Abstieg Hartz IV Die Arbeitsmarktreformen von 2005 haben die deutsche Gesellschaft noch stärker gespalten. 06 Filmprojekt Integration Jugendliche entdecken durch das gemeinsame Filmen traurige Flüchtlingsschicksale. 16 Jan./Feb. 1/2015 Baustelle Europa Der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold sieht die große Chance für einen TTIP-Stopp. 30 Impuls www.kab.de ISSN 1434-4386 M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T VORWORT Die Arbeitsmarktreformen, die vor zehn Jahren mit der letzten Stufe in Kraft traten, haben die Republik verändert. Menschen, die jahrelang gearbeitet haben und arbeitslos werden, fürchten Hartz IV. Die Angst vor dem sozialen und gesellschaftlichen Abstieg ist groß. Angst und Unsicherheit drücken sich auch in den gegenwärtigen Demonstrationen aus. Immer mehr Menschen fühlen sich abgehängt, überfordert durch die gesellschaftlichen Veränderungen, Angst und Unsicherheit schlagen in Hass um. Der Armutsforscher Christoph Butterwegge wirft im Schwerpunkt des Heftes einen Blick auf die sozialen Folgen von Hartz IV. Rechtsradikale und nationalistische Rattenfänger nutzen die Verunsicherung mit falschen Versprechungen aus. Sie gaukeln vor, den Verängstigten eine Stimme zu geben, doch in Wirklichkeit wollen sie deren Stimmen für ihre politischen Ziele ausnutzen. Siebzig Jahre nach der Ermordung von Nikolaus Groß und Bernhard Letterhaus durch die Nationalsozialisten ist es für viele KAB-Mitglieder deshalb Aufgabe und Verpflichtung, sich diesen Ängsten und Radikalisierungen entgegenzustellen. Dass es anders geht, zeigt die Reportage über Jugendliche, die in Mecklenburg-Vorpommern sich mit Mikrofon und Kamera dem Thema Flüchtlinge stellen und Verständnis, Anteilnahme und neue Freundschaften erfahren. Dass es gemeinsam besser geht, erfahren die Frauen und Männer in den KAB-Vereinen vor Ort täglich. Allein macht keinen Sinn. Dies ist auch ein Ergebnis der Bamberger Puzzle-Auswertung. Mehr erfahren Sie in dieser IMPULS-Ausgabe. Ihre Redaktion Matthias Rabbe I N H A LT S V E R Z E I C H N I S | POLITIK | Kreller neuer ACA-Vorsitzender KAB und CDA zum Freihandelsabkommen Wer macht was? – Personen | THEMA | Hartz spaltet die Gesellschaft Armutsforscher zu Hartz-IV-Folgen Viele Arbeitsplätze – wenig Lohn KAB für Mindestlohnkontrollen Papst prangert schlechte Arbeit an Neue Arbeit mit der Generation Y 4 4 5 6 7 8 9 10 11 | KIRCHE UND ARBEIT | KAB muss pastorale Räume nutzen 12 Kardinal Woelki kritisiert Flüchtlingspolitik 13 Kriege schaffen Flüchtlingsprobleme 13 | KAB-IMPULSE | Präses Stein fordert Postwachstumsgesellschaft Gedenken an Nikolaus Groß Gutes Wirtschaften mit Car-Sharing Puzzle-Auswertung: Was ist der Sinn? Film zeigt Großpuzzle-Fest in Duisburg KAB vor Ort KAB-Regensburg zur Rentenfinanzierung KAB Eichstätt gegen Billig-Primark ACA Hessen: Selbstverwaltung stärken 14 15 15 20 20 21 25 25 25 KAB Münster gegen Pegida-Demos DV Paderborn gegen Werkverträge Erfolg: Kurpfälzer Sozialtage 26 26 26 | GESELLSCHAFT | Integration: Jugend filmt Jugend Kunst zum Überleben Miete macht wieder arm EU-Politiker Giegold zu TTIP Schalker Schüler puzzeln Lebenssinn Vom Hobby zum Ehrenamt 16 19 28 30 32 33 | KAB-SERVICE | Buchtipps: Leserbriefe Impressum Besinnliches: Was wir sagen 27 34 34 36 KAB-IMPULS 2015 Die Arbeitsmarktreformen haben die Gesellschaft gespalten. 6 Gelsenkirchener Lehrerin nutzt KABPuzzle-Teile für den Religionsunterricht. 32 Ausgabe Erscheinungstermin Letzter Versandtag 1-2015 Fr. 30.01. Mo. 26.01. ERSCHEINUNGS- 2-2015 Fr. 20.03. Mo. 16.03. TERMINE 3-2015 Fr. 22.05. Mo. 18.05. 4-2015 Fr. 24.07. Mo. 20.07. 5-2015 Fr. 25.09. Mo. 21.09. 6-2015 Fr. 27.11. Mo. 23.11. IMPULS 2015 POLITIK >> TTIP-Abkommen geht zu Lasten der Beschäftigten << |>> | KAB UND CDA STELLEN FORDERUNGSKATALOG AUF UND DIFFERENZEN FEST In einer Erklärung haben die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands (KAB) und die Christliche Arbeitnehmerschaft (CDA) die gravierenden Probleme des TTIP-Freihandelsabkommens zwischen der EU und USA aufgezeigt. In einem Sechs-Punkte-Katalog fordern KAB und CDA nach einer Fachtagung die Bundesregierung und die EU-Kommission auf, insbesondere Arbeitnehmerrechte sowie Schutzstandards in den Verhandlungen stärker zu verankern. Es sollten die jeweils höheren Standards zum Tragen kommen. Zudem müssten die acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO)von allen Vertragspartnern ratifiziert werden. Dazu gehöre eine „völlige Transparenz bei Verhandlungen, Verabschiedung und Ratifizierung. Politik, Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft müssen über Verhandlungsstand und Vertragsentwürfe debattieren können“, so die Erklärung, die Bundesvorsitzende Regina Stieler-Hinz und der stellvertretende CDA-Bundesvorsitzende Christian Bäumler unterzeichneten. KAB und CDA setzen sich für die demokratische Einbindung nationaler Gremien sowie des EU-Parlaments und gesellschaftlicher Akteure wie der Gewerkschaften und Verbände ein. „Wir lehnen die angedachten Regelungen zum Investitionsschutz samt InvestorStaats-Schiedsgerichtsverfahren ab.“ Fachreferent Michael Elfer erklärte, dass Schiedsgerichte grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien beschädigen und die demokratische Entscheidungsgewalt einschränken. „Was bisher in Sachen Schiedsgerichte vereinbart wurde, ist langfristig nicht haltbar“, erklärte auch CDA-Vertreter Bäumler. Ralf Welter, KAB-Diözesanvorsitzender und TTIP-Experte, bezeichnete das Freihandelsabkommen als einen neuen Gesellschaftsvertrag, der alle zukünftigen Gesetze in den EU-Staaten beeinflussen könne. Eine soziale Marktwirtschaft sei nicht mehr zu gestalten, da politisches Handeln unter das Diktat der Privatisierung aller Bereiche gestellt werde. „Gleichzeitig wird eine Rücknahme der geschaffenen Privatisie- rung staatlicher Daseinsvorsorge im Gesundheits- oder Bildungsbereich fast unmöglich“ warnt Dr. Welter. VERHANDLUNGS-STOPP ODER -ABSCHLUSS? Nicht zuletzt einigten sich CDA und KAB darauf, dass insbesondere der Gestaltungsspielraum der Kommunen im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge garantiert bleiben muss. „Die Gebietskörperschaften müssen bei Ausgestaltung und Organisation ihrer öffentlichen Daseinsvorsorge die Gestaltungshoheit behalten.“ Anders als die KAB, die den Abbruch der Verhandlungen fordert, um eine Absenkung von Schutzstandards sowie die Deregulierung öffentlicher Dienstleistungen und Kulturgüter zu vermeiden, sieht die CDA „in einem Freihandelsabkommen große Chancen, beispielsweise auf fairen Wettbewerb, einfacheren Warenaustausch und neue Arbeitsplätze“. ■ Mehr unter: www. kab.de TTIP-Experte Michael Erfler informierte die Teilnehmer/-innen der Fachtagung über die Praxis von Schiedsgerichten. Foto: Kolakowski |>> Hannes Kreller ist neuer ACA-Bundesvorsitzender << Hannes Kreller neuer ACA-Bundesvorsitzender. Foto: DAK 4 | KAB-Sozialexperte Hannes Kreller ist zum neuen Bundesvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Arbeitnehmerorganisationen (ACA) gewählt worden. Kreller führte die Arbeitsgemeinschaft, zu der das Kolpingwerk, die KAB Deutschlands und der Bundesverband evangelischer Arbeitnehmer gehören, nach dem Ausscheiden von Georg Hupfauer bereits kommissarisch. Kreller fordert die Politik auf, die Rahmenbedingungen für ehrenamtliche Arbeit zu verbessern. „Wer sich für die Gesellschaft einsetzt, darf von der Politik Unterstützung erwarten!“ Die KAB setzt sich daher für eine stärkere Qualifizierung und bessere Freistellung des Ehrenamtes ein. Auf der Delegiertenversammlung Ende letzten Jahres sprachen sich die kirchlichen Sozialverbände für eine Reform der Sozialwahlen im Sinne einer Stärkung der Selbstverwaltung aus. „Die Entscheidungsund Gestaltungskompetenz muss ausgebaut werden“, so Kreller. Eine zunehmende wettbewerbspolitische Sicht im Gesundheitssystem dürfe nicht zu Lasten der kranken Menschen gehen. In der Rentenversicherung müssen die Beteiligungsrechte, insbesondere bei der Festsetzung des Beitragssatzes und den Entscheidungen über das Reha-Budget, gestärkt werden. www.aca-online.de K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N POLITIK > Menschen mischen mit Wer macht was? ARBEITEN GEGEN DIE ANGST Regelmäßig sitzt Johannes Brinkhus im Cloppenburger Pfarrbüro und beantwortet die Fragen von hilflosen Arbeitern aus den Ostblockstaaten. Kein Urlaub, kein Urlaubsgeld, kein Weihnachtsgeld, erzwungene Überstunden die Probleme der Arbeiter sind ein Teil des deutschen Wirtschaftssystems und beruhen auch auf Unwissenheit. „Und viele haben Angst“, meint der engagierte Arbeitsrechtler, der diesen Arbeitern unentgeltlich hilft ihre Fragen beantwortet, Rechtsbeistand leis- | JOHANNES BRINKHUS | | INGE HANNEMANN | UNBEQUEME WEGGELOBT Inge Hannemann und die Stadt Hamburg haben einen Vergleich geschlossen. Die als Hartz-IV-Rebellin bekannt gewordene Mitarbeiterin eines Hamburger Job-Centers ist ins Integrationsamt versetzt worden. Sie hatte sich geweigert, Sanktionen gegen INGE HANNEMANN WEHRTE Langzeitarbeitslose zu verhängen. DaraufSICH GEGEN DAS SYSTEM hin wurde sie vom Dienst suspendiert und versetzt. „Ich bin raus, weil ich Missstände öffentlich gemacht habe“, sagte Hannemann im Gerichtssaal. „Es wäre nichts passiert, wenn ich Dienst nach Vorschrift gemacht hätte.“ Sie solle mundtot gemacht werden, glaubt sie. „Man lobt mich im Grunde weg“, sagt sie. Die 45-jährige Angestellte der Arbeitsagentur wehrt sich vor dem Arbeitsgericht gegen ihre Suspendierung, nachdem sie das „System Hartz IV“ als menschenunwürdig kritisiert hatte.■ BAYERN SPRECHEN VIELE SPRACHEN JOHANNES BRINKHUS HOFFT AUF SYSTEMVERÄNDERUNG tet und manchem zu seinem Recht verhilft. Gemeinsam mit seiner Frau arbeitet er im Netzwerk „Menschenwürde in der Arbeitswelt“ (MIDA), in dem auch die KAB Oldenburg vertreten ist. Brinkhus kämpft dafür, dass Arbeits- und Sozialrechte nicht nur auf dem Papier stehen. Er hofft, dass die Politik aufwacht und die Fehler im System beseitigt. ■ Foto: Rottmann/Kirche & Leben Gegen die Zunahme der englischen Sprache in Schule, Universität und Bundestag hat sich der Vizepräsident des Deutschen Bundestages und KAB-Mitglied Johannes Singhammer gewendet. In einem Interview erklärte er, dass es immer seltener Stellungnahmen des Bundestags gebe, „weil die Kolleginnen und Kollegen in den Ausschüssen keine englischen Fachtexte beraten wollen“, die aus der europäischen Gesetzgebung kommen. Dagegen sei Bayerisch eine „echte europäische Sprache“, denn für bayerische Politiker seien „Grundfertigkeiten in Altbayerisch, Schwäbisch und Fränkisch unverzichtbar“. | JOHANNES SINGHAMMER | JOHANNES SINGHAMMER, CSUPOLITIKER UND KAB-MITGLIED Im bayerischen Klartext bedeutet dies, so Singhammer: „Bayern ist schon mehrsprachig!“ ■ Anzeige Farbe pur – Lust auf Farbe In diesem Workshop werden Sie abstrakt Farben und Nuancen ermalen. Neue Malstile können erprobt werden, gestisch, flächig, wild, wässrig. Dabei wird der Malraum zum eigenen kleinen Atelier. Der Workshop gibt Zeit für das selbständige Arbeiten auf größeren Papierformaten oder Leinwand. Die Umsetzung persönlicher Bildkonzepte wird begleitet und bei individuellen Fragen erfahren Sie fachliche Unterstützung. 01.03. – 06.03.2015 (So – Fr), 400 Euro Leitung: Sabine Puschmann-Diegel, Teilnehmerzahl bis 10 Personen Mehr Infos unter: Josef-Gockeln-Haus Josef-Gockeln-Straße 23, 57399 Kirchhundem-Rahrbach Telefon: 0 27 64 / 69-0, E-Mail: [email protected] www.josef-gockeln-haus.de Impuls Nr. 1 | 2015 M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T en! Jetzt buch 5 >> TITELTHEMA HARTZ IV SPALTET DIE GESELLSCHAFT Foto: dpa Für die einen sind die Arbeitsmarktreformen, denen das ehemalige VW-Vorstandsmitglied Peter Hartz als Kommissionsvorsitzender seinen Namen gab, ein Erfolg, die Deutschland ein Beschäftigungswunder ermöglicht haben, wie die jüngsten Arbeitsmarktzahlen belegen. Über 42 Millionen Personen gingen 2014 einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Für die anderen ist es ein Gesetz der Angst. Keine andere Arbeitsmarktreform hat Deutschland mehr gespalten. Für Millionen Menschen ist Hartz IV täglich bittere Realität. Für fast alle Beschäftigten ist der Regelsatz ein Almosen, das nach einem Jahr Arbeitslosigkeit jedem droht. Was Familie war ist heute Bedarfsgemeinschaft. Bereits vor der Einführung 2004 warnte die damalige KAB-Bundesvorsitzende Birgit Zenker auf der europaweiten Kundgebung gegen Sozialabbau vor einer Spaltung der Gesellschaft durch die HartzRegelungen. Zehn Jahre später räumt auch SPD-Chef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel Fehler ein. „Schon damals hätten wir den Mindestlohn einführen müssen, damit dieser unfaire Niedriglohnsektor sich nicht derart ausbreitet“, gesteht er heute ein. 6 K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N TITELTHEMA > Die verhartzte Gesellschaft TIEF GREIFENDER WANDEL DURCH AGENDA 2010 – 10 JAHRE HARTZ IV Wer in dem als „Hartz IV“ bekannten Gesetzespaket nur eine von mehreren Arbeitsmarktreformen sieht, versteht es genauso wenig wie die sehr viel weiter reichenden Intentionen und die gesellschaftspolitischen Ambitionen seiner Urheber. Schließlich bildeten die Hartz-Gesetze, vor allem deren viertes, den Kristallisationskern eines umfassenden Projekts zur Restrukturierung der Gesellschaft. Es ging dabei nicht bloß um Leistungskürzungen in einem Kernbereich des staatlichen Sicherungssystems, sondern vielmehr um einen arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Paradigmenwechsel, anders formuliert: um eine gesellschaftliche Richtungsänderung, weil sie – dies war von Anfang an klar – das Gesicht der Bundesrepublik auf Jahrzehnte prägen wird. Die rot-grünen, durch eine Mehrheit der damaligen Oppositionsparteien CDU, CSU und FDP im Bundesrat, die Kompromissbereitschaft der Regierungsparteien und nachfolgende Bundesregierungen verschärften „Agenda“-Reformen haben den Wohlfahrtsstaat sowie Deutschland insgesamt so stark verändert, dass man ohne Übertreibung von einer Hartz-IV-Gesellschaft oder einer Hartz-IV-Republik sprechen kann. BEDARFSGEMEINSCHAFT STATT FAMILIE Der frühere Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement hat das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt seinerzeit die „Mutter aller Reformen“ genannt. Tatsächlich wandelte sich Deutschland in den zehn Jahren seit Einführung der Arbeitsmarktreform am 1. Januar 2005 tiefgreifend: Sowohl die von dem Gesetzespaket unmittelbar Betroffenen als auch ihre Angehörigen und die mit ihnen in einer „Bedarfsgemeinschaft“ zusammenlebenden Personen werden stigmatisiert, sozial ausgegrenzt und isoliert. Auch für alle übrigen Gesellschaftsmitglieder hat sich die soziale Fallhöhe durch Hartz IV erheblich vergrößert. Arbeitnehmer/-innen, Betriebsräte und Gewerkschaften stehen unter massivem Druck, Lohn- und Gehaltseinbußen sowie schlechtere Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, seit die Furcht vor dem materiellen Absturz sogar in der Mittelschicht um sich greift. Die mit den Hartz-Reformen in Gang gesetzte soziale Abwärtsspirale erschwert den normalen Alltag vieler Durchschnittsbürger/-innen, beeinträchtigt jedoch auch ihren aufrechten Gang. MIT JEDER ARBEIT ZUFRIEDEN Seit die rot-grüne Koalition den Arbeitsmarkt liberalisiert hat, nahm nicht bloß der Druck auf Löhne und Gehälter, sondern auch die Bereitschaft eines Teils der Bevölkerung