Chronik von Planig „Die Neuzeit“

Chronik von Planig „Die Neuzeit“
von Engelbert Braig
aufzieht, so soll er nur zwei Pfennige vom Wert geben. Bei Lämmern
und Ferkeln soll eins von zehn abgeliefert werden, aber auf die Weise,
daß derjenige der sie gezogen hat, sie zuerst aussuchen darf und dann
erst der Zehntherr (St. Jakob) Soweit es Kohl (Kappes) oder Rüben
betrifft, soll auch hier der Erzeuger zuerst aussuchen dürfen. Insgesamt
sollen von jeglichen Zehnten, seien es Kälber, Lämmer, Ferkel, Gänse,
Kappes oder Rüben zwei Teile den Herrn von St. Jakob zustehen, der
Rest dem Pfarrer. Für die Viehzucht, sollen die Herrn von St. Jakob für
Stier, Widder, Eber oder Gänseriche sorgen. Auch so ist es von alters
her überbracht worden.
Wörtlich heißt es dann zum Schluß weiter: „Zu urkunde aller
abgeschribener punct und artikel haben wir obt und convent
abgemelt (wie oben erwähnt) unsere abty und convents yngesiegel
an dyssen brieff thun hencken, und ich Conradus Runen pherner
und myn yngesiegel unden an dyssen brieff gehencketh. „ Es
werden dann weitere Zeugen genannt, darunter für die Gemeinde
Planig, die kein Siegel führt, der Jungker Johan von Lebensteyn.
Sonst ist in diesem Sendweistum keinerlei Hinweis, daß die
Herren von Löwenstein irgendeinen Anteil an der Kirche oder
dem Zehnten, der der Kirche zu leisten war, gehabt haben, es
wird im Gegenteil sogar bezeugt,
daß alle in dem Sendweistum aufgeführten
Bestimmungen ohne Schaden
für Jungker Johan und seine Erben
getroffen worden seien. Alle Angelegenheiten
der Pfarrei und alle Rechte
fallen in die Zuständigkeit des
Benediktinerklosters St. Jakob.
Das Wappen des Abtes Franziskus aus einer
Handschrift des Klosters St. Jakob {Stadtarchiv
Mainz} Foto: E. Braig
Die Einführung der Reformation und das
Verhältnis der Konfessionen zueinander
Im Jahre 1567 führte Friedrich von Löwenstein in Planig die
Reformation ein, ohne daß wir etwas darüber erfahren, daß der Abt von
St. Jakob dies zu hindern suchte oder dazu überhaupt in der Lage war.
Auch von einer Unterstützung durch den damaligen Erzbischof-Kurfürst
von Mainz ist nichts bekannt. Es dürfte wohl eine Machtfrage gewesen
sein. Planig liegt an der Grenze zum ehemaligen sponheimischen
Kreuznach, das inzwischen kurpfälzisch geworden war und so dürften
auch die Interessenüberschneidungen zwischen Anhängern der alten
und der neuen Lehre unter den Fürsten mancherorts zur Zurückhaltung
gezwungen haben. Friedrich von Löwenstein starb 1587,
Christophorus von Löwenstein wurde im gleichen Jahr mit Planig
belehnt, ebenso Bernhard von Löwenstein, ein Sohn Friedrichs,
im Jahre 1592. Friedrich von Löwenstein erließ ein genaue Vorschrift für
die Durchführung und Einhaltung der Reformation und hat dabei in
umfassendem Maße obrigkeitlichen Zwang für kirchliche Zwecke
angedroht. Diese Ordnung ist im Original nicht erhalten, jedoch deren
Erneuerung, die Bernhard von Löwenstein im Jahre 1593 auf der
Grundlage derjenigen seines Vaters vorgenommen hat.25) Die Überschrift
lautet: „Policey oder Kirchenn-Ordtnung so Junckher Bernhart
Lewenstein zur Plan ich in anno 93 angestellet." Er führt darin auf, daß
allerlei sträfliche Laster eingerissen seien, was mit der christlichen Lehre
nicht in Einklang zu bringen sei und zur „Erweckung des billichen Zorns
und Straffe Gottes, zu Lesterung und Entheyligung seines hohen
göttlichen Nahmens, Anstoss und Ergernuß" diene. So mahnt er vor
allen Dingen zum Heil der Seele „sein gottlichsselig machend Wort
fleißig anzuhören, embsig zu besuchen, umb waren
Gelouben zu bitten, und unser zeitlich Leben darnach zu richten.
So ordne und will ich, daß furthin alle Sontag alt und junge Personen in
dieser Gemeinde, die es Leibs holten vermögen, fleislich und
unnachläßig zur Predigt göttliches Wortes in die Kirche gehen, auch
Kind und Gesinde ernstlich dazu angeholten werden sollen, und so man
die Kirch leutet, sollen sich jeder dazu schicken, das sie zum Anfang
darin seyen, und Alt und Jung die Gesenge der Psalmen und andere
gottselige geistliche Lieder und Kirchengesang lernen singen." Wer zu
spät kommt oder auch am Sonntagnachmittag die Katechismusstunde
versäumt, soll eine Geldstrafe zahlen Über den Gottesdienstbesuch ist
namentlich durch den Pfarrherrn oder durch den Gemeindevorsteher
Buch zu führen. Auch diejenigen, die während des Gottesdienstes vor
der Kirche stehenbleiben und schwätzen und andere dazu verführen und
von· der Predigt abhalten, sollen bestraft werden. „ltem die Hochzeiten
sollen überschwencklich nit gehalten werden und über acht Disch mit
allen Hochzeitsleuten und Gesinde .. auch nur zween tag und nit lenger
wehren". Er stellt auch „allerhand! heidnische Mißbrauch" fest,
,,Fressen und Saufen, wilches sich bisweilen biess in die Nacht
erstrecken thut, Fastnachten, Johansfeuwer, schendlichen Liedern, und
der jungen Gesellen und Mägdten Meyen stecken." Ja die Vorwürfe
werden noch schlimmer. Da ist die Rede von „straffliche Laster der
Fullerey, Unzucht, Balgerey, Hader, Kuplerey'' . All das vertrüge sich
nicht mit dem christlichen Gebot. Auch der Besuch von Wirtshäusern
soll eingeschränkt werden. Kein Einheimischer soll im Sommer nach
8 Uhr oder im Winter nach 7 Uhr noch im Wirtshaus sein. Auch das
soll überwacht und beim Pfarrherrn oder dem Dorfvorsteher angezeigt
werden. Er kommt sogar auf Wahrsager, Zauberer und
Teufelsbeschwörer zu sprechen. Trotz dieser strengen Anordnungen,
von denen ich hier nur eine Auswahl vorgestellt habe, scheint die
Polizeiordnung kein durchschlagender Erfolg gewesen zu sein, denn
l609 erließ er eine neue Ordnung: „Demnach wir erfahren,
maßgestalten etliche meiner Untertanen der Schwelgerei so gar sich
ergeben, daß sie auch fast täglich in Wirthshäusern im Sauß sitzen,
Weib und Kindern daß liebe Brott gleichsahmb vor dem Mund sodann
Aecker und Weingarten versauffen, und dadurch dieselbe inß äußerst
Verderben und an den Bettelstab setzen, wobei sie auch allerhand!
Leichtfertige Üppigkeiten veruben, den höchsten Gott zum höchsten
und greuligsten lästern undt schmähen, daß eß auch nicht
Wunderwehre, der liebe Gott manchen gottlosen Lästerer seine Zung
im Rachen dorren liese." Ganz so schlimm dürfte es kaum gewesen
sein. Schon ein Beobachter aus dem 19 Jahrhundert bemerkt hierzu:
„Wir glauben uns einen Begriff von den Leuten machen zu können, für
die solche Gesetze bestimmt waren. Wir sehen eine lebenslustige, zu
Luxus und zu Vergnügungen geneigte Bevölkerung, die rasch fertig mit
dem Wort ist und laut und bis zur Maßlosigkeit im Reden und Genießen
leicht fortgerissen, aber es treten doch viele Laster und Vergehen
zurück, welche man in einer derartigen Verordnung suchen könnte26).
Aber auch noch im Jahre 1733 hat der Verfasser der alten katholischen
Pfarrchronik Pater Gebhart nach fast 20 Jahren in Planig über seine
Pfarrkinder gestöhnt, sie seien bibuli (Säufer), fornicarii (Hurer),
incontinentes (Unmäßige) und scandalosi (Streithähne27).
Auch nicht gerade schmeichelhaft!
