FLUGBLATTWIE

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Mai 2015
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Das MeinungsMagazin
Wer suchet, der findet
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des Monats
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ForschungHeldentum Krieg und Frieden EventkulturSemiotik
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Netz(re)publik: ElektropapierFernsehen
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Krieg
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Das Tier und wir
Europathema
Rechtsdrehung
THEMEN IN NRW
Kritik, Interviews und Links
Köln – choices.de
Düsseldorf – biograph.de
Ruhrgebiet – trailer-ruhr.de
Wuppertal – engels-kultur.de
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Das MeinungsMagazin
Wuppertalengels-kultur.de
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Mai 2015
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Farbe des Tanzes | www.theaterhagen.de | © IDEENpool
Das MeinungsMagazin
FARBEN DES TANZES
DAS HAGENER TANZFESTIVAL, 31.MAI - 7.JUNI 2015
wppt : kommunikation
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-kultur.de
Foto: Birgit Hupfeld
engels-Thema.
5 GLÜCK
Soziales, Sport und Sex – Glück hat im Privaten
viele Facetten
6 Themeninterview
Glücksforscher Wolff Horbach im interview über
Wege zur Zufriedenheit
7 Zum Thema
Michael Kopatz vom Wuppertal Institut über
nachhaltiges Wohlbefinden
Das Geheimnis der glücklichen Dänen
Bühne.
9 Auftritt
Ein Film jenseits des Kinos. Michel Houellebecqs
Roman „Die Möglichkeit einer Insel“ in Dortmund
12 Opernzeit
Dallapiccolas „Il prigioniero“ / Zimmermans „Ekklesiastische Aktion“
Prolog
Wunderland-Alice bei der neanderland Biennale
24 neanderland Biennale 2015
Literatur.
19 Textwelten
Klaus Theweleit analysiert die Tötungslust und
attackiert Kollegen
20 Comic Kultur
Comic-Empfehlungen des Monats
Wortwahl
Buch-Empfehlungen des Monats
BÜHNE
„Alice dans les rues“
Prolog
12
KINO
„Zweite Chance“
Mehr Meinung. Service. Hintergrund. – In NRW.
empfehlen | weitersagen | kommentieren
Alle Texte. Ihre Stimme. Filmkritik im FORUM.
Kino.
Musik.
13 Film des Monats – „Zweite Chance“
14 Roter Teppich
Nikolaj Coster-Waldau über seine Rolle in dem
Sozialdrama „Zweite Chance“
15 Film-Kritik
17 Gespräch zum Film – Stina Werenfels über
„Dora oder Die sexuellen Neurosen unserer Eltern“
Foyer
„Elser“-Hauptdarsteller Christian Friedel im Rex
19 Filmwirtschaft – Eine außergewöhnliche Maßnahme zur Besuchersteigerung
22 Kompakt Disk
CD-Neuerscheinungen im Mai
Kultur in NRW. überregional
10 Oper in NRW
Sponsor holt Regiestar Anthony Pilavachi
nach Hagen
Musical in NRW
„The Wizard of Oz“ in Gelsenkirchen und „Oliver“
in Koblenz
11 Tanz in NRW
„Der Tanz in Köln ist bereit, in eine neue Ära
einzutreten“
Theater in NRW – Düsseldorf muss sein
Schauspielhaus für 11 Monate schließen
21 Improvisierte Musik in NRW
Simon Nabatov feiert im Loft
Popkultur am Rhein
Das Festival Acht Brücken fragt nach Pop und Politik
22 Klassik am Rhein
Der neue GMD des Gürzenich-Orchesters
25 Kunst in NRW
Die Jubiläumsausstellung im Marta Herford
Film des Monats
13
KINO
© Stina Werenfels
Kunst.
23 kunst & gut
„Nach der Fotografie“ im Sparkassenforum
25 Kunstwandel
Faunische Erinnerung? Petrit Halilaj in Bonn
26 Kunst-Kalender NRW
engels spezial.
4 Intro – „Von Fashion Victims und Modesünden“
8 Innovation – E-Mobile taugen auch für
längere Wege. Doch bei Kaufpreis und
Ladenetz muss allmählich ’was passieren
27 engelszungen
28 Verlagssonderseiten – engels bildet
30 Auswahl – im Mai
Veranstaltungs-Empfehlungen des Monats
31 Impressum
Heute schon digitale Fingerabdrücke hinterlassen?
engelsKultur
Lesen Sie mehr auf www.engels-kultur.de!
Dieses Icon zeigt Ihnen den Weg.
Gespräch zum Film KUNST
17
© Sylvie Hauptvogel,
Foto: Sigurd Steinprinz
kunst & gut
23
-kultur.de
Mai 2015
Fashion, fashion, fashion, Foto: Amélie Kai
Von Fashion Victims und Modesünden
engels + engels-kultur.de
Im Doppelpack mehr Service, Meinung und Hintergrund
Thema
6
Wege zur Zufriedenheit
Der Stuttgarter Glücksforscher und Autor des
Buches „77 Wege zum Glück: Wie Sie Ihr persönliches Glück steigern“ spricht mit engels
über falsche Erwartungen an privates wie berufliches Glück und die Bedeutungen, die soziale
Bindungen für unsere Zufriedenheit haben.
Wolff Horbach
Film
14
Roter Teppich
Der Däne Nikolaj Coster-Waldau („Nachtwache“) ist ab dem 14. Mai in Susanne Biers
Sozialdrama „Zweite Chance“ zu sehen. Wir
befragten ihn zu seiner Karriere und der Arbeit
an dem Film, der anhand eines Familienvaters
die Linie zwischen Gut und Böse erforscht.
Nikolaj Coster-Waldau
Film
17
Gespräch zum Film
Die Schweizerin Stina Werenfels erzählt in
„Dora oder Die sexuellen Neurosen unserer
Eltern“ vom sexuellen Erwachen einer behinderten 18-Jährigen. Wir sprachen mit der Regisseurin über Ihren Film und über die Fragen,
die er aufwirft.
Stina Werenfels
Foto: © Stina Werenfels
Wer GNTM schaut weiß, dass Mode nicht nur das Verstecken von Fleisch zum
Zweck hat, sondern immer „attitude“ erfordert. Gerade mit besagter Haltung
ist es bei den Modemultis aber selten weit her. Das wissen auch diejenigen, die
sich aller Wachstumsprognosen zum Trotz gegen die Errichtung eines „Primark“
am Döppersberg engagieren. Andere Marken wie H&M, C&A, Mango, Benetton,
Esprit (habe ich wen vergessen?) sind natürlich nicht besser. Weder für 5, noch
10, noch 50 Euro lässt sich eine Jeans fair und nachhaltig fabrizieren. Das kann
sich auch ausrechnen, wer nur Merino-Wolle im Kopf hat. Seit dem Einsturz der
Rana-Plaza-Fabriken vor zwei Jahren, bei dem weit mehr als 1.000 Menschen
starben, hat sich kaum etwas verbessert, auch wenn fast alle großen Ketten
eine camouflierende „Ethik“-Abteilung gegründet haben. Obwohl Primark zwar
mit 14 Millionen verhältnismäßig viel in den Fonds zur Unterstützung der Opfer
eingezahlt hat, sollte die irische Firma das Geld für eine Filiale am Döppersberg
lieber ohne Umwege auch den Opfern und Angehörigen gutschreiben. Die wären
darüber glücklicher als wir Wuppertaler über ein T-Shirt für 2,50 Euro.
Mit dem Wesen des privaten GLÜCKs beschäftigt sich auch unser Monatsthema. Hierzu sprechen wir u.a. mit Dr. GUIDO SPARS und spionieren bei Europas
glücklichstem Volk, den Dänen.
Um Nachhaltigkeit und die Zukunft unserer Umwelt geht es auch bei der EMobilität. In einem zweijährigen Praxistest der Ruhr-Universität Bochum wurde
nun die die Kompatibilität von Elektroautos mit den Anforderungen von Pendlern untersucht. Mehr dazu auf unseren Grünen Seiten.
In einer dystopischen Zukunft bereits angekommen ist „Die Möglichkeit einer
Insel“. NILS VOGES inszeniert Michel Houellebecqs Roman am THEATER DORTMUND als fiktives Laboratorium zwischen „Soylent Green“ und „Brave New
World“, das posthuman, postlethal und doch irgendwie scheiße ist. Eine Zukunft, ganz anders als die hervorragende Inszenierung in Kollaboration mit der
Koblenzer Künstlergruppe sputnic.
„Post“ im Sinne des lateinischen Präfix passt auch zu der Ausstellung NACH
DER FOTOGRAFIE, die im Sparkassenforum am Islandufer zu sehen ist. Mit Sylvie
Hauptvogel, Matthias Neumann und Dietmar Wehr stellen dort in Wuppertal
tätige Künstler aus, die sich dem Medium der Fotografie verschrieben haben. Als
Postapokalyptisch könnte man auch beschreiben, was der kosovarische Künstler
PETRIT HALILAJ in der gleichnamigen Ausstellung in der BUNDESKUNSTHALLE
BONN zusammengetragen hat. Er sichert Spuren seiner alten Heimat bzw. von
deren Verlust und mahnt die Besucher, Erinnerungen nie zu opfern.
Unser Film des Monats ist Susanne Biers Drama ZWEITE CHANCE, in dem ein
Polizist heimlich das eigene, plötzlich verstorbene Kind mit dem vernachlässigten Säugling eines Junkie-Paares vertauscht. Hauptdarsteller NIKOLAJ COSTER-WALDAU bewertet „Zweite Chance“ im Interview als „noch finsterer als
Game of Thrones“. Grauzonen eröffnet auch DORA ODER DIE SEXUELLEN NEUROSEN UNSERER ELTERN. Regisseurin STINA WERENFELS spricht mit uns über
das brisante Filmthema Sexualität und Behinderung. Im Rex war CHRISTIAN
FRIEDEL, Hauptdarsteller in Oliver Hirschbiegels Film „Elser“ zu Gast und hatte
viel zu erzählen, nachzulesen in unserer Rubrik Foyer.
Von der Kultur im Tal hat man dann auch länger was, als von dem Shirt von
Primark.
MAXI BRAUN
4
thema
ihr Glück?
 Und
[email protected]
Wir freuen uns auf Post.
Leserbriefe siehe Seite 31.
Aus der Traum: Vergänglichkeit liegt in der Natur des Glücks, Foto: Brian Jackson / fotolia.com
Die Hormone spielen Glück – Soziales, Sport und Sex. Glück hat im Privaten viele Facetten
Wie ist das eigentlich mit diesem Glück? Ja, ich Sport gilt ebenfalls als großartiger Produzent von
weiß, der Antwort auf diese Frage hechelt die Glückshormonen. Bei Bewegung wird das Hormon
Menschheit hinterher, seit der erste Neandertaler Serotonin freigesetzt. Sport führt nicht nur dazu,
dass man sich besser
ein vierblättriges Kleeengels-Thema im Mai:
und fitter fühlt, sondern
batt von der grünen
beugt Depressionen vor.
Wiese gezupft hat.
Fehlt Serotonin, kann
Philosophen sitzen seit
Wir alle sehnen uns nach Glück. Die Philosophie hadert
die Stimmung schlechUrzeiten an einer Defiseit Jahrtausenden damit, der Markt hat es längst als
Konsumprodukt entdeckt. Was bedeutet uns Glück? Geld,
ter werden, Angst aufnition. Und daran, wie
berufliche Erfüllung oder vor allem private Zufriedenheit?
treten, ebenso Aggresman es wohl am beLesen Sie weitere Artikel zum Thema auch in:
sionen und ein größerer
sten erreichen möge.
Appetit. Das GlückshorDem Stein der Weiwww.choices.de
www.trailer-ruhr.de
mon hat also wahnsinsen auf dem Weg zur
nigen Einfluss auf das
Glückseligkeit.
Was
also führt dazu, dass Menschen im Privatleben Wohlbefinden. Achtung: Serotonin befindet sich
ebenfalls in hochwertiger Schokolade. Naschen
Glück empfinden?
Dazu gibt es viele Meinungen. Es gibt die sozial macht also glücklich, aber bitte nicht zu viel! Und
eingestellten Glücksforscher wie Carl Spitteler, der es findet sich auch in Obst- oder Gemüsearten.
sagte: „Menschen zu finden, die mit uns fühlen Zum Glück – ha, ha – gibt es Umfragen, und naund empfinden, ist wohl das schönste Glück auf türlich machen sich emsige Forscher immer wieder
Erden“. Es gibt die, die Besitztümer dafür verant- daran, herauszufinden, wer warum glücklich ist.
wortlich machen, nicht glücklich zu sein. So wie Rund um den internationalen Tag des Glücks, der
André Gide: „Das Geheimnis des Glücks liegt nicht jedes Jahr am 20. März begangen wird, hat es eine
im Besitz, sondern im Geben. Wer andere glücklich ganze Reihe von Umfragen gegeben.
macht, wird glücklich“. Und eine Freundin hat zum Weil Kindermund bekanntlich Wahrheit kundtut,
Thema gesagt: „Glück – das ist ein guter Burger gab es im April eine Emnid-Umfrage unter Dreibis 16-Jährigen. Familie und Freunde sind das
mit Käse, zum Beispiel“.
Also. Jeder hat seine eigene, persönliche Definiti- Wichtigste, um glücklich sein zu können, sagten
on von Zufriedenheit. Streng genommen ist Glück 22 Prozent. Glücklich sind sie dann, wenn sie tun
nur eine körperliche Reaktion. Das Gehirn setzt in können, was sie gerne mögen. Das sagten zuminbestimmten Momenten Botenstoffe frei. Sie sti- dest 87 Prozent der Kinder. Ein festes soziales
mulieren oder betäuben den Körper sogar. Dazu Gefüge und eine gewisse Unabhängigkeit können
gehören Dopamin, Serotonin, Noradrenalin oder also schon bei jungen Menschen großes WohlbeEndorphine – klar, dass sich alle vier auch in Songs finden auslösen.
von mehr oder weniger drogensüchtigen Musikern Das Statistikamt der Europäischen Union Eurostat
wiederfinden. Schließlich kann Erfolg und damit hat in allen 28 Mitgliedsländern nachgehorcht,
Glück auch eine Droge sein. Und natürlich müssen wie glücklich die Europäer sind. In Dänemark leben
wir über Sex reden. Bei einem Orgasmus werden demnach die glücklichsten Menschen. Der Zufriedie meisten Glückshormone ausgeschüttet. Be- denheitsfaktor beträgt dort 8,0 von 10 Punkten.
Däne zwischen 65 und 74 Jahren müsste man sein.
stenfalls bei beiden Partnern.
GLÜCK
5
Das sind laut Eurostat die zufriedensten Menschen
überhaupt. Bulgare eher weniger. Die Bulgaren
sind am unzufriedensten. Ihr Glücksgefühl ist nur
4,8 Punkte stark. Deutschland ist mit 7,3 auf Platz
neun gelandet. Gar nicht schlecht für ein Land, von
dem oft gesagt wird, dass die Menschen hierzulande immer nur meckern. Der „World Happiness Report“ der Columbia Universität New York sieht die
Schweizer weltweit ganz vorne. Am unglücklisten
sind laut dem Report die Menschen aus Togo, Burundi und Syrien. Übrigens: Die Umfrage eines Kreditinstituts hat ergeben, dass 79 Prozent der Menschen sich nicht vorstellen können, ohne genug
Geld glücklich werden zu können. Das verwundert
einen bei dem Auftraggeber jetzt allerdings nicht.
Wird es denn leichter, dieses private Glück zu finden? Fest steht, dass wir immer mehr Möglichkeiten haben. Der Partner wird nicht mehr von den
Eltern ausgesucht, sondern kann sogar per Algorithmen im Internet gefunden werden. Ob dieser
Mensch sich in der Praxis als Glücksfaktor erweist,
ist immer noch erstens auszuprobieren und zweitens manchmal harte Beziehungsarbeit. In der
Freizeit können wir (fast) alles erleben, was wir
uns erträumen – vorausgesetzt, wir legen genug
Geld auf den Tisch. Und wir können uns durch eine
Aufweichung der Arbeitszeiten, Home Office und
Sabbatical immer häufiger vom Büro absetzen.
Aber: Ist das wirklich alles so einfach? Bleibt die
Traumfrau aus oder nervt der Job, ist unser Leben
schnell „out of balance“. Durchhaltevermögen und
Geduld sind auch bei der Suche nach dem Glück
gefragt.
FLORIAN SCHMITZ
Aktiv im Thema
ministeriumfuerglueck.de
www.77-wege-zum-glueck.de
www.gluecksoekonomie.net
worlddatabaseofhappiness.eur.nl
thema
Glück kommt selten allein, Foto: Amélie Kai
„400 angebliche Freunde bei Facebook helfen wenig“
Glücksforscher Wolff Horbach über Wege zur Zufriedenheit
engels: Herr Horbach, ist die Suche nach Glück Kann man es beeinflussen, ob man mehr oder
vergebene Liebesmüh?
weniger Glück hat?
Wolff Horbach: Klares Nein. Der Begriff ist na- Ja, sehr. Erstens ist es wichtig, sich von falschen
türlich uralt. Jeder Mensch will glücklich sein, Vorstellungen zu lösen. Nehmen wir wieder das
das ist unser höchstes Ziel. AlBeispiel Geld. Wenn jemand
les, was wir tun, machen wir, „Ein Schlüssel ist es, das Hier davon überzeugt ist, dass man
und Jetzt zu genießen“
damit es uns gut geht. Ich habe
zum Glück viel Geld braucht, tut
die Frage mit Nein beantwortet,
er alles Mögliche, um daran zu
weil es natürlich das absolut Lohnenswerteste kommen. Er arbeitet zum Beispiel wie verrückt.
im Leben ist, glücklich zu sein. Es gibt aus der Dadurch tragen aber die meisten Leute zu ihrem
Glücksforschung ganz konkrete Dinge, die jeder Unglück bei. Familie und Freundschaften werden
tun kann, um ein erhebliches Stück zufriedener zu vernachlässigt. Ein bisschen Glück geht dadurch
sein, als er es meistens ist.
den Bach runter. Zweitens ist die Gesundheit ein
ganz wichtiger Faktor. Durch viel Arbeit, Stress,
Haben Sie ein Patentrezept, um glücklich zu Angst und Anspannung leidet der Körper. Das
sein? Und wenn ja, teilen Sie es bitte mit uns!
macht wieder unglücklich. Das heißt, die Jagd
(lacht) Ein Patentrezept habe ich nicht. Mein nach dem Glück erzeugt genau das Gegenteil.
Buch heißt nicht umsonst „77 Wege zum Glück“. Deshalb sollte man sich im Klaren sein, was man
Die 77 Wege sind natürlich eine Metapher dafür, will.
dass es verschiedenste Dinge gibt, die wir dafür
tun können. Jeder kann damit anfangen, sein Das heißt, man sollte zugunsten des privaten
eigener Glücksforscher zu sein, indem er darauf Glücks ein bisschen die Karriere zurückschrauachtet, was ihn zufrieden und unzufrieden macht. ben?
Dann kommt man sich selbst auf die Schliche, Wenn jemand Single ist und im Job aufgeht, ist
was man am besten tut und was man lässt.
das natürlich okay. Aber die Hast, zu arbeiten bis
zum Umfallen, sollte man einschränken und reaGibt es einen Unterschied zwischen der beruf- listischer sehen. Viele Menschen erwarten auch
Dinge von irgendwelchen Großereignissen. Die
lichen und der privaten Zufriedenheit?
Das Gefühl Glück entsteht in unserem Gehirn. große Liebe zum Beispiel – es haben schon viele
Durch die Neurowissenschaften weiß man relativ erfahren, wie schnell das ins Gegenteil umschlagut, wie das funktioniert. Wenn ich mich privat gen kann. Zum Thema Lottogewinn gibt es zahlfreue, erzeugt das genau das gleiche Gefühl in reiche Untersuchungen, dass die Gewinner nach
den gleichen Hirnregionen, wie wenn ich beruf- einem Jahr genauso unglücklich oder glücklich
lich erfolgreich bin. Es gibt nur verschiedene Aus- wie vorher sind. Wer hingegen offen ist, fährt
damit besser. Für Freunde, Familie und Bekanntlöser dafür.
schaften.
Wie wichtig ist denn der Faktor Geld?
Viel weniger wichtig als die meisten Leute glau- Das soziale Gefüge muss also stimmen.
ben. Es gibt ja den Spruch „Geld macht nicht Es kommt nicht darauf an, viele Freunde zu haglücklich“. Das wussten schon unsere Vorfahren. ben. 400 angebliche Freunde bei Facebook helfen
Wenn man jetzt aber sagt, dass Geld völlig un- wenig. Vielleicht hat man dafür nur zwei oder
wichtig ist, ist das auch falsch. Man muss das drei, auf die man sich aber verlassen kann.
folgendermaßen betrachten: Wenn man wirklich
schlecht dran ist, ist Geld natürlich ein wichtiger Haben Sie selbst für mehr Zufriedenheit im
Faktor. Wenn die Grundbedürfnisse erfüllt sind, Privatleben schon einmal auf etwas verzichträgt Geld aber nur noch sehr bedingt zum Glück tet?
bei. Es gibt Untersuchungen, nach denen es ab Seit ich mich mit dem Thema Glück befasse, ha50.000 Euro Jahresgehalt in Sachen Zufrieden- ben sich sehr viele Dinge für mich verändert. Ich
heit kaum noch eine Rolle spielt. Wenn man habe nicht nur darüber geschrieben, sondern alganz viel Geld hat, kann es sogar das Gegenteil les auch ausprobiert. Natürlich nicht immer alles
bewirken. Dann wird Geld auch schon mal zur zu jeder Zeit. Aber viele Dinge habe ich verinnerlicht.
Belastung.
6
In welchen Momenten verspüren Sie Ihr eigenes, persönliches Glück?
Das ist schwer zu beschreiben. Das Gefühl ist für
mich eigentlich immer da. Wenn ich morgens
aufwache, freue ich mich auf den Tag. Wenn ich
tolle Gespräche führe, bin ich dankbar. Ich genieße die Natur. Bewegung und gesunde Ernährung
sind ganz wichtige Faktoren.
Sind Sie schnell zufrieden oder kann es dauern, bis Sie Glück genießen können?
Wenn etwas Negatives passiert, geht mein
Glückspegel natürlich schon runter. Das geht
aber relativ schnell wieder weg. Ich überlege
dann, was ich tun kann und bin schnell wieder
aus dem Thema raus.
Das heißt, sich schnell Gedanken über schlechte Dinge zu machen, kann helfen?
Nun, viele Leute machen sich viele Gedanken und
Sorgen. Ich würde sagen, dass 95 Prozent dieser Sorgen unberechtigt sind, weil die vermeintlichen Auswirkungen nie eintreten. Ein Schlüssel
ist es, achtsam zu sein und das Hier und Jetzt
zu genießen. Glücklich können Sie immer nur im
Moment sein.
Spielen Sie denn eigentlich Lotto?
(lacht) Ganz selten. Es gehört dazu, auch kleine
Chancen wahrzunehmen. Mein großer Traum ist
es, eine Stiftung zu gründen. Dazu braucht man
natürlich Geld, und deshalb habe ich Lotto gespielt. Ich erwarte aber nicht, dass ein Gewinn
mein Leben verändert. Und ich weiß, dass die
Chancen sehr, sehr gering sind. Das gehört aber
zur Strategie, nicht immer zu denken, dass es
sowieso nicht funktionieren wird. Es ist halt ein
Spiel.
INTERVIEW: FLORIAN SCHMITZ
ZUR PERSON
Der Stuttgarter Diplom-Ingenieur Wolff Horbach (64) ist Autor des Buches „77 Wege zum
Glück: Wie Sie Ihr persönliches
Glück steigern“.