zu, ein Anwachsen extremer Armut hinzunehmen, wenn dadurch nur für mehr Beschäftigung gesorgt würde. In weiten Bevölkerungskreisen überwog offenbar die Meinung, dass die Massenerwerbslosigkeit individuelle Impuls Nr. 1 | 2015 Ursachen habe und man bloß den Druck auf die Betroffenen erhöhen müsse, wiewohl besonders in Ostdeutschland mehreren Millionen Erwerbslosen nur ein Bruchteil offener Stellen gegenüberstanden. Außerdem gehört die Hoffnung, dass Menschen, die mit jeder Arbeit zufrieden sind, in Krisenzeiten „den Gürtel enger schnallen“ und zumindest vorübergehend Verzicht üben, endlich von allem Leid erlöst werden, seit Jahrhunderten zum Alltagsglauben des christlichen Abendlandes. Wenn nicht alles täuscht, haben die Hartz-Reformen einen gesamtgesellschaftlichen Mentalitätswandel in Richtung dieser Zumutungsmentalität gegenüber (Langzeit-) Erwerbslosen bewirkt, der sich als sozialdarwinistischer Schub im Massenbewusstsein niederschlug und dort auf unabsehbare Zeit spürbar sein dürfte. Außerdem hat sich das Verhältnis von Staat und Leistungsberechtigten sowie von Bürger(inne)n zu Leistungsbezieher(inne)n gewandelt. Mehr noch: Die Hartz-Gesetzgebung hat Deutschland mitsamt seinem Wohlfahrtsstaat, seiner (sozial-)politischen Kultur und seinem auf Konsens orientierten gesellschaftlichen Klima stärker verändert als jede andere parlamentarische Entscheidung der Nachkriegszeit. Fragt man nach den immateriellen Schäden, seelischen Verwundungen und Veränderungen im Alltagsbewusstsein, die Hartz IV unter den Betroffenen hervorgerufen hat, braucht das Gesetzespaket womöglich selbst einen Vergleich mit beiden Weltkriegen nicht zu scheuen. GESETZ DER ANGST Verschiedentlich als ein „Gesetz der Angst“ bezeichnet, bildet Hartz IV den sozialrechtlichen Humus einer Gesellschaft der Angst und macht die Bundesrepublik gleichzeitig zu einem Land, in dem Teile der Mittelschicht durch Verachtung gegenüber sog. Randgruppen, sozialen Absteiger(inne)n und beruflichen Verlierer(inne)n ihre Furcht vor dem gleichen Schicksal zu bewältigen suchen. Wie es scheint, werden Langzeit- und Dauererwerbslose heute stärker als „Sozialschmarotzer/-innen“ etikettiert, stigmatisiert und diskriminiert als vor der Hartz-IV-Reform. ■ PROF. DR. CHRISTOPH BUTTERWEGGE (FOTO) LEHRT POLITIKWISSENSCHAFT AN DER UNIVERSITÄT ZU KÖLN M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T Mehr unter: www.kab.de 7 TITELTHEMA |>> >> Arbeit auf Teufel komm raus << | HOHE ERWERBSTÄTIGKEIT – NIEDRIGE LÖHNE Deutschland ist bekannt für seine „Wertarbeit“ in der ganzen Welt. Doch der Wert der Arbeit in Deutschland ist längst unter die Räder geraten. Mit dem 1. Januar hat Bundesarbeitsministerin Angela Nahles versucht, mit dem Mindestlohn von 8,50 Euro pro Arbeitsstunde gesetzlich eine Haltelinie nach unten einzubauen. Doch real müssen weiterhin fast zwei Millionen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen für drei bis sechs Euro pro Stunde malochen. Gleichzeitig meldet das Wiesbadener Statistikamt einen weiteren Rekord: den Anstieg der Erwerbsarbeit auf durchschnittlich 42,6 Millionen Personen. „Ausbeutung ist Alltag“ titelte jüngst das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Längst hat sich ein System etabliert, das besonders ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland zu Halbsklaven des Arbeitsmarktes degradiert. Betrieben von der deutschen Wirtschaft, werden mit Werkverträgen und einer Kette von Subunternehmern ausländische Arbeitnehmer oft ohne ihr Wissens zu Scheinselbstständigen mit einem selbstausbeutenden Lohn von vier Euro. In der Fleischindustrie, am Bau, auf Großmärkten, den Schiffswerften oder im Gartenbau arbeiten Menschen trotz Mindestlohn für weniger als fünf Euro die Stunde. Nach einer Erhebung des Duisburger Instituts für Arbeit und Qualifikation sind von den Billigjobs 1,7 Millionen Menschen betroffen. MODERNES SKLAVENTUM Zeitlich und strukturell ist mit den Arbeitsmarktreformen unter Kanzler Gerhard Schröder seit 2005 der Niedriglohnsektor explodiert. Was die Schattenwirtschaft verhindern sollte, hat die Wirtschaft ausgenutzt: und alles legal. Die Bundesregierung schätzt, dass bis zu 14,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf der Schattenwirtschaft basiert. Was mit Ich-AGs begann, setzt sich in Werkverträgen und Gewerbescheine für angeblich Selbstständige fort. Die Freiheit der Selbstständigkeit, die keinen, Tarifverträgen unterliegt, ist in Wahrheit ein modernes Sklaventum mit Selbstausbeutung. Es ist die strukturelle Entwertung der menschlichen Arbeit. Der eigentliche Wert der geleisteten Arbeit wandert nicht in die Lohntüte der Arbeiter, sondern in die Taschen von Subunternehmern, die mit Versprechungen, falschen Stundenabrechnungen, Verstößen gegen Arbeitnehmerrechte und Knebelverträgen Arbeitnehmer in Deutschland in Knechtschaft hält. So müssen Arbeiter in der Fleischindustrie für ihr Bett in der verdreckten Massenunterkunft, die Bereitstellung von Arbeitskleidung und Handwerkszeug Lohnabzüge hinnehmen. Machen sie bei der Arbeit einen Fehler, wird ihnen der auch noch in Rechnung gestellt, mit Entlassung gedroht oder kein Lohn ausbezahlt – wie fünf Arbeitern aus Portugal auf einer Kölner Baustelle des ostwestfälischen Bauherrn Depenbrock Bau GmbH & Co KG: Kurz vor Weihnachten erhielten sie keinen Lohn von Depenbrocks Subunternehmer. Als sie ihren Lohn forderten, wurden sie gekündigt. Ein Ehepaar aus dem oberbergischen Windeck spendete den Familienvätern 12.000 Euro, damit sie am Heiligen 8 K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N TITELTHEMA > Mindestlohn gefährdet keine Arbeitsplätze << |>> | BUNDESVORSITZENDE FORDERT STRENGE KONTROLLEN Immer häufiger gehen Arbeitnehmer auf den Baustellen der Republik leer aus. Kurz vor Weihnachten warteten fünf portugiesische Arbeiter auf der Baustelle von Depenbrock in Köln vergeblich auf ihren Lohn. Foto: Rabbe Abend bei ihren Familien sein konnten. Arbeiter aus Spanien, Portugal, Rumänien oder Bulgarien arbeiten für jeden Preis, um ihre Familien ernähren zu können. POLITIK BLOCKIERTE VERBESSERUNGEN Der Wert der Arbeit spielt für die Generalunternehmer keine Rolle, für die Subunternehmer dagegen zählt nur der Profit bei der Ausbeutung. Die Liste von Arbeitnehmern, die um ihren Lohn geprellt werden, wird immer länger. Immer wieder scheitern Anläufe von Linkspartei, Grünen und SPD, mit Gesetzesentwürfen und Anträgen den Missbrauch von Werkverträgen zu bekämpfen. In der letzten Wahlperiode scheiterten die Bemühungen an CDU/CSU und FDP. Auf dem Katholikentag letzten Jahres versprach Angela Nahles in einem KABOnline-Interview, nach dem Mindestlohn das Thema Werkverträge auf die Agenda zu setzen. Die KAB hofft das Nahles ihr Versprechen einlöst. Impuls Nr. 1 | 2015 Der Mindestlohn gefährdet nicht den derzeitigen wirtschaftlichen Aufschwung. Dies betonte die Bundesvorsitzende in einem KAB-Online-Interview. „Mehr Geld in der Lohntüte bedeutet mehr Kaufkraft“, erklärte Stieler-Hinz. Den Prognosen aus der Wirtschaft, dass die gesetzliche Lohnuntergrenze 200.000 Arbeitsplätze koste, bezeichnete die KAB-Vorsitzende als populistische Spekulation, um den Mindestlohn „in Misskredit zu bringen“. Der Einstieg in den Mindestlohn biete die Chance, endlich faire Löhne für gute Arbeit zu schaffen. Unterstützt wird die Einschätzung der KAB von der Bundesagentur für Arbeit. „Ich glaube nicht, dass massenhaft Stellen verloren gehen“, sagte BA-Chef Frank-Jürgen Weise. Stieler-Hinz erinnert daran, dass ein Stundenlohn von 8,50 Euro weiterhin Niedriglohnsektor bedeute und es Ziel sein müsse, die Höhe auf mindestens 9, 70 Euro anzuheben. Dass dies notwendig ist, machte Sozialexpertin Schmalz klar. Erfahrungen in der Sozial- und Arbeitsrechtberatung der KAB-Versichertenberater zeigten, dass immer mehr Menschen im Alter von Armut bedroht sind trotz 45 Jahren Vollzeitarbeit. „Der jüngste Tarifabschluss in der Gastronomie mit einem Mindeststundenlohn von nur 8,51 Euro macht deutlich, dass der Kampf um faire Entlohnung weitergehen muss“, so Stieler-Hinz. Sie warnte die Arbeitgeber davor, den Mindestlohn zu unterlaufen und Schlupflöcher zu nutzen. „Es besteht die Gefahr, ehemals Langzeitarbeitslose nur maximal sechs Monate zu beschäftigen oder Praktikanten nicht länger als drei Monate. Auch könnten Arbeitsverträge auf minderjährige Familienmitglieder umgeschrieben werden“, so Stieler-Hinz. Gemeinsam mit der Grünen-Bundestagsabgeordneten Beate Müller-Gemmeke begrüßte die KAB-Vorsitzende, dass die Finanzkontrolle mit dem 1. Januar gegen Unterlaufen des Mindestlohns vorgehe. „Ob mit der Aufstockung von 1600 weiteren Mitarbeitern in der nächsten Zeit ausreichend Personal zur Verfügung steht, ist jedoch zweifelhaft“, so Stieler-Hinz. Hilfen zum Mindestlohn: KAB-Rechtsschutzstellen; DGB-Mindestlohn-Hotline 0391/ 4 08 80 03 (zum Festnetzpreis) www.kab.de/startseite/mindestlohn Seit über einem Jahrzehnt setzt sich die KAB für einen fairen Mindestlohn ein. Im Sommer hatte sich Bundesvorsitzende Regina Stieler-Hinz öffentlich für die Lohnuntergrenze stark gemacht. Seit Januar gilt er nun bundesweit. Foto: Rabbe 9 TITELTHEMA > „Das ist nicht bloß Arbeit, das ist auch Poesie!“ << |>> | PAPST FRANZISKUS ÜBER ARBEIT, WEGWERFKULTUR UND SOLIDARWIRTSCHAFT Es gibt keine schlimmere materielle Armut als die, sich das tägliche Brot nicht zu verdienen und der Würde der Arbeit beraubt zu sein. Jugendarbeitslosigkeit, informelle Arbeitsverhältnisse und fehlende Arbeitnehmerrechte sind nicht unvermeidlich. Sie ergeben sich aus einer gesellschaftlichen Option, aus dem Wirtschaftssystem, das den Profit über den Menschen stellt. Hier sehen wir die Auswirkungen einer Wegwerfkultur, die den Menschen selbst als Konsumgut betrachtet, das benutzt und dann weggeworfen werden kann. So etwas geschieht, wenn das Geld wie ein Gott im Zentrum des Wirtschaftssystems steht – nicht die menschliche Person. Im Zentrum jeder Gesellschaft oder Wirtschaft muss der Mensch stehen. Er ist Gottes Ebenbild. Wenn der Mensch an die Seite gedrückt und der Götze Geld an seine Stelle gesetzt wird, führt dies zur Umwertung aller Werte. Weil die aktuelle Wirtschaftskrise behoben werden soll, erleben wir einen sehr schmerzlichen Wegwerfprozess: die Ausgrenzung der Jugendlichen. Millionen junger Menschen werden aus der Arbeitswelt herausgeworfen. Sie sind chancenlos. Sie sind arbeitslos. Hier in Italien sind mehr als vierzig Prozent der jungen Leute arbeitslos. Das sind bittere Zahlen. Derzeit wird eine junge Generation geopfert, um ein System zu erhalten, in dessen Zentrum der Götze Profit steht – nicht der Mensch. Trotz dieser Wegwerf-Unkultur haben so viele von euch, die für dieses System als überflüssig gelten, ihre eigene Arbeit erfunden; Arbeit mit all dem, was eigentlich nichts mehr zu bringen schien. Ihr habt es geschafft und schafft es immer wieder mit eurer Handwerkskunst, die Gott euch gegeben hat, mit eurer Zielstre- Papst Franziskus mahnt an, dass Millionen junge Menschen ohne Arbeit chancenlos sind. Foto: dpa 10 bigkeit, mit eurer Solidarität, mit eurem Gemeinschaftssinn, mit eurer Solidarwirtschaft. Lasst es mich euch so sagen: Das ist nicht bloß Arbeit, das ist auch Poesie. Danke! Bei diesem Ratschlag habt ihr auch über Frieden und Ökologie gesprochen. Es liegt in der Logik: „tierra, techo y trabaja“ – Land, ein Dach über dem Kopf und Arbeit – sind unmöglich, wenn wir keinen Frieden haben und den Planeten zerstören. Diese wichtigen Themen müssen die Völker und ihre Basisbewegungen diskutieren. Sie dürfen nicht allein von den Mächtigen behandelt werden. „WIR CHRISTEN HABEN EIN REVOLUTIONÄRES PROGRAMM“ Wir stecken mitten im Dritten Weltkrieg, allerdings in einem Krieg auf Raten. Es gibt Wirtschaftssysteme, die, um überleben zu können, Krieg führen müssen. Also produzieren und verkaufen sie Waffen. So werden die Bilanzen jener Wirtschaftssysteme saniert, die den Menschen zu Füßen des Götzen Geld opfern. Man denkt weder an die hungernden Kinder in den Flüchtlingslagern noch an die Zwangsumsiedlungen, weder an die zerstörten Wohnungen noch an die im Keim erstickten Menschenleben. Wie viel Leid! Wir viel Schmerz! Einige sagten bei unserem Ratschlag: „Dieses System ist nicht mehr zu ertragen. Wir müssen es ändern und dann alternative gesellschaftliche Strukturen errichten.“ Ja, das müssen wir tun – mit Mut und auch mit Intelligenz. Hartnäckig, aber ohne Fanatismus. Leidenschaftlich, aber ohne Gewalt. Und gemeinsam! Die Konflikte im Blick, ohne uns in ihnen zu verfangen, immer darauf bedacht, die Konflikte zu lösen, um eine höhere Stufe von Einheit, Frieden und Gerechtigkeit zu erreichen. Wir Christen haben eine Handlungsanleitung, ein revolutionäres Programm. Ich rate euch dringend, es zu lesen. Lest die Seligpreisungen (Matthäus 5,3 und Lukas 6,20) und lest das Kapitel 25 bei Matthäus (Gleichnis von den anvertrauten Talenten und vom Weltgericht: „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“) Damit habt ihr ein Aktionsprogramm. Arbeitet weiter an dieser großen Perspektive, damit unsere Träume hochfliegen und das Ganze umfassen. Von Herzen begleite ich euch auf diesem Weg. Liebe Schwestern und Brüder: Setzt euren Kampf fort. Das tut uns allen gut. Er ist ein Segen für die Menschheit. ■ Aus der Rede von Papst Franziskus beim Treffen der Basisbewegungen im Vatikan, Übersetzung: Norbert Arntz, in Publik Forum Dossier „Die Kraft der Armen“, Bestellung bei KAB-Geschäftsstelle oder www.publik-forum.de K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N KAB-IMPULSE Fotos: Fotolia > |>> Neue Wege in der Arbeitswelt? << | DIE „GENERATION Y “ SUCHT DIE BAL ANCE ZWISCHEN ARBEIT UND LEBEN Der 29-jährige Denis steht seit einer Stunde in dem kalten Rohbau. Morgens um sechs war der gelernte Sanitär- und Heizungsbauer auf der Baustelle und verlegt seitdem Heizungsrohre. Sein Chef hat die Deadline ausgegeben: Bis Ende der Woche muss es fertig sein, ansonsten drohen Vertragsstrafen, die den Zehn-Mann-Betrieb gefährden. Am liebsten wäre Denis zu Hause, wo sein Jüngster, der 7-jährige Nils, mit 38 Grad Fieber im Bett liegt. Für Thorsten ist das kein Thema. Der 31-jährige IT-System-Elektroniker liegt noch im Bett. Sein Töchterchen Sarah-Louise schläft noch ruhig neben ihm im Kinderbett. Thorsten, seit gut einem Jahr im Berufsleben, teilt sich seine Arbeitszeit ein, wie es ihm passt. Für den jungen Vater war dies eine Voraussetzung, als er sich beim Münchener Unternehmen mit zehn Mitarbeitern bewarb. In eigener Verantwortung gestaltet er den Kontakt mit den Kunden und seine Arbeitszeit. Er will selbst bestimmen, wann, wo und wie er arbeitet. „Ich habe keine Lust auf ein fremdbestimmtes Arbeitsleben“, sagt er. Für ihn sind Arbeit und Leben nicht zwei verschiedene Seiten, sondern eins. Studien belegen, dass drei Viertel der deutschen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nur noch Dienst nach Vorschrift machen. 