Das Schlußwort zur neuen Lehre war jedoch noch längst nicht
gesprochen. Es scheinen sich aber nicht alle Bewohner von Planig dafür
erwärmt zu haben, und das barg Zündstoffe für fast 200 Jahre Dazu
kamen dann Streitigkeiten zwischen den Planigern und den
Löwensteinern, in die auch der Abt von
St. Jakobsberg eingriff. Die Reformationsstreitigkeiten begannen
erst jetzt. Als Friedrich von Löwenstein 1567 die Reformation in
Planig einführte, log der Augsburger Religionsfriede (1555), der die
Lutheraner mit den Katholiken als gleichberechtigt anerkannte, gerade
l2 Jahre zurück. Darin war festgelegt worden, daß jede Obrigkeit das
Recht erhalten sollte, die Glaubens- und Kirchenordnungen
einzurichten, also nach der bekannten Formel „Cuius regio, eius re
ligio", was frei ins Deutsche übersetzt heißt: „Wem das Gebiet gehört,
der bestimmt auch den Glauben." Die Rechtslage war hier in Planig
nicht ganz eindeutig, zwar waren die Löwensteiner die gerichtliche
Obrigkeit, aber sie hatten diese Gerichtsherrschaft zu Lehen von dem
Benediktinerkloster St. Jakob und den Domherrn von Mainz, und
Kloster und Domstift waren nach wie vor die Grundherrn.
Erst für 1631 können wir feststellen, daß mit Unterstützung des
Kurfürsten von Mainz, ja sogar auf seinen Befehl versucht wurde,
wieder die katholische Konfession einzuführen. Es ist ein
entsprechender Erlaß des Kurfürsten an den Domdekan darüber
erhalten. Der Abt von St. Jakob räumte dem evangelischen Pfarrer
Michael Hünerfenger ein, noch zwei Monate im Pfarrhause wohnen zu
dürfen, dafür müsse er sich aber verpflichten, auf seine Stelle zu
verzichten, sich des Predigens entha-lten und der Kirche fernbleiben.
Der Abt stellte ihm dafür die Pfarrei Geinsheim am Main in Aussicht.
Nun richteten die Planiger eine Petition, eine Bittschrift, an den Abt
und baten ihn, auf seinen Plan zuverzichten , denn es würde der
Gemeinde schwer fallen, „die solange gehabte evangelisch-
augsburgische Confession zu verlassen und anjetzo die römischkatholische Religion anzunehmen". Die Bittschrift fährt fort, die
Gemeinde bitte „um gnädige Belassung derev. Religion, darbey wir
sambt unseren Weib und Kindern bis dahero auferzogen."28) Offenbar
hat man keine Zwangsmaßnahmen eingesetzt, denn auf Dauer blieben
die Protestanten im Besitz der Kirche, jedoch forderten jetzt die wieder
zahlreicher gewordenen Katholiken, daß ihnen der Zugang zur Kirche
erlaubt sein solle, nachdem sie 90Jahre lang aus ihr ausgeschlossen
waren. Schließlich wurde mit den Lutheranern eine Vereinbarung
getroffen, daß die Katholiken an Sonn- und Feiertagen am Marienaltar
Gottesdienst halten dürften, der zunächst von dem Kreuznacher
Franziskanerpater Christophorus Beck zelebriert wurde. Das Dorf war
nach dem 30jährigen Krieg auf l2 bis l3 bewohnte Häuser
zusammengeschrumpft und so wird erwähnt, daß in 4 Häusern
Katholiken wohnten, in 8 oder 9 Lutheraner. Im Jahre 1675 kam es
dann wegen der Benutzung des Hochaltars durch die Katholiken zu
einem Streit, in dem die Lutheraner die Katholiken am Fest der
Heiligen Drei Könige kurzerhand hinauswarfen und ihnen jeden
weiteren Zutritt zur Kirche verwehrten. Sie waren nun gezwungen, mit
Pater Elias Bingel, ihrem Pfarrer und Verwalter der klösterlichen Güter
von St. Jakob, bis 1685 die Kirche in dem auf der anderen Seite der
Nahe gelegenen Bretzenheim zu besuchen. In diesem Jahre wurde
nämlich mit Hilfe von 9 französischen Soldaten und einem Offizier, die
von der französisch besetzten Burg Moschellandsberg bei Obermoschel
kamen, der Zugang zur Kirche ermöglicht. Widerstand leistende
Protestanten wurde kurzerhand festgenommen und in der Burg
Landsberg in Arrest gesetzt. Die Chroniken beider Pfarrgemeinden
berichten, daß in diesem Jahr auch das Simultaneum, d.h. der
gemeinsame und gleichberechtigte Besitz der Kirche zwischen
Lutheranern und Katholiken, vertraglich festgelegt worden sei. Im Jahre
1710 wurde der Benediktinerpater Benedictus Gebhart, von dem schon
einmal die Rede war und der seine Stelle als Theologieprofessor an der
alten Universität Mainz aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben
hatte, auf seinen Wunsch Pfarrer in Planig. Er legte eine ausführliche
Chronik von Planig an und zählte bei seinem Dienstantritt 235
Katholiken, das war etwa die Hälfte der Planiger Bevölkerung.
Seit 1691 waren die Lutheraner verpflichtet, die katholischen Feiertage
zu achten - wie in beiden der oben erwähnten Chroniken vermerkt ist.
Daraus entstand im Jahre 1712 zwischen Katholiken und Lutheranern
ein großer Streit, als der - lutherische Pfarrer Rodrian am Karfreitag alle
Kirchenglocken läuten ließ, was die Katholiken ihrerseits als Störung
der Karfreitagsruhe und als Frevel empfanden. Es muß zu tumultartigen
Szenen mit Gewaltanwendung gekommen sein, bei denen, wie Pater
Gebhart berichtet, sogar einer der Katholiken, Wilhelm Dickerscheid,
getötet wurde, die übrigen aber in Lebensgefahr geraten seien. (,,in qua
persecutione unus Catholicorum meorum occisus fuit, Wilhelm
Dickerscheid, caeteri in vitae periculo fuerunt")29). Natürlich liest sich
das bei der Gegenseite ganz anders. „Endlich haben die Katholischen
Anno 1712 die Evangelischen unter einem nichtigen Vorwand mit mehr
als 60 bewaffneten Leuten in der Kirch überfallen, den Pfarrer, den
Schulmeister und alle darin befindliche Manns-Personen von 15 bis
70Jahren gefangen genommen, die Häuser geblündert, das Vieh
weggetrieben und die Gefangenen auf Creuznach geschleppt. "3o)
Pfarrer Rodrian scheint durch die pfälzischen Behörden von Kreuznach
recht rüde behandelt worden zu sein, er verlor sein Amt, wurde
verschiedentlich arrestiert- unter anderem 7 Wochen in der pfälzischen
Stadt Alzey - und schließlich zur Zahlung einer beträchtlichen Summe
verurteilt.
Der neu eingesetzte Pfarrer Johannes Engel konnte jedoch zunächst bei
den meisten Mitgliedern der evangelischen Kirchengemeinde keinen
Anklang finden. In der evangelischen Pfarrchronik wird Rodrian als der
rechtmäßige Pfarrer bezeichnet, während Johannes Engel stets als
Student tituliert wird, der der Gemeinde aufgedrungen worden sei. Die
Gemeinde war gespalten in „Rodrianer" und „Engelsleut". Bis 1714
konnte Engel sich allmählich durchsetzen, und er blieb hier bis
zuseinem Tode 1726.29) Pater Gebhart, der ja dazumal der katholische
Pfarrer war, nannte ihn seinen guten Freund und erwähnt, daß er an
seinem Totenbett gestanden habe 31). Trotz allem scheinen die
konfessionellen Verhältnisse immer noch gespannt gewesen zu sein,
denn 1717 erwähnt Gebhart, daß ihn Lutheraner bei einer Flurprozess
ion aus einem Kornfeld mit Steinen beworfen und dann die Flucht
ergriffen hätten 32). Die Pfarrchroniken beider Konfessionen sind voll
von Klagen über die Ungerechtigkeiten der anderen. Besonders um den
Besitz des Pfarrgutes und den Unterhalt der Kirche gab es immer
wieder Streit. Erst im Jahre 1827 kam es zu einem Vertrag zwischen
der Zivilgemeinde und den beiden Kirchengemeinden, der den
Unterhalt des Kirchengebäudes regelte. Aber auch in den folgenden
Jahren meinte immer wieder jede Seite, sie trage eigentlich zu viel zur
gemeinsamen Kirche bei. Bis zum Jahre 1843 hatte sich dann das
Zahlenverhältnis weiterhin zugunsten der Katholiken verschoben, von
983 Seelen waren 522 Katholiken, 370 Evangelische und 91 Personen
jüdischen Glaubens, aber es wird dabei geltend gemacht, daß etwa
Zweidrittel des Steuerkapitals der Zivilgemeinde von den
evangelischen Bürgern aufgebracht werde und nur ein Drittel von den
Katholiken. Die Besitzverhältnisse unter den Einwohnern haben sich
also nicht verändert. Im Jahre l897 wurden Pläne für den Bau einer
katholischen Kirche vorbereitet und nach längeren Verhandlungen
am 4. März 1898 vereinbart, daß am 18. November mit der Übergabe
der Kirche an die evangelische Pfarrgemeinde das Simultanverhältnis
gelöst werden sollte. Mit der Weihe der neuen katholischen Kirche im
Jahre 1900 war dann der gemeinsame, oft spannungsreiche Weg der
beiden Konfessionen zu Ende.
