KAB Impuls 1/2015 - KAB

Abstieg Hartz IV
Die Arbeitsmarktreformen von 2005
haben die deutsche Gesellschaft noch
stärker gespalten. 06
Filmprojekt Integration
Jugendliche entdecken durch
das gemeinsame Filmen traurige
Flüchtlingsschicksale. 16
Jan./Feb.
1/2015
Baustelle Europa
Der grüne Europaabgeordnete
Sven Giegold sieht die große
Chance für einen TTIP-Stopp. 30
Impuls
www.kab.de
ISSN 1434-4386
M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T
VORWORT
Die Arbeitsmarktreformen, die vor zehn Jahren mit der letzten Stufe
in Kraft traten, haben die Republik verändert. Menschen, die jahrelang
gearbeitet haben und arbeitslos werden, fürchten Hartz IV. Die Angst
vor dem sozialen und gesellschaftlichen Abstieg ist groß.
Angst und Unsicherheit drücken sich auch in den
gegenwärtigen Demonstrationen aus. Immer mehr
Menschen fühlen sich abgehängt, überfordert durch
die gesellschaftlichen Veränderungen, Angst und
Unsicherheit schlagen in Hass um. Der Armutsforscher Christoph Butterwegge wirft im Schwerpunkt des Heftes einen Blick auf die sozialen Folgen
von Hartz IV.
Rechtsradikale und nationalistische Rattenfänger nutzen die Verunsicherung mit falschen Versprechungen
aus. Sie gaukeln vor, den Verängstigten eine Stimme
zu geben, doch in Wirklichkeit wollen sie deren Stimmen für ihre politischen Ziele ausnutzen. Siebzig Jahre
nach der Ermordung von Nikolaus Groß und Bernhard
Letterhaus durch die Nationalsozialisten ist es für
viele KAB-Mitglieder deshalb Aufgabe und Verpflichtung, sich diesen Ängsten und Radikalisierungen
entgegenzustellen.
Dass es anders geht, zeigt die Reportage über Jugendliche, die in Mecklenburg-Vorpommern sich mit
Mikrofon und Kamera dem Thema Flüchtlinge
stellen und Verständnis, Anteilnahme und neue
Freundschaften erfahren.
Dass es gemeinsam besser geht, erfahren die Frauen
und Männer in den KAB-Vereinen vor Ort täglich.
Allein macht keinen Sinn. Dies ist auch ein Ergebnis
der Bamberger Puzzle-Auswertung. Mehr erfahren
Sie in dieser IMPULS-Ausgabe. Ihre Redaktion
Matthias Rabbe
I N H A LT S V E R Z E I C H N I S
| POLITIK |
Kreller neuer ACA-Vorsitzender
KAB und CDA zum Freihandelsabkommen
Wer macht was? – Personen
| THEMA |
Hartz spaltet die Gesellschaft
Armutsforscher zu Hartz-IV-Folgen
Viele Arbeitsplätze – wenig Lohn
KAB für Mindestlohnkontrollen
Papst prangert schlechte Arbeit an
Neue Arbeit mit der Generation Y
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| KIRCHE UND ARBEIT |
KAB muss pastorale Räume nutzen
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Kardinal Woelki kritisiert Flüchtlingspolitik 13
Kriege schaffen Flüchtlingsprobleme
13
| KAB-IMPULSE |
Präses Stein fordert Postwachstumsgesellschaft
Gedenken an Nikolaus Groß
Gutes Wirtschaften mit Car-Sharing
Puzzle-Auswertung: Was ist der Sinn?
Film zeigt Großpuzzle-Fest in Duisburg
KAB vor Ort
KAB-Regensburg zur Rentenfinanzierung
KAB Eichstätt gegen Billig-Primark
ACA Hessen: Selbstverwaltung stärken
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20
20
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25
25
KAB Münster gegen Pegida-Demos
DV Paderborn gegen Werkverträge
Erfolg: Kurpfälzer Sozialtage
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26
26
| GESELLSCHAFT |
Integration: Jugend filmt Jugend
Kunst zum Überleben
Miete macht wieder arm
EU-Politiker Giegold zu TTIP
Schalker Schüler puzzeln Lebenssinn
Vom Hobby zum Ehrenamt
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32
33
| KAB-SERVICE |
Buchtipps:
Leserbriefe
Impressum
Besinnliches: Was wir sagen
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34
36
KAB-IMPULS 2015
Die Arbeitsmarktreformen haben die
Gesellschaft gespalten. 6
Gelsenkirchener Lehrerin nutzt KABPuzzle-Teile für den Religionsunterricht. 32
Ausgabe
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Mo. 26.01.
ERSCHEINUNGS-
2-2015
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Mo. 16.03.
TERMINE
3-2015
Fr. 22.05.
Mo. 18.05.
4-2015
Fr. 24.07.
Mo. 20.07.
5-2015
Fr. 25.09.
Mo. 21.09.
6-2015
Fr. 27.11.
Mo. 23.11.
IMPULS
2015
POLITIK
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TTIP-Abkommen geht
zu Lasten der Beschäftigten <<
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KAB UND CDA STELLEN FORDERUNGSKATALOG AUF UND DIFFERENZEN FEST
In einer Erklärung haben die Katholische
Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands
(KAB) und die Christliche Arbeitnehmerschaft (CDA) die gravierenden Probleme
des TTIP-Freihandelsabkommens zwischen der EU und USA aufgezeigt.
In einem Sechs-Punkte-Katalog fordern
KAB und CDA nach einer Fachtagung die
Bundesregierung und die EU-Kommission
auf, insbesondere Arbeitnehmerrechte
sowie Schutzstandards in den Verhandlungen stärker zu verankern. Es sollten die
jeweils höheren Standards zum Tragen
kommen. Zudem müssten die acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO)von allen Vertragspartnern ratifiziert werden.
Dazu gehöre eine „völlige Transparenz bei
Verhandlungen, Verabschiedung und Ratifizierung. Politik, Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft müssen über Verhandlungsstand und Vertragsentwürfe debattieren
können“, so die Erklärung, die Bundesvorsitzende Regina Stieler-Hinz und der stellvertretende CDA-Bundesvorsitzende Christian Bäumler unterzeichneten.
KAB und CDA setzen sich für die demokratische Einbindung nationaler Gremien
sowie des EU-Parlaments und gesellschaftlicher Akteure wie der Gewerkschaften und
Verbände ein.
„Wir lehnen die angedachten Regelungen
zum Investitionsschutz samt InvestorStaats-Schiedsgerichtsverfahren ab.“
Fachreferent Michael Elfer erklärte, dass
Schiedsgerichte grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien beschädigen und die
demokratische Entscheidungsgewalt einschränken. „Was bisher in Sachen Schiedsgerichte vereinbart wurde, ist langfristig
nicht haltbar“, erklärte auch CDA-Vertreter Bäumler.
Ralf Welter, KAB-Diözesanvorsitzender und
TTIP-Experte, bezeichnete das Freihandelsabkommen als einen neuen Gesellschaftsvertrag, der alle zukünftigen Gesetze in
den EU-Staaten beeinflussen könne. Eine
soziale Marktwirtschaft sei nicht mehr zu
gestalten, da politisches Handeln unter
das Diktat der Privatisierung aller Bereiche
gestellt werde. „Gleichzeitig wird eine
Rücknahme der geschaffenen Privatisie-
rung staatlicher Daseinsvorsorge im
Gesundheits- oder Bildungsbereich fast
unmöglich“ warnt Dr. Welter.
VERHANDLUNGS-STOPP
ODER -ABSCHLUSS?
Nicht zuletzt einigten sich CDA und KAB
darauf, dass insbesondere der Gestaltungsspielraum der Kommunen im Bereich der
öffentlichen Daseinsvorsorge garantiert
bleiben muss. „Die Gebietskörperschaften
müssen bei Ausgestaltung und Organisation
ihrer öffentlichen Daseinsvorsorge die
Gestaltungshoheit behalten.“ Anders als
die KAB, die den Abbruch der Verhandlungen fordert, um eine Absenkung von
Schutzstandards sowie die Deregulierung
öffentlicher Dienstleistungen und Kulturgüter zu vermeiden, sieht die CDA „in einem Freihandelsabkommen große Chancen,
beispielsweise auf
fairen Wettbewerb,
einfacheren Warenaustausch und neue
Arbeitsplätze“. ■
Mehr unter: www. kab.de
TTIP-Experte Michael Erfler informierte die Teilnehmer/-innen der
Fachtagung über die Praxis von Schiedsgerichten. Foto: Kolakowski
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Hannes Kreller ist neuer ACA-Bundesvorsitzender <<
Hannes Kreller neuer
ACA-Bundesvorsitzender. Foto: DAK
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KAB-Sozialexperte Hannes Kreller ist zum neuen Bundesvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Christlicher
Arbeitnehmerorganisationen (ACA) gewählt worden. Kreller führte die Arbeitsgemeinschaft, zu der das
Kolpingwerk, die KAB Deutschlands und der Bundesverband evangelischer Arbeitnehmer gehören, nach
dem Ausscheiden von Georg Hupfauer bereits kommissarisch. Kreller fordert die Politik auf, die Rahmenbedingungen für ehrenamtliche Arbeit zu verbessern. „Wer sich für die Gesellschaft einsetzt, darf von der
Politik Unterstützung erwarten!“ Die KAB setzt sich daher für eine stärkere Qualifizierung und bessere
Freistellung des Ehrenamtes ein.
Auf der Delegiertenversammlung Ende letzten Jahres sprachen sich die kirchlichen Sozialverbände für
eine Reform der Sozialwahlen im Sinne einer Stärkung der Selbstverwaltung aus. „Die Entscheidungsund Gestaltungskompetenz muss ausgebaut werden“, so Kreller. Eine zunehmende wettbewerbspolitische
Sicht im Gesundheitssystem dürfe nicht zu Lasten der kranken Menschen gehen. In der Rentenversicherung müssen die Beteiligungsrechte, insbesondere bei der Festsetzung des Beitragssatzes und den Entscheidungen über das Reha-Budget, gestärkt werden.
www.aca-online.de
K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N
POLITIK
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Menschen mischen mit
Wer macht was?
ARBEITEN GEGEN DIE ANGST
Regelmäßig sitzt Johannes Brinkhus im
Cloppenburger Pfarrbüro und beantwortet
die Fragen von hilflosen Arbeitern aus
den Ostblockstaaten. Kein Urlaub, kein
Urlaubsgeld, kein Weihnachtsgeld, erzwungene Überstunden die Probleme der Arbeiter sind ein Teil des deutschen Wirtschaftssystems und beruhen auch auf
Unwissenheit. „Und viele haben Angst“,
meint der engagierte Arbeitsrechtler, der
diesen Arbeitern unentgeltlich hilft ihre
Fragen beantwortet, Rechtsbeistand leis-
| JOHANNES
BRINKHUS |
| INGE
HANNEMANN |
UNBEQUEME WEGGELOBT
Inge Hannemann und die Stadt Hamburg
haben einen Vergleich geschlossen. Die als
Hartz-IV-Rebellin bekannt gewordene Mitarbeiterin eines Hamburger Job-Centers ist
ins Integrationsamt versetzt worden. Sie
hatte sich geweigert, Sanktionen gegen
INGE HANNEMANN WEHRTE
Langzeitarbeitslose zu verhängen. DaraufSICH GEGEN DAS SYSTEM
hin wurde sie vom Dienst suspendiert und
versetzt. „Ich bin raus, weil ich Missstände
öffentlich gemacht habe“, sagte Hannemann im Gerichtssaal. „Es wäre nichts passiert, wenn ich Dienst nach Vorschrift gemacht hätte.“ Sie solle mundtot gemacht
werden, glaubt sie. „Man lobt mich im Grunde weg“, sagt sie. Die 45-jährige Angestellte der Arbeitsagentur wehrt sich vor dem Arbeitsgericht gegen ihre Suspendierung, nachdem sie das „System Hartz IV“ als menschenunwürdig kritisiert hatte.■
BAYERN SPRECHEN
VIELE SPRACHEN
JOHANNES BRINKHUS HOFFT
AUF SYSTEMVERÄNDERUNG
tet und manchem zu seinem Recht verhilft. Gemeinsam mit seiner Frau arbeitet
er im Netzwerk „Menschenwürde in der
Arbeitswelt“ (MIDA), in dem auch die KAB
Oldenburg vertreten ist. Brinkhus kämpft
dafür, dass Arbeits- und Sozialrechte nicht
nur auf dem Papier stehen. Er hofft, dass
die Politik aufwacht und die Fehler im
System beseitigt. ■ Foto: Rottmann/Kirche & Leben
Gegen die Zunahme der englischen Sprache in Schule, Universität und Bundestag
hat sich der Vizepräsident des Deutschen
Bundestages und KAB-Mitglied Johannes
Singhammer gewendet. In einem Interview erklärte er, dass es immer seltener
Stellungnahmen des Bundestags gebe,
„weil die Kolleginnen und Kollegen in den
Ausschüssen keine englischen Fachtexte
beraten wollen“, die aus der europäischen
Gesetzgebung kommen. Dagegen sei
Bayerisch eine „echte europäische Sprache“, denn für bayerische Politiker seien „Grundfertigkeiten in Altbayerisch,
Schwäbisch und Fränkisch unverzichtbar“.
| JOHANNES
SINGHAMMER |
JOHANNES SINGHAMMER, CSUPOLITIKER UND KAB-MITGLIED
Im bayerischen Klartext bedeutet dies,
so Singhammer: „Bayern ist schon mehrsprachig!“ ■
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Malstile können erprobt werden, gestisch, flächig, wild, wässrig. Dabei wird der
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Telefon: 0 27 64 / 69-0, E-Mail: [email protected]
www.josef-gockeln-haus.de
Impuls Nr. 1 | 2015
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TITELTHEMA
HARTZ IV SPALTET DIE GESELLSCHAFT
Foto: dpa
Für die einen sind die Arbeitsmarktreformen, denen das ehemalige VW-Vorstandsmitglied Peter Hartz
als Kommissionsvorsitzender seinen Namen gab, ein Erfolg, die Deutschland ein Beschäftigungswunder ermöglicht haben, wie die jüngsten Arbeitsmarktzahlen belegen. Über 42 Millionen Personen
gingen 2014 einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Für die anderen ist es ein Gesetz der Angst. Keine andere Arbeitsmarktreform hat Deutschland mehr gespalten. Für Millionen Menschen ist Hartz IV täglich bittere Realität. Für fast alle Beschäftigten ist der Regelsatz ein Almosen,
das nach einem Jahr Arbeitslosigkeit jedem droht. Was Familie war ist heute Bedarfsgemeinschaft.
Bereits vor der Einführung 2004 warnte die damalige KAB-Bundesvorsitzende Birgit Zenker auf der
europaweiten Kundgebung gegen Sozialabbau vor einer Spaltung der Gesellschaft durch die HartzRegelungen. Zehn Jahre später räumt auch SPD-Chef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel Fehler
ein. „Schon damals hätten wir den Mindestlohn einführen müssen, damit dieser unfaire Niedriglohnsektor sich nicht derart ausbreitet“, gesteht er heute ein.
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TITELTHEMA
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Die verhartzte
Gesellschaft
TIEF GREIFENDER WANDEL DURCH AGENDA 2010 – 10 JAHRE HARTZ IV
Wer in dem als „Hartz IV“ bekannten Gesetzespaket nur eine von
mehreren Arbeitsmarktreformen sieht, versteht es genauso wenig
wie die sehr viel weiter reichenden Intentionen und die gesellschaftspolitischen Ambitionen seiner Urheber. Schließlich bildeten
die Hartz-Gesetze, vor allem deren viertes, den Kristallisationskern
eines umfassenden Projekts zur Restrukturierung der Gesellschaft.
Es ging dabei nicht bloß um Leistungskürzungen in einem Kernbereich des staatlichen Sicherungssystems, sondern vielmehr um
einen arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Paradigmenwechsel, anders formuliert: um eine gesellschaftliche Richtungsänderung, weil
sie – dies war von Anfang an klar – das Gesicht der Bundesrepublik
auf Jahrzehnte prägen wird. Die rot-grünen, durch eine Mehrheit
der damaligen Oppositionsparteien CDU, CSU und FDP im Bundesrat, die Kompromissbereitschaft der Regierungsparteien und nachfolgende Bundesregierungen verschärften „Agenda“-Reformen
haben den Wohlfahrtsstaat sowie Deutschland insgesamt so stark
verändert, dass man ohne Übertreibung von einer Hartz-IV-Gesellschaft oder einer Hartz-IV-Republik sprechen kann.
BEDARFSGEMEINSCHAFT STATT FAMILIE
Der frühere Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement
hat das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt seinerzeit die „Mutter aller Reformen“ genannt. Tatsächlich
wandelte sich Deutschland in den zehn Jahren seit Einführung der
Arbeitsmarktreform am 1. Januar 2005 tiefgreifend: Sowohl die
von dem Gesetzespaket unmittelbar Betroffenen als auch ihre
Angehörigen und die mit ihnen in einer „Bedarfsgemeinschaft“
zusammenlebenden Personen werden stigmatisiert, sozial ausgegrenzt und isoliert. Auch für alle übrigen Gesellschaftsmitglieder
hat sich die soziale Fallhöhe durch Hartz IV erheblich vergrößert.
Arbeitnehmer/-innen, Betriebsräte und Gewerkschaften stehen unter massivem Druck, Lohn- und Gehaltseinbußen sowie schlechtere
Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, seit die Furcht vor dem materiellen Absturz sogar in der Mittelschicht um sich greift. Die mit
den Hartz-Reformen in Gang gesetzte soziale Abwärtsspirale
erschwert den normalen Alltag vieler Durchschnittsbürger/-innen,
beeinträchtigt jedoch auch ihren aufrechten Gang.