15 Prozent haben innerlich bereits gekündigt. Für Thorsten undenkbar. Der Job ist nicht alles, doch er fühlt sich für den Erfolg des Unternehmens mitverantwortlich, identifiziert sich mit seiner Arbeit. Für ihn ist es ein Alptraum, acht Stunden am Tag zur Arbeit gehen und von eins bis zwei eine Pause zu haben. Thorsten will dann arbeiten, wenn er sich kreativ fühlt. Karriere spielt für ihn keine große Rolle. Sein Chef, den er duzt, war damit einverstanden. War froh, dass er einen IT-Fachmann gefunden hat. Thorsten gehört zur sogenannten Generation Y. „Y“ deshalb, weil im Englischen der Buchstabe „Y“ für das Fragewort „Why“, „Warum“ steht. Eine Generation also, die fragt: Warum soll ich acht Stunden am Tag in einem trostlosen Büro verbringen? Warum können wir nicht anders arbeiten und leben? Warum soll ich unbedingt Karriere machen? Impuls Nr. 1 | 2015 VEREINBARKEIT VON FAMILIE UND BERUF Die Generation Y, die zwischen 1977 und 1998 geboren ist, ist zum großen Teil gut ausgebildet, wuchs in Wohlstand und mit dem Internet auf und sieht in einem selbstbestimmten Arbeitsleben die Chance auf ein glückliches Leben. Arbeitszeit ist Lebenszeit. Maloche war gestern. Mehr Freiräume, die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung sowie mehr Zeit für Familie und Freizeit sind zentrale Forderungen der Generation Y: Sie will nicht mehr dem Beruf alles unterordnen, sondern fordert eine Balance zwischen Beruf und Freizeit. Nicht erst nach der Arbeit beginnt für die Generation Y der Spaß, sondern sie möchte schon während der Arbeit glücklich sein – durch einen Job, der ihnen einen Sinn bietet. Sie verkörpert einen Wertewandel, der auf gesellschaftlicher Ebene bereits stattfindet, den die jungen Beschäftigten nun aber auch in die Berufswelt tragen, meint die Autorin Kerstin Bund. Sie wollen mitentscheiden, mitbestimmen und über Arbeit und Leben bestimmen. Der Berliner Pädagoge und Zukunftsforscher Klaus Hurrelmann spricht von „Ego-Taktikern“, die im Wohlstand und gutsituiert aufgewachsen sind, gleichzeitig alle Entscheidungen nach ihrem persönlichen Vorund Nachteil abwägen. Familie passiert nicht, sondern ist eine Abwägung. Passt kein Kind zu den Anforderungen des Jobs, bleiben sie kinderlos. Doch entscheiden sie sich für Kinder, wird alles darangesetzt, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch- und umzusetzen. Die Arbeitswelt muss sich den Familienbedingungen anpassen. Für den Heizungsbauer Denis undenkbar. Er weiß, sein Chef kann es sich nicht leisten, die Arbeitszeiten außerhalb der Geschäftszeiten zuzulassen. Er verzichtete bereits auf Vatermonate, als ein dringender Auftrag reinkam. Da seine Frau halbtags arbeitet, sprangen die Großeltern ein. Auch jetzt ist seine Mutter beim kleinen Nils. ■ M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T 11 >> KIRCHE UND ARBEIT |>> „KAB muss pastorale Räume nutzen“ << | Seit 2007 hat die katholische Kirche den Begriff von pastoralen Räumen aufgeworfen. Dabei geht es um die Gestaltung der Zukunft in größeren pastoralen Einheiten. Wie andere, hat sich das Erzbistum Paderborn entschlossen, eine Kirche im Aufbruch zu werden. Sie tut dies, indem sie Chancen und Möglichkeiten schafft, in die säkulare und plurale Gesellschaft zu wirken. KAB-Impuls sprach mit Walter Wolf (Foto), pädagogischer Leiter des Gockeln-Hauses im Erzbistum Paderborn. Impuls: Herr Wolf, wie können KABVereine Teil des Aufbruchs sein? Walter Wolf: Wie wir in dem Gespräch mit dem Leiter der Hauptabteilung Pastorale Dienste, Prälat Thomas Dornseifer, erfuhren, geht es um eine zunehmende Selbstorganisation und Eigenverantwortung am Ort, in der auch die KAB als der prädestinierte Sozialverband in der Kirche seinen Ort hat, ihn aber wohl überall neu finden und definieren muss. Ganz zentral wird die Tätigkeit der Frauen und Männer in den Ehrenämtern sein, als „Engagement aus Berufung“ formuliert. Die neuen Pastoralen Räume sind ein Raum, in dem unterschiedliche Formen von Gemeinde gelebt werden. Die Herausforderung an die KAB ist dabei, in den Pastoralen Räumen eine solche Gemeinde über die bestehenden Pfarrgrenzen hinaus zu bilden mit eigenen spirituellen und inhaltlichen Merkmalen. KAB kann und muss sich in den neuen Pastoralen Räumen untereinander und mit Gleichgesinnten vernetzen. Dies geschieht durch die Ehrenamtlichen am Ort, die von den Hauptberuflichen in der Pastoral, aber auch des Verbandes gefördert werden. Die KAB ist dann nicht Anhängsel in einer Pfarrei, sondern ein, wie es heißt, „Pastoraler Ort“ und eine „Pastorale Gelegenheit“. Impuls: Konkret, was bedeutet dies für einen katholischen Sozialverband wie die KAB? Wolf: Wie auch bei den örtlichen Gemeinden kommt es darauf an, eine Identität zu behalten oder neu aufzubauen, die den Mitgliedern Vertrautheit und Heimat bietet. 12 Heimat bezeichnet auch einen ideellen Ort, in dem man sich aufgehoben und zugehörig weiß. Im Blick auf die Pastoralen Räume besteht mit dem Zukunftsbild auch eine große Chance, diese Räume aktiv mitzugestalten, wie es das Josef-Gockeln-Haus für den Pastoralen Raum Kirchhundem durch die Mitarbeit in der Arbeitsgruppe „Kirche in der Welt“ praktiziert. Durch die Mitarbeit können auch die Pastoralen Konzepte, die in jedem Pastoralen Raum entwickelt werden müssen, im Sinne der KAB entwickelt werden. Selten hat der Verband eine so große Chance an der Basis gehabt, kirchliches Leben und damit auch die Sozialräume mitzugestalten. Impuls: Sie sprechen das Josef-GockelnHaus an. In welcher Weise kann die KABEinrichtung diesen Prozess unterstützen? Wolf: Das Josef-Gockeln-Haus ist schon jetzt wichtiger, vielleicht sogar unersetzbarer Bestandteil der diözesanen Entwicklung. Zum einen ist es Tagungshaus, das in den letzten Jahren regelmäßig von über 60 kirchlichen Einrichtungen und Organisationen aus dem Erzbistum Paderborn genutzt wurde. Dabei sind die KAB-Vereine und Organisationen unseres Verbandes noch nicht mitgezählt. Für dieses Jahr sind bereits jetzt 170 Veranstaltungen mit über 5.500 Belegungstagen nur durch Kooperationspartner aus dem Erzbistum Paderborn gebucht. Durch die von uns geleistete Begleitung und Beratung von Räten in den Pastoralen Räumen, Mitarbeit bei Konzeptionsentwicklungen und spirituellen Angeboten ist das Josef-Gockeln-Haus unmittelbar in den Prozess eingebunden. Es hat eine Mittler- und Mittelpunktfunktion. Impuls: Welche Angebote bietet ihr an? Wolf: Als „Haus mit Programm“ haben wir auch für die KAB zwei Angebote entwickelt. Mitte Januar beschäftigten sich auf einer Fachtagung Ehrenamtliche und Hauptberufliche mit der Frage „KAB in den neuen Pastoralen Räumen“. Ziel war es, Wege und Handwerkszeug zu erarbeiten, wie sich die KAB am Ort und im Bistumsprozess produktiv einbringen kann, auch zu ihrem eigenen Nutzen, auch im Hinblick auf neue Mitglieder. In einer weiteren Tagung Mitte Oktober wird es darum gehen, die Lebenssituation der Menschen in den Pastoralen Räumen zu erfassen und zu verstehen: „Die KAB und die Arbeit im Sozialraum“. Für Ehrenamtliche in den Pastoralen Räumen haben wir das Projekt entwickelt „Engagement aus Berufung im Sozialraum“. Dieses wird von den Dekanaten oder Pastoralen Räumen angefordert. Impuls: Angefordert! – Fördert das Bistum diese Angebote auch? Wolf: Nicht, wie man sich bisher Förderung vorstellte. Es gibt kein Geld für Personal oder Institution, wohl aber projektbezogene Mittel. Wenn also eine Begleitung, Förderung der Ehrenamtlichen durch Weiterbildung oder ein Projekt angefragt wird, so wird uns auch finanzielle Unterstützung zugesagt. Auch dieser Weg entspricht dem Zukunftsbild und unserem Weg der bedarfsorientierten Angebote: Nicht von oben herab sollen Angebote erfolgen, sondern der Bedarf am Ort ermittelt und passgenau entwickelt und durchgeführt werden. In diesem Sinne hat auch das Erzbistum in Person des Leiters der Hauptabteilung Pastorale Dienste uns ermutigt, den gemeinsamen Weg weiterzugehen. Ausdrücklich unterstützt er auch unseren Plan, das Josef-Gockeln-Haus als „Bildungszentrum Süd“ zu positionieren. Wir sind da sehr zuversichtlich. ■ K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N KIRCHE UND ARBEIT > Foto: dpa |>> Kritik an Flüchtlingspolitik << Rainer Maria Kardinal Woelki setzt sich für eine mitmenschliche und christliche Flüchtlingspolitik ein. Foto: Rabbe | ERZBISCHÖFE RUFEN ZUM WIDERSTAND GEGEN PEGIDA AUF Kritik an der Flüchtlingspolitik in Deutschland und Europa übte der Kölner Kardinal Woelki. Aus Anlass der Vorstellung der Weihnachtsmärkte 2014 hatte der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki im Beisein von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die Kürzungen im Bereich der Flüchtlingshilfe angeprangert. „Ich kann nicht über Sterne und Himmel sprechen, wenn vor meiner Haustür die Not Traumatisierter zum Himmel schreit“, betonte Woelki. Als einen dramatischen Mangel an Mitmenschlichkeit bezeichnete er es, dass diese wichtige Arbeit mit traumatisierten Flüchtlingen nicht regelfinanziert sei. „Während bislang Flüchtlinge unabhängig vom Stand ihres Asylverfahrens an EUfinanzierten Maßnahmen des Europäischen Flüchtlingsfonds teilnehmen konnten, sollen künftig nur noch Asylsuchende im laufenden Verfahren an Programmen des neu gegründeten Asyl- und Migrationsfonds teilnehmen können. Das ist bedarfs- und lebensfremd“, betonte der Erzbischof. Flüchtlinge hätten erst mit der Sicherheit des Aufenthaltsstatus die Kraft, ihre Traumata, die sie in den Kriegsgebieten und auf der Flucht über Land und Meer erlebt haben, zu bearbeiten. „Diese Menschen gehen nach der Neuordnung der europäischen Finanzzuschüsse nun leer aus, was dringende therapeutische Maßnahmen braucht“, kritisierte Kardinal Woelki. Dem CaritasTherapiezentrum, das aus Zuschüssen von EU, Bund, Land und Kommune und der Impuls Nr. 1 | 2015 Caritas selbst finanziert wird, hatte Woelki in seiner Funktion als Kölner Erzbischof 150.000 Euro für die Flüchtlingsarbeit gespendet. Gleichzeitig will er kirchliche Gebäude für schutzsuchende Menschen und Familien umbauen lassen. CHRISTEN GEGEN STIMMUNGSMACHE Für den Kölner Erzbischof ist dieser Einsatz für Flüchtlinge ein Gebot der Stunde: „Jesus Christus hat klar gesagt, wir sollen Fremde und Obdachlose aufnehmen, und auch Papst Franziskus fordert immer wieder, dass die Kirche an die Ränder geht. Ich setze und vertraue darauf, dass viele katholische Christen sich auf diesen Weg machen wollen.“ Im Erzbistum Köln sollen verstärkt Unterkünfte für Flüchtlinge bereitgestellt werden. Woelki sprach sich in seiner Silvesteransprache wie zuvor der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick gegen die von Rechtsradikalen initiierten Versammlungen der Pegida-Bewegung und für mehr Schutz und Akzeptanz von Flüchtlingen in der Gesellschaft aus. „Das gilt gerade in diesen Tagen, in denen Organisationen meinen, sie müssten das Abendland gegen Menschen verteidigen, die buchstäblich oft nur ihr nacktes Leben nach Deutschland retten konnten.“ Christen seien hier aufgerufen, „die Wahrheit zu verkündigen und gegen Stimmungsmache aufzutreten. Deutschland leiste bei der Aufnahme von Flüchtlingen „nur ein Hun- M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T dertstel“ von dem, was die jeweiligen armen Nachbarstaaten täten. „Nicht wir im reichen Europa haben ein Flüchtlingsproblem, sondern die armen Nachbarländer der Krisenregionen“, so Woelki. Bambergs Erzbischof Schick hatte in seiner Predigt erklärt, dass Christen aus ihrem Glauben heraus nicht an der Pegida-Demonstration teilnehmen dürften. ■ Kriege schaffen Flüchtlingsrekord <<| |>> Fast 7 Millionen Menschen waren nach dem 2. Weltkrieg von Flucht und Vertreibung betroffen. Bis Mitte 2014 verzeichnete das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) 56,7 Millionen Flüchtlinge sowie Vertriebene innerhalb der eigenen Landesgrenzen. Damit hat das Ausmaß von Flucht und Vertreibung aufgrund zahlreicher bewaffneter Konflikte weltweit den höchsten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg erreicht. Allein innerhalb der ersten sechs Monate des vergangenen Jahres wurden 5,5 Millionen Menschen durch Krieg, Gewalt, Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen in die Flucht getrieben. Die meisten Flüchtlinge stammten aus Syrien, mehr als drei Millionen. Die größte Flüchtlingsgruppe bildeten mit rund 2,7 Millionen Menschen aus Afghanistan. 13 > KAB-IMPULSE Nachhaltig wirtschaften in NRW: Bundespräses Johannes Stein forderte von NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (links) und Sozialminister Guntram Schneider (rechts) eine Studie zu einer Postwachstumsgesellschaft. Fotos: Rabbe „Gut leben, arbeiten und wirtschaften in 2030“ << |>> | BUNDESPRÄSES STEIN STELLT „GUT WIRTSCHAFTEN“ NRW-L ANDESREGIERUNG VOR Die Position der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands zur Zukunft der Arbeit und eines guten Wirtschaftens hat Bundespräses Johannes Stein mit den nordrhein-westfälischen Wirtschaftsminister Garrelt Duin und NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider vorgestellt. Auf einer Tagung des NRW-Umweltministeriums machte Stein deutlich, dass „eine Wachstumsgesellschaft auf Dauer weder sozial noch nachhaltig sein kann“. Bereits seit den 1980er-Jahren, so Bundespräses Stein gegenüber den NRW-Ministern, belegen die Erfahrungen aus der weltweiten Arbeitnehmerschaft, dass begründete Zweifel bestehen, ob sich Wachstum und Ressourcenschonung vereinbaren lassen. Gleichzeitig bestehe ein ständiger Konflikt zwischen Markt und Moral sowie menschenwürdiger Arbeit. Arbeiten und Wirtschaften in 2030“ mit Vertreterinnen und Vertretern aller gesellschaftlichen Gruppen über das Strategiepapier der Landesregierung zur Entwicklung einer NRW-Nachhaltigkeitsstrategie in Mülheim an der Ruhr diskutiert. Sozial und ökologisch gehörten für christliche Arbeitnehmer untrennbar zusammen. Kirchliche Gruppen hätten früh den Aspekt der Nachhaltigkeit in die Diskussion um menschenwürdige Arbeit und eine Wirtschaft, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, eingebracht. Damals lautete das Schlagwort: „Anders leben, damit andere überleben!“, so Stein. Dieser Ansatz finde sich auch in dem aktuellen Leitthema „Fair teilen – statt sozial spalten – Nachhaltig leben und arbeiten“ wieder. DISKUSSION ÜBER POSTWACHSTUMSGESELLSCHAFT Bundespräses Stein forderte eine stärkere Diskussion über eine zukünftige Postwachstumsgesellschaft. „Ich wünsche mir erstens eine klare Definition, was gute Arbeit ist, und zweitens einen Forschungsauftrag, wie eine Postwachstumsgesellschaft aussieht und wie sie entwickelt wird.“ Auch Wirtschaftsminister Duin unterstrich diese Forderung: „Wir brauchen in der Tat eine Wachstumsdebatte – nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ.“ Dennoch erteilte er einer De-Industrialisierung in NordrheinWestfalen eine klare Absage. „Es geht um die Modernisierung des Industriestandortes NRW.“ Die rot-grüne NRW-Landesregierung sucht derzeit Leitlinien für eine nachhaltige Politik. Ökologische Verantwortung und ökonomische Vernunft sollen eng mit sozialer Gerechtigkeit verknüpft werden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist breites Engagement der Bevölkerung nicht nur erwünscht, sondern auch notwendig. Die NRW-Ministerien haben im Rahmen der Konferenz „Gut Leben, Gute und faire Arbeitsplätze mahnte auch Sozialminister Schneider an. „In einer lebenswerten Gesellschaft brauchen wir gute und faire Arbeitsplätze. Nur über eine verbindlich glaubwürdige Definition dessen, was wir unter Nachhaltigkeit verstehen, können wir einen Großteil der Menschen auch mitnehmen.