Informationsbulletin der Grünen Partei der Schweiz Nr. 2 | Mai 2010 Agrotreibstoff im Tank stillt den Hunger nicht Im Jahr der Biodiversität S.9 Das Volk bestrafen? NEIN zum Abbau der Arbeitslosenversicherung S.14-16 2 Inserate Inserieren Sie im greenfo! Endlich ist es soweit: Kurz vor Pfingsten, am 20. Mai 2010, eröffnen wir das Hotel-Restaurant Rhätia in St. Antönien. Hier hat es Platz für Ihr Inserat. Besuchen Sie uns, geniessen Sie den Bergfrühling, eine eindrückliche Landschaft und die Gastfreundschaft in einem charaktervollen Haus. Schreiben Sie an [email protected] oder wählen Sie 031 312 66 60. Regula Strobel, Hubert Zurkinden www.hotel-rhaetia.ch Freiheit. Gleichheit. Würde. Für mich und dich. Gesamtschweizerische Demo gegen Rassismus und gegen Ausgrenzung Bern, Samstag 26. Juni 2010, 14.30h WWW.SOSF.CH UNTERSTÜTZT VON (Stand 26.04.2010) Amnesty International Schweiz, Anlaufstelle für Sans-Papiers Basel, augenauf Bern, augenauf Zürich, Bleiberecht , C.E.D.R.I, Centre Europe Tiers-Monde CETIM, Collectif de soutien aux sans-papiers de Genève, Comedia, Coordination Asile Migration Vaud CAMIV, Coordination genevoise contre l›exclusion et la xénophobie (Stopexclusion), DIDF, Europäisches BürgerInnen Forum , FEEL Forum des étrangeres et étrangers de Lausanne, FIZ Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration, Forum für die Integration der Migrantinnen und Migranten (FIMM), Frauen für den Frieden Schweiz, Freundeskreis Cornelius Koch, Friedensdorf, Gewerkschaftsbund Baselland, grundrechte.ch, Grüne – Les Verts Schweiz, Humanrights.ch, IFIR (Föderation Irakischer Flüchtlinge), IGA – Interprofessionelle Gewerkschaft der ArbeiterInnen Basel, IGIF, Informationsstelle für Ausländerinnen- und Ausländerfragen isa, Junge Alternative JA!, junge grüne schweiz, JUSO Schweiz, l›autre syndicat La Côte, NCBI Schweiz, OeME - Kommission der Evang. -ref. Gesamtkirchgemeinde Bern, Pro Integra, Religiös Sozialistische Vereinigung der Deutschschweiz, SIT - Syndicat interprofessionnel de travailleuses et travailleurs, Solidaritätsnetz Ostschweiz, Solidaritätsnetz Sans-Papiers Bern, SolidaritéS Vaud, SOLIFONDS, SOS Asile Vaud, SP Schweiz, SP Stadt Zürich, TERRE DES Sin Senza sans Ohne bez nas FEMMES Schweiz, UNIA, Union der ArbeiterInnen ohne nosotros bizsiz noi nous ne uns non funziona geht geregelten Aufenthalt, Verein Berner Beratungsstelle für no funciona Sans-Papiers, Verein für die Rechte illegalisierter Kinder, ne va plus ne ide VPOD – SSP. Mehr Details: WWW.OHNEUNS.CH nada ništa rien pa nichts niente s‘bën olmaz greenfo 2 | 2010 Inhalt Editorial & Grüne Post.................................4 Nachrichten aus den Kantonen..................5 Petition gegen Agrotreibstoffe: Ein Argauer kämpft für sein Dorf und für Mosambik...................6 -8 Impressum greenfo – Informationsbulletin der Grünen Partei der Schweiz Waisenhausplatz 21 3011 Bern Tel. 031 312 66 60 Fax 031 312 66 62 www.gruene.ch [email protected] PC 80-26747-3 Datum: Mai 2010 Erscheint 4 Mal pro Jahr Auflage: 6100 Exemplare Redaktion: Corinne Dobler Design-Konzept: id-k.com Layout und Bildredaktion: Bénédicte Savary Druck: typoART, Worb Bilder/Illustrationen: D. Temps (Cover), I. Schauwecker (4) C. Dobler (7, 17, 20-21) Creative Common (8, 11, 13, 22, 23) Pro Natura (9) SES (12) Initiative Cleantech (12) photocase.de (15-16) greenfo 2 | 2010 Biodiversität: Wir sind auf die Vielfat der Arten angewiesen..................................................9 Problem Atommülllagerung: keine Lösung in Sicht............................. 10-11 100’000 neue Arbeitsplätze für die Schweiz........................................... 12 Fall UBS: Es braucht neue Regulierungen................................... 13 Arbeitslosenversicherung: das Referendum ist die richtige Antwort.................................. 14 Eine Revision auf Kosten der Jungen..............................................15-16 Frauen-Demo: Her mit dem schönen Leben ..................... 17 Lehre statt Strasse für die jungen Sans-papiers ...................... 18 Lese- und Filmtipps ................................... 19 Porträt: Debora Buess.......................... 20-21 Menschenrechte: es gibt noch viel zu tun .............................22 Klimaschutz beschäftigt die Europäischen Grünen .........................23 Schenken Sie ein greenfo-Abo!.........................................24 4 Editorial Grüne Post Sehr geehrte Damen und Herren Liebe Grüne Eyjafjallajökull sei Dank: Der isländische Vulkan hat uns eindrücklich gezeigt, dass die Natur doch stärker ist als der Mensch. Dass der Planet Erde macht, was er will, und reagiert, wie er will. Dass er uns überdauern wird. Und dass die Welt doch nicht so klein ist, dass wir einfach immer hin- und herjetten können. Dass Städte, die scheinbar nebenan liegen, plötzlich unerreichbar geworden sind, zumindest wenn wir uns an unsere prall gefüllten Agenden halten möchten. Reisende mussten für einmal voll auf den Zug setzen, was hoffentlich ihr Reiseverhalten nachhaltig verändern wird. Sie mussten die Langsamkeit neu entdecken, eine Art zu reisen, bei der die Seele mitreisen kann. Sie werden sich vielleicht in nächster Zeit ein bisschen länger überlegen, wohin die Reise gehen soll, und statt dem Exotischen in erträglicher Flugreisedistanz die Nähe zur Natur in Zugreisedistanz wählen. Keine schlechte Wahl im Jahr der Biodiversität. Lasst uns die Natur neu entdecken und uns ihrer bewusst werden! Einstimmen in das Thema können Sie sich auf Seite 9. Wir werden sicher in weiteren greenfo-Ausgaben darüber berichten. Eine Gefahr für die Biodiversität - vor allem in den Ländern des Südens - ist der Agrotreibstoff-Boom. Auf Seite 6 begeben wir uns nach Zurzach im Kanton Aargau, wo eine Anlage zur Produktion von Treibstoff aus mosambikanischen Jatropha-Nüssen entstehen soll. Ein weiterer Schwerpunkt dieses greenfo ist die Erwerbslosigkeit (ab Seite 14). Ich wünsche Ihnen bei der Lektüre viel Freude und Stolz, Grün zu sein. In der Allgemeinbildung erhielten wir den Auftrag, uns vertieft mit den schweizerischen Parteien auseinanderzusetzen. Mir wurde Ihre Partei zugeteilt. Die Themengebiete waren: Wirtschaftspolitik, Migrationspolitik, Aussenpolitische Öffnung, Umweltschutz und Sozialpolitik. Ein grosses Lob zu Ihrer Homepage. Diese war sehr informativ und hilfreich. Die einzelnen Themengebiete waren kurz und bündig beschrieben, was die Erstellung meiner Powerpoint-Präsentation erleichterte. Zudem ist die Homepage in einer leicht verständlichen Sprache formuliert. Guten Tag Ich schreibe Ihnen, um Ihnen zu gratulieren, dass Sie endlich den ökologisch problematischen Fleischkonsum thematisiert haben (siehe greenfo 4/2009). Studien zeigen, dass die Aufzucht der Tiere die Umwelt mehr verschmutzt als alle Nahrungsmitteltransporte zusammen. Selbst wenn das Fleisch lokal produziert wird, erzeugt es klar mehr Treibhausgase als aus Argentinien importiertes Gemüse. Ich bin froh, dass diese Frage durch die Grünen endlich aufgeworfen wurde. Denn es gibt nur einen Planeten, und er muss bewahrt werden! Lisa Favre Stefan Stamenkovic Corinne Dobler Redaktorin greenfo 2 | 2010 Kantone Bern Lachendes und weinendes Auge nach den Wahlen vom 28. März 2010 im Kanton Bern: Der Grüne Regierungsrat Bernhard Pulver wurde mit dem besten Resultat wiedergewählt. Im Parlament verloren die Grünen jedoch drei Sitze. Die Verteidigung der rot-grünen Mehrheit ist für Blaise Kropf, Präsident der Grünen Kanton Bern, ein «historisches Resultat» und Pulvers Spitzenresultat «der verdiente Lohn für eine sehr kompetente Arbeit». Pulver kann nun seine Arbeit im Erziehungsdepartement fortführen. Schwierig wird die Arbeit im Parlament, das sich klar nach rechts bewegt hat. Denn die BDP hat massiv zugelegt, und zwar nicht auf Kosten der SVP. Die Grünen verloren drei Sitze und sind jetzt mit 16 Mitgliedern im Grossrat vertreten. Die engen Mehrheiten der letzten Legislatur sind nun leider nicht mehr gegeben. Der bürgerliche Block verfügt wieder über eine klare Mehrheit. 