Den Brief an Justizminister Maas können Sie hier lesen

Bundesvorstand:
Werner Koep-Kerstin, Vorsitzender
Norman Bäuerle
Tobias Baur
Anja Heinrich
Mara Kunz
Prof. Dr. Martin Kutscha
Helga Lenz
Dr. Kirsten Wiese
Prof. Dr. Rosemarie Will
Beiratsmitglieder:
Prof. Edgar Baeger
Prof. Dr. Lorenz Böllinger
Daniela Dahn
Dr. Dieter Deiseroth
Prof. Dr. Erhard Denninger
Prof. Dr. Johannes Feest
Ulrich Finckh
Prof. Dr. Monika Frommel
Prof. Dr. Hansjürgen Garstka
Dr. Klaus Hahnzog
Dr. Heinrich Hannover
Johann-Albrecht Haupt
Dr. Detlef Hensche
Prof. Dr. Hartmut von Hentig
Heide Hering
Dr. Dr. h.c. Burkhard Hirsch
Friedrich Huth
Prof. Dr. Herbert Jäger
Elisabeth Kilali
Dr. Thomas Krämer
Ulrich Krüger-Limberger
Prof. Dr. Rüdiger Lautmann
Dr. Till Müller-Heidelberg
Dr. Gerd Pflaumer
Claudia Roth, MdB
Jürgen Roth
Ingeborg Rürup
Prof. Dr. Fritz Sack
Klaus Scheunemann
Georg Schlaga
Helga Schuchardt
Prof. Klaus Staeck
Prof. Dr. Ilse Staff
Werner Vitt
Prof. Dr. Alexander Wittkowsky
Rosi Wolf-Almanasreh
Prof. Dr. Karl-Georg Zinn
Geschäftsführung:
Sven Lüders
Stand: Juni 2014
BÜRGERRECHTSORGANISATION, vereinigt mit der Gustav Heinemann-Initiative
HUMANISTISCHE UNION e.V., Haus der Demokratie und Menschenrechte,
Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin
Tel.: 030 / 20 45 02 –56
Fax: 030 / 20 45 02 –57
[email protected]
www.humanistische-union.de
Herr Heiko Maas
Bundesministerium der Justiz
und für Verbraucherschutz
Mohrenstraße 37
Berlin, 16.03.2015
10117 Berlin
Sehr geehrter Herr Bundesjustizminister Maas,
wir haben den Entwurf des BMI zum „Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich
des Verfassungsschutzes“ vom 6. Februar 2015 zur Kenntnis genommen. Die darin vorgeschlagenen Maßnahmen zur Zuständigkeitserweiterung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, aber
auch zum Einsatz von V-Leuten finden wir bürgerrechtlich äußerst bedenklich. In der Anlage
senden wir Ihnen unsere Stellungnahme zum Gesetzentwurf und bitten Sie, die darin
geäußerten Bedenken bei der interministeriellen Abstimmung des Entwurfs zu berücksichtigen.
Der Gesetzentwurf wird seinem selbstgestellten Anspruch, die Lehren aus dem Versagen der
Sicherheitsbehörden im NSU-Komplex zu ziehen, keineswegs gerecht; an manchen Stellen wird
gar das Gegenteil erreicht: Der Entwurf legalisiert die Vertuschung selbst schwerer Straftaten
sowie die Behinderung der Arbeit der Strafverfolgungsbehörden. Sofern der Verfassungsschutz
über Informationen zu konkreten Gefahren für Leib und Leben von Personen verfügt, ist aus
unserer Sicht eine Pflicht zur Weitergabe an die Strafverfolgungsbehörden unumgänglich.
Andererseits wird im Gesetzentwurf die Weitergabe von Informationen über
Sachbeschädigungen an die Polizei erlaubt, was das Trennungsgebot einmal mehr aufweicht.
Der Einsatz von V-Personen wird entgegen der Behauptung des Gesetzentwurfs nicht be-,
sondern eher entgrenzt. Das Bundesamt entschiede nach wie vor allein über den Einsatz von VLeuten, eine Anordnung durch Richter oder die G10-Kommission ist nicht vorgesehen. Die
Regeln zur Eignung und Tauglichkeit der Auswahl von V-Personen erweisen sich als weitgehend
unwirksam, eine Zusammenarbeit ist selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn die V-Personen
Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen haben. Da von den Regeln explizit Informanten
und Gewährspersonen ausgenommen sind, ist eine weitere Grauzone zu befürchten.
Sehr geehrter Herr Justizminister: Ihre ParteifreundInnen Högl und Lischka haben einen
umfangreichen Katalog notwendiger Nachbesserungen beim Verfassungsschutz vorgelegt („Für
eine echte Reform des Verfassungsschutzes“ v. 27.1.2015). Wir sehen die darin vorgeschlagenen
Regeln für den Einsatz von V-Leuten und den Ausbau der Kontrollkompetenzen als
Bankverbindung: Konto 3074200 BLZ: 100 205 00 Bank für Sozialwirtschaft
IBAN: DE53100205000003074200 BIC: BFSWDE33BER
Mindestanforderungen, die eine Reform des Verfassungsschutzes nach NSU- und NSA-Affäre
erfüllen muss. Wir bitten Sie nachdrücklich, sich für deren Umsetzung einzusetzen.
Die im BMI-Gesetzentwurf vorgesehene Einrichtung einer bundesweiten Zentraldatei aller
Verfassungsschutz-Erkenntnisse aus den Ländern lehnen wir aufgrund der damit verbundenen
Zweckentfremdung der Daten (die Landesämter verfügen teilweise über unterschiedliche
gesetzliche Aufgaben), der gravierenden Ausweitung zugriffsberechtigter Personen sowie des
personellen Mehrbedarfs beim Bundesamt ab. Bei einem solchen Vorhaben wäre es jedoch
angezeigt, die Befugnisse und Ressourcen der Kontrollgremien entsprechend zu stärken. Der
Bundesbeauftragten für Datenschutz wären uneingeschränkte Kontrollmöglichkeiten bei den
Nachrichtendiensten einzuräumen, die Ressourcen des Parlamentarischen Kontrollgremiums und
der BfDI deutlich aufzustocken, um eine bessere Kontrolle zu ermöglichen.
Nach Auffassung der Humanistischen Union ist der Inlandsgeheimdienst schädlich und zur
Gefahrenabwehr überflüssig und kann deshalb ersatzlos aufgelöst werden (im Einzelnen
dargelegt und begründet im Memorandum der Humanistischen Union u.a. „Brauchen wir den
Verfassungsschutz? Nein!“, Berlin 2013). Sollten Sie dennoch von der Möglichkeit einer Reform
des Geheimdienstes überzeugt sein, fordern wir Sie dazu auf, den Gesetzesentwurf zumindest
dort zu stoppen, wo er aus bürger- und verfassungsrechtlicher Sicht rote Linien überschreitet
und wo er das Gegenteil dessen erreicht, was er verspricht.
Die weiteren Details unserer Kritik am Gesetzentwurf entnehmen Sie bitte unserer beigefügten
Stellungnahme. Für diesbezügliche Erläuterungen oder Gespräche stehen wir selbstverständlich
gern zur Verfügung.
Mit herzlichen Grüßen,
Werner Koep-Kerstin
Bundesvorsitzender der Humanistischen Union