“ ■ 14 K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N KAB-IMPULSE > |>> Gedenken an Nikolaus Groß << Mit mehreren Veranstaltungen und Gottesdiensten haben KABGruppen an die Ermordung von Nikolaus Groß und anderen KABWiderstandskämpfern vor genau 70 Jahren gedacht. In Köln erinnerte der ehemalige Arbeitsminister Norbert Blüm unter dem Thema „Glaube und Widerstand“ auf Einladung des KAB-Stadtverbandes an den Widerstand der KAB gegen den Nationalsozialismus. Zuvor fand ein Gottesdienst in der Minoritenkirche statt. In Fulda gedachte der Diözesanverband im Rahmen der Jahresauftaktveranstaltung in einem Gottesdienst des seligen Nikolaus Groß. Pfarrer Karsten Weidisch aus Moers erinnerte bei dem Gedenkgottesdienst |>> | des KAB-Bezirks Wesel im Xantener Dom an die Opfer und Widerstandskämpfer des Hitler-Regimes. Auf Einladung der KAB Leverkusen-Rheindorf setzte sich der Münsteraner Theologe Prof. Claus Peter Sajak mit dem interreligiösen Dialog heute auseinander. Unter dem Motto „Kippa – Kelch – Koran“ stellte er den Glauben des Widerstandskämpfers in den heutigen Kontext. Die KAB im Bistum Berlin erinnerte mit einem ökumenischen Gedenkgottesdienst an der Hinrichtungsstelle Berlin-Plötzensee an Groß und andere Märtyrer, die im Widerstand ihr Leben verloren haben. Dieser wurde im Deutschlandfunk übertragen. Gutes Beispiel für gutes Wirtschaften<< | Zur Eröffnungsveranstaltung der Jahreskampagne „Gut Wirtschaften“ präsentiert der KAB-Diözesanverband Aachen ein gutes Beispiel für nachhaltiges Wirtschaften. Nicht alle brauchen ein eigenes Auto, aber alle sollten mobil sein. Statt selbstfahrende Automobile aus Las Vegas stellt die KAB am 4. Februar in Krefeld ein regionales CarSharingModell vor. „Es geht um die Frage, wie eine gute, nachhaltige und zukunftsfähige Wirtschaft aussehen muss und kann“, so der Diözesanverband. In der Seidenstadt bietet die Firma „stadtmobil“ in Kooperation mit den Stadtwerken Krefeld (SWK) ein CarSharing-Modell mit fünf Elektrofahrzeugen des Autobauers Renault an. Neben der Fahrzeugreduzierung durch Gruppennutzung reduziert das Stadtmobil auch die direkten CO2-Emissionen in der Stadt. „Wir sehen CarSharing-Angebote nicht als Konkurrenz zum ÖPNV, sondern als sinnvolle Ergänzung. CarSharing optimiert die individuellen Mobilitätswünsche unserer Bus- und Straßenbahnfahrgäste“, erklärt SWK-Vorstandssprecher Carsten Liedtke. Aufgetankt werden soll mit Naturstrom. „Dieses Beispiel macht sichtbar, wie wir mit unseren begrenzten Ressourcen nachhaltig umgehen und was konkrete Projekte bewirken können“, so der KAB-Diözesanverband. Anzeige Impuls Nr. 1 | 2015 M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T 15 >> >> GESELLSCHAFT |>> Zwischen den Ländern << | INTEGRATIVES JUGENDPROJEKT: SCHÜLER UND FLÜCHTLINGE LERNEN SICH MIT DER KAMERA KENNEN Die blau-weiße Regionalbahn rollt in den Bahnhof Wolgast ein, unter den Wartenden auf dem Bahnsteig ist eine Gruppe Jugendlicher. Sie halten Kamera und Mikrofon in der Hand. Es sind Schülerinnen und Schüler vom Runge-Gymnasium und Jungen und Mädchen vom Asylbewerberheim der Hansestadt. Die Jugendlichen drehen einen Film über das Leben in ihrer Stadt. Seit dem Frühjahr 2014 führt der Förderverein Demokratische Medienkultur e.V. in Wolgast ein Projekt durch, an dem Schüler der Region und ausländische Kinder und Jugendliche gemeinsam arbeiten. Film- und Fernsehregisseur Jens Scherer, Leiter des Projekts, erklärt, dass es im Kern nicht zuletzt um den Dialog zwischen den Jugendlichen aus dem Land und den Asylbewerbern, aber auch um den Dialog zwischen den Generationen geht. Brandsätze auf Flüchtlingsheime wie jüngst bei Nürnberg oder die Demolierung provisorischer Flüchtlingsunterkünfte wie in Köln Ende letzten Jahres wecken auch in Mecklenburg-Vorpommern schreckliche Erinnerungen. 2012 geriet auch Wolgast 16 bundesweit in die Schlagzeilen. Damals gab es Drohungen gegen das Flüchtlingsheim im Plattenbauviertel am Stadtrand, es wurden Erinnerungen an die Geschehnisse in Rostock-Lichtenhagen geweckt, wo in den 1990-er Jahren ein Asylbewerberheim brannte und Bewohner sich nur noch in letzter Sekunde vor den Flammen in Sicherheit bringen konnten. „Die Drohungen gegen Flüchtlinge waren eine sehr schlimme Geschichte“, erinnert sich Projektleiter Scherer. Damals wurden 75 Flüchtlinge in einem sechsstöckigen Mietshaus in der Plattenbausiedlung Wolgast Nord untergebracht. Rechte nutzten die Unsicherheit unter den Nachbarn und den übrigen Bewohnern, um gegen Ausländer mobil zu machen. Knallkörper flogen auf Balkone. In der St. Petri-Kirche mahnte Pastor Jürgen Hanke im Oktober 2010 auch mit Blick auf den Bürgermeister Stefan Weigler in der ersten Reihe der Kirchenbank zur Besonnenheit und zur Offenheit gegenüber den Flüchtlingen. Die Politik reagierte. Schließlich stand auch das Image „Tor zur Insel Usedom“ auf dem Spiel. Neben offenen Briefen und Wandschmierereien kam es auch zu vielen Begegnungen zwischen den Menschen, den Flüchtlingen und Bürgerinnen und Bürgern aus Wolgast. BEZIEHUNG DURCH GEMEINSAME ARBEIT Jens Scherers Projekt zielt darauf ab, diese Begegnungen zu fördern, damit nicht nur so etwas nicht wieder passiert, sondern die Jugendlichen sich begegnen, voneinander lernen und Bekanntschaften und Freundschaften schließen. Wo geht das besser als bei der Arbeit, die man gemeinsam verrichtet? Schülerinnen und Schüler aus Wolgast besuchen die Flüchtlingsund Asylbewerberheime und erleben, dass es beispielsweise ganz normale Frauen und Männer mit ihren Kindern sind, die aus ihrer Heimat flüchten mussten und hier in Wolgast und anderswo auf Hilfe hoffen. Scherer, der sein Handwerk an der Filmhochschule Konrad Wolf in Potsdam gelernt hat, erläutert, dass sich der Verein seit vier Jahren in verschiedenen Medienprojekten in den neuen Bundesländern für junge Menschen aus strukturschwachen K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N GESELLSCHAFT > >> Im Zuge der Pegida-Deomonstrationen erhält das Integrationsprojekt einen hohen Stellenwert. Beim Filmen lernen die Jugendlichen nicht nur das Handwerk des Films, sondern sich und die anderen besser kennen. Vorurteile werden abgebaut, Ängste verschwinden und Freundschaften entstehen. Fotos: Hans-Jürgen Fischer Regionen und Menschen mit Behinderungen oder sozialen Benachteiligungen engagiert. In mehr als 20 Projekten und Präsentationen haben die Teilnehmer keineswegs nur mit moderner Film- und Fototechnik gearbeitet, sondern auch viel über den toleranten Umgang miteinander und das Erleben von Chancengleichheit gelernt. BETWEEN THE COUNTRIES Seit Anfang letzten Jahres führt der Verein das integrative Jugendmedienprojekt „between the countries – Verstehe die Anderen, dann verstehst du Dich“ durch. Verstehe den Anderen meint, verstehe deinen Nächsten, die Situation von Behinderten, das Schicksal von Flüchtlingen, das Leben der älteren Menschen. Speziell für dieses über zwei Jahre laufende und von der „Aktion Mensch“ geförderte Projekt werden in Rostock, Greifswald, Bad Doberan und Wolgast lokale Netzwerke geschaffen, die gemeinsam mit dem Förderverein Videoprojekte für Kinder- und Jugendliche durchführen. „Das Konzept von ,between the countries‘ beruht auf einer Idee eines integrativen mediengestützten Angebots für Kinder und Jugendliche aus asylsuchenden Familien in Mecklenburg-Vorpommern, um deImpuls Nr. 1 | 2015 ren Integrationsmöglichkeiten zu fördern“, so Scherer. Konkret wird das Projekt auch durch die Mithilfe von Milia Bentzien, der Leiterin der Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge. „Die Kinder und Jugendlichen in dieser Unterkunft kommen aus verschiedenen Krisenregionen und leiden noch an traumatischen Erfahrungen bei Flucht und Vertreibung aus ihrer Heimat.“ So wie der kleine Hoosein Salim und seine Schwester Amal aus Syrien. Ihre runden Augen sind wach und nehmen alles wahr, doch ihre jüngsten Erlebnisse in Syrien lassen sie auch verstummen. Zu ihren Leben gehörten bisher Tränen und Angst. Die Familie ist vor dem Krieg geflüchtet, hat alles verloren. Darüber möchten Amal und Hoosein nicht sprechen, erklärt Milia Bentzien, die selbst vor vielen Jahren aus dem Libanon nach Deutschland kam. TRAUMATISCHE FLUCHTERLEBNISSE Doch die Arbeit mit Kamera und Mikrofon macht den Geschwistern sichtlich Spaß. Hoosein verrät aber auch, dass er eigentlich noch viel lieber mit seinen Freunden im Sportverein Wolgast in der Jugendmannschaft Fußball spielt. Hoosein ist eben ein ganz normaler neugieriger Junge, der sich über das Miteinander mit anderen M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T Jugendlichen freut. Doch leider kann er nur bei Freundschaftsspielen mitspielen, im Spielbetrieb darf ihn sein Verein nicht aufstellen. Bei den beiden Jungen Sergei Basajev und Rizwan Dikaev ist das nicht anders. Sie kommen aus Tschetschenien und sind froh, in Deutschland in Sicherheit zu sein. Sergei war, bevor er nach Wolgast kam, einige Wochen bei seiner Oma in der Ukraine. „Sie fehlt mir sehr“, gesteht der Zwölfjährige. Oder da ist Hasiin Kabibi aus Afghanistan, der in die neunte Klasse in Greifswald geht. Sein Weg nach Deutschland gleicht einer Odyssee durch Asien und Europa. In einem Film erzählt er gemeinsam mit einer Schülerin aus Wolgast, die ursprünglich aus Kenia kam, ihr Schicksal einem breiten Publikum. Heute sind sie in ihren Schulklassen integriert. Nicht nur das gemeinsame Filmen verändert, auch für den Zuschauer der Filme sind die Berichte der Menschen wichtig, um ihre Situation zu verstehen. Im Film „Der Schneider aus Afghanistan“ erzählen Reesam Mejavai und seine Frau Sara über ihre Flucht, ihren Schneiderbetrieb in Afghanistan und die Bomben, die ein Leben in Angst und Unsicherheit bedeuteten. „Ich wollte Sicherheit für meine Familie und dass meine 17 GESELLSCHAFT Tochter und mein Sohn ohne Gefahr in die Schule gehen können“, erzählt er. Heute schneidert und ändert er für 1,20 Euro pro Stunde für die Heimbewohner Kleidung. DER BLICK AUF DIE WELT „Anfänglich waren die Kinder dem Medienprojekt gegenüber etwas reserviert. Doch das hat sich vollkommen geändert. Jetzt ist Begeisterung zu spüren“, erinnert sich Leiterin Bentzien. Die Jugendlichen treffen sich vierzehntägig an jeweils verschiedenen Orten der Stadt. Dann sind sie mit Kamera und Mikrofon auf der Suche nach Geräuschen, O-Tönen oder Buchstaben, es gibt Treffen mit Gleichaltrigen und Gesprächsrunden. Für die Beteiligten ist das alles auch ein großes Abenteuer. „Die Kinder möchten mit den Filmen ihren Blick auf die Welt zeigen“, erläutert Milia Bentzien. Wer mit der Kamera hinschaut, verändert seinen Blick. So berichtet Jens Scherer, dass es während des Jugendmedienprojektes „Gesichter einer Stadt“ über Ausländer in Wolgast gelang, auch junge Menschen aus sozial schwachen Schichten zu gewinnen, sich mit den Schwierigkeiten des Aufbaus eines Asylbewerberheimes in Wolgast auseinanderzusetzen. Aus Sicht der Medienpädagogen wurde die Toleranz gegenüber den Fremden aus anderen Kulturkreisen gefördert, Vorurteile abgebaut und ein Stück weit Vertrautheit geschaffen, das das Zusammenleben in der 12.000 Einwohner-Stadt verbessert. „Neben den bestehenden Problemen 18 >> mit dem Rückgang der Industrie und der Überalterung der Bevölkerung stehen Kleinstädte mit der Integration der Asylsuchenden vor einer gewaltigen Aufgabe, die nicht mit der bloßen Zuweisung von Wohnraum erledigt ist“, heißt es beim Förderverein für demokratische Medienkultur. Nicht nur Erwachsene ohne Arbeitserlaubnis würden in den Unterkünften auf Anerkennung ihres Asylverfahrens hoffen, auch deren Kinder, müssten beschult werden und bräuchten Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Vergessen dürfe man ebenso nicht die Hilfestellung zur Verarbeitung der traumatischen Erlebnisse in den Bürgerkriegsregionen. Aber gleichzeitig entstehen auch Chancen, junge Menschen für den Norden Deutschlands, der unter Abwanderung leidet, zu gewinnen. Nach einer halbjährlichen Anlaufphase wurde Anfang September in der Stadtbibliothek Wolgast das Jugendmedienprojekt „between the countries“ einem breiten Publikum vorgestellt. Im Mittelpunkt standen die bereits von den Mediengruppen aus den 4 Städten produzierten Videos, Zeichen für gelebte Toleranz zwischen Jugendlichen aus sechs verschiedenen Ländern. Von einer Fernsehsendung bis zum Kurzspielfilm und einer Talkrunde zum Thema der Situation von jungen Asylbewerbern reichte das vielfältige Angebot. GEMEINSAM EINMISCHEN Bekräftigt wird vom Förderverein, dass das Hauptaugenmerk der Bemühungen jeweils auf dem Aufbau gemischter Mediengruppen liegt. Die Teilnehmer aus den Flüchtlingsheimen und den Kommunen der Region sollen sichtbar agieren, regionale Besonderheiten dokumentieren und Veranstaltungen auf die Beine stellen. Kurzum, sie sollen sich einmischen und auch provozieren, in ihren Städten aufklären und Gemeinschaft entwickeln und eigene Projekte anschieben. Das langfristige und selbstständige Arbeiten steht im Mittelpunkt. In Zusammenarbeit mit den jeweiligen Partnern, die da unter anderen die Uni Greifswald, die Regionalstelle für Sucht- und Gewaltvorbeugung Greifswald, das Bündnis für Familie in Güstrow oder das Kultur- und Jugendhaus Wolgast sind, soll es auch ein echter Anlaufpunkt für ausländische Jugendliche werden. Das langfristig angelegte Medienprojekt „between the countries“ ist, wie Wolgast zeigt, ein ehrgeiziges und zugleich komplexes Vorhaben, das sich auf lange Sicht keinesfalls in eingefahrenen Gleisen bewegen kann. Zumal die Teilnehmer aus den Gemeinschaftsunterkünften in der Regel nur einige Monate vor Ort sind, immer wieder neue Jugendliche hinzukommen und auch die Altersstruktur unterschiedlich ist. Dass sich die Bemühungen aber durchaus lohnen, hat der kurze Dreh auf dem Bahnhof Wolgast gezeigt. Von Vorbehalten der Reisenden gegenüber den jungen Flüchtlingen aus fremden Ländern war an diesem Dezembertag kurz vor Weihnachten nichts zu spüren. HANS-JÜRGEN FISCHER K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N GESELLSCHAFT > Das künstlerische Gemeinschaftsprojekt „Überlebenskunst“ hat bundesweit Multiplikatoren gewonnen. Fotos: KAB |>> „DIE WELT VERLANGT DANACH, GEKONTERT ZU WERDEN.“ ILSE AICHINGER „wohin gehst du mensch?“ << | DAS PROJEKT ÜBERLEBENSKUNST PRÄSENTIERT ERGEBNISSE Heute über die Welt von morgen nachdenken. Entwicklungstrends begreifen. Verflechtungen erkennen. Verantwortlich handeln im globalen Horizont, damit alle Menschen dieser Welt jetzt und künftig gut und sinnvoll leben können! Das sind die Anliegen des Bildungsprojekts „ÜberLebensKunst“, das die Stiftung „Zukunft der Arbeit und der sozialen Sicherung“ der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) gemeinsam mit MISEREOR und in Kooperation mit der Katholischen Bundesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung (KEB) in den letzten zwei Jahren durchgeführt hat und dessen Ergebnisse im November 2014 den über 100 Gästen im Kettelerhaus in Köln gezeigt werden konnten. Angesichts der großen Herausforderungen, vor denen die Weltgesellschaft steht, versteht sich das Projekt als ein Beitrag zur Orientierung und Positionierung. ÜberLebensKunst will Menschen ermutigen und befähigen, sich individuell, als Gruppe und als Verband gegenüber den großen Herausforderungen der Weltgesellschaft zu positionieren und sich mit eigenen Vorstellungen in den gesellschaftlichen und politischen Diskurs einzubringen. MULTIPLIKATOR FÜR KREATIVE AUSDRUCKSFORMEN Das Projekt „wohin gehst du mensch? ÜberLebensKunst in Zeiten der Globalisierung“ ist ein Beitrag zu entwicklungspolitischer Orientierung und entwicklungsImpuls Nr. 1 | 2015 politischem Handeln. Wir sehen unsere Welt ökonomisch und sozial gespalten, zerteilt in Privilegierte und Benachteiligte, zerrissen in Weltteile, die in Wohlstand und Frieden leben, und solche, die von Armut, Hunger und Krankheit, von Unterdrückung und Kriegen heimgesucht werden. Und wir halten dagegen: „Gutes Leben – für alle!