5 Zürich Die Stadtzürcher Grünen haben bei den Kommunalwahlen vom 7. März 2010 ihre Vertretung in der Exekutive verdoppeln können. Neben Ruth Genner zieht neu Daniel Leupi in den Stadtrat ein. Nach einem einjährigen intensiven Wahlkampf und einem nervenaufreibenden Wahlsonntag konnten die Zürcher Grünen einen historischen Erfolg feiern: Noch nie gab es zwei Grüne ExekutivvertreterInnen in einer grösseren Stadt! Daneben nimmt sich das Resultat der Legislativwahl bescheidener aus: Die Grünen konnten zwar ihren Wahlanteil um ein halbes Prozent steigern, stagnieren aber bezüglich der Sitzzahl (14 von 125). Die rot-grüne Mehrheit konnte nicht gehalten werden, aber zusammen mit der neu vertretenen GLP verfügt sie über total 65 Sitze, was mindestens die ökologischen Anliegen stärkt. Ob sich damit ein kantonaler oder gar nationaler Trend abzeichnet, wird sich weisen. St. Gallen Im Verkehr setzt die Stadt St. Gallen in Zukunft konsequent auf den öffentlichen Verkehr, Velos und Füsse. Die entsprechende Städte-Initiative wurde am 7. März mit knapp 60 Prozent der Stimmen angenommen. Für das Begehren hatten sich neben den Grünen auch Umweltorganisationen, SP, EVP und ein Teil der CVP stark gemacht. Das Stadtparlament befürwortete die Initiative, während sich der Stadtrat (Exekutive) dagegen stellte. St. Gallen hat als erste von fünf Schweizer Städten über die Initiative abgestimmt. Sie wurde ebenso in Zürich, Luzern, Basel und Winterthur lanciert. Hinter den Städte-Initiativen steht der Verein «UmverkehR». Gefordert wird, dass der motorisierte Individualverkehr nicht weiter zunimmt. Das gesamte Verkehrswachstum soll mit dem öffentlichen Verkehr, Fuss- und Veloverkehr aufgefangen werden. Corinne Dobler Corinne Dobler Greenfo 2Ausgabe greenfo | 2010 2 | 2009 Markus Kunz Ehemaliger Präsident der Grünen der Stadt Zürich 6 Kampagne Agrotreibstoffe: Ein Aargauer kämpft für sein Dorf und für Mosambik Plattform Agrotreibstoffe Die Plattform Agrotreibstoffe ist ein loser Zusammenschluss von rund 20 Organisationen, die ein Moratorium für Agrotreibstoffe in der Schweiz fordern. Zur Plattform gehören nebst den Grünen: Alliance Sud, ÄrztInnen für Umweltschutz, arbeitsgruppe schweizkolumbien, Basler Appell, Bio Suisse, Bio Forum Schweiz, Brot für Alle, Caritas, Erklärung von Bern, Fastenopfer, IP Suisse, KleinbauernVereinigung, Pro Natura-Friends of the Earth Switzerland, Public Eye on Science, Reformierte Kirchen Bern-Jura-Solothurn, Solifonds, SWISSAID, terre des hommes schweiz, Uniterre In Bad Zurzach AG und in Delémont JU sind Anlagen zur Produktion von Agrotreibstoffen geplant. Doch Agrotreibstoffe führen zu Hunger und Umweltzerstörung. Der Widerstand wächst. Der braune, gepflügte Acker, auf den Karl Mayer zeigt, sieht wie ein ganz gewöhnlicher Acker aus. Nichts deutet darauf hin, dass hier in Kürze ein 80 Millionen Franken schweres Projekt der Firma Green Bio Fuel Switzerland AG realisiert werden soll: eine Anlage zur Produktion von jährlich 130 Millionen Liter Biodiesel aus mosambikanischen Jatrophanüssen. Der Acker liegt genau 300 Meter von Mayers Reihenhaus entfernt, das er mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern bewohnt. Das Feld gehört zum Solvay Industrie Park bei Bad Zurzach. Die «Zurzis» sind jedoch durch ein Naturschutzgebiet von der Anlage getrennt, während für die Einwohnerinnen und Einwohner der Nachbarsgemeinde Rekingen die Anlage von ihren Gartensitzplätzen, Gärten und Balkonen aus greifbar nah ist. Der Rekinger Karl Mayer gehört darum zu den rund 50 Engagierten aus seinem Dorf, die sich gegen die Anlage wehren. Die dick mit Zeitungsartikeln, Leserbriefen und Unterlagen gefüllte Mappe unter seinem Arm zeugt von seinen zahlreichen Aktionen. Er, der bisher nicht politisch aktiv war, hat sich zum Experten für Agrotreibstoffe und Rechtsmittel gewandelt. «Wenn man so direkt betroffen ist, kümmert man sich halt.» Lokale Landwirtschaft zerstört Je mehr Mayer sich mit dem Thema auseinandersetzte, desto mehr öffnete sich sein Horizont. Er begann sich mit dem Herkunftsland der Jatrophanüsse zu beschäftigen. «Das Jatropha wird in Mosambik in riesigen Monokulturen angebaut, es handelt sich also nicht um eine Nischenproduktion wie behauptet», erklärt Mayer. Für Rohstoffe aus Ländern wie Mosambik und Brasilien werden ökologisch wertvolle Gebiete gerodet, Kleinbauern vertrieben und Wasserressourcen ausgebeutet. Es werden Felder be- greenfo 2 | 2010 Kampagne Karl Mayer: «Diese Projekte sind ein menschlicher, wirtschaftlicher und ökologischer Unsinn.» baut, die dann nicht mehr für den Anbau von Nahrungsmitteln zur Verfügung stehen. Das führt in diesen Ländern zu einer Verknappung und Verteuerung der Nahrungsmittel und kann Hunger-Krisen provozieren. Und nicht überall ist Bio drin, wo Bio draufsteht. Eine Studie der Materialprüfungsanstalt Empa aus dem Jahr 2007 zeigt, dass «Bio»Treibstoffe – wie Agrotreibstoffe oft genannt werden – keineswegs umweltfreundlicher sind als fossile Treibstoffe. In die CO2-Bilanz muss der ganze Prozess von der Produktion bis zur Distribution einberechnet werden, also auch der Transport. Für Mayer ist deshalb klar: «Es geht jetzt nicht mehr um den Standort Bad Zurzach, sondern darum, dass weder die Anlagen in Zurzach noch in Delémont eine Steuerbefreiung erhalten, denn diese Projekte sind ein menschlicher, wirtschaftlicher und ökologischer Unsinn.» greenfo 2 | 2010 ‘Chropfleerete’ statt Verhandlung Ursprünglich hätte mit dem Bau der Anlage in Zurzach schon 2008 begonnen werden sollen. Doch die Einwohnerschaft von Rekingen legte zwei Mal Einsprache ein. Im Dezember 2009 fand die Einspracheverhandlung statt. «Das war eher ein Abwimmeln der Einwohner und eine ‘Chropfleerete’ als eine wirkliche Verhandlung», erzählt Mayer in seiner Küche mit Blick auf das Solvay-Areal. Am 24. Dezember 2009 wurde die Baubewilligung erteilt, die 30-tägige Beschwerdefrist begann zu laufen – über die Feiertage. Die Einwohnerschaft konnte das Risiko einer Beschwerde nicht tragen. Bei einer Streitsumme von acht Millionen Franken – zehn Prozent der Bausumme – hätten sich die Anwaltskosten im schlimmsten Fall auf 150’000 Franken belaufen. So verstrich die Frist ungenutzt. «Aber immerhin haben wir eine Verzögerung erreicht», sagt Mayer. 