6. Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich

Bericht zur Lage der
Kinder- und Jugendgesundheit
in Österreich 2015
1
www.kinderjugendgesundheit.at
Bericht zur Lage der
Kinder- und Jugendgesundheit
in Österreich 2015
www.kinderjugendgesundheit.at
Wien, April 2015
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Vorwort
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen in Österreich ist mir ein großes Anliegen. Als Gesundheits­
ministerin und Kinderärztin möchte ich die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass alle Kinder die
­M öglichkeit haben, sich zu gesunden Erwachsenen zu entwickeln.
Bereits im Herbst 2011 präsentierte das Bundesministerium für Gesundheit die von zahlreichen Expertinnen
und Experten erarbeitete Kinder- und Jugendstrategie, die seitdem jährlich überarbeitet und weiter­ent­w ickelt wird. Das nächste Update wird im Frühsommer 2015 veröffentlicht und wird sich mit dem
Schwerpunkt »Gesundheitliche Chancengerechtigkeit« auseinandersetzen. Die Gesundheit Österreich
GmbH arbeitet im Auftrag des BMG an einem Bericht zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, der
ebenfalls im Frühsommer 2015 veröffentlicht und uns viele wertvolle Informationen geben wird. Weitere
Vorhaben sind die Weiterentwicklung des Mutter-Kind-Passes und die Gratis-Zahnspange für schwere Fehlstellungen, die Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre ab 1. Juli 2015 erhalten. Damit können sich alle Eltern,
eine medizinisch notwendige Kieferregulierung für ihre Kinder leisten.
Es gibt bereits zahlreiche Maßnahmen, um den Kindern in Österreich einen guten Start ins Leben zu ermöglichen.
Dennoch dürfen wir uns nicht zurücklehnen und uns mit dem Erreichten zufrieden geben. Die sich ständig
verändernden Lebensrealitäten stellen uns immer wieder vor neue Herausforderungen und verlangen, dass wir
die Gesundheitsleistungen für Kinder und Jugendliche kontinuierlich weiterentwickeln. Die ­Österreichische
Liga für Kinder- und Jugendgesundheit ist dabei für uns eine wichtige Partnerin.
Ich danke allen, die sich für das Wohl der Kinder und Jugendlichen in Österreich einsetzen!
Dr.in Sabine Oberhauser, MAS
Bundesministerin für Gesundheit
Foto © BMG Johannes Zinner
Vorwort
Sehr geehrte Damen und Herren!
Es freut mich, dass der 6. Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit 2014 nunmehr in seiner
­fertigen Version vorliegt – ich bin davon überzeugt, dass es sich dabei wieder um ein sehr gelungenes und
informatives Werk handelt.
Aus der Sicht meines Ressorts, des Arbeits- und Sozialministeriums, finde ich aber nicht nur den Bericht
selbst, sondern vor allem auch das Jahresthema 2015 und 2016 – »Armut & Gesundheit« – von besonderem
Interesse. Zum Thema Armut im Allgemeinen möchte ich an dieser Stelle nur kurz erwähnen, dass wir in
unserem Fachbereich erst vor kurzem den aktuellen »Sozialbericht 2013-2014«, der alle 2 Jahre erscheint
und die wichtigsten Maßnahmen und Entwicklungen im Sozialressort zusammenfasst, vorgestellt haben.
Im Zeitraum der Berichterstattung sind zum einen der positive Beitrag des österreichischen Sozialstaats bei
der Abfederung der Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise festzustellen, zum anderen stehen wir weiterhin vor großen Herausforderungen: Wenngleich Österreich bereits seit Mitte 2011 die im EU-Vergleich niedrigste Arbeitslosigkeit aufweist, stellte sich die Arbeitsmarktlage in den letzten beiden Jahren zunehmend
angespannt dar. Allerdings sinkt die Armut in Österreich, während sie in Europa steigt.
Ein aus meiner Sicht sehr wichtiges Faktum ist: Armutsbekämpfung trägt zur sozialen Stabilität und Sicherheit der gesamten Gesellschaft bei. Wenn man nun die thematische Verbindung »Armut & Gesundheit«
näher betrachtet, so möchte ich betonen, dass eine umfassende und zukunftsorientierte Gesundheitspolitik
Sozialpolitik ist und umgekehrt – geringeres Einkommen geht leider oftmals vermehrt mit schlechterem
gesundheitlichen Zustand einher. Daher müssen wir seitens der politischen Verantwortung alles dazu beitragen, dass Armut und soziale Ausgrenzung in unserem Land weiter mit Erfolg verringert und die gesundheitliche Versorgung weiterhin auf eine möglichst breite Basis gestellt wird.
In diesem Sinne wünsche ich der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit in der Erfüllung
ihrer Aufgaben weiterhin alles Gute und viel Erfolg!
Herzlichst,
Rudolf Hundstorfer
(Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz)
Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
Liebe Mitglieder,
ich freue mich Ihnen den nunmehr »sechsten Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in
Österreich« vorlegen zu können. Einerseits beinhaltet er wiederum grundsätzliche Überlegungen zur
­Situation der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich sowie eine Bilanz über die wesentlichen Entwicklungen des letzten Jahres. Andererseits eröffnen wir damit einen weiteren uns wichtigen Arbeitsschwerpunkt: Armut und gesundheitliche Chancengerechtigkeit bei Kindern und Jugendlichen. Diese
Schwerpunktsetzung wurde im März 2014 von unserer Mitgliederkonferenz für die Jahre 2015/16 beschlossen und wir freuen uns sehr, dass wir für diese Aufgabe und für den gemeinsamen Weg über die nächsten
zwei Jahre die Armutskonferenz als ­Kooperationspartner gewinnen konnten.
Dieses Vorhaben hat erfreulich große Resonanz gefunden. Das Thema »Gesundheitliche Chancengerechtigkeit« wird zeitgleich auch im Umsetzungsprozess der Kinder- und Jugendgesundheitsstrategie sowie in
den Österreichischen Rahmengesundheitszielen priorisiert, es hat im Regierungsprogramm in den Kapiteln
Gesundheit, Familie und Soziales Einzug gefunden und soll auch im Arbeitsprogramm des Hauptverbands
der Sozialversicherungsträger und in der Gesundheit Österreich GesmbH vorrangig behandelt werden. Auch
viele andere Organisationen haben in Folge ihre Aktivitäten und Inhalte darauf abgestimmt. Das ist groß­
artig, weil eine Bündelung der Kräfte doch deutlich mehr bewegen kann.
Ein ganz zentraler Aspekt ist uns dabei, direkt aus der Perspektive der Kinder und Jugendlichen auf die
­Thematik zu schauen. Natürlich sind sie in vielerlei soziale Kontexte eingebunden und ein Kind ist nicht
denkbar ohne seine Umwelt. Aber nichts desto trotz: Kinder und Jugendliche sind Subjekte eigenständiger Rechte und als solche auch sichtbar zu machen und zu behandeln. Sie haben ein, in der UN-Kinderrechtskonvention, international verbrieftes Recht auf »höchst mögliche Gesundheit und angemessenen
­Lebensstandard«. Österreich hat diese Konvention 1992 anerkannt und ganz aktuell mit März 2015 auch
den bisherigen Erfüllungsvorbehalt zurückgenommen. Nun gilt es sie auch zu leben.
In der Hoffnung, dass uns dies gemeinsam gelingt und mit besten Grüßen
Klaus Vavrik
(Präsident der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit)
Inhalt
Zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
15
Organigramm34
Die Liga und das Jahr 2014
35
Gastbeiträge:41
Kindergesundheit und Armut: Daten, Zusammenhänge, Ursachen
43
Armutsbegriff und Chancengleichheit für Kinder in der Gesellschaft
54
Kinderarmut und Gesundheit
58
Interviews zum Thema Kinderarmut und Gesundheit
66
Beiträge Institutioneller Mitglieder: 79
Berufsverband Kinderkrankenpflege Österreich
81
Berufsverband Österreichischer PsychologInnen
82
Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren
83
Ergotherapie Austria – Bundesverband der ErgotherapeutInnen Österreichs
84
Gesellschaft für Sensorische Integration in Österreich (GSIÖ e.V.) 85
Österreichischer Berufsverband der MusiktherapeutInnen
86
Österreichischer Bundesverband für Psychotherapie
87
Österreichisches Hebammengremium
88
Österreichischer Kinderschutzbund und Verein für gewaltlose Erziehung
89
Pikler-Hengstenberg-Gesellschaft-Österreich90
Vereinigung Österreichischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten
91
Caritas der Erzdiözese Wien – Hilfe in Not
92
Die Boje – Ambulatorium für Kinder und Jugendliche in Krisensituationen
93
Kinderhospiz Netz – Wiens erstes Kinderhospiz
94
MOKI-Mobile Kinderkrankenpflege
95
Verein ProMami NÖ
96
Rudolf Ekstein Zentrum – Sonderpädagogisches Zentrum für integrative Betreuungsformen
97
SOS-Kinderdorf Österreich
98
Unabhängiges Kinderschutzzentrum Wien
99
Wiener Hilfswerk
100
Arbeitsgemeinschaft Psychoanalytische Pädagogik (APP)
101
IGfB – Internationale Gesellschaft für Beziehungskompetenz
102
bOJA – Bundesweites Netzwerk Offene Jugendarbeit 103
Elternwerkstatt – Verein im Dienst von Kindern, Eltern und PädagogInnen 104
KiB children care – Verein rund ums erkrankte Kind
105
Nanaya – Zentrum für Schwangerschaft, Geburt und Leben mit Kindern 106
Plattform Elterngesundheit 107
SPORTUNION Österreich
108
Welt der Kinder
109
Beiträge der Beiräte
111
Eltern-Selbsthilfe-Beirat113
Wissenschaftlicher Beirat
114
Beiträge der Stakeholder
115
Kinder und Jugendgesundheit im Jahr 2014 – ein Überblick des BM für Gesundheit
117
Kinder- und Jugendlichengesundheit im Fokus der Sozialversicherung
120
Kontaktdaten122
Prim. Dr. Klaus Vavrik
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Präsident der Österreichischen Liga für
Kinder- und Jugendgesundheit
Zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit
in Österreich 2015
Schwerpunktthema 2015/16:
Armut und gesundheitliche Chancengerechtigkeit
bei Kindern und Jugendlichen in Österreich
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Leserinnen und Leser,
Ich freue mich Ihnen den sechsten »Bericht zur
Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in
­Österreich« vorlegen zu können.
Er wird einerseits wieder grundsätzliche Überlegungen und eine Bilanz über die wesentlichen
Entwicklungen des letzten Jahres zur Kinder- und
Jugendgesundheit in Österreich beinhalten und andererseits – wie nun schon zum dritten Mal – einen
weiteren inhaltlichen Arbeitsschwerpunkt eröffnen:
Armut und gesundheitliche Chancengerechtigkeit
bei Kindern und Jugendlichen. Diese Schwerpunktsetzung wurde im März 2014 von unserer Mitgliederkonferenz für die Jahre 2015/16 beschlossen
und wir freuen uns sehr, dass wir für diese Aufgabe
und für den gemeinsamen Weg über die nächsten
zwei Jahre die Armutskonferenz als Kooperationspartner gewinnen konnten.
