repräsentanten von Mitgliedskirchen in der Region. Zudem standen Begegnungen mit jüdischen
und muslimischen Vertretern sowie Menschenrechtsgruppen auf dem Programm. Der Weltkirchenrat fordert
seit langem ein Ende der »israelischen Militär-Besetzung« aller palästinensischen Gebiete. Kritiker werfen
dem ökumenischen Dachverband vor, im Nahost-Konflikt einseitig Partei für die Palästinenser zu ergreifen.
epd-Wochenspiegel | AUSGABE WEST Nr. 12_2015 Seite _10
Ausstellung über »westfälischen Märtyrer« Ludwig Steil
Bielefeld (epd). Eine Ausstellung über den westfälischen Theologen Ludwig Steil (1900-1945), der wegen
seiner Kritik am NS-Regime verfolgt wurde und im KZ Dachau starb, macht seit Donnerstag Station im
Bielefelder Landeskirchenamt. Präsentiert werden historische Fotografien und Originaldokumente des
streitbaren Pfarrers aus Wanne-Eickel, der gemeinsam mit Hans Ehrenberg zu den herausragenden
Persönlichkeiten des Widerstandes in der westfälischen Kirche gegen den Nationalsozialismus gehörte, wie
die Evangelische Kirche von Westfalen erklärte. Die Ausstellung zu Leben und Werk Ludwig Steils gastiert
bis zum 1. April in Bielefeld. Der aus Lüttringhausen bei Remscheid stammende Steil wurde 1929
Gemeindepfarrer in Holsterhausen, damals Ortsteil von Wanne-Eickel. Schon früh widersetzte sich der
junge Theologe der NS-Ideologie. In Predigten und Vorträgen kritisierte er die Lehre der »Deutschen
Christen«, die dem Nationalsozialismus nahe standen. Gemeinsam mit dem jüdischstämmigen Bochumer
Theologen und Philosophen Hans Ehrenberg formulierte Steil 1933 das »Bochumer Bekenntnis« gegen die
Totalitätsansprüche des NS-Regimes. Neben der »Barmer Theologischen Erklärung« von 1934 zählt es zu
den zentralen Dokumenten des Kirchenkampfes in der NS-Zeit. Wegen seiner öffentlichen Kritik am NSStaat wurde Steil seit 1933 von der Gestapo beobachtet. Im September 1944 wurde er schließlich verhaftet
und im Dezember des gleichen Jahres in das Konzentrationslager Dachau deportiert. Der schwer erkrankte
Pfarrer starb am 17. Januar 1945 in der KZ-Haft. Nach dem Krieg wurde er als »Märtyrer der Bekennenden
Kirche« gewürdigt. In Erinnerung wurden kirchliche Einrichtungen und öffentliche Plätze in Westfalen und
im Rheinland nach Ludwig Steil benannt, etwa die Evangelische Stiftung Ludwig-Steil Hof in Espelkamp zur
Förderung von jungen Migranten. Die Wanderschau ist ein Projekt des Landeskirchlichen Archivs der
westfälischen Kirche mit der Friedrich- Schiller-Universität Jena. In den vergangenen drei Jahren erschloss
und erforschte ein Team von Kirchenhistorikern den persönlichen Nachlass Steils. Die daraus entwickelte
Ausstellung solle die Bedeutung des westfälischen Pfarrers im Widerstand gegen den Nationalismus
herausstellen, erklärte Jens Murken, Leiter des Landeskirchlichen Archivs. Steils Nachlass eröffne neue
Einblicke in die Entstehungsgeschichte der Bekennenden Kirche sowie in theologische Deutungen des
Zweiten Weltkrieges, ergänzte der Jenaer Kirchenhistoriker Christopher Spehr. KIRCHEN SCHULEN
epd-Wochenspiegel | AUSGABE WEST Nr. 12_2015 Seite _10
Kinderfragen zu Kriegen weltweit: Psychologin rät zu
ehrlichen Antworten
Bielefeld (epd)
Kinder-Fragen zu Kriegsbildern in den Medien vom Ukraine-Konflikt oder dem Terror der IS-Miliz sollten
nach Ansicht der Bielefelder Psychotherapeutin Claudia Catani ernstgenommen werden. »Alles, was
unausgesprochen bleibt, bekommt eine Bedrohung«, warnt die Expertin für posttraumatische Störungen bei
Kindern. Eltern sollten Kinder nicht allein und ungefiltert Nachrichten schauen lassen, sagte Catani dem
Evangelischen Pressedienst (epd). Durch Kriegsbilder ausgelöste Ängste sollten sie nicht als unberechtigt
abtun, sondern darauf eingehen und sie einordnen. Kinder brauchten das ehrliche Gespräch in
vertrauensvoller Atmosphäre, in denen sie ihre Ängste und deren Gründe benennen können, sagte Catani.