7 8 Die Odyssee der Jatrophanüsse Nahrung statt Treibstoff In Delémont sollen gar 100 Millionen Franken investiert werden für eine Anlage, in der aus brasilianischem Zuckerrohr jährlich 100’000 Tonnen Agroethanol und 30’000 Tonnen pharmazeutisches Ethanol hergestellt werden sollen. Auch dort hat sich Widerstand formiert. Im März lancierte ein Kollektiv eine kantonale Volksinitiative für ein Moratorium gegen Agrotreibstoffe. Die jurassische Grüne Erica Hennequin sagte am 23. April an einer Medienkonferenz der Plattform Agrotreibstoffe in Bern: «Solange es Frauen, Männer und Kinder gibt, die Hunger haben, dürfen keine Nahrungsmittel verwendet werden, um Treibstoff für Autos zu produzieren.» Auch die BundesparlamentarierInnen sind nicht untätig geblieben. Die Grünen hatten schon früh ein Moratorium gefordert und zahlreiche Vorstösse eingereicht. In einer parlamentarischen Initiative verlangt nun die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK) des Nationalrates die Einführung von Zulassungskriterien, die sozial und ökologisch problematische Agrotreibstoffe ausschliessen. Die Initiative wurde inzwischen auch von der UREK des Ständerates gutgeheissen. Um die parlamentarische Initiative zu unterstützen, hat die Plattform Agrotreibstoffe im April die Petition «Keine Agrotreibstoffe, die zu Hunger und Umweltzerstörung führen» lanciert (siehe rechts). In Rekingen beobachten Karl Mayer, seine Familie und die Nachbarschaft gespannt, was in Bern passiert. Denn dort wird sich nun entscheiden, ob das 80-MillionenProjekt mit all seinen Nebenwirkungen vor ihrer Haustüre wirklich realisiert werden wird oder ob der Acker auch in Zukunft einfach ein Acker bleibt. Corinne Dobler Mitarbeit: Meret Rehmann Petition «Keine Agrotreibstoffe, die zu Hunger und Umweltzerstörung führen» Die Petition können Sie bis zum 6. September unterzeichnen. Sie finden diese auf www.gruene.ch unter «Aktuell». Dort können sie auch Petitionsbögen herunterladen und Ihre Bekannten unterzeichnen lassen. greenfo 2 | 2010 9 Thema Wir sind auf die Vielfalt von Pflanzen und Tieren angewiesen 2010 ist das Jahr der Biodiversität. Wir sollten das Jahr nutzen, um uns bewusst zu werden, dass wir nicht die einzigen Lebewesen auf diesem Planeten sind. Was wissen wir von unserem Planeten? Eine Studie aus England ist zum Schluss gekommen, dass Kinder zwischen vier und elf Jahren eine grössere Anzahl von PokémonFiguren erkennen als Tiere und Pflanzen! Unser Mangel an Wissen ist tatsächlich beunruhigend. Obwohl wir uns oft verhalten, als ob wir die einzigen Lebewesen auf der Erde wären, sind wir auf andere Organismen angewiesen, und zwar in allen erdenklichen Weisen. Einige davon sind offensichtlich. Wir fangen Fische, um sie zu essen, wir halten Kühe für Fleisch, Milch und Leder. Wir züchten Seidenraupen, um Kleider zu nähen. Wir züchten eine grosse Anzahl von Pflanzen zu vielfältigen Zwecken – als Nahrungsmittel, für medizinische Produkte, als Rohstoffe für Holz oder Papier. Aber ein grosser Teil unserer Abhängigkeit ist weniger offensichtlich. Würmer, Pilze, Insekten und Mikroben bauen abgestorbenes Holz und abgebrochene Äste ab. Einige Organismen produzieren Dung, andere verbreiten Samen. Gewisse Arten reichern unseren Boden an und machen ihn fruchtbarer. Pflanzen rund um Bäche und Flüsse filtern das Wasser und säubern es. Zudem nehmen sie Kohlendioxid aus der Luft auf und beeinflussen damit die Zusammensetzung der Atmosphäre. Ihr Wurzelwerk verhindert die Erosion der Böden. Einige Bakterien können sogar die Wolkenbildung beeinflussen! greenfo 2 | 2010 Teurer Verlust All diese Leistungen der Natur sind gratis. Aber wir bezahlen, wenn sie verloren gehen. Weniger fruchtbare Böden erschweren den Anbau von Pflanzen. Verschmutztes Wasser muss durch teure Anlagen gefiltert werden, damit es wieder getrunken werden kann. Mit teuren Anlagen müssen Hänge gesichert werden, die früher durch Wälder und Baumbestände vor dem Abrutschen bewahrt wurden. Der Verlust von Tierarten erhöht das Risiko, dass Menschen von Krankheiten wie Lyme-Borreliose befallen werden. Im Jahr der Biodiversität (und auch danach) muss es also darum gehen, den Menschen die Natur vor unserer Haustür, die Artenvielfalt und die gegenseitige Abhängigkeit der verschiedenen Lebewesen wieder näher zu bringen. Wir schützen besser, was wir kennen. Stéphanie Penher Dossierverantwortliche Die Langhornbiene von Pro Natura zum Tier des Jahres 2010 ernannt. Buchtipp Im Juni wird ein Buch mit dem Titel «Biodiversität» von Bruno Baur, Naturschutzbiologe an der Uni Basel, veröffentlicht. Baur erläutert grundlegende Aspekte und Prozesse, die zu Veränderungen in der Vielfalt des Lebens auf unserem Planeten führen. Dabei wird gezeigt, dass Biodiversität nicht bloss ein Zählen und Registrieren von Arten ist. Herausgeber: Uni-Taschenbücher, 2010 10 Kampagne Problem AtommüllLagerung: Keine Lösung in Sicht Machen Sie mit bei der Grünen Kampagne! Für unsere Kampagne vor Ort sind wir auf Sie, interessierte und engagierte Leute, angewiesen! Wenn Sie sich aktiv gegen die geplante Lagerung von Atommüll in Ihrer Nähe wehren und bei der Organisation von Aktionen und Events mithelfen wollen, melden Sie sich bei Meret Rehmann unter gruene@gruene. ch. Bitte geben Sie uns Ihren Namen, Adresse, Mailadresse, Telefonnummer und die Region (Südranden / Nördlich Lägeren / Bözberg / Zürcher Weinland / Jüra Südfuss) an. Auch für Informationen stehen wir Ihnen unter dieser Mailadresse gerne zur Verfügung. Derzeit werden in der Schweiz Standorte gesucht, wo Atommüll gelagert werden kann. Fünf Regionen stehen zur Diskussion: Südranden, Nördlich Lägeren, Bözberg, Zürcher Weinland und Jura Südfuss. Im Sommer beginnt die Vernehmlassung. Das Atommüllproblem ist bei weitem nicht gelöst – vor allem aus technischer Sicht. Gewisse Atommüll-Teilchen strahlen über einen Zeitraum von gut einer Million Jahre. Diese enorme Zeitspanne macht es schwierig, einen angemessenen Umgang mit dem Atommüll zu finden. Die «Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle» (Nagra) hat zwar ein Konzept vorgelegt, doch das Grundproblem bleibt bestehen: Kein Konzept kann befriedigend sein, solange nicht der Atomausstieg das Ziel ist. Die technischen und gesellschaftlichen Herausforderungen an ein Atommülllager sind immens. Viele elementare Unklarheiten wurden im Nagra-Konzept nicht beseitigt: Wie soll kontrolliert werden, wie sich das Lager über diese enorme Zeitspanne entwickelt? Wie soll der Atommüll adäquat verpackt und eingelagert werden? Welche Materialien sollen verwendet werden: korrodierender Stahl, Kupfer oder zerbrechliche Keramik? Doch damit nicht genug: Die Nagra will eine etwa fünf Kilometer lange Zufahrt bauen, um mit Lastwagen ins Atommülllager zu fahren. Experten beteuern aber, dass das Wirtgestein - also jener Gesteinskörper, der das Tiefenlager umfasst - so wenig wie möglich geschädigt werden darf, ansonsten drohen Wasserläufe. Doch das ist nur ein Teil des ungelösten Problems, denn für so grosse Zeiträume gibt es keine «ein-fürallemal-Lösung». Wichtige Fragen bleiben unbeantwortet: - Wie kann das Lager während 1’000’000 Jahren kontrolliert werden und die Möglichkeit bestehen bleiben, dass der Atommüll zurückgeholt werden kann? - Wie kann das Lager während 1’000’000 Jahren markiert bleiben, und wie können Untergrundkonflikte vermieden werden? - Wie soll das Lager während 1’000’000 Jahren vor unvorhersehbaren Naturereignissen wie Erdbeben oder Eiszeiten geschützt werden? greenfo 2 | 2010 11 11 Sicher ist nur das Risiko Was es bedeuten kann, wenn ein Lager voreilig realisiert wird, ist im deutschen Asse zu sehen. Der