Von den Löwensteinern bis zum Ende des alten Reiches
Bernt von Löwenstein hatte sich in seiner Polizeiordnung streng und für
das Seelenheil der Planiger besorgt gezeigt, aber er stürzte sie in eine
große Schuldenlast. Die Gemeinde hatte für ihn eine Bürgschaft von
l3000 Gulden übernommen, die fällig wurde, weil er trotz mehrfacher
Versprechen seine Schulden nicht beglich oder nicht begleichen konnte.
Für ihn mußten nun die Planiger zahlen, die sich „zur Erledigung einer
sehr hochbeschwerlichen Bürgschaft" an Kaiser Matthias wandten:
„Die Schuldenlast ist zum Verderben vieler hundert armen dürftigen
Personen". Erst nach drei Jahren traf das Reichskammergericht
am 24. Juli 1612 die Entscheidung, daß Bernt von Löwenstein die
Schuld bezahlen müsse, widrigenfalls er mit erheblichen Geldstrafen zu
rechnen habe. Befolgt wurde die Entscheidung nicht. Als er im Jahre
1625 auf Burg Randeck starb, hinterließ er nach Aussage der Planiger
Chronik „viele Schulden und 7 Nachkommen." Drei Söhne stritten sich
um Planig. Georg Friedrich erhielt es schließlich 1627. Er übernahm
damit auch die hohe Schuldenlast des Vaters, schuf aber keine
Änderung, obwohl er bei der Übernahme des Lehens verbrochen hatte,
„den orth Blenich binnen Jahresfrist von seines Vaters gemachten
Schulden" zu befreien. Er war zu arm, um sein Versprechen zu halten.
Der Abt verweigerte deshalb nach seinem Tode dem Erben Johann
Wolfgang v. Löwenstein die Belehnung.
Doch konnte dieser in den Gerichtssiegel von Planig 1629
Wirren des dreißigjährigen Krieges alle Einkünfte einziehen. 1642 bat
er aber den Abt flehentlich mit dem Hinweis auf seine Bedürftigkeit,
ihm doch Planig zu überlassen, was der Abt jedoch ablehnte. Er befahl
den Planigern sogar, dem Junker von Löwenstein jeden Dienst und jede
Abgabe wegen der vielen Schulden, die er auf den Ort und die
Untertanen gehäuft hatte, zu verweigern. Schließlich verzichtete Johann
Wolfgang von Löwenstein, der letzte seines Stammes, im Jahre 1654
gegen eine Abfindungssumme von 300 Reichstalern, nachdem er noch
einmal vergeblich um die Belehnung nachgesucht hatte. Nach dem
Vermerk der katholischen Pfarrchronik starb er ein Jahre später: „Hat
keinen männlichen Erben, wohl aber 7 Fräule in hinterlassen; ein reiche
Erbschaft an Kindern und größte Armuth an Gütern "33) In der
Pfarrkirche St. Valentin von Oberndorf (Donnersbergkreis) hat sich
sein Grabmal bis heute erhalten. Er wurde dort mit seiner Gemahlin
Agnes bestattet 34).
Damit waren die Schulden aber noch nicht von den Planigern
genommen, Not, Ärger und Verdruß blieben ihnen auch unter den
nächsten Vasallen des Klosters treu. Die Last, die aus der Bürgschaft
des Bern! von Löwenstein geblieben war, schleppte sich noch
Jahrzehnte weiter. Der neue Vasall Graf Philipp Erwin von Schönborn,
ein Bruder des Mainzer Kurfürsten Johann Philipp, streckte die Summe
nur vor und zahlte dem durch den 30-jährigen Krieg verarmten Kloster
St. Jakob 3500 Reichstaler, die dieses darauf verwandte, Schulden zu
bezahlen und schadhafte Gebäude zu reparieren, wie der Pater Gebhart
in seiner Pfarrchronik vermerkt. Die Planiger aber mußten sich nun
gegenüber dem Schönborner verpflichten, die alte Schuld der
Löwensteiner nach und nach abzutragen35). Doch Rückschläge
erschwerten dies erheblich. Als die Bevölkerungs-und
Vermögensverluste des gerade l8 Jahre zurückliegenden großen
Krieges noch nicht einmal im Ansatz ausgeglichen waren , wirkte sich
die Pest im Jahre 1666 besonders verheerend aus. Allein in diesem
Jahr starben in Planig 136 Personen, nur 120 blieben am Leben.
In Bingen soll es sogar 2000, in Kreuznach 1800 Pest tote gegeben
haben. In Planig hatte man die Seuche zuerst an Ostern bemerkt. Sie
setzte sich im Verlauf des Sommers fort und erreichte ihren höchsten
Stand zu Zeit der Weinlese. Am Fest des HI. Michael wurden allein 7
an der Pest Verstorbene begraben. Pater Gebhart, der 1710 gekommen
war, hatte noch mit vielen Menschen gesprochen, die an der Seuche
erkrankt waren, aber überlebt hatten 36).
Im Jahre 1668 folgte auf Graf von Schönborn sein ältester Sohn
Melchior Friedrich - einer seiner jüngeren Söhne war der spätere
Mainzer Kurfürst Lothar Franz. In den letzten Jahren hatten die
Planiger 5.000 Gulden aufgebracht und präsentierten nun dem Grafen
die restlichen in einer Gegenrechnung, weil er unberechtigte
Frondienste verlangt hätte. Der Graf erkannte diese Regelung nicht an,
verlor aber nach sieben Jahren den Prozeß. Nach den Angaben der
Chronik, die auf Pater Gebhart zurückgehen, hatte die Gemeinde in
ihrer Gegenrechnung l0.000 Gulden wegen exzessiver Fronden und
Abgaben geltend gemacht. Die Planiger behaupteten, die Leute seien zu
vielen und harten Arbeiten gezwungen worden, so daß viele ihrer
Felder unbestellt geblieben seien und Menschen und Zugtiere Schaden
gelitten hätten. 35) So war der Schönborner nun endgültig des Lehens
überdrüssig geworden und verkaufte es mit Zustimmung des Abtes an
den Grafen von Vehlen. Diesen hatte der Abt von St. Jakob schon 1653
dem Kurfürsten vorgeschlagen, da sich derselbe wegen seines Besitzes
in Bretzenheim und in Winzenheim in der Nähe Planigs dazu eigne.30)
Aber Kurfürst Johann Philipp von Mainz hatte damals seinen Bruder
dafür vorgesehen.
Im Jahre 1677 wurde dann schließlich Graf Ferdinand Gottfried von
Vehlen als Vasall in. Planig investiert. Auch diese Familie kann nicht
sehr viel Freude an ihrem Lehen gehabt haben. Es waren kriegerische
Zeiten, die Not und Verwüstung brachten. Noch immer waren nicht alle
Schulden aus der Bürgschaft für Bernt von Löwenstein beglichen. Es
waren l00 Jahre her, daß das Reichskammergericht die Entscheidung
getroffen hatte, daß der Löwensteiner die Bürgschaft auszulösen habe.
Jetzt wurde auf Antrag von Gläubigern aus Mainz von dem
kurpfälzischen Richter in Kreuznach 1722 die Entscheidung gefällt, daß
mit Hilfe von Soldaten alles Vieh aus Planig weggetrieben und verkauft
werden solle. Als die Mannschaft aus Kreuznach anrückte, trieben die
Bauern ihr Vieh in den Klosterhof, in den Pfarrhof und auf den
Kirchhof „als freien Ort". Während die Bauern auf diese Weise die
Ausführung des Gerichts-beschlusses hinausschoben, verfocht Pater
Gebhart die Sache der Gemeinde in Gemeinschaft mit deren Vertretern
vor dem Richter der zweiten Instanz in Kreuznach, und es gelang ihm
einen Aufschub zu erreichen37). Die Sache sollte jetzt in Heidelberg
zur Überprüfung vorgelegt werden. 1725 wird noch einmal
eine Klage wegen der alten Löwensteinischen Schulden erhoben,
dann scheint die Sache allmählich ausgestanden zu sein, denn sie
verschwindet aus den Quellen.