MIT JEDER ARBEIT ZUFRIEDEN
Seit die rot-grüne Koalition den Arbeitsmarkt liberalisiert hat, nahm
nicht bloß der Druck auf Löhne und Gehälter, sondern auch die
Bereitschaft eines Teils der Bevölkerung zu, ein Anwachsen extremer Armut hinzunehmen, wenn dadurch nur für mehr Beschäftigung gesorgt würde. In weiten Bevölkerungskreisen überwog offenbar die Meinung, dass die Massenerwerbslosigkeit individuelle
Impuls Nr. 1 | 2015
Ursachen habe und man bloß den Druck auf die Betroffenen erhöhen müsse, wiewohl besonders in Ostdeutschland mehreren Millionen Erwerbslosen nur ein Bruchteil offener Stellen gegenüberstanden. Außerdem gehört die Hoffnung, dass Menschen, die mit jeder
Arbeit zufrieden sind, in Krisenzeiten „den Gürtel enger schnallen“
und zumindest vorübergehend Verzicht üben, endlich von allem
Leid erlöst werden, seit Jahrhunderten zum Alltagsglauben des
christlichen Abendlandes. Wenn nicht alles täuscht, haben die
Hartz-Reformen einen gesamtgesellschaftlichen Mentalitätswandel
in Richtung dieser Zumutungsmentalität gegenüber (Langzeit-)
Erwerbslosen bewirkt, der sich als sozialdarwinistischer Schub im
Massenbewusstsein niederschlug und dort auf unabsehbare Zeit
spürbar sein dürfte.
Außerdem hat sich das Verhältnis von Staat und Leistungsberechtigten sowie von Bürger(inne)n zu Leistungsbezieher(inne)n gewandelt. Mehr noch: Die Hartz-Gesetzgebung hat Deutschland mitsamt seinem Wohlfahrtsstaat, seiner (sozial-)politischen Kultur und
seinem auf Konsens orientierten gesellschaftlichen Klima stärker
verändert als jede andere parlamentarische Entscheidung der
Nachkriegszeit. Fragt man nach den immateriellen Schäden, seelischen Verwundungen und Veränderungen im Alltagsbewusstsein,
die Hartz IV unter den Betroffenen hervorgerufen hat, braucht
das Gesetzespaket womöglich selbst einen Vergleich mit beiden
Weltkriegen nicht zu scheuen.
GESETZ DER ANGST
Verschiedentlich als ein „Gesetz der Angst“ bezeichnet, bildet
Hartz IV den sozialrechtlichen Humus einer Gesellschaft der Angst
und macht die Bundesrepublik gleichzeitig zu einem Land, in dem
Teile der Mittelschicht durch Verachtung gegenüber sog. Randgruppen, sozialen Absteiger(inne)n und beruflichen Verlierer(inne)n ihre
Furcht vor dem gleichen Schicksal zu bewältigen suchen. Wie es
scheint, werden Langzeit- und
Dauererwerbslose heute stärker
als „Sozialschmarotzer/-innen“
etikettiert, stigmatisiert und
diskriminiert als vor der
Hartz-IV-Reform. ■
PROF. DR. CHRISTOPH
BUTTERWEGGE (FOTO) LEHRT
POLITIKWISSENSCHAFT
AN DER UNIVERSITÄT ZU KÖLN
M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T
Mehr unter: www.kab.de
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TITELTHEMA
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Arbeit auf Teufel komm raus <<
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HOHE ERWERBSTÄTIGKEIT – NIEDRIGE LÖHNE
Deutschland ist bekannt für seine „Wertarbeit“ in der ganzen Welt. Doch der Wert der Arbeit
in Deutschland ist längst unter die Räder geraten. Mit dem 1. Januar hat Bundesarbeitsministerin Angela Nahles versucht, mit dem Mindestlohn von 8,50 Euro pro Arbeitsstunde
gesetzlich eine Haltelinie nach unten einzubauen.
Doch real müssen weiterhin fast zwei
Millionen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen für drei bis sechs Euro pro
Stunde malochen. Gleichzeitig meldet
das Wiesbadener Statistikamt einen
weiteren Rekord: den Anstieg der
Erwerbsarbeit auf durchschnittlich
42,6 Millionen Personen.
„Ausbeutung ist Alltag“ titelte jüngst das
Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Längst
hat sich ein System etabliert, das besonders ausländische Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer in Deutschland zu Halbsklaven des Arbeitsmarktes degradiert. Betrieben von der deutschen Wirtschaft, werden
mit Werkverträgen und einer Kette von
Subunternehmern ausländische Arbeitnehmer oft ohne ihr Wissens zu Scheinselbstständigen mit einem selbstausbeutenden Lohn von vier Euro. In der Fleischindustrie, am Bau, auf Großmärkten,
den Schiffswerften oder im Gartenbau
arbeiten Menschen trotz Mindestlohn für
weniger als fünf Euro die Stunde. Nach
einer Erhebung des Duisburger Instituts
für Arbeit und Qualifikation sind von den
Billigjobs 1,7 Millionen Menschen betroffen.
MODERNES SKLAVENTUM
Zeitlich und strukturell ist mit den Arbeitsmarktreformen unter Kanzler Gerhard
Schröder seit 2005 der Niedriglohnsektor
explodiert. Was die Schattenwirtschaft
verhindern sollte, hat die Wirtschaft ausgenutzt: und alles legal. Die Bundesregierung schätzt, dass bis zu 14,6 Prozent
des Bruttoinlandsproduktes auf der
Schattenwirtschaft basiert. Was mit
Ich-AGs begann, setzt sich in Werkverträgen und Gewerbescheine für angeblich Selbstständige fort. Die Freiheit der
Selbstständigkeit, die keinen, Tarifverträgen unterliegt, ist in Wahrheit ein
modernes Sklaventum mit Selbstausbeutung.
Es ist die strukturelle Entwertung der
menschlichen Arbeit. Der eigentliche
Wert der geleisteten Arbeit wandert
nicht in die Lohntüte der Arbeiter, sondern in die Taschen von Subunternehmern, die mit Versprechungen, falschen
Stundenabrechnungen, Verstößen gegen
Arbeitnehmerrechte und Knebelverträgen Arbeitnehmer in Deutschland in
Knechtschaft hält. So müssen Arbeiter in
der Fleischindustrie für ihr Bett in der
verdreckten Massenunterkunft, die Bereitstellung von Arbeitskleidung und
Handwerkszeug Lohnabzüge hinnehmen.
Machen sie bei der Arbeit einen Fehler,
wird ihnen der auch noch in Rechnung
gestellt, mit Entlassung gedroht oder
kein Lohn ausbezahlt – wie fünf Arbeitern aus Portugal auf einer Kölner Baustelle des ostwestfälischen Bauherrn
Depenbrock Bau GmbH & Co KG: Kurz
vor Weihnachten erhielten sie keinen
Lohn von Depenbrocks Subunternehmer.
Als sie ihren Lohn forderten, wurden sie
gekündigt.
Ein Ehepaar aus dem oberbergischen
Windeck spendete den Familienvätern
12.000 Euro, damit sie am Heiligen
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K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N
TITELTHEMA
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Mindestlohn gefährdet
keine Arbeitsplätze <<
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BUNDESVORSITZENDE FORDERT STRENGE KONTROLLEN
Immer häufiger gehen Arbeitnehmer auf den
Baustellen der Republik leer aus. Kurz vor Weihnachten warteten fünf portugiesische Arbeiter
auf der Baustelle von Depenbrock in Köln vergeblich auf ihren Lohn. Foto: Rabbe
Abend bei ihren Familien sein konnten.
Arbeiter aus Spanien, Portugal, Rumänien
oder Bulgarien arbeiten für jeden Preis,
um ihre Familien ernähren zu können.
POLITIK BLOCKIERTE
VERBESSERUNGEN
Der Wert der Arbeit spielt für die Generalunternehmer keine Rolle, für die Subunternehmer dagegen zählt nur der Profit bei der Ausbeutung. Die Liste von
Arbeitnehmern, die um ihren Lohn geprellt werden, wird immer länger. Immer
wieder scheitern Anläufe von Linkspartei, Grünen und SPD, mit Gesetzesentwürfen und Anträgen den Missbrauch
von Werkverträgen zu bekämpfen. In der
letzten Wahlperiode scheiterten die Bemühungen an CDU/CSU und FDP. Auf
dem Katholikentag letzten Jahres versprach Angela Nahles in einem KABOnline-Interview, nach dem Mindestlohn das Thema Werkverträge auf die
Agenda zu setzen. Die KAB hofft das
Nahles ihr Versprechen einlöst.
Impuls Nr. 1 | 2015
Der Mindestlohn gefährdet nicht den derzeitigen wirtschaftlichen Aufschwung. Dies
betonte die Bundesvorsitzende in einem
KAB-Online-Interview. „Mehr Geld in der
Lohntüte bedeutet mehr Kaufkraft“, erklärte Stieler-Hinz. Den Prognosen aus der
Wirtschaft, dass die gesetzliche Lohnuntergrenze 200.000 Arbeitsplätze koste,
bezeichnete die KAB-Vorsitzende als populistische Spekulation, um den Mindestlohn
„in Misskredit zu bringen“. Der Einstieg in
den Mindestlohn biete die Chance, endlich
faire Löhne für gute Arbeit zu schaffen.
Unterstützt wird die Einschätzung der KAB
von der Bundesagentur für Arbeit. „Ich
glaube nicht, dass massenhaft Stellen verloren gehen“, sagte BA-Chef Frank-Jürgen
Weise.
Stieler-Hinz erinnert daran, dass ein Stundenlohn von 8,50 Euro weiterhin Niedriglohnsektor bedeute und es Ziel sein müsse,
die Höhe auf mindestens 9, 70 Euro anzuheben. Dass dies notwendig ist, machte
Sozialexpertin Schmalz klar. Erfahrungen
in der Sozial- und Arbeitsrechtberatung
der KAB-Versichertenberater zeigten, dass
immer mehr Menschen im Alter von Armut bedroht sind trotz 45 Jahren Vollzeitarbeit.
„Der jüngste Tarifabschluss in der Gastronomie mit einem Mindeststundenlohn von
nur 8,51 Euro macht deutlich, dass der
Kampf um faire Entlohnung weitergehen
muss“, so Stieler-Hinz. Sie warnte die
Arbeitgeber davor, den Mindestlohn zu
unterlaufen und Schlupflöcher zu nutzen.
„Es besteht die Gefahr, ehemals Langzeitarbeitslose nur maximal sechs Monate zu
beschäftigen oder Praktikanten nicht länger als drei Monate. Auch könnten Arbeitsverträge auf minderjährige Familienmitglieder umgeschrieben werden“, so
Stieler-Hinz.
Gemeinsam mit der Grünen-Bundestagsabgeordneten Beate Müller-Gemmeke
begrüßte die KAB-Vorsitzende, dass die
Finanzkontrolle mit dem 1. Januar gegen
Unterlaufen des Mindestlohns vorgehe.
„Ob mit der Aufstockung von 1600 weiteren Mitarbeitern in der nächsten Zeit ausreichend Personal zur Verfügung steht,
ist jedoch zweifelhaft“, so Stieler-Hinz.
Hilfen zum Mindestlohn: KAB-Rechtsschutzstellen; DGB-Mindestlohn-Hotline
0391/ 4 08 80 03 (zum Festnetzpreis)
www.kab.de/startseite/mindestlohn
Seit über einem Jahrzehnt setzt sich die KAB für einen fairen Mindestlohn ein. Im Sommer
hatte sich Bundesvorsitzende Regina Stieler-Hinz öffentlich für die Lohnuntergrenze stark
gemacht. Seit Januar gilt er nun bundesweit. Foto: Rabbe
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TITELTHEMA
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„Das ist nicht bloß Arbeit,
das ist auch Poesie!“ <<
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PAPST FRANZISKUS ÜBER ARBEIT, WEGWERFKULTUR UND SOLIDARWIRTSCHAFT
Es gibt keine schlimmere materielle Armut als die, sich das tägliche Brot nicht zu
verdienen und der Würde der Arbeit beraubt zu sein.
Jugendarbeitslosigkeit, informelle Arbeitsverhältnisse und fehlende Arbeitnehmerrechte sind nicht unvermeidlich. Sie ergeben sich
aus einer gesellschaftlichen Option, aus dem Wirtschaftssystem,
das den Profit über den Menschen stellt. Hier sehen wir die Auswirkungen einer Wegwerfkultur, die den Menschen selbst als
Konsumgut betrachtet, das benutzt und dann weggeworfen
werden kann. So etwas geschieht, wenn das Geld wie ein Gott im
Zentrum des Wirtschaftssystems steht – nicht die menschliche
Person. Im Zentrum jeder Gesellschaft oder Wirtschaft muss der
Mensch stehen. Er ist Gottes Ebenbild. Wenn der Mensch an die
Seite gedrückt und der Götze Geld an seine Stelle gesetzt wird,
führt dies zur Umwertung aller Werte.
Weil die aktuelle Wirtschaftskrise behoben werden soll, erleben
wir einen sehr schmerzlichen Wegwerfprozess: die Ausgrenzung
der Jugendlichen. Millionen junger Menschen werden aus der
Arbeitswelt herausgeworfen. Sie sind chancenlos. Sie sind arbeitslos. Hier in Italien sind mehr als vierzig Prozent der jungen Leute
arbeitslos. Das sind bittere Zahlen. Derzeit wird eine junge Generation geopfert, um ein System zu erhalten, in dessen Zentrum
der Götze Profit steht – nicht der Mensch.
Trotz dieser Wegwerf-Unkultur haben so viele von euch, die für
dieses System als überflüssig gelten, ihre eigene Arbeit erfunden;
Arbeit mit all dem, was eigentlich nichts mehr zu bringen schien.
Ihr habt es geschafft und schafft es immer wieder mit eurer
Handwerkskunst, die Gott euch gegeben hat, mit eurer Zielstre-
Papst Franziskus mahnt an, dass Millionen junge Menschen ohne Arbeit
chancenlos sind. Foto: dpa
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bigkeit, mit eurer Solidarität, mit eurem Gemeinschaftssinn, mit
eurer Solidarwirtschaft. Lasst es mich euch so sagen: Das ist nicht
bloß Arbeit, das ist auch Poesie. Danke!
Bei diesem Ratschlag habt ihr auch über Frieden und Ökologie
gesprochen. Es liegt in der Logik: „tierra, techo y trabaja“ – Land,
ein Dach über dem Kopf und Arbeit – sind unmöglich, wenn wir
keinen Frieden haben und den Planeten zerstören. Diese wichtigen
Themen müssen die Völker und ihre Basisbewegungen diskutieren.
Sie dürfen nicht allein von den Mächtigen behandelt werden.
„WIR CHRISTEN HABEN EIN
REVOLUTIONÄRES PROGRAMM“
Wir stecken mitten im Dritten Weltkrieg, allerdings in einem
Krieg auf Raten. Es gibt Wirtschaftssysteme, die, um überleben
zu können, Krieg führen müssen. Also produzieren und verkaufen
sie Waffen. So werden die Bilanzen jener Wirtschaftssysteme
saniert, die den Menschen zu Füßen des Götzen Geld opfern.
Man denkt weder an die hungernden Kinder in den Flüchtlingslagern noch an die Zwangsumsiedlungen, weder an die zerstörten
Wohnungen noch an die im Keim erstickten Menschenleben.
Wie viel Leid! Wir viel Schmerz! Einige sagten bei unserem Ratschlag: „Dieses System ist nicht mehr zu ertragen. Wir müssen
es ändern und dann alternative gesellschaftliche Strukturen errichten.“ Ja, das müssen wir tun – mit Mut und auch mit Intelligenz. Hartnäckig, aber ohne Fanatismus. Leidenschaftlich, aber
ohne Gewalt. Und gemeinsam! Die Konflikte im Blick, ohne uns
in ihnen zu verfangen, immer darauf bedacht, die Konflikte zu
lösen, um eine höhere Stufe von Einheit, Frieden und Gerechtigkeit zu erreichen. Wir Christen haben eine Handlungsanleitung,
ein revolutionäres Programm. Ich rate euch dringend, es zu lesen.
Lest die Seligpreisungen (Matthäus 5,3 und Lukas 6,20) und lest
das Kapitel 25 bei Matthäus (Gleichnis von den anvertrauten
Talenten und vom Weltgericht: „Was ihr dem geringsten meiner
Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“) Damit habt ihr ein
Aktionsprogramm. Arbeitet weiter an dieser großen Perspektive,
damit unsere Träume hochfliegen und das Ganze umfassen. Von
Herzen begleite ich euch auf diesem Weg. Liebe Schwestern und
Brüder: Setzt euren Kampf fort. Das tut uns allen gut. Er ist ein
Segen für die Menschheit. ■
Aus der Rede von Papst Franziskus beim Treffen der Basisbewegungen im Vatikan, Übersetzung: Norbert Arntz, in
Publik Forum Dossier „Die Kraft der Armen“, Bestellung
bei KAB-Geschäftsstelle oder www.publik-forum.de
K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N
KAB-IMPULSE
Fotos: Fotolia
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Neue Wege in der Arbeitswelt?
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DIE „GENERATION Y “ SUCHT DIE BAL ANCE ZWISCHEN ARBEIT UND LEBEN
Der 29-jährige Denis steht seit einer Stunde in dem kalten Rohbau. Morgens um sechs war
der gelernte Sanitär- und Heizungsbauer auf der Baustelle und verlegt seitdem Heizungsrohre.
Sein Chef hat die Deadline ausgegeben: Bis Ende der Woche muss es fertig sein, ansonsten
drohen Vertragsstrafen, die den Zehn-Mann-Betrieb gefährden. Am liebsten wäre Denis zu
Hause, wo sein Jüngster, der 7-jährige Nils, mit 38 Grad Fieber im Bett liegt.
Für Thorsten ist das kein Thema. Der 31-jährige IT-System-Elektroniker liegt noch im Bett. Sein Töchterchen Sarah-Louise schläft
noch ruhig neben ihm im Kinderbett. Thorsten, seit gut einem
Jahr im Berufsleben, teilt sich seine Arbeitszeit ein, wie es ihm
passt. Für den jungen Vater war dies eine Voraussetzung, als er
sich beim Münchener Unternehmen mit zehn Mitarbeitern bewarb. In eigener Verantwortung gestaltet er den Kontakt mit den
Kunden und seine Arbeitszeit. Er will selbst bestimmen, wann,
wo und wie er arbeitet. „Ich habe keine Lust auf ein fremdbestimmtes Arbeitsleben“, sagt er. Für ihn sind Arbeit und Leben
nicht zwei verschiedene Seiten, sondern eins.
Studien belegen, dass drei Viertel der deutschen Arbeitnehmer
und Arbeitnehmerinnen nur noch Dienst nach Vorschrift machen.
15 Prozent haben innerlich bereits gekündigt.
Für Thorsten undenkbar. Der Job ist nicht alles, doch er fühlt sich
für den Erfolg des Unternehmens mitverantwortlich, identifiziert
sich mit seiner Arbeit. Für ihn ist es ein Alptraum, acht Stunden
am Tag zur Arbeit gehen und von eins bis zwei eine Pause zu
haben. Thorsten will dann arbeiten, wenn er sich kreativ fühlt.