Kleine Kinder hätten beispielsweise Angst davor, dass der Mann mit dem Gewehr aus dem Fernsehen zu
ihnen nach Hause kommt. Ältere Geschwister fühlten sich dagegen nicht mehr sicher in der Welt, weil in
den Medien von der Möglichkeit eines Dritten Weltkrieges durch die Ukraine-Krise diskutiert werde. Um
ihnen Zuversicht und Geborgenheit zu vermitteln, müsste die Familie im Gespräch bleiben, rät die
Psychologin, die an der Universität Bielefeld arbeitet und forscht. Mütter und Väter sollten dabei auch offen
über ihre Ängste sprechen. Gleichzeitig sollten sie versuchen, dem Alter angemessen die Ängste mit
Argumenten zu entkräften. »Sätze wie ’Komm, das ist nicht so schlimm’ sind für Kinder nicht verständlich.«
Das Weltbild müsse wieder zurechtgerückt werden, indem Eltern ihnen erklärten, wie Medien funktionieren,
sagt Catani. Nachrichten müssten verkauft werden. »Medien berichten nicht darüber, wenn ein Flugzeug
sicher landet, sondern über einen Absturz.« Eltern sollten den Kindern deutlich machen, dass solche
Katastrophen passieren können, jedoch seltener, als es den Anschein habe oder eine Bedrohung für die
Familie nicht unmittelbar sei. Mütter und Väter müssten aber nicht befürchten, dass die Konfrontation mit
Kriegsbildern in Zeitungen und im Fernsehen einer Traumatisierung gleichkommt, die zu Angststörungen
oder anderen Auffälligkeiten führt wie bei Flüchtlingskindern, die etwa Gewalt und Heimatverlust erfahren
haben. Schulen könnten ebenfalls einen Beitrag leisten, indem sie im Unterricht Hintergründe zu Konflikten
behandelten, Kriegsängste oder Friedensethik thematisierten. Auch sollte eine kritische Distanz zur
medialen Berichterstattung über militante Terrorgruppen wie »Islamischer Staat« oder Boko Haram
vermittelt werden. Mit ihren gewaltverherrlichenden Videos im Internet suchten die die massenmediale
Öffentlichkeit, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Auftrag der Medien sei es aufzuklären. Sie stünden
aber auch immer in Gefahr, sich für fragwürdige Ziele vereinnahmen zu lassen. epd-Gespräch: Katrin
Nordwald
Gesellschaft für Menschenrechte - Rothfuß neuer
Geschäftsführer
Frankfurt a.M./Bonn (epd). Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) hat am Samstag in
Bonn Rainer Rothfuß zu ihrem neuen Geschäftsführenden Vorsitzenden gewählt. Der 43-jährige Professor
für Humangeographie und Globale Studien an der Universität Tübingen sei Nachfolger von Karl Hafen, der
nach 21 Jahren in diesem Amt nicht mehr kandidierte, wie die IGFM in Frankfurt am Main mitteilte.
Ehrenamtlicher Vorsitzender sei der Aachener Schulleiter Edgar Lamm. Rothfuß ist nach Darstellung der
IGFM Experte in Fragen der Religionsfreiheit, von interreligiösen Konflikten und der Diskriminierung von
Christen sowie anderen religiösen Minderheiten in Afrika und im Nahen Osten. Die Internationale
Gesellschaft für Menschenrechte ist nach eigenen Angaben weltweit durch 27 Sektionen und elf nationale
Gruppen vertreten. Die deutsche Sektion der IGFM habe mit ihren rund 3.000 Mitgliedern Beobachterstatus
beim Europarat sowie beratenden Status beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen. epdWochenspiegel | AUSGABE WEST Nr. 12_2015 Seite _17
Weltweite Waffenexporte weiter gestiegen
Stockholm (epd). Der weltweite Export von Rüstungsgütern ist laut einer Studie weiter angestiegen.
Zwischen 2010 und 2014 seien 16 Prozent mehr Waffen ausgeführt worden als in den fünf Jahren davor,
erklärte das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri in einem am 16. März veröffentlichten Bericht.
Demnach bleiben die USA der größte Waffenexporteur, gefolgt von Russland, China, Deutschland und
Frankreich. Laut Sipri hat China Deutschland von der Liste der drei größten Waffenexporteure der Welt
verdrängt. Die wichtigsten Importeure waren Indien, Saudi-Arabien, China und die Vereinigten Arabischen
Emirate. Die Golfstaaten haben ihre Einfuhren insgesamt um 71 Prozent gesteigert. Bei den weltweiten
Exporten führten die USA zwischen 2010 bis 2014 mit einem Anteil von 31 Prozent, während Russlands
Anteil 27 Prozent betrug. Gegenüber dem Zeitraum 2005 bis 2009 erzielten die USA demnach ein Plus von
23 Prozent, während Russlands Exporte um 37 Prozent wuchsen. Unterdessen schossen Chinas
Waffenexporte im Vergleich zu den fünf Jahren davor um 143 Prozent in die Höhe. Trotzdem liegt die
Volksrepublik mit einem Anteil von fünf Prozent am globalen Waffenhandel immer noch deutlich hinter den
USA und Russland. Die Exporte deutscher Waffenfirmen seien hingegen um 43 Prozent gesunken, so die
Stockholmer Friedensforscher. Allerdings habe Deutschland 2014 mehrere große Aufträge aus Staaten des
Nahen Ostens erhalten. Größte Abnehmer deutscher Waffenexporte waren mit elf Prozent die USA, mit
neun Prozent Israel und mit sieben Prozent Griechenland. Mit 15 Prozent der weltweiten Einfuhren steht
Indien auf Platz eins der Waffenimporteure, gefolgt von Saudi- Arabien und China mit jeweils fünf Prozent.
Auch gehörten zwischen 2010 und 2014 drei weitere asiatische Staaten zu den zehn größten Abnehmern
von Rüstungsgütern: Demnach betrug der Anteil Pakistans vier Prozent, der Anteil Südkoreas und
Singapurs jeweils drei Prozent. »Asiatische Staaten sind generell abhängig von Rüstungsimporten, die
stark angestiegen sind und auch in naher Zukunft hoch bleiben werden«, erklärte Sipri-Forscher Siemon
Wezeman. Auch Afrika verzeichnete einen deutlichen Anstieg an Waffenimporten: So schossen diese um
45 Prozent in die Höhe. Derweil sind die europäischen Waffenimporte in den vergangenen fünf Jahren um
36 Prozent gesunken. Allerdings könnten diese Zahlen nach Einschätzung des Sipri durch den Konflikt in
der Ukraine demnächst wieder steigen.