Über die diversen Verknüpfungen und Kontakte
des Kinderliga-Netzwerkes wurde dieses Vorhaben auch entsprechend gestreut und hat erfreulicher Weise große Resonanz erhalten. Das Thema
»Gesundheitliche Chancengerechtigkeit« wird zeitgleich auch im Umsetzungsprozess der Kinder- und
Jugend­g esundheitsstrategie sowie der Österreichischen Rahmengesundheitsziele priorisiert, es hat im
Regier­ungsprogramm in den Kapiteln Gesundheit,
Familie und Soziales Einzug gefunden und soll nun
auch im Arbeitsprogramm des Hauptverbands der
Sozialversicherungsträger und in der Gesundheit
Österreich GesmbH vorrangig behandelt werden.
Auch viele andere Organisationen haben in Folge
ihre Aktivitäten und Inhalte darauf abgestimmt. Das
ist großartig, weil eine Bündelung der Kräfte doch
deutlich mehr bewegt.
Inwiefern Armut insbesondere für Kinder, Jugendliche und deren Familien in Österreich eine Problemlage darstellt und in welchem Bezug A
­ rmut und
Gesundheit zueinander stehen, das wird in spannenden Gastbeiträgen von Martin Schenk, ­Elisabeth
­K apferer und Clemens Sedmak sowie von Antje
Richter-Kornweitz erörtert. Ich möchte an ­d ieser
Stelle ein paar einleitende Worte beisteuern. Da wir
heute erst am Beginn unserer Schwerpunkt­a rbeit
stehen, geht es hier in einem ersten Schritt bloß
einmal um die Schaffung von Bewusstsein, um das
Markieren von Themen und das Stellen von F­ ragen,
nicht aber schon um inhaltliche Vertiefung oder
­Lösungsvorschläge. Ein wesentlicher Aspekt scheint
uns aber zu sein, grundsätzlich aus der Perspektive
der Kinder und Jugendlichen auf die ­T hematik zu
schauen. Natürlich sind sie in vielerlei soziale Kontexte eingebunden und ein Kind ist nicht denkbar
ohne seine Umwelt. Aber nichts desto weniger oder
ungeachtet dessen: Kinder und Jugendliche sind
Subjekte eigenständiger Rechte. Sie müssen auch
in diesem Sinne gesehen und behandelt werden.“
Kinder haben ein Recht auf höchst mögliche
Gesundheit und auf angemessenen Lebensstandard
Die internationale UN-Kinderrechtekonvention
aus 1989 formuliert in Ihrem Artikel 24: »Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf
das e
­ rreichbare Höchstmaß an Gesundheit sowie
auf Inanspruchnahme von Einrichtungen zur Behandlung von Krankheiten und zur Wiederherstellung der Gesundheit an.« und in Artikel 27: »Die
­Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes
auf einen seiner körperlichen, geistigen, seelischen,
­sittlichen und sozialen Entwicklung angemessenen
Lebensstandard an.« Die Verantwortung hierfür wird primär den Eltern und »allen anderen für
das Kind verantwortlichen Personen« zugeordnet.
Die Vertragsstaaten werden aufgefordert »gemäß
­ihren innerstaatlichen Verhältnissen und im Rahmen
­ihrer Mittel« dafür Sorge zu tragen und bei Bedürftigkeit entsprechende Hilfs- und Unterstützungs­
programme vorzusehen.
Der österreichische Nationalrat hat diese UN-KRK im
Jahr 1992 ratifiziert, aber mit einem teilweisen »Erfüllungsvorbehalt« versehen, welcher bis dato unterbunden hat, dass diese Inhalte tatsächlich praktisch
anwendbares Recht geworden sind. Das österreichische BVG über die Rechte von Kindern hat im
November 2011 schließlich einige wenige Aspekte
15
Zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
daraus in Verfassungsrang erhoben und versucht,
diese mit eigenen Formulierungen nachzuvollziehen. So heißt es dort in Artikel 1: »Jedes Kind hat
Anspruch auf den Schutz und die ­F ürsorge, die
für sein Wohlergehen notwendig sind, auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung sowie
auf die Wahrung seiner I­nteressen auch unter dem
Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit. Bei
­allen, Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher
und privater Einrichtungen, muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein.« Eine weitere Differenzierung der Inhalte oder konkretere
Positionierung zu den Rechten auf Gesundheit und
­L ebensstandard gibt es darin nicht. Im Gegenteil,
der Abs. 7 des BVG-KR schränkt die obige Formulierung aus Gründen »der nationalen Sicherheit, der
­öffentlichen Ruhe und Ordnung, des wirtschaftlichen Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit oder zum Schutz
der Rechte und Freiheiten anderer« wieder ein.
Ganz aktuell wurde am 10.3.2015 vom Ministerrat der oben zitierte Erfüllungsvorbehalt zurück
genommen. Dies ist ein wichtiges Zeichen für die
Unterstützung und Wertschätzung der Grundrechte junger Menschen in Österreich. Was es für eine
Auswirkung auf die faktische Rechtsprechung hat,
muss erst noch abgewartet werden.
Armut ist mehr als »fehlendes Geld«
Einige sehr bedeutsame Aspekte im Themenbogen
»Armut« möchte ich hier einleitend nur kursorisch
benennen, kann sie aber im Rahmen dieses Beitrags
nicht näher behandeln.
1. Wohlstand und Gesundheit sind weltweit sehr
unterschiedlich verteilt. Insofern leben Kinder und
Jugendliche in Industriestaaten natürlich in einem
»privilegierten« Wohlstandsniveau gegenüber ­vielen
anderen Regionen der Welt. Verfügbarkeit von
­N ahrung, Zugang zu Bildung, soziale Sicherungs­
systeme, u.v.a.m. sind grundsätzlich vorhanden und
gewährleistet (wenn auch mit sehr unterschiedlicher Durchlässigkeit und mit immer wieder erschreckenden »blinden Flecken« einzelnen Gruppen
­gegenüber).
16
2. Armut von Kindern und Jugendlichen gibt es
nicht nur in der Dimension von Einkommens- oder
Geldarmut ihrer Eltern. Kinder leiden häufig auch
unter Armut an sozialen Kontakten, an Spracharmut,
unter dem Mangel an Orientierung gebenden Beziehungen, Zeit, Freude, Förderung, Zuversicht, u.a.m.
Auch diese Armutsdimensionen schränken die Entwicklungsmöglichkeit und Potentialentfaltung von
Kindern und Jugendlichen erheblich und nachhaltig
ein. Sie sind mit dem Mangel an finanziellen Möglichkeiten zwar oftmals verknüpft, für viele Kinder
aber auch völlig unabhängig von den materiellen
Ressourcen, eine leidvolle Lebenserfahrung.
3. Wohlstand ist nicht gleichzusetzen mit Wohlbefinden. Das Diktat unserer heutigen gewinn­
orientierten Maximierungsgesellschaft von ständig
»größer, weiter, schneller, besser« und dem scheinbar unumgänglichen Wachstumserfordernis bringt
Menschen in ihrer Mehrfachbelastung gehörig unter Druck. Es lässt Kinder, unabhängig vom materiellen Hintergrund, häufig in vereinsamenden,
dissonanten, krankmachenden Systemen aufwachsen. Für das subjektive Erleben von Wohlbefinden
braucht es aber ausreichend Erfahrung von Anerkennung, Selbstwirksamkeit und Gemeinschaft.
4. Materielle Armut ist in einer Wohlstandsgesellschaft wie der unsrigen zwar in deutlich geringerer
Zahl zu finden, aber sie ist in ihrer Wirkung oft hoch
segregativ und diskriminiert Einzelne in stärkerer
Form. Sie bedingt mehr das Problem eines Außenseiter-Empfindens in der Peer-Group-Sozietät, wenn
etwa ein Mobiltelefon nötig ist, um am sozialen
­Leben teilzunehmen.
5. Kinder leiden unter Armut mehrfach. Einmal unmittelbar unter dem Mangel etwa an Nahrungsmittel, Kleidung, Heizung, Gesundheitsversorgung,
­K ultur- Freizeit- und Sportaktivitäten sowie die
­damit oftmals verbundene Ausgrenzung und Demütigung. Sie leiden aber auch unter den Zukunftsängsten und der Perspektivenlosigkeit der Erwachsenen,
welche häufiger gereizt, nervös oder auch depressiv
verstimmt sind und vermehrt zu Medikamenten,
Alkohol oder Drogen greifen. Eltern etwa, die ihre
Erwerbslosigkeit als persönliches Versagen erleben,
tendieren zu größerer Strenge und zu strafendem
Erziehungsverhalten.
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
6. Weitere soziale Risikofaktoren wie Migrations­
biographie, das Sorgen um chronisch oder psychisch
kranke Eltern, das Erleben von Vernachlässigung
oder Gewalt, u.a.m. verstärken häufig die Folgen
von Armut zusätzlich.
7. Bildung ist die effektivste Maßnahme gegen die
transgenerationale »Vererbung« von Armut.
8. In der allgemeinen, gängigen Armutsdiskussion und
den entsprechenden Statistiken, werden ­Kinder und
Jugendliche in institutioneller Unterbringung (Mutteru./o.-Kind-Heimen, Jugendhilfeeinrichtungen, Wohngemeinschaften, Gefängnissen, Asylunter­künften, ...)
systematisch ausgeklammert und übersehen.
9. Kinder werden – wie in vielen anderen gesellschaftspolitischen Materien auch – in der Sozialberichterstattung kaum als eigenständig zu untersuchende Subjekte oder Bevölkerungsgruppe, sondern
lediglich als Teil armutsbedrohter Haushalte oder
gar als U
­ rsache für Armutsbedrohung von Haushalten wahrgenommen1 . Kinder und Jugendliche aber
sind Subjekte eigenständiger Rechte. Nicht bloß
»Teil« oder gar »Schuld« bzw. »Verursacher« einer
Familien­armut.
Gesundheitliche Chancengleichheit für Kinder
und Jugendliche beginnt daher bei der Gleichwürdigung ihrer Rechte!
Ungleichheit bezüglich Lebensstandard und Gesundheit ist auf verschiedenen Ebenen festzustellen:
Ungleichheit auf Grund der Gruppenzugehörigkeit,
Ungleichheit innerhalb der Bevölkerungsgruppe und
Ungleichheit auf Grund der Art der Erkrankung.
Ungleichheit auf Grund der Gruppenzugehörigkeit
Die oben angeführten Rechte auf ein »Höchstmaß
an Gesundheit« sowie auf »angemessenen Lebens­
standard« müssen natürlich in Relation zum allgemeinen Wohlstand einer Gesellschaft gesetzt und
an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Landes gemessen werden. Österreich gilt laut internationalem Währungsfond (April 2014) als 11. reichstes
1
Kinderarmut in Österreich; Sozialökonomische Forschungsstelle &
Volkshilfe, 10/2013
Land der Welt und 3. reichstes Land der EU. Mit
27,9 Milliarden Euro liegen wir im ­B ereich der Gesundheitsausgaben an der 5. Stelle weltweit und
wiederum an der 3. Stelle der EU2. Da wäre also
auch für Gesundheit und Lebensstandard des Einzelnen ähnliches zu erwarten.