Karriere spielt für ihn keine große Rolle. Sein Chef, den er duzt,
war damit einverstanden. War froh, dass er einen IT-Fachmann
gefunden hat.
Thorsten gehört zur sogenannten Generation Y. „Y“ deshalb, weil
im Englischen der Buchstabe „Y“ für das Fragewort „Why“, „Warum“ steht. Eine Generation also, die fragt: Warum soll ich acht
Stunden am Tag in einem trostlosen Büro verbringen? Warum
können wir nicht anders arbeiten und leben? Warum soll ich
unbedingt Karriere machen?
Impuls Nr. 1 | 2015
VEREINBARKEIT VON FAMILIE UND BERUF
Die Generation Y, die zwischen 1977 und 1998 geboren ist, ist zum
großen Teil gut ausgebildet, wuchs in Wohlstand und mit dem Internet auf und sieht in einem selbstbestimmten Arbeitsleben die
Chance auf ein glückliches Leben. Arbeitszeit ist Lebenszeit. Maloche war gestern. Mehr Freiräume, die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung sowie mehr Zeit für Familie und Freizeit sind zentrale Forderungen der Generation Y: Sie will nicht mehr dem Beruf alles
unterordnen, sondern fordert eine Balance zwischen Beruf und Freizeit. Nicht erst nach der Arbeit beginnt für die Generation Y der
Spaß, sondern sie möchte schon während der Arbeit glücklich sein
– durch einen Job, der ihnen einen Sinn bietet. Sie verkörpert einen
Wertewandel, der auf gesellschaftlicher Ebene bereits stattfindet,
den die jungen Beschäftigten nun aber auch in die Berufswelt tragen, meint die Autorin Kerstin Bund. Sie wollen mitentscheiden,
mitbestimmen und über Arbeit und Leben bestimmen. Der Berliner
Pädagoge und Zukunftsforscher Klaus Hurrelmann spricht von
„Ego-Taktikern“, die im Wohlstand und gutsituiert aufgewachsen
sind, gleichzeitig alle Entscheidungen nach ihrem persönlichen Vorund Nachteil abwägen. Familie passiert nicht, sondern ist eine Abwägung. Passt kein Kind zu den Anforderungen des Jobs, bleiben sie
kinderlos. Doch entscheiden sie sich für Kinder, wird alles darangesetzt, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch- und umzusetzen. Die Arbeitswelt muss sich den Familienbedingungen anpassen.
Für den Heizungsbauer Denis undenkbar. Er weiß, sein Chef kann es
sich nicht leisten, die Arbeitszeiten außerhalb der Geschäftszeiten
zuzulassen. Er verzichtete bereits auf Vatermonate, als ein dringender Auftrag reinkam. Da seine Frau halbtags arbeitet, sprangen die
Großeltern ein. Auch jetzt ist seine Mutter beim kleinen Nils. ■
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KIRCHE UND ARBEIT
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„KAB muss pastorale Räume nutzen“ <<
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Seit 2007 hat die katholische Kirche den Begriff von pastoralen Räumen aufgeworfen. Dabei geht
es um die Gestaltung der Zukunft in größeren pastoralen Einheiten. Wie andere, hat sich das
Erzbistum Paderborn entschlossen, eine Kirche im Aufbruch zu werden. Sie tut dies, indem sie Chancen und Möglichkeiten schafft, in die säkulare und plurale Gesellschaft zu wirken. KAB-Impuls
sprach mit Walter Wolf (Foto), pädagogischer Leiter des Gockeln-Hauses im Erzbistum Paderborn.
Impuls: Herr Wolf,
wie können KABVereine Teil des
Aufbruchs sein?
Walter Wolf: Wie
wir in dem Gespräch
mit dem Leiter der
Hauptabteilung Pastorale Dienste, Prälat
Thomas Dornseifer,
erfuhren, geht es um eine zunehmende
Selbstorganisation und Eigenverantwortung
am Ort, in der auch die KAB als der prädestinierte Sozialverband in der Kirche seinen
Ort hat, ihn aber wohl überall neu finden
und definieren muss. Ganz zentral wird die
Tätigkeit der Frauen und Männer in den Ehrenämtern sein, als „Engagement aus Berufung“ formuliert. Die neuen Pastoralen Räume sind ein Raum, in dem unterschiedliche
Formen von Gemeinde gelebt werden.
Die Herausforderung an die KAB ist dabei,
in den Pastoralen Räumen eine solche Gemeinde über die bestehenden Pfarrgrenzen
hinaus zu bilden mit eigenen spirituellen
und inhaltlichen Merkmalen. KAB kann und
muss sich in den neuen Pastoralen Räumen
untereinander und mit Gleichgesinnten
vernetzen. Dies geschieht durch die Ehrenamtlichen am Ort, die von den Hauptberuflichen in der Pastoral, aber auch des Verbandes gefördert werden. Die KAB ist dann
nicht Anhängsel in einer Pfarrei, sondern
ein, wie es heißt, „Pastoraler Ort“ und eine
„Pastorale Gelegenheit“.
Impuls: Konkret, was bedeutet dies für
einen katholischen Sozialverband wie
die KAB?
Wolf: Wie auch bei den örtlichen Gemeinden kommt es darauf an, eine Identität zu
behalten oder neu aufzubauen, die den
Mitgliedern Vertrautheit und Heimat bietet.
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Heimat bezeichnet auch einen ideellen Ort,
in dem man sich aufgehoben und zugehörig
weiß. Im Blick auf die Pastoralen Räume besteht mit dem Zukunftsbild auch eine große
Chance, diese Räume aktiv mitzugestalten,
wie es das Josef-Gockeln-Haus für den Pastoralen Raum Kirchhundem durch die Mitarbeit in der Arbeitsgruppe „Kirche in der
Welt“ praktiziert. Durch die Mitarbeit können auch die Pastoralen Konzepte, die in
jedem Pastoralen Raum entwickelt werden
müssen, im Sinne der KAB entwickelt werden. Selten hat der Verband eine so große
Chance an der Basis gehabt, kirchliches
Leben und damit auch die Sozialräume
mitzugestalten.
Impuls: Sie sprechen das Josef-GockelnHaus an. In welcher Weise kann die KABEinrichtung diesen Prozess unterstützen?
Wolf: Das Josef-Gockeln-Haus ist schon
jetzt wichtiger, vielleicht sogar unersetzbarer Bestandteil der diözesanen Entwicklung. Zum einen ist es Tagungshaus, das
in den letzten Jahren regelmäßig von über
60 kirchlichen Einrichtungen und Organisationen aus dem Erzbistum Paderborn
genutzt wurde. Dabei sind die KAB-Vereine
und Organisationen unseres Verbandes noch
nicht mitgezählt. Für dieses Jahr sind bereits
jetzt 170 Veranstaltungen mit über 5.500
Belegungstagen nur durch Kooperationspartner aus dem Erzbistum Paderborn
gebucht. Durch die von uns geleistete Begleitung und Beratung von Räten in den
Pastoralen Räumen, Mitarbeit bei Konzeptionsentwicklungen und spirituellen Angeboten ist das Josef-Gockeln-Haus unmittelbar in den Prozess eingebunden. Es hat eine
Mittler- und Mittelpunktfunktion.
Impuls: Welche Angebote bietet ihr an?
Wolf: Als „Haus mit Programm“ haben
wir auch für die KAB zwei Angebote entwickelt. Mitte Januar beschäftigten sich auf
einer Fachtagung Ehrenamtliche und Hauptberufliche mit der Frage „KAB in den neuen
Pastoralen Räumen“. Ziel war es, Wege und
Handwerkszeug zu erarbeiten, wie sich die
KAB am Ort und im Bistumsprozess produktiv einbringen kann, auch zu ihrem eigenen
Nutzen, auch im Hinblick auf neue Mitglieder.
In einer weiteren Tagung Mitte Oktober
wird es darum gehen, die Lebenssituation
der Menschen in den Pastoralen Räumen zu
erfassen und zu verstehen: „Die KAB und die
Arbeit im Sozialraum“. Für Ehrenamtliche in
den Pastoralen Räumen haben wir das Projekt entwickelt „Engagement aus Berufung
im Sozialraum“. Dieses wird von den Dekanaten oder Pastoralen Räumen angefordert.
Impuls: Angefordert! – Fördert das
Bistum diese Angebote auch?
Wolf: Nicht, wie man sich bisher Förderung
vorstellte. Es gibt kein Geld für Personal oder
Institution, wohl aber projektbezogene Mittel. Wenn also eine Begleitung, Förderung
der Ehrenamtlichen durch Weiterbildung
oder ein Projekt angefragt wird, so wird uns
auch finanzielle Unterstützung zugesagt.
Auch dieser Weg entspricht dem Zukunftsbild und unserem Weg der bedarfsorientierten Angebote: Nicht von oben herab sollen
Angebote erfolgen, sondern der Bedarf am
Ort ermittelt und passgenau entwickelt und
durchgeführt werden.
In diesem Sinne hat auch das Erzbistum in
Person des Leiters der Hauptabteilung Pastorale Dienste uns ermutigt, den gemeinsamen Weg weiterzugehen. Ausdrücklich unterstützt er auch unseren Plan, das
Josef-Gockeln-Haus als „Bildungszentrum
Süd“ zu positionieren. Wir sind da sehr zuversichtlich. ■
K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N
KIRCHE UND ARBEIT
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Foto: dpa
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Kritik an Flüchtlingspolitik <<
Rainer Maria Kardinal
Woelki setzt sich für
eine mitmenschliche und
christliche Flüchtlingspolitik ein. Foto: Rabbe
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ERZBISCHÖFE RUFEN ZUM WIDERSTAND GEGEN PEGIDA AUF
Kritik an der Flüchtlingspolitik in Deutschland und Europa übte der Kölner Kardinal
Woelki. Aus Anlass der Vorstellung der
Weihnachtsmärkte 2014 hatte der Kölner
Erzbischof Rainer Maria Woelki im Beisein
von Bundesfinanzminister Wolfgang
Schäuble die Kürzungen im Bereich der
Flüchtlingshilfe angeprangert. „Ich kann
nicht über Sterne und Himmel sprechen,
wenn vor meiner Haustür die Not Traumatisierter zum Himmel schreit“, betonte
Woelki. Als einen dramatischen Mangel an
Mitmenschlichkeit bezeichnete er es, dass
diese wichtige Arbeit mit traumatisierten
Flüchtlingen nicht regelfinanziert sei.
„Während bislang Flüchtlinge unabhängig
vom Stand ihres Asylverfahrens an EUfinanzierten Maßnahmen des Europäischen
Flüchtlingsfonds teilnehmen konnten, sollen künftig nur noch Asylsuchende im laufenden Verfahren an Programmen des neu
gegründeten Asyl- und Migrationsfonds
teilnehmen können. Das ist bedarfs- und
lebensfremd“, betonte der Erzbischof.
Flüchtlinge hätten erst mit der Sicherheit
des Aufenthaltsstatus die Kraft, ihre Traumata, die sie in den Kriegsgebieten und auf
der Flucht über Land und Meer erlebt haben, zu bearbeiten. „Diese Menschen gehen
nach der Neuordnung der europäischen
Finanzzuschüsse nun leer aus, was dringende therapeutische Maßnahmen braucht“,
kritisierte Kardinal Woelki. Dem CaritasTherapiezentrum, das aus Zuschüssen von
EU, Bund, Land und Kommune und der
Impuls Nr. 1 | 2015
Caritas selbst finanziert wird, hatte Woelki
in seiner Funktion als Kölner Erzbischof
150.000 Euro für die Flüchtlingsarbeit
gespendet. Gleichzeitig will er kirchliche
Gebäude für schutzsuchende Menschen
und Familien umbauen lassen.
CHRISTEN GEGEN
STIMMUNGSMACHE
Für den Kölner Erzbischof ist dieser Einsatz für Flüchtlinge ein Gebot der Stunde:
„Jesus Christus hat klar gesagt, wir sollen
Fremde und Obdachlose aufnehmen, und
auch Papst Franziskus fordert immer wieder, dass die Kirche an die Ränder geht.
Ich setze und vertraue darauf, dass viele
katholische Christen sich auf diesen Weg
machen wollen.“ Im Erzbistum Köln sollen
verstärkt Unterkünfte für Flüchtlinge bereitgestellt werden. Woelki sprach sich in
seiner Silvesteransprache wie zuvor der
Bamberger Erzbischof Ludwig Schick gegen
die von Rechtsradikalen initiierten Versammlungen der Pegida-Bewegung und
für mehr Schutz und Akzeptanz von Flüchtlingen in der Gesellschaft aus. „Das gilt gerade in diesen Tagen, in denen Organisationen meinen, sie müssten das Abendland
gegen Menschen verteidigen, die buchstäblich oft nur ihr nacktes Leben nach
Deutschland retten konnten.“ Christen
seien hier aufgerufen, „die Wahrheit zu
verkündigen und gegen Stimmungsmache
aufzutreten. Deutschland leiste bei der
Aufnahme von Flüchtlingen „nur ein Hun-
M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T
dertstel“ von dem, was die jeweiligen armen Nachbarstaaten täten. „Nicht wir im
reichen Europa haben ein Flüchtlingsproblem, sondern die armen Nachbarländer
der Krisenregionen“, so Woelki. Bambergs
Erzbischof Schick hatte in seiner Predigt
erklärt, dass Christen aus ihrem Glauben
heraus nicht an der Pegida-Demonstration
teilnehmen dürften. ■
Kriege schaffen
Flüchtlingsrekord <<|
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Fast 7 Millionen Menschen waren nach
dem 2. Weltkrieg von Flucht und Vertreibung betroffen. Bis Mitte 2014 verzeichnete das UN-Flüchtlingshilfswerk
(UNHCR) 56,7 Millionen Flüchtlinge
sowie Vertriebene innerhalb der eigenen
Landesgrenzen. Damit hat das Ausmaß
von Flucht und Vertreibung aufgrund
zahlreicher bewaffneter Konflikte weltweit den höchsten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg erreicht. Allein innerhalb
der ersten sechs Monate des vergangenen Jahres wurden 5,5 Millionen Menschen durch Krieg, Gewalt, Verfolgung
und Menschenrechtsverletzungen in die
Flucht getrieben. Die meisten Flüchtlinge stammten aus Syrien, mehr als drei
Millionen. Die größte Flüchtlingsgruppe
bildeten mit rund 2,7 Millionen Menschen aus Afghanistan.
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KAB-IMPULSE
Nachhaltig wirtschaften in NRW: Bundespräses Johannes Stein forderte von NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (links) und Sozialminister
Guntram Schneider (rechts) eine Studie zu einer Postwachstumsgesellschaft. Fotos: Rabbe
„Gut leben, arbeiten
und wirtschaften in 2030“ <<
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BUNDESPRÄSES STEIN STELLT „GUT WIRTSCHAFTEN“ NRW-L ANDESREGIERUNG VOR
Die Position der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands zur Zukunft
der Arbeit und eines guten Wirtschaftens hat Bundespräses Johannes Stein mit den
nordrhein-westfälischen Wirtschaftsminister Garrelt Duin und NRW-Arbeitsminister
Guntram Schneider vorgestellt.
Auf einer Tagung des NRW-Umweltministeriums machte Stein
deutlich, dass „eine Wachstumsgesellschaft auf Dauer weder
sozial noch nachhaltig sein kann“. Bereits seit den 1980er-Jahren,
so Bundespräses Stein gegenüber den NRW-Ministern, belegen
die Erfahrungen aus der weltweiten Arbeitnehmerschaft, dass
begründete Zweifel bestehen, ob sich Wachstum und Ressourcenschonung vereinbaren lassen. Gleichzeitig bestehe ein ständiger
Konflikt zwischen Markt und Moral sowie menschenwürdiger
Arbeit.
Arbeiten und Wirtschaften in 2030“ mit Vertreterinnen und Vertretern aller gesellschaftlichen Gruppen über das Strategiepapier
der Landesregierung zur Entwicklung einer NRW-Nachhaltigkeitsstrategie in Mülheim an der Ruhr diskutiert.
Sozial und ökologisch gehörten für christliche Arbeitnehmer untrennbar zusammen. Kirchliche Gruppen hätten früh den Aspekt
der Nachhaltigkeit in die Diskussion um menschenwürdige Arbeit
und eine Wirtschaft, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt,
eingebracht. Damals lautete das Schlagwort: „Anders leben,
damit andere überleben!“, so Stein. Dieser Ansatz finde sich auch
in dem aktuellen Leitthema „Fair teilen – statt sozial spalten –
Nachhaltig leben und arbeiten“ wieder.
DISKUSSION ÜBER
POSTWACHSTUMSGESELLSCHAFT
Bundespräses Stein forderte eine stärkere Diskussion über eine
zukünftige Postwachstumsgesellschaft. „Ich wünsche mir erstens
eine klare Definition, was gute Arbeit ist, und zweitens einen
Forschungsauftrag, wie eine Postwachstumsgesellschaft aussieht
und wie sie entwickelt wird.“ Auch Wirtschaftsminister Duin
unterstrich diese Forderung: „Wir brauchen in der Tat eine Wachstumsdebatte – nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ.“
Dennoch erteilte er einer De-Industrialisierung in NordrheinWestfalen eine klare Absage. „Es geht um die Modernisierung
des Industriestandortes NRW.“
Die rot-grüne NRW-Landesregierung sucht derzeit Leitlinien für
eine nachhaltige Politik. Ökologische Verantwortung und ökonomische Vernunft sollen eng mit sozialer Gerechtigkeit verknüpft
werden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist breites Engagement der
Bevölkerung nicht nur erwünscht, sondern auch notwendig. Die
NRW-Ministerien haben im Rahmen der Konferenz „Gut Leben,
Gute und faire Arbeitsplätze mahnte auch Sozialminister
Schneider an. „In einer lebenswerten Gesellschaft brauchen
wir gute und faire Arbeitsplätze. Nur über eine verbindlich glaubwürdige Definition dessen, was wir unter Nachhaltigkeit verstehen, können wir einen Großteil der Menschen auch mitnehmen.“ ■
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K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N
KAB-IMPULSE
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Gedenken an Nikolaus Groß <<
Mit mehreren Veranstaltungen und Gottesdiensten haben KABGruppen an die Ermordung von Nikolaus Groß und anderen KABWiderstandskämpfern vor genau 70 Jahren gedacht. In Köln erinnerte der ehemalige Arbeitsminister Norbert Blüm unter dem
Thema „Glaube und Widerstand“ auf Einladung des KAB-Stadtverbandes an den Widerstand der KAB gegen den Nationalsozialismus.