Foto: privat
thema
Glück ist harte Arbeit, Foto: Amélie Kai
Glück durch Nichtstun
Michael Kopatz vom Wuppertal Institut schreibt über nachhaltiges Wohlbefinden
Beim Wuppertal Institut arbeitet Dr. Michael Kopatz als Projektleiter. Er ist für die Forschungsgruppe 2 zuständig: Energie-, Verkehrs- und
Klimapolitik. Es liegt nicht unbedingt auf der
Hand, was dieser Mann mit dem Thema Glück zu
tun hat. Aber Kopatz hat 2012 einen Beitrag zur
politischen Debatte beigesteuert, der unter dem
Motto „Arbeit, Glück und Nachhaltigkeit“ steht.
Untertitel: „Warum kürzere Arbeitszeiten Wohlbefinden, Gesundheit, Klimaschutz und Ressourcengerechtigkeit fördern“. Kopatz setzt sich also
dafür ein, dass die Menschen weniger Zeit auf
der Arbeit verbringen, um in ihrer Freizeit mehr
Entlastung zu haben. Und dadurch glücklicher im
privaten und beruflichen Bereich werden.
„Stress, Hektik und Überstunden machen unzufrieden und gefährden zunehmend die Gesundheit; unglücklich sind hingegen die Arbeitslosen“,
schreibt Kopatz und fordert eine bessere Balance.
Sowohl zwischen Arbeitenden und Arbeitslosen,
als auch zwischen Arbeit und Freizeit. „Wer 40,
50 oder gar 60 Stunden in der Woche der Erwerbsarbeit nachgeht, hat kaum noch Zeit für
Familie und Freunde. Doch das ist es, worauf es
im Leben ankommt, wenn die materiellen Grundbedürfnisse befriedigt sind.“ Dabei empfindet
Kopatz eine große Hürde darin, wenn jemand
freiwillig Geld gegen Zeit eintauschen möchte.
Vor allem Männer scheuten es, in einer Gesellschaft der „Macher“ in eine verkürzte Vollzeit zu
wechseln. Kopatz fordert deshalb ein politisches
Konzept, um Denkweisen zu verändern.
Work-Life-Balance ist das Stichwort. Laut einer Studie der OECD, die Kopatz zitiert, sind in
Deutschland 34 Prozent zufrieden mit der Verteilung zwischen Beruf, Familie und Freunden, Sozialen Netzwerken und Hobbies. Bei Menschen mit
Kindern nimmt die Zufriedenheit sogar deutlich
ab im Vergleich zu Singles. Wäre die Work-LifeBalance für viele Menschen austarierter, rechnet
der Wuppertaler mit einem deutlichen Geburtenplus. Weil mehr Paare in der Lage wären, ihren
Kinderwunsch realisieren zu können.
Im Abschnitt „Vom Glück des Nichtstuns“ spricht
sich Kopatz für den gezielten Müßiggang aus.
Das Geheimnis der glücklichen Dänen
Forscher zeigen: Es kommt doch auf‘s Geld an – und die Gene
Dass die Dänen in einer Umfrage zu den glücklichsten Bewohnern Europas zählen, passiert so
häufig, dass es eigentlich keine Neuigkeit mehr
ist. Egal ob die EU-Kommission, eine Universität oder ein privates Institut fragt: Stets leben
in den skandinavischen Ländern, allen voran in
Dänemark, die zufriedensten Menschen Europas.
Doch woran liegt das? Forscher haben in den
vergangenen Jahren zwei entscheidende Faktoren ausgemacht: Geld und Gene.
Zwar macht Geld alleine nicht glücklich. Doch
die jährlichen Umfragen der EU-Kommission
zur Zufriedenheit der Bürger zeigen: Wohlstand spielt eine wichtige Rolle. In den Ländern
Südeuropas, die von der Finanzkrise besonders
hart getroffen wurden, ist die Lebenszufriedenheit zwischen 2003 und 2013 deutlich gesunken.
Bei möglichen Antworten zwischen 0 (überhaupt
nicht zufrieden) und 10 (sehr zufrieden) ist der
Glückswert der Spanier von 6,7 auf 5,9 gefallen. Der italienische Wert rasselte von 6,2 auf
5,1 hinunter. Den stärksten Abstieg zwischen
2003 und 2013 verzeichneten die Griechen. Deren Lebenszufriedenheit sank von 5,6 auf 3,9.
Im Vergleich dazu steht Dänemark mit Werten
zwischen 8,6 und 8,9 immer konstant auf dem
ersten Platz.
Doch nicht nur das liebe Geld ist entscheidend.
Im vergangenen Jahr haben Forscher der britischen Universität Warwick herausgefunden,
dass das dänische Erbgut potenziell besonders
glücklich macht. Um die Gene verschiedener
Völker miteinander zu vergleichen, haben der
Ökonom Eugenio Proto und der Sozialwissenschaftler Andrew Oswald den „genetischen Abstand“ zu Dänemark mithilfe von Studien aus
131 Ländern analysiert. Ihre erste Erkenntnis:
Je weiter das Erbgut vom dänischen entfernt ist,
desto unglücklicher ist die Bevölkerungsgruppe.
Andere Faktoren, wie Lebensumstände, Religion
oder Kultur, wurden hierbei herausgerechnet.
Im zweiten Schritt haben die Forscher eine bestimmte Genmutation betrachtet, die den Trans-
7
„Die Momente des Nichtstuns fördern die Regeneration und stärken Gedächtnis, Einfallsreichtum und Kreativität“, schreibt Kopatz. Nicht nur
der Beruf, sondern auch die Freizeit werde zunehmend von Stress und Ruhelosigkeit geprägt.
Medien überfluten den Menschen mit Informationen. Das Smartphone ist ein Dauerbrenner gegen die Entspannung.
Aus der Arbeitswelt gibt es gelungene Experimente, mehrere Stunden auf den Empfang von
E-Mails und Anrufen zu verzichten, um Kreativität und Workflow nicht zu unterbrechen. Das,
so Kopatz, könne auch für die Freizeitgestaltung
gelten. Abschalten hilft. Und Ablenkung. „Das
Mittagsschläfchen oder ein Spaziergang im Grünen erhöhen Gedächtnisleistung, Kreativität und
Aufmerksamkeit, stärken die motorische Koordination, Wahrnehmungsfähigkeit und Entscheidungsfreude“, regt Kopatz daher an.
FLORIAN SCHMITZ
BLICK NACH
EUROPA
port des Glückshormons Serotonin hemmt. Das
erstaunliche Ergebnis: Dänen, egal ob sie in Dänemark oder woanders leben, leiden im Vergleich
zu Personen aus 29 anderen Ländern besonders
selten unter der Mutation. Ihre Glückshormone
werden also sehr zuverlässig transportiert. Auch
bei Niederländern, die in der Glücksforschung
ebenfalls regelmäßig Spitzenplätze belegen,
kommt die Genmutation selten vor. Die Forscher betonen allerdings, dass weitere Untersuchungen nötig sind, um einen kausalen Zusammenhang einwandfrei zu belegen.
Deutschland schneidet bei Glücksstatistiken
auch nicht schlecht ab. Im Gegensatz zu den
meisten anderen europäischen Ländern ist unser Glückswert in den vergangenen Jahren sogar
gestiegen. Gepaart mit der Information, dass die
glückshemmende Genmutation in Deutschland
etwas seltener ist als im europäischen Vergleich,
könnte das zu der Erkenntnis reichen: Eigentlich
können wir uns glücklich schätzen.
MARINA ENGLER
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20
Für viele Pendlerwege sind Elektro-Autos inzwischen gut zu gebrauchen, sagt eine Praxis-Studie der Bochumer Ruhr-Uni, Foto: RUB
Mit dem Elektro-Auto pendeln? Ja – aber …
E-Mobile taugen auch für längere Wege. Doch bei Kaufpreis und Ladenetz muss allmählich ’was passieren
Ausprobieren macht Freu(n)de. So schlicht lässt
sich das Ergebnis eines zweijährigen Praxistests
abbilden, in dem Wissenschaftler der Ruhr-Uni Bochum mit einem Sharing-Fuhrpark von 24 unterschiedlichen Elektroautos untersuchten, wie diese
mit Anforderungen von Pendler/innen „matchen“.
Allerdings: Für nicht wenige hört beim Geld die
Freundschaft auch wieder auf.
Unter uns: Ich hätte auch mitgetestet. Jeweils für
sieben Tage ein lupenreines Elektromobil und anschließend eines mit Benzin-Reichweitenverlängerung. Aber wer im „Home-Office“ arbeitet, gehörte
halt nicht zur Zielgruppe. Nebenbei tat sich ein
Zweit-Problem auf: Als Teil einer „Patchwork-Familie“ möchte man regelmäßig Liebste und Töchtervolk am Rhein mit Anwesenheit erfreuen. Doch
wo dort nachladen? Das – reichlich parkplatzarme
– Wohngebiet verbietet, die Kabeltrommel aus der
vierten Etage auf den Gehsteig zu fieren, falls doch
eine Lücke vorm Haus gefunden würde. Die nächste Ladesäule ist weit entfernt, womöglich mit dem
Prof. Sourkounis: „Die Entwicklung im Ladenetz ist
stehengeblieben.“ Foto: Tom Jost
Bus erreichbar. Und bei der Benzin-Tanke vis-a-vis
sorgte die Frage nach einem Ausnahme-Stromanschluss über Nacht für ambitioniertes Kopfschütteln: „Nääää – sowat mach’mer hier nit …“
Da müssen die mehr als 400 Hinz-und-KunzProbanden, die sich von skeptischen Prognosen
unbeeindruckt an dem Projekt „LangstreckenElektromobilität“ der Ruhr-Uni beteiligten, zu
erfreulicheren Eindrücken gelangt sein. „Vorher
waren die meisten noch vorsichtig in ihrer Einschätzung der Elektroautos“, verkündete jetzt Projektleiter Prof. Constantinos Sourkounis, „nachher
waren sie regelrecht euphorisch. Dreißig Prozent
haben angegeben, sie würden ihr jetziges Auto
beim nächsten Wechsel durch ein Elektroauto ersetzen – allerdings unter einigen Bedingungen.“
Elektrisch angetriebene Fahrzeuge gelten oft noch
als Zweitmobil für die Familie und kurze Distanzen. Die Praxisstudie der RUB-Wissenschaftler
zielte bewusst in eine andere Richtung. „Wenn
Reduzierung der Luftbelastung die Antwort auf
die Frage ist, warum wir elektrisch fahren wollen,
müssen wir dort ansetzen, wo die großen Strecken
entstehen. Also bei Pendlern, die längere Wege
zum Arbeitsplatz haben“, definierte das Team an
der Elektrotechnik-Fakultät. Fahrstrecke: zwischen 40 und 120 Kilometern. Und abends wieder
zurück. Wenn solche Fahrer auf Öko-Stromantrieb
umstiegen, würde schon eine Menge CO2 eingespart.
Im Spiel sind eine Reihe von Faktoren: Beschleunigung, Komfort, Lärmminderung oder Handling.
Aber letzten Endes kommt es auf die Reichweite an. Die RUB-Forscher richteten daher ihr Augenmerk auf drei unterschiedliche Bereiche. Sind
schnelllade-fähige Mobile, deren Akku in 20 bis
30 Minuten auf 80 Prozent Kapazität gefüllt werden kann, ein attraktives Angebot? Oder favorisieren Interessenten einen „Range Extender“ wie
Opels Ampera, der nach 40 bis 80 elektrischen
Kilometern auf den Benzintank umschaltet?
Welches Potenzial steckt in Effizienzgewinnen,
etwa durch Rückfluss von Bremsenergie oder der
Einschränkung von Klimaanlagen? Und „ticken“
Männer und Frauen auch als Elektromobilisten
unterschiedlich?
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Die Beantwortung stützt sich im Wortsinn auf die
„Erfahrung“ von 785.000 Kilometern – wobei die
neun Amperas mit durchschnittlich 45.000 Kilometern weit stärker genutzt wurden als die 15
reinen Batterieautos. Will heißen: Wo die Reichweite keine Sorgen macht, wird das Angebot auch
üppig genutzt. Muss man mit der Restladung
sparsam umgehen, unterbleibt die eine oder andere unnötige Fahrt. Unterschiedlich gestaltet sich
auf der Langstrecke auch der Zeitaufwand, wie
gemeinsame Hamburg-Fahrten zeigten. Während
das Ampera-Team trotz Staus nach vier Stunden
am Alten Fischmarkt einparkte, brauchte man mit
dem iMieV fast doppelt so lang. Denn was zählt
die Schnelllade-Fähigkeit, wenn unterwegs die
Ladesäule spinnt? Schon der eine missglückte Boxenstopp schlug mit zusätzlichen 90 Minuten zu
Buche.
Hier zeigte sich Prof. Sourkounis auch am meisten
überrascht: „Die Entwicklung bei den Ladenetzen
ist stehengeblieben“, skizziert er ein wesentliches
Hindernis. Zwar sei die Rhein-Ruhr-Region besser
ausgerüstet als das Umland, trotzdem reiche die
Struktur bei weitem nicht aus. Es regiert das alte
Henne-Ei-Prinzip: So lange nicht deutlich mehr
Elektrofahrzeuge unterwegs sind, haben Ladesäulen-Betreiber wenig Lust, weiter zu investieren.
Allein RWE, das mit Partnern europaweit rund
3.000 Ladepunkte betreibt, dürfte bisher reichlich
Geld versenkt haben. Wenn umgekehrt nur daheim
mit Haushaltsstrom Energie gezogen werden kann,
geht die Bereitschaft zum Kauf eines E-Mobils in
den Keller.
Wann „lohnt“ sich der Kauf? Das RUB-Team hat
für batterieelektrische Autos einen Schwellwert
von 11- bis 12.000 Euro Mehrkosten ermittelt, der
sich durch günstigen Unterhalt über die Lebensdauer ausgleicht. Gegenwärtig liegen Elektro- und
vergleichbare Benzinmodelle aber noch 17- bis
18.000 Euro auseinander. Das erhebende Gefühl,
manch „dicke Karre“ an der Ampel fies abgehängt
zu haben, rechnet sich nicht in Cent und Euro. Ein
Viertel der Testpersonen wartet auf günstigere
Angebote. Es bedeutet: Ein attraktives KaufanreizProgramm könnte Wunder wirken.
TOM JOST
auftritt
Auf der Suche nach dem Glück der richtigen Scheibe; am Mischpult der Elohim, Foto: Birgit Hupfeld
Den letzten Klon beißen auch Hunde nicht mehr
Ein Film jenseits des Kinos. Michel Houellebecqs Roman „Die Möglichkeit einer Insel“ in Dortmund
Die Gespenster ernähren sich von den toten Seelen der Menschen. Laut gleitet der Eiserne nach oben. Eine rhythmische Sound-Mischung aus „2001
– Odyssee im Weltraum“-Klängen und schwellenden Fanfaren eröffnet im
Dortmunder Schauspielhaus den Abend. Da ist das fiktive Laboratorium zwischen „Soylent Green“ und „Brave New World“, da ist die eine stille Welt
nach der Apokalypse, posthuman, postlethal und doch irgendwie scheiße. Die
Menschheit musste ja verschwinden, zugegeben, aber auch der unsterbliche
Neomensch verliert im Jahre 4014 langsam seine biologische Halbwertzeit,
immer nur Klonen geht irgendwann auf den Keks, denn ein paar Haken hat
die Nummer schon. Auch nach zwei Jahrtausenden Forschung, trotz Dolly (1996) und wegen Samuel H. Wood (2008). Bereits 2005 veröffentlichte
Michel Houellebecq seinen Roman „Die Möglichkeit einer Insel“, der jetzt in
Dortmund in einer Mixtur aus animierten Bildern und live gespielten Szenen
von Nils Voges mit seinem Künstlerkollektiv sputnic auf eine Bühnenleinwand geworfen wurde, als allererster Live-Trickfilm der Geschichte.
Vier Schauspieler in schwarzen Kutten dienen als Adepten, legen Glasscheiben auf die Tricktische, sprechen die Texte und bewegen die Szenerie aus
beleuchteten Faller-Häusern und Schienenwerk für hochtechnisierte Eisenbahnroboter, alles wird dann per Videosignal-Distribution auf die Leinwand
gebracht. Nix verstanden? Kein Problem, der technische Aufwand ist wohl
auch eher als visuelles Ablenkungsmanöver gedacht, er brückt die Wechsel,
er macht das Schauen sehenswert und er spiegelt den technischen Aufwand,
den echte Innovation jenseits der Philosophie eben so mit sich bringt, nicht
nur in den futuristischen Welten, wohl auch am Theater. Dystopien sind eben
lässig.
Daniel24, dessen genetischer Code erhalten geblieben ist, weil er irgendwie
irgendwann als einstiger Comedian einer pseudoreligiösen Weltraum-Sekte
nahe gekommen ist, steht gerade vor seiner Auflösung (Tod), muss seine
Gedanken noch in den Computer (Große Schwester) speichern, damit sein
nächster Klon ordentlich sein Gehirn rebooten kann. Wie gesagt, ein paar
Probleme sind auch 4014 noch nicht gelöst und Houellebecq wäre nicht
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Houellebecq, wenn es dabei nicht auch um Sex in allen Variationen ginge.
Aber auch ums Glück. Und so forschen die Klone explizit bei Daniel1, der
im 20./21. Jahrhundert verzweifelt danach gesucht hat, der Liebe fand und
sie wieder verlor, der eine Gefährtin besaß und einen Hund „Fox“. Der allein
blieb immer treu und verstand die Depressionen seines Herrchens nie, und
das war auch gut so. Dann kamen die Eduhim-Jünger nach Lanzarote und die
Existenz des Neomenschen Daniel begann, wenn auch eher zufällig.
Dennoch, nun ist es mal wieder vorbei, fast endgültig vorbei. Schauspieler
Andreas Beck bedient den Gong, das Strahlenschutztor wird geöffnet, Daniel25 wird zum Sandmännchen in der sandigen Ödnis. Hallo Daniel25. Mist,
der treue, natürlich auch geklonte Hund Fox stirbt unmittelbar. Nils Voges
lässt für den groben Animationsfilm seine Protagonisten schwitzen, die
Werktätigen des Theaters im dauerkonzentrierten Apparat, optisch erinnern
sie leicht an Kraftwerk, ihre Choreografie meist an Charlie Chaplins „Moderne Zeiten“: Hier muss gedreht, geraucht, gerannt, getropft, gesprochen
werden, Multitasking-Actors im besten Sinne, und sinnlich ist die Szenerie
allemal – auch wegen der offenen Technik. Die Suche nach dem Glück fängt
für Daniel25 nun an, Fox ist auch frisch geklont und sein Vorgänger hat
ihm auch von Marie22 berichtet. Die hat ihr lebenserhaltendes Refugium
bereits verlassen, für eine Vision von Lanzarote, einer Insel der Träume, der
schlichten Möglichkeit von Glück. Sex ist ja o.k., aber es gibt keine Rückkehr.
Die freundliche „Große Schwester“ löscht nämlich flugs die Ahnenfolge, das
Refugium wird zerstört, der Klon ist auf der letzten heiligen Wallfahrt. Und
er trifft natürlich auf die letzten echten Wesen der Postapokalypse. Und
das sind keine Elohim, die fressen auch geklontes Fleisch. Als erstes muss
Fox dran glauben – der blöde Köter. Gut so. Einem Replikanten wäre das
natürlich nie passiert, doch der hätte bestimmt wieder nur von elektrischen
Schafen geträumt.
PETER ORTMANN
„Die Möglichkeit einer Insel“ | R: Nils Voges, sputnic | So 10.5. 18 Uhr,
Mi 20.5., Sa 30.5. 19.30 Uhr| Schauspielhaus Dortmund | 0231 502 72 22
musical in NRW
oper in NRW
„Der Zauberer von Oz“, Foto: Pedro Malinowski
Richard Furman als Anatol und Katrina Sheppeard als Vanessa, Foto: Klaus Lefebvre
Unterm Eis
Musicals (nicht nur) für Kids
Von Karsten Mark
Der dicke Eispanzer auf dem Gemäuer ist nicht nur dem strengen Winter geschuldet, der das herrschaftliche Anwesen irgendwo im Norden umtost. Bittere Kälte herrscht auch im Salon der Baronin. Mit ihrer Tochter Vanessa spricht
sie kein Wort mehr; und Vanessa selber ist, von ihrer großen Liebe verlassen,
seit 20 Jahren in eine innere Starre ver„Ein atmosphärisch äußerst
fallen. Dazwischen steht die junge Erika,
dicht
gewobenes Psychodrama,
unschuldig und ergeben. Dann platzt ein
das zu fesseln vermag“
Mann in die abgeschottete Welt – ein Gespenst aus längst vergangener Zeit.
Als Samuel Barber 1958 seine erste Oper an der New Yorker „Met“ aufführen
ließ, da jubelte das Publikum und prompt folgte der Pulitzer-Preis für Musik.
Drei Jahre später dann die Ernüchterung: Bei den Salzburger Festspielen blieb
die Reaktion eher kühl, die Kritik fiel regelrecht über den Komponisten her. In
einer Hochphase der europäischen Avantgarde präsentierte der Amerikaner
eine große Oper nach romantischem Vorbild mit Anklängen an Puccini und
Richard Strauss: „Plüsch“ und „Kitsch“ lauteten die Urteile. Barbers „Vanessa“
war in der Alten Welt damit für lange Zeit abgehakt.
Von Rolf-Ruediger Hamacher
Kein Musical eignet sich mehr, um auch die Kleinen an das Genre heranzuführen. Die filmische Umsetzung des Kinderbuchs von L. Frank Baum „The Wizard
of Oz“ (1939) wurde nicht nur zum Kultfilm, sondern machte auch Judy Garland zum Star und ihren Song „Somewhere Over the Rainbow“ zum Evergreen.
Zudem erlebte das Technicolor-Verfahren mit „The Wizard of Oz“ seinen ersten künstlerischen Höhepunkt. Diese leuchtenden Farben sind es auch, die
sich jetzt am MIR in den Kostümen von
„…das bis in die kleinste
Martina Feldmann und im Bühnenbild
Nebenrolle überzeugende
von Britta Tönne widerspiegeln. Damit
Ensemble“
auch die Ohren in den „Original“-Genuss
kommen, hat man sich entschieden, die Songs im Englischen (mit dt. Oberttiteln) zu belassen. Nicht die einzige kluge Entscheidung von Regisseurin Sandra
Wissmann, die nach ihrem vielversprechenden Gesellenstück „Cabaret“ ihre
Musical-Meisterprüfung mit Bravour besteht. Zusammen mit ihrem kongenialen Choreographen Sean Stephens schickt sie die kleine Dorothy mit ihrem
(echten!) Hündchen Toto, einer Vogelscheuche, einem Blechmann und einem
ängstlichen Löwen, zum mächtigen Zauberer Oz, der ihre Wünsche zwar nicht
erfüllen kann, sie jedoch zur Selbsthilfe anleitet. Und da sind auch noch eine
gute und eine böse Hexe, die das eine oder andere Wörtchen mitzureden haben. Das alles fließt durch das bis in die kleinste Nebenrolle überzeugende
Ensemble, die präzis-einfallsreiche Regie und die schmissigen Tänze (bei denen man sich lediglich ein paar Step-Einlagen mehr gewünscht hätte) zu einer
verzaubernden Reise ins Land hinter dem Regenbogen zusammen. Chapeau!