Zwischen den Grafen von Vehlen und dem Kloster St. Jakob kam es zu
Streitigkeiten, Prozesse wurden geführt, die erst durch den Verzicht
Ottos von Vehlen im Jahre 1728 endeten. Von dieser Zeit an übte das
Kloster die Herrschaft über Planig selbst aus. Am 26.April 1728 kann
der gerade neu gewählte Abt Vitus Seidel die Huldigung seiner
Untertanen entgegennehmen. Die Planiger begrüßten ihn mit
Böllerschüssen und standen Spalier.
Am Ortseingang empfing Pater Gebhart, der katholische Pfarrer
und Verwalter der klösterlichen Güter, den Abt. Aber 1731 hat
das Kloster schon wieder einen neuen Abt,
der bereits 1734 stirbt. Erst am 18. April
1736 nimmt dann der neue Abt Franziskus,
unter dem die eingangs erwähnten neuen
Klosterhofgebäude errichtet worden sind, die
Huldigung
entgegen 38). Pater Gebhart, unser Chron ist,
stirbt am 18. Februar 1738 und wurde in der
Kirche am Hochaltar beigesetzt.
Das Wappen des Abtes Franziskus aus einer
Handschrift des Klosters St. Jakob
(StadtarchivMainz) Foto: E. Braig
Der Besuch des Abtes Anselmus Fabis in Planig
Ausführlich ist uns der Besuch des Abtes Anselmus Fabis vom 24.
April bis 6. M ai 1768 mit all seinen Feierlickeiten in zwei Ouellen
ausführlich überliefert. Der damalige katholische Pfarrer von Planig ,
der Benediktinerpater Ildephonsus Brendel, gibt in der Pfarrchronik
einen Bericht, der an Vollständigkeit nichts zu wünschen übrig läßt.
Dasselbe Ereignis veranlaßte den Lehrer und damaligen Gerichtsschreiber Johann Georg Schäffer, in dem „Blanicher Ambtsgerichtsbuch"
eine „Acta wegen der 1768 unterm 25ten April! geschehenen
Huldigung" anzufertigen. Abt Anselmus war schon im Jahre 1756
gewählt worden Aber in diesem Jahr war zwischen Preußen und
Österreich der Siebenjährige Krieg ausgebrochen, in den nach und nach
fast alle deutschen Fürsten verwickelt wurden Nach Mitteilung der
Chronik mußte der Abt deshalb seinen Besuch so lange verschieben39)
Als der festliche Tag gekommen war, wurde der Abt von Sprendlingen
her mit seinem Gefolge erwartet. Ein Planiger Bürger namens Fritz
Seidel war ihm entgegengeritten, um ihm den Weg zu zeigen. Die
einzelnen Stationen der Reise werde genau angegeben. Die Chronik'
schreibt: „Reverendissimus (Ehrwürden) haben von Maynz den weeg
über Sauerschwabenheim genohmen, allda zu mittag gespeiset, und
nachgehends durch Sprendlingen bei Gönzingen vorbei nacher
lppesheim hierher gefahren. " Das Gerichtsbuch aber vermerkt:
„ ... von Sprendlingen aber seyndt lhro Hochwürden Gnaden wiederum
ab und neben Welgesheim vorbei und zu lppesheim ankommen…“
In Planig erwarteten schon an der Gemarkungsgrenze Schultheiß und
Gericht den hohen Gast, der mit acht Begleitern in zwei vierspännigen
Chaisen anlangte. Die Chronik gibt genau an, wer in den einzelnen
Chaisen saß. Das Gefolge bestand meist aus Patres des Klosters
darunter einem Theologieprofessor der alten Mainzer Universität,
Pater Dr. Heinrich Sulzer, ferner dem kurma inzischen Oberschultheiß
Baumann als kaiserlichem Notar und dem Planiger Amtmann
Schweickardt. Der letztere stellte sich bei der Ankunft an die Spitze der
Gemeindeabordnung und hieß den Abt willkommen
Anschließendsprach der Schultheiß Philipp Dickerscheidt und ludden
Abt mit seinem Gefolge ein, an den weißgedeckten Tischen, die auf den
Wiesen neben der Straße aufgestellt waren, Platz zu nehmen und sich
zu stärken. Als Willkommensgeschenk überreichten sie einen
riesengroßen Kuchen und 8 Maß weißen und roten Wein. Die 34
Jungmänner des Dorfes präsentieren ihre Gewehre und schossen
dreimal Salve. Im Dorf wurden darauf sechs Böller abgeschossen und
sämtliche Glocken geläutet. Hungrig und durstig von der langen Reise
setzten sich die Gäste an die bereitstehenden Tische. Bei jedem Prosit
feuerten die Jungmänner ihre Gewehre ab. Als der Abt die Fahrt zum
Dorf fortsetzte, wurde er von Jungmännern begleitet, die in zwei
Abteilungen die Chaise flankierten. Doch bald gab es ein Hindernis.
Die Kutschen hatten den sogenannten Schanzenbaum an der
Wahrlosgewann erreicht und wurden nun von dreißig Planiger
Jungfrauen aufgehalten. Einem alten Brauche entsprechend hatten sie
ein schwarzseidenes Band über den Weg gespannt, um die
Ankommenden aufzuhalten. Man hieltan und ließ sich einen gold- und
silbergeschmückten Strauß überreichen und durch einige poetische
Vers lein überraschen. Die Jungfer Maria Elisabeth Silbenroth sprach
für alle andern:
"Es lebe lhro Hochwürden
unser gnädigster herr.
Vivat Anselmus . Zu dieser Zeit
seyndt wir Planiger Jungfern bereit,
Sie mit dieser geringen gaab zu ehren,
alß unseren gnädigsten landßherren.
Vivat, vivat Anse/muß solle seyn
ein herr über Planig ganz allein."
Die Herren des Gefolges wurden mit Rosmarin und Bändern sowie
Je einer Zitrone beschenkt. Auch die Diener und Kutscher erhielten
Rosmarin, aber keine Zitronen. Freundlich bedankte sich der Abt, und
der Zug fuhr weiter dem Dorfe zu. Vor dem Ortseingang hatten sich die
Männer und die Schulkinder mit ihren beiden Lehrern aufgestellt. Die
Kinder riefen beständig: „Es lebe lhro Hochwürden Gnaden, unser
gnädigster Herr. Vivat Anselmus! " Den Männern und Kindern
schlossen sich die Frauen und die Bewohner der umliegenden
Ortschaften an, die herbeigeeilt waren, das Schauspiel zu sehen. Am
Ortseingang stand der evangelische Pfarrer Georg Metz „mit seinem
gewöhnlichen Kirchenrock", um den Landesherrn für die evangelische
Gemeinde zu begrüßen. Das Ziel der Mainzer Gäste war die
klösterliche Kellerei, Sitz der Vermögensverwaltung im Dorf, die
zugleich katholisches Pfarrhaus war Dort empfing sie der katholische
Pfarrer, Pater lldephonsus Brendel, und geleitete sie in das Haus.
Die ganze Gemeinde war dem Zuggefolgt und hatte sich vor der
Kellerei versammelt. Unter den Huldigungsrufen der Bevölkerung trat
der Abt ans Fenster und warf Geld unter die Schuljugend. Die
bewaffneten Burschen schlossen einen Kreis um sie, um die
ortsfremden Kinder fernzuhalten. Die Chronik bemerkt, es seien
ungefähr sechs oder acht Gulden in Kreuzer- oder
Sechserkreuzerstücken dabei verteilt worden.
Am anderen Morgen wurde in der Frühe vor dem Kirchhof auf dem
„Hübel" eine mit grünem Tuch belegte Bretterbühne aufgebaut und mit
einem Blauen Sessel für den Abt sowie elf Stühlen für sein Gefolge und
die Zeugen versehen. An diesem Morgen sollte der eigentlich Zweck
des Besuches erledigt werden: die gegenseitigen Treueversprechen
sollten Untertanen und Landesherren aneinander binden Der Abt sollte
die Herrschaft, die er schon 12 Jahre tatsächlich ausübte, nun auch
formell empfangen. Um 8 Uhr riefen die Glocken die Gemeinde
zusammen, die sich nun um den Ehrensitz versammelte und den Abt
erwartete. Bald erschien dieser, von den schon genannten Herrn
begleitet. Um die juristische Seite der Angelegenheit zu unterstreichen,
waren der ,,kurfürstlich-maynzische" Hofrat von Faber und der
„hochfürstlich baaden baadische" Amtmann Klihr von Sprendlingen als
Zeugen bestellt worden. Nach Verlesung des Huldigungseides durch
den Gerichtsschreiber, den Lehrer Johann Georg Schäffer, trat der
Schultheiß vor den Abt und bat ihn, in Recht und Gerechtigkeit über
das Dorf zu herrschen.