Zuvor fand ein Gottesdienst in der Minoritenkirche statt. In Fulda
gedachte der Diözesanverband im Rahmen der Jahresauftaktveranstaltung in einem Gottesdienst des seligen Nikolaus Groß. Pfarrer
Karsten Weidisch aus Moers erinnerte bei dem Gedenkgottesdienst
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des KAB-Bezirks Wesel im Xantener Dom an die Opfer und Widerstandskämpfer des Hitler-Regimes. Auf Einladung der KAB Leverkusen-Rheindorf setzte sich der Münsteraner Theologe Prof. Claus
Peter Sajak mit dem interreligiösen Dialog heute auseinander. Unter dem Motto „Kippa – Kelch – Koran“ stellte er den Glauben des
Widerstandskämpfers in den heutigen Kontext. Die KAB im Bistum
Berlin erinnerte mit einem ökumenischen Gedenkgottesdienst
an der Hinrichtungsstelle Berlin-Plötzensee an Groß und andere
Märtyrer, die im Widerstand ihr Leben verloren haben. Dieser
wurde im Deutschlandfunk übertragen.
Gutes Beispiel für gutes Wirtschaften<<
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Zur Eröffnungsveranstaltung der Jahreskampagne „Gut Wirtschaften“ präsentiert der KAB-Diözesanverband Aachen
ein gutes Beispiel für nachhaltiges Wirtschaften. Nicht alle brauchen ein eigenes Auto, aber alle sollten mobil sein.
Statt selbstfahrende Automobile aus Las Vegas stellt die KAB am 4. Februar in Krefeld ein regionales CarSharingModell vor. „Es geht um die Frage, wie eine gute, nachhaltige und zukunftsfähige Wirtschaft aussehen muss und
kann“, so der Diözesanverband. In der Seidenstadt bietet die Firma „stadtmobil“ in Kooperation mit den Stadtwerken Krefeld (SWK) ein CarSharing-Modell mit fünf Elektrofahrzeugen des Autobauers Renault an. Neben der Fahrzeugreduzierung durch Gruppennutzung reduziert das Stadtmobil auch die direkten CO2-Emissionen in der Stadt.
„Wir sehen CarSharing-Angebote nicht als Konkurrenz zum ÖPNV, sondern als sinnvolle Ergänzung. CarSharing optimiert die individuellen Mobilitätswünsche unserer Bus- und Straßenbahnfahrgäste“, erklärt SWK-Vorstandssprecher Carsten Liedtke.
Aufgetankt werden soll mit Naturstrom. „Dieses Beispiel macht sichtbar, wie wir mit unseren begrenzten Ressourcen nachhaltig umgehen
und was konkrete Projekte bewirken können“, so der KAB-Diözesanverband.
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Impuls Nr. 1 | 2015
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GESELLSCHAFT
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Zwischen den Ländern <<
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INTEGRATIVES JUGENDPROJEKT: SCHÜLER UND FLÜCHTLINGE LERNEN SICH MIT DER KAMERA KENNEN
Die blau-weiße Regionalbahn rollt in den
Bahnhof Wolgast ein, unter den Wartenden auf dem Bahnsteig ist eine Gruppe
Jugendlicher. Sie halten Kamera und Mikrofon in der Hand. Es sind Schülerinnen
und Schüler vom Runge-Gymnasium und
Jungen und Mädchen vom Asylbewerberheim der Hansestadt. Die Jugendlichen
drehen einen Film über das Leben in ihrer
Stadt.
Seit dem Frühjahr 2014 führt der Förderverein Demokratische Medienkultur e.V.
in Wolgast ein Projekt durch, an dem
Schüler der Region und ausländische Kinder und Jugendliche gemeinsam arbeiten.
Film- und Fernsehregisseur Jens Scherer,
Leiter des Projekts, erklärt, dass es im
Kern nicht zuletzt um den Dialog zwischen den Jugendlichen aus dem Land
und den Asylbewerbern, aber auch um
den Dialog zwischen den Generationen
geht.
Brandsätze auf Flüchtlingsheime wie
jüngst bei Nürnberg oder die Demolierung
provisorischer Flüchtlingsunterkünfte wie
in Köln Ende letzten Jahres wecken auch
in Mecklenburg-Vorpommern schreckliche
Erinnerungen. 2012 geriet auch Wolgast
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bundesweit in die Schlagzeilen. Damals
gab es Drohungen gegen das Flüchtlingsheim im Plattenbauviertel am Stadtrand,
es wurden Erinnerungen an die Geschehnisse in Rostock-Lichtenhagen geweckt,
wo in den 1990-er Jahren ein Asylbewerberheim brannte und Bewohner sich nur
noch in letzter Sekunde vor den Flammen
in Sicherheit bringen konnten.
„Die Drohungen gegen Flüchtlinge waren
eine sehr schlimme Geschichte“, erinnert
sich Projektleiter Scherer. Damals wurden
75 Flüchtlinge in einem sechsstöckigen
Mietshaus in der Plattenbausiedlung Wolgast Nord untergebracht. Rechte nutzten
die Unsicherheit unter den Nachbarn und
den übrigen Bewohnern, um gegen Ausländer mobil zu machen. Knallkörper
flogen auf Balkone. In der St. Petri-Kirche
mahnte Pastor Jürgen Hanke im Oktober
2010 auch mit Blick auf den Bürgermeister Stefan Weigler in der ersten Reihe der
Kirchenbank zur Besonnenheit und zur
Offenheit gegenüber den Flüchtlingen.
Die Politik reagierte. Schließlich stand
auch das Image „Tor zur Insel Usedom“
auf dem Spiel. Neben offenen Briefen und
Wandschmierereien kam es auch zu vielen
Begegnungen zwischen den Menschen,
den Flüchtlingen und Bürgerinnen und
Bürgern aus Wolgast.
BEZIEHUNG DURCH
GEMEINSAME ARBEIT
Jens Scherers Projekt zielt darauf ab, diese
Begegnungen zu fördern, damit nicht nur
so etwas nicht wieder passiert, sondern
die Jugendlichen sich begegnen, voneinander lernen und Bekanntschaften und
Freundschaften schließen. Wo geht das
besser als bei der Arbeit, die man gemeinsam verrichtet? Schülerinnen und Schüler
aus Wolgast besuchen die Flüchtlingsund Asylbewerberheime und erleben, dass
es beispielsweise ganz normale Frauen
und Männer mit ihren Kindern sind, die
aus ihrer Heimat flüchten mussten und
hier in Wolgast und anderswo auf Hilfe
hoffen.
Scherer, der sein Handwerk an der Filmhochschule Konrad Wolf in Potsdam gelernt hat, erläutert, dass sich der Verein
seit vier Jahren in verschiedenen Medienprojekten in den neuen Bundesländern für
junge Menschen aus strukturschwachen
K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N
GESELLSCHAFT
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Im Zuge der Pegida-Deomonstrationen erhält das Integrationsprojekt einen hohen Stellenwert. Beim Filmen lernen die Jugendlichen nicht nur das Handwerk des
Films, sondern sich und die anderen besser kennen. Vorurteile werden abgebaut, Ängste verschwinden und Freundschaften entstehen. Fotos: Hans-Jürgen Fischer
Regionen und Menschen mit Behinderungen oder sozialen Benachteiligungen
engagiert. In mehr als 20 Projekten und
Präsentationen haben die Teilnehmer
keineswegs nur mit moderner Film- und
Fototechnik gearbeitet, sondern auch viel
über den toleranten Umgang miteinander
und das Erleben von Chancengleichheit
gelernt.
BETWEEN THE COUNTRIES
Seit Anfang letzten Jahres führt der Verein
das integrative Jugendmedienprojekt
„between the countries – Verstehe die
Anderen, dann verstehst du Dich“ durch.
Verstehe den Anderen meint, verstehe
deinen Nächsten, die Situation von Behinderten, das Schicksal von Flüchtlingen,
das Leben der älteren Menschen. Speziell
für dieses über zwei Jahre laufende und
von der „Aktion Mensch“ geförderte Projekt werden in Rostock, Greifswald, Bad
Doberan und Wolgast lokale Netzwerke
geschaffen, die gemeinsam mit dem Förderverein Videoprojekte für Kinder- und
Jugendliche durchführen.
„Das Konzept von ,between the countries‘
beruht auf einer Idee eines integrativen
mediengestützten Angebots für Kinder
und Jugendliche aus asylsuchenden Familien in Mecklenburg-Vorpommern, um deImpuls Nr. 1 | 2015
ren Integrationsmöglichkeiten zu fördern“,
so Scherer. Konkret wird das Projekt auch
durch die Mithilfe von Milia Bentzien, der
Leiterin der Gemeinschaftsunterkunft für
Flüchtlinge. „Die Kinder und Jugendlichen
in dieser Unterkunft kommen aus verschiedenen Krisenregionen und leiden
noch an traumatischen Erfahrungen bei
Flucht und Vertreibung aus ihrer Heimat.“
So wie der kleine Hoosein Salim und seine
Schwester Amal aus Syrien. Ihre runden
Augen sind wach und nehmen alles wahr,
doch ihre jüngsten Erlebnisse in Syrien
lassen sie auch verstummen. Zu ihren
Leben gehörten bisher Tränen und Angst.
Die Familie ist vor dem Krieg geflüchtet,
hat alles verloren. Darüber möchten Amal
und Hoosein nicht sprechen, erklärt Milia
Bentzien, die selbst vor vielen Jahren aus
dem Libanon nach Deutschland kam.
TRAUMATISCHE
FLUCHTERLEBNISSE
Doch die Arbeit mit Kamera und Mikrofon
macht den Geschwistern sichtlich Spaß.
Hoosein verrät aber auch, dass er eigentlich noch viel lieber mit seinen Freunden
im Sportverein Wolgast in der Jugendmannschaft Fußball spielt. Hoosein ist
eben ein ganz normaler neugieriger Junge,
der sich über das Miteinander mit anderen
M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T
Jugendlichen freut. Doch leider kann er
nur bei Freundschaftsspielen mitspielen,
im Spielbetrieb darf ihn sein Verein nicht
aufstellen. Bei den beiden Jungen Sergei
Basajev und Rizwan Dikaev ist das nicht
anders. Sie kommen aus Tschetschenien
und sind froh, in Deutschland in Sicherheit zu sein. Sergei war, bevor er nach
Wolgast kam, einige Wochen bei seiner
Oma in der Ukraine. „Sie fehlt mir sehr“,
gesteht der Zwölfjährige.
Oder da ist Hasiin Kabibi aus Afghanistan,
der in die neunte Klasse in Greifswald
geht. Sein Weg nach Deutschland gleicht
einer Odyssee durch Asien und Europa.
In einem Film erzählt er gemeinsam mit
einer Schülerin aus Wolgast, die ursprünglich aus Kenia kam, ihr Schicksal einem
breiten Publikum. Heute sind sie in ihren
Schulklassen integriert. Nicht nur das gemeinsame Filmen verändert, auch für den
Zuschauer der Filme sind die Berichte der
Menschen wichtig, um ihre Situation zu
verstehen. Im Film „Der Schneider aus
Afghanistan“ erzählen Reesam Mejavai
und seine Frau Sara über ihre Flucht, ihren
Schneiderbetrieb in Afghanistan und die
Bomben, die ein Leben in Angst und Unsicherheit bedeuteten. „Ich wollte Sicherheit für meine Familie und dass meine
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GESELLSCHAFT
Tochter und mein Sohn ohne Gefahr in die
Schule gehen können“, erzählt er. Heute
schneidert und ändert er für 1,20 Euro pro
Stunde für die Heimbewohner Kleidung.
DER BLICK AUF DIE WELT
„Anfänglich waren die Kinder dem Medienprojekt gegenüber etwas reserviert.
Doch das hat sich vollkommen geändert.
Jetzt ist Begeisterung zu spüren“, erinnert
sich Leiterin Bentzien. Die Jugendlichen
treffen sich vierzehntägig an jeweils verschiedenen Orten der Stadt. Dann sind sie
mit Kamera und Mikrofon auf der Suche
nach Geräuschen, O-Tönen oder Buchstaben, es gibt Treffen mit Gleichaltrigen und
Gesprächsrunden. Für die Beteiligten ist
das alles auch ein großes Abenteuer. „Die
Kinder möchten mit den Filmen ihren
Blick auf die Welt zeigen“, erläutert Milia
Bentzien.
Wer mit der Kamera hinschaut, verändert
seinen Blick. So berichtet Jens Scherer,
dass es während des Jugendmedienprojektes „Gesichter einer Stadt“ über Ausländer
in Wolgast gelang, auch junge Menschen
aus sozial schwachen Schichten zu gewinnen, sich mit den Schwierigkeiten des
Aufbaus eines Asylbewerberheimes in
Wolgast auseinanderzusetzen. Aus Sicht
der Medienpädagogen wurde die Toleranz
gegenüber den Fremden aus anderen Kulturkreisen gefördert, Vorurteile abgebaut
und ein Stück weit Vertrautheit geschaffen, das das Zusammenleben in der
12.000 Einwohner-Stadt verbessert.
„Neben den bestehenden Problemen
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mit dem Rückgang der Industrie und
der Überalterung der Bevölkerung stehen
Kleinstädte mit der Integration der Asylsuchenden vor einer gewaltigen Aufgabe,
die nicht mit der bloßen Zuweisung von
Wohnraum erledigt ist“, heißt es beim
Förderverein für demokratische Medienkultur. Nicht nur Erwachsene ohne Arbeitserlaubnis würden in den Unterkünften auf Anerkennung ihres Asylverfahrens
hoffen, auch deren Kinder, müssten beschult werden und bräuchten Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Vergessen dürfe
man ebenso nicht die Hilfestellung zur
Verarbeitung der traumatischen Erlebnisse
in den Bürgerkriegsregionen. Aber gleichzeitig entstehen auch Chancen, junge
Menschen für den Norden Deutschlands,
der unter Abwanderung leidet, zu gewinnen. Nach einer halbjährlichen Anlaufphase wurde Anfang September in der
Stadtbibliothek Wolgast das Jugendmedienprojekt „between the countries“
einem breiten Publikum vorgestellt. Im
Mittelpunkt standen die bereits von den
Mediengruppen aus den 4 Städten produzierten Videos, Zeichen für gelebte Toleranz zwischen Jugendlichen aus sechs
verschiedenen Ländern. Von einer Fernsehsendung bis zum Kurzspielfilm und
einer Talkrunde zum Thema der Situation
von jungen Asylbewerbern reichte das
vielfältige Angebot.
GEMEINSAM EINMISCHEN
Bekräftigt wird vom Förderverein, dass das
Hauptaugenmerk der Bemühungen jeweils
auf dem Aufbau gemischter Mediengruppen liegt. Die Teilnehmer aus den Flüchtlingsheimen und den Kommunen der
Region sollen sichtbar agieren, regionale
Besonderheiten dokumentieren und Veranstaltungen auf die Beine stellen. Kurzum, sie sollen sich einmischen und auch
provozieren, in ihren Städten aufklären
und Gemeinschaft entwickeln und eigene
Projekte anschieben. Das langfristige und
selbstständige Arbeiten steht im Mittelpunkt. In Zusammenarbeit mit den jeweiligen Partnern, die da unter anderen die
Uni Greifswald, die Regionalstelle für
Sucht- und Gewaltvorbeugung Greifswald,
das Bündnis für Familie in Güstrow oder
das Kultur- und Jugendhaus Wolgast sind,
soll es auch ein echter Anlaufpunkt für
ausländische Jugendliche werden.
Das langfristig angelegte Medienprojekt
„between the countries“ ist, wie Wolgast
zeigt, ein ehrgeiziges und zugleich komplexes Vorhaben, das sich auf lange Sicht
keinesfalls in eingefahrenen Gleisen bewegen kann. Zumal die Teilnehmer aus den
Gemeinschaftsunterkünften in der Regel
nur einige Monate vor Ort sind, immer
wieder neue Jugendliche hinzukommen
und auch die Altersstruktur unterschiedlich ist. Dass sich die Bemühungen aber
durchaus lohnen, hat der kurze Dreh auf
dem Bahnhof Wolgast gezeigt. Von Vorbehalten der Reisenden gegenüber den
jungen Flüchtlingen aus fremden Ländern
war an diesem Dezembertag kurz vor
Weihnachten nichts zu spüren. HANS-JÜRGEN FISCHER
K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N
GESELLSCHAFT
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Das künstlerische Gemeinschaftsprojekt
„Überlebenskunst“ hat bundesweit Multiplikatoren gewonnen. Fotos: KAB
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„DIE WELT VERLANGT DANACH, GEKONTERT ZU WERDEN.“
ILSE AICHINGER
„wohin gehst du mensch?“ <<
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DAS PROJEKT ÜBERLEBENSKUNST PRÄSENTIERT ERGEBNISSE
Heute über die Welt von morgen nachdenken. Entwicklungstrends begreifen. Verflechtungen
erkennen. Verantwortlich handeln im globalen Horizont, damit alle Menschen dieser Welt
jetzt und künftig gut und sinnvoll leben können!
Das sind die Anliegen des Bildungsprojekts „ÜberLebensKunst“, das die Stiftung
„Zukunft der Arbeit und der sozialen
Sicherung“ der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) gemeinsam mit
MISEREOR und in Kooperation mit der
Katholischen Bundesarbeitsgemeinschaft
für Erwachsenenbildung (KEB) in den letzten zwei Jahren durchgeführt hat und dessen Ergebnisse im November 2014 den
über 100 Gästen im Kettelerhaus in Köln
gezeigt werden konnten.
Angesichts der großen Herausforderungen,
vor denen die Weltgesellschaft steht, versteht sich das Projekt als ein Beitrag zur
Orientierung und Positionierung. ÜberLebensKunst will Menschen ermutigen
und befähigen, sich individuell, als Gruppe
und als Verband gegenüber den großen
Herausforderungen der Weltgesellschaft
zu positionieren und sich mit eigenen
Vorstellungen in den gesellschaftlichen
und politischen Diskurs einzubringen.
MULTIPLIKATOR FÜR
KREATIVE AUSDRUCKSFORMEN
Das Projekt „wohin gehst du mensch?