Amerikanische Oper in Hagen: Samuel Barbers „Vanessa“
Das Theater Hagen hat Vanessa nun wieder auf die Bühne gebracht. Sie fügt
sich ein in eine lose Folge amerikanischer Opern, die einen roten Faden der Intendanz von Norbert Hilchenbach seit 2007 bilden. Regisseur Roman Hovenbitzer hat den Dreiakter in der gestrafften Fassung von 1964 mit ausgiebigem
Einsatz von Videoeinspielungen (Film: Volker Köster) inszeniert. Herausgekommen ist ein atmosphärisch äußerst dicht gewobenes Psychodrama, das zu fesseln vermag und auch geschickt mit den Gegebenheiten operiert. Etwa, dass
sich die australische Gastsopranistin Katrina Sheppeard in der Titelrolle und
Kristine Funkhauser als Erika im Timbre recht ähnlich sind. Die Regie macht
aus der eigentlichen Nichte Erika eine Tochter und lässt sie der Mutter auch
äußerlich gleichen. Das ist auch dramaturgisch geschickt, wenngleich man
sich musikalisch vielleicht etwas mehr dramatisches Gewicht in der VanessaPartie wünschen würde. An Dramatik mangelt es der Partitur Barbers nicht –
sie ist mitunter etwas überladen damit. Die Hagener Philharmoniker kosten sie
unter Leitung von Florian Ludwig jedenfalls sehr genussvoll und farbenreich
aus. Die Musik ist oft eingängig, teils klingt sie nach Hollywood. Neben den
beiden Solistinnen singen auch die männlichen Gäste – der amerikanische
Tenor Richard Furman als jugendlicher Liebhaber Anatol und Bariton Ilkka
Vihavainen als lüstern-aufdringlicher Doktor – ihre Partien
mit beachtlicher Präsenz und Ausstrahlung. Durchweg erfreulich sind ebenso die schauspielerischen Leistungen bis
in die kleineren Rollen. Hovenbitzers ist Inszenierung auch
ein Glanzstück für den geschickten Einsatz von Videoeinspielern. In der Art glamouröser Stummfilme erscheinen
Vanessas Erinnerungen an die glückliche Vergangenheit
Karsten Mark
wie verklärte Träume. Realität und Traum verschwimmen
Journalist mit Schwerpunkt (Musik-)Theater in ästhetisch bestechender Weise. Absolut sehenswert!
„Vanessa“ | R: Roman Hovenbitzer | Mi 13.5., Fr 22.5., Do 28.5. je 19.30 Uhr,
So 17.5. 18 Uhr | Theater Hagen | 02331 207 32 18
„The Wizard of Oz“ in Gelsenkirchen und „Oliver“ in Koblenz
In Koblenz verließ sich Intendant und Regisseur Markus Dietze bei „Oliver!“
leider auf die holprige Übersetzung. Dafür konnte er aber mit einem Pfund
gegenüber der Verfilmung (1968) wuchern. Deren einziger Schwachpunkt
war die Besetzung der Titelrolle mit dem allzu süßlichen und stimmlich
schwachbrüstigen Mark Foster. Dem setzte Dietze mit Mariss Delamboye,
dem 10-jährigen Sohn des Koblenzer Musikdirektors, eine deutlich intonierende, Spiel und Tanzschritte präzis beherrschende Entdeckung für diese oft
untergehende Rolle entgegen. Denn das Hauptaugenmerk liegt meistens auf
seinem jugendlichen Kumpel Artful Dodger und Faggin. Leider hat Dietze
der Rolle alles Diabolische ausgetrieben, ließ Christof Maria Kaiser eher wie
einen Märchenerzähler durch die stimmungsvolle Drehbühnenszenerie von
Christian Binz streifen, deren historische Authentizität er auch mit seinen
Kostümen betonte. Die Übermächtigkeit des Bühnenbilds
ließ andererseits zu wenig Raum für ausladende Choreografien, sodass dynamische Nummern wie „Wer will kaufen, rote Rosen?“ eher im Gedränge und dem sich in den
Hüften wiegenden Opernchor enden. Auch Julia Steingass
durfte leider kaum zeigen, dass sie tanzen kann, betörte
aber mit ihrer ausdrucksstarken Stimme. So konnte man
Rolf-R. Hamacher
Hochschuldozent
der „Unperfektion“ der Inszenierung letztlich doch einiges
und Beirat des Filmkritikerverbandes
abgewinnen.
„Der Zauberer von Oz“ | MiR, Gelsenkirchen | www.musiktheater-im-revier.de
„Oliver!“ | Theater Koblenz | ausgelaufen
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theater in NRW
tanz in NRW
Tim Behren und Florian Patschovsky in „The Boy Who Cries Wolf“, Foto: Frank Erler
Marode Schönheit, das Düsseldorfer Schauspielhaus
Kölner Tanzszene formiert sich neu Sanierungsstückwerk
„Der Tanz in Köln ist bereit, in eine neue Ära einzutreten“
Düsseldorf muss sein Schauspielhaus für 11 Monate schließen
Von Klaus Keil
Gleich zu Beginn des „Open Space“ zum Tanz stellte die Tänzerin und Nachwuchs-Choreografin Lisa Freudenthal eine unerwartete, aber längst überfällige Frage: „Was will Köln eigentlich mit dem Tanz?“. Verblüfft hält man
inne.
Jahrelang hat sich Kölns freie Tanzszene
„Wann erfüllt Köln seine
ins Zeug gelegt, um die Kulturpolitik von
Bringschuld?“
der Qualität ihres Beitrags zur Kunststadt
Köln zu überzeugen – leider mit mäßigem Erfolg: unzureichende Fördermittel, fehlende Proberäume, von einer angemessenen Aufführungsstätte ganz
zu schweigen. Und nun kommt eine junge Tanzschaffende, die sich nach
künstlerischen Stationen in den USA und dem europäischen Ausland in Köln
niedergelassen hat und stellt die schlichte Frage, ob Köln dieses Angebot
einer vielfältigen, auf hohem Niveau arbeitenden Kunstform überhaupt will.
Nach den jährlich repetierten Lippenbekenntnissen der Politik zur Bedeutung
des Tanzes in Köln stellt schon allein die Frage die faktische Lage des freien
Tanzes vom Kopf auf die Füße. Welche Wertschätzung genießt eigentlich
dieses einzigartige Genre in Köln? Hat Köln nicht auch eine Bringschuld?
Zum „Open Space“ haben sich kürzlich etwa fünfzig Kölner Tänzerinnen und
Tänzer, Choreografinnen und Choreografen im Deutzer „Quartier im Hafen“ getroffen, um Fragen wie diese zu beantworten – Fragen der Professionalisierung, des angemessenen Marketings, Fragen nach der Vernetzung
untereinander und mit anderen Genres (Theater, Musik, Kunst etc.), nach
Austausch und Formen der Intervention in Politik und Wirtschaft, aber auch
nach Utopien für den Tanz in Köln. Es war das größte Treffen der Tanzszene
seit Jahren und es fand wohl auch deshalb so viel Zuspruch, weil die problematische Lage inzwischen jeden Tanzschaffenden auf irgendeine Weise
berührt. Doch in den Arbeitsgruppen ging es weniger um eine Bestandsaufnahme als um die Erarbeitung strategischer Ziele. Schon die Einladung zu
diesem Treffen klingt wie ein Aufbruch zu neuen Horizonten: „Die Zeit ist
reif, dass wir – die mit Tanz professionell befassten Menschen in Köln – uns
neu zusammenstellen, austauschen und eine starke Vision für den Tanz in
unserer Stadt entwickeln.“
Dieses neue Selbstbewusstsein des Tanzes bekam auch die Kulturamtsleiterin, Barbara Förster, zu spüren, die der Einladung zum Open Space gefolgt
war und sich der Debatte um ein Produktions- und Aufführungshaus stellte.
Sie erkannte an, dass „der Tanz den größten Bedarf“ habe und sprach von
der Notwendigkeit eines „mehrfunktionalen Raumes vorrangig für den Tanz“.
Der Tanz, so Förster, möge doch erklären, unter „welchen Bedingungen“
man mitzumachen bereit sei, das „Modell steht im Raum“. Wichtiger als
die Scharmützel um das von Kulturdezernentin LaugwitzAulbach präferierte Drei-Sparten-Haus aber bleibt die
Eingangsfrage, was Köln mit dem Tanz will. Die in das
Tanzförderkonzept der Stadt aufgenommene mittelfristige Planung für die Entwicklung des Tanzes in Köln ist
noch nicht einmal ansatzweise sichtbar. Man darf gespannt sein, wann die Kulturstadt Köln ihre Bringschuld
Klaus Keil
erfüllen wird. Darauf wartet nicht nur die Tanzszene, sonJournalist, Tanzkritiker
und Hochschuldozent dern auch das Publikum.
Von Hans-Christoph Zimmermann
Und jährlich grüßt das Murmeltier. Als Staffan Valdemar Holm 2011 seine Intendanz am Düsseldorfer Schauspielhaus antrat, dauerte es noch Monate, bis
er tatsächlich ins große Haus einziehen konnte. Nun blüht Wilfried Schulz,
der ab der Spielzeit 2016/17 am Gustaf-Gründgens-Platz das Sagen hat, weit
Schlimmeres. Von Januar bis November 2016 muss das gesamte Haus saniert
werden, obwohl bereits in den Jahren
„Der jahrelange Schlendrian
2006-08 und 2009-11 Bühnentechnik und
rächt sich jetzt“
das große Haus überholt wurden. Nun sind
die Wasserleitungen, die Lüftungs- und Heizungstechnik, außerdem Fassade
und Dach dran. Bei einem der letzten Starkregen sind offenbar Rohre gebrochen und 70 Kubikmeter Wasser in den Keller gelaufen, wo sie für Kurzschlüsse
gesorgt haben. Und da das Haus während der Sanierung nicht bespielbar ist,
wird auch gleich die Beleuchtungsanlage auf LED-Technik umgestellt. Nun mögen Sanierungen hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und energetischer Standards
sinnvoll sein, doch drei Großsanierungen innerhalb von 10 Jahren, das klingt
nach Stückwerk.
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Der Zeitplan wirkt sehr ambitioniert, auch weil es derzeit noch keinen Beschluss
der Gesellschafter (das Land NRW und die Stadt Düsseldorf) zur Sanierung gibt.
Der soll erst im Mai ergehen, danach folgen dann die europaweite Ausschreibung und die Vergabe. Und ob 11 Monate Sanierungszeit überhaupt reichen,
ist zweifelhaft. Sanieren im Bestand birgt immer Unwägbarkeiten. Glück im
Unglück könnte das Schauspielhaus insofern haben, als im Frühjahr 2016 die
Tiefgarage unter dem Platz abgebrochen wird und der Lärm vermutlich den
Spielbetrieb erheblich beeinträchtigt hätte. Von einem pünktlichen Start für
Wilfried Schulz, wie es Kulturdezernent Hans-Georg Lohe versprochen hat,
kann trotzdem keine Rede sein.
Und auch die Kostenplanung ist waghalsig. Mit 14 Mio. Euro sind die Gesellschafter angeblich dabei. Aus dem Schauspielhaus sind allerdings andere Summen zu hören: 10 Mio. Euro soll allein die neue Gebäudetechnik kosten, 6-8
Mio. kommen für die Sanierung von Dach und Fassade hinzu. Ganz zu schweigen von den Zusatzkosten für den mehrmonatigen Umzug und den Wegfall der
Einnahmen. Denn der Spielbetrieb wird ins Central, das Proben- und Werkstattzentrum des Schauspielhauses am Hauptbahnhof, verlagert. Dort gibt es zwar
eine voll funktionsfähige Bühne mit variablem Zuschauerraum, dieser fasst
aber nur 300-400 Zuschauer. Weniger Zuschauer heißt jedoch weniger Einnahmen. Und genau die sollte doch der derzeitige Interimsintendant Günther
Beelitz konsolidieren, nachdem zuletzt die Besucherzahlen
in den Keller gegangen sind. Finanzielle Entlastung dürfte allein durch ein Förderprogramm des Bundes kommen,
das die Generalüberholung von der Gebäudetechnik in
Kulturbauten unterstützt. Wie schon Wuppertal und Köln
bekommt nun auch Düsseldorf die Quittung für die jahrelange Flickschusterei bei der Sanierung eines Gebäudes aus
den 60er Jahren. Der jahrelange Schlendrian, der bekanntHans-Christoph
Zimmermann
lich auch die Infrastruktur in NRW erheblich beeinträchtigt,
Journalist und
Theaterkritiker
rächt sich jetzt, in Zeiten knapper Kassen.
opernzeit
prolog
Hoffnung keimt selbst, wo Dunkelheit lauert , Foto: Jan Schliecker
„Alice dans les rues“ von Les Anthropologues
Zuletzt stirbt die Hoffnung
Auf zu neuen Ufern
Zwei Musiktheaterwerke, im Zweiten Weltkrieg und Anfang der Siebziger
Jahre entstanden, wenden sich gegen Krieg, Diktatur und Unterdrückung.
Sie sind nicht nur als politisches Manifest, sondern als existentielle Auseinandersetzung mit der Ohnmacht des Menschen in gottloser Zeit zu verstehen.
Welche Lebensgemeinschaft ist die richtige? Wie und vor allem wer sich mit
wem verpartnern kann, soll oder muss, darüber debattieren Repräsentanten
aus Kirche und Kultur ebenso wie Politiker. Auch literarisch wurde manche Idee
kundgetan, nicht nur in Goethes „Stella“, die ursprünglich mit einer ménageà-trois endet, sondern auch beim einzigartigen Dario Fo. Als er 1997 mit dem
Nobelpreis geehrt wurde, charakterisierten die Juroren ihn als einen Bühnenkünstler, „der in Nachfolge der mittelalterlichen Gaukler die Macht geißelt und
die Würde der Schwachen und Gedemütigten wiederaufrichtet“. Seine Komödie „Offene Zweierbeziehung“ setzt sich im Original mit den Denk- und Empfindungsansätzen in der bürgerlichen Ehe zwischen ewig betrügendem Mann
und immer wieder hintergangener Frau auseinander. Das TalTonTheater katapultiert diese Szenen einer Ehe ins Rampenlicht. Thomas und Nigel Channing
sind Entertainer auf Tournee, als Thomas die Faxen dicke hat und Schluss machen will. Mit allem, der Bühnenshow, der Beziehung und seinem Leben. Sein
Lebenspartner zieht sämtliche Register, um einerseits die Show und anderseits
die Überbleibsel der Beziehung zu retten. Dazu gibt es Tanz- und Gesangseinlagen, groben Waffengebrauch und letztlich den Vorschlag, zu neuen Ufern
aufzubrechen und eine offene Beziehung zu führen.
„Aufbruch“ lautet das diesjährige Motto der 7. neanderland Biennale. Das
Theaterfestival feiert am 29. Mai Premiere und endet am 20. Juni mit einer
modernen Interpretation von „Alice im Wunderland“. Sie bezieht mit spektakulären Inszenierungen alle zehn Städte im Kreis Mettmann als Spielstätten
ein. Die französische Formation Théatre Les Anthropologues gastierte bereits
im März anlässlich des Welttags des Theaters in Mettmann und überraschte
ahnungslose Passanten und Flaneure mit ihrer eigenwillig-exotischen „Alice“Adaption – das Original übrigens ist vor 150 Jahren erschienen. Kostümiert im
extravaganten Steam-Punk-Stil, spazierten der Hutmacher, ein weiß gewandeter Herr mit exzentrischer Fliegerbrille und die blond bezopfte Alice durch
die Neandertalstadt und forderten auf, sie zur Teezeremonie zu begleiten. „Es
ist ein Walking Act“, erklärte Katja Lillih Leinenweber, künstlerische Leiterin
der diesjährigen Biennale. Entlang von fünf Stationen soll die bekannte Geschichte der kleinen Alice, die einem Kaninchen in ein märchenhaftes Fabelland
folgt, auf Französisch und Englisch erzählt werden. „Die Story ist den meisten
bekannt“, wichtige Figuren wie die Herzkönigin und ihr schrilles „Kopf ab!“
sind in der modernen Version ebenso dabei wie das ewig auf die Uhr schauende Kaninchen. Die ganze Stadt soll als Kulisse dienen, Requisiten werden auf
Handwagen von den Darstellern mitgeführt und pyrotechnische Effekte sind
vorgesehen. Damit die perfekt wirken können, beginnt die Aufführung Samstag, 20. Juni, abends. Um 21 Uhr startet die Gruppe an der Beckershoffstraße,
quer durch die Innenstadt geht es bis zum Königshof. Jeder aus dem Publikum
darf sich als Teil der Geschichte fühlen.
Absurde Begegnungen erlebt auch Michael Mittermeier. Wer wissen will, warum der Bayer auch im englischsprachigen Ausland gefeiert wird, besucht seine
Show „Blackout“, mit der er sein Publikum in der Stadthalle bespaßen wird.
„Il prigioniero“/„Ekklesiastische Aktion“
Beide Werke spielen zur Zeit der spanischen Inquisition. „Der Gefangene“
(ital. Il prigioniero) wartet auf seine Hinrichtung, doch der Kerkermeister
macht ihm Hoffnung auf Befreiung und gibt ihm die Gelegenheit zur Flucht
aus dem Labyrinth der Kerker. Unter dem freien Sternenhimmel wähnt er
sich gerettet, doch erwartet ihn dort nicht die Freiheit, sondern der Großinquisitor und der Scheiterhaufen. Das kafkaesk wirkende Libretto geht auf
die Erzählung „Folter durch Hoffnung“ von Auguste Villiers de l‘Isle-Adam
(1888) zurück.
Die Textgrundlage von Zimmermans ekklesiastischer (kirchlicher) Aktion
stützt sich auf das Buch Salomo des Alten Testaments und das Kapitel „Der
Großinquisitor“ aus Dostojewkijs Roman „Die Brüder Karamasow“ (18781880). Der Großinquisitor sucht den in Haft sitzenden Jesus Christus auf,
der auf die Erde zurückkehrte. Ihm wird zum Vorwurf gemacht, dass er den
Menschen zu viel Freiheit ließ, mit der sie nicht umgehen können und die
sie nun gegen die Macht der Kirche aufbringt. Am Ende entlässt der Großinquisitor den Gefangenen mit den Worten: „Geh und komm nicht wieder.“
Diese Romanepisode kombiniert Zimmermann mit Zitaten aus dem Alten
Testament, die von der Nichtigkeit des menschlichen Seins zeugen und dem
Unrecht, das Mächtige den Schwachen antun – ein zutiefst pessimistisches
Werk, das Zimmermann unter Aufbietung seiner letzten Kräfte am 5. August
1970 beendete. Fünf Tage später nahm er sich das Leben.
Die hochexpressive Musik beider Werke bringt tiefstes menschliches Leid
und Verzweiflung zum Ausdruck. Dallapiccola, selbst mit einer Jüdin verheiratet, wandte sich vom italienischen Faschismus ab, nachdem Mussolini 1938 zur antisemitischen Rassekampagne aufrief. In seinen Kompositionen aus dieser Zeit griff er bewusst auf die Zwölftontechnik Arnold
Schönbergs zurück, dessen Musik als entartet galt, und bekannte sich zu
ihm als menschliches und künstlerisches Vorbild. Die Zwölftonmusik ist für
Dallapiccola jedoch kein abstraktes Konstruktionsprinzip, sondern dient der
dramatischen Textausdeutung, ebenso wie die Tonalität.
Zimmermanns Werk ist Ausdruck seiner eigenen Halt- und Hoffnungslosigkeit und Zeugnis allgemein menschlicher Ohnmacht. Auch er verstand sein
Komponieren im Kontext musikalischer Tradition. So zitiert er aus Bachs
Kantate „O Ewigkeit, Du Donnerwort“, selbst Bluesrhythmen macht er sich
als Ausdrucksmittel subjektiver Not und Ausweglosigkeit zu eigen. Der letzte Satz des Werkes erscheint wie ein Selbstbekenntnis des gläubigen Katholiken: „Weh dem, der allein ist.“
KERSTIN MARIA PÖHLER
Wunderland-Alice bei der neanderland Biennale
VALESKA VON DOLEGA
Michael Mittermeier: „Blackout“ | Di 5.5. 20 Uhr | Stadthalle | www.stadthalle.de
„Offene Zweierbeziehung“ | Sa 23.5. 20 Uhr | TalTonTheater | 0211 27 40 00
7. neanderland Biennale | 29.5.-20.6. | www.neanderland-biennale.de
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film des monats
Verzweifelt im Affekt: Andreas (Nikolaj Coster-Waldau)
Chaos
„Zweite Chance“ von Susanne Bier
Nach einem grausamen Schicksalsschlag fällt ein junger Familienvater eine tragische
Entscheidung.
C Atemberaubendes Thrillerdrama
Regelmäßig kehrt die international renommierte Regisseurin Susanne Bier zurück in ihre Heimat Dänemark und inszeniert dort das eine oder andere Drama.
Und das ist gut so. Die einstige Dogma-Vertreterin („Open Hearts“) ist nach
ihrem über die Landesgrenzen hinaus gefeierten Erfolg „Brothers – Zwischen
Brüdern“ von 2004 auf den Leinwänden der Welt unterwegs. Auch wenn sich
Susanne Bier immer die zurückgenommene Inszenierung bewahrt hat und
selbst in ihren Hollywood-Ausflügen („Eine neue Chance“, „Serena“) oder gar
in einer romantischen Komödie wie „Love Is All You Need“ den Versuchungen
des Pompösen und von Pathos entsagte und weiterhin jenseits der Oberfläche
zu berühren vermochte, ist und bleibt sie am stärksten, wenn sie nach Dänemark zurückkehrt. Davon zeugen ihre Filme „Nach der Hochzeit“ und „In einer
besseren Welt“. Und davon zeugt auch ihr aktuelles Drama.
Eine folgenschwere Entscheidung
Bei einem Einsatz wegen Ruhestörung verschaffen sich Polizeikommissar Andreas
(Nikolaj Coster-Waldau) und sein Kollege Simon (Ulrich Thomsen, „Adams
Apfel“) Zugang in die Wohnung des vorbestraften Junkies Tristan (Nikolaj Lie
Kaas) und dessen Partnerin Sanne (das dänische Model Lykke May Andersen).
In der heruntergekommenen Wohnung finden die Männer auch das bitter verwahrloste Baby der beiden. Andreas, selbst liebender Vater eines kleinen Sohnes, entreißt das Baby seinen Eltern. Die Behörden aber geben es jenen schon
bald zurück, da es gesund und ausreichend ernährt ist. Andreas ist entgeistert.
Geborgenheit vor seinem Joballtag findet der junge Vater indes daheim bei seiner Frau Anna (Maria Bonnevie) und dem Nachwuchs. Dann aber plötzlich
stirbt des nachts das Baby. Verzweifelt im Affekt trifft Andreas eine so tragische
wie folgenschwere Entscheidung. Er fährt mit dem toten Kind zu Tristan und
Sanne, die gerade ihren Drogenrausch ausschlafen, während ihr Kind unbeobachtet auf dem Kachelboden des Badezimmers liegt. Andreas dringt in die
Wohnung ein und tauscht das lebende gegen das tote Baby aus.
Keine Angst, diese Kritik verrät nicht zu viel. Die Geschichte nämlich geht hier
erst richtig los, und es kommt in diesem Drama noch so manches anders, als
man denkt. Susanne Biers vertrauter Drehbuchautor Anders Thomas Jensen
(„Brothers“, „In einer besseren Welt“) entwickelte gemeinsam mit der Regisseurin das Skript. Erneut sucht Bier die alltägliche Ausgangslage. Zart inszeniert sie das Familienglück des Polizisten, bitter die Zustände in der Höhle der
Mein Film, mein Kino, meine Meinung
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Junkies. Dann schlägt das Schicksal zu, der plötzliche Kindestot, und der eherne Gesetzeshüter und fürsorgliche Familienvater, den Nikolaj Coster-Waldau
(„Game of Thrones“) bravourös ungekünstelt als Sympathieträger verkörpert,
begeht eine moralisch verwerfliche Untat. Eine Straftat, die den Zuschauer für
den Rest des Films in Bann halten wird, weil sie nachvollziehbar und gerechtfertigt erscheint. Anstatt nun die moralische Keule zu schwingen, biegt Jensens Geschichte ab und ummantelt das Drama mit einem Krimiplot. Und fährt
im Folgenden noch zahlreiche Wendungen auf, die überraschen, die erschrecken und in deren Verlauf Andreas zunehmend die Situation entgleitet.
