Wissenschaftliches Institut der AOK Pressemitteilung Berlin, 12. Mai 2015 HAUSANSCHRIFT Rosenthaler Str. 31 · D-10178 Berlin POSTANSCHRIFT Postfach 11 02 46 · D10832 Berlin TELEFON +49 30 34646-2393 FAX +49 30 34646-2144 INTERNET www.wido.de E-MAIL [email protected] GKV-Arzneimittelindex: So viele teure neue Medikamente wie nie zuvor Berlin. Im Jahr 2014 wurden in Deutschland 45 neue Arzneistoffe auf den Markt gebracht, so viele wie nie zuvor. Gleichzeitig gab es noch nie so viele neue Arzneimittel, die so teuer waren. Darunter befindet sich auch das Arzneimittel Sovaldi mit dem neuen Wirkstoff Sofosbuvir, das zur Behandlung von Hepatitis C eingesetzt wird und zu Therapiekosten von bis zu 120.000 Euro führen kann. „Allein das Arzneimittel Sovaldi, das Mitte Februar 2014 in den deutschen Markt eingeführt wurde, hat im vergangenen Jahr bereits zu Mehrkosten in Höhe von knapp 450 Millionen Euro geführt“, so Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), anlässlich der Veröffentlichung der aktuellen Arzneimittelklassifikation des GKV-Arzneimittelindexes. Mit 45 neu eingeführten Wirkstoffen ist 2014 das Niveau der Vorjahre deutlich übertroffen worden. So wurden 2013 nur 26 neue Arzneimittel eingeführt, im bisherigen Spitzenjahr 2009 waren es 36. Mit 14 Medikamenten befinden sich unter den Neueinführungen ungewöhnlich viele so genannte Orphan Drugs, also Arzneimittel, die für die Behandlung seltener Erkrankungen zugelassen und nur für sehr wenige Patienten nutzbar sind. Gleichzeitig gab es unter den neuen Arzneimitteln noch nie so viele teure Packungen. Bei den 45 Neueinführungen hatten 8 verordnete Wirkstoffe mindestens eine Packung mit einem Preis über 10.000 Euro. In den vorangegangenen Jahren waren es jeweils deutlich weniger (vgl. Abbildung 1). Der Blick auf das Wirkstoffprofil des Jahres 2014 zeigt, dass mit 20 Wirkstoffklassen bereits mehr als 75 Prozent des Nettoumsatzes erreicht wurden. Besonders kostenintensiv waren Arzneimittel zur Behandlung von Krebserkrankungen sowie Wirkstoffe, die das Immunsystem beeinflussen. Diese beiden Bereiche machten im vergangenen Jahr allein 18 Prozent des Nettoumsatzes aus. Neben vielen Neueinführungen zur Behandlung von Krebserkrankungen (5) und zur Behandlung von Diabetes (4) fällt vor allem die hohe Anzahl an neuen patentgeschützten Wirkstoffen gegen infektiöse Erkrankungen (7) auf, hierzu zählen die neuen Arzneimittel zur BehandSeite 1 von 5 W is s en s ch af t li ch e s I n st it u t d e r AO K ( W Id O ) Seite 2 von 5 P re s se mit t e ilu n g v o m 12 . M ai 2 0 15 lung der Hepatitis C. Nach ersten Schätzungen konnten damit 2014 rund 7.800 Patienten auf eine neue Hepatitis-C-Therapie umgestellt werden. Durch den sukzessiven Markteintritt dieser neuen Hepatitis-C-Produkte wird erwartet, dass sich die 2014 gestartete Umstellung im laufenden Jahr noch beschleunigt. Von den geschätzten ca. 100.000 Patienten mit Hepatitis C werden dann zunehmend mehr mit den neuen Arzneimitteln therapiert . Die aktuellen Analysen des WIdO basieren auf der überarbeiteten ATC-Klassifikation mit Tagesdosen für das Jahr 2015. Experten aus Wissenschaft und Praxis können mit der Klassifikation herausfinden, welche der über 68.000 verschiedenen verordneten Arzneimittelpackungen mit welchen der ca. 2.450 