Nato-Luftangriff in Kundus - Wohl keine Entschädigung für
Opfer
Köln (epd). Hinterbliebene von Opfern des Nato- Luftangriffs auf zwei Tanklaster im afghanischen Kundus
im Jahr 2009 haben keine Aussicht auf Entschädigung. Das Oberlandesgericht Köln machte nach Angaben
einer Sprecherin am Donnerstag in einer mündlichen Berufungsverhandlung deutlich, dass die Klage
zweier afghanischer Zivilisten gegen die Bundesrepublik Deutschland erfolglos bleiben werde (AZ: 7 U
4/14). Bei der Urteilverkündung am 30. April werde voraussichtlich die Entscheidung des Bonner
Landgerichts vom Dezember 2013 (AZ: 1 O 460 /11) bestätigt, die Klage der Afghanen abzuweisen. Das
Landgericht hatte geurteilt, dem damaligen Kommandeur, Bundeswehr-Oberst Georg Klein, sei keine
schuldhafte Verletzung seiner Amtspflichten vorzuwerfen. Mit seiner Anordnung zum Bombenabwurf habe
er nicht schuldhaft gegen das Völkerrecht verstoßen. Das Oberlandesgericht konnte nach eigenen
Angaben bei der Verhandlung am Donnerstag keine Rechtsfehler der Vorinstanz erkennen. Das
Landgericht sei »zutreffend davon ausgegangen, dass der Kommandeur die Tanklaster zu Recht als
militärische Objekte identifiziert hat«. Er habe »keine positive Kenntnis davon gehabt, dass sich
Zivilpersonen an der Bombenabwurfstelle befanden«. Bei dem Nato-Luftangriff im September 2009 waren
nach Einschätzung der Bundeswehr 91 Menschen getötet worden. Ein Vater, dessen zwei Kinder
mutmaßlich bei der Bombardierung getötet wurden, sowie eine Witwe hatten die Bundesrepublik auf
Schadensersatz in Höhe von 40.000 beziehungsweise 50.000 Euro verklagt. KIRCHEN SCHULEN
GESELLSCHAFT epd-Wochenspiegel | AUSGABE WEST Nr. 12_2015 Seite _18
»Earth Hour« - 35 NRW-Städte schalten das Licht aus
Düsseldorf/Berlin (epd). Als Zeichen für den Klimaschutz schalten 35 Städte in Nordrhein-Westfalen am
28. März für eine Stunde die Beleuchtung von bedeutenden Gebäuden aus. An der »Earth Hour« beteiligen
sich unter anderem Aachen, Bonn, Düsseldorf, Dortmund, Gelsenkirchen, Köln und Krefeld, wie die
Umweltorganisation WWF am Donnerstag in Berlin mitteilte. »Jetzt kommt es darauf an, dass auch die
Menschen mitmachen und am 28. März zu Hause das Licht ausknipsen«, erklärte Kampagnenreferentin
Astrid Korolczuk. Neben dem 60-minütigen Lichtausschalten um 20.30 Uhr ruft der WWF dazu auf, auch
über den Aktionstag hinaus etwas für Umwelt- und Klimaschutz zu tun und etwa im Haushalt Energie
einzusparen oder verstärkt regionale Produkte einzukaufen. »Die kleinen, alltäglichen Entscheidungen
machen einen Unterschied und haben großen Einfluss auf die Zukunft unseres Planeten«, betonte
Korolczuk. Im vergangenen Jahr haben sich nach WWF-Angaben 7.000 Städte in 162 Ländern an der
»Earth Hour« beteiligt. Berühmte Bauwerke wie die Chinesische Mauer oder der Eiffelturm blieben eine
Stunde lang unbeleuchtet. Die »Earth Hour« hat ihren Ursprung in Sydney, wo 2007 erstmals mehrere
Hunderttausend Australier gemeinsam das Licht ausschalteten.
epd-Wochenspiegel | AUSGABE WEST Nr. 12_2015 Seite _23
EU-Kulturerbe-Siegel für Stätten des Westfälischen
Friedens
Münster/Osnabrück (epd). Die historischen Rathäuser von Münster und Osnabrück werden Europäisches
Kulturerbe. Die Europäische Kommission würdige damit die Schlüsselrolle der beiden Orte als »Stätten des
Westfälischen Friedens«, wie die Stadt Münster am Donnerstag erklärte. Angelehnt an das Weltkulturerbe
der UNESCO zeichnet die Europäische Kommission Stätten mit dem Kulturerbe-Siegel aus, die symbolisch
und beispielhaft für die europäische Einigung sowie für die Ideale und die Geschichte Europas und der
Europäischen Union stehen. Die Städte Münster und Osnabrück hatten sich gemeinsam dafür beworben
sowie weitere 16 Stätten aus 18 europäischen Staaten. Die Verleihung findet am 15. April in Brüssel statt.
Der Friedenssaal des Münsteraner Rathauses, wo 1648 die Friedensdokumente unterzeichnet und
öffentlich verkündet wurden, sei nicht nur ein historisch wichtiges Baudenkmal, sondern auch lebendiger
Ort der Geschichtsvermittlung und Begegnung, betonte der Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU).
Angesichts des aktuellen Konflikte in Europa symbolisiere es die bleibende Verpflichtung, für Toleranz
durch Dialog sowie Konfliktlösung und Friedenssicherung durch Verhandlung und Vermittlung zu werben.
So hätten sich mehr als 120.000 internationale Besucher im vergangenen Jahr an Bildungs-, Kultur- und
Friedensveranstaltungen im Rathaus beteiligt. Die EU-Kommission folgte mit ihrer Entscheidung den
Empfehlungen einer europäischen Jury. Punkten konnte demnach die Stadt Münster vor allem mit der
jährlichen Veranstaltungsreihe »1648 - Dialoge zum Frieden«. Zum Programm gehören Podiumsgespräche
zu aktuellen Konfliktregionen, interreligiöse Treffen und ökumenische Friedensvesper sowie eine
Schülerakademie zu europäischer Politik und Geschichte. Als weiterer deutscher Ort erhält am 15. April das
Hambacher Schloss bei Neustadt an der Weinstraße das Europäisches Kulturerbe. Der »Westfälische
Friede« beendete mit seiner feierlichen Unterzeichnung zwischen dem 15. Mai und dem 24. Oktober 1648
in Münster und Osnabrück den 30-jährigen Krieg. Das Abkommen, an dem 150 europäische Staaten und
Reichsterretorien beteiligt waren, gilt als erster gesamteuropäischer Friedensvertrag.