Susanne Bier inszeniert souverän. Dogma-Referenzen mag man wiederfinden in ihrer ungefälschten Darstellung des Milieus, in den schonungslos kargen, nüchternen Bildern. Zugleich aber greift sie bereits zu Beginn auf
schmerzvoll warme Bildkompositionen zurück, die unter Einsatz von Musik
zu elegischer Traurigkeit erwachsen. Susanne Bier schafft den Spagat und
bewahrt dabei die Wahrhaftigkeit. Kaltes Milieu und tiefer Schmerz, Abgrund
und Glück, Thriller und Melodram – die Filmemacherin liefert einen Spielfilm,
der Arthousefreunde ebenso einzunehmen vermag wie Fans wendungsreicher
Thrillerkost.
Was von Dogma übrig blieb
Lediglich die allerletzte, unnötig versöhnliche Szene irritiert. Bereits in „Love Is
All You Need“ fütterte Susanne Bier am Ende ihr Publikum mit Informationen,
nach denen der Film nicht verlangte. Derlei aufgesetzter Endschliff mag ein
Überbleibsel aus Biers Schaffenszeit in den USA sein. Die Regisseurin beschert
„Zweite Chance“ mitnichten ein weichgespültes Happy End, aber sie evoziert
ein vermeidbares, finales Stirnrunzeln. Ein Ende, das jedoch das Gesamtwerk
nicht zu trüben vermag. Zu stark, zu intensiv, zu echt, pur, klar und tief gestaltet sie ihre spannende Parabel über Moral, Selbstjustiz, Liebe und Gerechtigkeit. Ein Film, der anstößt und über den Kinobesuch hinaus nachdenklich
stimmt. Und der lebt durch seine Bildsprache, durch die Darsteller und allem
voran durch seine Nähe zum Leben. „Zweite Chance“ ist ein gelungenes Beispiel dafür, was von Dogma nach zwei Jahrzehnten übrig blieb. Eine reduzierte Inszenierung, die zugleich im richtigen Moment inspiriert auf etablierte, filmische Standards zurückgreift. Und die, ganz im Dogma-Sinne, mit einer Geschichte auffährt, die nur so strotzt vor Unmittelbarkeit.
HARTMUT ERNST
ZWEITE CHANCE San Sebastián 2014: SIGNIS Award, Susanne Bier
DK/SE 2014 - Drama - 98 Min - ab 12 J. - Regie: Susanne Bier
mit: Nikolaj Coster-Waldau, Maria Bonnevie, Ulrich Thomsen
-kultur.de
Start: 14.5.
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roter teppich
Nach seiner Verzweiflungstat: Nikolaj Coster-Waldau in „Zweite Chance“
„‚Zweite Chance‘ ist noch finsterer als ‚Game of Thrones‘“
Nikolaj Coster-Waldau über „Zweite Chance“, seine Träume und die Hitserie „Game of Thrones“
Mit 24 Jahren erlangte Nikolaj Coster-Waldau genen Vergangenheit sicherlich Dinge, die er getan
1994 mit seinem Kinodebüt „Nachtwache“ be- hat, auf die er nicht sonderlich stolz ist und deren
reits internationale Bekanntheit. Danach war Ursache nicht zu leicht zu erklären ist – man war
schließlich nicht jedes Mal beder Däne in Arthouse-Hits wie
„Keiner von uns lässt sich
trunken (lacht). Das kann man als
„Stealing Rembrandt – Klauen
in eine eindeutige Kategorie
Grauschattierungen bezeichnen,
für Anfänger“ und „Jo Nesbø’s
stecken“
aber ich glaube, man findet das
Headhunters“, aber auch in
Hollywood-Blockbustern wie „Königreich der in jedem von uns.
Himmel“, „Firewall“ oder „Oblivion“ zu sehen.
Als Jaime Lannister hat er sich mit „Game of Susanne Biers Filme sind meist sehr emotional.
Thrones“ ein neues Millionenpublikum erobert. Können Sie weinen, wenn Sie sich einen Film
Am 14. Mai startet mit Susanne Biers „Zweite anschauen?
Chance“ sein neuer Kinofilm, in dem er einen Ich kann bei allem weinen, was ich mir anschaue,
Mann verkörpert, der nach dem Tod seines Babys auch bei Zeichentrickfilmen. Ich bin gar nicht so
hart, wie man vielleicht denken könnte (lacht).
ein fremdes stiehlt.
engels: Herr Coster-Waldau, wenn Susanne Bier
anruft, sagt man dann direkt für den Film zu
oder will man trotzdem erst das Drehbuch lesen?
Nikolaj Coster-Waldau: Ich war aufgeregt, als sie
angerufen hat, aber dann habe ich erst das Drehbuch gelesen, und war noch immer sehr aufgeregt.
Die Geschichte hat mich sehr bewegt. Dann habe
ich sie zurückgerufen und für den Film zugesagt.
Das war recht unkompliziert und einfach. Ich war
zu der Zeit in New York und drehte diese alberne
Komödie „Die Schadenfreundinnen“, was aber eine
Menge Spaß gemacht hat, und „Zweite Chance“
hätte kaum gegensätzlicher sein können, deswegen
fühlte es sich wie der perfekte nächste Schritt an.
Es gibt im Film jede Menge Grauschattierungen,
fanden Sie die besonders interessant?
Ja, das entspricht doch ziemlich genau dem, wie
wir alle sind. Keiner von uns lässt sich in eine eindeutige Kategorie stecken. Wir sind alle eine Mischung der unterschiedlichsten Dinge, und solche
Figuren zu spielen ist sehr interessant, weil es unseren menschlichen Erfahrungen so nahe kommt.
Mich interessiert an der Schauspielerei, dass man
Dinge erforscht, sich Gedanken darüber macht, was
etwas bedeutet und warum wir uns so verhalten,
wie wir uns verhalten. Das ist sehr faszinierend.
Wir können sehr starke Moralvorstellungen und
Überzeugungen haben, und dann tun wir trotzdem
etwas, was all dem widerspricht und uns am Ende
selbst überrascht. Jeder von uns findet in seiner ei-
Mein Film, mein Kino, meine Meinung
Der Film zeigt uns, wie schwierig es ist, Eltern zu
sein. Nichts bereitet einen darauf vor… Wie war
es für Sie als zweifachen Familienvater?
Es war eine wundervolle und total verrückte Erfahrung für mich. Ja, die ganze Welt ändert sich nach
der Geburt eines Kindes. Zumindest meine Welt,
ich kann ja nicht für die Erfahrungen der anderen
sprechen. Man ist danach nie wieder selbst der
Mittelpunkt des Universums, und das ist für einen
Schauspieler besonders schwer zu ertragen (lacht).
Sind Ihre Träume, die Sie vor 20 Jahren hatten,
als Sie mit „Nachtwache“ berühmt wurden, alle
in Erfüllung gegangen?
Das Lustige an Träumen ist, dass sie sich ständig
ändern, oder nicht? Noch vor „Nachtwache“ war
mein Traum, einmal Schauspieler zu werden und
meinen Lebensunterhalt verdienen zu können.
Dann träumte ich davon, als Schauspieler um die
Welt zu reisen und vielleicht in England oder Hollywood zu arbeiten. Und das ist mir gelungen, denn
ich hatte eine Menge Glück. Aber wie sich etwas
tatsächlich entwickelt, weiß man nie, und das ist
das Schöne am Leben. Wenn ich mich heute daran
zurück erinnere, was ich als 20-Jähriger für Vorstellungen von der Welt hatte, dann ist das schon
irgendwie süß. Das Komische an meinem Job ist ja
auch, dass man tatsächlich in der Zeit zurückgehen
und sich anschauen kann, was man damals gemacht hat. Ich habe „Nachtwache“ nun schon sehr
lange nicht mehr gesehen, aber ich habe den Ein-
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druck, mich noch immer daran zu erinnern, obwohl
ich mir nicht so sicher bin, dass er mir heute noch
gefallen würde (lacht).
„Game of Thrones“ ist in Deutschland sehr populär, und viele Ihrer Fans werden von „Zweite
Chance“ überrascht sein, da er so gänzlich anders ist…
Ich versuche, unterschiedliche Dinge zu drehen.
Ich mag das, weil es einen in kreativer Hinsicht
herausfordert. Man hat mir in den letzten Jahren
eine Menge anderer Ritter-Rollen angeboten, aber
die üben nicht die gleiche Anziehung auf mich aus.
Wenn ein tolles Drehbuch dahinter gesteckt hätte,
hätte ich angenommen, auch wenn ich wieder einen Ritter gespielt hätte, der mit seiner Schwester
schläft. Aber so ein Drehbuch war nicht dabei. Ich
vertraue bei meiner Rollenauswahl meinen Instinkten. Ich mag unterschiedliche Stoffe, und ja, ich
glaube, „Zweite Chance“ ist sogar noch finsterer als
„Game of Thrones“ (lacht).
Wie hat sich Ihr Leben seit „Game of Thrones“
verändert?
Natürlich hat es sich in beruflicher Hinsicht verändert, denn es bieten sich mir seither viel mehr
Möglichkeiten. In persönlicher Hinsicht kann ich
noch keine Unterschiede feststellen. Ich gehe noch
immer jeden Tag persönlich einkaufen, ich lebe in
Dänemark, da scheren sich die Leute nicht im Mindesten!
Kannten Sie George R.R. Martins Romane im
Vorfeld?
Nein, ich kannte sie nicht und wusste auch nicht,
wie erfolgreich sie waren. Ich schäme mich dafür,
aber ich hatte noch nichts von ihnen gehört. Die
ersten drei Romane habe ich mittlerweile gelesen,
aber danach aufgehört, weil sich die Fernsehserie
mittlerweile einfach zu etwas Eigenständigem entwickelt hat.
INTERVIEW: FRANK BRENNER
Lesen Sie auch die Langfassung unter:
www.engels-kultur.de/roter-teppich
-kultur.de Forum
film-kritik
Thomas (Daniel Brühl) verliert sich zwischen Fakt und Fiktion
Der Sonnenkönig geleitet seine neue Gärtnerin durch den Hofstaat
Puzzle ohne Lösung
Der Himmel auf Erden
„Die Augen des Engels” von Michael Winterbottom
„Die Gärtnerin von Versailles“ von Alan Rickman
Thomas will einen Film über den Mord an einer britischen Studentin in Siena drehen.
C Verstörendes Filmexperiment
Eine Landschaftsgärtnerin darf den Garten des Sonnenkönigs mitgestalten.
C Historisches Drama
2007 wurde die britische Studentin Meredith Kercher im italienischen Perugia
ermordet, ihre Zimmergenossin Amanda Knox geriet unter Tatverdacht. Der
nach wie vor nicht eindeutig geklärte reale Kriminalfall dient Michael Winterbottom („9 Songs“) hier als Grundlage für eine fiktionale Nacherzählung, in der
auf autobiografische Weise auch die Erlebnisse eines Filmemachers eingewoben sind, der den Mordfall fiktional aufarbeiten will. Am Ende gewinnen nebulös-surreale Elemente die Oberhand, aber davon abgesehen ist ihm hier wieder ein beunruhigender, spannender und in seiner Selbstreflexion sowohl kritischer als auch auf interessante Weise enthüllender Film gelungen, der sich
seinem mitreißenden Thema unkonventionell annähert und streckenweise an
„Wenn die Gondeln Trauer tragen“ gemahnt.
FRANK BRENNER
Für den einen oder anderen Film in diesem Monat verlegte so mancher Schauspieler von Weltruhm seinen Arbeitsplatz hinter die Kamera. Da ist zum einen
Ryan Gosling, der mit seinem Regiedebüt „Lost River“ albtraumhafte Abgründe sucht. Russell Crowe widmet sich mit „Das Versprechen eines Lebens“
einem historischen Drama, das er ans Ende des Ersten Weltkriegs verortet.
Ebenfalls historisch gestaltet sich nun Alan Rickmans „Die Gärtnerin von
Versailles“, und der Titel lässt es ahnen: Die Geschichte spielt am Hofe des
Sonnenkönigs im Frankreich des 17. Jahrhunderts. Anders als bei den beiden
Kollegen ist dies für Rickman bereits die zweite Regiearbeit, bereits vor fünfzehn Jahren inszenierte er „The Winter Guest“, ein stilles Drama über eine
Gemeinde in einem schottischen Küstenort. Auch mit seinem neuen Film
sucht er eher die leisen Töne.
DIE AUGEN DES ENGELS
GB/I/E 2014 - Drama - 103 Min - Regie: Michael Winterbottom
mit: Daniel Brühl, Kate Beckinsale, Valerio Mastandrea
Start: 21.5.
Stelldichein dreier großer Darstellerinnen: Katja Riemann, Karin Dor und Barbara Sukowa
Two Sisters Reloaded
„Die abhandene Welt“ von Margarethe von Trotta
Zwei Schwestern stoßen nach dem Tod der Mutter auf ein lang gehütetes Familiengeheimnis.
C Autobiographisch geprägte Familiengeschichte
Gewohnt nonchalant übernimmt der Regisseur selbst die Rolle des
Sonnenkönigs. Der Herrscher ist gerade dabei, seinen Sitz nach Versailles zu
verlegen. Und dort wünscht er sich den „Himmel auf Erden“, das Feinste vom
Feinsten von den Besten der Besten. Denn „die Menschen“, sagt er, „sollen ihr
Bestes erkennen.“ Und das natürlich auch beim Flanieren im Park. Also heuert sein Gartenarchitekt André Le Nôtre (Matthias Schoenaerts, „Der Geschmack von Rost und Knochen“) entsprechend versierte Landschaftsgestalter an. Unter ihnen auch Sabine De Barra (Kate Winslet), eine geerdete Frau,
eine begnadete Gärtnerin, eine schicksalsgescholtene Mutter. Ihr kreativer
Ansatz unterscheidet sich fundamental vom Kunstverständnis Le Nôtres:
Während des Königs Gärtner Wert legt auf adrette Symmetrie, sucht Sabine
De Barra die Ordnung lieber im Chaos. Aber sie wirkt klug und willensstark
und beeindruckt Le Nôtres nachhaltig. Schon wenig später obliegt ihr die
Gestaltung des Salle de Bal, ein Ballsaal, gebettet unter freiem Himmel, umgeben von Wasserspielen. Eine beträchtliche Herausforderung, liegt das
Grundstück doch im Sumpfland. Darüber hinaus muss sich die Frau, die sich
auch gern mal die Hände schmutzig macht, neuerdings im Hofstaat zurechtzufinden, wo ganz eigene Gesetze und obskure Regeln der Etikette herrschen.
Vor allem aber fühlt sich schon bald André Le Nôtre zu ihr hingezogen. Der
ist allerdings verheiratet mit der äußerst eifersüchtigen Madame Le Nôtre.
Und ist Sabine überhaupt schon bereit für die Liebe?
Margarethe von Trotta ist die einzige Regisseurin, die aus der Blütezeit des
Neuen Deutschen Films übrig geblieben und heute noch international erfolgreich ist. Mit „Die abhandene Welt“ gibt sie nicht nur einen Einblick in ihre
Familiengeschichte, sondern setzt auch ihren Hauptdarstellerinnen – erstmals
gemeinsam auf der Leinwand – als Schauspielerinnen und Sängerinnen ein
Denkmal. Die immer besser werdende Katja Riemann brilliert als erfolglose
Jazz-Sängerin, Barbara Sukowa als Operndiva. So ist der Film nicht nur ein optischer Genuss (Kamera: Axel Block), sondern auch ein Ohrenschmaus. Zudem
gibt es ein Wiedersehen mit einer der schönsten Frauen des deutschen Films:
Karin Dor. Leider stirbt sie, wie bei Hitchcock und Bond, auch hier den Leinwandtod.
ROLF-RUEDIGER HAMACHER
Alan Rickman läuft bei seiner zweiten Regiearbeit Gefahr, mit diesem konfliktreichen Überbau selbst etwas den Fokus zu verlieren. So wird die Gestaltung der Gartenanlage nur sehr spartanisch bebildert. Zugleich aber gestaltet sich sein Drama angenehm geerdet. Er setzt ganz im Sinne seiner
Heldin nicht auf pompösen Hochglanz und widmet sich dem Geschehen zu
Hofe auf Augenhöhe. Eine Begegnung von Sabine und dem König im Garten,
bei der die Gärtnerin den Herrscher nicht erkennt, steht dafür beispielhaft.
Der König darf für ein paar Minuten Mensch sein, fern der Etikette. Hier kulminieren Seele und Humor. Und letzterer gestaltet sich gern still in diesem
Drama, kommt aber dabei nicht zu kurz.
HARTMUT ERNST
DIE ABHANDENE WELT
DIE GÄRTNERIN VON VERSAILLES
D 2015 - Drama / Melodram - 101 Min - o. Altersb. - Regie: Margarethe von Trotta
mit: Barbara Sukowa, Katja Riemann, Matthias Habich
Start: 7.5.
GB 2014 - Drama - 116 Min - Regie: Alan Rickman
mit: Kate Winslet, Matthias Schoenaerts, Alan Rickman
Mit
-kultur.de beginnt die Filmwoche
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-kultur.de
Start: 30.4.
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film-kritik
Kenner des Geldes und seiner Macht: Martin Armstrong
Auf Gratwanderung: Hedi (Laura Tonke) und Uli (Hans Löw)
History Repeating
Welt in Scherben
„The Forecaster“ von Marcus Vetter und Karin Steinberger
„Hedi Schneider steckt fest“ von Sonja Heiss
Verschwörer oder Prophet? Ein Finanzgenie plaudert aus dem Nähkästchen.
C Aufreibende Doku über die politische Macht der Banker
Von einem auf den anderen Tag fällt Hedi in ein emotionales Tief.
C Psychologische Studie einer unvermittelten Depression
„Am Ende kollabiert alles.“ Tja. So ist das nun mal mit dem Geld, dem Menschen und der Gier. Der amerikanische Wirtschaftsexperte Martin Armstrong
hat in den frühen 80er Jahren ein Computermodell entwickelt, mit dem er
wiederholt Wirtschaftskrisen vorhersehen konnte. Das verschaffte ihm Berühmtheit und anschließend eine unter äußerst dubiosen Umständen verhängte, zwölfjährige Beugehaft in einem US-Gefängnis. Inzwischen ist er
wieder auf freiem Fuß und liefert zuerst einmal äußerst düstere Aussichten
für Europa. Auch wenn der kritische Blick fehlt, sind die Prophezeiungen Armstrongs äußerst unheimlich. Ansonsten liefert das Finanzgenie Einblicke in die
Verflechtung von Wirtschaft, Politik und seiner selbst, und das ist so spannend wie ein Thriller.
HARTMUT ERNST
Sie ist eine Frohnatur: Singt, pfeift und hüpft durchs Leben, und wenn sie im
Aufzug stecken bleibt, witzelt sie mit dem Mann am Notruf. Doch dann gerät
Hedis (beeindruckend: Laura Tonke) Welt ins Wanken. Ein Kollege, der ihr gar
nichts bedeutet, hat sich umgebracht, und doch ist danach alles anders und
eine große Verunsicherung legt sich über ihr Leben und damit auch über das
Leben ihres Mannes und des gemeinsamen Kindes. Hedi steckt in einer Depression mit psychotischen Schüben … Es ist nicht immer leicht, dem Film auf
seiner emotionalen Fahrt zu folgen – anfangs so leicht, und dann so schwer.
Aber Regisseurin Sonja Heiss fängt genau so die für das Umfeld schwer verständlichen Stimmungswechsel der Hauptfigur ein. Ein sympathischer, humorvoller und in seiner Direktheit sehr berührender Film.
CHRISTIAN MEYER
THE FORECASTER
HEDI SCHNEIDER STECKT FEST
D 2014 - Dokumentarfilm - 97 Min - o. Altersb. - Regie: Marcus Vetter, Karin Steinberger
Start: 7.5.
D/N 2015 - Drama / Komödie - 90 Min - Regie: Sonja Heiss
mit: Laura Tonke, Hans Löw, Leander Nitsche
Start: 7.5.
The Gunman
E/GB/F 2013 - Action / Thriller - 115 Min - ab 16 J. - Regie: Pierre Morel
Nicht ganz Herr seiner Sinne: Psychokiller Jerry (Ryan Reynolds)
Bunter Horror
„The Voices“ von Marjane Satrapi
Er spricht mit seinen Haustieren und tötet aus Versehen Frauen.
C Haarsträubende Splatterkomödie
Jahrelang war Jerry in der Psychiatrie und muss immer noch Medikamente nehmen. Doch dass tut er nicht, denn ohne erscheint die Welt schön und mit ihnen
grau. Nur sind da ohne Tabletten auch wieder die Stimmen im Kopf. Marjane
Satrapi hat ähnlich wie ihr ebenfalls zum Film gewechselter Comic-Kollege Riad
Sattouf einen schwer verdaulichen Humor, der ohne Lacher auskommen muss. Ihre
quietschbunte „Psycho“-Hommage ist nicht nur böse und abgründig, sondern
entfaltet auch ungeahnte Perspektiven, wenn Jerry zwischen seinen Wahrnehmungen wechselt. Ryan Reynolds wirkt wie eine Mischung aus Jim Carrey und
Adam Sandler – das macht den Film nur noch unfassbarer. CHRISTIAN MEYER
THE VOICES
Mein Film, mein Kino, meine Meinung
Der Babadook
AU 2014 - Horror / Drama - 94 Min - ab 16 J. - Regie: Jennifer Kent
Start: 7.5.
Nach dem Unfalltod seines Vaters lebt der verhaltensauffällige Samuel (Noah
Wiseman) allein bei seiner Mutter (Essie Davis). Nachdem die ihm aus einem
Kinderbuch von dem unheilvollen „Mister Babadook“ vorliest, geschehen merkwürdige Dinge im Haus der Witwe. Gruseliger Psychospuk, der atmosphärisch,
darstellerisch und mit einem adrett gestalteten Pop-Up-Buch punktet.
engels verlost 1x2 Karten.
E-Mail bis 3.5. an [email protected], Kennwort: „The Voices“
USA/D 2014 - Komödie - 109 Min - ab 16 J. - Regie: Marjane Satrapi
mit: Ryan Reynolds, Gemma Arterton, Anna Kendrick, Jacki Weaver
Start: 30.4.
Sean Penn will es den Genrefans noch einmal zeigen und tritt unter der Regie
von Pierre Morel („96 Hours“) als gejagter Ex-Killer zum soliden Actionspektakel an. Dafür hat sich der 54-Jährige athletisch in Form gebracht, was Morel
mit allerlei Freikörperszenen anschaulich zu inszenieren weiß. Drumherum: Ein
Actioner von der Stange. Kurzweil ohne Nachhall.
HE
Start: 30.4.
engels verlost 1x2 Karten.
E-Mail bis 10.5. an [email protected], Kennwort: „Der Babadook“
16
-kultur.de Forum
gespräch zum film
foyer
Filmemacherin Stina Werenfels mit Kamermann Lukas Strebel, Foto: © Stina Werenfels
Mustafa El Mesaoudi (GF Rex), Christian Friedel und Christoph Ott (NFP-Verleih), Foto: Ava Weis
„Da gehen alle roten Fahnen hoch“ Was hätte sein können
Stina Werenfels über ihren neuen Film
„Elser“-Hauptdarsteller Christian Friedel im Rex
Stina Werenfels (*1964) studierte zuerst Pharmazie in Zürich, dann an
der New York University Film. Ihr erster langer Kinofilm „Nachbeben“
(2006) wurde mehrfach prämiert. Sie unterrichtet Filmschauspiel an
der Zürcher Hochschule der Künste. „Dora oder Die sexuellen Neurosen
unserer Eltern“ startet am 21. Mai im Kino.