Dem gegenüber weist die UNICEF in ihrer Studie
»Measuring child poverty« aus 2013 Österreich an
der 18. Stelle von 29 Ländern aus. Allein die Zugehörigkeit zur Gruppe der Kinder und Jugendlichen
birgt ein ­s ystematisches Armutsrisiko in sich. In Österreich liegt die allgemeine Armutsgefährdungsquote in der Gesamtbevölkerung bei 13%, jene von
Kindern und Jugendlichen aber seit vielen Jahren
höher (derzeit 15,4%). Statistisch steigt die Armutsbedrohung für Kinder in Haushalten mit zunehmender Kinderzahl kontinuierlich an. Bei Haushalten
mit drei oder mehr Kindern liegt sie aktuell bei 28%.
Noch stärker betroffen sind nur jene in Ein-ElternHaushalten mit 36%. Dies erscheint gerade in einer
kinderarmen Gesellschaft mit sich verändernden
­Lebensformen, wo die Kinder der nächsten Generation aus vielen Gründen dringend gebraucht werden
und das ­Familienbild sich hin zu kleineren Einheiten
­wandelt, höchst paradox.
Auch beim Thema der Gesundheitsausgaben ist
schon alleine die Gruppenzugehörigkeit von Kindern und Jugendlichen mit einem systematischen
­N achteil verbunden. Kinder und Jugendliche bis
18 Jahre m
­ achen etwa 20% der Bevölkerung aus,
für sie werden aber nur 5,8% der Gesundheits­
ausgaben aufgewendet. Diese Dysbalance ist nicht
bloß der höheren Krankheitslast im höheren Lebensalter geschuldet, sie liegt auch deutlich unter dem
EU-15-Schnitt von 6,4%. Deutschland etwa gibt
8,3%, Großbritannien sogar 9,6% für seine Jugend
aus3. Die konkreten Folgen hiervon werden später in
diesem Bericht noch diskutiert.
Nicht unerwähnt soll allerdings sein, dass diese Zahlen aus dem Jahr 2010 stammen. Seither sind einige
gesundheitspolitische Akzente gesetzt worden, wie
2
Das Österreichische Gesundheitssystem, Zahlen – Daten – Fakten,
BMG/GÖG 2010
3
Röhling et al, 2010
17
Zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
etwa die Kinder- und Jugendgesundheitsstrategie
und die Entwicklung des Rahmengesundheitsziels
»Gesundes Aufwachsen« des BMG, eine zielgruppenspezifische Strategie des HV-SVT, Grundlagenarbeiten der GÖG, nachhaltige Projektförderungen
über Pharmig und HV, etc. Inwiefern diese Aktivitäten auch die Lebensrealitäten der Kinder und
­Jugendlichen erreicht haben, ist noch schwer zu
­beurteilen. Aktuellere Zahlen liegen nicht vor.
In sozialwissenschaftlichen Arbeiten wird diese Art
der Benachteiligung auf Grund einer Gruppenzugehörigkeit als indirekte oder strukturelle Gewalt
bezeichnet4. Sie geht nicht von einzelnen Taten gegenüber einzelnen Menschen aus, sondern wird als
Folge von gesellschaftlichen Bedingungen für Angehörige bestimmter gesellschaftlicher Gruppen verstanden. Beispiele hierfür auf der Kinderebene sind
etwa vermehrte Atemwegserkrankungen durch zunehmende Feinstaubbelastung, fehlender Freiraum
durch Zuwachs des Straßenverkehrs und die Folgen
auf Bewegung und Einschränkung des freien Spiels,
hohe Frühgeborenenraten bei der Fortpflanzungsmedizin als Objekt der Wunscherfüllung zwischen
Angebot und Nachfrage, trotz hoher Unfallgefährdung aus Kostengründen im Schulbus keinen eigenen Sitzplatz und Sicherheitsgurt zu haben, u.a.m.
Besonders drastisch beschreibt dies der US-Ökonom
Laurenc J. Kolikoff in seinem Buch »The Clash of Generations«, in welchem er und Co-Autor Scott Burns
die These vertreten, dass »die Generation die derzeit in den Industriestaaten am Ruder ist, auf Kosten
der Nachgeborenen lebt« (siehe Area Analyse 2015,
Generationen-Fairness).
Ungleichheit innerhalb der Bevölkerungsgruppe
Ökonomische und gesundheitliche Benachteiligung
bedingen einander wechselseitig und zeigen enorme Auswirkungen über die gesamte Lebensspanne. Die gesundheitlichen Unterschiede sind aus den
Befunden der Lebens­laufforschung5 vor allem auf
4
Karin Gerber, Kinderschutz Schweiz, 2002
Nico Dragano, Johannes Siegrist: Die Lebenslaufperspektive
­gesundheitlicher Ungleichheit, 2009
5
18
zwei Ebenen zu verstehen: einerseits auf der Ebene
von günstigen oder schädlichen Einflüssen während
wichtiger Lebens- und Entwicklungsphasen ­(»Modell
der kritischen P­ erioden«), und andererseits auf der
Ebene von Summationseffekten verschiedenster
­B elastungen im Laufe eines Lebens (»Kumulationsmodell«).
Für das »Modell der kritischen Perioden« sind
vor allem die Phasen mit großer Wachstums- und
­Differenzierungsdynamik wie die fötale Entwicklung
im Mutterleib, Geburt und die ersten 1.000 Tage
eines Lebens von hoher Bedeutung. Aber auch im
weiteren Kindes- und Jugendalter finden wichtige
Reifungs- und Entwicklungsprozesse statt. Schädigungen, welche in solchen »kritischen Perioden«
gesetzt werden (etwa eine veränderte Insulinausschüttung auf Grund von Unterernährung oder
Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen durch
Schadstoffe wie Alkohol, Nikotin, u.ä. während der
Schwangerschaft) sind grundsätzlich nicht reversibel
und verbleiben als faktisches Krankheitsbild oder als
hohes Erkrankungsrisiko lebenslang bestehen. Daher
spricht man auch von »biologischer Programmierung«. In Zusammenhang mit sozialer Ungleichheit
gibt es empirische Befunde etwa zum späteren Ernährungsverhalten, Diabetes, KHK, u.a. bis hin zu
einer Erhöhung eines vorzeitigen Mortalitätsrisikos
um 44%. Besonders beeindruckend ist, dass derartige Effekte, ebenso wie ein insgesamt – subjektiv und objektiv – schlechterer Gesundheitszustand
auch durch einen später höheren Lebensstandard
nicht mehr auszugleichen sind.
Ein ganz besonders hervorzuhebendes Zielorgan
frühkindlicher Erfahrungen ist, aufgrund der großen
neurobiologischen Plastizität, das menschliche Gehirn. Kein anderes Lebewesen kommt mit einem
derart gering determinierten Gehirn auf die Welt,
wie das menschliche Baby. Gemeinsam mit der Verletzlichkeit der frühkindlichen Seele sind daher ganz
besonders die kognitive Entwicklung und die psychische Gesundheit von diesen frühen prägenden
Einflüssen betroffen. Aus der Mannheimer Longitudinal-Studie von Manfred Laucht etwa sind die
faktischen Ausmaße der Auswirkungen von frühkindlichen psychosozialen Risikobelastungen
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
auf die weitere Biographie von Kindern und
­Jugendlichen bekannt. In dieser seit 1989 laufenden K
­ ohorten-Studie wurde die Entwicklung
von Kindern mit Umfeld-Risiken wie Armut, geringer Bildungsstand, psychische oder chronische Erkrankung der Eltern, Gewalterfahrung, u.a.m. in
regelmäßigen Abständen verfolgt. Die Ergebnisse
sind gleichzeitig beeindruckend wie erschreckend:
Der Anteil von kognitiv entwicklungsverzögerten
8-Jährigen war in der hoch belasteten Gruppe mit
27,7% knapp dreimal so hoch, wie in der unbelasteten Gruppe, die Rate von psychischen Auffälligkeiten bei Kindern dieser Altersgruppe lag bei
41,4%. Die Weiterverfolgung der Kohorte ergab
bei denselben später ­19-Jährigen eine 11 mal so
hohe Rate an Suchterkrankungen, 3 mal so hohe
Zahlen bezüglich S­ törung des Sozialverhaltens und
eine Verdoppelung von affektiven und depressiven Störungen. Die ­p athologischen Folgen von
traumatischen E­ rfahrungen sind heute bis hinein
in den ­g enetischen Code nachweisbar, was auch
die Übertragung einer Vulnerabilität in die nächste
Generation wahrscheinlich macht6.
Dem »Kumulationsmodell« hingegen liegt das
­W issen zu Grunde, dass viele – v.a. chronische –
Erkrankungen oftmals erst durch die Kombination
verschiedener Belastungsfaktoren ausgelöst werden
oder im Laufe des Lebens, durch die »Summation«
von negativen Gesundheitseinflüssen – wie Lebensstil, schwierige life events, Umweltbedingungen,
etc. – im Sinne von »Verursachungs- oder Risikoketten«, entstehen. Es gibt also zumeist nicht bloß
den einen Auslöser oder Erkrankungs-Hintergrund
einer Störung, sondern oftmals »ein Bündel von Faktoren, die in Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter
wirken, sich gegenseitig verstärken oder abschwächen bzw. in zeitlichen Sequenzen folgen«7.
»Risikoketten« oder »Teufelskreise« können
sich auf unterschiedlichen Ebenen bilden. Dies
geschieht einerseits auf der Ebene von direkten
Krankheitslinien, wie z.B. Rauchen in der Schwangerschaft > Passivrauchen des Säuglings > frühe
Rauchkarriere des Jugendlichen mit allen Gesundheitsfolgen des jeweiligen Alters. Dies kann ebenso für Alkohol oder Übergewicht als auch bei transgenerationalen ­psychischen Störungen, Folgen von
Gewalterfahrung bis hin zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit vorzeitigem Ableben bei Familien mit
hohem Stresspotential und wenig Hilfe beim Erlernen von Stressregulation (Trösten, Beruhigen, Halt
geben,...) gedacht werden. Auf dieser Ebene s­ pielen
der Lebensstil und die Vorbildwirkung der ­Eltern
eine große Rolle.
Oftmals verschränkt sich eine solche direkt krankheitsbezogene Wirkungskette auch noch durch
­s oziale Selektionsprozesse und damit verbundenen
unterschiedlichen Chancen schulischer Bildung,
weiterer Berufswahl und dem sozialen Status im
Erwachsenenalter. Die berühmte Längsschnitt-Untersuchung von Feinstein8 zeigt in beeindruckender
Weise, wie die Bildungskarriere in aller frühester
Kindheit weit überwiegend vom sozialen Status der
Familie und nicht von der Begabung des ­Kindes bestimmt wird. Mit etwa sieben Jahren hat die Kohorte der schwach begabten Kinder aus guten sozialen Verhältnissen jene der gut begabten Kinder aus
schwachen sozialen Verhältnissen kognitiv überholt
und dieser Prozess schreitet auch sukzessive ­weiter
fort.