epd-Wochenspiegel | AUSGABE WEST Nr. 12_2015 Seite _38
Auszeichnungen - Eugen-Kogon-Preis für »Stolperstein«-Künstler
Demning
Köln/Königstein (epd). Der »Stolperstein«-Erfinder und Kölner Künstler Gunter Demnig ist am Freitag in
Königstein mit dem Eugen-Kogon-Preis ausgezeichnet worden. Demnigs Lebenswerk, die Verlegung von
Steinen in Bürgersteige zum Gedenken an Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, sei ganz im
Sinne des NS-Widerstandskämpfers Eugen Kogons, heißt es in der Begründung des Kuratoriums. Bisher
habe Demnig mehr als 50.000 Steine mit einer Messingplatte in rund 1.100 Orten in Europa verlegt. Der mit
5.000 Euro dotierte Preis ist nach dem Publizisten, Politologen und Widerstandskämpfer Eugen Kogon
(1903-1987) benannt. Die Stadt ehrt mit dem Preis Persönlichkeiten und Institutionen, »die sich den
Grundwerten lebendiger Demokratie verpflichtet fühlen, ihr Leben in den Dienst dieser Werte stellen und
dabei so erfolgreich waren, dass dies auch an ihrer öffentlichen Bedeutung ablesbar ist«. Erster KogonPreisträger war 2002 der Schriftsteller, ehemalige Oppositionelle und spätere polnische Außenminister
Wladyslaw Bartoszewski. Eugen Kogon verfasste als ehemaliger Häftling des KZs Buchenwald nach seiner
Befreiung das Standardwerk »Der SS-Staat - Das System der deutschen Konzentrationslager «. Der
Mitherausgeber der links-katholischen Zeitschrift »Frankfurter Hefte« lehrte von 1951 bis 1968
Politikwissenschaft an der Technischen Hochschule Darmstadt. Er wohnte bis zu seinem Tod in Königstein.
epd-Wochenspiegel | AUSGABE WEST Nr. 12_2015 Seite _39
Kriegsschäden am Kölner Dom sollen sichtbar bleiben
Köln (epd). Bei der Restaurierung des Michaelportals des Kölner Doms sollen einige Spuren der
Zerstörungen aus dem Zweiten Weltkrieg sichtbar bleiben. In den kommenden Monaten würden
kriegszerstörte Architekturteile wie Bogenstücke und Baldachine rekonstruiert, teilte die Dombauhütte am 9.
März in Köln mit. Dabei würden aber nur größere Schäden behoben, kleinere Absprengungen sollen
sichtbar bleiben, »um auch die Spuren des Krieges für künftige Generationen am Portal ablesbar zu
lassen«. Die Restaurierungsarbeiten am Michaelportal haben im Jahr 2013 begonnen und werden
voraussichtlich noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Neben Zerstörungen durch die Luftangriffe im
Krieg werden auch Schäden durch Umwelteinflüsse und Verschmutzungen durch Taubenkot entfernt. Die
Beseitigung der Kriegsschäden wird aus dem Nachlass der 2011 gestorbenen Engländerin Berta
Woodward finanziert, die ihr Vermögen in Höhe von über 300.000 Euro über die Deutsche Stiftung
Denkmalschutz dem Kölner Dom vermachte. Für die Restaurierung der mehr als 100 Figuren am Portal hat
der Zentral-Dombau-Verein Patenschaften vergeben, die zwischen 1.500 und 20.000 Euro pro Figur
kosten. Aktuell fehlten nur noch Paten für 14 Skulpturen, erklärte Dombauhütten-Sprecher Matthias Deml.
Die Gesamtkosten für die Restaurierung der Figuren belaufen sich nach seinen Worten auf rund 540.000
Euro. Während ein Großteil der Skulpturen lediglich gereinigt werden muss, werden andere komplett oder
zum Teil durch die Bildhauer der Dombauhütte rekonstruiert. Eine wesentliche Aufgabe der Restaurierung
sei auch die Reinigung des Portals, erklärte Deml. Nach der Entfernung von Taubenkot und grobem
Schmutz sollen die aus französischem Kaltstein gefertigten Figuren oberflächenschonend gereinigt werden.
Dazu benutzen die Restauratoren spezielle Laser, die schwarze Schmutzkrusten massiv erhitzen und zum
Abplatzen und Verdampfen bringen, dabei aber die Kaltsteinoberfläche nicht beschädigen. KIRCHEN
epd-Wochenspiegel | AUSGABE WEST Nr. 12_2015 Seite _45
»Die Vergangenheit ist immer noch da« Die Traumatherapeutin
Esther Mujawayo-Keiner erhält den Bremer Solidaritätspreis
Die Traumatherapeutin Esther Mujawayo- Keiner
(56) aus Ruanda arbeitet am Psychosozialen
Zentrum für Flüchtlinge in Düsseldorf .
Düsseldorf/Bremen (epd). Sie hat
Schreckliches, Unfassbares erlebt - damals,
beim Völkermord in Ruanda vor 21 Jahren. Als
die Hutu im April 1994 das Massaker an den
Tutsi begingen, bei dem nach Schätzungen bis
zu eine Million Menschen getötet wurden,
verlor Esther Mujawayo-Keiner einen großen
Teil ihrer Familie. Ihr Ehemann, ihre Eltern und
ihre Geschwister wurden grausam
umgebracht. Esther Mujawayo-Keiner und ihre
drei Töchter konnten sich damals in das »Hotel
des Mille Collines« in Kigali retten, das durch
den Film »Hotel Ruanda« weltberühmt wurde.
»Man lebt in der Gegenwart, aber die
Vergangenheit ist immer noch da«, sagt die heute 56-Jährige. Seit 1999 lebt sie in Deutschland und hilft
heute als Therapeutin Flüchtlingen, traumatische Erlebnissen zu verarbeiten. Am 10 März wird sie für ihre
Arbeit mit dem Bremer Solidaritätspreis ausgezeichnet. Im Psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge in
Düsseldorf, wo pro Jahr rund 400 Asylsuchende Hilfe finden, betreut Esther Mujawayo-Keiner seit 2001
Menschen, die in Deutschland Schutz vor Verfolgung suchen. Es sind Menschen, die wie die Ruanderin
Schreckliches erlebt haben.