Wuppertal, 19. April: „Niemand hätte mitgemacht.“ Diese ernüchternde Antwort gibt Georg Elser den ungläubigen Offizieren, als sie ihm nicht zutrauen
wollen, dass er im Alleingang die Bombe gebaut haben will, die beinahe Hitler
getötet hätte. Es ist einer von vielen Sätzen, die einem von Oliver Hirschbiegels neuem Film „Elser“ in Erinnerung bleiben.
Über den Widerstand der Geschwister Scholl gegen das Naziregime und das
versuchte Attentat des Grafen von Stauffenberg auf Hitler ist heute das Meiste bekannt. Doch der Name Georg Elser ist nur den Wenigsten ein Begriff.
Dabei war er 1939 der Erste, der versuchte, den Wahnsinn aufzuhalten. Am
Ende fehlten ihm nur dreizehn Minuten, um Weltgeschichte zu schreiben.
Hirschbiegels Film zeigt auf leise und doch packende Art, wie ein einzelner
Mensch erkennen konnte, was geschehen wird, wenn niemand eingreift, und
wie er beschloss, es zu versuchen.
Auf seiner Tour durch Deutschland kam der Hauptdarsteller Christian Friedel
in das Wuppertaler Rex, um über seine Erfahrungen während und nach dem
Dreh zu berichten. Durch den engen Zeitplan der Reise musste das Gespräch
bereits vor der Filmvorführung stattfinden, wodurch es zwar weniger Zeit für
Fragen, dafür aber für ausführliche Erzählungen Friedels gab. Direkt zu Beginn
gestand er, selber noch nichts über Georg Elser gehört gehabt zu haben, bevor
er ihn verkörperte. Jedoch sei er sofort von der Psychologie dieses Menschen
fasziniert gewesen, der, um die Freiheit seiner Mitmenschen zu verteidigen,
sein eigenes Leben aufs Spiel setzte. Dabei wurde Elsers Bedeutung bis jetzt
in der Geschichtsschreibung weitestgehend ignoriert. Noch bis weit in die
1980er Jahre zeigte die geschickte Propaganda der Nazis Wirkung. Entweder
wurde behauptet, Elser sei ein Kollaborateur des britischen Geheimdienstes
gewesen, oder gar ein Anhänger Hitlers, der das versuchte Attentat den Briten
anhängen wollte.
Überzeugt habe Friedel das überaus gut recherchierte Drehbuch, welches in
einem Zeitraum von sechs Jahren entstanden ist und nach Aussage der Autoren zu achtzig Prozent der Wahrheit entsprechen soll. Im Gegensatz zu „Georg
Elser – Einer aus Deutschland“ von 1989, in dem der Fokus auf dem Bau der
Bombe, mit der Elser Hitler in die Luft sprengen wollte, lag, zeigt der aktuelle
Film auch Elsers Leben im Dorf Königsbronn, die Erlebnisse, die zu seinem Entschluss führten, und die Verhöre nach seiner Verhaftung. Bewusst wird auch
die Folter gezeigt, die durch neu entdeckte Protokolle ans Licht kam.
Gerade diese Szenen hätten bei einigen Aufführungen mit Schulklassen zu
lebhaften Diskussionen über das Freigabealter geführt, so Friedel. Tatsächlich
wäre die Reaktion der meisten SchülerInnen auf das Gezeigte, anders als die
mancher LehrerInnen, positiv gewesen und einige wären so angeregt worden,
über momentan stattfindende Konflikte und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nachzudenken.
Dies betonte Christian Friedel auch im Rex erneut. Man müsse sich viel mehr
mit politischen Themen auseinandersetzen und nicht alles für bare Münze
nehmen, sondern selbständig recherchieren, um sich eine Meinung zu bilden.
Für ihn zeige der Film, wie leicht Menschen dazu gebracht werden können, das
zu glauben, was man ihnen sagt, und wie schnell aus Unbeteiligten Schuldige
werden können.
engels: Was hat Sie an Lukas Bärfuss‘ „Gleichstellung heißt auch:
das Recht auf Familie“
Theaterstück so gepackt, dass Sie es
verfilmen wollten?
Stina Werenfels: Es war dieser Widerspruch: Einerseits eine schutzbedürftige Tochter mit eigenem Willen und andererseits die Vorstellungen einer
Mutter darüber, was für ihre Tochter richtig ist. Die Theatervorlage von Lukas Bärfuss endet mit einer Abtreibung und Doras Gebärmutterentfernung.
Mich rief die Vorlage geradezu dazu auf, sie mit meinem weiblichen Blick
neu zu Ende zu schreiben: Als Frau und Mutter wollte ich die Entwicklung
der Mutter-Tochter-Beziehung untersuchen und Dora ihr Kind austragen
lassen.
Worum ging es Ihnen? Ein Plädoyer für selbstbestimmte Sexualität?
Das ist es auf alle Fälle. An der Frage der Sexualität von Menschen mit
Behinderung zeigt sich, wie liberal eine Gesellschaft wirklich ist. Inwieweit
lässt sie das zu? Und wird eine Konsequenz, nämlich Schwangerschaft, in
unserer Gesellschaft akzeptiert? Da gehen alle roten Fahnen hoch.
War es schwierig, die Abstraktionsebene des Mediums Theater mit den
realistischeren Ansprüchen an einen Film in Einklang zu bringen?
Tatsächlich habe ich mich da sehr lange mit dem Stoff beschäftigt. Etwas ging bei der Transkription in die Gegenwart nicht auf. So musste ich
mich stark mit der juristischen Lage auseinandersetzen: Gebärmutterentfernungen waren früher gängige Praxis zur Schwangerschaftsverhütung.
Ein massiver Übergriff auf den Körper einer Frau! Inzwischen hat in fast allen europäischen Ländern eine Liberalisierungswelle zur Gleichstellung von
Menschen mit Behinderung stattgefunden. In der Schweiz hat sinnigerweise das Erwachsenenschutzgesetz das alte Vormundschaftsgesetz abgelöst.
Gleichstellung heißt auch: das Recht auf Familie.
Dennoch fragen manche Zuschauer, warum Dora überhaupt „mündig“
ist oder keine Dreimonatsspritze bekommt.
Selbstbestimmung ist heute das Maß aller Dinge, zumindest auf Gesetzesebene. Eine Bevormundung im früheren Sinne ist nicht mehr vorgesehen. Sobald dies in die Praxis umgesetzt wird, tauchen aber genau die alten Fragen
wieder auf. So gab es die schockierende Reaktion:„Warum wird Dora nicht
sterilisiert?“ Interessant ist, dass die Zuschauer dann oft über sich selbst
erschrecken, etwa weil eugenische Vorstellungen durchscheinen.
INTERVIEW: JESSICA DÜSTER
AVA WEIS
Lesen Sie die Langfassung unter:
www.engels-kultur.de/gespraech-zum-film
Mit
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-kultur.de
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film-kritik
Sam O’Cool – Ein schräger Vogel hebt ab
F 2014 - Trickfilm - 91 Min - Regie: Christian De Vita
Pitch Perfect 2
Start: 21.5.
USA 2014 - Komödie / Musikfilm - 105 Min - Regie: Elizabeth Banks
Start: 14.5.
Der kleine Vogel Sam O’Cool ist ein Waisenkind und wächst unter der Obhut seiner Adoptivmutter Ladybug auf. Außerdem ist er mit einem Marienkäfermädchen befreundet. Sonst kennt der Nesthocker nicht viel von der Welt. Das ändert
sich, als er eine Zugvogelschar gen Süden begleiten soll. Auf den gelben Piepmatz wartet eine große Reise. Belgisch-französisches Animationsabenteuer. HE
Nachdem sie sich im ersten Teil in den A-Capella-Olymp geträllert haben, suchen Beca, Fat Amy und Jesse nun auch in der Fortsetzung, das Publikum mit
Spaß, wildem Wirbel und Gesang bei der Stange zu halten. Die nächste
Herausforderung der Bellas ist die A-Capella-WM in Kopenhagen. Zugleich wird
die Freundschaft auf die Probe gestellt. Teenieaffines Feel-Good-Musical. HE
Mad Max: Fury Road
Ostwind 2
AU/USA 2015 - Action / Abenteuer - 120 Min - Regie: Dr. George Miller
Start: 14.5.
George Miller, Regisseur der Ur-Trilogie, holt Max Rockatansky zurück auf die
Straße. Nach Mel Gibson schlüpft nun Tom Hardy („Inception“, „No Turning
Back“) in die Rolle des ehemaligen Cops, der vom liebenden Familienvater zum
einsamen Rächer erwachsen ist. Und da Öl zu Endzeiten noch kostbarer und die
Straßen noch unsicherer sind, gibt es genug zu tun für den Road Warrior. HE
D 2015 - Drama / Jugend - Regie: Katja von Garnier
Start: 14.5.
Was ist da bloß mit Ostwind los? Mika (Hanna Binke) will sich in den Ferien
eigentlich fleißig um ihr Pferd kümmern. Doch Ostwind trägt merkwürdige Wunden am Körper und scheint unkonzentriert. Ist der Grund am Ende die geheimnisvolle Schimmelstute, die Mika im Wald trifft? Fortsetzung des Mädchen- und
Pferdeabenteuers, bei dem Katja von Garnier („Bandits“) erneut Regie führte. HE
engels 1 Fanpaket bestehend aus 2 Karten, T-Shirt, Autoaufkleber und Cap.
E-Mail bis 17.5. an [email protected], Kennwort: „Mad Max“
Das Versprechen eines Lebens
AU/TRK/USA 2014 - Drama / Kriegsfilm - 111 Min - Regie: Russell Crowe
Käpt‘n Säbelzahn und der Schatz von Lama Rama
Start: 7.5.
N 2015 - Kinderfilm - 97 Min - o. Altersb. - Regie: J. Andersen, L. Gamlem
Start: 7.5.
1919: Der erste Weltkrieg ist vorbei. Der australische Farmer Joshua Connor
(Russell Crowe) reist in die Türkei, um seine drei Söhne zu suchen, die seit der
verheerenden Schlacht von Gallipoli verschollen sind. Unterstützung erfährt
Joshua lediglich durch Ayshe (Olga Kurylenko), eine hübsche Hotelbesitzerin aus
Istanbul. Historiendrama und Regiedebüt von Russell Crowe.
HE
Ahoi! Während „Fluch der Karibik“ unerschütterlich ins nächste Abenteuer driftet, setzt Norwegen dem Hollywood-Piratenspektakel dieses kindergerechte
Hochseeabenteuer entgegen. Der elfjährige Pinky will darin bei der Crew des
berüchtigten Käpt‘ns Säbelzahn anheuern. Der ist allerdings vielmehr damit
beschäftigt, eine Schatzkarte zu entschlüsseln. Kann der Schiffsjunge helfen?HE
TinkerBell und die Legende vom Nimmerbiest
Der 8. Kontinent
USA 2014 - Trickfilm / Fantasy - 76 Min - o. Altersb. - Regie: Steve Loter Start: 30.4.
D 2014 - Drama - 102 Min - ab 6 J. - Regie: Serdar Dogan
Nanu, treibt da etwa ein Monster sein Unwesen im Tal der Feen? Es hört sich
zumindest danach an, denn irgendwer brüllt dort gar fürchterlich. Die kleine
Tierfee Tinkerbell nimmt sich des Störenfrieds an und stellt fest: Das Nimmerbiest ist gar nicht so fürchterlich. Tinkerbell versucht, das vermeintliche Monster
vor seinen Jägern zu schützen. Disney-Abenteuer nur für Kinder.
HE
Regisseur, Kameramann und Drehbuchautor Serdar Dogan („Kopfkino“) folgt mit
diesem Roadmovie der 22-jährigen Lena (Maike Johanna Reuter) rund um die
ganze Welt. Damit kommt sie einem Wunsch ihrer kürzlich verstorbenen Mutter
(Cosma Shiva Hagen) nach. Lena hatte sich mit ihren Eltern zerstritten, nun
sucht die junge Frau postum die Wiederannäherung. Selbstfindungsdrama. HE
Mit
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-kultur.de beginnt die Filmwoche
-kultur.de
Start: 30.4.
Me
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e in
i Lesezeichen
filmwirtschaft
textwelten
Vorreiter in Sachen Kino: Frankreich, Foto: Jan Schliecker
Klaus Theweleit, Foto: Residenz Verlag
Frankreichs Kino kämpft
Das böse Lachen
Frankreich gilt schon immer als ein Land des filmbegeisterten Publikums.
Obwohl dort etwa 20 Millionen weniger Menschen leben, verkaufen die
Kinos in unserem Nachbarland etwa 90 Millionen Tickets mehr als die hiesigen. Doch auch dort wendet sich die Jugend zugunsten anderer medialer
Beschäftigungen immer mehr vom Kino ab. Grund genug für eine staatliche
wie filmpolitische Initiative, um die Nachfrage anzukurbeln und somit für
den Fortbestand des Publikums zu sorgen.
Das Experiment begann im Januar 2014 und beinhaltete ein Abkommen
zwischen Politik und Filmwirtschaft, indem die Senkung der Mehrwertsteuer von 7 % auf 5,5 % mit dem Zugeständnis erkauft wurde, dass alle
Besucher bis zum 14. Lebensjahr einen Einheitspreis von 4 € pro Kinoticket
zu bezahlen haben. Dieser Preis galt für alle Kinos zu jeder Zeit für jeden
Film. Ziel der Maßnahme war es, die Reichweite und die Besuchsfrequenz
des jungen Publikums zu erhöhen, um eine Sozialisierung zum Kinogänger
zu bewirken. Das Pendant zur FFA (CNC) hat nun einen beeindruckenden
Bericht für das erste Halbjahr 2014 vorgelegt.
Als ersten Effekt kann man festhalten, dass Frankreich im Jahr 2014 eines
der wenigen Länder war, das überhaupt einen Besuchszuwachs erzielen
konnte. Nahezu alle anderen Länder – so auch Deutschland – mussten zum
Teil dramatisch schlechte Besucherzahlen hinnehmen. Bei genauerer Analyse des französischen Besuchs zeigt sich, dass sowohl die Altersgruppe bis
einschließlich 14 Jahre als auch die dazugehörige Elterngeneration die stärksten Wachstumsraten aufwiesen.
So wurde beispielsweise in der begünstigten Altersgruppe ein Wachstum
von über 17 % erzielt. Wird das Alter noch etwas genauer differenziert,
so zeigt sich, dass die 6- bis 10-Jährigen über 32 % mehr Tickets kauften,
hingegen die 11- bis14-Jährigen knapp 3 % zulegten. Es sind also vor allem
Eltern, die aufgrund der Vergünstigungen ihr Kind häufiger zu einem Kinobesuch einladen. Sobald das Publikum ein Alter erreicht, in dem eigenständige Kinobesuche zunehmen, sind die Effekte deutlich kleiner. Ein weiterer
Effekt ist die Frequenzzunahme. Insgesamt lässt sich festhalten, dass der
auch auf einer breiten Ebene kommunizierte günstige Eintrittspreis mehr
junge Menschen ins Kino gelockt hat und aus gelegentlichen Besuchern
Stammkunden machte. Insgesamt profitierten 2,6 Millionen Kinobesucher
von der Aktion.
Die zunächst von den Kinos befürchtete Senkung des durchschnittlichen
Eintrittspreises trat durch die Steuerreduzierung nicht ein. Der Nettoerlös
pro Besucher konnte sogar leicht gesteigerten werden, was aber auch an
der generellen Preissteigerung in allen anderen Preisgruppen lag. Es wundert nicht, dass das Publikum diese Initiative sehr schätzte. Begleitet durch
eine breit angelegte Kampagne war die Aktion nicht nur bei der Hälfte der
Bevölkerung bekannt, sondern auch die Klarheit und die Transparenz der
Preise wurden gutgeheißen.
Da auch in Deutschland das junge Publikum an das Kino herangeführt werden muss, lohnt sich eine intensive Prüfung der Übertragbarkeit aus der
Grande Nation de Cinema.
Sie lachen. Anders Breivik vollführte wahre Veitstänze während er im Ferienlager vor der Küste Norwegens nacheinander 67 Teenager tötete. Das
Lachen findet sich aber auch bei den Angehörigen der Waffen-SS nachdem
sie Frauen und Kinder erschossen hatten. Die IS-Milizen enthaupten Journalisten und lachen, auch Donald Rumsfeld lacht, als er auf die Folterungen
irakischer Gefangener angesprochen wird. Klaus Theweleit, Kunst- und Medienwissenschaftler, der mit seinem bahnbrechenden Werk der „Männerphantasien“ einen Begriff für die psychische Disposition prägte, die sich
hinter der Gewalt der nationalistischen Männerbünde verbirgt, untersucht
nun „Das Lachen der Täter: Breivig u.a.“ So der Titel seines neuen Essays,
der ein „Psychogramm der Tötungslust“ liefern will, wie er im Untertitel
ankündigt.
Die Vorbilder finden sich durchaus im Kino, etwa mit dem lachenden Henry
Fonda in „Spiel mir das Lied vom Tod“. In einer anderen, entwaffnend obszönen Form offenbart sich das Lachen in Joshua Oppenheimers Dokumentarfilm „The Act of Killing“, in dem die Mörder indonesischer Gewerkschafter und Intellektueller stolz im Fernsehen von ihren Untaten als folternde
Killer erzählen und das Publikum ihnen jubelnd applaudiert. Man findet das
Gelächter aber auch bei Jugendbanden, die ihr Opfer auf die ein oder andere
Weise gemobbt oder misshandelt haben. Das Lachen löst sich im Moment
der Spannung, wenn das Machtgefühl der Täter seinen Gipfel erreicht hat.
„Das Gelächter ist das orgiastische Gefühl der Killer. Töten ist das zentrale
Mittel dieser Körper zum Erreichen des Spannungsausgleichs. Dieses Ereignis ruft ein Glücksgefühl hervor...“, erklärt Theweleit.
Was sie benötigen, ist ein Raum, in dem sich diese Entladung vollziehen
kann. Gewöhnlich spielen sich die Täter als Weltenretter auf. Susan Sontag
diagnostizierte schon in ihrem Nachdenken über die Folteraufnahmen aus
dem Gefängnis Abu Ghraib im Irak, dass sie den Schutz einer Institution
brauchen, damit sie ihre „unbestrafte Unmenschlichkeit“ begehen konnten.
Ein Begriff, den schon Günther Anders prägte. Notfalls erfindet man sich
eine solche Schutzmacht. Breivig demonstriert diesen Schachzug in seinem
Prozess, als er sich zum Nachfahre der Tempelritter erklärt. Er weiß genauso um die verbrecherische Dimension seiner Tat, wie es die SS im Zweiten
Weltkrieg oder die IS-Milizen unserer Tage wissen. Deshalb betont Klaus
Theweleit, dass sie alle keine Patientenplätze auf der Couch benötigen.
Wer kleine Kinder vor den Augen ihrer Eltern erschießt, wie es die SS in Oradour oder der IS in Damaskus praktiziert, für den darf es keine Entlastung
geben. Das ist der Punkt, an dem Theweleit mit voller Breitseite Deutschlands prominentes Wissenschaftsduo Harald Welzer und Sönke Neitzel der
„Lüge“ bezichtigt und sie als „Soldaten-Erklärer“ attackiert, weil diese in
ihrer Mentalitätsgeschichte „Soldaten. Protokolle vom Kämpfen, Töten und
Sterben“ das Morden von Zivilisten psychologisch aus der historischen Situation heraus erklären. Verstehen führt für Theweleit zu rasch zum Entschulden der Taten. Welzer und Neitzel werden reagieren müssen, wir können
uns auf eine harte Kontroverse gefasst machen, die im Focus der Medien
ausgetragen werden wird.
THOMAS LINDEN
Eine außergewöhnliche Maßnahme zur Besuchersteigerung
Klaus Theweleit analysiert die Tötungslust und attackiert Kollegen
KIM LUDOLF KOCH
Klaus Theweleit: „Das Lachen der Täter: Breivik u.a. Psychogramm der
Tötungslust.“ | Residenz Verlag | 246 S. | 22,90 €
Mit
-kultur.de beginnt die Filmwoche
19
comickultur
wortwahl
Autoren-Action
Unter Homies
Scott McCloud ist vor allem durch seine in Comicform verfassten Theoriebände „Comics verstehen“ und „Comics neu erfinden“ bekannt geworden. Nun
überrascht er mit seiner ersten, gleich 500 Seiten umfassenden Graphic Novel.
Erzählt wird in „Der Bildhauer“ die Geschichte von David Smith, der einen Allerweltsnamen hat, aber fürchtet, auch als Bildhauer als nur einer unter vielen
unter zu gehen. Da kommt ihm ein Deal mit dem Tod gerade recht: Er kann von
nun an alle Skulpturen mit bloßen Händen formen, hat dafür aber nur noch
200 Tage zu leben. David stürzt sich in die Arbeit, doch dann lernt er eine Frau
kennen und sein Blick auf die Welt ändert sich. Auch wenn seine Zeichnungen
etwas steif wirken, zeigt Scott McCloud, dass er die Techniken des grafischen
Erzählens vollkommen beherrscht: Spannungsaufbau und Rhythmuswechsel
führen zu einem spannenden Lesevergnügen bis zum actionreichen Finale.
Und auch thematisch entfaltet er ein komplexes Geflecht aus Alltagsgeschehen, Kunstexkurs und existentieller Philosophie (Carlsen).
„Heiho, Jörgensen, da bist du ja endlich wieder!?“ Und hoch die Tassen. So
geht es immer im „Encuentro“. Die Notwendigkeit, das Auskommen mit
irgendwelchen Arbeitsaufträgen auf und für das europäische Festland zu
sichern, sorgt für ein ständiges Kommen und Gehen unter den Homies. Und
jedes Mal: Und hoch die Tassen. „Willkommen zurück in der Heimat!“ Der
Däne kippt Peps frisch Gezapftes in einem Zug. „Diese Plörre nennst du
Heimat?!“ Nicht ahnend, was er damit für eine Diskussion auslöst, setzt
Stan zu einem seiner kruden Gedankensprünge an: „Home is where your
heart lives!“ – „Pah!“, geht Adolfo mal wieder steil, „Meine Heimat ist und
bleibt Deutschland. Zuhause muss es heißen. Nicht Heimat. Hier ist er nur
zuhause!” Die Einheimischen unserer Runde werden hellhörig. Ich frage
mich, was ich zum Thema beisteuern könnte; außer dass ich meine Seele
an den Fußballklub meiner Geburtsstadt verschenkt hab.
Nina Bunjevacs Eltern sind Exil-Jugoslawien, die in den USA eine Familie
geründet haben. Doch der nationalistische Vater radikalisiert sich immer mehr
und wird in den 70er Jahren schließlich zum Terrorist gegen das kommunistische Regime. Bunjevac verbindet in „Vaterland“ raffiniert die Zeitebenen –
die Gegenwart mit ihrer Kindheitsgeschichte und der Vorgeschichte der Großeltern – und skizziert in klaren, stilisierten Schwarzweißzeichnungen zugleich
eine Geschichte Jugoslawiens (Avant Verlag). Noch mal Geschichtsunterricht
aus erster Hand: „Ein schöner Kleiner Krieg“ sind Marcelino Truongs Kindheitserinnerungen an seine Zeit in Vietnam. Der Sohn eines vietnamesischen
Diplomaten zieht 1961 als kleines Kind von den USA nach Vietnam. Der Bürgerkrieg droht sich gerade zum internationalen Konflikt auszuweiten, Marcelino und seine Familie sind mitten drin, weil der Vater persönlicher Übersetzer
des brutalen Präsidenten der Republik Vietnam wird. Truong erzählt sowohl
aus der Perspektive des Kindes von damals als auch erläuternd mit dem Wissen von heute von dem unübersichtlichen Geschehnissen – so nah ist man
selten dran (Egmont).