ÜberLebensKunst in Zeiten der Globalisierung“ ist ein Beitrag zu entwicklungspolitischer Orientierung und entwicklungsImpuls Nr. 1 | 2015
politischem Handeln. Wir sehen unsere
Welt ökonomisch und sozial gespalten, zerteilt in Privilegierte und Benachteiligte, zerrissen in Weltteile, die in Wohlstand und
Frieden leben, und solche, die von Armut,
Hunger und Krankheit, von Unterdrückung
und Kriegen heimgesucht werden. Und wir
halten dagegen: „Gutes Leben – für alle!“
In dem Projekt mit bundesweit über 100
Veranstaltungen gelang es, unterschiedlichste Zielgruppen und verschiedene
Generationen für die Zukunftsfrage „Wie
wollen/können wir morgen leben?“ zu
interessieren und ihnen einen Austausch
über Erlebtes und Zukunftsrelevantes zu
ermöglichen.
Wesentlich ist in diesem Zusammenhang,
dass bundesweit Multiplikatoren für kreative Ausdrucksformen gewonnen und in
den Bereichen Form und Farbe, Fotografie
und Theater geschult wurden, die nach
ihrer Ausbildung das Erlernte vor Ort in
Veranstaltungen umsetzen. Der kreative
Ansatz des Projekts ermöglichte eine neue
unverbrauchte Sicht auf Themen und
Handlungsfelder – gerade im Hinblick auf
die „Zukunftsfragen“. Dabei reichte das
Themenspektrum von Wasser als Menschenrecht über Pflege und Verteilungsungerechtigkeit bis hin zum Umgang mit
M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T
den endlichen Ressourcen unserer Erde.
Auch für 2015 sind noch Veranstaltungen
geplant, so u.a. drei Foren beim Seniorentag in Frankfurt. Mit den im Projekt erstellten Begleitmaterialien und Medien wie der
Poster-Reihe „wohin gehst du mensch?“
mit Bildern der Künstlerinnen-Vereinigung
„dreieck. triangle. driehoek“ aus dem
deutsch-belgisch-niederländischen Raum,
dem Arbeitsheft mit Texten namhafter
Autor(-inn)en und methodisch-didaktischen Bausteinen und der CD mit meditativen Texten kann und soll auch zukünftig
weitergearbeitet werden. Die verschiedenen
Materialien des Projekts laden zum Mitmachen ein und geben Hilfestellungen, sich
mit den Fragen nach einem guten und
sinnvollen Leben auseinanderzusetzen. ■
MECHTHILD HARTMANN-SCHÄFERS
WISSENSCHAFTLICHE REFERENTIN
DER STIFTUNG ZASS
Alle Materialien sind über
Misereor zu beziehen:
MVG, Postfach 10 15 45, 52015 Aachen
E-Mail: [email protected]
www.misereor-medien.de
Telefon: 0241/470 86-100
Mehr unter: www.projekt-ueberlebenskunst.de
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KAB-IMPULSE
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Allein ohne Sinn <<
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BAMBERGER PUZZLE-AUSWERTUNG
Sinnvolles Leben ist nicht teuer, zu einem sinnvollen Leben spielen Geld und Kapital eine
untergeordnete Rolle. Eine Auswertung der Sinn-Puzzle-Teile im Bistum Bamberg ergab,
dass persönliche Einstellungen und Befindlichkeiten eng mit der sozialen und familiären
Situation verbunden sind.
Eine große Mehrheit, 43 Prozent der etwa
1800 nach einem sinnvollen Leben Befragten beziehungsweise Sinn-Puzzler/-innen,
erklärten, dass Zeit für sich und andere,
Zufriedenheit, Gesundheit, Gelassenheit,
Frieden und Liebe die wichtigsten Grundpfeiler für ein sinnvolles Leben sind.
Dennoch sind diese persönlichen Bedürfnisse nicht zum Nulltarif zu haben. Denn
diese Zufriedenheit ist abhängig vom Partner, der Familie, dem Nachbar, dem Gegenüber, dem Nächsten. So war für ein
Viertel der Bamberger Sinnsucher die Pflege des sozialen Umfeldes, der Gemeinschaft von Familie, Freunden und Vereinen
von großer sinnstiftender Bedeutung. Um
|>>
dies umzusetzen, sind die Achtung gegenüber dem anderen Menschen, die Nächstenliebe, Toleranz, Verständnis und der
Frieden wichtige Bausteine.
Die Zwischenmenschlichkeit in unmittelbarer Gemeinschaft verlangt auch eine
intakte Gesellschaft. So sind Gerechtigkeit
beziehungsweise Verteilungsgerechtigkeit,
Gleichberechtigung und die Sicherheit der
eigenen Existenz in Form von einem Wohlstand für alle und bezahlbaren Wohnraum
Grundpfeiler für eine menschenwürdige
Gesellschaft. Und nicht zuletzt leitet sich
aus diesem gesellschaftlichen Ansatz für
ein sinnvolles Leben auch die Arbeitswelt
jedes einzelnen ab. So waren für viele
Sinn-Puzzler gute Arbeit und gerechter
Lohn sowie eine sichere Rente und Bildungszugänge wichtige Voraussetzungen
für ein sinnvolles Leben.
GOTT GIBT SINN.
Gleichzeitig ist ein sinnvolles Leben ohne
Gott und Glauben für die Befragten nicht
denkbar. Glaube, Hoffnung und Gottvertrauen sind die häufigsten religiösen Nennungen. Eng verbunden mit dem Glauben
ist der Erhalt der Schöpfung Gottes. In der
Verantwortung mit und für die Natur und
Gottes Schöpfung sehen fast 13 Prozent
der Befragten einen wichtigen Sinn in
ihrem Leben. ■
Abschlussfest „Sinnvoll leben“ großer Erfolg <<|
Bildungswerk der KAB
in Bistum Essen e.V.
Das Abschlussfest des Jahresmotto 2014 „Sinnvoll leben“ in der Kraftzentrale des Duisburger Landschaftsparks hat die
vielen Besucher begeistert und wirkt weit über die Veranstaltung hinaus. Viele Vereine nutzen weiterhin die Puzzle-Teile,
um sie einerseits künstlerisch zu verwerten und andererseits das Thema weiterhin im Verband lebendig zu halten.
Das Abschlussfest wurde auch auf einem Film festgehalten. Besucher haben kurz vor Weihnachten eine DVD mit dem
Film erhalten. Möglich wurde die Veranstaltung auch durch die vielen Sponsoren wie das Essener KAB-Bildungswerk, der
Duisburger Verein Gottfried Könzgen, die GLS-Bank in Bochum und andere.
INFO: Der Film vom Duisburger Abschlussfest „Sinnvoll leben“ (inklusive Interviews) ist gegen einen Bearbeitungsgebühr
von 5,00 Euro (Staffelpreise möglich) in der KAB-Geschäftsstelle Köln, Bernhard-Letterhaus-Str. 26, 50670 Köln
(Tel.: 0221 / 77 22-0 oder [email protected]) zu bestellen.
20
K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N
KAB-IMPULSE
> >> >
KAB vor Ort
HERAUSFORDERUNG
FAMILIE
Strahlfeld. Mit den Herausforderungen der Familie setzten
sich Familien aus dem Diözesanverband Regensburg intensiv
auseinander. Was braucht ein
Kind, um groß zu werden? Es
braucht Kompetenzen, Beziehungen und Sinn,Werte, Glaube
und Religion. Aber auch ein
gesichertes Umfeld. Verlässliche
politische Strukturen. Ob diese
gewährleistet sind? Christa
Mösbauer, KAB-Diözesansekretärin und Organisatorin des
Wochenendes, berichtete von
den geheimen Verhandlungen
der EU mit den USA über die
Transatlantische Handels- und
Investitionspartnerschaft, kurz
TTIP. Es soll ein Abkommen
bestätigt werden, das zur größten Freihandelszone der Welt
führen soll. Es geht dabei um
die Beseitigung nichttarifärer
Hemmnisse für den Handel und
für Investitionen. Nichttarifäre
Hemmnisse sind zum Beispiel
Regeln für die Finanzmärkte
oder Gesetze zum Schutz von
Arbeitnehmern, von Gesundheit, Klima und Umwelt. Durch
die sogenannte „Harmonisierung“ droht der Abbau von
Impuls Nr. 1 | 2015
Sozial- und Arbeitsschutzstandards, von Gesundheits- und
ökologischen Standards. Das
bedeutet, dass Familien finanzielle und zeitliche Einschränkungen zu erwarten haben, sollte dieses Abkommen zustande
kommen. In Workshops informierten sich Eltern über das
Thema und beteiligten sich an
der Unterschriftenliste gegen
das Abkommen. Resümee der
Eltern: „Wir sind verpflichtet,
unseren Nachkommen eine
ökologische und ökonomische
Zukunft zu sichern.“
BIO GANZ NAH
Ingolstadt. Der Kreisverband
der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) Ingolstadt
besichtigte den Biomarkt Landmann in der Permoser Straße
in Ingolstadt. Herr Ultes, der in
Ingolstadt mit seiner Familie
noch zwei weitere Biomärkte
betreibt, berichtete über die
Beweggründe, Bio-Lebensmittel
und Bio-Waren anzubieten. Er
ging auf die zahlreichen Fragen
der Teilnehmer/-innen ein
und gab bereitwillig Auskunft
sowohl über die breite Angebotspalette als auch über die
HERAUSFORDERUNG FAMILIE
Ein bewegendes Familienwochenende in der Bildungsstätte
Strahlfeld erlebten KAB-Familien aus dem Diözesanverband
Regensburg. Foto: KAB
Personalstruktur in seinem
Betrieb. Kreisvorsitzende Resi
Geyer bedankte sich für die
Führung und die vielen Informationen. Mit einem Einkaufsbummel im Bio-Laden endete
der Betriebsbesuch.
UNGLEICHHEIT
UND GEWALT
Olpe/Kirchhundem. „Lateinamerika ist der gewaltigste
Subkontinent der Welt, aber
auch nirgendwo auf der Welt
herrscht größere Ungleichheit
zwischen Arm und Reich“,
beklagte Gregorio Rosa Chávez,
Weihbischof aus San Salvador.
Hildegard Schlüter, stellvertretende KAB-Bezirksvorsitzende,
bot allen Interessierten des
Pastoralen Raums Kirchhundem
Einblicke in das lateinamerikanische Land. Auf Einladung des
KAB-Bezirksverbandes Olpe/
Siegen hatte der AdveniatBotschafter im Josef-GockelnHaus über die Folgen der sozialen Spaltung anhand eines
Kurzfilms aufgeklärt. So würden
Jugendbanden mit brutaler
Gewalt die Menschen in Angst
und Schrecken versetzen, referierte Weihbischof Chávez.
M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T
So sei es ein wesentliches
Anliegen, den Jugendlichen Perspektiven jenseits von Gewalt
und Armut aufzuzeigen. „Die
Jugendlichen in El Salvador sind
die Zukunft und die Gegenwart.
Sie haben das Recht auf eine
Chance, aber viele sind ohne
Hoffnung“, so Rosa Chávez,
dessen Projekt zur präventiven
Pastoral von Adveniat unterstützt wird.
ZIELGRUPPE JUNGE
FAMILIEN
Bracht. Die KAB in der Weggemeinschaft Born, Bracht, Brüggen setzt auf junge Familien.
Zum Ferienabschluss hatte die
KAB mit einem Familienfest
den Startschuss für dieses
Zukunftsprojekt gegeben. Die
von der KAB und der Familienbeauftragten der Burggemeinde
gemeinsam ausgerichtete Aktion wurde sehr gut angenommen und soll in diesem Jahr
wiederholt werden. Gekoppelt
mit zwei Spielenachmittagen,
wurden junge Familien angesprochen. „Die Idee ist, mit
interessierten Teilnehmern eine
Gruppe für junge Familien zu
gründen“, sagt KAB-Vorsitzen-
21
KAB-IMPULSE
ERLÖSE FÜR SOZIALPROJEKTE
Der wiedergewählte Vorstand der
KAB Deining und 3. Bürgermeister
Peter Hollweck. Foto: KAB
der Willi Leven. Nach dem
Motto „Eltern werden ist nicht
schwer, Eltern sein dagegen
sehr“, will die KAB Bracht mit
neuen Kontakten, dem Erfahrungsaustausch zwischen Eltern
und gemeinsamen Aktivitäten
und Ausflügen in der Gemeinschaft Familien unterstützen.
Unterstützt wird die KAB-Initiative auch von der Familienbeauftragten der Gemeinde,
Michaele Mevissen aus der
Gemeindeverwaltung Brüggen.
ERLÖSE FÜR
SOZIALPROJEKTE
Deining. Der KAB-Ortsverband
Deining hat einen neuen Rekord
aufgestellt. So wurden bei der
Palmbüschel-Aktion 2014
genau 1.500 Büschel gebastelt.
Aus dem Reinerlös des Verkaufs
konnte die KAB 100 Euro an die
Christliche Arbeiterhilfe Nürnberg und 600 Euro an die Partnerprojekte der KAB im Senegal
spenden. Die wiedergewählten
Vorsitzenden Manfred Meier
und Monika Sieger konnten
auch die Anschaffung von
neuen Gotteslob-Gesangbüchern in der Pfarrei mit 800
Euro unterstützen. Pfarrer
Norbert Zawilak bedankte
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>> >
OFFENE TÜREN EINGERANNT
Sprach sich für das KAB-Rentenmodell und gegen einem TTIPBoykott aus: SPD-Politiker
Christian Flisek. Foto: Bundestag
BESUCH BEI DER SCHIRMHERRIN
Besuch bei der Landtagsabgeordneten und
Schirmherrin des KAB-Umweltprojekts der
Diözese Eichstätt, Tanja Schorer-Demel.
Foto: KAB
sich und erinnerte in seinem
geistlichen Wort an die Ziele
der KAB, Kirche in der Welt der
Arbeiterschaft und Stimme der
Arbeitnehmer in der Kirche zu
sein, sowie an die Katholische
Soziallehre und ihre Grundprinzipien Solidarität, Subsidiarität
und Personalität. Auf der Jahreshauptversammlung, wo
Neuwahlen anstanden, konnte
der Vorstand Gründungsmitglied Johann Zoch, ehemaliger
Vorsitzender und ehemaliger
Kassierer, der nach 50 Jahren
aktiver KAB-Arbeit als Beisitzer
ausschied, für seinen unermüdlichen Einsatz danken.
OFFENE TÜREN EINGERANNT
Passau. Mit dem Vorschlag des
solidarischen Rentenmodells
der katholischen Verbände
rennt die KAB offene Türen bei
der SPD ein. Dies meint der
Bundestagsabgeordnete Christian Flisek, nachdem eine 24köpfige Delegation aus dem
Diözesanverband Passau auf
einer Informationsreise in Berlin
das „Cappuccino-Modell“ vorgestellt hat. „Neben der Verhinderung von Altersarmut werden
wir in der gesetzlichen Rentenversicherung in Zukunft aber
auch für mehr Flexibilität sorgen müssen. Wir müssen mit
den sozialen Sicherungssystemen verstärkt Antworten auf
die verschiedenen Lebensläufe
der Menschen finden“, erklärte
Flisek. In Bezug auf das Freihandelsabkommen TTIP erklärte
der Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Deutschland
sei als Exportweltmeister wie
kein anderes Land auf einen
freien Handel von Waren und
Dienstleistungen angewiesen.
BESUCH BEI DER
SCHIRMHERRIN
Wettstetten/München. Einen
Besuch hat die KAB Wettstetten bei der Schirmherrin des
Umweltprojekts des KABDiözesanverbandes Eichstätt,
der Landtagsabgeordneten
Tanja Schorer-Dremel, abgestattet. Im Münchener Maximilianeum, das seit 1949 den Bayerischen Landtag beherbergt,
informierten sich die Mitglieder
der Wettstettener KAB über
die Arbeit der Schirmherrin. Die
im sauerländischen Meschede
geborene CSU-Politikerin war
Grundschuldirektorin und Landrätin im Landkreis Eichstätt. Als
Vorsitzende der Kinderkommis-
sion im Bayerischen Landtag
berichtete sie von ihrer politischen Arbeit. Die Ortsvorsitzenden Maria Lieberer und GeorgPeter Schneeberger überreichten der Umwelt-Schirmherrin
eine Chronik der KAB Wettstetten und das aktuelle Jahresprogramm 2015.
FAMILIE KAB UND
FLÜCHTLINGE
Loiching. Diese „Familie KAB“
sei als Gruppierung aus dem
Gemeindeleben nicht mehr
wegzudenken. „Niemanden
durch das soziale Netz fallen
zu lassen, dafür setzt sich die
KAB im Großen wie im Kleinen
ein – das packt die Katholische
Arbeitnehmer-Bewegung an!“,
hatte die stellvertretende Bürgermeisterin Loichings, Gerda
Schaffer, auf einer Adventsfeier
ins Stammbuch geschrieben. Im
Mittelpunkt der Feier stand die
Weihnachtsgeschichte und die
damit verbundene Situation der
Flüchtlinge damals und heute.
Monika Wölbl, Daniela Seidl
und Maria Dannerbeck erzählten die Herbergssuche aus heutiger Sicht: Menschen, die in
ihrer Heimat nicht mehr in
Sicherheit leben können, klopK A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N
KAB-IMPULSE
>>
BESINNUNGS-PUZZLE IM ADVENT
Die Jahresaktion „Sinnvoll leben“ wird in vielen
Ortsvereinen wie hier in Bocholt weiter mit Leben
gefüllt. Foto/Text: Zumkley/Honauer
fen an. Sie erhoffen sich Aufnahme für eine gewisse Zeit
und Rückkehr zu einem menschenwürdigen Leben – das
wollen sie. Mit Freundschaft
und Dankbarkeit, mit Vertrauen
in unsere Menschlichkeit –
damit zahlen sie. Lasst uns
nicht im Meer der Gleichgültigkeit ertrinken – das fordern sie!
RHEINLAND-KAB WIRD 110
Monheim/Baumberg. Mit
einem Empfang und einer Festrede von Michael Pätzold erinnerte die KAB St. Dyonisius
Baumberg/Monheim an ihre
wechselvolle Geschichte in
den vergangenen 110 Jahren.