6
In Tierversuchen etwa ist die Übertragung von erhöhten Stresshormonen nach frühkindlicher Verwahrlosung in die nächste Generation zweifelsfrei nachgewiesen.
7 Blane, 2006, aus: M. Richter: Gesundheitliche Ungleichheit
8 Inequality in the Early Cognitiv Development of British Children,
2001
19
Zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Die Höhe des Bildungsabschlusses wiederum bestimmt die mögliche Berufswahl und somit das
Einkommensniveau und die weiteren sozialen
­L ebensumstände. Ein daraus häufig entstehender ungesünderer Lebenswandel, mit der Tendenz
­Lebenszufriedenheit über leicht verfügbare Konsumgüter herzustellen, schließt dann wieder den Kreis
der negativen gesundheitlichen Wechselwirkungen.
Dies ist nicht etwa bloß eine akademische Annahme oder Diskussion, sondern ein realer Befund der
­Lebenslaufforschung. So zeigt z.B. die Heinz Nixdorf
Recall-Studie aus dem Ruhrgebiet, dass die Häufigkeit von Erkrankungen wie Diabetes, Übergewicht,
Bluthochdruck und Angina Pectoris bei Erwachsenen im Alter zwischen 45-75 Jahren hoch signifikant
mit dem Beruf ihres Vaters korreliert – und somit mit
dem sozialen Status der Probanden in ihrer Kindheit9. Fazit: Die armen Kinder von heute, sind die
chronisch kranken Erwachsenen von morgen!
In der deutschen Best-Practice-Stadt Dormagen
wurde daher in einem beeindruckenden und von
allen Politikfeldern der Kommune gleichermaßen
getragenen Prozess, die s.g. »Präventionskette«
entwickelt, die Kinder und Jugendliche - vornehmlich aus psycho-sozio-ökonomisch schwierigen Lebenshintergründen – ganz gezielt und hilfreich über
die diversen Lebensübergänge begleitet (z.B. nach
der Geburt > in den Kindergarten > in die Schule >
in den Beruf). Der reale Benefit für die so erreichten Menschen und ihre weitere Biographie ist groß
und Dormagen hat mittlerweile die geringsten Kosten für Jugendhilfe in ganz NRW. Durch die besser
in die Gemeinschaft integrierten Bürger ergibt sich
ein extrem wertvoller gesellschaftlicher Zuwachs an
»Sozialkapital«. Eine absolute Win-Win-Situation auf
allen Ebenen!
Das Wissen, dass die soziale Herkunft ein klarer
Prädiktor für Erkrankungsrisiko ist und dass sie
die Gesundheitschancen ganz besonders in den
frühen, aber grundsätzlich in allen Lebensphasen
eines Menschen und sogar über Generationen
hinweg prägt, dieses Wissen wäre der Schlüssel für
pragmatische gesellschaftliche Konzepte des Gegensteuerns. Die Umsetzung solcher Konzepte hätte –
neben der Verminderung von viel persönlichem Leid
der betroffenen Menschen – auch große gesamtgesellschaftliche Relevanz, weil dadurch die so genannte
Gesundheitserwartung (die in Gesundheit verbrachten Lebensjahre) deutlich erhöht werden könnte. Die
Spanne zwischen der allgemeinen Gesundheits- und
Lebenserwartung ist ein riesiger volkswirtschaftlicher Kostenfaktor. Jede Maßnahme oder Veränderung, die diesen Korridor verkleinern kann, hebt
­einerseits das subjektive Wohlgefühl der Menschen
in unserem Land, indem sie diese gesünder, vitaler
und leistungsfähiger macht, und setzt dadurch wiederum Mittel frei, die wieder zum Wohl der Menschen, etwa im Bildungswesen, eingesetzt w
­ erden
können.
Zusätzlich zu jener Ungleichheit auf Grund der
Gruppenzugehörigkeit als Kind und der Ungleichheit durch einen sozialen Gradienten, kann auch
noch die Ungleichheit durch die Betroffenheit von
einem spezifischen Krankheits- oder Störungsbild
erhebliche Belastungen mit sich bringen. Damit sind
nun aber nicht die – quasi »schicksalshaften« – Belastungen gemeint, die per se in der Beeinträchtigung
selbst gelegen sind, sondern jene, welche erst durch
die unterschiedliche gesellschaftliche Akzeptanz
und in weiterer Folge durch sehr divergente öffentliche Verantwortungsübernahme, inklusive entsprechender Versorgungsstrukturen, entstehen.
Hier sind insbesondere Kinder und Jugendliche mit
körperlich-funktionellen wie auch kognitiv-psychosozialen Entwicklungsstörungen zu nennen. Die
fehlenden oder oft nur mit erheblicher Zuzahlung
erreichbaren Therapie- oder Rehabilitationsplätze belasten Familien finanziell schwer bzw. schließen jene Kinder de facto aus, deren Eltern nicht
über ein ausreichendes Einkommen für eine private Inanspruchnahme verfügen. Der oft hohe administrativ-logistische Aufwand bringt Familien mit
geringer Sozial- oder Systemkompetenz oder solche in schwierigen Arbeitsverhältnissen zum Straucheln. Der Zuständigkeitsstreit zwischen Fürsorge,
9
2000-2005
20
Ungleichheit auf Grund der Art der Erkrankung
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Jugendhilfe, Bildungswesen und Sozialversicherung
bezüglich der Kostenübernahme von therapeutischen Maßnahmen oder notwendiger Förderung
lässt das Kind, den Jugendlichen und seine Familie
mit dem Problem häufig alleine. So werden Betreuungsanforderungen für ein Störungsbild wie etwa
Autismus, das sich an der Schnittmenge all dieser
Politikfelder bewegt, im Zuständigkeitsstreit herumgereicht, die Kostenverantwortung für Heilbehelfe
zwischen Länder-, Sozialversicherungs- und diversen
Zuschusstöpfen in einer administrationsintensiven
Stafette weitergegeben und außergewöhnliche Aufwendungen, etwa für die speziellen Probleme bei
»rare diseases« oder »palliativ care«, oftmals dem
weiten Feld der Drittmittel-Finanzierung überlassen.
Das alles verstärkt die individuelle gesundheitliche
Chancenungleichheit exponentiell, weil es hauptsächlich Familien trifft, die ohnehin schlechter für
sich selbst sorgen können.
Die – aus diesen Ungleichheits-Perspektiven gesehen – ungünstigste Kombination eines Erkrankungsfalls in Österreich, ist jene, ein Kind mit einer
chronischen Entwicklungs­störung in einer sozial benachteiligten Familie zu sein. Dies ist insofern aber
paradox, als dass wir durch gesellschaftliche Bedingungen vermehrt gerade mit diesen Krankheitsbildern der »modernen Morbiditäten« rechnen müssen. Dem »Produkt« unserer Gesellschaftsform, also
den »Kindern unserer Zeit«, dann die notwendige
Unterstützung nicht zukommen zu lassen, wäre eine
fatale Entwicklung.
Heilen durch Teilen
Gesundheitliche Chancengleichheit von Beginn des
Lebens an ist eine der wichtigsten Ressourcen, die
wir Kindern mit auf ihren Lebensweg geben können.
Wir wissen auch, dass diese nicht nur dem einzelnen
Kind oder Jugendlichen, sondern der gesamten Gesellschaft nützt, weil es die »gesunden Lebensjahre«
und das Wohlergehen allgemein vermehrt und
einen enormen »social return on invest« erbringt.
Da die »armen« Kinder von heute die chronisch
kranken Erwachsenen von morgen sind, ist es viel
sinnvoller, ihnen heute ein perspektivenreiches und
so weit möglich, gesundes Leben zu gestalten, um
damit viel persönliches Leid zu verhindern und mit
deutlich geringerem Aufwand Chancen zu schaffen,
als später teuer für chronische Krankheiten zu bezahlen. Dies kann sich nicht etwa in einem System
von Vorsorgeuntersuchungen oder im Erstellen von
Broschüren erschöpfen. Beides verbessert den Gesundheitszustand nicht, wenn sie nicht auch eine
Verhaltensänderung bewirken. Eine solche ist im
Kinder- und Jugendbereich im Wesentlichen aber
nur über die Veränderung der Lebensräume, also
über die Verhältnisse, in denen sie leben, erzielbar.
Es braucht hierfür eine gesamtpolitische Schwerpunktveränderung hin zu einer sozialen Präventionspolitik an Stelle späterer staatlicher Absicherungspolitik (bei selbstverständlichem Beibehalten
des Solidaritätsprinzips der Sozialversicherung).
Maßnahmen wie »Frühe Hilfen«, ein Unterstützungssystem für Familien mit besonderen Belastungen rund um Geburt und frühe Kindheit, oder
eine »Kindergrundsicherung«, wo alle Transferleistungen und Zuschüsse gebündelt direkt dem Kind
zugeordnet und gewidmet sind, um einen armutsfreien Lebensstandard zu gewährleisten, könnten
hierbei hilfreiche Ansätze sein. 280.000 in Armutsgefährdung und 130.000 in manifester Armut lebende Kinder und Jugendliche in Österreich zeugen
von der Dringlichkeit solcher Angebote.
»Die Lebenslaufperspektive macht deutlich, dass die
Gesundheit eines Menschen das Produkt einer Interaktion von biologischen und sozialen Einflüssen in
verschiedenen Stadien seines Lebens ist. Einflüsse, die
bereits im Mutterleib auf den Organismus wirken,
das Wachstum des Säuglings, seine ersten Sozialisationserfahrungen und die späteren Lebensbedingungen des Kindes rücken in den Blickpunkt. Denn der
Körper scheint negative wie positive Erfahrungen zu
»erinnern«, und sie prägen seine Konstitution bis ins
hohe Alter. (Nico Dragano, 2009)
In einer brandaktuellen Umfrage geben 82% der
Österreicher auf die Frage: »Wodurch wird man
glücklich?«, die Antwort: »Gesundheit«. Klarer kann
der Wert dieses Guts nicht unterstrichen werden.