ehemalige Salzstock wurde einst als ideal für die Lagerung von Atommüll erachtet. Das Wirtgestein leite Wärme ab und sei extrem stabil, hiess es. Insgesamt 126’000 Fässer Atommüll wurden versenkt – bis spätestens 2012 müssen sie wieder raus. Denn Tag für Tag laufen 12’000 Liter Wasser ein. Asse droht einzustürzen. Die Kosten für die Rückholung belaufen sich auf mindestens 3,7 Milliarden Euro. Das Beispiel zeigt: Die absolute Sicherheit gibt es nicht. Sicher ist nur das Risiko. Die Nagra muss dies einsehen und ein Lager planen, in dem der Atommüll ständig überwacht und notfalls auch zurückgeholt werden kann. Verharmlost sie die Gefahren und ungelösten Probleme gegenüber der betroffenen Bevölkerung, macht sie sich unglaubwürdig. Regionen gegen ein unsicheres Lager Ein Atommülllager-Konzept, das ewige Sicherheit verspricht, ist greenfo 2 | 2010 nicht sicher. Bevor die Standorte gewählt und ein schein-partizipatives Mitspracheverfahren aufgegleist werden, muss die Nagra die offenen Fragen beantworten. Es braucht Lösungen auf Zeit, denn unter Zeitdruck steht niemand und der Müll läuft uns nicht davon - er strahlt noch lange genug. Und damit es in Zukunft nicht noch mehr Atommüll geben wird, ist die einzig wahre Lösung der Atomausstieg. Solange die Nagra eine «ein-fürallemal-Lösung» vorschlägt und auf eine unsichere Lösung drängt, müssen wir uns wehren. Beteiligen Sie sich am Widerstand in Ihrer Region! Sabine von Stockar Projektleiterin Atom&Strom SES Mehr Infos unter www.energiestiftung.ch Infoveranstaltungen Die SES organisiert im Juni 2010 in allen fünf Standort-Regionen Infoveranstaltungen: Montag, 7. Juni – Südranden SH Dienstag, 8. Juni – Nördlich Lägeren ZH, AG Mittwoch, 9. Juni – Bözberg AG Montag, 14. Juni – Zürcher Weinland ZH, TG Dienstag, 22. Juni – Jura Südfuss SO, AG 12 Initiative Initiative 100’000 neue Arbeitsplätze für die Schweiz Die Cleantech-Initiative fordert neue Arbeitsplätze durch Investitionen in erneuerbare Energien und saubere Technologien. Die Grünen unterstützen dieses Anliegen. Franziska Teuscher Nationalrätin BE «Ich bin stolz, dass die Grünen in verschiedenen Kantonen mit ihren kantonalen Initiativen eine Vorreiterrolle zur Förderung der erneuerbaren Energien gespielt haben.» Der Unterschriftenbogen der CleantechInitiative liegt diesem greenfo bei. Bitte unterzeichnen Sie ihn rasch, lassen Sie ihn von Ihren Bekannten unterzeichnen und senden Sie uns den Bogen zurück! Wir stehen vor einer dreifachen Krise: Wir pusten zuviel CO2 in die Atmosphäre und verschärfen damit den Klimawandel. Wir verbrennen gedankenlos wertvolle Energieressourcen und bringen dadurch unsere Vorräte in rasantem Tempo zum Verschwinden. Wir gefährden unsere Ernährungsgrundlage, indem wir immer mehr Kulturflächen überbauen. Eines sollte inzwischen allen klar sein: Wir können nicht so weitermachen wie bisher, wir machen sonst die Lebensgrundlage unserer Kinder und Kindeskinder kaputt. Es braucht eine Änderung unserer Wirtschaftsweise und unseres Konsumverhaltens. Wir dürfen in Zukunft nicht mehr verbrauchen, als an Ressourcen tatsächlich nachwächst. Das können wir im Energiebereich erreichen, wenn wir konsequent in erneuerbare Energieträger und saubere Technologien, also in Cleantech, investieren. Dies verlangt die SP mit ihrer Volksinitiative, welche die Grünen selbstverständlich unterstützen. Ich freue mich, die Grünen im Initiativkomitee zu vertreten. Mit der Cleantech-Initiative schaffen wir nicht nur mehr Nachhaltigkeit auf allen Produktionsebenen. Mit diesem Volksbegehren können in der Schweiz 100’000 neue Arbeitsplätze entstehen. Die Schweizer Energieversorgung kann mit erneuerbaren Energiequellen sichergestellt werden, beispielsweise mit Sonne, Wind, Biomasse oder Geothermie. Dafür müssen wir aber auch in neue Berufe, neue Ausbildungs- und Arbeitsplätze investieren. Grüne mit Vorreiterrolle Innovationen im Energiebereich müssen stärker vorangetrieben werden. Ich bin stolz, dass die Grünen in verschiedenen Kantonen mit ihren kantonalen Initiativen eine Vorreiterrolle zur Förderung der erneuerbaren Energien gespielt haben. Die Initiative der SP will diese Technologien nun schweizweit fördern und anwenden. Nachhaltigkeit darf jedoch nicht beim Thema Energie enden. Ebenso müssen wir uns in Zukunft noch stärker für eine umweltgerechte Mobilität und eine naturnahe Landwirtschaft einsetzen. Sechsspurige Autobahnen und Einkaufszentren auf der grünen Wiese führen zu Mehrverkehr, kosten wertvolle Energie- und Landressourcen und verschärfen unsere Klimaprobleme. Nur wenn wir Cleantech in allen Bereichen anwenden, bekommen wir die dreifache Krise in den Griff. Franziska Teuscher, Nationalrätin BE Vizepräsidentin Grüne Schweiz greenfo 2 | 2010 Standpunkt 13 Es braucht neue Regulierungen Die Generalsversammlung der UBS hat einmal mehr gezeigt, dass die Finanzkrise nicht zu einem Umdenken geführt hat. Nun braucht es drastischere Einschnitte. Das war eine schöne Blamage für Villiger und Grübel. Allerdings war sie Resultat massloser politischer Instinktlosigkeit. Dabei hat man mit Villiger extra einen alt Bundesrat geholt, um solche Desaster zu verhindern. Von einem Sieg der Aktionärsdemokratie konnte indes an der UBS-GV keine Rede sein. Die nötige Wende in der Salär- und BoniPolitik blieb aus. Vielleicht war das ein Wink, nicht allzu viel Glauben und Effort in die Wirksamkeit der Abzocker-Initiative von Thomas Minder zu verschwenden. Diese bringt zwar einige klare Regulierungen bezüglich goldener Fallschirme oder Vorausbezügen, vertraut aber sonst dem Aktionär. Dabei leuchtet eigentlich sofort ein, dass Demokratie und Aktiengesellschaft nichts miteinander zu tun haben. In der Demokratie gilt das Prinzip «ein Mensch, eine Stimme», in der Aktiengesellschaft bestimmt die Mehrheit des Kapitals den Gang der Dinge. Es waren ja auch bislang die Aktionäre, welche die horrenden Saläre sehr wohl geduldet bis gewollt haben, in der Meinung, unter dem Strich zahle sich das für sie aus, indem sie mit übermässigen Kapitalrenditen belohnt würden. Wenn nun einige gegensteuern wollen, dann einzig, um die Aktionäre gegenüber greenfo 2 | 2010 Management und Verwaltungsrat besser zu stellen. Blauäugig wäre zu meinen, die «normal Arbeitenden» kämen in den Genuss der Salär- und Boni-Reduktionen. Die 1:12Initiative der JUSO setzt hier am richtigen wunden Punkt an. Die Finanzkrise hat keineswegs zu einem Umdenken geführt. Die ethische Wende blieb aus, musste wohl zwangsläufig ausbleiben. Denn es ist das System der Finanzmärkte selbst, das die Krise hervorgerufen hat. Es kann nur durch eine schnittige Re-Regulierung gebändigt werden. Etwa indem Derivate (Finanzinstrumente, deren Preis oder Wert von den Kursen oder Preisen anderer Handelsgüter oder Wertpapiere abhängt) zumindest eingeschränkt werden. Indem die «Obama»Steuer aufs Tapet kommt. Und vor allem, indem die «too big to fail»Zeitbombe durch ein sinnvolles Trennbankensystem entschärft wird. Allerdings nicht so, dass die Ebners und seine SVP-Spezis sich dann die Filetstücke holen können. Wenn die UBS meint, die Politik hole ihr im USA-Desaster zum Nulltarif die Kohlen aus dem Feuer, hat sie sich getäuscht. Jedenfalls in den Grünen. Daniel Vischer Nationalrat ZH Daniel Vischer Nationalrat ZH «Es leuchet eigentlich ein, dass Demokratie und Aktiengesellschaft nichts miteinander zu tun haben.» 