“ In dem Projekt mit bundesweit über 100 Veranstaltungen gelang es, unterschiedlichste Zielgruppen und verschiedene Generationen für die Zukunftsfrage „Wie wollen/können wir morgen leben?“ zu interessieren und ihnen einen Austausch über Erlebtes und Zukunftsrelevantes zu ermöglichen. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass bundesweit Multiplikatoren für kreative Ausdrucksformen gewonnen und in den Bereichen Form und Farbe, Fotografie und Theater geschult wurden, die nach ihrer Ausbildung das Erlernte vor Ort in Veranstaltungen umsetzen. Der kreative Ansatz des Projekts ermöglichte eine neue unverbrauchte Sicht auf Themen und Handlungsfelder – gerade im Hinblick auf die „Zukunftsfragen“. Dabei reichte das Themenspektrum von Wasser als Menschenrecht über Pflege und Verteilungsungerechtigkeit bis hin zum Umgang mit M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T den endlichen Ressourcen unserer Erde. Auch für 2015 sind noch Veranstaltungen geplant, so u.a. drei Foren beim Seniorentag in Frankfurt. Mit den im Projekt erstellten Begleitmaterialien und Medien wie der Poster-Reihe „wohin gehst du mensch?“ mit Bildern der Künstlerinnen-Vereinigung „dreieck. triangle. driehoek“ aus dem deutsch-belgisch-niederländischen Raum, dem Arbeitsheft mit Texten namhafter Autor(-inn)en und methodisch-didaktischen Bausteinen und der CD mit meditativen Texten kann und soll auch zukünftig weitergearbeitet werden. Die verschiedenen Materialien des Projekts laden zum Mitmachen ein und geben Hilfestellungen, sich mit den Fragen nach einem guten und sinnvollen Leben auseinanderzusetzen. ■ MECHTHILD HARTMANN-SCHÄFERS WISSENSCHAFTLICHE REFERENTIN DER STIFTUNG ZASS Alle Materialien sind über Misereor zu beziehen: MVG, Postfach 10 15 45, 52015 Aachen E-Mail: [email protected] www.misereor-medien.de Telefon: 0241/470 86-100 Mehr unter: www.projekt-ueberlebenskunst.de 19 KAB-IMPULSE |>> >> > Allein ohne Sinn << | BAMBERGER PUZZLE-AUSWERTUNG Sinnvolles Leben ist nicht teuer, zu einem sinnvollen Leben spielen Geld und Kapital eine untergeordnete Rolle. Eine Auswertung der Sinn-Puzzle-Teile im Bistum Bamberg ergab, dass persönliche Einstellungen und Befindlichkeiten eng mit der sozialen und familiären Situation verbunden sind. Eine große Mehrheit, 43 Prozent der etwa 1800 nach einem sinnvollen Leben Befragten beziehungsweise Sinn-Puzzler/-innen, erklärten, dass Zeit für sich und andere, Zufriedenheit, Gesundheit, Gelassenheit, Frieden und Liebe die wichtigsten Grundpfeiler für ein sinnvolles Leben sind. Dennoch sind diese persönlichen Bedürfnisse nicht zum Nulltarif zu haben. Denn diese Zufriedenheit ist abhängig vom Partner, der Familie, dem Nachbar, dem Gegenüber, dem Nächsten. So war für ein Viertel der Bamberger Sinnsucher die Pflege des sozialen Umfeldes, der Gemeinschaft von Familie, Freunden und Vereinen von großer sinnstiftender Bedeutung. Um |>> dies umzusetzen, sind die Achtung gegenüber dem anderen Menschen, die Nächstenliebe, Toleranz, Verständnis und der Frieden wichtige Bausteine. Die Zwischenmenschlichkeit in unmittelbarer Gemeinschaft verlangt auch eine intakte Gesellschaft. So sind Gerechtigkeit beziehungsweise Verteilungsgerechtigkeit, Gleichberechtigung und die Sicherheit der eigenen Existenz in Form von einem Wohlstand für alle und bezahlbaren Wohnraum Grundpfeiler für eine menschenwürdige Gesellschaft. Und nicht zuletzt leitet sich aus diesem gesellschaftlichen Ansatz für ein sinnvolles Leben auch die Arbeitswelt jedes einzelnen ab. So waren für viele Sinn-Puzzler gute Arbeit und gerechter Lohn sowie eine sichere Rente und Bildungszugänge wichtige Voraussetzungen für ein sinnvolles Leben. GOTT GIBT SINN. Gleichzeitig ist ein sinnvolles Leben ohne Gott und Glauben für die Befragten nicht denkbar. Glaube, Hoffnung und Gottvertrauen sind die häufigsten religiösen Nennungen. Eng verbunden mit dem Glauben ist der Erhalt der Schöpfung Gottes. In der Verantwortung mit und für die Natur und Gottes Schöpfung sehen fast 13 Prozent der Befragten einen wichtigen Sinn in ihrem Leben. ■ Abschlussfest „Sinnvoll leben“ großer Erfolg <<| Bildungswerk der KAB in Bistum Essen e.V. Das Abschlussfest des Jahresmotto 2014 „Sinnvoll leben“ in der Kraftzentrale des Duisburger Landschaftsparks hat die vielen Besucher begeistert und wirkt weit über die Veranstaltung hinaus. Viele Vereine nutzen weiterhin die Puzzle-Teile, um sie einerseits künstlerisch zu verwerten und andererseits das Thema weiterhin im Verband lebendig zu halten. Das Abschlussfest wurde auch auf einem Film festgehalten. Besucher haben kurz vor Weihnachten eine DVD mit dem Film erhalten. Möglich wurde die Veranstaltung auch durch die vielen Sponsoren wie das Essener KAB-Bildungswerk, der Duisburger Verein Gottfried Könzgen, die GLS-Bank in Bochum und andere. INFO: Der Film vom Duisburger Abschlussfest „Sinnvoll leben“ (inklusive Interviews) ist gegen einen Bearbeitungsgebühr von 5,00 Euro (Staffelpreise möglich) in der KAB-Geschäftsstelle Köln, Bernhard-Letterhaus-Str. 26, 50670 Köln (Tel.: 0221 / 77 22-0 oder [email protected]) zu bestellen. 20 K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N KAB-IMPULSE > >> > KAB vor Ort HERAUSFORDERUNG FAMILIE Strahlfeld. Mit den Herausforderungen der Familie setzten sich Familien aus dem Diözesanverband Regensburg intensiv auseinander. Was braucht ein Kind, um groß zu werden? Es braucht Kompetenzen, Beziehungen und Sinn,Werte, Glaube und Religion. Aber auch ein gesichertes Umfeld. Verlässliche politische Strukturen. Ob diese gewährleistet sind? Christa Mösbauer, KAB-Diözesansekretärin und Organisatorin des Wochenendes, berichtete von den geheimen Verhandlungen der EU mit den USA über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft, kurz TTIP. Es soll ein Abkommen bestätigt werden, das zur größten Freihandelszone der Welt führen soll. Es geht dabei um die Beseitigung nichttarifärer Hemmnisse für den Handel und für Investitionen. Nichttarifäre Hemmnisse sind zum Beispiel Regeln für die Finanzmärkte oder Gesetze zum Schutz von Arbeitnehmern, von Gesundheit, Klima und Umwelt. Durch die sogenannte „Harmonisierung“ droht der Abbau von Impuls Nr. 1 | 2015 Sozial- und Arbeitsschutzstandards, von Gesundheits- und ökologischen Standards. Das bedeutet, dass Familien finanzielle und zeitliche Einschränkungen zu erwarten haben, sollte dieses Abkommen zustande kommen. In Workshops informierten sich Eltern über das Thema und beteiligten sich an der Unterschriftenliste gegen das Abkommen. Resümee der Eltern: „Wir sind verpflichtet, unseren Nachkommen eine ökologische und ökonomische Zukunft zu sichern.“ BIO GANZ NAH Ingolstadt. Der Kreisverband der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) Ingolstadt besichtigte den Biomarkt Landmann in der Permoser Straße in Ingolstadt. Herr Ultes, der in Ingolstadt mit seiner Familie noch zwei weitere Biomärkte betreibt, berichtete über die Beweggründe, Bio-Lebensmittel und Bio-Waren anzubieten. Er ging auf die zahlreichen Fragen der Teilnehmer/-innen ein und gab bereitwillig Auskunft sowohl über die breite Angebotspalette als auch über die HERAUSFORDERUNG FAMILIE Ein bewegendes Familienwochenende in der Bildungsstätte Strahlfeld erlebten KAB-Familien aus dem Diözesanverband Regensburg. Foto: KAB Personalstruktur in seinem Betrieb. Kreisvorsitzende Resi Geyer bedankte sich für die Führung und die vielen Informationen. Mit einem Einkaufsbummel im Bio-Laden endete der Betriebsbesuch. UNGLEICHHEIT UND GEWALT Olpe/Kirchhundem. „Lateinamerika ist der gewaltigste Subkontinent der Welt, aber auch nirgendwo auf der Welt herrscht größere Ungleichheit zwischen Arm und Reich“, beklagte Gregorio Rosa Chávez, Weihbischof aus San Salvador. Hildegard Schlüter, stellvertretende KAB-Bezirksvorsitzende, bot allen Interessierten des Pastoralen Raums Kirchhundem Einblicke in das lateinamerikanische Land. Auf Einladung des KAB-Bezirksverbandes Olpe/ Siegen hatte der AdveniatBotschafter im Josef-GockelnHaus über die Folgen der sozialen Spaltung anhand eines Kurzfilms aufgeklärt. So würden Jugendbanden mit brutaler Gewalt die Menschen in Angst und Schrecken versetzen, referierte Weihbischof Chávez. M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T So sei es ein wesentliches Anliegen, den Jugendlichen Perspektiven jenseits von Gewalt und Armut aufzuzeigen. „Die Jugendlichen in El Salvador sind die Zukunft und die Gegenwart. Sie haben das Recht auf eine Chance, aber viele sind ohne Hoffnung“, so Rosa Chávez, dessen Projekt zur präventiven Pastoral von Adveniat unterstützt wird. ZIELGRUPPE JUNGE FAMILIEN Bracht. Die KAB in der Weggemeinschaft Born, Bracht, Brüggen setzt auf junge Familien. Zum Ferienabschluss hatte die KAB mit einem Familienfest den Startschuss für dieses Zukunftsprojekt gegeben. Die von der KAB und der Familienbeauftragten der Burggemeinde gemeinsam ausgerichtete Aktion wurde sehr gut angenommen und soll in diesem Jahr wiederholt werden. Gekoppelt mit zwei Spielenachmittagen, wurden junge Familien angesprochen. „Die Idee ist, mit interessierten Teilnehmern eine Gruppe für junge Familien zu gründen“, sagt KAB-Vorsitzen- 21 KAB-IMPULSE ERLÖSE FÜR SOZIALPROJEKTE Der wiedergewählte Vorstand der KAB Deining und 3. Bürgermeister Peter Hollweck. Foto: KAB der Willi Leven. Nach dem Motto „Eltern werden ist nicht schwer, Eltern sein dagegen sehr“, will die KAB Bracht mit neuen Kontakten, dem Erfahrungsaustausch zwischen Eltern und gemeinsamen Aktivitäten und Ausflügen in der Gemeinschaft Familien unterstützen. Unterstützt wird die KAB-Initiative auch von der Familienbeauftragten der Gemeinde, Michaele Mevissen aus der Gemeindeverwaltung Brüggen. ERLÖSE FÜR SOZIALPROJEKTE Deining. Der KAB-Ortsverband Deining hat einen neuen Rekord aufgestellt. So wurden bei der Palmbüschel-Aktion 2014 genau 1.500 Büschel gebastelt. Aus dem Reinerlös des Verkaufs konnte die KAB 100 Euro an die Christliche Arbeiterhilfe Nürnberg und 600 Euro an die Partnerprojekte der KAB im Senegal spenden. Die wiedergewählten Vorsitzenden Manfred Meier und Monika Sieger konnten auch die Anschaffung von neuen Gotteslob-Gesangbüchern in der Pfarrei mit 800 Euro unterstützen. Pfarrer Norbert Zawilak bedankte 22 >> > OFFENE TÜREN EINGERANNT Sprach sich für das KAB-Rentenmodell und gegen einem TTIPBoykott aus: SPD-Politiker Christian Flisek. Foto: Bundestag BESUCH BEI DER SCHIRMHERRIN Besuch bei der Landtagsabgeordneten und Schirmherrin des KAB-Umweltprojekts der Diözese Eichstätt, Tanja Schorer-Demel. Foto: KAB sich und erinnerte in seinem geistlichen Wort an die Ziele der KAB, Kirche in der Welt der Arbeiterschaft und Stimme der Arbeitnehmer in der Kirche zu sein, sowie an die Katholische Soziallehre und ihre Grundprinzipien Solidarität, Subsidiarität und Personalität. Auf der Jahreshauptversammlung, wo Neuwahlen anstanden, konnte der Vorstand Gründungsmitglied Johann Zoch, ehemaliger Vorsitzender und ehemaliger Kassierer, der nach 50 Jahren aktiver KAB-Arbeit als Beisitzer ausschied, für seinen unermüdlichen Einsatz danken. OFFENE TÜREN EINGERANNT Passau. Mit dem Vorschlag des solidarischen Rentenmodells der katholischen Verbände rennt die KAB offene Türen bei der SPD ein. Dies meint der Bundestagsabgeordnete Christian Flisek, nachdem eine 24köpfige Delegation aus dem Diözesanverband Passau auf einer Informationsreise in Berlin das „Cappuccino-Modell“ vorgestellt hat. „Neben der Verhinderung von Altersarmut werden wir in der gesetzlichen Rentenversicherung in Zukunft aber auch für mehr Flexibilität sorgen müssen. Wir müssen mit den sozialen Sicherungssystemen verstärkt Antworten auf die verschiedenen Lebensläufe der Menschen finden“, erklärte Flisek. In Bezug auf das Freihandelsabkommen TTIP erklärte der Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Deutschland sei als Exportweltmeister wie kein anderes Land auf einen freien Handel von Waren und Dienstleistungen angewiesen. BESUCH BEI DER SCHIRMHERRIN Wettstetten/München. Einen Besuch hat die KAB Wettstetten bei der Schirmherrin des Umweltprojekts des KABDiözesanverbandes Eichstätt, der Landtagsabgeordneten Tanja Schorer-Dremel, abgestattet. Im Münchener Maximilianeum, das seit 1949 den Bayerischen Landtag beherbergt, informierten sich die Mitglieder der Wettstettener KAB über die Arbeit der Schirmherrin. Die im sauerländischen Meschede geborene CSU-Politikerin war Grundschuldirektorin und Landrätin im Landkreis Eichstätt. Als Vorsitzende der Kinderkommis- sion im Bayerischen Landtag berichtete sie von ihrer politischen Arbeit. Die Ortsvorsitzenden Maria Lieberer und GeorgPeter Schneeberger überreichten der Umwelt-Schirmherrin eine Chronik der KAB Wettstetten und das aktuelle Jahresprogramm 2015. FAMILIE KAB UND FLÜCHTLINGE Loiching. Diese „Familie KAB“ sei als Gruppierung aus dem Gemeindeleben nicht mehr wegzudenken. „Niemanden durch das soziale Netz fallen zu lassen, dafür setzt sich die KAB im Großen wie im Kleinen ein – das packt die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung an!“, hatte die stellvertretende Bürgermeisterin Loichings, Gerda Schaffer, auf einer Adventsfeier ins Stammbuch geschrieben. Im Mittelpunkt der Feier stand die Weihnachtsgeschichte und die damit verbundene Situation der Flüchtlinge damals und heute. Monika Wölbl, Daniela Seidl und Maria Dannerbeck erzählten die Herbergssuche aus heutiger Sicht: Menschen, die in ihrer Heimat nicht mehr in Sicherheit leben können, klopK A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N KAB-IMPULSE >> BESINNUNGS-PUZZLE IM ADVENT Die Jahresaktion „Sinnvoll leben“ wird in vielen Ortsvereinen wie hier in Bocholt weiter mit Leben gefüllt. Foto/Text: Zumkley/Honauer fen an. Sie erhoffen sich Aufnahme für eine gewisse Zeit und Rückkehr zu einem menschenwürdigen Leben – das wollen sie. Mit Freundschaft und Dankbarkeit, mit Vertrauen in unsere Menschlichkeit – damit zahlen sie. Lasst uns nicht im Meer der Gleichgültigkeit ertrinken – das fordern sie! RHEINLAND-KAB WIRD 110 Monheim/Baumberg. Mit einem Empfang und einer Festrede von Michael Pätzold erinnerte die KAB St. Dyonisius Baumberg/Monheim an ihre wechselvolle Geschichte in den vergangenen 110 Jahren. Nachdem sich bereits Ende des 19. Jahrhunderts KAB-Vereine im Rheinland gegründet hatten – 1892 in Richrath, 1888 Benrath, hatten katholische Arbeiter in der Adventszeit des Jahres 1904 sich in Baumberg zusammengeschlossen. Zwei Jahre später in Reusrath und acht Jahre später mit dem Bau der Eisenbahn in Monheim gründeten sich KAB-Gruppen in der Stadt Monheim. Bereits mit den Aktivitäten zum 100. Geburtstag hatte die KAB Baumberg neuen Schwung in Impuls Nr. 1 | 2015 2012 RHEINLAND-KAB WIRD 110 Noch bevor Monheim 1908 ans Eisenbahnnetz angeschlossen wurde, gründete sich die KAB Baumberg in der Stadt Monheim. Auch nach 110 Jahren fährt die KAB in Richtung Zukunft. Foto: KAB den Verein gebracht, Neumitglieder geworben und sich öffentlich in die Politik eingemischt. „Der Sonntagsschutz“, so der stellvertretende Vorsitzende Franz Köchling, „ist uns ein wichtiges Anliegen in den letzten Jahren geworden.