Darauf erhob sich der Angeredete von seinem Sitz und, indem er dem
Schultheiß die Hand reichte, versprach er, dies solle geschehen. Die
Mitglieder des Gerichts traten nun samt dem Gerichtsschreiber vor
ihren Herrn, gaben ihm die Hand und sprachen den Untertaneneid. Die
ganze Gemeinde folgte ihnen und versprach ebenfalls die Treue.
Bei der anschließenden kirchlichen Feier zelebrierte der Pfarrer das
Hochamt mit sakramentalem Segen. Während das Te Deum laudamus"
gesungen wurde, schossen die Jungmänner vor der Kirche ihre
Musketen ab, und von der Kellerei her tönten die Schüsse der Böller.
Unter dem „ohnbeschreiblichen Jubel des sambtlichen orths und
anwesenden frembden von allen herumliegenden orthschaften" zog
Ehrwürden Anselmus in die klösterlichherrschaftliche Kellerei. Der
Schultheiß und die Gerichtsmänner begaben sich sogleich dahin und
gratulierten ihm zu der empfangenen Huldigun. Nacheinander kamen
nun die einzelnen Stände und überbrachten ihre Glückwünsche und
Geschenke
Die jungen Mädchen überreichten nach Wiederholung der Verse vom
Vortage einen kostbaren Konfektkorb. Als Gegengeschenk erhielten sie
6 Konventionsgulden. Nun brachten der Schultheiß und das Gericht in
Begleitung der Dorfmusikanten als Geschenke der Gemeinde wie am
Vortage einen großen Kuchen und dazu ein schönes, mit Bändern
geziertes Kalb. Sie erhielten als Gegengeschenk 600 Wecken und 2
Ohm (ca.320 L) Wein. An dritter Stelle erschienen 34 Jungmänner, die
dem Abt ein schneeweißes Kalb verehrten. Auch sie ehrten ihn mit
Versen. Philipp Höblich trat aus dem Glied, präsentierte das Gewehr
und sprach:
„ Wir iunge Männer und Junggesellen all
deren unser 34 ahn der Zahl
alß lhro Hochwürden gnaden sehen
und wie sie hier versammelt stehen
verehren hochdenselben hier,
ein kalb, welches hie bringen wir
und biten gar untertänig,
Sie wollen dieses wenig
ahnnehmen ganz gnädig
so sind wir froh und fröhlich.
Es lebe lhro Hochwürden Gnaden
unser gnädigster Herr,
Vivat Anselmus!"
Mit dem „Vivat" schossen sie zugleich ihre Gewehre ab. Mit einer
Gegengabe von fünf Gulden und einem Ohm (ca. 160 L) Wein wurden
sie gnädig entlassen. Nun folgten die Jungen, von den Musikanten
begleitet, mit einem mit Bänden gezierten Osterlämmchen, wobei der
Sohn des Schultheißen, Hannes Dickerscheidt, folgende Verse sprach:
„Hier kommen die planiger iunge Knab gegangen
und wollen unsern gnädigen Herrn empfangen
mit einem jungen Schäflein,
weil wir noch junge Knaben seyndt,
dieses wollen wir unserem gnädigen Herrn verehren
und wollen uns als junge unterthanen praesentieren."
Sie erhielten einen Konventionstaler zu 2 Gulden und 24 Kreuzer. Den
Schluß der Gratulanten bildete die Planiger Judenschaft, die nun in
Begleitung der Binger Juden musikanten erschien. Der Anführer der
Binger Musikanten hielt „eine lange geschickte teutsche anred", und
der Vorsteher der Planiger Juden namens Meyer überreichte, während
die Kapelle musizierte, auf einer Schüssel einen silbernen Becher, der
mit Konfekt umlegt war. Als Gegengabe erhielten sie einen
Konventionstaler ebenfallszu 2 Gulden und 24 Kreuzern
Inzwischen war es Zeit geworden, zu Tisch zu gehen. Vom
kurpfälzischen Oberamt Kreuznach kam jetzt eine Abordnung an die zu
dem Festessen eingeladen war. Bei der Huldigung war von dort - wie
bei allen früheren Huldigungen – niemand zugegen. Während des
Essens mochten die Musikanten der Gemeinde und die Judenmusikanten „tafelmusic" Auch hierfür erteilte der Abt Geschenke. Die
ersteren erhielten einen Gulden, die Juden aber, weil sie schöner
musiziert hatten, einen Konventions taler. Auch die junge Mannschaft
war zugegen und schoß bei jedem Prosit aus ihren Musketen, dazu
ließen sich auch die Böller hören. Am Nachmittag versammelten sich
wieder die Jungen und Mädchen und viele Erwachsene, um ihren
Herrn durch Vivatrufe zu ehren. Viel leicht war auch etwas
Berechnung dabei, denn die anwesenden Gäste warfen Geld unter sie.
Die Chronik versäumt es nicht die Zahl von ungefähr 50 Gulden
anzugeben.
Der Nachmittag des dritten Tages war der Gratulation der
verheirateten Frauen vorbehalten, denn diese erschienen gegen
drei Uhr mit den Planiger Musikanten und überreichten bei der
Gratulation einen Strauß und zwei Schüsseln mit Konfekt und
Zuckerhüten. Das ganze Dorf hatte sich wieder versammelt, als die
Frauen einen Konventionstoler und ein halbes Ohm Wein als
Gegengeschenkentgegen nahmen und nun im Kellereihof einen Tanz
veranstalteten, zu dem ihnen die Dorfmusikanten aufspielten. Auch
jetzt warfen die Gäste zur „unbeschreiblichen freud und jubel der
ganzen gemeindt" Geld zum Fenster hinaus. Der Festlichkeiten wollte
kein Ende nehmen, denn am folgenden Tage erschien die junge
Mannschaft schon um 5 Uhr morgens auf dem sogenannten
Bremserplatz, wo di e Maibäume standen. Hier sprangen und tanzten
sie und tranken auf ihres Herrn Gesundheit. Damit endete die
Feierlichkeit; denn in der von Pater Gebhart begonnenen Chronik, auf
die ich mich schon so oft berief, steht Sic finit laetitia. So endete die
Freude). Acht Tage blieb der hohe Gast noch in Plonig. Am 6. Mai
machten sich die Mainzer Gäste endlich zu r Abfahrt bereit. Wieder
paradierten die Jungmänner und schossen aus ihren Musketen. Das
Dorf hatte sich versammelt und gab dem Landesherrn bis an den
Ortsausgang das Geleite. Vor der Abfahrt hatte er wegen der
empfangenen Huldigung und zum Gedächtnis an diese Tage zwei Ohm
Wein und an jeden Planiger einen Kreuzerweck verteilen lassen. Jeder
Junggeselle und jede Jungfrau aber erhielten deren zwei, erstere weil
sie so eifrig Salve geschossen, letztere, weil ihr Strauß das besondere
Wohlwollen des Herrn Abtes erregthatte. Zum Schluß sei noch
einmal der gewissenhafte Chronist angeführt, der erwähnt, es seien 600
Wecken ausgeteilt und für die Kinder noch einmal 300 nachgeholt
worden. Glauben wir ihm, denn als Verwalter der klösterlichen Güter in
Planig mußte er ja schließlich die Zeche bezahlen, und nicht umsonst
wird Planig als der beste Keller des Abtes bezeichnet.
Kriegsnöte im 17. und l 8. Jhdt.