Nachdem sich bereits Ende des
19. Jahrhunderts KAB-Vereine
im Rheinland gegründet hatten
– 1892 in Richrath, 1888 Benrath, hatten katholische Arbeiter in der Adventszeit des Jahres 1904 sich in Baumberg
zusammengeschlossen. Zwei
Jahre später in Reusrath und
acht Jahre später mit dem Bau
der Eisenbahn in Monheim
gründeten sich KAB-Gruppen
in der Stadt Monheim. Bereits
mit den Aktivitäten zum
100. Geburtstag hatte die KAB
Baumberg neuen Schwung in
Impuls Nr. 1 | 2015
2012
RHEINLAND-KAB WIRD 110
Noch bevor Monheim 1908 ans Eisenbahnnetz angeschlossen wurde, gründete sich die KAB Baumberg in
der Stadt Monheim. Auch nach 110 Jahren fährt die
KAB in Richtung Zukunft. Foto: KAB
den Verein gebracht, Neumitglieder geworben und sich
öffentlich in die Politik eingemischt. „Der Sonntagsschutz“,
so der stellvertretende Vorsitzende Franz Köchling, „ist uns
ein wichtiges Anliegen in den
letzten Jahren geworden.“
BESINNUNGS-PUZZLE
IM ADVENT
Bocholt. In der KAB St. Paulus
Bocholt wird auch nach dem
Finale des „größten Sinn-Puzzles
der Welt“ weitergepuzzelt: Mit
Reinhold Ihorst, Theologe, trafen sich die KAB-Mitglieder im
Advent zu einem Besinnungstag
im Kloster Mariengarden in
Burlo. Ihorst hatte viele unbeschriebene Puzzleteile mitgebracht und bat die Teilnehmenden darauf zu schreiben, was
für sie als ältere Menschen ein
sinnvolles Leben ausmacht. Die
Antworten der Teilnehmer dazu
waren vielfältig: Belastungen
abbauen, gelassen werden,
finanzielle Sicherheit im Alter,
eingebunden sein und dazugehören. Auch Fragen fanden
ihren Platz auf den Puzzleteilen,
– Fragen wie: „Worauf kann ich
hoffen?“ Theologe Ihorst notierte alles Gesagte auf den großen
Puzzle-Teilen und legte PuzzleTeil für Puzzle-Teil aneinander.
Schließlich ergab sich so ein
großes Gesamtbild mit vielen
Anregungen für ein sinnvolles
Leben.
KAB SAMMELT FÜR
KATASTROPHENSCHUTZ-TRUPPE
Duisburg. Die KAB St. Norbert
Duisburg-Hamborn hat im
Rahmen eines Vortrags der
Organisation I.S.A.R. Germany
Anfang November eine Spende
von 500 Euro an den Referenten Ralf Heuberg überreicht.
Symbolisch wurde von den
Kassierern Michael Scholtyssek
und Johannes Priebe ein Überweisungsträger an die Organisation übergeben, die bei akuten Katastrophen weltweit
spezielle Hilfsteams zusammenstellt, um bei Erdbeben,
Explosionen oder Flutkatastrophen Soforthilfe zu leisten. Die
Duisburger KAB hatte im Laufe
des Jahres bei verschiedenen
Veranstaltungen der KAB
Spenden von Freunden und
Mitgliedern der KAB gesammelt. Rudolf Metken dankte
allen Spendern im Namen des
Vorstands der KAB.
M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T
KAB SAMMELT FÜR KATASTROPHENSCHUTZ-TRUPPE
Soforthilfe bei Katastrophen: Die Kassierer Michael Scholtyssek und Johannes
Priebe übergeben einen Scheck an
ISAR-Referent Ralf Heuberg. Foto: KAB
MEHR SINN STATT
MEHR KONSUM
Schwabach. Gegen das Motto
einer Shopping-Nacht in
Schwabach haben sich die KAB
und das regionale Bündnis
„Allianz für den Sonntag“ ausgesprochen. Die Veranstalter
der Shopping-Nacht hatten
gemeinsam mit der örtlichen
Arbeitsgemeinschaft Christlicher
Kirchen (ACK) vor Weihnachten
mit dem Motto „Schwabach
glänzt – Kirche trifft Handel bei
Nacht“ zum nächtlichen Einkauf
mit Krippenschau eingeladen.
„Reicht dem ACK ein Spannungsverhältnis aus vorweihnachtlicher Besinnlichkeit
und Geschenketrubel in den
Geschäften, welches dazu führt,
den Konsumrausch anzufeuern?“,
fragte KAB-Sekretärin Hildegard
Remling. Die Allianz-Sprecherin
stellte dem ein sinnstiftenderes
Motto gegenüber: „Schwabach
leuchtet vor Freude – Kirche
trifft Menschen“. Dieses Motto
käme auch ohne verlängerte
Ladenöffnung aus“. Doch betroffen waren jene Menschen,
die „im Einzelhandel beschäftigt
sind“. „Mütter und Väter, die
sich die halbe Nacht hinter den
Ladentisch stellen müssen und
23
KAB-IMPULSE
>
TANNEN FÄLLEN BEI ST. CHRISTOPHERUS
Der Verkauf von Tannengrün vor Weihnachten kam
dem Honduras-Projekt der KAB zugute. Foto: KAB
nicht bei ihren Kindern sein
können“, kritisierte auch Stephan Doll, Chef des DGB Mittelfranken. „Wo ist die kritische
Haltung der Kirchen in Schwabach gegen einen Konsumismus,
der wertvolle Ressourcen kostet
und Menschen nur scheinbar
glücklicher macht?“, fragt Remling.
POSITIONSPAPIER
ZU TTIP-ABKOMMEN
Mühldorf. Ein Bündnis, bestehend aus mehreren Verbänden
wie KAB, KLJB, BDM, LBV,
Bund Naturschutz, BDKJ und
Gewerkschaften hat sich mit
Blick auf das geplante Freihandelsabkommen TTIP auf Eckpunkte eines sogenannten
„gemeinwohlorientierten Verhandlungsmandats“ verständigt. Der KAB-Kreisverband
Mühldorf hat nun das Positionspapier zusammen mit
dem Kreiskatholikenrat Landrat Georg Huber vorgestellt.
Der entsprechende Antrag für
Kommunalpolitiker kann auch
von Bürgern eingebracht werden und steht auf der KABHomepage zum Download
bereit. Die Information ging
auch an die anderen Fraktionen
im Kreistag und soll möglichst
24
TRAUER UM DIÖZESANVORSITZENDE STÜTZLE
Hanna Stützle ist nach einem
erfüllten Leben im Alter von
83 Jahren gestorben. Foto: Archiv
im Konsens mit allen Gruppierungen verabschiedet werden.
Statt Geheimverhandlungen
brauche es eine breite öffentliche Diskussion, um ein soziales
und ökologisches Verhandlungsmandat zu erreichen, betonten
Kreiskatholikenrats-Vorsitzende Christine Schmid und
KAB-Diözesansekretär Rainer
Forster.
TANNEN FÄLLEN BEI
ST. CHRISTOPHERUS
Delmenhorst. Traditionell ist
bereits das Tannenfällen der
KAB St. Christopherus in Delmenhorst. Unter Leitung von
Benedikt Larisch wurde eine
Nordmanntanne im Garten
einer Familie, die das HondurasProjekt der KAB schon seit
mehreren Jahren durch das
Spenden der Tanne unterstützt,
gefällt. Die Holzfällergruppe im
Alter von 4 bis 77 Jahren arbeitete nicht nur gründlich, sondern erhielt nach getaner Arbeit
ein gutes Mittagessen, das ein
Koch-Team in Gemeinschaft
am Vormittag zubereitete. Die
Tannenzweige und Gestecke
wurden im Vorfeld der Adventszeit vor der Kirche verkauft. Der
Erlös aus dem Tannenverkauf
kommt wieder dem Honduras-
FLAGGE GEGEN FREMDENFEINDLICHKEIT
„Arsch huh“ gegen Fremdenfeindlichkeit und Hooligans:
Der Kölner KAB-Stadtverband zeigte deutlich Flagge.
Foto: Rabbe
Projekt des KAB-Landesverbandes zugute. Honduras ist das
zweitärmste Land in Lateinamerika. Die KAB fördert dort
beispielsweise selbstständige
Frauen mit Mikrokrediten und
Weiterbildungen.
TRAUER UM DIÖZESANVORSITZENDE STÜTZLE
München. Ihre Wurzeln und ihr
Engagement rührten aus der
Arbeit im katholischen Werkvolk, dem sie als Bezirksjugendführerin nach dem 2. Weltkrieg
angehörte. Die Münchenerin
Hanna Stützle engagierte sich
nicht nur wie ihr Mann Hans
in der KAB, sondern seit den
1980er-Jahren als Diözesanratsvorsitzende für die Einführung
der Pflegeversicherung und
den Schutz des ungeborenen
Lebens. Ihr wichtigster Lebensgrundsatz „Glauben heißt Handeln“ veranlasste sie, deshalb
auch Frauen in der Schwangerschaftskonfliktberatung nicht
allein zu lassen.
Sie gründete den Verein „Donum
vitae“ mit. Ende November
starb Hanna Stützle im Alter
von 83 Jahren. Das Requiem
für sie hielt der ehemalige Erzbischof von München, Kardinal
Friedrich Wetter.
FLAGGE GEGEN
FREMDENFEINDLICHKEIT
Köln. Vertreter des Stadtverbandes Köln unterstützten und
beteiligten sich an der Aktion
„Arsch huh – Zäng auseinander“, die sich gegen den Hooligan-Aufmarsch im Oktober
richtete. Gemeinsam mit Künstlern, Musikern und 15.000
anderen Mitstreitern zeigte die
KAB Flagge gegen rechts. Hooligans und rechte Gruppen hatten Polizisten angegriffen und
Polizeiwagen demoliert. Mit
der Beteiligung der KAB am
Demonstrationsmarsch in der
Domstadt sollte deutlich
gemacht werden, dass die Menschen die öffentlichen Plätze
nicht Nazis überlassen wollen.
Parteien, Gewerkschaften, kirchliche Gruppen der evangelischen, katholischen und moslemischen Religion unterstützten
den Protest. „Als katholische
Arbeitnehmerbewegung sind
wir aufgerufen, uns gegen jede
Form von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu stellen“,
erklärte Hans-Georg Lülsdorf
vom KAB-Stadtverband.
K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N
KAB-IMPULSE
>
AUS DEN DIÖZESEN
DV Regensburg: Spekulanten
müssen zur Rente beitragen <<|
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Bei den 1. Arzberger Sozialtagen machte der KAB-Diözesanverband Regensburg
auf die Rentenproblematik der heute arbeitenden Generationen aufmerksam.
Zusammen mit den Ortsverbänden geht man mit der Ausstellung bewusst in
Banken und Rathäuser, um das Thema „Rente“ bistumsweit in die Öffentlichkeit
bringen. Zur Eröffnung erklärte Schirmherr MdB Dr. Hans-Peter Friedrich: „Riester ist gescheitert!“ Das Rentenniveau sinkt rapide. „Das derzeitige rein lohnbezogene System garantiert keine ausreichende Rente mehr", betonte der Leiter
der KAB-Rechtsstelle Josef Wismet. Das Niveau der gesetzlichen Rente wird von
57,4 % im Jahr 1985 auf 45,4% im Jahr 2030 sinken. „Altersarmut ist noch kein
Massenphänomen, wir gehen aber darauf zu“, betonte in diesem Zusammenhang Diözesanvorsitzender Hermann Markl. Im Rahmen der Sozialtage will die
KAB die heutige arbeitende Bevölkerung für das Thema interessieren.
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Dr. Friedrich (2. von rechts) tauschte sich zum Thema
Rentenperspektive mit Vertretern des KAB-Diözesanverbandes Regensburg aus. Foto: KAB
www.kab-regensburg.de
KAB DV Eichstätt: Kritik an Billigkonzern Primark <<|
Die KAB Eichstätt kritisiert den Billigdiscounter
Primark. Hier eine Filiale in Köln. Foto: Rabbe
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Gegen die Ansiedlung des irischen Billigkleider-Verkaufsdiscounts Primark hat
sich der KAB-Diözesanverband Eichstätt ausgesprochen. „Primark steht für einen
radikalen Kapitalismus, wie man ihn aus dem 19. Jahrhundert kennt. 2013 starben
in Bangladesh mehr als 1100 Menschen in einer Fabrik, die für Primark nähte.
Gewerkschaftskollegen in den bestehenden Filialen sprechen von betriebsratsfeindlicher Atmosphäre. Ein solches Unternehmen ist nirgendwo ein Gewinn“,
sagte dazu KAB-Diözesanpräses Bernhard Kroll. Der Präses antwortete damit
öffentlich auf die Äußerung von Ingolstadts Oberbürgermeister Christian Lösl,
der Billig-Discounter als Gewinn für die Region bezeichnete. Diözesanpräses Kroll
schließt sich damit auch einer grundsätzlichen Kritik der Kirche an Primark an,
die der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki in scharfer Form geäußert hatte.
Woelki hatte Primark Manchesterkapitalismus vorgeworfen und die Gesellschaft
aufgefordert, sich für eine Änderung des Geschäfts- und Produktionsverhaltens
des Unternehmens einzusetzen.
KAB DV Fulda: Selbstverwaltung stärken <<|
Für eine Stärkung der sozialen Selbstverwaltung spricht sich der hessische Vorsitzende der ACA Hessen, Michael
Schmitt, Fulda, aus. KAB-Diözesansekretär Michael Schmitt sieht im Koalitionsvertrag lediglich „vage Andeutungen“ zur
Reform der Selbstverwaltung. „Als ACA und KAB haben wir ganz konkrete Vorstellungen, wie Sozialpartnerschaft auszusehen hat“, erklärt er. So fordert die ACA neben dem Ausbau der Entscheidungs- und Gestaltungskompetenzen einen
klaren gesetzlichen Rahmen für die Zugriffsmöglichkeiten staatlicher Aufsichtsorgane. Klärungsbedarf sieht die ACA
bei den Anforderungen an vorschlagsberechtigte Organisationen. So dürften nur selbstständige Arbeitnehmerorganisationen mit berufs- und sozialpolitischer Ziel- und Zwecksetzung als Listenträger zugelassen werden, die in
einem Sozialversicherungszweig bei mindestens drei Sozialversicherungsträgern kandidieren und außerdem durch
ihre Tätigkeit auch außerhalb der Selbstverwaltung eine sozialpolitische Relevanz nachweisen.
Impuls Nr. 1 | 2015
M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T
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KAB-IMPULSE
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KAB DV Münster:
Gegen Islamfeindlichkeit <<|
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„Schön, dass ihr von der KAB auch da seid!“,
hörten die KAB-Vertreter auf der Anti-PegidaVeranstaltung in Münster. Foto: Harhues
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Im Vorfeld einer möglichen Pegida- beziehungsweise Mügida-Gründung hat
sich die KAB Münster an dem Protestzug und der Kundgebung gegen islamfeindliche Gruppen beteiligt. Judith Harhues ist 24 Jahre alt, KAB-Mitglied aus
Münster und steht weit vorne an der Bühne unter den Demonstranten/-innen.
Für sie ist es selbstverständlich, hier zu sein. „Ich will in einer bunten Stadt
leben“, sagt sie. Mit Kerzen in der Hand stellte sich auch Ortrud Harhues, Bildungsreferentin des KAB-Diözesanverbandes, in die Reihen der Pegida-Gegner.
Insgesamt kamen etwa 10.000 Menschen in die Münsteraner Innenstadt, um
Werte wie Nächstenliebe, Gastfreundschaft, Hilfsbereitschaft und Fremdenfreundlichkeit zu demonstrieren.
DV Freiburg: Almosen ist noch keine Solidarität <<|
Auf den 7. Kurpfälzer Sozialtagen hatte nicht nur der ehemalige Umweltminister
Klaus Töpfer die zunehmende Entsolidarisierung in unserer Gesellschaft und
deren Folgen aufgezeigt. Auch die Europapolitikerin Jutta Steinruck hatte mit
dem Thema Flüchtlinge und Migration die Notwendigkeit von Zuwanderung und
Solidarität unterstrichen. „Ohne diese Menschen ist unsere Gesellschaft ärmer“,
erklärte sie. Auch Mannheims Alt-Oberbürgermeister Gerhard Widder brachte
es bei seinem Vortrag zum Thema „Solidarität, ein Begriff von gestern?“ auf den
Punkt. Es genügt nicht, etwas an ein oder zwei Stellschrauben in unserer Gesellschaft zu verändern, so Widder, sondern wir brauchen eine grundlegende Neuorientierung. Und hierzu, so Widder, sei er dem neuen Papst für die stetig mahnenden Worte dankbar. Für den Gewerkschaftsboss Frank Bsirske (verdi) ist es eine gute und wichtige Tradition, dass sich
bei den Sozialtagen in der Region Rhein-Neckar, alle gesellschaftlichen Gruppierungen in Räumen der Kirche treffen und
miteinander ins Gespräch kommen. Es genügt nicht, ab und an miteinander Freundlichkeiten auszutauschen, sondern
man müsse zuhören und voneinander lernen, so Bsirske.
Mehr unter www.kab-rheinneckar.de
|>>
DV Paderborn – Allianz gegen miese Werkverträge <<|
Nun unterstützt auch der KAB-Bezirk Olpe-Siegen die
Allianz gegen den Missbrauch von Werkverträgen. Nachdem auf dem jüngsten Bezirkstag in Freudenberg der
Bezirksvorsitzende der KAB Höxter-Paderborn, Konrad
Nagel-Strotmann, die Ziele des Bündnisses gegen
schlechte Werkverträge den Delegierten vorstellte,
stimmten diese zu und wollen die künftige politische
Arbeit des Bezirks auch auf dieses Thema fokussieren.
Damit ist der zweite Bezirk im Diözesanverband Paderborn der Petition beigetreten. Die Methode der WerkDie Delegierten informierten sich vor Ort auch über die
verträge fördere das Lohndumping und führe in vielen
Arbeit des Ketteler-Cardijn-Werkes.
Branchen zu menschenunwürdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen. „Frauen, die der Armut in Rumänien entkommen wollen, müssen für 2,10 bis 3,70 Euro pro Stunde
Schwerstarbeit leisten, weit über die gesetzliche Höchstarbeitszeit hinaus, sie sind mit etlichen Frauen und Männern
in einem oft baufälligen und schimmeligen Zimmer untergebracht, schlafen dort für 210 Euro Miete pro Bett und
Monat“, erklärte Nagel-Strotmann. Der Missbrauch von Werkverträgen, den sich die Unternehmen vielfach mit öffentlichen Leistungen wie Hartz-IV-Aufstockung, Kindergeld und Wohngeld subventionieren lassen, lasse unsere Gesellschaft „von innen verrotten“, so der Bezirksvorsitzende.