“ BESINNUNGS-PUZZLE IM ADVENT Bocholt. In der KAB St. Paulus Bocholt wird auch nach dem Finale des „größten Sinn-Puzzles der Welt“ weitergepuzzelt: Mit Reinhold Ihorst, Theologe, trafen sich die KAB-Mitglieder im Advent zu einem Besinnungstag im Kloster Mariengarden in Burlo. Ihorst hatte viele unbeschriebene Puzzleteile mitgebracht und bat die Teilnehmenden darauf zu schreiben, was für sie als ältere Menschen ein sinnvolles Leben ausmacht. Die Antworten der Teilnehmer dazu waren vielfältig: Belastungen abbauen, gelassen werden, finanzielle Sicherheit im Alter, eingebunden sein und dazugehören. Auch Fragen fanden ihren Platz auf den Puzzleteilen, – Fragen wie: „Worauf kann ich hoffen?“ Theologe Ihorst notierte alles Gesagte auf den großen Puzzle-Teilen und legte PuzzleTeil für Puzzle-Teil aneinander. Schließlich ergab sich so ein großes Gesamtbild mit vielen Anregungen für ein sinnvolles Leben. KAB SAMMELT FÜR KATASTROPHENSCHUTZ-TRUPPE Duisburg. Die KAB St. Norbert Duisburg-Hamborn hat im Rahmen eines Vortrags der Organisation I.S.A.R. Germany Anfang November eine Spende von 500 Euro an den Referenten Ralf Heuberg überreicht. Symbolisch wurde von den Kassierern Michael Scholtyssek und Johannes Priebe ein Überweisungsträger an die Organisation übergeben, die bei akuten Katastrophen weltweit spezielle Hilfsteams zusammenstellt, um bei Erdbeben, Explosionen oder Flutkatastrophen Soforthilfe zu leisten. Die Duisburger KAB hatte im Laufe des Jahres bei verschiedenen Veranstaltungen der KAB Spenden von Freunden und Mitgliedern der KAB gesammelt. Rudolf Metken dankte allen Spendern im Namen des Vorstands der KAB. M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T KAB SAMMELT FÜR KATASTROPHENSCHUTZ-TRUPPE Soforthilfe bei Katastrophen: Die Kassierer Michael Scholtyssek und Johannes Priebe übergeben einen Scheck an ISAR-Referent Ralf Heuberg. Foto: KAB MEHR SINN STATT MEHR KONSUM Schwabach. Gegen das Motto einer Shopping-Nacht in Schwabach haben sich die KAB und das regionale Bündnis „Allianz für den Sonntag“ ausgesprochen. Die Veranstalter der Shopping-Nacht hatten gemeinsam mit der örtlichen Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) vor Weihnachten mit dem Motto „Schwabach glänzt – Kirche trifft Handel bei Nacht“ zum nächtlichen Einkauf mit Krippenschau eingeladen. „Reicht dem ACK ein Spannungsverhältnis aus vorweihnachtlicher Besinnlichkeit und Geschenketrubel in den Geschäften, welches dazu führt, den Konsumrausch anzufeuern?“, fragte KAB-Sekretärin Hildegard Remling. Die Allianz-Sprecherin stellte dem ein sinnstiftenderes Motto gegenüber: „Schwabach leuchtet vor Freude – Kirche trifft Menschen“. Dieses Motto käme auch ohne verlängerte Ladenöffnung aus“. Doch betroffen waren jene Menschen, die „im Einzelhandel beschäftigt sind“. „Mütter und Väter, die sich die halbe Nacht hinter den Ladentisch stellen müssen und 23 KAB-IMPULSE > TANNEN FÄLLEN BEI ST. CHRISTOPHERUS Der Verkauf von Tannengrün vor Weihnachten kam dem Honduras-Projekt der KAB zugute. Foto: KAB nicht bei ihren Kindern sein können“, kritisierte auch Stephan Doll, Chef des DGB Mittelfranken. „Wo ist die kritische Haltung der Kirchen in Schwabach gegen einen Konsumismus, der wertvolle Ressourcen kostet und Menschen nur scheinbar glücklicher macht?“, fragt Remling. POSITIONSPAPIER ZU TTIP-ABKOMMEN Mühldorf. Ein Bündnis, bestehend aus mehreren Verbänden wie KAB, KLJB, BDM, LBV, Bund Naturschutz, BDKJ und Gewerkschaften hat sich mit Blick auf das geplante Freihandelsabkommen TTIP auf Eckpunkte eines sogenannten „gemeinwohlorientierten Verhandlungsmandats“ verständigt. Der KAB-Kreisverband Mühldorf hat nun das Positionspapier zusammen mit dem Kreiskatholikenrat Landrat Georg Huber vorgestellt. Der entsprechende Antrag für Kommunalpolitiker kann auch von Bürgern eingebracht werden und steht auf der KABHomepage zum Download bereit. Die Information ging auch an die anderen Fraktionen im Kreistag und soll möglichst 24 TRAUER UM DIÖZESANVORSITZENDE STÜTZLE Hanna Stützle ist nach einem erfüllten Leben im Alter von 83 Jahren gestorben. Foto: Archiv im Konsens mit allen Gruppierungen verabschiedet werden. Statt Geheimverhandlungen brauche es eine breite öffentliche Diskussion, um ein soziales und ökologisches Verhandlungsmandat zu erreichen, betonten Kreiskatholikenrats-Vorsitzende Christine Schmid und KAB-Diözesansekretär Rainer Forster. TANNEN FÄLLEN BEI ST. CHRISTOPHERUS Delmenhorst. Traditionell ist bereits das Tannenfällen der KAB St. Christopherus in Delmenhorst. Unter Leitung von Benedikt Larisch wurde eine Nordmanntanne im Garten einer Familie, die das HondurasProjekt der KAB schon seit mehreren Jahren durch das Spenden der Tanne unterstützt, gefällt. Die Holzfällergruppe im Alter von 4 bis 77 Jahren arbeitete nicht nur gründlich, sondern erhielt nach getaner Arbeit ein gutes Mittagessen, das ein Koch-Team in Gemeinschaft am Vormittag zubereitete. Die Tannenzweige und Gestecke wurden im Vorfeld der Adventszeit vor der Kirche verkauft. Der Erlös aus dem Tannenverkauf kommt wieder dem Honduras- FLAGGE GEGEN FREMDENFEINDLICHKEIT „Arsch huh“ gegen Fremdenfeindlichkeit und Hooligans: Der Kölner KAB-Stadtverband zeigte deutlich Flagge. Foto: Rabbe Projekt des KAB-Landesverbandes zugute. Honduras ist das zweitärmste Land in Lateinamerika. Die KAB fördert dort beispielsweise selbstständige Frauen mit Mikrokrediten und Weiterbildungen. TRAUER UM DIÖZESANVORSITZENDE STÜTZLE München. Ihre Wurzeln und ihr Engagement rührten aus der Arbeit im katholischen Werkvolk, dem sie als Bezirksjugendführerin nach dem 2. Weltkrieg angehörte. Die Münchenerin Hanna Stützle engagierte sich nicht nur wie ihr Mann Hans in der KAB, sondern seit den 1980er-Jahren als Diözesanratsvorsitzende für die Einführung der Pflegeversicherung und den Schutz des ungeborenen Lebens. Ihr wichtigster Lebensgrundsatz „Glauben heißt Handeln“ veranlasste sie, deshalb auch Frauen in der Schwangerschaftskonfliktberatung nicht allein zu lassen. Sie gründete den Verein „Donum vitae“ mit. Ende November starb Hanna Stützle im Alter von 83 Jahren. Das Requiem für sie hielt der ehemalige Erzbischof von München, Kardinal Friedrich Wetter. FLAGGE GEGEN FREMDENFEINDLICHKEIT Köln. Vertreter des Stadtverbandes Köln unterstützten und beteiligten sich an der Aktion „Arsch huh – Zäng auseinander“, die sich gegen den Hooligan-Aufmarsch im Oktober richtete. Gemeinsam mit Künstlern, Musikern und 15.000 anderen Mitstreitern zeigte die KAB Flagge gegen rechts. Hooligans und rechte Gruppen hatten Polizisten angegriffen und Polizeiwagen demoliert. Mit der Beteiligung der KAB am Demonstrationsmarsch in der Domstadt sollte deutlich gemacht werden, dass die Menschen die öffentlichen Plätze nicht Nazis überlassen wollen. Parteien, Gewerkschaften, kirchliche Gruppen der evangelischen, katholischen und moslemischen Religion unterstützten den Protest. „Als katholische Arbeitnehmerbewegung sind wir aufgerufen, uns gegen jede Form von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu stellen“, erklärte Hans-Georg Lülsdorf vom KAB-Stadtverband. K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N KAB-IMPULSE > AUS DEN DIÖZESEN DV Regensburg: Spekulanten müssen zur Rente beitragen <<| |>> Bei den 1. Arzberger Sozialtagen machte der KAB-Diözesanverband Regensburg auf die Rentenproblematik der heute arbeitenden Generationen aufmerksam. Zusammen mit den Ortsverbänden geht man mit der Ausstellung bewusst in Banken und Rathäuser, um das Thema „Rente“ bistumsweit in die Öffentlichkeit bringen. Zur Eröffnung erklärte Schirmherr MdB Dr. Hans-Peter Friedrich: „Riester ist gescheitert!“ Das Rentenniveau sinkt rapide. „Das derzeitige rein lohnbezogene System garantiert keine ausreichende Rente mehr", betonte der Leiter der KAB-Rechtsstelle Josef Wismet. Das Niveau der gesetzlichen Rente wird von 57,4 % im Jahr 1985 auf 45,4% im Jahr 2030 sinken. „Altersarmut ist noch kein Massenphänomen, wir gehen aber darauf zu“, betonte in diesem Zusammenhang Diözesanvorsitzender Hermann Markl. Im Rahmen der Sozialtage will die KAB die heutige arbeitende Bevölkerung für das Thema interessieren. |>> Dr. Friedrich (2. von rechts) tauschte sich zum Thema Rentenperspektive mit Vertretern des KAB-Diözesanverbandes Regensburg aus. Foto: KAB www.kab-regensburg.de KAB DV Eichstätt: Kritik an Billigkonzern Primark <<| Die KAB Eichstätt kritisiert den Billigdiscounter Primark. Hier eine Filiale in Köln. Foto: Rabbe |>> Gegen die Ansiedlung des irischen Billigkleider-Verkaufsdiscounts Primark hat sich der KAB-Diözesanverband Eichstätt ausgesprochen. „Primark steht für einen radikalen Kapitalismus, wie man ihn aus dem 19. Jahrhundert kennt. 2013 starben in Bangladesh mehr als 1100 Menschen in einer Fabrik, die für Primark nähte. Gewerkschaftskollegen in den bestehenden Filialen sprechen von betriebsratsfeindlicher Atmosphäre. Ein solches Unternehmen ist nirgendwo ein Gewinn“, sagte dazu KAB-Diözesanpräses Bernhard Kroll. Der Präses antwortete damit öffentlich auf die Äußerung von Ingolstadts Oberbürgermeister Christian Lösl, der Billig-Discounter als Gewinn für die Region bezeichnete. Diözesanpräses Kroll schließt sich damit auch einer grundsätzlichen Kritik der Kirche an Primark an, die der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki in scharfer Form geäußert hatte. Woelki hatte Primark Manchesterkapitalismus vorgeworfen und die Gesellschaft aufgefordert, sich für eine Änderung des Geschäfts- und Produktionsverhaltens des Unternehmens einzusetzen. KAB DV Fulda: Selbstverwaltung stärken <<| Für eine Stärkung der sozialen Selbstverwaltung spricht sich der hessische Vorsitzende der ACA Hessen, Michael Schmitt, Fulda, aus. KAB-Diözesansekretär Michael Schmitt sieht im Koalitionsvertrag lediglich „vage Andeutungen“ zur Reform der Selbstverwaltung. „Als ACA und KAB haben wir ganz konkrete Vorstellungen, wie Sozialpartnerschaft auszusehen hat“, erklärt er. So fordert die ACA neben dem Ausbau der Entscheidungs- und Gestaltungskompetenzen einen klaren gesetzlichen Rahmen für die Zugriffsmöglichkeiten staatlicher Aufsichtsorgane. Klärungsbedarf sieht die ACA bei den Anforderungen an vorschlagsberechtigte Organisationen. So dürften nur selbstständige Arbeitnehmerorganisationen mit berufs- und sozialpolitischer Ziel- und Zwecksetzung als Listenträger zugelassen werden, die in einem Sozialversicherungszweig bei mindestens drei Sozialversicherungsträgern kandidieren und außerdem durch ihre Tätigkeit auch außerhalb der Selbstverwaltung eine sozialpolitische Relevanz nachweisen. Impuls Nr. 1 | 2015 M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T 25 KAB-IMPULSE > KAB DV Münster: Gegen Islamfeindlichkeit <<| |>> „Schön, dass ihr von der KAB auch da seid!“, hörten die KAB-Vertreter auf der Anti-PegidaVeranstaltung in Münster. Foto: Harhues |>> Im Vorfeld einer möglichen Pegida- beziehungsweise Mügida-Gründung hat sich die KAB Münster an dem Protestzug und der Kundgebung gegen islamfeindliche Gruppen beteiligt. Judith Harhues ist 24 Jahre alt, KAB-Mitglied aus Münster und steht weit vorne an der Bühne unter den Demonstranten/-innen. Für sie ist es selbstverständlich, hier zu sein. „Ich will in einer bunten Stadt leben“, sagt sie. Mit Kerzen in der Hand stellte sich auch Ortrud Harhues, Bildungsreferentin des KAB-Diözesanverbandes, in die Reihen der Pegida-Gegner. Insgesamt kamen etwa 10.000 Menschen in die Münsteraner Innenstadt, um Werte wie Nächstenliebe, Gastfreundschaft, Hilfsbereitschaft und Fremdenfreundlichkeit zu demonstrieren. DV Freiburg: Almosen ist noch keine Solidarität <<| Auf den 7. Kurpfälzer Sozialtagen hatte nicht nur der ehemalige Umweltminister Klaus Töpfer die zunehmende Entsolidarisierung in unserer Gesellschaft und deren Folgen aufgezeigt. Auch die Europapolitikerin Jutta Steinruck hatte mit dem Thema Flüchtlinge und Migration die Notwendigkeit von Zuwanderung und Solidarität unterstrichen. „Ohne diese Menschen ist unsere Gesellschaft ärmer“, erklärte sie. Auch Mannheims Alt-Oberbürgermeister Gerhard Widder brachte es bei seinem Vortrag zum Thema „Solidarität, ein Begriff von gestern?“ auf den Punkt. Es genügt nicht, etwas an ein oder zwei Stellschrauben in unserer Gesellschaft zu verändern, so Widder, sondern wir brauchen eine grundlegende Neuorientierung. Und hierzu, so Widder, sei er dem neuen Papst für die stetig mahnenden Worte dankbar. Für den Gewerkschaftsboss Frank Bsirske (verdi) ist es eine gute und wichtige Tradition, dass sich bei den Sozialtagen in der Region Rhein-Neckar, alle gesellschaftlichen Gruppierungen in Räumen der Kirche treffen und miteinander ins Gespräch kommen. Es genügt nicht, ab und an miteinander Freundlichkeiten auszutauschen, sondern man müsse zuhören und voneinander lernen, so Bsirske. Mehr unter www.kab-rheinneckar.de |>> DV Paderborn – Allianz gegen miese Werkverträge <<| Nun unterstützt auch der KAB-Bezirk Olpe-Siegen die Allianz gegen den Missbrauch von Werkverträgen. Nachdem auf dem jüngsten Bezirkstag in Freudenberg der Bezirksvorsitzende der KAB Höxter-Paderborn, Konrad Nagel-Strotmann, die Ziele des Bündnisses gegen schlechte Werkverträge den Delegierten vorstellte, stimmten diese zu und wollen die künftige politische Arbeit des Bezirks auch auf dieses Thema fokussieren. Damit ist der zweite Bezirk im Diözesanverband Paderborn der Petition beigetreten. Die Methode der WerkDie Delegierten informierten sich vor Ort auch über die verträge fördere das Lohndumping und führe in vielen Arbeit des Ketteler-Cardijn-Werkes. Branchen zu menschenunwürdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen. „Frauen, die der Armut in Rumänien entkommen wollen, müssen für 2,10 bis 3,70 Euro pro Stunde Schwerstarbeit leisten, weit über die gesetzliche Höchstarbeitszeit hinaus, sie sind mit etlichen Frauen und Männern in einem oft baufälligen und schimmeligen Zimmer untergebracht, schlafen dort für 210 Euro Miete pro Bett und Monat“, erklärte Nagel-Strotmann. Der Missbrauch von Werkverträgen, den sich die Unternehmen vielfach mit öffentlichen Leistungen wie Hartz-IV-Aufstockung, Kindergeld und Wohngeld subventionieren lassen, lasse unsere Gesellschaft „von innen verrotten“, so der Bezirksvorsitzende. 26 K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N KAB-IMPULSE > BUCHTIPPS PL ÄDOYER FÜR ECHTE SOLIDARITÄT Die derzeitigen Konflikte und Kriege mit ihren Flüchtlingsströmen werden überwiegend als Folge von religiösen Konflikten und blindwütigem Terrorismus seitens der Politik abgetan. Der Sozialethiker Friedhelm Hengsbach will sich mit diesen schnellen Erklärungen nicht zufrieden geben. „Warum werden bei aller aufgeheizten Erregung die ökonomischen, politischen und auch geschichtlichen Hintergründe der Kämpfe im Nahen Osten verschwiegen?“, fragt er. „Dem Einsatz von Waffen gehen soziale Ungleichheit, hegemoniale Wirtschaftsmacht, imperiale Herrschaftsansprüche voraus, die für die jeweils Unterlegenen tödlich sind.“ Die soziale Ungleichheit ist ein Ergebnis eines Kapitalismus, der tötet, wie Hengsbach Papst Franziskus zitiert. Hengsbach stellt Marktwirtschaft genauso auf den Prüfstand wie Begriffe von Leistungsfähigkeit, die jeder und jede in seine Arbeit einbringt, die aber unterschiedlich honoriert wird. Der Sozialethiker setzt aufs Teilen. Nicht im Sinne der Brotkrümel vom Tisch der Reichen für die Armen, sondern Solidarität durch politischen Gestaltungswillen und klare gesetzliche Regelungen. Am Beispiel Europa zeigt er auf, dass dies über Landesgrenzen hinweg geschehen muss. >> Teilen, nicht töten, Friedhelm Hengsbach, Westend-Verlag 2014, 128 Seiten 12,80 Euro >> Glücksökonomie – Wer teilt, hat mehr vom Leben Annette Jensen / Ute Scheub oekom-Verlag München 2014 315 Seiten 19,95 Euro MENSCH IM MITTELPUNKT Spätestens nach der letzten Jahresaktion „Sinnvoll leben!