Spontan fällt mir Keith Richards‘ Kinderbuch „Gus & ich“ [Heyne, inkl. cd]
ein: die wundersam »zartbesaitete« Geschichte des Stones-Gitarristen, wie
ihm sein Großvater die Welt der Musik eröffnet. Eine universale Leidenschaft, ein mobiler Elfenbeinturm, in den man sich jederzeit und jeden Orts
zurückziehen kann. / Von ähnlichen Heimatsehnsüchten sind die Jagdausflüge in das Territorium ihrer Ahnen beflügelt, zu denen Vater, Großvater
sowie ein Freund der Familie den elfjährigen Erzähler in David Vanns „Goat
Mountain“ [Suhrkamp] regelmäßig mitnehmen. Als der Junge jedoch statt
seines ersten Hirschs, ohne mit der Wimper zu zucken einen Wilderer erschießt, bricht die epische Wunde der nordamerikanischen Ureinwohner auf
psychodramatische Weise erneut auf. / Auf Heđin Brús Faröern hingegen
ist es der Fortschritt, der den Alten die Heimat entreißt: Als Ketil nach dem
Walfang im Überschwang ein viel zu großes Stück Fleisch ersteigert, steht
die Ehre der Familie auf dem Spiel. Fortan sind „Vater und Sohn unterwegs“ [Guggolz], um auf archaische Weise der Technik die Stirn zu bieten
und die Schulden zu tilgen.
Mit dem „Handbuch der Hoffnung“ eröffnet der Finne Tommi Musturi ein
weites Feld: Der Protagonist ist ein älterer, dickleibiger Mann, der mit seiner
nur selten im Bild erscheinenden Frau in einem einsamen Holzhaus wohnt. Er
lässt sich mit Nichtstun oder kleineren, spielerischen Tätigkeiten von Tag zu
Tag treiben. Dabei gibt sich der Tagträumer mitunter infantilem Humor hin,
erträumt sich als Abenteurer, Western- oder Superheld, ist zärtlich und brutal,
verliert sich aber auch im existentiellen Philosophieren. Ebenso zoomt die Bildebene von der Ameise bis zum kosmischen Ganzen. Farbenprächtig sind die
stilisierten Bilder der lakonischen Geschichte (Avant Verlag). „Das Nest“ von
Jean-Louis Tripp und Régis Loisel findet mit „Notre Dame“ seinen Abschluss.
In neun Bänden haben die beiden Autoren von dem langsamen Wandel in
einem kleinen kanadischen Dorf in den 20er Jahren erzählt. Nachdem der Krämer plötzlich verstorben ist und seine Witwe Marie den Laden übernehmen
muss, kommt es in dem kleinen Dorf zu immer neuen sozialen Umwälzungen,
die nicht zuletzt dem dort gestrandeten schwulen Städter Serge zuzuschreiben sind. Eine liebevoll und in aller Breite erzählte Geschichte einer Befreiung
von gesellschaftlichen Zwängen und außerdem ein hochaktuelles Ideal eines
regionalen Zusammenlebens, das zum Finale auch beinahe Actioncharakter
zeigt (Carlsen).
Welche Heimat soll man da noch besingen? Sean Duffy fällt dazu in Adrian
McKintys „Die verlorenen Schwestern“ [Suhrkamp] nichts ein. Nordirland,
1983: zerrissen, zerbombt, gefangen in seiner Geschichte. Ein LockedRoom-Rätsel wie der Fall selbst, für den der britische Security Service den
abgesetzten Sergeant reaktiviert. Gut, das Geheimnis ist eine Herausforderung. Aber im Grunde pflügt der gekränkte Bulle nur durch seine heimatliche Vergangenheit, die dabei ist, sich selbst auszulöschen. / Eine archetypische Identität, die bei Moritz und Konsorten im heutigen Berlin keinen
Platz mehr im Bewusstsein findet. Und das liegt nicht nur an den Drogenund Partyexzessen. Wie in einer bipolaren Depression beamen sich Boris
Pofallas Protas in „Low“ [MetroLit] durch ein sinnentleertes Außen, um irgendwie einen Funken Leidenschaft zu erhaschen. Nur in sich selber suchen
sie nicht. / Wie eine Labsal erscheint da der Lynch‘sche Neo-Mystizismus
in Tom Drurys „Das stille Land“ [Klett-Cotta]: Seelenverwandtschaft und
-wanderung ohne esoterisches Pling-pling in modernem Western-Outfit. In
Zeiten kultureller und materieller Auflösung wird die Seele zum einzig wahren Zuhause. Sie ist Heimat – oder Heimatlosigkeit.
engels verlost 1x „Der Bildhauer“ von Scott McCloud, Carlsen Verlag.
E-Mail bis 24.5. an [email protected], Kennwort: „Der Bildhauer“
engels verlost je 1 Exemplar der vorgestellten Bücher.
E-Mail bis 24.5. an [email protected], Kennwort: Buchtitel
Zuhause zwischen alter und neuer Heimat
suhrkamp
Fiktive und dokumentarische Spannung jenseits von Superhelden
LARS ALBAT
CHRISTIAN MEYER
20
improvisierte musik in NRW
popkultur am rhein
Moskau, New York, Cologne: Simon Nabatov, Foto: Gerhard Richter
Politik als Formulierung von Sehnsüchten: Ana Tijoux, Foto: Presse
Köln-Jubiläum
Produktives Missverständnis?
Von Olaf Weiden
Nun ja, er war jung, und er brauchte das Geld. Dieser lustige Satz trifft auch
auf eine Erzählung des damals tatsächlich noch relativ jungen Pianisten Simon
Nabatov, der mir in einem Interview sichtlich erschüttert erzählte, er habe in
New York Klavier gespielt – und die Leute hätten dazu gegessen. Lange ist das verdaut und „In New York entdeckte
vergessen, denn Nabatov residiert nunmehr
Simon den Jazz“
seit 25 Jahren in Köln und – als anerkanntes
Urgestein in Müllers Guter Stube – damit auf Kölns engagiertester Avantgarde-Bühne „Loft“. Jetzt feiert er dieses nennenswerte „Köln-Jubiläum“ in vier
Projekten, von denen zwei in den Monat Mai fallen. Grund für einen Blick auf
diesen großen Virtuosen, dessen musikalische Gänge nur Menükarten meiden.
Mit drei Jahren bearbeitete Simon bereits die Tastatur, angeleitet vom Vater,
einem Musiker in Moskau. Auf dem dortigen Konservatorium erlernte er die
berühmte russische Klavierkunst, bis die Familie 1979 nach New York emigrierte: Dort entdeckte er an der Juilliard School of Music auch den Jazz und
die Improvisierte Musik. Seine sensationelle Spieltechnik befähigt ihn deshalb
bis heute, zwischen den verschiedenen Disziplinen zu changieren, Stile zu verschmelzen: Von Gershwins Klavierkonzerten bis zur freien Improvisation mit
einem Stimmkünstler reicht seine Ausdruckspalette.
Von Christian Werthschulte
In jeder Kulturredaktion gibt es auf der Halde eine Themenidee zu „Pop und
Politik“, über die Frage, ob und wie politisch Pop heute ist. Der Vorteil des
Themas ist, dass man es veröffentlichen kann, wenn politisch gerade nichts
passiert, aber auch wenn mal wieder Plätze
besetzt und Paläste gestürmt werden. Gefragt
„Meistens kommt poliwird dabei in der Regel nach dem „politischen tischer Protest gut ohne
Protest-Pop aus“
Gehalt“ von Popmusik. Äußern sich die Musiker zu IS, Pegida, Klimawandel? Spenden sie?
Demonstrieren sie? Oder machen sie sogar den Soundtrack zur nächsten Demo?
Dann kann man das alles noch mit ein wenig historischen Details zu Yoko Ono
und John Lennon, Tom Morello in den Occupy-Camps sowie zu Red Wedge,
Public Enemy und „Arsch huh!“ würzen. Schon ist das Thema abgehandelt.
Simon Nabatov feiert im Kölner Loft
Das Festival Acht Brücken fragt nach Pop und Politik
Als er nach zehn Jahren in New York nun in Köln landete, kannte er schon
diverse Musiker, die ihm vom Rheinland und seiner Musikszene berichtet hatten. Nach 25 Jahren, nunmehr als reifer Mittfünfziger, ist das Interesse an
den Menschen und Künstlern nicht erloschen, feste Bands blieben bis heute
erhalten. Matthias Schubert, Frank Gratkowski und der damals in Köln lebende
Posaunist Nils Wogram bezogen den Pianisten in ihre Projekte ein, mit Tom
Rainey und Mark Helias pflegt Simon seit 20 Jahren ein New Yorker Trio.
Für sein erstes Projekt „Young Cologne“ verbindet er sich nun mit zwei Absolventen der Muho Köln, einem eingespielten Rhythmusduo aus Bass (Stefan
Schönegg) und Schlagzeug (Dominik Mahnig), die mehrfach gemeinsam in
festen Ensembles wie Die Fichten (aufgemerkt: nicht die Randfichten) bestens
funktionierten. Für dieses Trio schreibt er ein ganz neues Programm. Auch für
„Fernweh – Brasilien“ wird komponiert. In die südamerikanische Musik hat sich
Nabatov so verliebt, dass er sogar Portugiesisch lernte und sich mit der Folklore
beschäftigte. Hier treten der brasilianische Bassist André de
Cayres und der kolumbianische Schlagzeuger Rodrigo Villalon an, die beide in Köln arbeiten und sich mit Samba, Choro, Forró, Maracatu und vielem mehr sehr gut auskennen.
Im Herbst folgen dann noch Besetzungen für Kammermusik
und ein Trio „Freies Europa“ mit dem Engländer Barry Guy
und dem Amerikaner Gerry Hemingway, die beide schon
Olaf Weiden
lange in der Schweiz leben – auch ein beliebtes Land für
Musiker und
Musikkritiker
Jazzmusiker.
„Young Cologne“: 8.5. Bunker Ulmenwall in Bielefeld, 9.5. Loft in Köln
„Fernweh – Brasilien“: 30.5. Loft in Köln
Info: www.nabatov.com
Dabei wäre die interessante Frage eigentlich, wie genau Pop auch dann politische Wirkung wirkt, wenn sich die Künstler eben nicht explizit politisch äußern. Die Kulturindustrie-Kritik des alten Professors von der Frankfurter Schule
machte sich schließlich auch weniger am politischen Gehalt der kritisierten
Unterhaltungsmusik fest, sondern an ihren formalen Eigenschaften. Gerade
weil Pop simpel gestrickt ist, wirkt er politisch affirmativ – egal ob nun Wolfgang Niedecken über Politik oder Andreas Gaballier über seine österreichische
Heteromännlichkeit singt. Von daher ist es natürlich toll, wenn das Kölner
Neue-Musik-Festival Acht Brücken sich dieses Jahr dem Zusammenhang von
Musik und Politik widmet und dabei auch der Popmusik einen Raum gibt.
Weniger erfreulich allerdings ist, dass dieser Raum wieder mit klassischer Protestmusik gefüllt wird. Das 16Bit-Polit-Elektronik-Projekt Atari Teenage Riot
hat in den 90ern mit Breakbeats und Bad-Brains-Gitarrensamples gegen die
Deutschtümelei in der Technoszene geschossen, bevor sie sich mit ihrer elektronifizierten Rockmusik in der Revolutionsfolklore verloren haben. Sie ausgerechnet am 1. Mai, dem Feiertag der Revolutionsfolklore, im Stadtgarten auftreten zu lassen, hat schon einen Zug Realsatire. Anders dagegen Ana Tijoux:
Die Rapperin aus Chile lässt immer wieder politische Botschaften in ihre Songs
einfließen, aber anstatt Slogans zu hämmern, erzählt sie lieber von Wünschen
und kollektiven Sehnsüchten.
Wenn man sich über Pop und Politik unterhält, muss man sich aber auch eingestehen, dass politischer Protest meist gut ohne Protest-Pop auskommt. Im
Dezember 2010 machte während der Studentenproteste in
London eine Reihe Jugendlicher auf sich aufmerksam, die
gegen die Abschaffung des britischen Schüler-BAFöGs protestierten. Niemand hatte sie zuvor beachtet, weder die Medien, noch die Studierenden. Also kaperten sie ein Soundsystem und veranstalteten bei 0 Grad einen Freiluft-Rave
mit Songs von Rihanna und Nicki Minaj. So politisch wie in
Christian Werthschulte
diesem Moment ist Pop selten – nur mit Protestmusik hatte
Journalist und
Musikkritiker
es nichts zu tun. Kann man ja auch mal drüber nachdenken.
Atari Teenage Riot | Stadtgarten Köln | Fr 1.5. 22 Uhr | 0221 952 99 40
Ana Tijoux | Philharmonie Köln | Di 5.5. 21 Uhr | 0221 20 40 80
21
kompakt disk
klassik am rhein
Maximal Minimal
Neue Platten von Indie Rock über EDM zu Minimal Music
Mann für jede Tonart: François-Xavier Roth, Foto: Martina Goyert
Ungeduld im Herzen
Der neue GMD freut sich auf Köln
Von Olaf Weiden
Es gab ein großes Hallo in der Kölner Philharmonie, als François-Xavier Roth
als kommender Generalmusikdirektor der Stadt Köln und Gürzenich-Kapellmeister die erste eigene Spielzeit vorstellte. „Ich freue mich, dass ich jetzt
Kölner bin“, soll er gesagt haben, als er am
Hbf den Bahnsteig betrat. Die Familie, auf die „Ich freue mich, dass ich
jetzt Kölner bin“
er jetzt traf, empfing ihn mit offenen Armen.
Die Beigeordnete Susanne Laugwitz-Aulbach
– François ruft sie bereits „chère Susanne“ – nannte als Kulturdezernentin
drei Farben auf dem Banner des Maestro Roth: namhaft, visionär, impulsgebend.
Wichtiger am Rhein bleibt aber der Familiensinn, und der scheint bei François
sehr ausgeprägt. Natürlich bildet seinen Background eine Musikersippe, der
Vater gilt als Halbgott der französischen Orgelgeschichte mit wichtigen Preisen und berühmten Lehrern, deren Namen im Konzertführer stehen. Von vier
Kindern wurde ein Bruder Bratschist, François lernte Querflöte und später Dirigieren. Sein Handwerkszeug als Dirigent lernte er u.a. bei Jorma Panula, der
skandinavischen Lehrmeisterlegende, die in keiner Vita eines aufstrebenden
Dirigenten fehlen darf. Wichtiger Mentor wurde Pierre Boulez, „für mein Herz
und für meinen Kopf der Größte heute“, schwärmt Roth. Boulez ist dann
vielleicht auch der Kopf der „neuen Familie“, die der gebürtige Pariser des
Jahrgangs 1971 Köln zuführen wird. Es sind junge, international agierende
Dirigenten wie Solisten aus seinem Umfeld, die er während der eigenen Karriere kennenlernen durfte. Ein Stabwechsel am Pult sorgt so angenehm für
neue Künstler auf dem Podium, in diesem Falle ohne Verlust bestehender Verbindungen – auch das spricht für eine diplomatische Linie des Maestros Roth.
„Er hört einem zu“, meinte ein Orchestermusiker am Rande des Treffens – und
das ist keine Selbstverständlichkeit. Die absolut autoritäre Stabführung sollte
eigentlich vom Tisch sein, aber bestimmte Kandidaten setzen immer noch
darauf, teilweise sehr erfolgreich. Roth ist ein Kommunikator, der sich auch
im Wissen um beschränkte Deutschkenntnisse mutig auf einen kompletten
Einführungsvortrag in deutscher Sprache einlässt. Viele Künstler und Werke
sind dann halt immer wieder „unglaublich“, aber seine Begeisterung für Inhalte und daran geknüpfte Erwartungen springt die Hörerschaft positiv an.
Dabei hilft ungemein, dass der Musiker ein Alleskönner ist. Sein eigenes, von
ihm gegründetes Orchester „Les siècles“ wechselt häufig in einem Konzert
von historischen auf moderne Instrumente, Mischprogramme sind Roths Spezialität. Auch entspricht seiner
Begeisterung für den neuen Job eine beeindruckend häufige Präsenz in der Domstadt. Und dem Blick auf die kommende Hörergeneration folgen bei ihm mächtige Taten:
Verschiedene Projekte wie „Ohren auf“ mit der Jugend bis
zur sogenannten „Zwergenprobe“ betreut er persönlich.
Olaf Weiden
Ohne Angst vor lauernden Gefahren: „Wenn ein Franzose
Musiker und
sprich, verstehen die Kinder nicht immer. Ich habe erlebt!“
Musikkritiker
Programmbuch ist erschienen | www.guerzenich-orchester.de
Tocotronic haben mit dem unbetitelten „roten Album“ demonstrativ ein Popalbum vorgelegt. Weniger Schrammelpop und Gitarrenwände, stattdessen
eine klare Produktion mit Synthie, Background Chor und gesanglichen Manierismen wie „Ich ö-ö-öffne mich für uns“. Denn textlich gehen sie auch voll in
der Subjektivität amouröser Poplyrik auf. Das ist mit Geigen und allem Pipapo
teils großartig, mitunter aber auch ein Fall für die Kategorie guilty pleasure
(Universal). Zum 25-jährigen Bandjubiläum erscheint außerdem die mit über
1000 Abbildungen reich bebilderte Bandgeschichte „Tocotronic Chroniken“,
laut Verlag in enger Zusammenarbeit mit der Band entstanden (Blumenbar).
Elf Jahre nach dem letzten Album erscheint „Sol Invictus“ von den reunierten
Faith No More. Schwierig, so etwas zeittypisches wie den Crossover-Entwurf
von FNM in die Gegenwart zu retten. Doch sie knüpfen natürlich nicht an den
schmierigen Pathos-Metal der frühen Jahre an, sondern eher an das letzte
Album bzw. die Weiterentwicklung der einzelnen Musiker, allen voran Sänger
Mike Patton. Und das ist dann trotz einigem Zeitkolorit durchaus in der Gegenwart hörbar (Reclamation).
Der superjunge Shamir aus Las Vegas erinnert mit seinem hippen, explizit
schwulen Disco-House-Entwurf an Hercules & Love Affair, und seine präpubertäre Stimme bringt den androgynen Touch des Ganzen wundervoll auf
den Punkt. Wird sicher noch groß (XL). Midlife-Krise, was beweisen wollen,
oder einfach gut drauf? Squarepusher macht mit „Damogen Furies“ eine
überbordend verschachtelte elektronische Schlachtplatte, die gleichermaßen
brutal und böse wie poppig ist, und … Verzeihung … damit manchmal fast
nach Skrillex klingt. Aber all das, was einen Skrillex links liegen lässt, lässt
Squarepusher weg, so dass man Squarepusher dann doch nicht links liegen
lassen muss (Warp).
Charlemagne Palestine, Jahrgang ’45, zählt zu den bedeutenden MinimalKomponisten, auch wenn sein Name nicht so bekannt ist wie der von Steve
Reich, Terry Riley oder Philip Glass. Das neue Album des extrovertierten Musikers und Installationskünstlers heißt „Ssingggg Sschlllingg Sshpppingg“ und
schwillt über eine knappe Stunde langsam immer mehr an – vom ethnischen
Gesang über White Noise mit Field-Recordings bis zu einer Geräuschkakophonie mit menschlichem Antlitz von allergrößtem Reichtum (Idiosyncratics).
Zusammen mit dem Post-Minimalisten Rhys Chatham veröffentlicht er zeitgleich das Werk „Youuu + Mee = Weee“, das drei einstündige Stücke auf 3
CDs vereint, die mit ihren organisch an- und abschwellenden Instrumenten
klassischer wirken (Sub Rosa). Wer sich für Minimal Music interessiert, sollte
auch in die Steve Reich-Interpretationen des Leipziger Ensemble Avantgarde
reinhören, die mit „Four Organs“, „Phase Patterns“ und „Pendulum Music“ drei
frühe Werke des Komponisten aus den Jahren ’68-’70 eingespielt haben, die
mit rhythmischen Verschiebungen arbeiten. Vinyl mit Downloadcode (Karlrecords).
Betrug: Nachdem Thurston Moore seine Frau und Bandkollegin Kim Gordon
klassisch mit einer Jüngeren betrogen hat, ist das Ende der Indie-Legende Sonic Youth im Jahr 2011 besiegelt und deren Funktion als Rolemodel angekratzt.
In ihrer Autobiografie „Girl in a Band“ rekapituliert Gordon spürbar enttäuscht
und wütend ihr Leben als selbstbestimmte Künstlerin und Musikerin, Ehefrau
und Mutter, die trotz aller Bemühungen um Unabhängigkeit immer wieder
schmerzvoll gegen die patriarchalen Strukturen prallt. Ein bisschen Wunden
lecken, wenig Nabelschau, etwas Kunst, viel Gesellschaft(spolitik) und ganz
viel Sonic Youth (KiWi).
CHRISTIAN MEYER
engels verlost 1 Exemplar „Girl in a Band“ von Kim Gordon, Verlag KiWi.
E-Mail bis 24.5 an [email protected], Kennwort: „Girl“
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kunst & gut
Zartes Rosa, Installation 2015, © Sylvie Hauptvogel, Foto: Sigurd Steinprinz
Dinge, die vorübergehen und bleiben
„Nach der Fotografie“ im Sparkassenforum
Die Stadtsparkasse bleibt auch mit Gunther Wölfges als Vorstandsvorsitzenden ihrem kulturellen Auftrag verbunden. Wie wichtig das Sparkassenforum
für das Wuppertaler Kulturleben ist, bestätigt die von Frank Ifang organisierte und von Peter Klassen kuratierte Ausstellung mit Sylvie Hauptvogel,
Matthias Neumann und Dietmar Wehr. Alle drei Künstler sind in Wuppertal
tätig, sie kennen sich schon lange, tauschen sich untereinander aus und alle
drei arbeiten mit dem Medium Fotografie. Aber da geht es schon los: Sylvie
Hauptvogel ist derzeit in anderen künstlerischen Techniken tätig und ihre
Kollegen berücksichtigen auf unterschiedliche Weise die digitalen Möglichkeiten. „Nach der Fotografie“ erweist sich als raffiniert vertrackter Titel, der
das Vergehen von Zeit, den Umgang mit Bildvorlagen und die verschiedenen
Verfahren in dieser Ausstellung anspricht.
Los geht es mit Matthias Neumann: Im Mittelpunkt steht seine Werkgruppe
„Urbanics“. Aufgenommen sind typische Situationen an belebten großstädtischen Orten, welche sich durch einen permanenten Fluss an Menschen
kennzeichnen und die Aura des Nostalgischen in ihrer Gegenwart besitzen.
Die Architektur – der eigentliche „Star“ – weicht geradezu zurück, wobei
Neumann im engen fotografischen Ausschnitt ihre formale Struktur aus
Horizontalen und Vertikalen und mitunter Diagonalen destilliert und ihre
wahre Bedeutung im Stadtbild betont. Jedenfalls behaupten sich die teils
jahrhundertealten statisch-stabilen Bauten gegen das wuselnde Chaos der
Menschen, die immer in Bewegung sind. Neumann variiert dieses Prinzip
seiner Werkgruppe, etwa indem die Personen auf einem Schiff fahren oder
Passanten auf Bänken vor riesigen Billboards mit Models sitzen.