21
Zur aktuellen Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Zur aktuellen Lage der Kinder- und
Jugendgesundheit in Österreich 2015
Anfang 2014 haben wir aus Anlass des 5-JahresJubiläums dieses Berichts einen Rückblick auf die
wesentlichen Stationen und politischen Aktivitäten
2010-2014 gebracht. Auch durchaus mit Stolz kann
man sagen: Es ist uns gemeinsam mit vielen anderen
gelungen wichtige Impulse zu setzen und einiges in
Bewegung zu bringen. Die Hauptstationen, an denen wir maßgeblich (mit)gestalten konnten und die
zu konkreten politischen Produkten oder Agenden
­geführt haben, waren:
• Implementation einiger Kinderrechte in die Verfassung (2011)1,
• Kindergesundheitsdialog (2010-11) sowie Kinder- und Jugendgesundheitsstrategie des BMG
(2011)2 mit Einsetzung eines »Komitees zur Umsetzung der Kinder- und Jugendgesundheitsstrategie«,
• Das Kapitel Gesundheit im »Schattenbericht«
über die Umsetzung der Rechte der Kinder in
Österreich an die Menschenrechtskommission in
Genf (2011)3 mit den darauf replizierenden Concluding Observations4 und der folgenden Einsetzung
eines Kinderrechte-Boards im BMFJ,
• »Kinder- und Jugendgesundheit: die Zukunft
beginnt heute!« als Generalthema der Gesundheitsgespräche im Europäischen Forum Alpbach
2012 (die dahin bestbesuchten Alpbacher-Gesundheitsgespräche aller Zeiten),
• Untersuchung zu »Ausgewählten Fragen zur
Versorgung von Kindern und Jugendlichen
durch die österreichische Krankenversicherung« 5
sowie
• »Strategie der österreichischen Sozialversicherung zu bestimmten Aspekten der Kinder- und
Jugendgesundheit« 6 (beides 2012),
• »Rahmengesundheitsziele für Österreich« mit
1
www.kinderrechte.gv.at/kinderrechte-in-osterreich
Kinder- und Jugendgesundheitsstrategie:http://bit.ly/1CcIhJL
3 Schattenbericht: http://bit.ly/1Is4hBg
4
Concluding Observations http://bit.ly/1CcIH2S
5
Ausgewählten Fragen zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen: http://bit.ly/1IfP5qN
6
Strategie der österreichischen Sozialversicherung zu bestimmten
Aspekten von Kindern und Jugendlichen: http://bit.ly/1BmYxmz
2
22
dem Ziel 6: Gesundes Aufwachsen für alle Kinder und Jugendlichen bestmöglich gestalten
und unterstützen (2012)7
• Verordnung des BMWFJ über die »Abschätzung
der Auswirkungen auf junge Menschen im Rahmen
der wirkungsorientierten Folgenabschätzung
bei Regelungsvorhaben und sonstigen Vorhaben«
(2013) 8 sowie die
• »Politische Deklaration zur Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich« (2013) 9 und Eingaben zum Regierungsprogramm.
• Einigung der Sozialversicherung und der Bundesländer über die Finanzierung einer österreichweiten
stationären Kinderrehabilitation (2014)
• Parlamentarische Enquete zu 25-Jahre UN-Kinderrechtekonvention (2014)
• Uneingeschränkte Gültigkeit der Kinderrechte­
konvention durch Rücknahme des Erfüllungsvorbehalts per Ministerratsbeschluss (2015)
Aber es ist im Laufe dieser Zeit auch deutlich geworden, wie unglaublich schwierig es ist, von der
guten Idee oder Vision bzw. der theoretischen Themenentwicklung, zu einer Umsetzung auf der Maßnahmenebene zu kommen, die dann tatsächlich die
Menschen in ihrem Lebensalltag erreicht und ihre
Lebenssituation verbessert. Da ist noch vieles offen
und zu tun.
Noch nicht ausreichend angekommen sind unsere
politischen Aktivitäten bzw. Vorschläge zu:
• Aufbau einer »Kinderschutz-Allianz« als Zusammenschluss aller Akteure und Stakeholder in diesem
Arbeitsfeld
• Einrichtung einer fixen, aus Abgeordneten und ExpertInnen gemischt besetzen »Parlamentarischen
Kinderkommission«
In diesem Bericht 2015 wird nun wieder vor allem
auf das Grundsätzliche eingegangen und Neues aus
dem letzten Jahr berichtet.
7
Rahmengesundheitsziele: http://bit.ly/1EABSVK
Wirkungsorientierte Folgenabschätzung: http://bit.ly/1N1lPos
9
Politische Deklaration: http://bit.ly/1Hls1cx
8
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
1. Datenlage
Auch heuer kann nur wiederholt werden, was auch
schon in den vorigen Berichten Kern dieses Kapitels
gewesen ist: Wir wissen in Österreich zu wenig über
die Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen.
Um gesundheitspolitische Entscheidungen und Planungen zielorientiert vornehmen zu können, wäre
es dringend notwendig, Kindergesundheitsdaten
umfassend und standardisiert zu erheben. Es fehlen:
• solide und aussagekräftige Daten über den Gesundheitsstatus unserer Kinder und Jugendlichen,
• ein Monitoring im Sinne wiederholter systematisch-epidemiologischer Erhebungen, welches
Veränderungen und Entwicklungen abbilden kann,
• eine regelmäßige Kinder- und Jugend-Gesundheitsberichterstattung, sowie
• eine substantielle Versorgungsforschung, welche einerseits den Bedarf und andererseits die Angebote in der Versorgungslandschaft seriös ­erfasst.
Die umfassenden und kontinuierlichen Erhebungen
des Robert Koch Instituts zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (vgl. »KIGGSStudie«) könnten hierbei mit ihren bewährten Untersuchungsinstrumenten grundsätzlich als Vorbild
dienen.
2. Prävention und Gesundheitsförderung:
Schon in unserem Bericht 2010 haben wir beschrieben, dass sich die Risikofaktoren für Gesundheit
und Entwicklung sowie das Krankheitsspektrum
von Kindern und Jugendlichen fundamental verändert h
­ aben. Zunehmend sehen wir heute s.g.
Lebensstilerkrankungen, chronische Entwicklungsstörungen und psychosoziale Integrations- und Regulationsstörungen. Beinahe alle diese »neuzeitlichen« Krankheitsbilder haben die Wurzel ihrer
Entstehung in einem sehr frühen Lebensalter. Gerade Kindheit und Jugendzeit könnten daher die wichtigsten Lebensphasen für präventive und gesundheitsfördernde Angebote sein, weil die erzielten
Effekte über die gesamte weitere Lebens­spanne
wirksam sind. Es macht somit großen Sinn, die
Lebens­räume von Kindern gesundheitsfördernd zu
gestalten, zu einer Zeit, wo Verhalten noch gelenkt
und gelernt werden kann, anstatt später oft enorm teure therapeutische Programme für chronisch
­k ranke Erwachsene anbieten und finanzieren zu
müssen. Dies gilt für moderne »Volkskrankheiten«
wie z.B. Bewegungsmangel und Fehlernährung, die
in großem Ausmaß zu Übergewicht, Krankheiten
des Stütz- und Bewegungsapparates, Diabetes und
Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen, ebenso wie für
unangemessene psychosoziale Stressbelastung von
Kindern durch Armut, Gewalt, Überforderung oder
multimediale Vereinsamung, welche in Unruhe und
Störungen des Sozialverhaltens, Depression oder
andere psychische Erkrankungen münden. Dies sind
später die großen Kostenverursacher im Gesundheitswesen. Diese Gründe sind es auch, die Österreich im europäischen Vergleich zu einem Land mit
deutlich unterdurchschnittlicher Gesundheitserwartung machen.
Die Ausgaben für Gesundheitsförderung und Prävention werden in Österreich mit etwa 2,3% angegeben. International liegen sie bei etwa 5-6%.
Auf dieses Niveau sollten Sie jedenfalls auch in
­Ö sterreich angehoben werden. Kernelemente
­sollen Angebote in der (frühen) Kindheit sowie
­solche zur Verhinderung gesundheitlicher Ungleichheit sein.
In besonderer Weise werden benötigt:
• die flächendeckende Einrichtung eines Frühe-­
Hilfen-Systems nach dem internationalen Vorbild
der »early childhood interventions«;
• die Verbesserung von Bindungsqualität und
Erziehungs­kompetenz der Eltern
• Prävention von Gewalt und Vernachlässigung
• konkrete Maßnahmen sowie Weiterbildungs­
angebote zu den Bereichen Ernährung, Bewegung, Suchtverhalten und psychische Gesundheit, sowie zum interkulturellen Dialog und zur
Inklusion von Kindern und Jugendlichen;
• Stärkung der Gesundheitskompetenz von Familien mit Migrationshintergrund insbesondere durch
health-literacy-Programme für deren Eltern;
• Stärkung der gesundheitlichen Chancengleichheit durch Bekämpfung der Familienarmut, durch
beziehungs- und gesundheitsorientierte Bildungsarbeit sowie durch eine präventive Jugendhilfe.
23
Zur aktuellen Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
In einigen dieser Punkte sind erste erfreuliche Aktivitäten auf den Weg gekommen.
• »Frühe Hilfen« sind ein Gesamtkonzept von unterstützenden Maßnahmen in der frühen Kindheit,
welches die spezifischen Belastungen und Ressourcen von Familien erfasst, begleitet und mit (über)
regionalen Gesundheits-, Sozial-, Jugendhilfe- und
Bildungsangeboten vernetzt. Sie leisten einen ganz
zentralen und entscheidenden Beitrag zur gesundheitlichen Chancengleichheit vom Kleinkindesalter
an und sind international schon vielfach etabliert.
Daher hat die Österreichische Liga für Kinder- und
Jugendgesundheit dieses Thema erstmals im Jänner
2010 in ihrem Bericht und einer Tagung sowie Pressekonferenz gemeinsam mit der GAIMH in Österreich aufgebracht und seither kontinuierlich in vielerlei Veranstaltungen und Papieren dafür geworben.
Die »Gesundes Österreich GmbH« (GÖG) hat im
Auftrag des BMG ein »Grundlagenkonzept Frühe
Hilfen in Österreich« erarbeitet, welches fachlich
eine ausgezeichnete Basis für die weitere praktische
Umsetzung von Frühen Hilfen in Österreich darstellt. Finanziert durch ein Gesundheitsziele-Projekt
des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger
und der Pharmig, setzen die Liga für Kinder- und
­Jugendgesundheit und fünf Gebietskrankenkassen (W, NÖ, ÖO, Stmk, K) in einem gemeinsamen
­Verbundprojekt in diesen fünf Bundesländern kleine, regionale Modellprojekte – in Vorbereitung
auf einen späteren flächendeckenden Roll-out – bis
Ende 2015 um.
Mit Hilfe der so genannten Vorsorgemittel (2015 –
2017) und zum Teil auch aus den Landes-Gesundheitsförderungsfonds (2014-16) werden diese regionalen Frühe-Hilfen-Projekte weitergetragen,
regional ausgeweitet oder mancherorts auch neue
Projekte errichtet. Aus derselben Ressource wird
darüberhinaus seit Beginn 2015 in der GÖG ein
­»Nationales Zentrum Frühe Hilfen« nach dem Vorbild der gleichnamigen deutschen Institution aufgebaut. Die Paracelsus-Privatuniversität Salzburg und
St. Virgil haben – in Kooperation mit der Kinderliga
– einen Universitätslehrgangs für »early life care«
entwickelt und eine Stiftungsprofessur zur frühen
24
Kindheit mit dem bekannten Bindungsforscher
Dr. Brisch errichtet. Das alles markiert die nächsten Schritte der Entwicklung und ist durchaus als
Zeichen einer sehr erfreulichen und konsequenten
Fortführung der begonnenen politischen Strategie
zu ­sehen.