“ wissen wir: Glück, Zufriedenheit und ein sinnvolles Leben hängen nicht vom reichen Besitz ab, sondern vorwiegend von zwischenmenschlichen Beziehungen. Die beiden Berliner Publizistinnen Annette Jensen und Ute Scheub sehen in der Suche nach einem nichtmateriellen Glück eine Antwort auf eine globale Unzufriedenheit mit der kapitalistischen Wirtschaftsweise, die Glück allein am Haben und Besitzen misst. Immer mehr Menschen gehen neue Wege, gründen Betriebe und Initiativen, die nicht dem Markt und der Marktwirtschaft, sondern auf einer „Glücksökonomie“ aufbauen. Gutes Leben in selbstbestimmten Zusammenhängen ist wichtiger als Erfolg auf einer Karriereleiter. Die Autorinnen geben viele gute Beispiele, wie die Entwicklung vom Homo oeconomicus zum Homo cooperativus gelingen kann. Teilen mit anderen statt „allein“ besitzen ist eine Absage an eine Wachstumsideologie, die den Erdball an den Rand einer Katastrophe und die Menschen in Arm und Reich gespalten hat. MATTHIAS RABBE ALMOSEN STATT ARBEITSLOSENVERSICHERUNG 10 Jahre nach den Arbeitsmarktreformen ist das Land gespalten. Was hat Hartz IV bewirkt? Diese Frage hat sich der Kölner Sozialwissenschaftler Christoph Butterwegge intensiv gestellt. Pünktlich zum 10. Jahrestag des Inkrafttretens der größten Arbeitsmarktreform hat er eine detaillierte Untersuchung abgeliefert. Das Ergebnis: Vom Fordern und Fördern ist nur das Fordern geblieben. Arbeit um jeden Preis muss angenommen werden. Für viele bedeutet dies den Abstieg, für die Masse der Menschen Angst vor dem Abstieg. Aus der Arbeitslosenversicherung ist eine staatliche Almosenleistung geworden, die jeden und jede Arbeitslose auf den Kopf stellt. Selbst die Wohnung, das Bett wird kontrolliert. Butterwegge belegt, dass 10 Jahre Hartz die Gesellschaft verändert haben. Angst vor dem Abstieg, ein ausufernder Niedriglohnbereich, der Wandel der Familie zur Bedarfsgemeinschaft und die Stigmatisierung von weiterhin Millionen von Arbeitslosen, viele von ihnen langzeitarbeitslos. Butterwegge seziert den Mythos „Hartz“, dessen Namensgeber derzeit die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien bekämpfen will. Impuls Nr. 1 | 2015 M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T >> Hartz IV und die Folgen – Auf dem Weg in eine andere Republik? Christoph Butterwegge Beltz-JuventaVerlag Weinheim 2015 16,95 Euro 27 GESELLSCHAFT Foto: Photocase KAUFKRAFTGEFÄLLE DIE MIETE MACHT DEN UNTERSCHIED Hartmut Kühn kennt die Klagen darüber, dass ein Euro innerhalb Deutschlands nicht überall den gleichen Wert hat. „In Bautzen oder Schwedt wohnen unsere Kollegen im eigenen Haus und fahren einen großen Audi, in Frankfurt oder Mainz müssen sie sich mit 60 Quadratmetern und einem Kleinwagen begnügen“, sagt der zuständige Geschäftsführer der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Bundespolizisten, die zuvor an der polnischen Grenze tätig waren, dann aber zum Dienst am Frankfurter Flughafen versetzt werden, erleben eine indirekte Gehaltskürzung. „Da will keiner hin, weil das Leben im Rhein-Main-Gebiet viel teurer ist als in Vorpommern oder Ostsachsen“, weiß Kühn. Das Risiko, in die Armut abzurutschen, ist in den florierenden Großstädten erheblich höher als in den meisten 28 Das Leben in Großstädten kostet meist mehr als im ländlichen Raum. Neben den Mieten liegen auch die Preise für Nahrungsmittel und andere Konsumgüter höher. Das in neuen Studien bestätigte Kaufkraftgefälle belebt die tarifpolitische Debatte darüber, ob regionale Zulagen notwendig sind. ländlichen Regionen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW). Die Forscher wählten dabei eine andere Betrachtungsweise als bisherige Studien zur Verteilung von Arm und Reich. Sie verglichen nicht einfach das Einkommensniveau, sondern berücksichtigten das regionale Preisgefälle und damit die reale Kaufkraft. Ein Mittagessen in einem bäuerlichen Gasthof in Niedersachsen oder Brandenburg, das weiß jeder Urlauber, ist billiger als in der Innenstadt von Hamburg oder Stuttgart. Im statistischen Mittel liegen die Verbraucherpreise in den Großstädten um gut sechs Prozent über denen auf dem Land; in Ostdeutschland sind sie um sieben Prozent niedriger als im Westen. Ein Alleinstehender in München braucht 1.030 Euro im Monat, um sich genauso viel kaufen zu können wie ein durchschnittlicher Bundesbürger mit 870 Euro. Im sächsischen Vogtland oder im Kreis Stendal (Sachsen-Anhalt) reichen dagegen weniger als 800 Euro. 870 Euro ist die sogenannte Armutsgrenze. Als arm gilt nach einer Definition der Europäischen Union, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat. Für ein Paar mit zwei Kindern liegt die Vergleichszahl bei 1.830 Euro, für kinderlose Paare bei 1.300 Euro monatlich. Berechnet man auf diese Weise die Verdienstdifferenzen, teilt sich Deutschland wie vor 25 Jahren in alte und neue Bundesländer. Berücksichtigt man aber die regionalen Preisunterschie- GESELLSCHAFT > de, ergibt sich ein verändertes Bild: Aus dem Ost-West- wird eher ein Stadt-LandGegensatz. HOHE WOHNKOSTEN Nur 14 Prozent der ländlichen, aber 22 Prozent der städtischen Bevölkerung gelten der IW-Studie zufolge als „kaufkraftarm“. Das liegt vor allem an den steigenden Kosten für das Wohnen. Nach aktuellen Daten des Immobilienverbands Deutschland und des Statistischen Bundesamtes schwankten die Mieten im Jahr 2014 zwischen 12,53 Euro pro Quadratmeter in München und 3,27 Euro in Wunsiedel im Fichtelgebirge. Die Großräume Oberbayern, Rhein-Main, Hamburg, Stuttgart und Köln/Düsseldorf haben das höchste Niveau. Weniger als die Hälfte davon müssen Mieter zum Beispiel im Bayerischen Wald, in Nordhessen oder in der Uckermark zahlen. Mit einer gesetzlichen Mietpreisbremse, die die Steigerungsraten begrenzt, will die Bundesregierung diesen Trend stoppen. Junge Menschen, so beobachten Bevölkerungsforscher, wandern stärker als früher in die Städte ab. Während ländliche Gebiete veröden, bleibt der Wohnraum in den gefragten Ballungsräumen knapp. Fast zwei Drittel der Bundesbürger besitzen, im Gegensatz zu den meisten Nachbarländern, kein Wohneigentum. Im Schnitt gehen mittlerweile 35 Prozent der privaten Konsumausgaben für Miete und Nebenkosten drauf, mancherorts sind es über 40 Prozent. Folgen hat das vor allem für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen. Erzieherinnen und Altenpflegerinnen, Müllmänner und Polizisten können sich das Leben in bestimmten Regionen nicht mehr erlauben. Anders als in der Privatwirtschaft, wo Löhne und Gehälter die unterschiedlichen Preisniveaus berücksichtigen, erhalten Staatsbedienstete im Prinzip überall das gleiche Geld. Es gibt geringfügige Schwankungen je nach Bundesland, manche Berufsgruppen erhalten Zuschläge. Doch eine systematische und regelmäßige Anpassung der Einkommen an die Kaufkraft vor Ort findet nicht statt. Schon 2008 forderte die Gewerkschaft der Polizei deshalb eine ,Ballungsraum-Zulage‘. Der Begriff ist missverständlich, denn es gibt „auch hochpreisige ländliche Regionen wie zum Beispiel Friedrichshafen”, betont BundespolizeiGeschäftsführer Kühn. Ein Beamter, der in der Nähe der Schweizer Grenze eingesetzt wird, kann sich weniger leisten als sein Kollege an der Grenze zu Dänemark. In Kassel oder Magdeburg liegen die Mie- GLEICHWERTIGE LEBENSVERHÄLTNISSE IN DEUTSCHLAND „GLEICHWERTIG“ IST ETWAS ANDERES ALS „GLEICH“ ODER „EINHEITLICH“. DIESE FORMULIERUNG IST ALLERDINGS ERST ZEHN JAHRE ALT. BIS ZUR VERFASSUNGSREFORM NACH DER DEUTSCHEN EINHEIT STAND IM ARTIKEL 72 ABSATZ 2 GRUNDGESETZ TATSÄCHLICH DER SATZ VON DER „EINHEITLICHKEIT DER LEBENSVERHÄLTNISSE“. ten niedriger als am Bodensee oder in Südbaden. Ein generelles Kaufkraftgefälle zwischen Stadt und Land existiert also nicht. SOZIALE SPALTUNG Die IW-Studie listet jene Kommunen auf, wo sich „regionale Armut“ ballt – und kommt dabei keineswegs auf die üblichen Verdächtigen. Im Ruhrgebiet und in vielen Regionen Ostdeutschlands zum Beispiel ist das Verhältnis der Einkommen zu den örtlichen Preisen moderat, weil vor allem die Mieten vergleichsweise niedrig liegen. Eng wird es in jenen Ballungsgebieten, in denen Reichtum und Armut eng beieinanderliegen. Durch eine ausgeprägte soziale Spaltung gekennzeichnet sind der Untersuchung zufolge etwa Berlin, Köln und Frankfurt am Main. Hier gibt es wohlhaImpuls Nr. 1 | 2015 bende Schichten, die gute Einkommen haben, zugleich aber einen relativ hohen Anteil an Geringverdienern. Weil diese sich die Wohn- und Lebenshaltungskosten nicht mehr leisten können, werden sie verdrängt. Sie ziehen an die städtische Peripherie und müssen lange Wege zurücklegen, um zu ihren Arbeitsplätzen zu gelangen. Ein extremes Beispiel ist München: Allein von 2008 bis 2013 sind die Mieten dort um 37 Prozent gestiegen. „Unsere Kollegen pendeln aus der Oberpfalz oder aus Niederbayern hierher“, berichtet Michael Bogatzki, Vorsitzender der örtlichen Bezirksgruppe der Polizeigewerkschaft. „Weil die Herkunftsorte meist zu weit weg sind, um täglich zu fahren, suchen die sich einen Schlafplatz.“ Die Beamten leben M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T provisorisch in möblierten Zimmern oder bilden mit Leidensgenossen eine Wohngemeinschaft. Doch „unter 350 Euro im Monat geht gar nichts, die Vermieter langen ordentlich hin“. Die bisherigen tarifpolitischen Versuche, das Problem zu lösen, hält der Gewerkschafter für unzureichend. Kompensationen wie bei privaten Arbeitgebern, höhere Kosten durch höhere Einkommen auszugleichen, fehlen in der vergleichsweise starren Beamtenbesoldung. 75 Euro brutto mehr, der derzeitige Gehaltszuschlag für Polizisten im Raum München, sei nach Abzug der Steuern viel zu wenig, sagt Bogatzki: „250 bis 300 Euro müssten es schon sein.“ Man sei darüber mit der bayerischen Landesregierung im Gespräch, doch „bisher ohne Erfolg“. ■ VON THOMAS GESTERKAMP 29 GESELLSCHAFT >> Foto: Fotolia „Chance, das Freihandelsabkommen zu stoppen, ist groß!“<< |>> | INTERVIEW MIT DEM EUROPAABGEORDNETEN SVEN GIEGOLD In New York müssen die Regierungschefs erkennen, dass sie das 2-Grad-Ziel nicht erreichen werden. Europa ordnet sich gerade neu, die soziale Spaltung schreitet weiter voran. KAB-Impuls-Mitarbeiter Gerd Endres fragte den Europaabgeordneten und finanzpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im EU-Parlament zum Freihandelsabkommen und zum ethischen Handeln in der Politik durch den eigenen Glauben. Impuls: Herr Giegold, Stichwort Freihandelsabkommen. Aktuell sieht es ja so aus, dass die bisherige EU-Kommission noch das Freihandelsabkommen beschließen möchte. Teilen Sie diese Einschätzung? Giegold: Die bisherige Kommission kann das Freihandelsabkommen nicht abschließen, da noch bis mindestens Ende des Jahres 2015 verhandelt wird. Die Chancen das Abkommen noch zu stoppen, sind daher groß, um das Abkommen auf eine ganz neue, demokratische Grundlage zu stellen. Nach Abschluss der Verhandlungen müssen alle Mitgliedsländer das Abkommen ratifizieren, und damit sind die Hürden sehr hoch. Bei den Europawahlen ist es uns gemeinsam gelungen, das Thema Freihandelsabkommen in der Öffentlichkeit ganz nach vorne zu schieben. Es geht ja nicht nur um das Freihandelsabkommen mit den USA, sondern auch um eine Reform der Handelsbeziehungen zu den ärmsten Ländern. Impuls: Europa ist sozial und auch wirtschaftlich sehr zerrissen. Wie kann ein soziales Europa erreicht werden? Giegold: Leider steht auf der offiziellen 30 Agenda keine Lösung der sozialen Spaltung in Europa. Damit haben wir bei den Europawahlen deutlich gesehen, dass sich die Menschen von Europa abwenden. Menschen suchen zum Teil ihr Heil im Nationalstaat oder im Populismus. Doch weder der Populismus noch der Nationalstaat werden die sozialen Probleme lösen können. Impuls: Welche Aufgaben stehen in Europa jetzt an? Giegold: Die Steueroasen und das Steuerdumping. Die Menschen erwarten und Der GrünenEuropaabgeordneter Sven Giegold fordert Mindeststeuersätze im Kampf gegen die Steuervermeidung großer Unternehmen. Foto: Rabbe können erwarten, dass es eine Politik des stärkeren sozialen Ausgleichs gibt, damit alle Nationalstaaten ihre Sozialstaatlichkeit erhalten können. Wir brauchen beispielsweise endlich Mindeststeuersätze im Kampf gegen die Steuervermeidung großer Unternehmen und gegen die Steuerhinterziehung über Ländergrenzen hinweg. Wenn wir das machen, können Länder, ohne neue Schulden aufzunehmen, ihre Staatshaushalte stabilisieren und wieder mehr investieren. Hinzu kommt: Europa braucht gemeinsame Investitionsanstrengungen, um Europa auch mit etwas Positivem zu verbinden. Wir schlagen vor, unabhängig zu werden von den Energieimporten, durch den starken Ausbau europäischer Energienetze auf der Basis erneuerbarer Energien. Bundespräsident Gauck hat einen europäischen Fernsehsender „Arte für Alle“ vorgeschlagen. Warum ermöglichen wir es nicht allen jungen Menschen, eine Zeit lang im europäischen Ausland zu leben und sich zu bilden: „Erasmus für Alle“, um die Brücken zwischen den Menschen zu stärken. Impuls: Was sollte die Politik beim Klimawandel tun? K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N GESELLSCHAFT Giegold: Klimaschutz kann letztlich nur global gelingen, muss aber lokal umgesetzt werden. Nur durch glaubwürdige europäische Anstrengungen im Klimaschutz können wir zu einem globalen Klimaschutzvertrag kommen, der wirklich zieht. Europa braucht dazu harte Klimaschutzziele, die für Unternehmen und Verbraucher den Rahmen bilden. Wenn es diese verbindlichen Ziele gibt, werden große Investitionen zur Umsetzung nötig: erneuerbare Energien, Effizienz, nachhaltige Mobilität, Dämmung der Gebäude und Grenzen für die Wegwerfkultur. Ausbildungssysteme und die Arbeitsmärkte so sind, dass sie für junge Menschen nicht funktionieren. In diesen Ländern müssen Reformen auf den Weg gebracht werden. Zum anderen liegt es daran, dass, wenn Länder intensiv sparen, die Arbeitslosigkeit insgesamt steigt, und gerade junge Menschen kommen nicht in den Job. Das heißt, wir brauchen Investitionsanstrengungen in die Zukunftsjobs. Soziales und Bildung, dass mehr Menschen die Chance haben, aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen. Da kann Europa auch gemeinsam vieles auf den Weg bringen. Impuls: Die Politik erscheint oft machtlos, viele sagen, es bringt nichts, sich zu engagieren. Giegold: Zu sagen, das bringt nichts, ist nur Faulheit. Über die gemeinsame Politik in Europa haben wir so viel geschafft. Das sehe ich auch mit Dankbarkeit, denn unser Kontinent war früher im Krieg miteinander. Heute haben wir gemeinsame Institutionen und geteilte Macht. Gleichzeitig muss man sagen, politische Macht ist immer gefährdet, durch Anfechtung wirtschaftlicher Macht, Stichwort Lobbyismus durch wirtschaftliche Sonderinteressen. Politische Macht ist auch gefährdet durch Populismus mit scheinbaren Lösungen, die aber in Wirklichkeit nicht umsetzbar sind. Daher glaube ich, dass wir unsere Hoffnung weiterhin auf unsere Demokratie legen sollten. Das ist ein ständiger Kampf, das bedeutet vor allem, nicht falschen Heilsbringern hinterherzulaufen, sondern dass wir jetzt Europa auf eine vertiefte soziale, ökologische und