unterschiedlichen Wirkstoffen/Wirkstoffkombinationen in welchen Mengen im Jahr 2014 verbraucht wurden. Insgesamt 651 Millionen Arzneimittelpackungen haben die 70 Millionen Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland 2014 von niedergelassenen Ärzten und Zahnärzten verordnet bekommen. In diesen Arzneimitteln waren 39,6 Milliarden Tagesdosen enthalten. Jeder Versicherte hat durchschnittlich 563 Tagesdosen verbraucht und somit täglich mehr als 1,5 Arzneimittel eingenommen, so das WIdO. Hintergrund Seit 1981 analysiert das WIdO mit dem GKV-Arzneimittelindex den deutschen Arzneimittelmarkt. Ziel ist eine verbesserte Anwendungs- und Markttransparenz. Denn erst die eindeutige Zuordnung von Arzneimitteln mithilfe der ATC-Systematik und die Messung der verordneten Arzneimittelmenge mit definierten Tagesdosen (defined daily doses, DDD) ermöglichen eine tiefergehende und reproduzierbare Analyse der Verordnungsdaten. Hierfür stellt die aktuelle Klassifikation Kategorien für mehr als 7.000 Wirkstoffe und Wirkstoffgruppen sowie die jeweils zugehörigen Tagesdosen (DDD) als Maßeinheit zur Messung des Verbrauches bereit. Die Arzneimittelklassifikation des GKV-Arzneimittelindex basiert auf dem international geltenden anatomisch-therapeutisch-chemischen (ATC) System der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und wurde speziell an die Situation des deutschen Arzneimittelmarktes angepasst und erweitert. „Seit nunmehr 13 Jahren wird die Systematik einschließlich der vollständigen Methodik der ATC-Klassifikation und DDD-Festlegung jährlich veröffentlicht und hat sich in der Fachwelt als methodischer „Goldstandard“ bei der Durchführung von Arzneimittelanalysen und in der Arzneimittelverbrauchsforschung etabliert“, so der stellvertretende WIdO-Geschäftsführer Schröder. Zu den Nutzern zählen beispielsweise die GKV-Arzneimittelschnellinformation (GAmSI), die Ärzten Informationen über ihr Verordnungsverhalten zur Verfügung stellt. Seit 2009 dient die Klassifikation auch der Identifikation erkrankter Versicherter im Rahmen des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleiches. Bei der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln nach Paragraf 35a Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V/AMNOG) beruhen die Berechnungen der W is s en s ch af t li ch e s I n st it u t d e r AO K ( W Id O ) Seite 3 von 5 P re s se mit t e ilu n g v o m 12 . M ai 2 0 15 Therapiekosten ebenfalls auf der ATC/DDD-Klassifikation. Darüber hinaus werden die Klassifikationen von zahlreichen Universitäten für Projekte in der Versorgungsforschung genutzt. Die nun publizierte Klassifikation des GKV-Arzneimittelindex wird – wie bereits seit neun Jahren – unter Einbindung von Krankenkassen, Ärzten, Apothekern und Pharmaindustrie im Rahmen der Arbeitsgruppe ATC/DDD des Kuratoriums für Fragen der Klassifikation im Gesundheitswesen vom Bundesministerium für Gesundheit zum 1. Januar 2016 amtlich erklärt. Die ATC-Systematik des GKV-Arzneimittelindex berücksichtigt sowohl die aktuelle internationale Systematik als auch nationale Anpassungen für Deutschland und bildet damit den gegenwärtigen Arzneimittelmarkt in Deutschland umfassend ab. Die vollständige Publikation des ATC-Index mit DDD-Angaben einschließlich der Methodik der