Bedauerlich ist jedoch, dass in einigen Regionen
Länder und Sozialversicherung sich nicht auf eine
strategische Zusammenarbeit oder sachlich-projektorientierte Kooperation verständigen konnten und
so nun diverse Parallel-Projekte entstehen. Zu hoffen
ist, dass sich diese verschiedenen Einzelaktivitäten
zumindest an jenem, von der GÖG aus dem Verbundprojekt entwickelten Leitfaden eines gemeinsamen »Österreichischen Modell der Frühen Hilfen«
orientieren, um den damit erreichten Menschen österreichweit ein ähnliches bzw. vergleichbares Angebot zu ermöglichen. Dies betrifft etwa die konkrete Angebotsstruktur vor Ort (niederschwellig,
aufsuchend, möglichst wenig segregativ, aber im
inhaltlichen Angebot selektiv und pass­g enau,...),
die ausgewogene Interdisziplinarität des Teams, die
Voraussetzungen an Qualität und Weiterbildung für
die Familienbegleitung, die Netzwerk-Koordination,
u.ä.m. Frühe Hilfen sind per Definition ein kooperatives Konzept, welches das konkurrenzfreie Zusammenwirken aller politischen Sektoren und aller
­Akteure im System braucht.
Grundsätzlich sollen Frühe Hilfen ein ganz allgemeines Angebot sein, das jede Familie mit neugeborenen oder kleinen Kindern erreicht, die es benötigt. Dies könnte im Rahmen eines freundlichen
»Willkommensbesuches« bei jedem neuen Erdenbürger in Österreich abgeklärt und angeboten werden. Im Projektrahmen des aktuellen Verbundprojekts war dies auf Grund der eingeschränkten Mittel
bis dato leider nicht möglich. Ein solches Basisangebot und die Überführung der Frühen Hilfen aus dem
Projektstatus in einen Regelbetrieb wären nun die
dringend erforderlichen nächsten Schritte.
Hoffen wir, dass der politische Wille und die Kontinuität für eine flächendeckende Umsetzung aufrecht bleiben. Im Regierungsprogramm werden die
Frühen Hilfen jedenfalls in den Kapiteln »Familie«
und »Soziales« explizit genannt.
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
• Eine sichere Bindung ist der fruchtbare Boden für
eine gelingende Eltern-Kind-Beziehung sowie ein
deutlicher Startvorteil für Kinder ins Leben. Sie sind
später widerstandsfähiger gegenüber Belastungen,
offener für Beziehungen sowie kreativer bei Problemlösungen und Lebensbewältigung. Die Kinderliga hat
in den letzten Jahren in Wien und Niederösterreich
sechs so genannter Safe-Elterngruppen zur Förderung der frühen Bindung mit großem Erfolg angeboten. Derzeit fehlt es aber leider an der Finanzierung weiterer Gruppen. Informationen können unter
www.safe-programm-austria.at abgerufen werden.
Um dem sinnvoll zu begegnen braucht es
• verstärkt bewusstseinsbildende Maßnahmen in
der Bevölkerung gegen Gewalt in der Erziehung und
gegen Gewalt in der Familie;
• die Einrichtung einer Kinderschutzallianz zur
Entwicklung von Standards und einer breiten strategischen Kooperation aller befassten Stake Holder (Kinderschutz-Zentren, Kinderschutz-Gruppen,
Justiz, Exekutive, Jugendwohlfahrt, Gesundheitswesen, Prozessbegleitung, u.a.m.);
• eine regelmäßige standardisierte Erhebung der
Gewaltprävalenz.
• Ca. 50% der Eltern bekennen sich in der Gewaltprävalenzstudie des BMWFJ 2011 zu »leichten Formen« der körperlichen Gewalt in der Erziehung (z.B.
»leichte Ohrfeige«, »Klaps auf den Po«), 16% sogar zu »schweren Körperstrafen« (»richtig den Po
versohlen«, »mit Gegenständen schlagen«). Dieser
Befund ist vor allem unter dem Aspekt erschütternd, dass wir seit 1989 ein gesetzlich verankertes
Gewaltverbot in der Erziehung haben, das besagt:
»Die Eltern haben bei ihren Anordnungen und deren
Durchsetzung auf Alter, Entwicklung und Persönlichkeit des Kindes Bedacht zu nehmen, die Anwendung von Gewalt und die Zufügung körperlichen
oder seelischen Leides sind unzulässig.«
Es ist auch klar dagegen aufzutreten, dass Kinder
oder Jugendliche mit Gewalterfahrungen in Gewaltschutzeinrichtungen für Frauen einfach »mitbetreut« werden. Es braucht ganz spezifisches Wissen
und Kompetenz um sachgerecht mit Kindern und
Jugendlichen arbeiten zu können (siehe Qualitätssicherung). Dies zu missachten, fügt ihnen neuerlich
eine weitere Form von struktureller Gewalt zu.
Schon Hans Czermak (»Die gesunde Ohrfeige
macht krank«, 1980) fragte sich, »warum 98% aller
Babys physisch und psychisch völlig gesund geboren
werden, aber bereits jedes zweite Kind schon nach
einigen Lebensjahren mehr oder weniger psychisch
gestört und behandlungsbedürftig ist«. Er führte
diese katastrophale Entwicklung auf die damals gängige und weitverbreitete Straf- und Prügelerziehung
zurück, der viele Kinder schon in frühester Kindheit
ausgesetzt waren und die ein Ausgangspunkt für
vielfältige Fehlentwicklungen Jugendlicher ist. Auch
heute noch sind die Phänomene Vernachlässigung,
Gewalt, Armut, Suchtbelastung sowie psychische
Erkrankung oder Überforderung der Eltern in viel
zu hohem Ausmaß vorhanden, wobei das Risiko
für eine schwierige und auffällige Entwicklung der
betroffenen Kinder kumulativ mit der Anzahl der
Belastungs­faktoren steigt.
• Die Thematik »Sucht« war 2014 auch Schwerpunkt der Projektförderung der Gesundheitsziele
aus dem Rahmen-Pharmavertrag. Bedauerlicher­
weise ist unser Forschungs- und Präventions-Projekt
zu jugendlicher Festkultur mit der NÖ-Landjugend
und dem Maturareiseveranstalter »Summersplash«
nicht angenommen worden (erste Ergebnisse vor
Ort waren sehr erfolgversprechend!). Gerade zu den
Themenbereichen dieses Absatzes braucht es aber
vor allem auch eine verantwortungsvolle Wirtschaft
und Industrie, die nicht nur das Geschäft mit der
jungen Zielgruppe im Auge hat, sondern auch deren
Wohlergehen, die nicht nur um des Profits willen
den Konsum stimuliert, sondern auch die gesundheitlichen und sozialen Folgen für den Einzelnen
und für die Gesellschaft beachtet.
In der aktuellen Rauchverbotsdebatte hat die Kinderliga verstärkt das Problem des unfreiwilligen Mit­
rauchens von Kindern thematisiert. Dies führt vor
allem in geschlossenen Räumen – sowohl im Wohnbereich, wie im Auto oder in der Gastronomie – zu
einer extrem hohen Gesundheitsbelastung für Kinder. Sie speichern diverse Schadstoffe (etwa Cotinin,
25
Zur aktuellen Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
etc.) doppelt so hoch wie rauchende Erwachsene!
Die Folgen gehen von plötzlichem Kindstod über
Kopfschmerzen, Husten und Asthma im Kindesalter bis hin zu später erhöhtem Blutdruck, Krebserkrankungen oder Verhaltensauffälligkeiten. Auch
die frühe Gewöhnung und die prägende Wirkung
des Tabaks sind nicht zu unterschätzen. Sie erklären vielleicht zum Teil, warum die Raucherrate der
15-Jährigen in Österreich die höchste in ganz Europa ist. Auch in der Schwangerschaft ist die indirekte
Rauchbelastung ein erhebliches Gesundheitsrisiko
für das Kind, da es zu deutlich erhöhten Zahlen an
Tod- oder Frühgeburten, Placenta-Störungen sowie vermehrten Fehlbildungen kommt. Umfassende
Raucheinschränkungen in anderen Ländern konnten
diese Raten signifikant senken.
• Um die Gesundheitskompetenz von Menschen
mit Migrations- und sozio-ökonomisch benachteiligtem Lebenshintergrund zu verbessern, wurde gemeinsam mit dem Verein beratungsgruppe.at das
Projekt »Wir begleiten Therapie (wibet)« entwickelt. Es bietet zur Überwindung von Kultur- oder
Sprachbarriere sehr niederschwellige, aufsuchende
Entwicklungsbegleitung für chronisch kranke Kinder und deren Familien durch muttersprachliche
Tutorinnen an10. Auch dieses Projekt wurde – unterstützt vom FGÖ und dem Integrationsstaats­
sekretariat – mit Ende 2014 mit großem Erfolg und
enormem Wissenstransfer für die betreuten Familien
und die versorgenden Institutionen abgeschlossen.
Leider konnten die Fördergeber eine, im Anschluss
an das Pilotprojekt, noch sinnvolle weitere Reifungs­
phase nicht mehr unterstützen. Da es von einigen
der ­Kooperationspartner aber weiterhin auch ohne
­P rojektstützung aus deren laufenden Budgets gebucht wird, konnte es so direkt in eine partielle
­Regelversorgung übergeführt werden.
• Bezüglich Inklusion v.a. im Bereich der Bildungsangebote hat der Eltern- und Selbsthilfebeirat
der Kinderliga und lobby4kids in vielen Gremien
wertvolle Arbeit geleistet. Eine wichtige Thematik sei hier herausgehoben: in der Diskussion um
10
wibet: http://bit.ly/18Q0L7a
26
ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr, wird
übersehen und verschwiegen, dass es eine wesentliche ­G ruppe von »Verlierern« dabei gibt. Es
sind dies die Kinder mit Gesundheits- und Entwicklungsbeeinträchtigungen. In der entsprechenden
15a-Vereinbarung findet sich ein Passus, der als
Ausnahmen vorsieht: »Kinder, denen aufgrund einer Behinderung oder aus medizinischen Gründen
beziehungsweise aufgrund eines besonderen sonderpädagogischen F­ örderbedarfes der Besuch nicht
zugemutet werden kann«. Was laut Auskunft ursprünglich als eine reine »Kann-Bestimmung« für
die freie Wahlmöglichkeit der ­Eltern gedacht war, ist
in der Realität ein u
­ nfreiwilliges Ausschlusskriterium
geworden. Kinder­gärten leiten daraus ab, dass sie
Kinder mit Entwicklungsstörungen nicht aufnehmen
­müssen. So ist es schon heute in vielen Regionen
nahezu unmöglich, für ein Kind mit sonderpädagogischem Förder­b edarf ­einen Kindergartenplatz vor
dem Schulbesuch zu bekommen, wobei aber gerade diese Kinder d
­ efinitionsgemäß einen solchen
besonders dringend benötigen. Ein absurdes Paradoxon, welches sich mit dem zweiten verpflichtendem Kindergartenjahr nur noch massiv verstärken
wird, sofern der Gesetz­geber es nicht löst, indem er
klar stellt, dass dieses »Recht« auf eine Betreuungsplatz natürlich auch – ja sogar ganz besonders – für
­Kinder mit Entwicklungsbeeinträchtigungen gilt.