Nicht nur die Schulden last, auch der Dreißigjährige Krieg 116181648), der Pfälzische Erbfolgekrieg 11688- 1697), der Spanische
Erbfolgekrieg 11701 -1714) und der Sieben jährige Krieg 11756-1763)
hoben die Bevölkerung immer wieder in Unglück und Verderben
gestürzt. Noch dem Dreißigjährigen Krieg gab es hier nur noch l2
Häuser. Der Pfälzer Erbfolgekrieg, der durch die Ansprüche des
französischen Königs Ludwigs XIV. auf Teile des Erbes der
ausgestorbenen pfälzischen Wittelsbacher Linie ausgelöst wurde,
brachte gleich zu Beginn Not und Verwüstung. Noch im Jahr des
Kriegsausbruchs 1688 wurden die Kurpfalz und Nachbargebiete von
französischen Truppen besetzt. Pater Gebhart erzählt, daß die
Kautzenburg in Kreuznach gesprengt worden sei und alle Bewohner an
ihren Häusern das oberste Stockwerk hätten abbrechen müssen. 5000
französsiche Soldaten seien durch Planig marschiert. In den Jahren von
1690 bis 1696 wurden Jahr für Jahr die Felder verwüstet. Für 1691
heißt es: „Die Franzosen lagern bei Planig, fouragieren und mähen die
Früchte ab." Für das folgende Jahr können wir dann lesen: „Wie die
Ernte vor der Thüre war, mäheten die Franzosen in Planig sie ab." Die
Bevölkerung ist so verarmt, daß viele im französischen Militärlager
betteln gehen, um überhaupt überleben zu können Im Jahre 1696 glich
die Kirche eher einer Spelunke als einem Gotteshaus Stühle, Fenster
fehlten, die Tür war ohne Schloß und nur mit einem Querbalken
versehen. „Hi sunt fructus bellli = dies sind die Früchte des
Krieges" 40).
Kaum ist Friede geschlossen, kommt es vier Jahre später
durch den Spanischen Erbfolgekrieg, der zwischen Habsburgern und
Bourbonen um den Besitz der spanischen Krone geführt wird erneut zu
einem großen Krieg. England und die Niederlande sind dabei auf Seiten
Habsburgs. Pater Gebhart schreibt in seiner Chronik am Anfang seines
Jahreseintrages zum Jahr 1700: „Pax, sed in fine anni bellum oritur =
Friede, aber am Ende des Jahres entsteht wieder ein Krieg"41). Von nun
an gibt erbei jeden Jahr an, ob Krieg oder Frieden war. Wie viele Jahre
aber tragen den Vermerk: „bell um" (Krieg), es sind 14 lange
Kriegsjahre gewesen. Freund und Feind forderten Kontributionen,
vor allem Lebensmittel lieferungen. 1705 schlagen in der Gemarkung
6000 Soldaten der kaiserlichen und verbündeten deutschen Truppen für
mehrere Tage ein großes Feldlager auf. Wegen der ihnen auferlegten
Kriegslasten müssen die Planiger 1000 Reichstaler als Kredit
aufnehmen. Das Jahr 1715 kann Pater Gebhart - er ist 1710 hier Pfarrer
geworden - in seiner Chronik endlich mit einer erfreulichen Bemerkung
eröffnen: „1715, primus annus pacis =das erste Friedensjahr"42). Waren
das die guten alten Zeiten? Es wurde geplündert und geraubt, und die
Rechtsunsicherheit war jahrhundertelang groß. Der mittelalterliche
Dichter Walther von der Vogelweide war mit seinem Spruch: „gewalt
fährt auf der straze" wieder bestätigt worden.
Lange behielt St. Jakob die Herrschaftsrechte über Planig nicht. Am
6.April 1791 verkaufte der Abt Cölestin Isachi die Hoheitsrechte seines
Klosters für 24000 Gulden an den Fürsten Carl August von
Bretzenheim, nachdem der Mainzer Kurfürst seine Genehmigung erteilt
hatte. Der neue Landesherr war ein illegitimer Sprößling von Karl
Theodor, dem letzten Kurfürsten von der Pfalz, der seinem Sohn beim
Kaiser den Fürstentitel und als Territorium die Dörfer Bretzenheim,
Winzenheim, lppesheim und dann auch Planig gekauft hatte. Der
Grundbesitz des Klosters wurde durch den Verkauf nicht berührt, es
ging nur um die Herrschaft. Der Abt konnte Planig weiterhin als seinen
besten Keller bezeichnen. Doch bald machte die französische
Revolution der Kleinstaaterei ein Ende. Das Fürstentum Bretzenheim
wurde aufgelöst, als das linke Rheinufer im Frieden von Basel 1795
durch die Zustimmung Preußens bzw. im Friede von Campo Formio
1797 durch die Zustimmung Österreichs an Frankreich kam, die Abtei
St. Jakob fiel 1803 der Säkularisation zum Opfer, der Fürst von
Bretzenheim wurde mit Lindau am Bodensee entschädigt und regierte
dort bis 1805.
Die Zugehörigkeit zu Frankreich
Mit der Übernahme des linken Rheinufers schuf die französische
Regierung eine neue territoriale Einteilung. Planig wurde dem Kanton
Wöllstein im neu geschaffenen Departement Donnnersberg
(Mont Tonnerre) zugeteilt, dessen Grenzen ungefähr denjenigen des
heutigen rheinlandpfälzischen Regierungsbezirks Rheinhessen-Pfalz
entsprachen. Die Übernahme durch Frankreich brachte natürlich auch
eine erhebliche Veränderung in den Besitzverhältnissen. Alle Zehnten
erhielt die Zivilgemeinde. Die Klostergüter wurden vom französischen
Staat versteigert und viel Grundbesitz ist durch Bewohner von Planig
aufgekauft worden43).
Als Napoleon Bonaparte sich l804 „durch die Hilfe Gottes und den
Willen der Franzosen" zum Kaiser machte, lasteten seine vielen Kriege
natürlich auch auf der Gemeinde Planig Die Evangelische Pfarrchronik
bemerkt hierzu: „Viele ihrer Söhne fanden ihr Grab auf den über ganz
Europa verbreiteten Schlachtfeldern, während ihre Eltern mit Einquartierungen und schweren Kriegs lasten bedrückt wurden Wenige von den
Soldaten kehrte n in das Vaterhaus zurück"44) Sie starben mit den
vielen, vielen Zigtausenden der Großen Armee in Rußland. Noch 1861
lebte einer der Veteranen.
Das 19. und 20 . Jahrhundert
Auf Grund der Beschlüsse des Wiener Kongresses (l 814·15) wurde
aus verschiedenen, überwiegend ehe maligen kurmainzer und
kurpfälzischen Territorien Rheinhessen gebildet und am l2Juli 1816
vom Großherzogtum Hessen in Besitz genommen, während das linke
Naheufer und auch Kreuznach zum Königreich Preußen kamen.
Dessen Schicksale hat Planig an der Peripherie des Landes bis in unser
Jahr hundert geteilt. Im Jahre 1832 wurde im Großherzogtum Hessen
eine neue Landkreisordnung erlassen, bei der Rheinhessen in die vier
Kreise Mainz, Bingen, Alzey und Worms eingeteilt wurde, und
Planig zum Kreis Bingen kam. Zum Revolutionsjahr 1848 sei hier
noch eine Bemerkung der evangelisch en Pfarrchronik aufgeführt „Als
im Jahr l848 das deutsche Volk in schnöder Nacheffung des
französischen Volks auch seine Revolution machen wollte, wobei sich
je doch die Gemeinde Planig sehr ruhig benahm und zu den
Revolutionszuzügen auch nicht einen Mann stellte, während fast in
allen Gemeinden der Schwindel nach Freiheit und Gleichheit groß war,
so gab die in vielen Stücken schwach gewordene Regierung die vom
Volkswillen verlangte Aufhebung der Kreise nach und theilte die
Provinz in die Regierungsbezirke Mainz und Worms. Planig wurde zu
Worms getheilt. Als die erhitzten Gemüter allmählig ruhiger geworden
und die Schreier und Verführer des Volks wieder in den Hintergrund
gebracht worden waren, wurde die Einteilung in Kreise im Jahre 1852
wieder angeordnet und zwar in fünf Kreise: Mainz, Oppenheim,
Worms, Alzei und Bingen. Dießmal kam Planig zum Kreis Alzeiy" 45)
und blieb es bis 1936, als der Land kreis Oppenheim wieder
abgeschafft, und Bingen erneut die zuständige Kreisstadt wurde. Die
kommunale Zugehörigkeit blieb erhalten b i s zum umfassenden
Verwaltungsreformgesetz von 1969 Nicht ganz freiwillig und auch
nicht ohne Ausschöpfung verwaltungsrechtlicher Mittel wurde Planig
am 7.6.1969 Stadtteil von Bad Kreuznach
In einem Buch über Rheinhessen, das im ersten Jahrzehnt unseres
Jahrhunderts erschien, finden sich u.a. folgende Angaben, Kreis Alzey
Planig, 1200 Einwohner, 490 ev., 697 kath., 13 isr.", im NahelandKalender von 1972 finden wir die Angaben: „Einwohnerzahl: Am
1.3.1971. 2050, davon über 21 Jahren: 1440, ... Einwohnerzahl wächst
stark"
Wünsche und Fragen für die Zukunft der Planiger Geschichte
Hier möchte ich unseren Gong durch die Planiger Geschichte
beenden „Was ich bieten konnte, war nur ein Überblick, warnur ein
kleiner Ausschnitt. Mancher Leser wird deshalb das eine
oder andere vermissen. Eine Auswahl muß notwendig subjektiv
bleiben. Ich habe aus dem bekannten Stoff ausgewählt, was mir
wichtig erschien und deshalb an manchen Stellen ausführlicher
berichtet, weil in früheren Darstellungen darüber nichts oder nur
wenig gesagt wurde Trotzdem müßten bei der großen Stoffülle,
die vorliegt, auch bei einer ausführlichen Darstellung manche
Fragen offen bleiben." Als ich dies vor etwa einem Jahr für das
hundertjährige Jubiläum der Planiger Feuerwehr schrieb, dabei
auf einen alten Beitrag aus dem Jahre 1962 für des Jubiläum der
Turn- und Sportgemeinde Planig zurückgriff und es bei geringfügigen
Änderungen beließ war mir eine völlige Neubearbeitung
aus Zeitgründen nicht möglich. Ich glaubte auch, es sei nur
lohnend, wenn man weiteres Quellenmaterial, vor allem
ungedrucktes aus Archiven erschließen und aufarbeiten könne
Deshalb stimmte ich innerlich auch nur recht zögernd zu, als vor
einem dreiviertel Jahr der Wunsch an mich herangetragen
wurde, einen völlig neuen Beitrag für das Festbuch zum
neunhundertjährigen Jubiläum zu verfassen Das Ergebnis ist rein
quantitativ mehr als das Doppelte, ich hoffe jedoch, daß der
Unterschied auch ein qualitativer ist. Mit der erneuten Beschäftigung
der gedruckten Quellen, einer neuen Analyse, glaube ich
auch zu neuen Erkenntnissen gekommen zu sein. Daß sie
vielleicht an manchen Stellen noch mehr den Charakter einer
theoretischen Überlegung und Schlußfolgerung als einem bewiesenen
historischen Faktum gleichen, daß der Boden dabei
noch nicht immer ganz tragfähig erscheint, habe ich an den
entsprechenden Stellen auch ausgesprochen. Aber es schien mir
nötig, es zu wagen.