Gegen die transitorische Fülle in den Fotografien von Neumann wirken die
Aufnahmen von Dietmar Wehr karg, leer – ja, wie von einem verlassenen
Stern. Wehr zeigt die Strukturen und feinsten Schattierungen natürlicher
Gewächse und Rinden aus der Nähe, und zwar so, dass die Dimensionen
unklar bleiben und die Texturen haptisch hervortreten. Das trifft auch auf
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die Knollen zu, die zentriert und isoliert im Bildformat sitzen und mit ihren
Wucherungen zu ganz erstaunlichen und rätselhaften Lebewesen werden.
Schade nur, dass Wehr dem Geheimnis etwas von seinem Reiz nimmt, indem er in einer Vitrine die Rinden ausgehöhlter Brote als skulpturale Hüllen
zeigt.
Zwischen diesen beiden Positionen vermittelt – in der Anordnung im Ausstellungsraum – Sylvie Hauptvogel. Aber vermittelt sie auch? Denn statt Fotografien erarbeitet Sylvie Hauptvogel seit einigen Jahren plastische Interventionen, die sich in den Raum tasten und diesen besonders mit Textilien
und Stickereien vorsichtig besetzen und auch wieder auf die Fläche zurückkehren. Im Sparkassenforum zeigt Sylvie Hauptvogel feine Stickereien auf
Pergamin sowie Siebdrucke einer Strickliesel auf Kopfkissen, außerdem eine
Installation u.a. mit Stickereien in einem Fotoalbum. Die Intensität und Stille dieser Arbeiten hängt mit den emotionalen Kategorien des Geborgenen
und des familiär Privaten zusammen. Aber in ihrer hauchzarten Nuancierung lassen ihre Stickereien an die Knollenwesen von Dietmar Wehr denken.
Wie Nachbilder – oder verblichene Fotografien – bewahren die räumlichgrafischen Notationen Spuren vom Menschen, von Heimat und vom Heimeligen, das uns als Mitbringsel aus unserer Kindheit ein Leben lang begleitet.
Dass sie wie Treibgut im Wasser auf dem Pergamin stehen, deckt sich mit
dieser Atmosphäre.
Vielleicht ist das das Spannendste der Ausstellung: Wo Neumann beobachtet, wie in den Metropolen schleichend die Individualität – vielleicht gerade
infolge der digitalen Revolutionen – verlorengeht, zeigt Sylvie Hauptvogel,
wo sie noch zu finden sein könnte.
THOMAS HIRSCH
„Nach der Fotografie“ | bis 8.5. | Sparkassenforum am Islandufer
zu den üblichen Öffnungszeiten
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ǧAkademie für Gesundheit und Yoga
Hofaue 63 · 42103 Wuppertal
Tel.: 0202 - 979 85 40 · Fax: 0202 - 979 85 41
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Tel. 02104
Internationales Theaterfestival
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Aufbruch
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www.neanderland-biennale.de
29. MAI – 20. JUNI 2015
Veranstalter: Kreis Mett
Mettmann
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mit
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Langenfeld, Mettmann, Monheim am Rhein, Ratingen, Velbert und Wülfrath
DÜSSELDORF
kunst in NRW
kunstwandel
Abb. 1
Abb. 2
Rottende Spuren ins Nichts
Kunst mit Architektur
Hoppla. Da ist im Museum aber nicht ordentlich gefegt worden. Schon in
der ersten Ecke im neuen Ausstellungstrakt der Bonner Bundeskunsthalle
liegt Unrat, und schon jetzt darf man verraten: Man wird ihn weiterhin
wittern können. An der Wand neben dem Kehricht hängt ein gestohlener
ausgestopfter Kanarienvogel, der auf einem Ast hockt und seinen Begleitzettel im Schnabel hält. „She, fully turning around, became terrestrial“
(2013) des Kosovaren Petrit Halilaj (geboren 1986 in Kosterrc, Studium in
Mailand) ist erst einmal das einzige präparierte Original, das der Besucher
zu sehen bekommt. Tiere bevölkern dagegen den ganzen Saal, leere Vitrinen,
ein ziemlich alter Schrank. Viele der Vögel, Fische und Säugetiere lehnen
gedankenverloren daran, zwei Frettchen halten eine Messingscheibe. Schon
der erste luftige Eindruck schafft Verwirrung, lockt das Auge, schärft die
Fragen. Der Künstler Halilaj, der heute in Berlin lebt, sichert so Spuren seiner
alten Heimat, Erinnerungen an die Zerstörung im Kosovokrieg (1998/99),
an den Verlust des Elternhauses, dessen Trümmer er hier und da in den
Installationen mit verwendet. Die Tiere aus Erde, Stroh, Kot und Beton sind
Metaphern für einen Verlust, der selbst vor ausgestopften, wissenschaftlichen Präparaten nicht Halt machte.
Viele der wieder ins Bewusstsein geholten Präparate stammen aus dem Archiv des seit 2001 auch nicht mehr existierenden Naturhistorischen Museums in Pristina, Kosovo. Fast 50 Jahre lang speicherte es die Naturgeschichte eines Landes, auch die verloren gegangene Kulturgeschichte der
Menschen. Halilaj hat die Sammlung, die sich in einem katastrophalen Zustand befindet, gesichert, archiviert und teilweise restauriert. So archiviert
er zum Teil die verloren geglaubte Vergangenheit, schafft eine Kausalität
zu allgemeingültigem Umgang mit vergessenen Gegenständen und Begebenheiten, auch eine Kausalität gegen den Verlust von der persönlichen
Verortung einer gemeinsamen Geschichte.
Der Besucher muss sich erst einmal mit dem schier verwesenden, verstaubten Anblick auseinandersetzen, selbst die zahlreiche Verwendung des edlen
Messings kann das Gefühl nicht brechen. Messingstäbe halten die Installation in Bonn optisch zusammen, viele Messingstäbe sind es, ein Lurch,
ein Fisch, ein Adler ist darauf gelandet. Ein großer stolzer Pfau, gegenüber
steht die edle Messingkiste mit der liegenden toten Sau darin, nicht mehr
stolz, nicht mal mehr ausgestopft, nur die vier Uhus an der Wand scheinen
sie noch zu bewachen. Und es wird noch leerer. „Dort warte ich endlos auf
das Kommen des Orkans“ (2013) ist nur noch ein alter Schrank aus dem
Naturhistorischen Museum, zu sehen sind noch die Reste von ausgestopften
Vögeln. Beim Sperrmüll wäre er entsorgt worden, hier leistet er museale
Arbeit mit einem Hauch Nostalgie, die wir kaum nachvollziehen können.
Auch nicht im Raum „Cleopatra“, wo eine einfache Glühbirne rotiert und
den Blick auf 18 rottende, eigentlich zerstörte Insektenkästen freigibt. Diese
archivarische Kunst hat ein eigenes persönliches Gedächtnis, aber es mahnt
auch den Besucher, Erinnerungen nie zu opfern.
Von Thomas Hirsch
Das Gebäude ist Wahrzeichen seiner Stadt: Vor zehn Jahren wurde das Marta
Herford als Museum für zeitgenössische Kunst eröffnet. Der amerikanische
Architekt Frank Gehry hat hier vieles von dem verwirklicht, womit er berühmt
wurde: Er verzichtet auf rechte Winkel,
„Konzept des
umfasst die Steinwände mit gewölbten
Sowohl-als-auch“
und mäandernden, Licht reflektierenden
Metallflächen, die so verschachtelt sind,
dass sie in dynamischen Wellenbewegungen stürzen und wirbeln. Zu Recht
ist das Gebäude selbst als Skulptur zu verstehen. Das Marta hat dieses
Sowohl-als-auch ebenso in seinem Ausstellungskonzept aufgegriffen. Als
Gründungsdirektor hat Jan Hoet Gattungsgrenzen überschritten und sich
etwa dem Design zugewandt. Dieses Konzept gilt nach wie vor, so auch in
der Ausstellung, die nun zum 10-jährigen Jubiläum zu sehen ist: „(un)möglich!“ stellt Werke von bildenden Künstlern seit dem frühen 20. Jahrhundert
vor, die sich auf Architektur beziehen. Zu sehen sind Zeichnungen und Collagen, dreidimensionale Modelle, Objekte und Installationen. Ausgestellt sind
außerdem begehbare Werke: So wie Architektur Kunst sein kann, kann Kunst
als Architektur funktionieren. Ausgehend von den Phänomenen ihrer Zeit –
Beobachtungen zum Städtebau, zum technischen Fortschritt, zur Population
– thematisieren die Künstler der Ausstellung Fragen des Nostalgischen und
der Utopie, ökologische Bedenken und die Schaffung von Rückzugsräumen,
wobei die Akzente im Laufe eines Jahrhunderts gewechselt haben.
Vertreten sind Vordenker wie die russischen Konstruktivisten und die niederländische De Stijl-Gruppe. Oder Walter Jonas mit seinem Modell einer
trichterförmigen Wohnanlage und das Atelier van Lieshout mit seinen Komprimierungen von Wohn- und Arbeitswelt. Vito Acconci demonstriert mit seinen Montagen die fiktionale Durchdringung aller Lebensbereiche. Daneben
stehen unspektakuläre Umspielungen drängender Fragen wie die „Floating
Cities“ von Charles Simonds, bei denen es sich um s/w-Fotocollagen mobiler
Städte im Meer handelt. Oder die „Tree Huts“ von Tadashi Kawamata: fragile
Hausskulpturen aus Hölzern, die, als Nester für Bäume oder Hausfassaden
gedacht, vor allem den Umgang mit unseren Ressourcen thematisieren. In
Herford ergibt sich daraus ein lockerer Parcours, bei dem die historischen
Beiträge und die aktuellen, teils direkt für die Ausstellung geschaffenen
Kunstwerke abwechseln. Dass dabei die Architektur von
Frank Gehry verdeutlicht wird (die „Fassade“ von Claus
Richter betont die Passage am Ausstellungseingang; die
höhlenartige Skulptur von Dai Goang Chen reflektiert die
Raumhöhe) ist ein angenehmer Gewinn. Zudem verdeutlicht die Ausstellung die Notwendigkeit der Kunst für alle
gesellschaftlichen Bereiche. Und vielleicht regt sie noch
Thomas Hirsch
an, bewusster die Gestaltung des Stadtraumes wahrzuKunsthistoriker,
Kurator und Journalist nehmen.
Petrit Halilaj | bis 18.10. | Bundeskunsthalle Bonn | 0228 917 12 00
„(Un)möglich! – Künstler als Architekten“ | bis 31.5. | Marta Herford
05221 99 44 300
Abb. 1: Ausstellungsansicht: Messingkiste mit toter Sau, Foto: Thekla Meusel
© Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH
Abb. 2: Ausstellungsansicht mit Claus Richter: Façade, 2007, © C. Richter, MARTa Herford,
Foto: Hans Schröder
Faunische Erinnerung? Petrit Halilaj in Bonn
Die Jubiläumsausstellung im Marta Herford
PETER ORTMANN
25
kunst-kalender
KÖLN – Wallraf-Richartz-Museum
www.wallraf.museum.de
Herzog & Segers bis 12.7.
Der deutsche Regisseur mit einer
Videoinstallation, die, musikalisch
begleitet, die winzigen grafischen
Landschaftsdarstellungen von Hercules
Segers abtastet
MÜLHEIM/RUHR – Kunstmuseum
www.kunstmuseum-mh.de
Picasso – Suite Vollard bis 28.6.
Vorgestellt werden die 100 Radierungen
unterschiedlicher Motivfelder, die
Picasso 1930-37 auf Anregung seines
Kunsthändlers Ambroise Vollard
geschaffen hat
NEUSS – Langen Foundation
www.langenfoundation.de
Olafur Eliasson bis 18.10.
Überblick über das Werk des dänischisländischen Künstlers, der mit den
Ressourcen der Natur arbeitet, anhand
des Bestandes in der Sammlung Boros
OBERHAUSEN – Ludwiggalerie
www.ludwiggalerie.de
Green City 10.5.-13.9.
Kunstbeiträge, die sich mit dem
Ruhrgebiet in seiner Verfasstheit und
Zerteilung durch Autobahnen und
Wasserstraßen und mit den spezifischen
Themen beschäftigen
PADERBORN – Städtische Galerie
www.brueghel-ausstellung.de
Erwin Wurm, Fat House, 2003/2011, Metall, Holz, Polystyrol, Aluminium, 5,4 x 10 x 7 m, © Erwin Wurm,
Foto: Süleyman Kayaalp, Skulpturenpark Waldfrieden, Wuppertal
Museumslandschaft NRW
Die Brueghel-Familie bis 21.6.
Die berühmte flämische Malerfamilie
aus dem 16. und 17. Jahrhundert
mit vier Generationen, die sich
unterschiedlichen motivischen
Schwerpunkten widmeten
REMAGEN – Bahnhof Rolandseck
DORTMUND – Museum Ostwall
HERFORD – Marta
www.moyland.de
www.museumostwall.dortmund.de
marta-herford.de
Lori Nix 10.5.-9.8.
Großformatige inszenierte Fotografie der
US-amerikanischen Künstlerin (geb. 1969),
die die Errungenschaften der Zivilisation
mit Naturgewalten konfrontiert
Angenehmer Aufenthalt! bis 30.8.
Neue Räume in der SammlungsPräsentation, die sich den 1950er bis
1970er Jahren widmen, im besonderen
ZERO, Fluxus, Op- und Pop Art
(Un)möglich! bis 31.5.
Reale und fiktive Architekturen und
Raumkonzepte von Künstlern wie Theo
van Doesburg über Constant bis hin zu
Thomas Schütte und Caroline Bayer
Ernesto Neto bis 25.5.
Der wichtige brasilianische Künstler mit
seinen organischen, teils wuchernden
und begehbaren Installationen, in die
mitunter Riten der brasilianischen
Indianer fließen
BERG.-GLADBACH – Villa Zanders
DÜSSELDORF – K20
KÖLN – Käthe Kollwitz Museum
SOLINGEN – Kunstmuseum
www.villa-zanders.de
www.kunstsammlung.de
www.kollwitz.de
Ignacio Uriarte bis 7.6.
Skulpturale Inszenierungen mit Papier
und den Materialien im Büro, die
auf witzige und kritische Weise die
Bedingungen unserer Arbeitswelt
hinterfragen
Günther Uecker bis 10.5.
Der Düsseldorfer „Nagel“-Künstler und
Hauptvertreter der ZERO-Bewegung
mit wichtigen Installationen, seinen
Nagelreliefs und Dokumenten zum 85.
Geburtstag
Käthe Kollwitz bis 28.6.
Fotografien und Korrespondenzen,
die, ergänzt v.a. um frühe Kunstwerke,
das private Leben der sozialkritischen
Zeichnerin und Bildhauerin beleuchten
George Grosz bis 14.6.
Der berühmte Dada-Künstler und
kritische Zeichner mit Werken aus
seiner Berliner Zeit 1914-1931 als
Ausstellungspremiere des Zentrums für
verfolgte Künstler
KÖLN – Kunstverein
BOCHUM – Kunstmuseum
DÜSSELD. – Museum Kunstpalast
www.koelnischerkunstverein.de
UNNA – Zentrum für Lichtkunst
www.kunstmuseumbochum.de
www.smkp.de
Russische Avantgarde bis 31.5.
Fotografie und Zeichnung der Sepherot
Foundation, mit Werken aus dem
Russland des frühen 20. Jahrhunderts u.a.
von Malewitsch, Rodschenko und Tatlin
Wim Wenders bis 16.8.
Der berühmte Filmemacher zum 70.
Geburtstag in seiner Heimatstadt mit
einer Retrospektive seiner autonom
aufgenommenen analogen Fotografien
Petrit Halilaj bis 2.8.
Ein Shooting-Star der Kunstszene,
der in seiner Installation aus Zeichen
und Schrift von den Erinnerungen
und Dokumenten seiner Schulzeit in
Albanien ausgeht
BONN – Bundeskunsthalle
DUISBURG – Museum Küppersmühle
KÖLN – MAKK
www.kah-bonn.de
www.museum-kueppersmuehle.de
www.museenkoeln.de
Ärger im Paradies bis 11.10.
Beiträge von 14 internationalen
Künstlern der jungen und mittleren
Generation zum Themenbereich Garten
und Natur, zu sehen auf dem Dach der
Bundeskunsthalle
China 8: Malerei 15.5.-13.9.
Das Initial-Museum für die
Ausstellungsreihe CHINA 8, die ab Mitte
Mai in acht NRW-Museen passend zu
deren Konzept zeitgenössische Kunst
aus China vorstellt
System Design bis 7.6.
Systeme als ordnungs- und
chaosstiftende bildnerische und
funktionale Verfahren im Design der
letzten 100 Jahre mit Hauptwerken u.a.
von Breuer und Wagenfeld
BRÜHL – Max Ernst Museum
ESSEN – Museum Folkwang
KÖLN – Museum Ludwig
www.maxernstmuseum.lvr.de
www.museum-folkwang.de
www.museum-ludwig.de
Real Surreal bis 19.7.
Avantgarde-Fotografie aus der
Sammlung Siegert, mit Schwerpunkten
auf dem Surrealismus in Paris, der
Situation in Prag und der deutschen
Fotografie 1920-1950
Conflict, Time, Photography bis 5.7.
Fotografien zum Thema Krieg
zwischen 1855 und 2013 unter
Berücksichtigung des Zeitpunkts
der Aufnahme, der auch Jahre nach
dem Kriegsereignis liegen kann
Sigmar Polke bis 5.7.
Retrospektive zum berühmten Künstler,
der in seiner oft gesellschaftskritischen
Malerei experimentell gearbeitet und
auch Filme, Fotografien und Objekte
geschaffen hat
DORTMUND – H. Med. KunstVerein
HAGEN – Osthaus Museum
KÖLN – SK Stiftung Kultur
BEDBURG HAU – Museum Moyland
www.hmkv.de
www.osthausmuseum.de
www.photographie-sk-kultur.de
Das mechanische Corps bis 12.7.
Ein dichtes Sammelsurium von
mechanischen Konstruktionen,
Kostümen und fiktiven Entwürfen aus
Kunst und Populärkultur, das das 19.
Jh. zitiert
Hundertwasser bis 10.5.
Werkschau des österreichischen
Universalkünstlers, der mit seinen
ornamentalen Malereien, Architekturen
und mit seinem ökologischen
Engagement berühmt wurde
Martin Rosswog bis 9.8.
Ein Überblick über die Recherchen des
Soziologen und Fotografen, der bei
Bernd Becher studiert hat und sich
privaten Wohnhäusern in ganz Europa
zuwendet
26
www.arpmuseum.org
www.kunstmuseum-solingen.de
www.lichtkust-unna.de
The Future of Light Art bis 28.6.
Die drei Finalisten zum internationalen
Light Art Award, die Licht in LED-Bahnen
wiegen, Signale und Symbole leuchten
lassen und Hirnströme sichtbar machen
WUPPERTAL – Neuer Kunstverein
www.neuerkunstvereinwuppertal.de
hobbypopMUSEUM bis 10.5.
Die aus Düsseldorf stammende Gruppe
mit sechs Künstlern bzw. Architekten,
die in der Zusammenarbeit vor Ort eine
begehbare malerische Installation schaffen
WUPPERTAL – Von der Heydt-Kunsthalle
www.von-der-heydt-kunsthalle.de
Jan Albers bis 28.6.
Neuere Arbeiten des Düsseldorfer
Künstlers (geb. 1971), der in der
Auseinandersetzung mit Farbe und
Struktur Malerei als Medium befragt
WUPPERTAL – Waldfrieden
www.skulpturenpark-waldfrieden.de
Erwin Wurm bis 12.7.
Der angesagte österreichische Künstler,
der in seinen Werken Skulptur
und gesellschaftliche Verfasstheit
thematisiert, hier nun anhand des Topos
des Hauses
Empfehlungen von Thomas Hirsch
zungen
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Wuppertal
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01.05.
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mit
. . . . . . . . . . . . . . . Rock
......
-zungen
02.05.
SALON DE SALSA
Foto: I. Arndt, Montage: K. Nikolic
. . . . . . . . . . . . . . . Salsa
. . . . .Disco
......
Lieber Engels!
10.11.89
Berlin. N.W. Dorotheenstr. 37 II.
07.05.
KAY RAY
. . . . . . . . .Comedy
........
Wie gerne mache ich von der Erlaubniß Gebrauch und rede Sie
mit Ihrem einfachen Namen an! Ich danke Ihnen herzlich für den
letzten Brief. Sie können Sich denken, mit welcher Freude es mich
erfüllte, daß Sie, gerade Sie in meinem Buche etwas Tüchtiges fanden, was für die Zukunft weitere Entwickelung verspricht.
[…]
Inzwischen habe ich hier schon einige Verbindungen angeknüpft,
so schrieb ich z.B. schon verschiedenes für die Schippelsche „Berliner Volkstribüne“ und habe jetzt die regelmäßige politische Wochenübersicht für sie zu liefern. Auch die Volkszeitung hat einiges
von mir aufgenommen und will mehr. […] Dazu kommt noch, daß
ich augenblicklich einen Redakteur der Vossischen Zeitung, denselben, bei dem ich eine Zeit lang als Volontär arbeitete, zu vertreten
habe, bis er wieder gesund geworden ist. So lerne ich denn auch das
Getriebe in einem der großen Blätter näher kennen. Die Redakteure
sind da die bloßen Verwalter des einlaufenden Materials. Sie haben
nur zu ordnen, geschrieben wird die Zeitung von den Korrespondenten und einem freien Mitarbeiter, einem gewissen Lewy, der
eine wirklich wunderbare journalistische Geschicklichkeit besitzt.
Er ist – wie einer der Korrektoren richtig bemerkte – das Gehirn des
Blattes, die übrigen fungieren als Mechaniker.
Vor einigen Wochen brachte das Berliner „Volksblatt“ einen Artikel
gegen die ökonomischen Professoren, worin auch meiner Abweisung von der Leipziger Universität – welche ich in der Neuen Zeit
erwähnte – gedacht wurde. Die gesammte Presse hat aber den Fall
todtgeschwiegen, nicht ein einziges der freisinnigen Organe nahm
auch nur mit einer Silbe Notiz davon! Das nennt sich bei uns Liberalismus.
[…]
Noch einmal herzlichen Dank für Ihren Brief. Mit bestem Gruße
Ihr ergebener
Conrad Schmidt
23.05.
PFLASTERSTRAND
. -. ELEKTRISCH
. . . . . . . . . . .- . . . . .Konzert
........
24.05.
SALSA IN DER CITY
. . . . . . . . . . . Open
. . . . .Air
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27.+28.+29.06.
DIE BARMER
KÜCHENOPER
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13.+14.08.
DIE
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28.+29.08.
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24.09.
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. .Heavy
. . . . . Rock
......
26.09.
WOLF MAAHN
. . . . . . . . . .&
. . BAND
. . . . . . . Rock
......
02.10.
J.B.O.
. Comedy
. . . . . . . Metal
.......
engels zungen in der Engels-Stadt:
Wir lassen Zeitgenossen des
Kapitalisten und Revolutionärs zu
Wort kommen, zitieren Briefe an
Wuppertals berühmten Sohn.
08.10.
JAN RÖTTGER
.&. .BAND
. . . . . . . . .Pop
.....
09.10.
VERSENGOLD
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Folk
.....
...........................
Geschwister-Scholl-Platz 4-6
42275 Wuppertal - 0202 563 6444
Förderverein HDJ & LCB
B
Quellenangabe: Marx-Engels-Gesamtausgabe, Briefwechsel, Band 30, Berlin
2013, S. 52-53; die Abbildung zeigt Friedrich Engels.
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Conrad Schmidt (1863-1932) hatte
sich als junger Wissenschaftler intensiv mit den ökonomischen Lehren
von Marx und Engels auseinandergesetzt und war darüber zum Sozialisten
geworden. Da er deshalb im Wissenschaftsbetrieb nicht Fuß fassen konnte, arbeitete er als Journalist, u.a. für
die 1704 gegründete renommierte
Vossische Zeitung in Berlin.