»Flucht ist für viele traumatisierend« Dass sie bei diesen Begegnungen immer wieder an eigene
Erlebnisse erinnert wird, ist ein Teil ihrer Arbeit, den die Traumatherapeutin auszublenden gelernt hat:
»Meine eigene Geschichte bleibt draußen«, betont Mujawayo- Keiner. Die Flüchtlinge seien zumeist in
schlechter Verfassung: »Nicht nur die Erlebnisse in den Heimatländern, auch die Flucht selbst ist für viele
traumatisierend«, berichtet die Therapeutin. Daher müsse sie zunächst versuchen, zu ihrem Gegenüber
Vertrauen herzustellen. Aus eigener Erfahrung weiß sie: »Man denkt, man ist verrückt. Aber verrückt war
nur die Situation, die man durchlebt hat.« Es helfe viel, über Erlebtes zu reden. »Doch manche wollen auch
einfach nur gemeinsam mit mir schweigen, weil sie das, was sie durchlitten haben, nicht in Worte fassen
können.« Schweigen kam für Esther Mujawayo-Keiner selbst nach dem Völkermord nie infrage. Die
Soziologin, die ihren Abschluss 1985 im belgischen Louvain machte und zur Zeit des Genozids in ihrem
Heimatland für die britische Hilfsorganisation Oxfam arbeitete, versteht sich als »eine Stimme Ruandas«.
Auf internationalen Konferenzen in Europa und Übersee hält sie Vorträge und liest aus ihren beiden
Büchern. In »Ein Leben mehr« erzählt sie von Ermordeten und Überlebenden und davon, wie später
niemand hören wollte, was geschah. Und sie erzählt auch davon, wie es ist, nach einem Genozid weiter zu
leben, von der Entwicklung, »zum Leben verdammt zu sein« hin zum Weg zurück in ein »lebendiges
Leben«. In »Auf der Suche nach Stephanie« berichtet die Ruanderin über ihren - erfolglosen - Versuch, die
sterblichen Überreste ihrer Schwester und von deren Kindern zu finden. Der französische Originaltitel »Die
Blumen von Stephanie« nimmt Bezug auf einen Blütenstrauch, den ihre Schwester am Haus der Eltern
gepflanzt hatte. Beim Wiederaufbau des während des Genozids zerstörten Hauses wurde der Strauch
gefunden und wächst seitdem weiter - wie ein Symbol der Hoffnung. Und Hoffnung ist etwas, das Esther
Mujawayo-Keiner, die heute mit einem deutschen Pfarrer verheiratet ist und am Niederrhein lebt, nie
aufgegeben hat. Regelmäßig ist sie in Ruanda, wo sie weiter ehrenamtlich für die von ihr mitbegründete
Organisation Avega tätig ist, die sich um die Versorgung und Rehabilitation der Witwen des Genozids
kümmert.
Ruanda auf Weg in Zukunft Sie sehe bei ihren Besuchen ein schönes Land, das aus der Vergangenheit
zu lernen begonnen habe und in dem man sicher sei, berichtet sie. Die Menschen arbeiteten an der
Zukunft. Aber natürlich seien die Verletzungen der Vergangenheit unterschwellig noch da. »20 Jahre sind
dafür noch nicht genug Zeit«, sagt Mujawayo-Keiner. Für ihre Arbeit wird Esther Mujawayo-Keiner nun mit
dem 14. Bremer Solidaritätspreis ausgezeichnet. Der mit 10.000 Euro dotierte, alle zwei Jahre vom Senat
der freien Hansestadt vergebene Preis ehrt seit 1988 Menschen, die sich für Freiheit und
Selbstbestimmung und die Überwindung von Ungerechtigkeit im Nord-Süd-Verhältnis einsetzen. Die
Ruanderin reiht sich ein zu Preisträgern wie Nelson Mandela (1988) und der zuletzt ausgezeichneten
marokkanischen Menschenrechtsaktivistin Aminatou Haidar. Frank Bretschneider (epd)
epd-Wochenspiegel | AUSGABE WEST Nr. 11_2015 Seite _29
Keine Urlaubsreise - Maurer-Azubis vom Niederrhein
bauen in Haiti Häuser wieder auf
Maurer-Azubis aus dem Rhein-MaasBerufskolleg im niederrheinischen Kempen
arbeiten Hand in Hand mit einheimischen
Jugendlichen auf Haiti .
Kempen (epd). Was ihn auf Haiti erwartet,
weiß René Bückmannn noch nicht. Fünf
Jahre nach dem verheerenden Erdbeben
in dem Karibikstaat will der 22-jährige
Maurerlehrling aber mit seinen eigenen
Händen zum Wiederaufbau beitragen.