Es ist in der Geschichtsforschung eine immer wieder auftretende
Tatsache, daß neue Fragestellungen auch neue Antworten
ergeben, vor allen Dingen dann, wenn man schon bisher
untersuchte Quellen mit neuen Quellen und neuen Fragestellungen
kombiniert und sie in Beziehung setzt zu bereits vorhandenen
Forschungsergebnissen. Ich selbst habe jedenfalls in dem Augenblick,
in dem ich diesen Beitrag abschließe, noch viele Fragen an die Planiger
Geschichte, die mir jetzt erneut aus der intensiven Beschäftigung damit
in den letzten Wochen erwachsen sind Deshalb ist es mir mit diesem
Beitrag nicht nur wichtig, historische Informationen für dieses Jubiläum
geliefert zu haben, sondern es ist mir ein genauso wichtiges Anliegen
darauf hinzuweisen, daß diese Darstellung auch nur einen vorläufigen
Charakter hat. Ich hoffe aber, Wege aufgezeigt zu haben, wo
man ansetzen muß, um die vielen Lücken zu füllen, die es zu allen
Jahrhunderten und allen Bereichen, sei es in der Rechts- und
Verfassungs- oder Besitzgeschichte, sei es in der Bevölkerungsund
Sozialgeschichte, noch gibt. Ich möchte im kommenden
Jahrzehnt gern einen Beitrag dazu leisten, möchte aber heute
keineswegs behaupten, daß mir die Zeit bleibt, allen Fragen
nachzugehen, die sich mir eröffnet haben, oder sie gar beantworten
zu können.
So fehlt vor allem für eine genauere Kenntnis der Rechtsverhältnisse
eine Deutung der Weistümer im Zusammenhang mit
urkundlichen Vereinbarungen und Prozessen. Für die Dorfverfassung
wäre eine Untersuchung des Ortsgerichtes im späten
Mittelalter und der Neuzeit bis ins 18. Jahrhundert erforderlich.
Die Quellen sind dazu durchaus auskunftsfreudig. Untersuchungen
über die Verwaltung der Besitzungen des Klosters St.Jakob,
des Domstiftes und die Wahrnehmung der Vogteirechte durch
die Vasallen, vor allem der Löwensteiner und späterer, wären
wünschenswert. Es wäre auch interessant, die Familiennamen
des Ortes, die seit langer Zeit überliefert sind, und die Rolle, die
sie in Gemeinde und in beiden Kirchengemeinden gespielt
haben, zu erforschen. Über die Höfe, die adliger Besitz
gewesen sind, außer über die bereits genannten des Klosters
St. Jakob und des Domstiftes, über den Löwensteiner, über den
Dalberger Hof o der den Sponheimer Hof, ist noch nicht im
Zusammenhang gearbeitet worden. Kurzum es gäbe noch sehr
viel zu tun! Ich kann auch hier nur noch einmal betone n, ich selbst
habe jedenfalls noch eine Menge Fragen an die Planiger Geschichte.
Sollte jemand das Wagnis auf sich nehmen wollen, empfehle ich für
künftige Erforscher der Planiger Geschichte, nicht nur als nützlich,
sondern als dringend erforderlich neben gutem Willen und Idealismus,
auch über gute Kenntnisse der allgemeinen Landesgeschichte solche
der mittelalterlichen und neuzeitlichen Rechts- und Sozialgeschichte
miteingeschlossen, zu verfügen. Zur Analyse der Quellen gehören aber
auch gute Lateinkenntnisse, nicht nur des klassischen Latein, wie man
es im Gymnasium lernt, sondern darüber hinaus Verständnis des
mittelalterlichen Urkundenlateins und die Kenntnis der älteren
deutschen Rechtssprache des 13.,14., 15 . und 16. Jahrhunderts.
Nicht zu vergessen ist auch die Fähigkeit, alte Handschriften
im wahrsten Sinne des Wortes lesen zu können, vor allem die
seit dem 15. Jahrhundert gebrauchten Schriftarten. Der allgemeine
historisch-wissenschaftliche Wert der Geschichte eines Dorfes liegt in
seiner Funktion als Mosaikstein. Sowie man bei der Erforschung einer
Ortsgeschichte de n größeren Geographisch historischen Rahmen nicht
vergessen darf, weil sonst eine einseitige, enge Betrachtung entsteht, so
sind wissenschaftlich fundierte Darstellungen der Geschichte einzelner
Dörfer als Bausteine zur Zusammenschau eines größeren
Zusammenhanges unendlich wichtig. Alois Gerlich schreibt in seinem
Aufsatz „ Historische Strukturelemente und Strukturwandlungen
des Nahemündungsgebietes im frühen und hohen Mittelalter", in dem
er die Urkunde, die Kaiser Otto II. auf dem Reichstag in Verona 983 für
Erzbischof Willigis von Mainz ausgestellt hat, in
Verbindung mi t zwei anderen Quellen neu deutet in bezug auf
das ganze Mittelrheingebiet: „Eine Darstellung dieser verwickelten
Abläufe, ... erfordert ein gesondertes Eingehen auf beinahe
jede Ortschaft dieses an Geschichte und Schicksalen so reichen
Gebietes."46)
Anmerkungen:
I) Mainzer Urkundenbuch Bd. 1 (bearbeitet van Manfred Stimming)
Darmstadt 1972 Nr.383, S.285
2) So hat vor allem das Reichskloster Lorsch in der Nähe von Darmstadt,
das auch vom karolingischen Königshaus reich begabt wurde, ein
sehr sorgfältiges Besitzbuch geführt und dabei die frühen Schenkungen
sorgfältig regis triert.
3) Schnellenkamp S.78
41 Schnellenkamp S.80
5) Schnellenkamp S.81
6) Zu Boppard - das mir zu einer zweiten Heimat geworden ist, sei mir an
dieser Stelle anzumerken erlaubt, daß nirgendwo in Europa die Festungsbauweise
dieser Zeit noch heute an mehreren Türmen und zahlreichen
Mauerzügen so gut zu besichtigen ist.
7) Keßler S l
8) Eugen Ewig, Die Merowinger und das Frankenreich.
Stuttgart 1988, S. 21 ff.
9) Keßler S l 2
l 0) Gerlich,Alois: Historische Strukturelemente( J S. 54 (Vgl. Literaturverzeichnis.)
1 1) Mainzer Urkundenbuch Bd. 1 Nr.226, S. l 38 f. Vgl. auch Manumenta
Germaniae Diplomata 011. Nr.306, dort weitere Literatur.