ATC/DDD-Klassifikation ist ab sofort auf der Website des WIdO kostenfrei als Download abrufbar. Mehr Infos im Internet: http://wido.de/arz_atcddd-klassifi.html Uwe Fricke, Judith Günther, Anette Zawinell, Rana Zeidan Anatomisch-therapeutisch-chemische Klassifikation mit Tagesdosen für den deutschen Arzneimittelmarkt Methodik der ATC-Klassifikation und DDD-Festlegung. ATC-Index mit DDD-Angaben. Stand April 2015 Berlin 2015 Pressekontakt: Wissenschaftliches Institut der AOK Tel.: 030/34646-2131 E-Mail: [email protected] W is s en s ch af t li ch e s I n st it u t d e r AO K ( W Id O ) Seite 4 von 5 P re s se mit t e ilu n g v o m 12 . M ai 2 0 15 2014: So viele und so teure neue Arzneimittel wie nie zuvor. Abbildung 1: Anzahl der neu eingeführten Wirkstoffe in den Jahren 2005-2014 und Anzahl der Arzneimittel mit mindestens einer verordneten Packung zum Preis von mehr als 10.000 Euro (nach Apothekenverkaufspreis) 50 45 40 8 1 35 1 0 30 3 25 0 0 2 2 1 20 15 10 5 0 2005 2006 2007 2008 2009 Anzahl < 10T € 2010 2011 2012 2013 2014 Anzahl > 10T € © WIdO 2015 W is s en s ch af t li ch e s I n st it u t d e r AO K ( W Id O ) Seite 5 von 5 P re s se mit t e ilu n g v o m 12 . M ai 2 0 15 Mehr als 75 % des Nettoumsatzes werden mit nur 20 Wirkstoffgruppen umgesetzt Tabelle 1: Nettoumsatz der 20 verordnungsstärksten Wirkstoffgruppen 2014 mit dem jeweils häufigstem verordneten Präparat Nettoumsatz in Mio. Euro 2014 Anzahl neuer patentgeschützter Wirkstoffe 2014 ATC Wirkstoffgruppe (häufigstes verordnetes Präparat) L04 Immunsuppressiva (Prograf) Erkrankungen des Immunsystems und Transplantaten 3.152,3 2 A10 Antidiabetika (Metformin Lich) Diabetes 2.085,3 4 C09 Mittel mit Wirkung auf das ReninAngiotensin-System (Rami Lich) Herz-Kreislauf-Erkrankungen 1.615,8 0 R03 Mittel bei obstruktiven Atemwegserkrankungen (SalbuHEXAL) Atemwegserkrankungen 1.614,4 3 N02 Analgetika (Novaminsulfon Lichtenstein) Schmerzen und Entzündungen 1.558,3 0 J05 Antivirale Mittel zur systemischen Anwendung (Aciclostad) Infektiösen Erkrankungen 1.533,9 5 B01 Antithrombotische Mittel (ASS 100 - 1 A Pharma) Herz-Kreislauf-Erkrankungen 1.404,3 1 L03 Immunstimulanzien (Rebif) Erkrankungen des Immunsystems 1.238,7 2 L01 Antineoplastische Mittel (Syrea) Krebserkrankungen 1.227,9 5 N06 Psychoanaleptika (Citalopram dura) Psychischen Erkrankungen 1.056,8 0 N05 Psycholeptika (Tavor) Psychischen Erkrankungen 930,8 1 N03 Antiepileptika (Lyrica) Epilepsie 800,5 0 A02 Mittel bei Säure bedingten Erkrankungen (Pantoprazol-Actavis) Magen-Darm-Erkrankungen 751,0 1 J01 Antibiotika zur systemischen Anwendung (Amoxi- 1 A Pharma) Infektiösen Erkrankungen 699,3 2 L02 Endokrine Therapie (Tamoxifen AL) Krebserkrankungen 668,5 0 M01 Antiphlogistika und Antirheumatika (Ibuflam/-Lysin) Schmerzen und Entzündungen 667,4 0 S01 Ophthalmika (Floxal) Erkrankungen der Augen 656,6 0 C07 Beta-Adrenozeptor-Antagonisten (MetoHEXAL/-succ HEXAL) Herz-Kreislauf-Erkrankungen 594,3 0 C10 Mittel, die den Lipidstoffwechsel beeinflussen (Simvastatin/Simva Aristo) Herz-Kreislauf-Erkrankungen 533,4 1 N04 Antiparkinsonmittel (Levodopa Benserazid-neurax) Morbus Parkinson 513,8 0 Zur Anwendung bei ... Summe 23.303,1 27 Anteil an Gesamt in % 75 60 Gesamt 31.009,5 45 © WIdO 2015
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