Ende März reist er mit weiteren Schülern
des Rhein-Maas-Berufskollegs im
niederrheinischen Kempen nach Torbeck
im Südwesten Haitis, um ein Haus für
obdachlose Jugendliche fertigzustellen. Mit
ihm sitzen vier Maurer, ein Elektriker und
ein Sanitäranlagenmechaniker sowie mehrere Berufsschullehrer im Flugzeug. Die Azubis nehmen für das
Hilfsprojekt ihren Jahresurlaub - bezahlt werden sie für ihre Arbeit auf Haiti nicht. Für Berufsschulpfarrer
Roland Kühne, den Initiator der Aktion, ist es bereits die achte Reise in den Inselstaat. Alles begann in
seinem Religionsunterricht, nachdem das Erdbeben vom 12. Januar 2010 fast ganz Haiti in Schutt und
Asche gelegt hatte. »Wir können doch Häuser bauen, sollen wir dort nicht helfen?«, fragte ein
Maurerlehrling. Religionslehrer Kühne versuchte, einen Kontakt nach Haiti herzustellen. »Wir haben uns an
das Medikamentenhilfswerk action medeor gewandt, an die Welthungerhilfe, an Unicef, aber alle lehnten
ab«, erinnert sich der 57-jährige evangelische Theologe. Vom Bundesentwicklungsministerium kam
schließlich der Tipp, die Peter-Hesse-Stiftung in Düsseldorf anzusprechen, die sich seit den 80er Jahren in
Haiti engagiert. Schwerpunkt ist die schulische Bildung der Kinder in dem Inselstaat. »Wir bekamen von der
Stiftung den Auftrag, Fundamente für ein Lehrerausbildungszentrum in Liancourt zu bauen, das eingestürzt
war«, erzählt der Pfarrer. Auf die Fundamente sollte eine französische Firma anschließend Containerbauten
setzen. Und so reiste Kühne 2011 mit einigen Kollegen und sieben Schülern nach Haiti. Die Deutschen
errichteten gemeinsam mit Einheimischen die Fundamente. Während die Azubis kein Geld für ihre Arbeit
bekamen, wurden die Haitianer entlohnt. »Wir versuchen, jede Woche andere Arbeiter zu nehmen, damit
möglichst viele Menschen in der Zeit Geld verdienen können«, erläutert Kühne. Bei dem Projekt des
Berufskollegs Rhein-Maas geht es nach seinen Worten nicht nur darum, Häuser wieder aufzubauen. Die
deutschen Handwerker leisten auch Hilfe zur Selbsthilfe: Sie geben ihr Wissen an die Einheimischen weiter
und kurbeln die Wirtschaft an, indem sie die Arbeiter bezahlen und das Material vor Ort kaufen. Bei der
einmaligen Reise blieb es nicht: Weil die französische Firma die Container nicht lieferte, kehrten Kühne und
seine Schüler noch einmal nach Haiti zurück und bauten das Ausbildungszentrum selbst. Ende 2012 wurde
die Lehranstalt für Lehrer fertiggestellt. Der nächste Auftrag ließ nicht lange auf sich warten. Kühne knüpfte
während der Arbeiten Kontakt zu einer Ordensgemeinschaft, deren Handwerkerschule für Jugendliche in
Torbeck bei dem Erdbeben erheblich beschädigt worden war. Weil dem Orden die Mittel fehlten, sammelten
die Kempener Schüler und Lehrer Spenden für die Flugtickets, das Baumaterial und den Lohn für die
haitianischen Arbeiter. Die Evangelische Kirchengemeinde Kempen, etliche Bürger und das Programm
»Konkreter Friedensdienst« der NRW-Landesregierung unterstützen mittlerweile das Engagement des
Berufskollegs. Für die nun anstehende Reise haben sich sechs Schüler gefunden, die bereit sind, ohne
Lohn fast drei Wochen lang bei tropischen Temperaturen in einem der ärmsten Länder der Welt zu
arbeiten. Diesmal sollen die Lehr- und Wohnstätten der Handwerkerschule in Torbeck fertiggestellt werden
- die Dächer müssen noch gedeckt werden. Niklas Gerhards, Maurer-Azubi aus der Reisegruppe, macht
sich keine Illusionen: »Das wird wohl keine Urlaubsreise«, sagt der 20-Jährige. Nächte unter Moskitonetzen
auf Feldbetten, einfache Kost aus Reis und Bohnen und primitive sanitäre Anlagen erwarten die
Niederrheiner. Doch Gerhards ist sicher, dass er sein Umfeld mit anderen Augen sieht, wenn er im April aus
Haiti zurückkommt: »Wir haben hier in Deutschland so viel und wissen es manchmal gar nicht zu
schätzen.« Stephanie Wickerath (epd) KIRCHEN GESELLSCHAFT SOZIALES GESUNDHEIT KULTUR
epd-Wochenspiegel | AUSGABE WEST Nr. 11_2015 Seite _45
Strafgerichtshof - Opfern von Kriegsverbrechen Hilfen
zugesprochen
Den Haag (epd). Erstmals hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Opfern von
Kriegsverbrechen Entschädigungen zugesprochen. Wer direkt oder indirekt unter der Gewalt des
verurteilten kongolesischen Rebellenführers Thomas Lubanga gelitten hat, habe Anspruch auf Hilfen,
entschieden die Richter einer Berufungskammer am 3. März. 129 Menschen hatten sich im Prozess gegen
Lubanga als Opfer registrieren lassen. Über sie wurde aus Sicherheitsgründen nichts Näheres
bekanntgegeben. Der Ex-Rebellenchef war 2012 wegen des Einsatzes von Kindersoldaten im Ost-Kongo
zu 14 Jahren Haft verurteilt worden und verbüßt die Strafe in Den Haag. Details zur Höhe und der
Auszahlung der Entschädigungen sollen in den nächsten Monaten erarbeitet werden. Die Opfer von
sexueller Gewalt, für die Lubanga nicht verurteilt wurde, sollen zunächst keine Entschädigung erhalten.
Statt individueller Zahlungen soll es Hilfen für die betroffenen Gemeinschaften geben. Das Geld kommt aus
einem Opferfonds, der mit Beiträgen aus den 123 Mitgliedsstaaten des Strafgerichtshofs finanziert wird.
Bisher wurden etwa fünf Millionen Euro eingezahlt. Deutschland steuerte 900.000 Euro bei. Der
Strafgerichtshof ist das erste internationale Gericht, das Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit
und Kriegsverbrechen verfolgt. Lubanga war der erste Angeklagte, der vom Strafgerichtshof verurteilt
wurde. Das Tribunal nahm 2002 seine Arbeit auf. Drei Urteile wurden seither gesprochen. Darunter war ein
Freispruch. epd-Wochenspiegel | AUSGABE WEST Nr. 11_2015 Seite _46
Ein Garten des Friedens
In Timbuktu bauen Frauen
unterschiedlicher Ethnien
gemeinsam Gemüse an
Eine Frau steht hinter Anpflanzungen im Garten
des Friedens in Timbuktu. epd-bild / Bettina Rühl
KIRCHEN GESELLSCHAFT SOZIALES
Timbuktu (epd). Zwischen einem Meer aus
Sanddünen wachsen Salat, Tomaten, Kohl
und Karotten. Bäume und Büsche schützen
das Gemüse vor der Sonne. Der Anblick
dieses satten Grüns am Rand der
Wüstenstadt Timbuktu im Norden Malis
überrascht. Möglich ist dieser Garten Eden
nur, weil die Pflanzen regelmäßig bewässert
werden. Diese Arbeit erledigen rund 600 Frauen unterschiedlicher Ethnien, die auf etwa viereinhalb Hektar
nebeneinander kleine Felder bestellen. »Ich bin sehr dankbar für dieses Stück Land«, sagt Aichatou Traoré,
die zu den Gärtnerinnen gehört. Die 55-Jährige trägt bunte afrikanische Stoffe und hat ihr Haar mit einem
Kopftuch bedeckt. Wie 99,9 Prozent aller Menschen hier im Norden Malis ist sie Muslimin. Gelebt wird hier
schon seit Jahrhunderten ein friedliebender, toleranter Islam. Mit dem Glauben der radikalen, alKaidanahen Milizionäre, die Malis Norden im Frühjahr 2012 eroberten, habe ihre Religion »nichts zu tun«,
ist Traoré überzeugt. Nachdem radikale Tuareg und Islamisten im Frühjahr 2012 auch in die historische
Oasenstadt Timbuktu einmarschiert waren, ergriff Traoré mit ihren Kindern und den Kindern ihrer
gestorbenen Schwester die Flucht. Vorher hatten die Milizionäre zwei ihrer Töchter für zwei Nächte ins
Gefängnis gesperrt, und zwei ihrer Söhne geschlagen. »Danach befürchtete ich das Schlimmste«, erinnert
sich Traoré, die das Wässern ihrer Tomaten und Salatköpfe für ein Gespräch unterbricht. Die Flüchtlinge
fanden notdürftige Unterkunft im benachbarten Niger und warteten auf die erste Möglichkeit der Rückkehr.