12) CWill: Die Verteidigung der Stadt Bingen in Kriegszeiten . In: Ouartalblätter
des historischen Vereins für Hessen Jg. 1880, S.30-35, Textabdruck S.31 ff .
13) Mainzer Urkundenbuch Bd. 1 Nr.437, S.344f. Vgl. dort weitere Literatur.
Auch diese Urkunde ist nicht im Original erhalten, sondern nur in einem
Kopialbuch des Mainzer Erzstiftes.
14) Kaufmann, Henning: Rheinhessische Ortsnamen München 1976,
Planig S. 178
15) Die Mark ist eine Gewichtseinheit, die seit dem 11 .Jahrhundert das Pfund als
Edelmetall- und Münzgewicht verdrängte. Das Verhältnis zum Pfund war
ursprünglich l2. Es entwickelten sich im Gewicht regional sehr stark
differierende Münzgewichte heraus. Im Westen Deutschlands wurde die
Kölner Mark mit 233,85 g führend und dürfte auch hier zugrunde liegen.
Der Denar = Pfennig, ei ne Silbermünze, ist die führende Münze im Millelalter,
die regional sehr unterschiedlich in Größe und Gewicht ausgeprägt wu rde.
Deshalb hat man in Edelmetall geprägte Münze n ganz einfachgewogen, um
auf diesem Wege wenigstens eine Verrechnungseinheit zu haben. Auch hier
ist der Kölner Pfennig führend, weil daraus konstant 160 auf eine Mark Silber
geschlagen wurden, wöhrend man woanders schon über 200 g eschlagen
hat.
16) Sie saßen auf Burg Rondeck im Alsenztal saßen und wohl aus der gleichen
gesellschaftlichen Schicht kommen wie die Riller von Planig .
17) Ei n Weistum ist eine Aussage über geltendes Gewohnheitsrecht. Di e Ursprünge
solcher Weistümer gehen oft bis ins hohe Millelalter zurück, sind
also in der Regel schon mehrere hundert Jahre alt und wurden dann aus dem
Gedächtnis von den ältesten rechtskundigen Männern des Dorfes vorgetragen.
Sie schaffen kein Recht, sondern sie „weisen", zeigen es auf, wie es
zwischen Grund herr bzw. Gerichtsherr und Bauern seit langem besteht .
Darin werden u.a . bestimmte Verpflichtungen der Bauern wie Abgaben,
Verpflegung des Gerichtsherrn bei dessen Anwesenheit samt seinem Gefolge
und der Gespanne, aber auch Abgaben im Erbfalle festgelegt. Bei mehreren
Grundherrn werden die an teiligen Pflichten sowohl der Bauern als auch der
Grundherrn untereinander aufgezeigt.
18) Jacob Grimm, Weistümer, Bd.I , 1840, S. 8 10-8 12 . Neudruck
Darmstadt 1957
19) "hunre und haber" = Hühn er und Futterhafer sind typische Abgaben an den
Vogt als d e n Gerichtsherrn.
20) Beim Tode ein es Hörigen durfte der Grundherr das beste Stück aus dem Erbe
des Betreffenden für sich fordern, meist war es das beste Stück Vieh oder das
beste Gewand. Daher die Bezeichnung Besthaupt, in im einzelnen festgelegten
Fällen auch als „Sterbeochse", „Todgans" oder „Bestgewand", „ Bestkleid"
oder „Gewandfall" bezeichnet.
2 1) Wörner, Ernst in : Archiv für Hessische Geschichte Bd. 14 , S.6 38
22) Sendgericht ist ursprünglich eine Art Visitation der Bischöfe , das über Zucht
und Sille in den Bistümern wachte, spöter wurde es von den Bischöfen an ihre
Dompröpsle und an die Archidiakone , die für mehrere Dekanate zuständig
waren, delegiert. Der Sendherr und sein Gefolge mußten verpflegt werden,
im späten Millelalter wurden dann auch Abgaben fällig. Wie beim weltlichen
Gericht wurden die Verpflichtungen jeweils in einem Send -Weistum mündlich
ausgewiesen und auch schriftlich festgehalten, wie es bei gewohnheitsrechtlichen
Bestimmungen üblich war.
2 3) Wörner ebenda Bd. 14, S. 64 l f.
2 4) Jacob Grimm, Weistümer, Bd. I V, 1863, S. 6 10-614 . Neudruck
Darmstadt 1957
25) Abschrift bei Wörner ebenda Bd.1 4, S. 645-653
26) Wörner ebenda Bd . 14, S.654 Anm. l
27) Wörner ebenda Bd . 15, S.373
28) Zitiert von Wörner aus Akten, sich im Staatsarchiv Darmstadt befinden. In:
Archiv für Hessische Geschichte Bd.15, S 1 14 f. (Vgl. Literaturverzeichnis!)
29) Wörner, Ernst ebenda Bd. 15, S.368
30) Evangelische Pfarrchronik (Manuskript) S.3
31) Wörner, Ernst ebenda Bd. 15, S.371
32) Wörner, Ernst ebenda Bd. 15, S.369
33 ) Wörner, Ernst ebenda Bd. 15, 1 16 ff .
34 ) Dehio, Georg: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler
Rheinland-Pfalz 1972, S.662
35) Wörner, Ernst ebenda Bd . 15, S. 11 9
36) Wörner, Ernst ebenda Bd. 15, S. 120
37) Wörner, Ernst ebenda Bd. 15, S. 370
38) Wörner, Ernst ebenda Bd.1 5, S.372-275
39) Braig, Engelbert: Begrüßung und Huldigung. (Vgl. Literaturverzeichnis.)
40) Wörner, Ernst ebenda Bd . 15, S.363
41) Wörner, Ernst ebenda Bd.15, S.364-369
42) Wörner, Ernst ebenda Bd. 15, S. 369
43) Evangelische Pfarrchronik (Manuskript) S.5
44) Evangelische Pfarrchronik (Manuskript) S.7 f.
45) Evangelische Pfarrchronik (Manuskript) S.9
46) Gerlich, Alois Historische Struktur elemente S. 59 (Vg l. Literaturverzeichnis)
Gerlich, Alois: Historische Strukturelemente und Strukturwandlungen des
Nahemündungsgebietes im frühen
und im hohen Mittelalter . ln: 1000 Jahre Bingerland zum 14. Juni 983, S.44 - 64 ( S.
59 ff. Anm.Apparat).Bingen 1953
Kaufmann, Henning: Rheinhessische Ortsnamen München 1976, Planig S.177· 18 l
Keßle r, P.T.: /\l\erowingisches Fürstengrab von Planig in Rheinhessen . Mainzer
Zeitschrift Jg. 35,1940[5.l-121
Engelbert Braig Verfassender Chronik
Zur Person des Verfassers unseres geschichtlichen Beitrages
Engelbert Braig wurde am 19. Februar 1934 in Planig
geboren, besuchte hier die Volksschule von 1940 bis1948, danach die
Privatschule des damaligen Bischöflichen Konviktes in Mainz, seit1951
das Stefan-George-Gymnasium in Bingen,
wo er 1954 die Reifeprüfung ablegte.
Von 1954 bis 1959 studierte er an der Johannes-Gutenberg-Universität
in Mainz Germanistik,
Engelbert Braig
Geschichte und Philosophie. Seit 1975 ist er als Oberstudienrat
am Staatlichen Kant-Gymnasium in Boppard als Fachlehrer für
Deutsch, Geschichte und Sozialkunde tätig . Er ist verheiratet und
hat zwei Söhne.
Johann Merkelbach - Lehrer in Planig
von 1920 bis 1962
Verdienste von Herrn Lehrer Merkelbach in gewiesen.
Um wieviel mehr ist gerade bei solchen Jubiläen Anlass eines
Mannes zu gedenken, der für die Planiger Vorgeschichte
durch sein stets waches Interesse, seine unermüdlichen Beobachtungen
so viel getan hat. Unser Wissen um diese Zeit, von der ich oben nur
einen ganz schwachen Eindruck vermitteln konnte, wäre sicher Johann Merkelbach
wesentlich ärmer, wenn er nicht dafür gesorgt hätte, daß Funde
rechtzeitig sichergestellt wurden, so daß die Ergebnisse in den
verschiedenen Museen wissenschaftlich ausgewertet werden
konnten. In der Zusammenfassung von Schnellenkamp (vgl.
Literaturverzeichnis), der einzigen , die es über die Planiger
Vorgeschichte gibt, taucht sein Name häufig auf, und es sind
immer wieder Fundstücke von großem Erkenntniswert, die wir nur
seiner Aufmerksamkeit verdanken Das alles ist Grund genug,
ihn bei diesem Anlass nicht zu vergessen.