In ihrem aktuellen Programm bekennt sich die
­Regierung »zur Stärkung der Gesundheitsförderung
und Prävention mit dem Ziel, die in Gesundheit verbrachten Lebensjahre deutlich anzuheben«. Im Abschnitt zur Kinder- und Jugendgesundheit wird die
»gesundheitliche Chancengleichheit und Gerechtigkeit« formuliert. Unter der politischen Absicht »den
Zugang zu Gesundheitsleistungen zu erleichtern
sowie Schwerpunkte in Gesundheitsförderung und
Prävention zu setzen«, werden einzelne Maßnahmen taxativ aufgezählt. Das größere Konzept der
vorliegenden Kinder- und Jugendgesundheitsstrategie findet sich darin allerdings leider nur marginal
wieder. Die Verhinderung von Armut bei Mehrkindfamilien und Alleinerziehenden, öffentlichkeitswirksame Maßnahmen gegen Gewalt gegenüber
Kindern und Bewusstseinsbildung zur Teilhabe von
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Kindern mit Beeinträchtigungen sowie Frühe Hilfen
als nachhaltiger Beitrag zur biopsychosozialen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen werden im
Kapitel Familienpolitik als Schwerpunkte formuliert.
Auch im Kapitel »Soziales« haben die Armutsbekämpfung, insbesonders bei Kindern, die Gewaltprävention und die Frühen Hilfen als wichtige
­A spekte Einzug gefunden.
Wir freuen und beteiligen uns gerne bei der Umsetzung dieser Maßnahmen.
3. Berufsübergreifende, interdisziplinäre Netzwerkarbeit
Kinder- und Jugendgesundheit ist eine Querschnittsmaterie und betrifft sowohl in der Entstehung wie
auch in der Bewältigung von Erkrankungen zumeist
mehrere Lebensräume. Um dieser Tatsache effizient
zu begegnen bedarf es auch einer interdisziplinären
und gut vernetzten Arbeitsform der befassten Gesundheitsberufe untereinander, wie auch mit den Partnerprofessionen aus der Pädagogik und Jugendhilfe. ­
Sinnvolle Netzwerkarbeit benötigt drei wesentliche
Aspekte: Kommunikation, Koordination und
Kooperation. Sie darf nicht bloß dem Zufall oder
dem »privaten« Engagement von Einzelpersonen
überlassen werden, sondern muss aus einer übergeordneten Perspektive mit Plan und Strategie nachhaltig eingerichtet und in ihrer neuen Arbeitsform,
vor allem hinsichtlich der kommunikativen Anteile,
ausgewogen finanziert werden. Netzwerke sind die
innovative Antwort auf die veränderten komplexen
Anforderungen und sind sowohl für die AnbieterInnen
als auch für die KonsumentInnen nachhaltig gesundheitsfördernd.
Interdisziplinäre, berufsübergreifende Netzwerkarbeit ist mittlerweile zu einem Schlüsselwort jedes
modernen Strategiepapiers geworden. Für einen
sowohl lebendigen wie auch nachhaltigen Bestand
braucht sie eine professionelle Gestaltung und muss
ein selbstverständlicher und honorierter Teil des
Arbeitsalltages werden. Gesundheitsberufe in der
niedergelassenen Praxis sind hierorts aber zumeist
Einzelkämpfer und Geld fließt nur, wenn der Indexpatient auch de facto in der Einrichtung ist. Es
braucht auch in Österreich Konzepte und Rahmenbedingungen für Teamwork von verschiedenen GesundheitsdienstleisterInnen – sowohl im niedergelassenen wie auch im institutionellen Bereich.
Im Kapitel »Gesundheit« des aktuellen Regierungsprogramms wird insofern darauf Bezug genommen,
als dass unter den prioritären Maßnahmen die »Etablierung von multiprofessionellen bzw. interdisziplinär organisierten Versorgungsformen im ambulanten Bereich« sowie »einheitliche Ansprechpartner
für PatientInnen zur Koordination von Gesundheitsförderung, Diagnose und Therapie sicherzustellen
sind.«
Diese Absicht soll nun österreichweit in der Form
von Primärversorgungszentren (Primary-HealthCare-Centers) umgesetzt werden. Bis dato ist in den
Planungen keine spezifische Angebotsebene für Kinder und Jugendliche vorgesehen. Wie schon einleitend vermerkt, stellen Kinder und Jugendliche aber
etwa 20% der Bevölkerung dar und sie brauchen in
vielen Aspekten inhaltlich völlig andere Angebote,
Kompetenzen und Herangehensweisen, Wissen
und Umsetzungsstrategien als Erwachsene. Dieses
Erfordernis ist nicht einfach »nebenher« durch die
eine oder andere punktuell beigezogene ExpertIn
­herzustellen.
Dafür braucht es im gesamten Team die durchgängige Kinder- und Jugend-spezifische Kompetenz von kinder- und jugendmedizinischen Angeboten über Krankenpflege und psychosoziale
Professionen zu den funktionellen Therapien bis hin
zu Sonder-, Heil- und Sozialpädagogik.
Zusätzlich könnten enorme Benefits und Synergien gehoben werden, indem spezifische ChildHeath-­C are-Centers in Kooperation etwa mit
einem nahen Bildungscampus oder Einrichtungen
der Jugend­h ilfe gedacht und in ein und der selben Zuständigkeit auch psychosoziale und Entwicklungsstörungen mitbetreut werden. Auch Gesundheitsförderung und Prävention sowie diverse
Public-Health-Aufgaben (von Stillgruppen über
Entwicklungsbegleitung bei spezifischen Fragestellungen, regionale Angebote für Migranten-Familien
27
Zur aktuellen Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
oder Gesundheitsförderung, One-stop-shop bzw.
One-Point-of-Service, Koordinationsstelle für FrüheHilfen, bis hin zu hoheitlichen Aufgaben, u.a.m.)
wären dort passgenau und vermutlich auch kostengünstig systemimmanent gut angebunden.
Gerade im Bereich der Kinder- und Jugendgesundheit besteht für diese Organisationsform und für das
Arbeiten im interdisziplinären Team auf Grund der
über 30-jährigen Erfahrungen in den Entwicklungsund Sozialpädiatrischen Zentren schon hohes praktisches Vorwissen und Kompetenz.
Kindern und Jugendlichen diese Chance wider
­b esseren Wissens der Notwendigkeit nicht zu Verfügung zu stellen, wäre ein großes Versäumnis und
ein Vorenthalten kommunaler Verantwortung.
4. Ausreichendes, kostenfreies diagnostischtherapeutisches Angebot
Das Fehlen von Österreichweit zumindest 6080.000 Therapieplätzen für Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen Entwicklungsstörungen
und Erkrankungen bei Wartezeiten von bis zu einem
Jahr und mehr, ist durch mehrere Untersuchungen
mittlerweile außer Streit gestellt. Seit der zunehmenden öffentlichen Bekanntheit dieser Mangelversorgung gibt es in manchen Bundesländern
durchaus beachtenswerte Absichten und auch erste
Aktivitäten für einen Ausbau des Versorgungsangebotes. Die Realität der faktischen Umsetzung hinkt
diesem Wunsch aber oft noch weit hinterher.
Nach wie vor gibt es ganze Bundesländer oder
große Regionen, in denen junge Menschen keine
Chance haben kostenfrei eine Behandlung durch Logopädie, Physio- oder Ergotherapie, Psychotherapie
oder Kinder- und Jugendpsychiatrie zu erhalten. Der
allergrößte Teil der niedergelassenen Versorgung ist
weiterhin mit einer Zuzahlung (ca. 30-60 EURO pro
Therapiestunde) verknüpft. Zuzahlungen aber gefährden bzw. verhindern notwendige Behandlungen
oder belasten Familien finanziell schwer. Der sonst
erhoffte Lenkungseffekt von Selbstbehalten im Gesundheitswesen ist in diesem Fall völlig kontraproduktiv, weil, je schwerer erkrankt oder behindert
28
ein Kind ist, je mehr Therapie es daher braucht,
desto größer wird die finanzielle Belastung und je
schwächer der finanzielle Hintergrund der jeweiligen
­Familie ist, desto weniger erhalten jene Kinder dann
die benötigte Therapie. Dies widerspricht der gesundheitlichen Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit eklatant. Zuzahlungen in der Behandlung
von Kindern und Jugendlichen sollten somit samt
und sonders und ohne Einschränkung ­aufgehoben
werden.
Für manche Bereiche der Versorgung entwicklungsbeeinträchtigter Kinder hat sich die öffentliche Hand
bis dato als nicht ausreichend zuständig erklärt. Dies
betrifft etwa die Behandlung von Menschen mit Autismus, die Palliativbetreuung von chronisch kranken
oder sterbenden Kindern, u.a.m. Auch in der Finanzierung von Hilfsmittel und Heilbehelfen müssen oft
erhebliche Zuzahlungen geleistet werden, welche
die finanziellen Möglichkeiten von Familien häufig
übersteigen. Der Organisationsaufwand für Verordnung, Bewilligung, Umsetzung und Finanzierung
­jener Heilbehelfe ist zusätzlich enorm, sodass einige
Eltern daran scheitern.
Für alle diese Fälle wurde mit Unterstützung der
­K inderliga und der Concordia Sozialprojekte über
­einen neuen »Verein zur Förderung der Kinder- und
Jugendgesundheit in Österreich« der so genannte
»Kinderhilfsfonds« (www.kinderhilfsfonds.at) eingerichtet. Dieser gewährt bei Bedarf unbürokratisch
aber mit hoher fachlicher Expertise finanzielle oder
organisatorische Hilfe, welche die Aufgaben der öffentlichen Verantwortungsträger nicht übernehmen
oder ersetzen, aber in dieser Mangelsituation die
große Belastung und Not für Familien mit chronisch
kranken Kindern etwas lindern kann.
Zentrale Aspekte jeder Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen sind Erreichbarkeit und Leistbarkeit der Angebote. Regionale Verfügbarkeit und
Kostenfreiheit sind daher die wesentlichen Faktoren,
an welchen entschieden wird, ob ein Kind oder
­Jugendlicher seine, oftmals im wahrsten Sinn des
Wortes »Not-wendige« Therapie bekommen kann
oder nicht.
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Was es für eine ausreichende Versorgung vordringlich braucht, sind:
• Ausreichende, kostenfreie diagnostisch-therapeutische Angebote für alle Kinder mit Entwicklungsstörungen und Erkrankungen, die sie benötigen.
• Eine entsprechende Bedarfs- und Versorgungsforschung
• Abschaffung aller Zuzahlungen im Bereich der
Kinder- und Jugendgesundheit
• Ausbau der integrierten Versorgung für Kinder
und Jugendliche mit Entwicklungsstörungen.
• One-stop-shops für die Hilfs- und Heilmittelversorgung.