14 Referendum Arbeitslosenversicherung: Das Referendum ist die richtige Antwort Die 4. Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG) ist ungerecht, unnötig und inakzeptabel. Denn sie bringt nur Verschlechterungen: höhere Beiträge, weniger Taggelder und längere Wartezeiten. Das verdient ein Referendum! Louis Schelbert Nationalrat LU «Die Parteien, die eben erst beim Versuch scheiterten, die Renten der beruflichen Vorsorge zu senken, wollen nun den gleichen Fehler wiederholen, indem sie die Leistungen für die Erwerbslosen abbauen.» Ein Unterschriftenbogen liegt diesem greenfo bei. Bitte unterzeichnen Sie ihn und geben Sie ihn weiter. Weitere Bögen können Sie auf www.gruene.ch unter «Aktuell» herunterladen. Die Grünen wollen eine faire Arbeitslosenversicherung mit einem längerfristig schuldenfreien Ausgleichsfonds. Dafür braucht es aber keine Gesetzesrevision: Das geltende Recht reicht. Der Bundesrat hat gemäss Art. 90c des Arbeitslosenversicherungsgesetzes das Recht und die Pflicht, die Beitragssätze zu erhöhen, wenn die Schulden des Ausgleichsfonds 2,5 Prozent der Gesamtlohnsumme erreichen. Stattdessen liegt nun eine Vorlage mit einer schlechten Finanzierungslösung und einem immensen Leistungsabbau vor. Träte die Vorlage in Kraft, würden junge Leute, die ohne eigenes Verschulden keine Arbeit haben, mit längeren Wartezeiten und weniger Taggeldern bestraft. Das ist ungerecht: Als Steuerzahlerinnen und Milizsoldaten werden sie ernst genommen, als Opfer der Krise dagegen wird ihnen die berufliche Zukunft verbaut. Kantone müssen Sozialhilfe berappen Bestraft würden zudem die schon jetzt stark betroffenen Regionen. Seit hätten kein Recht mehr auf zusätzliche Taggelder bei hoher Arbeitslosigkeit. Bestraft würden auch die Langzeitarbeitslosen; ihnen bliebe nur noch die wirtschaftliche Sozialhilfe. Die Kosten dafür würden auf die Kantone und Gemeinden abgewälzt. Die Entschuldung der Arbeitslosenversicherung ist auf 15 Jahre angelegt. Das ist unseriös und öffnet einem weiteren Leistungsabbau Tür und Tor. Wie anders verhält sich die herrschende Politik vis-à-vis den Grossbanken. Obwohl die UBS immer noch durch Milliarden aus der öffentlichen Hand gestützt wird, sacken Banker mit dem Segen der Aufsichtsbehörden wieder Boni in Milliardenhöhe ein. Hier werden also nicht wie bei den Sozialversicherungen sofortige Einsparungen gefordert. Die Parteien, die eben erst beim Versuch scheiterten, die Renten der beruflichen Vorsorge zu senken, wollen nun den gleichen Fehler wiederholen, indem sie die Leistungen für die Erwerbslosen abbauen. Bei der AHV, der IV und der Unfallversicherung wollen sie mit einem weiteren Sozialabbau nachdoppeln. So geht es nicht. Gewerkschaften, Hilfswerke und Jugendorganisationen sind entrüstet. Kantone und Städte mahnen. Das Referendum ist die richtige Antwort. Louis Schelbert Nationalrat LU greenfo 2 | 2010 15 Eine Revision auf Kosten der Jungen In Krisenzeiten haben die Jungen wegen «mangelnder Berufserfahrung» Mühe, ihren Platz in der Arbeitswelt zu finden. Während sie in der Phase der Vollbeschäftigung fast automatisch integriert worden waren, wird dies in Zukunft nur noch möglich sein, wenn die Politik die richtigen Zeichen setzt. Doch genau auf die Jungen zielt die Revision der Arbeitslosenversicherung ab. Und die Folgen dieser Revision werden die ganze Gesellschaft treffen. Eine Rechnung, die nicht aufgeht. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) kündigte zwar Ende März eine leichte konjunkturelle Erholung für die Schweiz an. Doch auf die Arbeitslosenrate hat dies bisher nur einen geringen Einfluss. Sie bewegt sich immer noch oberhalb der vier Prozent-Marke. Die regionalen Unterschiede werden aus dieser Durchschnittszahl zudem nicht ersichtlich. Mit über sieben Prozent haben die Kantone Genf und Neuenburg den höchsten Anteil an Erwerbslosen. Vor allem die 15- bis 30-Jährigen sind von den Folgen der Krise betroffen. Die Zahl der Arbeitssuchenden in diesem Alter ist innerhalb eines Jahres um 20 Prozent gestiegen. Gemäss Elena Obreschkow, die bei der Gewerkschaft Unia für den Sektor Jugend zuständig ist, sind die Statistiken jedoch nicht vertrauenswürdig: Fast die Hälfte der jungen Erwerbslosen seien nicht als Arbeitslose gemeldet und würden von ihren Eltern unterstützt, betont sie. Aussagekräftig sei die starke Zunahme der Zahl der Jungen, welche in der Rubrik «Lang- greenfo 2 | 2010 zeitarbeitslosigkeit» erscheinen. Diese Zahl hat in einem Jahr um 146 Prozent zugenommen. Dies weist klar darauf hin, dass ein Teil der jungen Generation die Kosten der Wirtschaftskrise trägt. Es muss alles dafür getan werden, dass die jungen Menschen die Hoffnung zurückgewinnen. Junge werden bestraft Die Revision der Arbeitslosenversicherung macht genau das Gegenteil. Elena Obreschkow: «Sie ist eine richtige Bestrafung – obwohl die Jungen nicht schuld sind an der finanziellen Situation der Arbeitslosenversicherung und andere Lösungen für deren Sanierung existieren. So könnte beispielsweise ein Solidaritätsanteil auf die höchsten Löhne erhoben werden.» Sparmassnahmen, die für die Jungen besonders ungerecht sind, haben die Jugendorganisationen, darunter die Jungen Grünen, dazu bewogen, das Referendum zu unterstützen. Falls die Revision durchkommt, haben die unter 25Jährigen ohne Unterhaltspflichten Als Steuerzahlerinnen und Milizsoldaten werden die jungen Leute ernst genommen, als Opfer der Krise dagegen wird ihnen die berufliche Zukunft verbaut. 16 16 Kampagne «Die Sparmassnahmen werden schlussendlich keinen Spareffekt haben, denn die Kosten werden einfach in die Sozialhilfe verschoben.» nur noch Anrecht auf 130 Taggelder, die 25- bis 29-Jährigen auf 260. Bisher waren es 400 Taggelder. Die Jungen, welche sich einem Vollzeit-Studium gewidmet haben und bisher nicht in die Arbeitslosenversicherung einzahlen konnten, bekommen gar nur 90 Taggelder. Da hat die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV) Recht, wenn sie in einem Communiqué sagt: «Diese Jungen müssen nicht nur mit dem Frust leben, ihre berufliche Laufbahn als Arbeitssuchende zu beginnen, sondern werden dabei auch noch klar weniger durch die Arbeitslosenversicherung unterstützt, obwohl sie eine besonders verletzliche Gruppe bilden.» Die Sparmassnahmen sind klar diskriminierend und werden schlussendlich keinen Spareffekt auf die öffentlichen Gelder haben, denn die Kosten werden einfach in die Sozialhilfe verschoben. Den Betroffenen, die zu Sozialfällen werden, droht die Marginalisierung. Problem verschoben statt gelöst Eine weitere Massnahme zielt auf das Prinzip der Zumutbarkeit ab. Bisher müssen Erwerbslose eine Arbeit nur annehmen, wenn sie unter Berücksichtigung der Qualifikationen und Erfahrungen als zumutbar erachtet wird. Dies garantiert der erwerbslosen Person eine Anerkennung ihrer Fähigkeiten und schützt die Arbeitnehmenden vor Lohndumping. Für die unter 30-Jährigen wird dieses Prinzip in Zukunft aber nicht mehr gelten, falls die Revision angenommen wird: Das bedeutet, dass eine junge Person, die sorgfältig ausgebildet worden ist, gezwungen werden könnte, eine Stelle anzunehmen, die überhaupt nicht ihren Fähigkeiten entspricht. Das ist für die Jungen verheerend. Sie müssen unter Umständen den Beruf wechseln und können nicht mehr