Dieser Moment kam rund acht Monate später. Im Januar 2013 wurden Islamisten und Tuareg von der
französischen Armee in die Flucht geschlagen. Einige Wochen später kehrten Traoré und Tausende
weitere Flüchtlinge nach Timbuktu zurück. »Unser Haus stand nicht mehr«, erzählt die 55-Jährige. »Ich
fand nur noch ein paar alte Matten, sie waren hier und da verstreut.« Traoré sammelte die Überreste ihres
alten Lebens ein und fing an, sich um das tägliche Überleben zu kümmern.
Probleme durch Trockenheit Sie und die anderen Mütter hatten schon größte Mühe, ihre Kinder zu
ernähren. Das trockene Klima ist in Timbuktu ohnehin oft schwer erträglich. Jeder Ausfall von Regen setzt
den wenigen Feldfrüchten zu. Noch schwieriger war die Lage, nachdem Felder und Vieh acht Monate lang
sich selbst überlassen gewesen waren. Das Ackergerät war, wie der meiste Hausrat, verschwunden. Und
auch die meisten Tiere waren weg. Um die Bevölkerung, darunter vor allem Mütter und Kinder zu
unterstützen, kam die Deutsche Welthungerhilfe auf die Idee mit dem Gemüsegarten. Den »Garten des
Friedens« gibt es in Timbuktu seit dem Ende des ersten Tuareg-Aufstands 1992. Damals wurde ein
Denkmal errichtet, und von da an pflanzte jeder durchreisende Politiker einen Baum. »Aber zwischen den
spärlichen Bäumen war nur Sand«, sagt Regina Tauschek von der Welthungerhilfe. »Weil niemand die
Fläche bewässerte, unterschied sie sich nicht von der Wüste rundum.« Das hat sich dank der Arbeit der
Gärtnerinnen inzwischen von Grund auf verändert, die Wasser aus einem Tank holen, der mit einer
Solarpumpe gefüllt wird. »Die Frauen in diesem Garten kommen aus allen ethnischen Gruppen«, betont
Tauschek. Alle gehören zu den besonders Bedürftigen: Vertriebene, die zurückgekehrt sind, Witwen,
Frauen mit vielen Kindern. Wer ein Feld bekommt, bestimmen die Frauen in selbstverwalteten Gruppen.
Auf den Feldern arbeiten Tuareg, Songhai und Mauren zusammen, »und es funktioniert eigentlich
bestens«, versichert Tauschek. Das ist nicht selbstverständlich, denn mit der islamistischen Besatzung
entstanden in Timbuktu ethnische Spannungen. Angehörige von Ethnien mit heller Haut galten als
potenzielle Komplizen der überwiegend hellhäutigen Islamisten. Inzwischen leben alle wieder friedlich
zusammen, wie Traoré und die anderen Frauen bekräftigen. Neben der Ernährung ist das gute Miteinander
der Volksgruppen ein wichtiges Ziel des Projekts.
Sicherheitslage verschlechtert sich Obwohl Ernte und Stimmung im Garten gut sind, sieht Tauschek
zwei Probleme: Erstens ist der Andrang riesig, es gibt viel zu wenig Felder. Und zweitens hat sich die
Sicherheitslage in Timbuktu in den vergangenen Monaten wieder deutlich verschlechtert. Das sei für die
internationalen Helfer »wirklich die größte Sorge«, sagt Tauschek. Denn radikale Tuareg und Islamisten
sind schon nahe an Timbuktu herangerückt. Immer wieder verüben sie Anschläge, das Risiko einer
Entführung ist hoch. Gefährdet sind auch die malischen Helfer, denn Islamisten und Tuareg-Milizionäre
verminen die Pisten. Ob die derzeitigen Friedensverhandlungen zwischen mehreren Tuareg-Gruppen und
der Regierung eine Besserung für die Menschen in Timbuktu bringen, ist offen. Der Garten bewährt sich
derweil als Oase des Friedens in einem Umfeld, das wieder feindlicher wird. Bettina Rühl (epd)
epd-Wochenspiegel | AUSGABE WEST Nr. 11_2015 Seite _47
Benachteiligung und Gewalt bekämpfen
Entwicklungsorganisationen fordern mehr Einsatz für Frauenrechte weltweit Köln/Bonn
(epd). Entwicklungsorganisationen und Frauenverbände haben anlässlich des Weltfrauentags am 8. März
zu mehr Engagement für die Rechte von Frauen weltweit aufgerufen. Die Hilfsorganisation Care appellierte
an die Bundesregierung, das Thema Gleichstellung auch beim G7-Treffen, beim UN-Gipfel zur
Verabschiedung der Nachhaltigen Entwicklungsziele und bei der Klimakonferenz in Paris in den Blickpunkt
zu nehmen. Die Frauenrechtsorganisation Medica Mondiale und die Kindernothilfe forderten mehr
Engagement gegen sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Die Katholische Frauengemeinschaft
Deutschlands (kfd) warb für faire Textilien, um die Arbeitsbedingungen der Textilarbeiterinnen in
Entwicklungsländern zu verbessern.