26
K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N
KAB-IMPULSE
>
BUCHTIPPS
PL ÄDOYER FÜR
ECHTE SOLIDARITÄT
Die derzeitigen Konflikte und Kriege mit ihren Flüchtlingsströmen werden überwiegend als Folge von religiösen Konflikten
und blindwütigem Terrorismus seitens der Politik abgetan. Der
Sozialethiker Friedhelm Hengsbach will sich mit diesen schnellen Erklärungen nicht zufrieden geben. „Warum werden bei aller
aufgeheizten Erregung die ökonomischen, politischen und auch
geschichtlichen Hintergründe der Kämpfe im Nahen Osten verschwiegen?“, fragt er. „Dem Einsatz von Waffen gehen soziale
Ungleichheit, hegemoniale Wirtschaftsmacht, imperiale Herrschaftsansprüche voraus, die für die jeweils Unterlegenen tödlich sind.“ Die soziale Ungleichheit ist ein Ergebnis eines Kapitalismus, der tötet, wie Hengsbach Papst Franziskus zitiert.
Hengsbach stellt Marktwirtschaft genauso auf den Prüfstand
wie Begriffe von Leistungsfähigkeit, die jeder und jede in seine
Arbeit einbringt, die aber unterschiedlich honoriert wird. Der
Sozialethiker setzt aufs Teilen. Nicht im Sinne der Brotkrümel
vom Tisch der Reichen für die Armen, sondern Solidarität durch
politischen Gestaltungswillen und klare gesetzliche Regelungen.
Am Beispiel Europa zeigt er auf, dass dies über Landesgrenzen
hinweg geschehen muss.
>> Teilen, nicht töten,
Friedhelm Hengsbach,
Westend-Verlag 2014,
128 Seiten
12,80 Euro
>> Glücksökonomie –
Wer teilt, hat mehr vom Leben
Annette Jensen / Ute Scheub
oekom-Verlag
München 2014
315 Seiten
19,95 Euro
MENSCH IM MITTELPUNKT
Spätestens nach der letzten Jahresaktion „Sinnvoll
leben!“ wissen wir: Glück, Zufriedenheit und ein sinnvolles Leben hängen nicht vom reichen Besitz ab, sondern vorwiegend von zwischenmenschlichen Beziehungen. Die beiden Berliner Publizistinnen Annette Jensen
und Ute Scheub sehen in der Suche nach einem nichtmateriellen Glück eine Antwort auf eine globale Unzufriedenheit mit der kapitalistischen Wirtschaftsweise,
die Glück allein am Haben und Besitzen misst. Immer
mehr Menschen gehen neue Wege, gründen Betriebe
und Initiativen, die nicht dem Markt und der Marktwirtschaft, sondern auf einer „Glücksökonomie“ aufbauen. Gutes Leben in selbstbestimmten Zusammenhängen ist wichtiger als Erfolg auf einer Karriereleiter.
Die Autorinnen geben viele gute Beispiele, wie die Entwicklung vom Homo oeconomicus zum Homo cooperativus gelingen kann. Teilen mit anderen statt „allein“
besitzen ist eine Absage an eine Wachstumsideologie,
die den Erdball an den Rand einer Katastrophe und
die Menschen in Arm und Reich gespalten hat.
MATTHIAS RABBE
ALMOSEN STATT ARBEITSLOSENVERSICHERUNG
10 Jahre nach den Arbeitsmarktreformen ist das Land gespalten. Was hat Hartz IV
bewirkt? Diese Frage hat sich der Kölner Sozialwissenschaftler Christoph Butterwegge intensiv gestellt. Pünktlich zum 10. Jahrestag des Inkrafttretens der größten Arbeitsmarktreform hat er eine detaillierte Untersuchung abgeliefert. Das
Ergebnis: Vom Fordern und Fördern ist nur das Fordern geblieben. Arbeit um jeden Preis muss angenommen werden. Für viele bedeutet dies den Abstieg, für
die Masse der Menschen Angst vor dem Abstieg. Aus der Arbeitslosenversicherung
ist eine staatliche Almosenleistung geworden, die jeden und jede Arbeitslose auf
den Kopf stellt. Selbst die Wohnung, das Bett wird kontrolliert. Butterwegge
belegt, dass 10 Jahre Hartz die Gesellschaft verändert haben. Angst vor dem Abstieg, ein ausufernder Niedriglohnbereich, der Wandel der Familie zur Bedarfsgemeinschaft und die Stigmatisierung von weiterhin Millionen von Arbeitslosen,
viele von ihnen langzeitarbeitslos. Butterwegge seziert den Mythos „Hartz“, dessen Namensgeber derzeit die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien bekämpfen will.
Impuls Nr. 1 | 2015
M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T
>> Hartz IV und die
Folgen – Auf dem
Weg in eine
andere Republik?
Christoph
Butterwegge
Beltz-JuventaVerlag
Weinheim 2015
16,95 Euro
27
GESELLSCHAFT
Foto: Photocase
KAUFKRAFTGEFÄLLE
DIE MIETE MACHT
DEN UNTERSCHIED
Hartmut Kühn kennt die Klagen darüber,
dass ein Euro innerhalb Deutschlands
nicht überall den gleichen Wert hat. „In
Bautzen oder Schwedt wohnen unsere
Kollegen im eigenen Haus und fahren einen großen Audi, in Frankfurt oder Mainz
müssen sie sich mit 60 Quadratmetern
und einem Kleinwagen begnügen“, sagt
der zuständige Geschäftsführer der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Bundespolizisten, die zuvor an der polnischen Grenze tätig waren, dann aber zum Dienst am
Frankfurter Flughafen versetzt werden,
erleben eine indirekte Gehaltskürzung.
„Da will keiner hin, weil das Leben im
Rhein-Main-Gebiet viel teurer ist als in
Vorpommern oder Ostsachsen“, weiß
Kühn. Das Risiko, in die Armut abzurutschen, ist in den florierenden Großstädten erheblich höher als in den meisten
28
Das Leben in Großstädten kostet meist mehr
als im ländlichen Raum. Neben den Mieten
liegen auch die Preise für Nahrungsmittel
und andere Konsumgüter höher. Das in
neuen Studien bestätigte Kaufkraftgefälle
belebt die tarifpolitische Debatte darüber,
ob regionale Zulagen notwendig sind.
ländlichen Regionen. Zu diesem Ergebnis
kommt eine Untersuchung des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW). Die Forscher wählten dabei
eine andere Betrachtungsweise als bisherige Studien zur Verteilung von Arm und
Reich. Sie verglichen nicht einfach das
Einkommensniveau, sondern berücksichtigten das regionale Preisgefälle und
damit die reale Kaufkraft.
Ein Mittagessen in einem bäuerlichen
Gasthof in Niedersachsen oder Brandenburg, das weiß jeder Urlauber, ist billiger
als in der Innenstadt von Hamburg oder
Stuttgart. Im statistischen Mittel liegen
die Verbraucherpreise in den Großstädten
um gut sechs Prozent über denen auf
dem Land; in Ostdeutschland sind sie um
sieben Prozent niedriger als im Westen.
Ein Alleinstehender in München braucht
1.030 Euro im Monat, um sich genauso
viel kaufen zu können wie ein durchschnittlicher Bundesbürger mit 870 Euro.
Im sächsischen Vogtland oder im Kreis
Stendal (Sachsen-Anhalt) reichen dagegen weniger als 800 Euro.
870 Euro ist die sogenannte Armutsgrenze. Als arm gilt nach einer Definition der
Europäischen Union, wer weniger als
60 Prozent des mittleren Einkommens
zur Verfügung hat. Für ein Paar mit zwei
Kindern liegt die Vergleichszahl bei 1.830
Euro, für kinderlose Paare bei 1.300 Euro
monatlich. Berechnet man auf diese
Weise die Verdienstdifferenzen, teilt sich
Deutschland wie vor 25 Jahren in alte
und neue Bundesländer. Berücksichtigt
man aber die regionalen Preisunterschie-
GESELLSCHAFT
>
de, ergibt sich ein verändertes Bild: Aus
dem Ost-West- wird eher ein Stadt-LandGegensatz.
HOHE WOHNKOSTEN
Nur 14 Prozent der ländlichen, aber
22 Prozent der städtischen Bevölkerung
gelten der IW-Studie zufolge als „kaufkraftarm“. Das liegt vor allem an den
steigenden Kosten für das Wohnen. Nach
aktuellen Daten des Immobilienverbands
Deutschland und des Statistischen Bundesamtes schwankten die Mieten im Jahr
2014 zwischen 12,53 Euro pro Quadratmeter in München und 3,27 Euro in
Wunsiedel im Fichtelgebirge. Die Großräume Oberbayern, Rhein-Main, Hamburg, Stuttgart und Köln/Düsseldorf haben das höchste Niveau. Weniger als die
Hälfte davon müssen Mieter zum Beispiel
im Bayerischen Wald, in Nordhessen oder
in der Uckermark zahlen. Mit einer gesetzlichen Mietpreisbremse, die die Steigerungsraten begrenzt, will die Bundesregierung diesen Trend stoppen.
Junge Menschen, so beobachten Bevölkerungsforscher, wandern stärker als früher
in die Städte ab. Während ländliche Gebiete veröden, bleibt der Wohnraum in
den gefragten Ballungsräumen knapp.
Fast zwei Drittel der Bundesbürger besitzen, im Gegensatz zu den meisten Nachbarländern, kein Wohneigentum. Im
Schnitt gehen mittlerweile 35 Prozent
der privaten Konsumausgaben für Miete
und Nebenkosten drauf, mancherorts
sind es über 40 Prozent. Folgen hat das
vor allem für die Bezieher kleiner und
mittlerer Einkommen.
Erzieherinnen und Altenpflegerinnen,
Müllmänner und Polizisten können sich
das Leben in bestimmten Regionen nicht
mehr erlauben. Anders als in der Privatwirtschaft, wo Löhne und Gehälter die
unterschiedlichen Preisniveaus berücksichtigen, erhalten Staatsbedienstete im
Prinzip überall das gleiche Geld. Es gibt
geringfügige Schwankungen je nach Bundesland, manche Berufsgruppen erhalten
Zuschläge. Doch eine systematische und
regelmäßige Anpassung der Einkommen
an die Kaufkraft vor Ort findet nicht
statt. Schon 2008 forderte die Gewerkschaft der Polizei deshalb eine ,Ballungsraum-Zulage‘. Der Begriff ist missverständlich, denn es gibt „auch hochpreisige
ländliche Regionen wie zum Beispiel
Friedrichshafen”, betont BundespolizeiGeschäftsführer Kühn. Ein Beamter, der
in der Nähe der Schweizer Grenze eingesetzt wird, kann sich weniger leisten als
sein Kollege an der Grenze zu Dänemark.
In Kassel oder Magdeburg liegen die Mie-
GLEICHWERTIGE LEBENSVERHÄLTNISSE IN DEUTSCHLAND
„GLEICHWERTIG“ IST ETWAS ANDERES ALS „GLEICH“ ODER „EINHEITLICH“. DIESE FORMULIERUNG IST ALLERDINGS ERST ZEHN JAHRE ALT. BIS ZUR VERFASSUNGSREFORM NACH DER
DEUTSCHEN EINHEIT STAND IM ARTIKEL 72 ABSATZ 2 GRUNDGESETZ TATSÄCHLICH DER
SATZ VON DER „EINHEITLICHKEIT DER LEBENSVERHÄLTNISSE“.
ten niedriger als am Bodensee oder in
Südbaden. Ein generelles Kaufkraftgefälle
zwischen Stadt und Land existiert also
nicht.
SOZIALE SPALTUNG
Die IW-Studie listet jene Kommunen auf,
wo sich „regionale Armut“ ballt – und
kommt dabei keineswegs auf die üblichen
Verdächtigen. Im Ruhrgebiet und in vielen
Regionen Ostdeutschlands zum Beispiel
ist das Verhältnis der Einkommen zu den
örtlichen Preisen moderat, weil vor allem
die Mieten vergleichsweise niedrig liegen.
Eng wird es in jenen Ballungsgebieten, in
denen Reichtum und Armut eng beieinanderliegen. Durch eine ausgeprägte soziale
Spaltung gekennzeichnet sind der Untersuchung zufolge etwa Berlin, Köln und
Frankfurt am Main. Hier gibt es wohlhaImpuls Nr. 1 | 2015
bende Schichten, die gute Einkommen
haben, zugleich aber einen relativ hohen
Anteil an Geringverdienern. Weil diese
sich die Wohn- und Lebenshaltungskosten nicht mehr leisten können, werden
sie verdrängt. Sie ziehen an die städtische
Peripherie und müssen lange Wege zurücklegen, um zu ihren Arbeitsplätzen
zu gelangen.
Ein extremes Beispiel ist München: Allein
von 2008 bis 2013 sind die Mieten dort
um 37 Prozent gestiegen. „Unsere Kollegen pendeln aus der Oberpfalz oder aus
Niederbayern hierher“, berichtet Michael
Bogatzki, Vorsitzender der örtlichen Bezirksgruppe der Polizeigewerkschaft. „Weil
die Herkunftsorte meist zu weit weg sind,
um täglich zu fahren, suchen die sich
einen Schlafplatz.“ Die Beamten leben
M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T
provisorisch in möblierten Zimmern oder
bilden mit Leidensgenossen eine Wohngemeinschaft. Doch „unter 350 Euro im
Monat geht gar nichts, die Vermieter
langen ordentlich hin“.
Die bisherigen tarifpolitischen Versuche,
das Problem zu lösen, hält der Gewerkschafter für unzureichend. Kompensationen wie bei privaten Arbeitgebern, höhere
Kosten durch höhere Einkommen auszugleichen, fehlen in der vergleichsweise
starren Beamtenbesoldung. 75 Euro brutto mehr, der derzeitige Gehaltszuschlag
für Polizisten im Raum München, sei nach
Abzug der Steuern viel zu wenig, sagt
Bogatzki: „250 bis 300 Euro müssten es
schon sein.“ Man sei darüber mit der
bayerischen Landesregierung im Gespräch, doch „bisher ohne Erfolg“. ■
VON THOMAS GESTERKAMP
29
GESELLSCHAFT
>>
Foto: Fotolia
„Chance, das Freihandelsabkommen
zu stoppen, ist groß!“<<
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|
INTERVIEW MIT DEM EUROPAABGEORDNETEN SVEN GIEGOLD
In New York müssen die Regierungschefs erkennen, dass sie das 2-Grad-Ziel nicht erreichen
werden. Europa ordnet sich gerade neu, die soziale Spaltung schreitet weiter voran.
KAB-Impuls-Mitarbeiter Gerd Endres fragte den Europaabgeordneten und finanzpolitischer
Sprecher der Grünen-Fraktion im EU-Parlament zum Freihandelsabkommen und zum
ethischen Handeln in der Politik durch den eigenen Glauben.
Impuls: Herr Giegold, Stichwort Freihandelsabkommen. Aktuell sieht es
ja so aus, dass die bisherige EU-Kommission noch das Freihandelsabkommen
beschließen möchte. Teilen Sie diese
Einschätzung?
Giegold: Die bisherige Kommission kann
das Freihandelsabkommen nicht abschließen, da noch bis mindestens Ende des Jahres 2015 verhandelt wird. Die Chancen das
Abkommen noch zu stoppen, sind daher
groß, um das Abkommen auf eine ganz
neue, demokratische Grundlage zu stellen.
Nach Abschluss der Verhandlungen müssen alle Mitgliedsländer das Abkommen
ratifizieren, und damit sind die Hürden
sehr hoch. Bei den Europawahlen ist es
uns gemeinsam gelungen, das Thema
Freihandelsabkommen in der Öffentlichkeit ganz nach vorne zu schieben. Es geht
ja nicht nur um das Freihandelsabkommen mit den USA, sondern auch um eine
Reform der Handelsbeziehungen zu den
ärmsten Ländern.
Impuls: Europa ist sozial und auch wirtschaftlich sehr zerrissen. Wie kann ein
soziales Europa erreicht werden?
Giegold: Leider steht auf der offiziellen
30
Agenda keine Lösung der sozialen Spaltung in Europa. Damit haben wir bei den
Europawahlen deutlich gesehen, dass sich
die Menschen von Europa abwenden.
Menschen suchen zum Teil ihr Heil im
Nationalstaat oder im Populismus. Doch
weder der Populismus noch der Nationalstaat werden die sozialen Probleme lösen
können.
Impuls: Welche Aufgaben stehen in
Europa jetzt an?
Giegold: Die Steueroasen und das Steuerdumping. Die Menschen erwarten und
Der GrünenEuropaabgeordneter Sven
Giegold fordert
Mindeststeuersätze im Kampf
gegen die Steuervermeidung
großer Unternehmen.
Foto: Rabbe
können erwarten, dass es eine Politik des
stärkeren sozialen Ausgleichs gibt, damit
alle Nationalstaaten ihre Sozialstaatlichkeit erhalten können. Wir brauchen beispielsweise endlich Mindeststeuersätze im
Kampf gegen die Steuervermeidung großer
Unternehmen und gegen die Steuerhinterziehung über Ländergrenzen hinweg. Wenn
wir das machen, können Länder, ohne
neue Schulden aufzunehmen, ihre Staatshaushalte stabilisieren und wieder mehr
investieren.
Hinzu kommt: Europa braucht gemeinsame Investitionsanstrengungen, um Europa
auch mit etwas Positivem zu verbinden.
Wir schlagen vor, unabhängig zu werden
von den Energieimporten, durch den starken Ausbau europäischer Energienetze
auf der Basis erneuerbarer Energien. Bundespräsident Gauck hat einen europäischen Fernsehsender „Arte für Alle“ vorgeschlagen. Warum ermöglichen wir es nicht
allen jungen Menschen, eine Zeit lang im
europäischen Ausland zu leben und sich zu
bilden: „Erasmus für Alle“, um die Brücken
zwischen den Menschen zu stärken.
Impuls: Was sollte die Politik beim
Klimawandel tun?
K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N
GESELLSCHAFT
Giegold: Klimaschutz kann letztlich nur
global gelingen, muss aber lokal umgesetzt
werden. Nur durch glaubwürdige europäische Anstrengungen im Klimaschutz können wir zu einem globalen Klimaschutzvertrag kommen, der wirklich zieht. Europa
braucht dazu harte Klimaschutzziele, die
für Unternehmen und Verbraucher den
Rahmen bilden. Wenn es diese verbindlichen Ziele gibt, werden große Investitionen zur Umsetzung nötig: erneuerbare
Energien, Effizienz, nachhaltige Mobilität,
Dämmung der Gebäude und Grenzen für
die Wegwerfkultur.