demokratische Basis stellen müssen. Impuls: Wie kann in Europa eine gute Arbeit mit sinnvollen Arbeitsplätzen entwickelt und geschaffen werden? Giegold: Europa sollte in den Mitgliedsländern nicht nur Schulden und Staatsdefizite beobachten und begrenzen, sondern sich auch um Armut und Arbeitslosigkeit sorgen. In Europa müssen alle Mitgliedsländer liefern. Zudem ist gut, dass die EU nun ein großes Investitionsprogramm auf den Weg bringen will. Wichtig ist: Es darf nicht aus Luftbuchungen bestehen und muss ökologische und soziale Zukunftsbereiche stärken, statt etwa die Landschaft mit Straßen oder Hotels zu betonieren. Impuls: Die Jugendarbeitslosigkeit ist in einigen Ländern Europas sehr hoch. Was sollte hier geschehen? Giegold: Der Grund für die Jugendarbeitslosigkeit ist in manchen Ländern, dass die Impuls Nr. 1 | 2015 Impuls: Sie sind selbst evangelischer Christ. Wie lassen sich Glaube und ethisches Handeln zusammenbringen? Giegold: Für mich ist Ethik zuvorderst eine Konsequenz des Glaubens. Mir hilft das Gespräch mit Gott, ich finde dann wieder Kraft, wenn ich das Gefühl habe, machtlos zu sein. Das ist eine Situation, mit der man ständig umgehen muss, der Politiker, der einzelne Bürger hat oft das Gefühl, ohnmächtig zu sein, gleichzeitig gibt die Beziehung zu Gott mir die Kraft, nicht das Gefühl der Ohnmacht gewinnen zu lassen und Hoffnung zu schöpfen. ■ M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T TEILEN UND BETEILIGEN Ihre Spende hilft auf dem Weg zu einer gerechteren Welt. HERZLICHEN DANK! Herzlichen Dank allen Spenderinnen und Spendern! Herzlichen Dank auch all den Menschen, die immer wieder unsere Briefe verteilen! Herzlichen Dank allen Gruppen und Vereinen, die unermüdlich für uns sammeln! Bis Ende 2014 sind allein durch die Briefaktion fast 103.000 € eingegangen. ZU IHRER INFORMATION: Bei Zahlungen bis 200,00 € gilt der Kontoauszug als Zuwendungsbestätigung. Das Weltnotwerk verschickt ab einer Höhe von 100,00 € automatisch Zuwendungsbestätigungen. Falls Sie darüber hinaus eine Bescheinigung wünschen, können Sie sich gerne an uns wenden: Tel.: 0221-7722-145, Fax: 0221-7722-8144 [email protected] www.weltnotwerk.org Spendenkonto: Pax Bank 161 510 25 BLZ 370 601 93 IBAN DE80 3706 0193 0016 1510 25 31 GESELLSCHAFT >> Sinn suchen und erfahren im Klassenzimmer: Die Klasse 9 c der Evangelischen Gemeinschaftsschule in Gelsenkirchen setzte sich anhand der KAB-Puzzle mit einem sinnvollen Leben auseinander. Foto: KAB |>> „Sinnvoll leben“ im Klassenzimmer<< | GELSENKIRCHENER GEMEINSCHAFTSSCHULE NUTZT KAB-PUZZLE FÜR RELIGIONSUNTERRICHT Auf den Rückseiten von Puzzle-Teilen, die Religionslehrerin Tina Jelveh von der KAB bekommen hatte, haben die 28 Schüler ihre Vorstellungen von einem sinnvollen Leben und dem Sinn des Lebens schriftlich und zeichnerisch festgehalten. Auch wenn jeder eine individuelle und ganz eigene Vorstellung von einem sinnvollen Leben hat, so gibt es viele Gemeinsamkeiten über Religionszugehörigkeit und Geschlecht hinweg. In dem gemeinsamen Religionsunterricht sitzen evangelische, moslemische und katholische Jugendliche zusammen und suchen über die Sinnfrage zu einem Gottesbild zu kommen. Eine Gemeinsamkeit, die besonders viele Jungen in der Klasse 9c teilen, ist für die jungen Menschen, die auch in dem benachbarten Stadtteil Schalke wohnen, klar: der Fußball und natürlich ihr Schalke 04. So hat Paul das Wappen des Knappenvereins auf sein Puzzle gemalt. „Zu einem 32 sinnvollen Leben gehört für mich Schalke 04“, erklärt Paul stolz und hofft, dass „seine“ Mannschaft so weit wie möglich in der Bundesliga und der europäischen Champions league kommen wird. So hat er auf sein Puzzle in der Vereinsfarbe Königsblau geschrieben: „Derbysieger – NUR DER SO4“. In den Sinn-Puzzle-Teilen der Gelsenkirchener Schülerinnen und Schüler spiegeln sich auch die Wünsche, Hoffnungen, Unsicherheiten und Ängste wider. So bekennt eine Schülerin, „Geld ist nicht alles“, und ein Schüler wünscht sich einen Lottogewinn von 1 Million. Und Aylin erklärt den Spruch, den eine Klassenkameradin notiert hatte. „Never say never meint, dass man Hoffnung schöpfen sollte, wenn es scheint, dass es nicht weitergeht.“ Und für Daniel ist neben Familie und Freunden der Respekt gegenüber dem Religionslehrerin Tina Jelveh nutzte die PuzzleTeile der KAB als einladende Unterrichtsmaterialien. Foto: Rabbe Nächsten ein wichtiger Bestandteil für ein sinnvolles Leben. Die Auseinandersetzung mit der individuellen Vielfalt der Antworten führt auch zur Anerkennung anderer Lebensentwürfe und zum Respekt gegenüber dem Nächsten. Gleichzeitig haben sich die Schüler mit einzelnen Lebensbiografien auseinandergesetzt und dabei erarbeitet, dass Erfolg und Ruhm im Leben am Ende nicht unbedingt Erfüllung bedeuten und dass materielle Werte weniger sinnvoll für ein erfüllendes Leben sind als immaterielle wie Glück, Freundschaft, Zufriedenheit, Musik oder Gemeinschaft. „Über die Sinnfrage konnten wir im Religionsunterricht über allgemeine Werte sprechen und ein Gottesbild erarbeiten“, berichtet Religionslehrerin Jelveh. Die Puzzle-Teile werden nun in der Schule öffentlich präsentiert. Bestimmt regt diese Ausstellung auch andere an, sich Gedanken über ein sinnvolles Leben zu machen. ■ K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N GESELLSCHAFT |>> Mehr als nur ein Vogel << | FÜR DEN ESSENER POLIZIST ULRICH HOFFMANN BEGINNT DAS SINNVOLLE LEBEN IM EHRENAMT Als Ulrich Hoffmann etwa 8 Jahre alt war, fiel ihm in einem Obstgarten eine Krähe vor die Füße. Sie war vermutlich gegen einen Ast geflogen und lag betäubt auf dem Boden. Erschrocken hob der kleine Uli den Vogel hoch und hielt ihn eine Weile behutsam im Arm – bis das scheinbar leblose Tier plötzlich erwachte. „Die Krähe schlug mir ihre Flügel um die Ohren, und weg war sie!“ Als Ulrich Hoffmann 2004 vom Polizeidienst in den Ruhestand ging, fiel er vielleicht aufgrund dieses Erlebnisses nicht in ein schwarzes Loch: einen Zustand, in dem man nach dem Arbeitsleben nicht weiß, was man mit sich anfangen soll. Noch heute kann sich der inzwischen 70-jährige Mann an den Geruch des Gefieders erinnern. Ein intensives Erlebnis, das am Anfang einer lebenslangen Liebe zu Vögeln, zur Natur ganz allgemein, und einem Bedürfnis, zu helfen, stand. Ulrich Hoffmann wurde – nachdem seine Eltern mit ihm im Alter von einem Jahr aus Ostpreußen fliehen mussten – auf einem Bauernhof im niedersächsischen Dorf Jühnde groß. Harte Arbeit bestimmte den Alltag auf dem Hof. Die meiste Zeit verbrachte er draußen und bei den Tieren. „Die Leute gingen damals sehr grausam mit Tieren um. Die Bauern haben auf ihre Pferde eingeschlagen, die Kinder haben Frösche aufgeblasen, Mäuse totgeschlagen und Vogelnester zerstört!“ Er war viel allein unterwegs – als Flüchtlingskind hatte er ohnehin keinen einfachen Stand. Mitte der fünfziger Jahre zog die Familie in die Ruhrgebietsstadt Essen, wo seine Mutter eine Lehrer-Stelle bekam. Integriert fühlte er sich erst hier in der evangelischen Jungschar. EHRENAMT BEIM ÜBERGANG Schon während der Berufstätigkeit als Polizist war es ihm gelungen, den Kontakt zu seiner geliebten Vogelwelt wieder aufzunehmen. Begonnen hatte es mit einem Freund, den er über den Polizeidienst kennengelernt hatte – dieser war an der Vogelschutzwarte Recklinghausen tätig und Jäger. Mit ihm war Ulrich Hoffmann auf ausgedehnten Touren in den Wäldern Westfalens unterwegs. Gemeinsam beobachteten sie Vögel und andere Tiere vom Hochsitz aus, zogen verwaiste Uhus groß und wilderten sie in der Senne aus, hängten Vogel-Nistkästen auf. „Dank dieses Freundes habe ich viel über Vogelschutz erfahren“, erinnert sich der ehemalige Staatsdiener. So blieb es auch, als er 1983 seinen Wunschposten erhielt: eine Stelle als Bezirksbeamter auf einem kleinen Essener Polizeiposten. Impuls Nr. 1 | 2015 Auf der „Margarethenhöhe“, einer von Wald umgebenen, denkmalgeschützten Siedlung, hatte er mit seiner Familie den Lebensmittelpunkt gefunden. Ende der Dienstzeit war 2004. „Da war ich 60 Jahre alt. Und ich bin auf jeden Fall nicht wie viele andere in ein tiefes schwarzes Loch gefallen, weil ich mein ehrenamtliches Engagement beim NABU nun noch mehr ausbauen konnte. Mir hat nichts gefehlt, ich musste mir kein neues Hobby suchen, um die freie Zeit auszufüllen, darum ist mir der Übergang überhaupt nicht schwergefallen!“ Im sprichwörtlichen Un-Ruhestand ist er inzwischen so sehr mit Aufgaben eingedeckt, dass er manchmal schon Grenzen ziehen muss. Ulrich Hoffmann wurde zum gefragten Fachmann für weitere Naturschutzthemen wie Schwalben, Wildbienen („Die bedrohten Bienen liegen mir sehr am Herzen!“); er geht auf praktisch alle telefonischen Anfragen rund um das Thema Haus und Garten ein, vom Futterhäuschen bis zum Komposthaufen, verteilt Broschüren und hält Vorträge über den jeweiligen „Vogel des Jahres“ in Kirchengemeinden, Seniorenheimen und bei den Pfadfindern. Neuerdings hat er sogar ein Projekt mit psychisch kranken Kindern und Jugendlichen begonnen – im Rahmen der Kunsttherapie bastelt er mit ihnen Nistkästen und erklärt ihnen die Wald- und Vogelwelt. „Das findet gut Anklang und diese Kontakte sind für mich sehr wertvoll“, freut er sich. Auf die Frage, was für ihn ein sinnvolles Leben ausmacht, was ihm rückblickend am meisten bedeutet, muss Ulrich Hoffmann nicht lange überlegen: „Durch meine ehrenamtliche Tätigkeit habe ich die Chance, meine Kräfte für den Naturschutz zur Verfügung zu stellen. Es ist ein schönes Gefühl, wenn man Menschen beraten kann, die positiv reagieren. Da kann man etwas bewirken, selbst wenn man nur kleine Dinge bewegt. Aber für viele, selbst wenn sie nur ein kleines Futterhäuschen in einem noch so kleinen Garten haben, ist das schon eine großartige Sache, etwas für die Natur zu machen. Und wenn ich derjenige bin, der die Leute dazu bringt, dass sie eventuell noch mehr tun und selbst aktiv werden, dann habe ich zu meiner eigenen Zufriedenheit genug getan!“ ■ SUSANNE ERBACH Unter www.nabu.de können Sie sich bundesweit Ihren Landesverband und Ihre nächstgelegene Ortsgruppe des Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V. suchen. M AG A Z I N D E R B E W E G U N G F Ü R S OZ I A L E G E R E C H T I G K E I T 33 KAB-SERVICE > LESERBRIEFE GERHARD BANGERT, WERNAU ILLEGITIMER VERSUCH zu „Handel will vereinfachtes Ladenöffnungsgesetz“ in FAZ 11.12.2014 Der Handelsverband in Hessen unterstützt die Initiative der FDP-Landtagsfraktion die Durchführung von verkaufsoffe- 34 ROBERT HIPPERT, BEZIRKSSEKRETÄR RHEIN-MAIN KEIN NIKOL AUS GEFUNDEN? zu Titelbild, Impuls 6/2014 Es ist ja ehrenwert, dass Ihr Euch im Hinblick auf Weihnachten mit seiner Schlemmerei und den vielen Süßigkeiten für fair gehandelte Waren stark macht. Aber ob es dem religiösen Anliegen wirklich dienlich ist, wenn Ihr dazu den amerikanischen Weihnachtsmann mit Cola-Mütze ins Bild bringt, darf doch schwer angezweifelt werden. War wirklich kein Nikolaus, der zugegeben zeitlich begrenzt ist, oder Schokolade allgemein zum Abbilden zu finden? Die Kirche und ihre Organisationen sollen zwar weltoffen, aber nicht welthörig sein. Aber mit den Botschaften an die Kinder, wie man sie diesem Titelbild entnehmen kann, graben wir uns das Wasser endgültig selbst ab. Von den innerkirchlichen Botschaften des Klerus an Jugend und Erwachsene – konträr zu vielen Konferenzen, Symposien und Schriftstücken – schweige ich lieber, weil ich sonst vielleicht zu viel sage. HUGO HÄUSLER, ELCHESHEIMILLINGEN IMPRESSUM 109. Jahrgang, Hrsg. KAB Deutschlands Redaktion und Vertrieb Matthias Rabbe (verantw.), Iris Koglin Tel.: 0221 77 22 -1 31 Fax: 0221 77 22 -1 35 Bernhard-Letterhaus-Str. 26, 50670 Köln [email protected] Ketteler-Verlag GmbH Geschäftsführer: Alois Nock Amtsgericht Köln, HRB 34678 Bernhard-Letterhaus-Str. 26, 50670 Köln Layout Gratzfeld Werbeagentur GmbH Auf dem Sonnenberg 1 50389 Wesseling, Tel.: 02236 470 91 KAB-Beilagen und Beihefter intern Gratzfeld Werbeagentur GmbH E-Mail: [email protected] Druck /Versand Heider Druck GmbH, Bergisch Gladbach H GISC DRUC LO N KE FAMILIEN OHNE BEFRISTUNG zu „Der Traum vom Normalarbeitsverhältnis“, in Impuls 5/2014 Dass sich junge Menschen unter diesen Umständen dreimal überlegen, eine Familie zu gründen, ist nur verständlich, da befristete Arbeitsverträge, fehlende Sicherheiten im Erwerbsleben, die prekären Arbeitssituationen Depressionen und Burnout als Folge haben und den Verlust des Selbstvertrauens etc. All das erlebe ich auch so und leider macht die Politik vor dieser Situation, in der viele Menschen stecken, einfach die Augen zu (schon über eine lange Zeit). Ja daran zu denken, eine Familie zu gründen, das ist nicht wirklich möglich. Bei mir bisher auch nicht. Die soziale Situation der Menschen verschlechtert sich eher ständig, das soziale System wird einfach Schritt um Schritt aufgeweicht. Ja, es wäre wirklich dringend eine Umkehr im Denken nötig, wie Kardinal Cardijn sagte: Nicht mehr nur Gewinnmaximierung und Shareholder im Mittelpunkt, sondern für die Menschen, für die Gesellschaft ein gesunderes Leben entwickeln, für eine Würde der Arbeiterin und Arbeiter als Menschen. Leider läuft alles in die entgegengesetzte Richtung. Daher find ich es gut, dass Sie als CAJ sich dafür einsetzen und einen zukunftsorientierten Weg ansprechen. M. BERNHARD, PER E-MAIL nen Sonntagen auch ohne Anlassbezug zu zulassen. Die in diesem Zusammenhang zum Ausdruck gebrachte Erwartung, dass „sich die Kirchen und Gewerkschaften mit diesem Vorschlag einverstanden erklären könnten, halten wir für einen illegitimen Versuch, Kirche und Gewerkschaften für die eigenen Positionen zu vereinnahmen. Für die katholische Kirche widersprechen diesem Versuch. Wer die kirchlichen Positionen zum Sonntagsschutz kennt, weiß, dass wir die jetzt bestehenden gesetzlichen Regelungen in Hessen für weitgehend halten. In der Praxis sehen wir, vielfältige Beispiele, wo diese Regelungen überschritten werden. ÖK O USA MACHEN NUR DAS, WAS IHNEN NÜTZT zu „Diskussion ums TTIP“ und „Freihandel contra gut Wirtschaften“ Auch ich bin gegen das sogenannte Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA, nachdem die USA nur das machen, was ihnen auch nützt und entsprechende Vorteile bringt. Anzeigen Joh. Heider Verlag GmbH Eva-Maria Schleder Tel.: 0 22 02 / 95 40-336 [email protected] Bezug im Mitgliedsbeitrag enthalten. Auflage: 105.000 Foto Titelseite: batya/Fotolia.com Foto Rückseite: Sasajo/Fotolia.com Für Termine keine Haftung. Der nächste KAB-Impuls erscheint am 20. März 2015 Letzter Versandtag: 16. März 2015 ISSN 1434-4386 www.ketteler-verlag.de K A B DA F Ü R T R E T ’ I C H E I N B A K T I M B URLAU Ferien-, Bildungs- und Tagungszentrum der KAB Zur Hude 9, 59519 Möhnesee-Günne Telefon: 02924 806-0 E-Mail: [email protected] . . . n e g Wir sa ir ht, was w ic n n e t, g a W ir s in e n n ic h e m ir w und denken, sagen. w a s w ir in e n , d a s e m ir w ss n, was nken, da e d W ir s a g e d n u , n. n sollen un wolle t t w ir s a g e h ic n ig e n t l ic h w ir d a s e . ir s a g e n w s a w , t . t u n n ic h t falsch U n d w ir is s a D : denken U n d w ir rstehen, e v u z n m e in e sollten, n U n d w ir r e d n ä das mal d a s s w ir ja das, h ic l t n e e ig . wollten w e il w ir n e g a s , m e in e n w a s w ir (P o e t r y sl am a -P uz z dem KAB l e -f e st g in D ui sb ur ) Foto: Sasajo/fotolia ber J u l e W e uf
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