von ihrer Ausbildung profitieren, denn die Arbeitslosenversicherung finanziert keine berufliche Umorientierung. Die Lehre als solche wird damit abgewertet. Diejenigen, die in Jobs arbeiten müssen, für die sie überqualifiziert sind, verdrängen die schlechter Ausgebildeten, die vorher in diesen Jobs gearbeitet haben. Damit wird das Problem zum Teufelskreis. Und zu befürchten ist, dass das Prinzip der Zumutbarkeit in der Zukunft auch für andere Kategorien von Erwerbslosen aufgehoben wird. In diesem Fall ist eine deutliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für alle Angestellten zu erwarten. Sie werden genötigt, sich mit allen möglichen Stellen zu allen möglichen Bedingungen zufrieden zu geben. Das Phänomen der «Working Poor», das in der Schweiz relativ neu ist, wird dadurch verstärkt. Diese Entwicklung kann aber noch aufgehalten werden. Wir müssen Nein sagen zu einer Revision, deren positiven Effekte sich bei näherer Betrachtung als negativ erweisen und welche die Perspektiven einer ganzen Generation schwer belastet. Eine Gesellschaft, die ihre Jugend fallen lässt, wird Mühe haben, eine Zukunft aufzubauen. Bénédicte Savary Greenfo Ausgabe greenfo 22 || 2009 2010 Thema Her mit dem schönen Leben! Erfolgreiche Frauendemo am 13. März in Bern Gemeinsam können wir etwas bewegen - Frauen, solidarische Männer und Kinder haben mit einer farbenfrohen und lautstarken Demo konkrete Taten für die Gleichstellung gefordert. Ein breites Bündnis von rund 50 Frauenorganisationen, Parteien und sozialen Organisationen, darunter auch die Grünen, haben am 13. März in Bern eine überraschend grosse Frauendemo möglich gemacht. Überall auf der Welt fordern Frauen im Rahmen des dritten internationalen «Marche Mondiale des Femmes» ein Ende der Armut und Gewalt an Frauen. Mit der weltweiten Aktion wollen Frauen und Männer gemeinsam und solidarisch die Gleichstellung und die Rechte der Frauen vorantreiben. Auch in der Schweiz haben sich rund 8000 Personen an der Frauendemo - einer der grössten seit vielen Jahren - beteiligt. Die erfolgreiche und lustvolle Frauendemo zeigt, dass viele bereit sind, sich für die Rechte der Frauen und für echte Gleichstellung zu engagieren. Das ist vor dem Hintergrund der zahlreichen uneingelösten Versprechen nicht weiter verwunderlich und stimmt für kommende Auseinandersetzungen und Aktionen zuversichtlich. Seit fast 30 Jahren ist die Gleichstellung in der Schweizer Verfassung verankert, und trotzdem erhält eine Frau für fünf Tage Arbeit nur den Lohn von vier Tagen. Zum ersten Mal hat sich dieser Lohnunterschied in den letzten Jahren wegen der grosszügigen Auszahlung von Boni an die Männer sogar noch greenfo 2 | 2010 vergrössert. Und dies obwohl die Frauen immer besser ausgebildet sind. In Folge der Krise verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen von Frauen. Die Arbeit auf Abruf und im Stundenlohn nimmt zu. Dazu kommt der anhaltende Druck auf die soziale Sicherheit: Trotz dem grossen Sieg in der Abstimmung über den Rentenklau sollen das Rentenalter der Frauen mit der 11. AHV-Revision erhöht und die Leistungen der Arbeitslosenversicherung abgebaut werden. Wird für Frauen die gleiche Pflicht gefordert, muss ihnen auch das gleiche Recht - gerade punkto Lohngleichheit – eingeräumt werden. 2011 jähren sich 40 Jahre Frauenstimmrecht, 30 Jahre Verfassungsartikel, 20 Jahre Frauenstreik und 15 Jahre Gleichstellungsgesetz – eine gute Gelegenheit, weitere erfolgreiche Frauenaktionen durchzuführen. Corinne Schärer Grossrätin Grüne BE und Gewerkschaftssekretärin Gleichstellungspolitik Unia Die Grünen haben zahlreich mitdemonstriert . 17 18 Thema Lehre statt Strasse für die jungen Sans-Papiers Der Nationalrat hat in der Frühlingssession überraschend zwei Motionen angenommen, die verlangen, dass Kinder von Sans-Papiers zu einer Berufslehre zugelassen werden. Hoffentlich zieht der Ständerat im Juni nach. Anne-Catherine Menétrey alt-Nationalrätin VD «Die UNO-Kinder- rechtskonvention garantiert allen Kindern ausdrücklich das Recht auf eine Berufsausbildung.» Mehr Informationen finden Sie auf www.sans-papiers.ch Lausanne war Ende Februar vorgeprescht. Die Stadt entschied, dass künftig vier der insgesamt 150 Lehrstellen in der Verwaltung mit Kindern von Sans-Papiers besetzt werden sollen. Genf doppelte kurz darauf nach. Die Ankündigungen der beiden Städte lösten eine rege Debatte aus, auch auf nationaler Ebene. Offenbar gab dies den Bundesparlamentarierinnen und -parlamentariern den nötigen Anstoss, um zwei entsprechende Motionen anzunehmen; der Nationalrat am 3. März, die Staatspolitische Kommission des Ständerates folgte am 20. April. Auch in den Parlamenten der Kantone Waadt und Genf fanden sich plötzlich Mehrheiten, die kritisierten, dass junge SansPapiers, die nicht für den Status ihrer Eltern verantwortlich sind, ohne Zukunftsperspektiven zur Schwarzarbeit oder einem Leben auf der Strasse verdammt werden. Dabei prangern die Nationale Plattform zu den Sans-Papiers und andere Organisationen die heutige paradoxe Situation schon seit gut zehn Jahren an. So sind Kinder, die in der Illegalität leben müssen, zwar zur Schule, zum Gymnasium und falls möglich sogar zur Universität zugelassen, gleichzeitig jedoch von einer Berufslehre ausgeschlossen. Recht auf Bildung Die Formaljuristen aber schreien auf, weil die Stadt Lausanne ihrer Meinung nach das Recht verletzen wird, wenn sie wirklich Lehrstellen für Sans-Papiers zur Verfügung stellt. Aber welches Recht? Die UNO-Kinderrechtskonvention garantiert allen Kindern ausdrücklich das Recht auf eine Berufsausbildung. Das Berufsbildungsgesetz und die entsprechende Verordnung formulieren als Voraussetzung für eine Lehre nur das erforderliche Alter und einen genügend grossen Schulsack. Einen Vorbehalt bezüglich den Bestimmungen des Ausländergesetzes erwähnen sie nicht. Wieso sollte also plötzlich das Ausländergesetz massgebend sein, während das Recht auf Bildung verletzt werden darf? Eins ist sicher: Wenn der Druck der Städte und der Menschen, die sich um die Zukunft dieser Jugendlichen sorgen, weiterbesteht, und wenn darüber hinaus der Ständerat dem Entscheid des Nationalrates und seiner eigenen Kommission folgt, werden die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden, um den jungen Sans-Papiers den Zugang zur Berufslehre zu ermöglichen. Wer sich dem unter der Berufung auf das Recht widersetzt, vertuscht damit seine Feindseligkeit gegenüber den Migrantinnen und Migranten. Das ist sowohl scheinheilig als auch inkonsequent. Konsequenterweise müssten die gleichen Menschen dann auch die Tore der Schulen vor der Nase dieser illegalisierten Kinder zuschlagen. Anne-Catherine Menétrey Grüne VD sowie Mitgründerin und erste Präsidentin der Plattform zu den SansPapiers greenfo 2 | 2010 erleben, was sie gsstrom bis in urchqueren sie e Wüste. chlepper und ab, den Flüchter moderne oßen Trecks ist chäft. ch für immer. n die Grenzen viel zu vollen n Auffanglager rden wiederen Heimat- FAB R I Z I O GAT TI BILAL Lese- und Filmtipps Als Illegaler auf dem Weg nach Europa tssklaven hat t, als Augeneworden. t beim »Corriere eporter des »Espresm Namen bereits als Obdachlosenquarlt sowie im Mafiabt und recherchiert. end seiner Reportahielt Gatti den Euroreis; für »Bilal« m Premio Terzani Kunstmann Sachbuch Bilal: Als Illegaler