27
in deiner Stadt
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Foto: Mira Moroz
Vom Zweifeln und Lernen
Veranstaltungen an der Uni Wuppertal
Die Uni Wuppertal lädt auch im Mai wieder zu zahlreichen Sonderveranstaltungen, die sowohl praktische Fragen zur Studienorganisation als auch politische und philosophische Themen aufgreifen.
Dr. Christine Hummel geht am 6. Mai die „Zweifel am Studium“ an – und
erklärt anhand von Zeit- und Lebensplänen, wie ein Studium geplant werden
kann und welche Unterstützungsangebote es innerhalb und außerhalb der
Uni-Mauern gibt, wenn man strauchelt oder sich ausgebrannt oder überfordert
fühlt (6.5. 12 Uhr, Campus Grifflenberg, Hörsaal 17).
In der Klosterkirche Lennep in Remscheid referiert der Sozialpolitologe Prof. Dr.
Peter Imbusch über die Protestkultur Jugendlicher: „Soziale Ungleichheit und
politischer Konflikt. Wann und warum protestieren Jugendliche?“ (7.5. 19 Uhr,
Wiederholung am 11.5. 19 Uhr im Gründer- und Technologiezentrum Solingen)
Die Veranstaltungsreihe „Was ist der Mensch?“ ist Teil des Studium Generale
der Bergischen Universität Wuppertal. Unter der Fragestellung „Was ist der
Mensch?“ werden die Dimensionen menschlichen Denkens und Handelns in
Natur, Umwelt und Kultur vorgestellt und in ihrer Relevanz für ein gegenwärtiges „Menschenbild“ diskutiert. Prof. Dr. Gerald Hartung erörtert in der
CityKirche Elberfeld am 12.5. unter dem Titel „Der Mensch: ein Gottesgedanke“
Fragen und Einsichten theologischer Anthropologie.
Internationale Studierende im Fachstudium bekommen in der Veranstaltung
„Übergang Studium – Beruf“ am 3.6. ab 13 Uhr zahlreiche Informationen und
wichtige Hinweise, wie sie sich während ihres Studiums am besten auf den
Übergang in den deutschen Arbeitsmarkt vorbereiten können. Die zweistündige Veranstaltung wird organisiert vom Akademischen Auslandsamt, dem
Career Service/Zentrum für Weiterbildung, der Zentrale Studienberatung, der
Arbeitsagentur und der Ausländerbehörde (Ort: Campus Grifflenberg, Gebäude
B, Ebene 06, Raum 01).
Wer als StudentIn mit einem Auslandssemester liebäugelt, kann sich am 9.6.
an gleicher Stelle über erste Schritte und die richtigen AnsprechpartnerInnen
informieren. „GO OUT! Teil 1 – Gut vorbereitet ins Auslandsstudium und –praktikum“ startet um 14 Uhr.
Stolperfallen bei Reden oder Vorträgen geht am 15.6. der Workshop „Reden
ohne Stress: Stimme und Präsentation“ mit dem Diplom-Pädagogen Alexander
Wilhelm an. Wilhelm klärt über die richtige Körperhaltung und Stimmtrainings
auf, die Ängste und Probleme verlässlich abbauen (Folgetermine: 22. und 29.6.,
jeweils ab 14 Uhr, Campus Grifflenberg, Gebäude B, Ebene 06, Teamraum).
Aktuelle Tipps für Bildungshungrige:
Bergische Universität Wuppertal
Gaußstr. 20, Wuppertal, Tel. (0202) 43 90, www.uni-wuppertal.de
Fast 100 Studiengänge in Geistes- und Kulturwissenschaften, Wirtschaftswissenschaft, Natur- und Ingenieurwissenschaften, Kunst, Design und Bildungswissenschaften. Studienberatung unter Tel. (0202) 439 25 95.
DA Düsseldorfer Akademie
Harffstr. 51, Düsseldorf, Tel. (0211) 73 77 96 80, www.duesseldorfer-akademie.de
Die Bildungseinrichtung vereint ein Therapie- und Förderzentrum für Logopädie, Ergotherapie, Lese- und Rechtschreibtraining, eine renommierte Schule für
Logopädie und ein Weiterbildungs- und Trainingszentrum unter einem Dach.
Ausbildung zur Logopädin / zum Logopäden mit der Möglichkeit der Doppelqualifikation zum Bachelor.
Impulse e.V. – Schule für freie Gesundheitsberufe
Rubensstr. 20a, Wuppertal, Tel. (0202) 73 95 40, www.impulse-schule.de
Vielfältige Studiengänge für Fitnesstrainer, psychologische Berater, Heilpraktiker.
Jobcenter Wuppertal
Bachstr. 2, Wuppertal, Tel. (0202) 74 76 30, www.jobcenter.wuppertal.de
Mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II wurde das heutige Jobcenter Wuppertal in 2005 als ARGE Wuppertal gegründet. Das Jobcenter engagiert sich in über 100 Projekten, um
Arbeitslosen den Weg zurück ins Erwerbsleben zu ermöglichen. Neuester
Clou ist die Ausbildungsvermittlung „Start.Klar“.
SBB – Stiftung Begabtenförderung berufliche Bildung
Lievelingsweg 102-104, Bonn, Tel. (0228) 62 93 10, www.sbb-stipendien.de
Die Stiftung betreut mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und
Forschung das Weiterbildungsstipendium und das Aufstiegsstipendium. Wer
aus dem Beruf heraus ein Studium plant, ist beim Aufstiegsstipendium richtig. Der Schulabschluss spielt keine Rolle, was zählt sind die Leistungen in
Ausbildung und Berufspraxis. Die aktuelle Online-Bewerbung ist bis zum 29.
Juni möglich: www.aufstiegsstipendium.de.
TAW – Technische Akademie Wuppertal
Hubertusallee 18, Wuppertal, Tel. (0202) 74 95 234, www.taw-studium.de
Zukunftsweisende Studiengänge mit starkem Praxisbezug und intensiver Betreuung. Staatliche und staatlich anerkannte Bachelorabschlüsse. Einstieg
zu Beginn der Berufsausbildung, während der Berufsausbildung oder nach
der Berufsausbildung möglich.
Tripada – Akademie für Gesundheit und Yoga
Hofaue 63, Wuppertal, Tel. (0202) 97 98 540, www.tripada.de
Über 30 Kurse auf 460 qm Fläche. Tripada Yoga® Health Care, Tripada ®
Kinderyoga, Pilates, Autogenes Training, Qi Gong, Tai Chi, Rauchfrei, Wirbelsäulengymnastik, Stressbewältigung. Ausbildungslehrgänge zum Tripada ®
Yogalehrer, Kinderyogalehrer, Pilates-Trainer, Kursleiter für Autogenes Training und Progressive Muskelentspannung, Entspannungspädagoge, Lehrer
für Meditation und Pranayama.
VWA Wuppertal in der TAW
Hubertusallee 18, Wuppertal, Tel. (0202) 74 95 610, www.vwa-wuppertal.de
Studiengänge für Berufstätige mit und ohne Abitur, die parallel zur Berufstätigkeit ein betriebswirtschaftliches Studium absolvieren möchten und dabei
auf eine praxisnahe Weiterbildung Wert legen. Ausbildung zum Betriebswirt,
Marketing- und Vertriebsökonom, B.A. für Betriebswirte.
ZIB – Zentrum für Integration und Bildung
Goerdeler Str. 47, Solingen, Tel. (0212) 2 22 94 18 10, www.zib-online.net
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DAS GUTE LIEGT SO NAH.
Foto: Sebastian Jarych
www.studieren-mit-perspektive.de
29
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Bühne
BANDFABRIK
Sa 9.5. 20 Uhr
Brigitte Fulgraff: „Ich lass‘ mich
gehen … Kommen Sie mit?!“
Brigitte Fulgraff ist Kabarettistin und
Musikerin. Voller Energie steht sie auf
der Bühne und analysiert die Irrungen
und Wirrungen der heutigen Gesellschaft. Sie ist auf der Suche nach sich
selbst und nach Abenteuern, die sie in
den gemächlichen deutschen Landen
vergeblich sucht. Stattdessen sind es
Harmonietees und Yoga, chaotische
Handy-Verträge oder der Wahnsinn, der
späte Mütter einholt, die Fulgraff über
den Weg laufen. „Ich lass` mich gehen…
Kommen Sie mit?!“ präsentiert die Allrounderin ihr neuestes Programm, gespickt mit allen Arten von Songs, Texten
und Liedern, die sie mit der Geige anstimmt. Dass Klugheit und Wahnsinn oft
nah beieinander liegen, weiß Fulgraff
aufs Beste herauszustellen.
Info: 0202 69 85 19 33
DIE BÖRSE
Mi 13.5. 20 Uhr
Mark Sieczkarek: The Tower
Mark Sieczkarek ist ehemaliger Tina
Bausch-Tänzer. Seine aktuelle Performance trägt Trilogie-Charakter und befasst sich mit der Tarot-Karte „Turm“.
Begeistern konnte der Tänzer bereits
durch seine erste Performance in dieser
Reihe, die den Namen „The Fool – Der
Narr“ trug. Das für fünf Tänzer angelegte Stück „Der Turm“ sucht den schmalen
Grat zwischen Sicherheit und Geborgenheit, die ein Turm augenscheinlich
vermittelt, und der eigentlichen Illusion
eines konstruierten Weltbildes, das dem
Turm-Symbol zugrunde liegt. Vermeintliche Sicherheit wird dabei durch materielle Werte zerstört, doch aus Chaos und
Unsicherheit kann sich auch etwas Neues
und Besseres entwickeln. Mark Sieczkarek zeigt diese Entwicklung als visuelle
Tanzperformance auf.
Info: 0202 24 32 20
DIE BÖRSE
Fr 29.5. 20 Uhr
Rick Kavanian: Offroad
Fast ein jeder kennt Rick Kavanian, spätestens seit dem Zeitpunkt, als er mit
Michael „Bully“ Herbig zusammen drehte
und sich mühelos mit unterschiedlichsten Dialekten in die Herzen der Zuschauer spielte. Im „Schuh des Manitu“ trat er
auf, ebenso wie in Til Schweigers „Keinohrhasen“. Seit mehr als 20 Jahren steht
das Stimmwunder auf der Bühne. Mit
Münchner und amerikanischen Wurzeln
im Blut verwandelt Kavanian ohne Probleme die unterschiedlichsten Stimmen
für seine Zwecke. Dabei wechselt er stetig zwischen Soloprojekten und Filmauftritten hin und her und zeigt auch in
seinem aktuellen Programm, dass er von
seinem Metier etwas versteht. Für Lacher
ist garantiert gesorgt, wenn sich Kavanian der Nutzung von Scheibletten-Käse
und den Vorzügen diverser kulinarischer
Besonderheiten widmet.
Info: 0202 24 32 20
pany sehen konnte, die schon mehrfach
mit internationalen Koproduktionen im
Düsseldorfer tanzhaus zu sehen war und
das Festival eröffnen wird.
Info: 02331 207 32 18
WUPPERTALER INNENSTADT
So 3.5. 20.56 Uhr / So 10.5. 21.07 Uhr
So 17.5. 21.18 Uhr / So 24.5. 21.28 Uhr
4 Türme: Vom Fremdsein
BÜRGERBAHNHOF VOHWINKEL
Fr 8.5. 20 Uhr
Carlo Aonzo Trio
TALTONTHEATER
So 31.5. 18 Uhr
Chansontheater: Rosa geht weg
„Rosa geht weg“ ist ein Theaterstück mit
Musik und handelt vom Weglaufen und
davon, endlich wieder Leben in sich zu
spüren. Im Mittelpunkt steht Rosa, die
alle Vorbereitungen für die perfekte Reise getroffen hat. Doch erst, als sie auf
eine reichlich komische Pianistin trifft,
wagt es Rosi tatsächlich, ihre gewohnte
Umgebung zu verlassen. Auf ihrer Reise
macht sie allerlei Bekanntschaften und
mit jedem kleinen Abenteuer merkt Rosi,
dass sie endlich wieder Leben in sich
spürt. Ein Gastspiel, inszeniert von Silberzahn und Bubalo.
Info: 0211 27 40 00
THEATER HAGEN
So 31.5. bis So 7.6.
Farben des Tanzes
4 Türme, das bedeutet: die Menschen
fragen, die Türme antworten. Dazu gibt
es musikalische Untermalung. Im Mittelpunkt der Performance, die von den
Künstlern Olaf Reitz und Andy Dino Iussa
entwickelt wurde, stehen vier unterschiedliche Kirchtürme in Wuppertal. An
jedem Maisonntag können sich Interessierte an der Immanuelskirche (So 3.5.),
an der St. Antonius-Kirche (So 10.5.), an
der evangelischen CityKirche (So 17.5.)
und an der Kirche St. Mariä Empfängnis
(So 24.5.) einfinden, um dem Dialog zwischen Mensch und Kirchturm zu lauschen. Musikalische Untermalung gibt es
von Hayat Chaoui, Ute Völker, Mickey
Neher und Martin Zobel.
Info: www.viertuerme.de
Musik
BANDFABRIK
Sa 23.5. 20 Uhr
Bad Temper Joe
„Homezone“, DIN A 13 tanzcompany, Foto: ©
Meyer Originals
Für acht Tage steht im Juni das Theater
Hagen ganz im Zeichen eines deutschlandweit einmaligen Tanzfestivals. Die
„Farben des Tanzes“ präsentieren den
„mixed-abled Tanz“, der Menschen mit
Behinderungen die Möglichkeit gibt,
sich auf der Bühne zu verwirklichen. Das
Unerwartete eines anderen Körpers wird
zur ästhetischen Erfahrung, deren Ausdruck neue Qualitätsmaßstäbe setzt und
im krassen Kontrast zu den klassischen
Vorstellungen steht. In England hat dies
seit Jahrzehnten schon eine riesige Fangemeinde, fristet aber in Deutschland ein
Nischendasein. Ohne Grund, wie man
bereits an der Kölner DIN A 13 tanzcom-
Geheimtipp war. Seine Songs präsentiert
Bad Temper Joe mal leise hauchend, mal
ins Publikum schreiend, mit Gitarre und
Mundharmonika untermalt er seine Lieder, die zwischen der Liebe zur WiskeyFlasche und traurigen Love-Stories rangieren. So mürrisch er manchmal auf der
Bühne erscheint, so schnell ist dies vergessen, wenn Bad Temper Joe die ersten
Gitarrentöne anschlägt, denn dann hat er
sein Publikum musikalisch längst gefangen genommen.
Info: 0202 69 85 19 33
Carlo Aonzo ist Meister der Mandoline.
Schon seit frühester Kindheit war er von
Musik umgeben, lernte seine ersten Griffe auf der Mandoline von seinem Vater.
Mittlerweile ist er ein Weltstar, tourt
durch Europa, Asien und Amerika. Seine
Fans begeistert er mit italienischen Klassikern ebenso wie mit Jazz, Klassik oder
Bluegrass. Mal solo, mal mit Orchester
oder Kammermusikensemble – Carlo
Aonzo weiß in jeder musikalischen Hinsicht zu überzeugen.
Info: 0202 89 79 89 53
CAFÉ ISLAND
So 10.5./ So 31.5. 19 Uhr
Wenn der weiße Flieder
wieder blüht
Im Mai lässt es sich gleich zweimal swingen. Authentisch wie eh und je lassen
Anette Konrad und ihre Band die Herzen
der Fans höher schlagen. Mit Songs der
20er bis 40er Jahre bezaubert die Swing
Kabarett Revue alle Liebhaber nostalgischer Musik. Begleitet wird die Revue
dieses Mal von dem Gastmusiker Kirschbaum, der die Swing Soireé mit Trompete
und Banjo begleiten wird. Doch nicht nur
musikalisch sind die Mai-Auftritte ein
Genuss. Auch sprachlich lassen sich in
den ausgesuchten Swing-Songs einige
Anzüglichkeiten und Wortwitze finden,
die erst bei genauem Hinhören ihre Wirkung entfalten.
Info: 0202 870 48 15
LCB
Do 7.5. 20 Uhr
Kay Ray
Bad Temper Joe hat sich in der BluesSzene längst einen Namen gemacht –
nicht nur in seiner Heimat Bielefeld, sondern durchaus schon auf nationalem
Level. „Sometimes A Sinner“ ist Bad Temper Joes Debütalbum, nach dessen Veröffentlichung er schnell mehr als nur ein
30
auswahl
Vermutlich kann man Kay Ray nicht nur
mit einem Wort beschreiben. Er ist der
Edelpunk unter den Punks, der, der kein
Blatt vor den Mund nimmt, anecken will
und keine Rücksicht auf ‚political correctness‘ nimmt. Näher als der deutschen
Stand-Up-Comedy, steht Kay Ray dem
amerikanischen Entertainment. So sind
seine Bühnenshows meist ein Intermezzo
mit dem Publikum, vorgefertigte Textfragmente gibt es nur wenige. Schillernd-schrill und bunt kommt Kay Ray
daher, er will alles sein, nur nicht konform. Dabei gleicht er seine oftmals derben Späße gerne mit emotionalen Balladen aus und begeistert sein Publikum mit
einer einfühlsam-kräftigen Stimme.
Info: 0202 563 64 44
LCB
Fr 1.5. 20 Uhr
Staubkind
Foto: Hannes Caspar
Die Deutschrock-Band Staubkind kommt
aus Berlin und macht bereits seit 2004
Musik. Im vergangenen Jahr feierte die
Band ihr zehnjähriges Bühnenjubiläum,
zu dem sie nicht nur ihr bereits viertes
Studioalbum „Alles was ich bin“, sondern
auch eine sehr erfolgreiche Tournee, die
die Berliner Musiker quer durch Deutschland und sogar in die Serie „Gute Zeiten,
schlechte Zeiten“ führte. Jetzt geht die
erfolgreiche Tour weiter und Fans dürfen
sich auf kraftvoll-emotionale Songs mit
dazugehöriger Bühnenshow freuen.
Info: 0202 563 64 44
SKULPTURENPARK
Sa 9.5. 19 Uhr
Klangart 2015:
Edmar Castaneda Trio
Harfe, Posaune und Schlagzeug bringt
das Edmar Castaneda Trio mit nach Wuppertal. Diese für den Jazz ungewöhnliche
instrumentale Besetzung wird noch dadurch verstärkt, dass der Maestro de
Cuerdas sein Instrument derart bespielt,
dass es zu einer Mischung aus Perkussions-, Harmonie- und Melodieinstrument
wird. Das musikalische Trio begeistert
seine Fans mit einem bunten Mix aus kolumbianischer und venezolanischer Musik, angereichert durch Elemente des argentinischen Zamba und Jazz. Edmar
Castaneda machte sich bereits in
Deutschland einen Namen in der Jazzszene, als er bei Jazz Baltica, der jazzahead! und dem Jazzfestival Münster seine Auftritte hatte.
Info: 0228 25 98 75 82
Kunst
ZUSAMMENGESTELLT VON: THOMAS
HIRSCH, ANNA LENKEWITZ, PETER
ORTMANN
Veranstalter-Infos an:
[email protected]
engels bietet
Platz für freie
AutorInnen!
POST
AN DIE REDAKTION
HENGESBACH GALLERY
bis 22. Mai, Mo-Fr 13-18 Uhr
Anthony McDonald
MAN KANN NICHT ALLES
HABEN
betr.: Thema 0415
WOHNART
www.engels-kultur.de/thema
LUTHERSTIFT
Mi 27.5. 19.30 Uhr
Vocalissime
Anthony McDonald, Untitled, 2003, Acryl auf
Holz, 30 x 40 x 15 cm, © A. McDonald
Drei Sängerinnen haben sich unter dem
Namen Vocalissime zusammengefunden,
um miteinander die Leidenschaft für das
Singen zu teilen. Mit Songs aus Jazz, Folk
und Pop begeistern die aus Solingen
stammenden Künstlerinnen ihr Publikum.
Dabei geht es meist locker-beschwingt
zu, die gute Stimmung ist garantiert. Die
Jazzsängerin Ursula Becker ist es, die den
Musikerinnen das Textrepertoire liefert.
Mit ihrem neuen Programm lassen sie
bereits erste sommerliche Gefühle aufkommen. Musikalische Unterstützung
erhält das Trio durch Rudi Rhode am Saxophon und am Akkordeon, Bernhard
Klapdor am Kontrabass sowie Olaf Scherf
an der Gitarre.
Info: 0202 38 80
Die Ausstellung wird zur Zusammenkunft verschiedener Künstlertemperamente, noch mit den im Raum laufenden
Betrachtern als Akteuren. hobbypopMUSEUM, 1999 in Düsseldorf von sechs
Künstlern und Architekten, darunter
Sophie von Hellermann, Christian Jendreiko und Matthias Lahme, gegründet,
installiert die unterschiedlichen Werke
auf den Raum hin und stellt so Fragen
nach der Identität der Handschrift und
der künstlerischen Praxis des Produzierens und Ausstellens. Zum 5jährigen Bestehen des Neuen Kunstvereins.
Info: 0202 295 40 76
Seit 1996 stellt Rolf Hengesbach den 1955
in Liverpool geborenen, heute in London
lebenden Anthony McDonald in seiner Galerie aus. McDonald hinterfragt die Wahrnehmung von Malerei, was diese konstituiert und vertauscht dabei die faktischen
Elemente. Heraus kommen stille, unspektakuläre Gemälde, die tatsächlich raffiniert gemacht sind und bei denen kaum
etwas ist, wie es ist. Ein Beitrag zwischen
essentieller Malerei und Konzeptkunst.
Info: 0202 75 35 32
NEUER KUNSTVEREIN
bis 10. Mai, Mi-Fr 17-20, Sa, So 15-18 Uhr
hobbypopMUSEUM
Man mag es bemängeln, so viel man
will – wie so oft im Leben gilt: Man
kann nicht alles haben. Insgesamt
muss man sich schon entscheiden,
worüber man sich beschweren will,
über einen Bevölkerungsrückgang
oder über exorbitante Mieten. Die
Gleichung geht immer zu Gunsten
nur einer Seite auf, sprich, wenn eine
Stadt attraktiv ist, zieht sie Menschen an, der Wohnraum wird knapp
und die Mieten steigen. Insgesamt
aber kann eine kluge Stadtplanung
und interessante Investitionen langfristig dafür sorgen, eine Gemeinde
auf den richtigen Weg zu bringen.
Und ziehen die Menschen erst einmal her, dann sind die Mieten eigentlich das geringste Problem. So
viel Marktwirschaft muss sein!
IMPRESSUM
Herausgeber:
engels-kultur Verlag
Joachim Berndt, Büro Bochum
Dr.-C.-Otto-Str. 196, 44879 Bochum
Tel: 0234-94191-0, Fax: -91
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Chefredaktion: Maxi Braun (v.i.S.d.P.)
Red. Mitarbeit an dieser Ausgabe:
Lars Albat, Frank Brenner, Valeska von
Dolega, Jessica Düster, Marina Engler,
Hartmut Ernst, Sanje Gautam, Tom Jost,
Rolf-Ruediger Hamacher, Thomas Hirsch,
Klaus Keil, Kim Ludolf Koch, Anna Lenkewitz, Thomas Linden, Jules Lux, Karsten
Mark, Christian Meyer, Peter Ortmann,
Kerstin Maria Pöhler, Jan Schliecker, Florian Schmitz, Benjamin Seim, Olaf Weiden,
Ava Weis, Christian Werthschulte, HansChristoph Zimmermann, Andreas Zolper
Projektleitung: Birgit Michels
Grafik:
Amélie Kai, Dominik Empl
Anzeigenverwaltung:
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Abb.: hobbypopMUSEUM, Surreal Estate,
Ausstellungsansicht Bochum 2015, ©
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