Medica Mondiale beklagt sexualisierte Kriegsgewalt »Die Tatsache, dass Frauen in weiten Teilen der
Erde auch 2015 immer noch unter gravierenden Verletzungen ihrer Menschenrechte leiden, ihnen keine
politische Teilhabe erlaubt wird und sie die größte Last von Armut und Katastrophen tragen, ist einfach
nicht hinnehmbar«, erklärte Care-Generalsekretär Karl-Otto Zentel am Donnerstag in Bonn. Die CareMitarbeiter in 90 Ländern seien täglich mit der bitteren Realität konfrontiert, dass Frauen keinen Besitz,
kaum Zugang zu Bildung und keine ausreichende medizinische Versorgung hätten. Medica-MondialeGründerin Monika Hauser berichtete über die dramatische Situation von Frauen und Mädchen in der
Krisenregion Syrien und Nordirak. Tausende Frauen seien in den von der Miliz »Islamischer Staat« (IS)
kontrollierten Gebieten entführt, vergewaltigt und versklavt worden. Sowohl die Bundesregierung als auch
die internationale Gemeinschaft sollten sich auf politischer Ebene konsequent für die Prävention von
sexualisierter Kriegsgewalt einsetzen, forderte die Ärztin am Donnerstag in Köln. Die Kindernothilfe wies auf
die Situation von Mädchen und Frauen in Indien hin, die unter vielfältigen Formen von Gewalt und
Unterdrückung litten. Vergewaltigungen, Verbrennungen und Zwangsprostitution seien im dem von
patriarchalischen Strukturen geprägten Land immer noch an der Tagesordnung, beklagte das christliche
Kinderhilfswerk mit Sitz in Duisburg. Zu einem nachhaltigen und fairen Konsum vor allem bei Textilien rief
die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) auf. Von der ungerechten Bezahlung und den
fehlenden Sicherheitsstandards in der Produktion in Entwicklungsländern seien vor allem Frauen betroffen,
erklärte kfd-Mitarbeiterin Anni Rennock in Düsseldorf. So seien in der Textilindustrie von Bangladesch seit
November 2012 mehr als 1.200 Arbeiterinnen ums Leben gekommen. Bangladesch sei nach China der
zweitgrößte Textilproduzent weltweit und die EU der größte Handelspartner des Landes. Deshalb sollten
die Konsumentinnen in Deutschland ihren Einfluss nutzen und mit dem Kauf von fairen Textilien zu
menschenwürdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Branche beitragen. KIRCHEN
epd-Wochenspiegel | AUSGABE WEST Nr. 11_2015 Seite _48
US-Präsident erinnert in Selma an schwarze
Bürgerrechtler
Washington (epd). In den USA ist der schwarzen Bürgerrechtsaktivisten gedacht worden, die vor 50
Jahren in Selma für das Wahlrecht demonstrierten und dabei von weißen Polizisten brutal niedergeknüppelt
wurden. Die Aktivisten hätten bewiesen, dass »Veränderungen durch Gewaltfreiheit möglich sind, dass
Liebe und Hoffnung Hass überwinden«, sagte US-Präsident Barack Obama am 7. März bei einer
Gedenkfeier in der Kleinstadt in Alabama. An der Feier nahmen Tausende Menschen und zahlreiche
Politiker teil. Der »blutige Sonntag« am 7. März 1965 und die Entschlossenheit der damaligen
Demonstranten gelten heute als Symbole des gewaltlosen Widerstands. Die Arbeit der schwarzen
Bürgerrechtsbewegung sei jedoch noch nicht vollendet, die Geschichte des Rassismus werfe weiterhin
ihren Schatten auf das Land, sagte Obama vor dem Hintergrund neuer Vorfälle. So hatte in Ferguson
(Missouri) im Sommer einweißer Polizist einen unbewaffneten schwarzen Jugendlichen erschossen, weil er
sich angeblich bedroht fühlte; dies hatte zu schweren Unruhen unter der schwarzen Bevölkerung geführt,
die der Polizei Rassismus vorwarf. Präsident Obama betonte, künftige Fortschritte im Kampf gegen
Rassismus hingen vom Engagement der Bürger ab. In Selma hätten »ganz gewöhnliche Menschen« die
USA zum Besseren verändert. Obamas Vorgänger George W. Bush und der Gouverneur von Alabama, der
Republikaner Robert Bentley, nahmen ebenfalls an der Gedenkfeier teil. Mehr als 90 Kongressabgeordnete
kamen, die meisten davon Demokraten. Selma und Alabama heute seien nicht mehr Selma und Alabama
von 1965, betonte der Bürgermeister der Stadt, George Evans. Die meisten Menschen versuchten, »das
Richtige zu tun«. Unter dem Eindruck der im Fernsehen gezeigten Brutalität der Polizei am »blutigen
Sonntag« hatte USPräsident Lyndon Johnson im August 1965 ein weitreichendes Wahlrechtsgesetz
unterzeichnet. Damit wurde die Diskriminierung schwarzer Wähler, die es vor allem im Süden der
Vereinigten Staaten gab, verboten. Das Gesetz führte dazu, dass die schwarzen und weißen
Wahlbeteiligungsraten heute weitgehend gleichauf liegen. Laut einer Umfrage des Fernsehsenders CBS
leben heute dennoch viele schwarze und weiße US-Amerikaner in verschiedenenWelten. 80 Prozent
derWeißen erklärten, sie hätten keine oder nur wenige gute schwarze Freunde. 63 Prozent der Schwarzen
gaben an, sie hätten keine oder fast keine weißen Freunde. 78 Prozent der Weißen sagten, in ihrer
Wohngegend gebe es keine oder fast keine Afro-Amerikaner. Bei der Erhebung wurden 1.207 USAmerikaner befragt. epd-Wochenspiegel | AUSGABE WEST Nr. 11_2015 Seite _51