Fabrizio Gatti bilal Als Illegaler auf dem Weg nach Europa auf dem Weg Aus dem Italienischen von Friederike Hausmann und Rita Seuß Original: »Bilal. Viaggiare, lavorare, morire da clandestini«, Rizzoli, Mailand 2007 ca. 512 Seiten, mit farbigem Bildteil, gebunden mit Schutzumschlag ca. Euro 24,90 (D) | 25,60 (A) | SFr 42,90 ISBN 978-3-88897-587-5 Warengruppe: 1973 nach Europa Fabrizio Gatti Kunstmann, 2010 ËxHSNISIy975875z Sie kommen aus Mali, Benin, Liberia, 19 Ghana. Sie heissen Daniel, Stephen, James, Joseph oder Kofi. Sie haben Bekannte oder Angehörige, die es nach Europa geschafft haben, und wollen es ihnen gleichtun, um ihr eigenes Leben und das ihrer Familien aus ihrer Ausweglosigkeit zu befreien. Um die Wüste auf Schleppertransporten zu durchqueren und ans Mittelmeer, das Tor zu Europa, zu gelangen, nehmen sie Strapazen und Risiken auf sich, die wir, durch Zufall in Europa geboren, nicht im Entferntesten erahnen können: Hitze, Durst, Hunger, Durchfall sowie Schläge, Erpressung und Erniedrigungen durch Soldaten an den Kontrollposten. Der italienische Journalist Fabrizio Gatti hat sich unter sie gemischt, um uns diese Menschen näher zu bringen, ihre Beweggründe, ihre Träume und Hoffnungen. Viele sterben schon in der Wüste, gestrandet im Niemandsland. Andere ertrinken im Mittelmeer. Und die, die es schaffen? Ihnen steht ein Nichteintretensentscheid oder ein zähes Asylverfahren bevor. Schliesslich landen viele von ihnen im Ausschaffungsgefängnis: zurück auf Feld 1. Diese Menschen sind die Spielfiguren im Millionengeschäft der Schlepper und im migrationspolitischen Geschäft der europäischen Parteien und Regierungschefs. greenfo 2 | 2010 DVD Kriminalroman La Forteresse Alpenrauschen Fernand Melgar, 2008 DVD erhältlich im Verkauf oder unter www.looknow.ch. Sabina Altermatt Piper Verlag, 2009 Wollen wir den Weg von Menschen wie Daniel und Stephen, deren Schicksal uns nach der Lektüre von «Bilal» nicht mehr loslässt, weiterverfolgen, bietet sich der Dokumentarfilm «La Forteresse» an, der am Filmfestival von Locarno den Goldenen Leoparden gewonnen hat. Der Film zeigt den Alltag von Asylsuchenden im Empfangszentrum in Vallorbe VD. Auch hier werden uns Einzelschicksale geschildert, ohne zu werten und ein Urteil zu fällen. Wir sind mit dabei bei den Befragungen, die über die weitere Zukunft dieser Asylsuchenden entscheiden, können die Verzweiflung spüren und auch das Dilemma der Fragestellenden, die eines der restriktivsten Asylgesetze in Europa umsetzen müssen. Grüne Politik in Krimiform: Die Grüne Bündner Nationalrätin Franziska Padrun wird in Zürich überfahren und stirbt. Die Journalistin Flurina Filli vermutet sofort einen Zusammenhang zum geplanten Bau eines Kongresszentrums im Engadin, wo sie selber herkommt. Sie reist nach Sursass – wie Scuol im Buch genannt wird – und beginnt nachzuforschen, was nicht allen gefällt. Sie begegnet alten Schulkameraden und Freundinnen und weiss bald nicht mehr, wem sie trauen kann. Auch die Kommunikationsverantwortliche der AlpinaInvest, die den Bau des Kongresszentrums finanziert, versucht, die Recherchen zu behindern. Doch Flurina Filli wehrt sich gegen alle Störungsmanöver und stellt sich den Geistern aus der eigenen Vergangenheit… Der Krimi ist leicht und flüssig geschrieben – eine ideale Lektüre für alle, die Grüne Politik in leicht verdaubarer Form geniessen möchten. «Bilal» und «La Forteresse» bringen uns Menschen näher, mit deren Schicksal wir uns im Alltag kaum befassen, obwohl sie mitten unter uns leben. Corinne Dobler 19 20 Porträt Flippige Jungpolitikerin Debora Buess, Co-Präsidentin der Jungen Grünen SG, ist erst 19 Jahre alt. Und politisiert mit einer bemerkenswert klaren Haltung in einem Kanton, in dem es nicht einfach ist, Grüne Politik zu machen. «Ich bin mit der Politik mehr oder weniger aufgewachsen», sagt Debora. Ihre Mutter sitzt für die Grünen im St. Galler Stadtparlament, ihre Schwester ist ebenfalls bei den Jungen Grünen. Um sich abzugrenzen, überlegte sich Debora eine Mitgliedschaft bei der JUSO. Doch ein Gleichgewicht zwischen Umwelt- und Sozialpolitik ist ihr wichtig, weshalb sie sich für die Jungen Grünen entschied. Und im Gegensatz zu den «alten» Grünen sind die Jungen Grünen in ihren Augen noch ein bisschen «frischer». Während die Familie sie politisch auf Kurs brachte, ist es in ihrem Wohnkanton weniger einfach, grün und links zu sein: Der Kanton St. Gallen sei extrem konservativ, die Stadt ein bisschen weniger. Aber: «Ich bin da aufgewachsen, ich kenne nichts anderes.» Bei Abstimmungen sei es jeweils schwer, etwas durchzubringen. Entmutigen lässt sie sich dadurch nicht: «Es lässt sich immer wieder etwas finden, was auch in St. Gallen möglich ist.» Mehr zu denken gibt ihr die politische Situation allgemein. Und sie bezieht sich dabei nicht auf die AntiMinarett-Initiative: «Ich bin es leid, darüber zu diskutieren, eigentlich geht es ja hier um eine kleine Sache. Gleichentags wurde das Waffenexportverbot abgelehnt, was eigentlich viel schlimmer ist, aber darüber spricht niemand.» Die Symbolik und die Tendenz sind es, die ihr zu schaffen machen. «Die Rechtspopulisten schaffen es mit solch schwachsinnigen Initiativen, einen Wahlerfolg nach dem anderen zu erzielen. Die Linken dagegen sind oft zu intellektuell und können sich dadurch weniger verständlich machen.» Besser Aktionen als Bürokratie Gerade deshalb setzt Debora auf Aktionen. Spontane Strassenaktionen liegen ihr mehr als Bürokratie und schwerfällige Abläufe. So engagiert sie sich neben den Jungen Grünen seit Neustem in der GSoA und seit Längerem im Sozial- und Umweltforum Ostschweiz (SUFO). Fraglich ist, ob ihr für ihre vielfältigen Engagements auch in Zukunft Zeit bleibt. Denn im September be- greenfo 2 | 2010 21 Debora Buess *1991 in St. Gallen Co-Präsidentin der Jungen Grünen SG Organisationsmitglied des Sozial- und Umweltforum Ostschweiz (www.sufo.ch) und engagierte Realistin ginnt sie das zeitintensive Architektur-Studium an der ETH Lausanne: «Wir brauchen Leute, die ‘gescheite’ Häuser bauen. Wenn ich das Studium schaffen sollte, will ich nicht irgendwelche Bonzen-Häuser bauen, sondern Häuser mit MinergieStandard und gemäss anderen ökologischen Zielvorgaben.» Um sprachlich auf das Studium vorbereitet zu sein, arbeitet sie derzeit als Au-pair in Sion. Sie hütet zwei Mädchen, führt den Haushalt und kocht. «Um Französisch zu lernen, ist das sehr praktisch, aber es ist nicht das, was ich das ganze Leben machen will.» Sollte sie selbst einmal Kinder haben, will sie wie ihre Eltern ein ‘Care-Sharing’ leben: «Die Hälfte der Woche war mein Vater zuhause, die andere Hälfte meine Mutter.» Gegen Sonderzüge Obwohl sie selbst mit der Gleichstellung als etwas Selbstverständlichem aufgewachsen ist, ist ihr klar, dass es immer noch Anstrengungen braucht. Als Mentee von alt Nationalrätin Pia Hollenstein macht sie im (Frauen-) Förderungsprogramm der Grünen Partei der Schweiz mit. «Ich finde es gut, dass die Männer auch mitmachen dürfen. Aber dass Frauen in der greenfo 2 | 2010 Politik gefördert werden, finde ich super.» Sie selbst erlebe es oft, dass sich auch Frauen in ihrem Alter weniger getrauen zu kandidieren und sich weniger gern exponieren. Es sei schwierig, Rednerinnen für Demos und Podien zu finden. Ihre Generation sei zwar eher gegen Sonderzüge, aber: «Solange Frauen immer noch 20 Prozent weniger verdienen und wirklich oft benachteiligt sind, braucht es explizit Frauenförderung.» Zwar steht Debora erst am Anfang ihres politischen, beruflichen und privaten Lebens. Vorbilder für ihre Zukunft braucht sie dennoch nicht: «Ich lebe so, wie ich leben will, mache das, was ich machen will, und dann bin ich (hoffentlich) glücklich.» Corinne Dobler Mitglied der GSoA 2004-2009 Kantonsschule 2009 Migros-Mitarbeiterin Kasse 2010 Au-pair in Sion VS Ab 2010 Architektur an der ETH Lausanne 22 Junge Grüne Menschenrechte: Es gibt noch viel zu tun! Das erste Wochenende der Jungen Grünen des Jahres 2010 hat vom 23. bis 25. April in Yverdon stattgefunden. Thema waren die Menschenrechte und dabei insbesondere die Rechte von Homosexuellen. Nach einer allgemeinen Einführung, der uns einen Überblick über die Entstehung der Menschenrechte und deren Ratifizierung und Umsetzung in der Schweiz verschaffte, haben wir uns mit den Homosexuellen befasst. Wussten Sie, dass zehn Prozent der Schweizerinnen und Schweizer nicht heterosexuell sind? Dies bedeutet, dass diese zehn Prozent aufgrund ihrer sexuellen Orientierung systematische Diskriminierungen erleben. In der Schule, auf der Suche nach einer Arbeitsstelle, in der Öffentlichkeit, in der Werbung, in der Eheschliessung, in der Erfüllung ihres Kinderwunschs sowie in vielen anderen Lebensbereichen. Die Diskriminierung erschwert den nicht Heterosexuellen die Auslebung nicht nur ihres sexuellen, sondern auch ihres sozialen Lebens. Diese Einschränkung verstösst klar gegen die Menschenrechte. Deshalb ist es notwendig, sich für die Rechte der Homo- und Bisexuellen einzusetzen. terschiedlichen Bezeichnungen «Ehe» und «eingetragene Partnerschaft» machen dies deutlich. Hinzu kommt, dass homosexuelle Paare nicht die gleichen Rechte haben und beispielsweise von der Adoption von Kindern ausgeschlossen sind. Paradoxerweise können ledige Personen Kinder adoptieren, eingetragene Paare hingegen nicht. Dies zwingt die Homosexuellen zur Wahl zwischen gemeinsamen Kindern und der Eintragung der Partnerschaft. Noch schlimmer ist, dass nur ein Elternteil offiziell Verantwortung trägt, wenn das Paar sich für Kinder entscheidet. Bei einer Trennung der Eltern oder dem Tod eines Elternteils kann dies zu grossen Problemen führen. Schon nur diese Beispiele zeigen klar, dass auch in der Schweiz noch eine Menge zu tun ist, damit die Menschenrechte wirklich umgesetzt werden. Demnächst werden die Jungen Grünen Forderungen ausarbeiten, um diesem Ziel ein bisschen näher zu kommen. Tobias Kuhnert Junge Grüne BE Keine Adoption Im Alltag äussert sich die Ungleichbehandlung am stärksten in der Anerkennung der Beziehung seitens des Staates. Die kürzlich entstandene eingetragene Partnerschaft ist ohne Zweifel ein Schritt in die richtige Richtung. Von effektiver Gleichstellung zwischen Hetero- und Nicht-Heterosexuellen kann jedoch noch keine Rede sein. Schon nur die un- greenfo 2 | 2010 Grüne International 23 Klimaschutz beschäftigt Europäische Grüne Mehr als 300 Delegierte und Interessierte aus den Mitgliedsparteien der Europäischen Grünen Partei haben sich im März zum «Council Meeting» in Barcelona getroffen. Ein Thema war der Klimaschutz nach Kopenhagen. Die Enttäuschung, dass an der Klimakonferenz in Kopenhagen im vergangenen Dezember keine verbindlichen Massnahmen vereinbart wurden, sitzt auch bei den Europäischen Grünen immer noch tief. Doch es herrschte grosse Einigkeit darüber, dass sie sich jetzt nicht frustriert vom Prozess abwenden sollten. Sie beschlossen, auf europäischer wie auch jeweils auf nationaler Ebene noch mehr Druck zu machen, damit die EU endlich wieder eine aktive Vorreiterrolle einnimmt. Das Ziel muss jetzt ein international verbindliches Abkommen für den Klimagipfel in Cancún sein. Auch die europäische Wirtschaftsstrategie (EU 2020) und europäische Lösungswege für die aktuellen Finanz-, Wirtschafts- und Klimakrisen beschäftigten die Delegierten. Die Nachwehen der Wahlen ins Europäische Parlament des vergangenen Jahres waren ebenfalls immer noch spürbar. Sie waren zwar ein Erfolg für die Grünen gesamthaft, vor allem in Frankreich. Gleichzeitig manifestierte sich jedoch die Schwäche der Grünen in Süd- (Spanien, Italien, Griechenland, Portugal) und Osteuropa, obwohl die Grünen die eifrigsten Verfechter der EU-Osterweiterung waren. Die Europäischen Grünen werden sich deshalb darum bemühen, im Süden und im Osten stärker zu mobilisieren. Das Beispiel Ungarn zeigt, dass eine Strategie der Öffnung rasch Früchte tragen kann. Die neue ungarische Partei LMP («Politik kann anders sein»), die am letzten Treffen der Europäischen Grünen als Beobachterin zugelassen worden war, greenfo 2 | 2010 eroberte bei den Parlamentswahlen im April 2010 auf Anhieb 7,43 Prozent der Stimmen. Schweizer Resolution angenommen Ein Erfolg für die Schweizer Delegation war die einstimmige Annahme einer Resolution von Yahya Hassan Bajwa. Sie fordert die Europäischen Grünen auf, sich unverzüglich an die Europäische Kommission und das Europäische Parlament zu wenden. Diese sollten die Verletzung der Menschenrechte in Pakistan verurteilen und Massnahmen verabschieden, damit dem Töten von religiösen Minderheiten Einhalt geboten wird. Die Spitze der Europäischen Grünen wurde in Barcelona neu besetzt. Im Co-Präsidium ist neu Monica Frassoni aus Italien vertreten. Sie ist ehemalige Sprecherin der Grünen Fraktion im Europäischen Parlament und ersetzt Ulrike Lunacek aus Österreich. Frassoni ergänzt den bisherigen CoPräsidenten Philippe Lambert. Lunacek und Lambert wurden beide vor Kurzem ins Europäische Parlament gewählt. Jean Rossiaud Delegierter der Grünen Schweiz bei den Europäischen Grünen Die Resolution «Human Rights Violations by the State of Pakistan» von Yahya Hassan Bajwa und die anderen Resolutionen finden Sie auf www.europeangreens.eu 24 Informationsbulletin der Grünen Partei der Schweiz Nr. 2 | April 2009 Wie wir den Ausbau der Bahn finanzieren können Grüne on jetzt line: neu! www. gruene .ch Wieso wir keine biometrischen Pässe wollen S. 5 Wieso wir keine neuen Grosskraftwerke brauchen S. 10/11 Informationsbulletin der Grünen Partei der Schweiz Nr. 4 | November 2009 Für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten Wieso die Minarett-Initiative gefährlich ist S. 8 Klimaschutz kann gegessen werden S. 15 Informationsbulletin der Grünen Partei der Schweiz Liebe greenfo-Leserin, lieber greenfo-Leser Wir freuen uns sehr, dass Sie das greenfo abonniert haben. Auf diese Weise sind Sie immer informiert über Abstimmungsvorlagen, News aus Bundesbern und Veranstaltungen. Sie erhalten Hintergrundinformationen zu den Themen Umwelt und Klima, Soziales, globale Solidarität und nachhaltige Wirtschaft. Nr. 1 | Februar 2010 In Würde altern NEIN zum Rentenklau! Hat es in Ihrem Bekanntenkreis Leute, die das greenfo noch nicht abonniert haben und die sich für ein Abonnement interessieren? Zu Ihrer Erinnerung: Ein Jahresabonnement mit vier Ausgaben kostet nur 20 Franken. Schenken Sie Ihren Freunden oder Bekannten ein greenfo Abo! Sie erhalten dafür ein kleines Geschenk! Rückblick auf Kopenhagen S. 10 Keine neuen Atomkraftwerke: Die Grüne Kampagne geht los! S. 17 Ich schenke ein greenfo Abo! 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