Ausbildungssysteme und die Arbeitsmärkte so sind, dass sie für junge Menschen
nicht funktionieren. In diesen Ländern
müssen Reformen auf den Weg gebracht
werden. Zum anderen liegt es daran, dass,
wenn Länder intensiv sparen, die Arbeitslosigkeit insgesamt steigt, und gerade junge Menschen kommen nicht in den Job.
Das heißt, wir brauchen Investitionsanstrengungen in die Zukunftsjobs. Soziales
und Bildung, dass mehr Menschen die
Chance haben, aus der Arbeitslosigkeit
herauszukommen. Da kann Europa auch
gemeinsam vieles auf den Weg bringen.
Impuls: Die Politik erscheint oft
machtlos, viele sagen, es bringt nichts,
sich zu engagieren.
Giegold: Zu sagen, das bringt nichts, ist
nur Faulheit. Über die gemeinsame Politik
in Europa haben wir so viel geschafft.
Das sehe ich auch mit Dankbarkeit, denn
unser Kontinent war früher im Krieg miteinander. Heute haben wir gemeinsame Institutionen und geteilte Macht. Gleichzeitig muss man sagen, politische Macht ist
immer gefährdet, durch Anfechtung wirtschaftlicher Macht, Stichwort Lobbyismus
durch wirtschaftliche Sonderinteressen.
Politische Macht ist auch gefährdet durch
Populismus mit scheinbaren Lösungen, die
aber in Wirklichkeit nicht umsetzbar sind.
Daher glaube ich, dass wir unsere Hoffnung weiterhin auf unsere Demokratie
legen sollten. Das ist ein ständiger Kampf,
das bedeutet vor allem, nicht falschen
Heilsbringern hinterherzulaufen, sondern
dass wir jetzt Europa auf eine vertiefte
soziale, ökologische und demokratische
Basis stellen müssen.
Impuls: Wie kann in Europa eine gute
Arbeit mit sinnvollen Arbeitsplätzen
entwickelt und geschaffen werden?
Giegold: Europa sollte in den Mitgliedsländern nicht nur Schulden und Staatsdefizite
beobachten und begrenzen, sondern sich
auch um Armut und Arbeitslosigkeit sorgen. In Europa müssen alle Mitgliedsländer
liefern. Zudem ist gut, dass die EU nun ein
großes Investitionsprogramm auf den Weg
bringen will. Wichtig ist: Es darf nicht aus
Luftbuchungen bestehen und muss ökologische und soziale Zukunftsbereiche stärken, statt etwa die Landschaft mit Straßen
oder Hotels zu betonieren.
Impuls: Die Jugendarbeitslosigkeit ist
in einigen Ländern Europas sehr hoch.
Was sollte hier geschehen?
Giegold: Der Grund für die Jugendarbeitslosigkeit ist in manchen Ländern, dass die
Impuls Nr. 1 | 2015
Impuls: Sie sind selbst evangelischer
Christ. Wie lassen sich Glaube und
ethisches Handeln zusammenbringen?
Giegold: Für mich ist Ethik zuvorderst eine
Konsequenz des Glaubens. Mir hilft das
Gespräch mit Gott, ich finde dann wieder
Kraft, wenn ich das Gefühl habe, machtlos
zu sein. Das ist eine Situation, mit der man
ständig umgehen muss, der Politiker, der
einzelne Bürger hat oft das Gefühl, ohnmächtig zu sein, gleichzeitig gibt die Beziehung zu Gott mir die Kraft, nicht das
Gefühl der Ohnmacht gewinnen zu lassen
und Hoffnung zu schöpfen. ■
M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T
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GESELLSCHAFT
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Sinn suchen und erfahren im Klassenzimmer: Die Klasse 9 c der Evangelischen Gemeinschaftsschule in Gelsenkirchen setzte sich
anhand der KAB-Puzzle mit einem sinnvollen Leben auseinander. Foto: KAB
|>>
„Sinnvoll leben“ im Klassenzimmer<<
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GELSENKIRCHENER GEMEINSCHAFTSSCHULE NUTZT KAB-PUZZLE FÜR RELIGIONSUNTERRICHT
Auf den Rückseiten von Puzzle-Teilen, die
Religionslehrerin Tina Jelveh von der KAB
bekommen hatte, haben die 28 Schüler
ihre Vorstellungen von einem sinnvollen
Leben und dem Sinn des Lebens schriftlich
und zeichnerisch festgehalten. Auch wenn
jeder eine individuelle und ganz eigene
Vorstellung von einem sinnvollen Leben
hat, so gibt es viele Gemeinsamkeiten über
Religionszugehörigkeit und Geschlecht
hinweg. In dem gemeinsamen Religionsunterricht sitzen evangelische, moslemische
und katholische Jugendliche zusammen
und suchen über die Sinnfrage zu einem
Gottesbild zu kommen.
Eine Gemeinsamkeit, die besonders viele
Jungen in der Klasse 9c teilen, ist für die
jungen Menschen, die auch in dem benachbarten Stadtteil Schalke wohnen, klar:
der Fußball und natürlich ihr Schalke 04.
So hat Paul das Wappen des Knappenvereins auf sein Puzzle gemalt. „Zu einem
32
sinnvollen Leben gehört für mich Schalke
04“, erklärt Paul stolz und hofft, dass
„seine“ Mannschaft so weit wie möglich
in der Bundesliga und der europäischen
Champions league kommen wird. So hat
er auf sein Puzzle in der Vereinsfarbe
Königsblau geschrieben: „Derbysieger –
NUR DER SO4“.
In den Sinn-Puzzle-Teilen der Gelsenkirchener Schülerinnen und Schüler spiegeln
sich auch die Wünsche, Hoffnungen,
Unsicherheiten und Ängste wider. So
bekennt eine Schülerin, „Geld ist nicht
alles“, und ein Schüler wünscht sich einen
Lottogewinn von 1 Million. Und Aylin
erklärt den Spruch, den eine Klassenkameradin notiert hatte. „Never say never
meint, dass man Hoffnung schöpfen sollte,
wenn es scheint, dass es nicht weitergeht.“
Und für Daniel ist neben Familie und
Freunden der Respekt gegenüber dem
Religionslehrerin Tina Jelveh nutzte die PuzzleTeile der KAB als einladende Unterrichtsmaterialien. Foto: Rabbe
Nächsten ein wichtiger Bestandteil für ein
sinnvolles Leben. Die Auseinandersetzung
mit der individuellen Vielfalt der Antworten führt auch zur Anerkennung anderer
Lebensentwürfe und zum Respekt gegenüber dem Nächsten.
Gleichzeitig haben sich die Schüler mit
einzelnen Lebensbiografien auseinandergesetzt und dabei erarbeitet, dass Erfolg
und Ruhm im Leben am Ende nicht unbedingt Erfüllung bedeuten und dass materielle Werte weniger sinnvoll für ein erfüllendes Leben sind als immaterielle wie
Glück, Freundschaft, Zufriedenheit, Musik
oder Gemeinschaft. „Über die Sinnfrage
konnten wir im Religionsunterricht über
allgemeine Werte sprechen und ein Gottesbild erarbeiten“, berichtet Religionslehrerin Jelveh. Die Puzzle-Teile werden nun
in der Schule öffentlich präsentiert. Bestimmt regt diese Ausstellung auch andere
an, sich Gedanken über ein sinnvolles
Leben zu machen. ■
K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N
GESELLSCHAFT
|>>
Mehr als nur ein Vogel <<
|
FÜR DEN ESSENER POLIZIST ULRICH HOFFMANN BEGINNT DAS SINNVOLLE LEBEN IM EHRENAMT
Als Ulrich Hoffmann etwa 8 Jahre alt war, fiel ihm in einem Obstgarten eine Krähe vor die Füße. Sie war vermutlich gegen einen
Ast geflogen und lag betäubt auf dem Boden. Erschrocken hob der
kleine Uli den Vogel hoch und hielt ihn eine Weile behutsam im
Arm – bis das scheinbar leblose Tier plötzlich erwachte. „Die Krähe
schlug mir ihre Flügel um die Ohren, und weg war sie!“
Als Ulrich Hoffmann 2004 vom Polizeidienst in den Ruhestand
ging, fiel er vielleicht aufgrund dieses Erlebnisses nicht in ein
schwarzes Loch: einen Zustand, in dem man nach dem Arbeitsleben nicht weiß, was man mit sich anfangen soll. Noch heute
kann sich der inzwischen 70-jährige Mann an den Geruch des
Gefieders erinnern. Ein intensives Erlebnis, das am Anfang einer
lebenslangen Liebe zu Vögeln, zur Natur ganz allgemein, und einem
Bedürfnis, zu helfen, stand.
Ulrich Hoffmann wurde – nachdem seine Eltern mit ihm im Alter
von einem Jahr aus Ostpreußen fliehen mussten – auf einem Bauernhof im niedersächsischen Dorf Jühnde groß. Harte Arbeit bestimmte den Alltag auf dem Hof. Die meiste Zeit verbrachte er
draußen und bei den Tieren. „Die Leute gingen damals sehr grausam mit Tieren um. Die Bauern haben auf ihre Pferde eingeschlagen, die Kinder haben Frösche aufgeblasen, Mäuse totgeschlagen
und Vogelnester zerstört!“
Er war viel allein unterwegs – als Flüchtlingskind hatte er ohnehin
keinen einfachen Stand. Mitte der fünfziger Jahre zog die Familie
in die Ruhrgebietsstadt Essen, wo seine Mutter eine Lehrer-Stelle
bekam. Integriert fühlte er sich erst hier in der evangelischen
Jungschar.
EHRENAMT BEIM ÜBERGANG
Schon während der Berufstätigkeit als Polizist war es ihm gelungen,
den Kontakt zu seiner geliebten Vogelwelt wieder aufzunehmen.
Begonnen hatte es mit einem Freund, den er über den Polizeidienst
kennengelernt hatte – dieser war an der Vogelschutzwarte Recklinghausen tätig und Jäger. Mit ihm war Ulrich Hoffmann auf ausgedehnten Touren in den Wäldern Westfalens unterwegs. Gemeinsam beobachteten sie Vögel und andere Tiere vom Hochsitz aus,
zogen verwaiste Uhus groß und wilderten sie in der Senne aus,
hängten Vogel-Nistkästen auf. „Dank dieses Freundes habe ich viel
über Vogelschutz erfahren“, erinnert sich der ehemalige Staatsdiener. So blieb es auch, als er 1983 seinen Wunschposten erhielt: eine
Stelle als Bezirksbeamter auf einem kleinen Essener Polizeiposten.
Impuls Nr. 1 | 2015
Auf der „Margarethenhöhe“, einer von Wald umgebenen, denkmalgeschützten Siedlung, hatte er mit seiner Familie den Lebensmittelpunkt gefunden.
Ende der Dienstzeit war 2004. „Da war ich 60 Jahre alt. Und ich bin
auf jeden Fall nicht wie viele andere in ein tiefes schwarzes Loch
gefallen, weil ich mein ehrenamtliches Engagement beim NABU
nun noch mehr ausbauen konnte. Mir hat nichts gefehlt, ich musste mir kein neues Hobby suchen, um die freie Zeit auszufüllen,
darum ist mir der Übergang überhaupt nicht schwergefallen!“ Im
sprichwörtlichen Un-Ruhestand ist er inzwischen so sehr mit Aufgaben eingedeckt, dass er manchmal schon Grenzen ziehen muss.
Ulrich Hoffmann wurde zum gefragten Fachmann für weitere Naturschutzthemen wie Schwalben, Wildbienen („Die bedrohten Bienen liegen mir sehr am Herzen!“); er geht auf praktisch alle telefonischen Anfragen rund um das Thema Haus und Garten ein, vom
Futterhäuschen bis zum Komposthaufen, verteilt Broschüren und
hält Vorträge über den jeweiligen „Vogel des Jahres“ in Kirchengemeinden, Seniorenheimen und bei den Pfadfindern. Neuerdings
hat er sogar ein Projekt mit psychisch kranken Kindern und Jugendlichen begonnen – im Rahmen der Kunsttherapie bastelt er mit
ihnen Nistkästen und erklärt ihnen die Wald- und Vogelwelt. „Das
findet gut Anklang und diese Kontakte sind für mich sehr wertvoll“,
freut er sich.
Auf die Frage, was für ihn ein sinnvolles Leben ausmacht, was ihm
rückblickend am meisten bedeutet, muss Ulrich Hoffmann nicht
lange überlegen: „Durch meine ehrenamtliche Tätigkeit habe ich die
Chance, meine Kräfte für den Naturschutz zur Verfügung zu stellen.
Es ist ein schönes Gefühl, wenn man Menschen beraten kann, die
positiv reagieren. Da kann man etwas bewirken, selbst wenn man
nur kleine Dinge bewegt. Aber für viele, selbst wenn sie nur ein kleines Futterhäuschen in einem noch so kleinen Garten haben, ist das
schon eine großartige Sache, etwas für die Natur zu machen. Und
wenn ich derjenige bin, der die Leute dazu bringt, dass sie eventuell
noch mehr tun und selbst aktiv werden, dann habe ich zu meiner
eigenen Zufriedenheit genug getan!“ ■ SUSANNE ERBACH
Unter www.nabu.de können Sie sich bundesweit Ihren
Landesverband und Ihre nächstgelegene Ortsgruppe des
Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V. suchen.
M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T
33
KAB-SERVICE
>
LESERBRIEFE
GERHARD BANGERT, WERNAU
ILLEGITIMER VERSUCH
zu „Handel will vereinfachtes Ladenöffnungsgesetz“ in FAZ 11.12.2014
Der Handelsverband in Hessen unterstützt die Initiative der FDP-Landtagsfraktion die Durchführung von verkaufsoffe-
34
ROBERT HIPPERT,
BEZIRKSSEKRETÄR RHEIN-MAIN
KEIN NIKOL AUS
GEFUNDEN?
zu Titelbild, Impuls 6/2014
Es ist ja ehrenwert, dass Ihr Euch im Hinblick auf Weihnachten mit seiner Schlemmerei und den vielen Süßigkeiten für fair
gehandelte Waren stark macht. Aber ob es
dem religiösen Anliegen wirklich dienlich
ist, wenn Ihr dazu den amerikanischen
Weihnachtsmann mit Cola-Mütze ins Bild
bringt, darf doch schwer angezweifelt werden. War wirklich kein Nikolaus, der zugegeben zeitlich begrenzt ist, oder Schokolade
allgemein zum Abbilden zu finden? Die
Kirche und ihre Organisationen sollen zwar
weltoffen, aber nicht welthörig sein. Aber
mit den Botschaften an die Kinder, wie man
sie diesem Titelbild entnehmen kann, graben wir uns das Wasser endgültig selbst ab.
Von den innerkirchlichen Botschaften des
Klerus an Jugend und Erwachsene – konträr
zu vielen Konferenzen, Symposien und
Schriftstücken –
schweige ich
lieber, weil ich
sonst vielleicht
zu viel sage.
HUGO HÄUSLER,
ELCHESHEIMILLINGEN
IMPRESSUM
109. Jahrgang, Hrsg.
KAB Deutschlands
Redaktion und Vertrieb
Matthias Rabbe (verantw.),
Iris Koglin
Tel.: 0221 77 22 -1 31
Fax: 0221 77 22 -1 35
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Heider Druck GmbH,
Bergisch Gladbach
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FAMILIEN OHNE
BEFRISTUNG
zu „Der Traum vom Normalarbeitsverhältnis“, in Impuls 5/2014
Dass sich junge Menschen unter diesen
Umständen dreimal überlegen, eine Familie
zu gründen, ist nur verständlich, da befristete Arbeitsverträge, fehlende Sicherheiten im
Erwerbsleben, die prekären Arbeitssituationen Depressionen und Burnout als Folge
haben und den Verlust des Selbstvertrauens
etc. All das erlebe ich auch so und leider
macht die Politik vor dieser Situation, in
der viele Menschen stecken, einfach die
Augen zu (schon über eine lange Zeit). Ja
daran zu denken, eine Familie zu gründen,
das ist nicht wirklich möglich. Bei mir bisher
auch nicht. Die soziale Situation der Menschen verschlechtert sich eher ständig, das
soziale System wird einfach Schritt um
Schritt aufgeweicht. Ja, es wäre wirklich
dringend eine Umkehr im Denken nötig,
wie Kardinal Cardijn sagte: Nicht mehr nur
Gewinnmaximierung und Shareholder im
Mittelpunkt, sondern für die Menschen, für
die Gesellschaft ein gesunderes Leben entwickeln, für eine Würde der Arbeiterin und
Arbeiter als Menschen. Leider läuft alles in
die entgegengesetzte Richtung. Daher
find ich es gut, dass Sie als CAJ sich dafür
einsetzen und einen zukunftsorientierten
Weg ansprechen. M. BERNHARD, PER E-MAIL
nen Sonntagen auch ohne Anlassbezug zu
zulassen. Die in diesem Zusammenhang
zum Ausdruck gebrachte Erwartung, dass
„sich die Kirchen und Gewerkschaften mit
diesem Vorschlag einverstanden erklären
könnten, halten wir für einen illegitimen
Versuch, Kirche und Gewerkschaften für
die eigenen Positionen zu vereinnahmen.
Für die katholische Kirche widersprechen
diesem Versuch. Wer die kirchlichen Positionen zum Sonntagsschutz kennt, weiß,
dass wir die jetzt bestehenden gesetzlichen Regelungen in Hessen für weitgehend halten. In der Praxis sehen wir, vielfältige Beispiele, wo diese Regelungen
überschritten werden.
ÖK
O
USA MACHEN NUR DAS,
WAS IHNEN NÜTZT
zu „Diskussion ums TTIP“ und
„Freihandel contra gut Wirtschaften“
Auch ich bin gegen das sogenannte Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA, nachdem die
USA nur das machen, was ihnen auch nützt
und entsprechende Vorteile bringt.
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Joh. Heider Verlag GmbH
Eva-Maria Schleder
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Der nächste KAB-Impuls erscheint
am 20. März 2015
Letzter Versandtag: 16. März 2015
ISSN 1434-4386
www.ketteler-verlag.de
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Zur Hude 9, 59519 Möhnesee-Günne
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