• Therapieangebote (fix oder als mobile Dienste) in
Bildungseinrichtungen (dort wo die Kinder »sind«,
ohne Wegzeiten und Belastungen für die Familien)
• Rasche Umsetzung der vorliegenden KinderReha-Pläne
Ein Sonderthema der Versorgung ist die Rehabilitation. Obwohl der Bedarf inklusive Bettenzahl und
Qualitätsstandards politisch seit dem Kindergesundheitsdialog außer Streit gestellt ist und seit 1997
mittlerweile drei österreichweite Kinder-Rehabilitationspläne erarbeitet wurden, gibt es bis heute kein
einziges (Phase II -) Kinder-Reha-Zentrum. 7700
Plätzen für Erwachsene, stehen etwa 50, eher zufällig verstreuten Plätzen für Kinder gegenüber.
Höchst erfreulich ist aber zu berichten, dass mittlerweile zwischen dem HV-SVT und den Bundesländern eine Einigung über die gemeinsame Finanzierungsverantwortung erzielt werden konnte. Im
Zuge dessen wurde auch die Notwendigkeit einer
familien-orientierten Rehabilitation (therapeutische
Mitbetreuung von Familienmitgliedern bei Bedarf)
sowie die Gleichbehandlung von angeborenen und
erworbenen Störungen außer Streit gestellt. Dies
ist aus der Sicht der betroffenen Kinder und deren
­Familien sehr zu begrüßen, weil dadurch der Anspruch auf Behandlung nicht aus der Perspektive der
jeweiligen formalen Nicht-Zuständigkeit, sondern
aus der Perspektive des Bedarfs zugeordnet und
damit ein wertvoller Beitrag zur gesundheitlichen
Chancengleichheit geleistet wird.
Zu hoffen ist aber insbesondere auch, dass die
Auswahl der Standorte und der Träger ausschließlich nach qualitativen und fachlichen, nicht primär
nach (regional)politischen Kriterien erfolgt. Die Entscheidung soll aus der Perspektive für die Kinder
und Jugendliche getroffen werden und nicht über
die F­ rage, wer macht das Geschäft, oder lukriert
das Image und die Arbeitsplätze. Es gibt Anbieter,
die schon große Vorerfahrung in der medizinisch-­
therapeutischen Arbeit mit Kindern haben. Diese
sollten jetzt auch ihre Expertise einbringen können
und den Zuschlag bekommen.
Zuletzt sei noch darauf hingewiesen, dass auch für
Kinder und Jugendliche, ebenso wie bei Erwachsenen, die Möglichkeit der ambulanten Rehabilitation
eine sehr nützliche Alternative sein kann. Es gibt
oftmals gute fachliche Gründe für die Durchführung
im stationären Setting, aber auch ein wohnortnahes
ambulantes Reha-Angebot kann sehr sinnvoll sein
und manchmal für Familien leichter in den Alltag integriert werden. Sichergestellt müssen jedenfalls die
entsprechende Kompetenz eines interdisziplinären
Teams sowie die Rahmenbedingungen bezüglich
Ausstattung und Frequenz des Rehabilitationsangebotes sein. Hierfür gibt es ausgearbeitete Konzepte.
5. Qualitätssicherung
»Kinder sind keine kleinen Erwachsenen« ist ein bekannter Stehsatz, der nicht oft genug wiederholt
werden kann, aber von nicht einschlägig befassten
Menschen selten in seiner tatsächlichen Tragweite
verstanden wird. Um mit Kindern gut und sachgerecht arbeiten zu können, braucht es spezifisches
Wissen, altersadäquate Methodik und Rahmenbedingungen, unter denen diese Arbeit möglich ist.
Alle Maßnahmen für diese Zielgruppe müssen daher einer objektivierbaren, Experten gestützten und
grundsätzlich am Kindeswohl orientierten Qualitätssicherung unterliegen. Dies ist insofern wichtig, da
in einer marktwirtschaftlich- und dienstleistungsorientierten Gesellschaft zunehmend auch andere Motive eine große Rolle spielen.
Ein wesentlicher A spekt ist die Ausbildung
un d Q uali f ikat i o n vo n A nb i e te r I nn e n un d
29
Zur aktuellen Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
LeistungserbringerInnen. Derzeit gibt es definierte
Ausbildungen zur Kinder- und Jugendheilkunde,
Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Kinderkrankenpflege (die letzte scheint gefährdet). Im neuen
Psychologiegesetz ist nunmehr seit Juni 2014 eine
spezifische Kinder-, Jugend- und Familien-Psychologie Weiterbildung vorgesehen.
Um Kindern und Jugendlichen ihr Recht auf eine
fachgerechte Behandlung zu gewähren, braucht es:
• eine spezifische, verbindliche und zertifizierte
­Z usatzqualifikation für alle Gesundheitsberufe,
die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten (idealerweise durch die jeweilige Fachgesellschaft definiert
und organisiert),
• eine verpflichtende Registratur aller TherapeutInnen
mit Angabe, der – für die Versorgung – wesentlichen Eckdaten (dies brächte sowohl den KonsumentInnen wie auch den GeldgeberInnen mehr
Klarheit über die LeistungserbringerInnen),
• eine persönliche Eignung für die Arbeit mit
­Kindern, Jugendlichen und deren Familien
• sowie angemessene Rahmenbedingungen, d.h.
Struktur- und Prozessqualität, um dieser A
­ ufgabe
gerecht werden zu können.
Der Verein zur Förderung der Kinder- und Jugendgesundheit bietet als ergänzende Weiterbildung
für interessierte ÄrztInnen einen »Lehrgang für
Entwicklungs- und Sozialpädiatrie« und für
alle anderen Gesundheits-, Sozial- und pädagogische Berufe den »Interdisziplinären Lehrgang
für Kinder- und Jugendgesundheit« in Wien
und Salzburg an. Weitere Informationen unter­
www.gesunde-kindheit.at.
Wie wichtig neben der persönlichen Kompetenz und
Eignung sowie einer am Kind orientierten Werte­
haltung auch die Rahmen- und Strukturqualität
der ­Einrichtung ist, um gute Ergebnisse zu erzielen,
möchte ich an zwei Beispielen deutlich machen.
Im Bereich der institutionellen Kleinkindbetreuung ist es aktuell ein großes gesellschaftspolitisches Ziel, das quantitative, so genannte »Barcelona-Ziel« (d.h. 30 % der unter dreijährigen
30
Kinder in Krippenbetreuung unterzubringen), zu
­e rreichen. Andererseits weisen aber immer mehr
Studien darauf hin, dass – neben einer zu ­g eringen
zielgruppen-­
spezifische Qualifikation der
­PädagogInnen – vor allem ein nicht ausreichender
­Betreuungsschlüssel eine Stressbelastung für die
Kinder schafft, die sie altersadäquat nicht bewältigen können. Dies erzeugt langfristig Schäden,
welche sich in einem später schwierigen bis hin zu
dissozialem Verhalten ­äußern können und eine erhebliche Erschwernis für die weitere Schul- und
­Lebensbewältigung ­bedeuten.
Um das aktuelle Wissen über Qualität in der institutionellen Kleinkindbetreuung zu verbreiten, wurde unsererseits gemeinsam mit der deutsch-österreichisch-schweizer Gesellschaft GAIMH (German
speaking Association for Infant Mental Health) einiges an Medienarbeit geleistet und gemeinsam mit
dem »Netzwerk Lebensbeginn« die Publikation
»Qualitätsstandards in Einrichtungen für Familien rund um Schwangerschaft, Geburt und f­ rühe
Kindheit«11 herausgegeben. Eine international angesehene Leitlinie zum Thema der frühkindlichen institutionellen Betreuung stellt das Papier »Empfehlungen der Gesellschaft für Seelische Gesundheit
in der Frühen Kindheit (GAIMH) zur Betreuung
und Erziehung von Säuglingen und Kleinkindern
in Krippen« 12 dar. Innerhalb der ­K inderliga hat
sich im Herbst 2013 eine »Arbeitsgruppe Qualitäts­
sicherung in der frühen Kindheit« gebildet.
Auch im Regierungsprogramm wird in allen befassten Passagen nun von einer »quantitativen
und qualitativen Weiterentwicklung der
­e lementarpädagogischen Einrichtungen« gesprochen. Dies ist sehr zu begrüßen, weil eine bloß
»möglichst kostengünstige Aufbewahrungs­s tätte«
für unsere Kleinsten einen Schaden für diese selbst
und die Gesellschaft verursacht, dessen Zeche
­später teuer bezahlt werden muss.
Das zweite Beispiel betrifft den Kinderwunsch und
die technischen Möglichkeiten seiner Umsetzung.
11
12
Qualitätsstandards: http://bit.ly/1xpw30h
GAIMH: http://bit.ly/1FoEyLw
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Österreich weist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern eine völlig unangemessen hohe
Rate an frühgeborenen Kindern auf. Diese e­ rklärt
sich vorrangig aus der Reproduktionsmedizin, da
diese – ohne gesetzliche Limitierung – überwiegend
mehrere befruchtete Eizellen einsetzt, was zu übermäßig häufigen Mehrlings-Schwangerschaften und
Mehrlingsfrühgeburten führt. Dieses Vorgehen ist
hauptsächlich dem Profit der anbietenden ­Institute
geschuldet, weil das Versprechen einer hohen
Schwangerschaftsrate natürlich die zahlungskräftige Kundschaft motiviert. Gleichzeitig wissen wir
aber, dass Mehrlingsfrühgeburten zu einer erheblichen Zahl an entwicklungsbeeinträchtigten und
behinderten Kindern führen und neben der Not der
Betroffenen auch eine hohe ökonomische Belastung
für das allgemeine Gesundheitswesen darstellt. Eine
Einlings-Geburt etwa kostet im Allgemeinen Krankenhaus Wien ca. 9.000.-, Zwillinge 35.000.- und
Drillinge etwa 110.000.- allein für die Geburt und
die postpartale Betreuung. Aufgrund der häufigen
Beeinträchtigungen durch die Frühgeburt benötigen
Kinder danach oft noch jahrelange Therapien und
Fördermaßnahmen. Dies alles erzeugt oftmals erhebliches persönliches Leid für das Kind und deren
Familie und die Kosten müssen ebenfalls die Allgemeinheit oder die Familien zahlen. Würden sich die
Kinder das so wünschen?
Medizin-ethisches Ziel muss es daher sein, ein möglichst gesundes Kind am zu erwartenden Geburtstermin zu gebären. Dafür ist eine gesetzliche Regelung
in Richtung »Single-Embryo-Transfer« die richtige
Maßnahme. Schweden hat diesen Schritt schon vor
mehreren Jahren gesetzt und weist etwa die Hälfte
unserer Frühgeborenenrate auf. Zusätzlich braucht
es eine gute, vor allem psychosoziale Beratung und
Begleitung der, auf eine Schwangerschaft hoffenden
Eltern, unter der Prämisse des Kindeswohls. Es wurde von Seiten der Kinderliga hierzu im März 2011
ein Konsenspapier erarbeitet13 und die Thematik mit
Pressekonferenz und bei Diskussionsveranstaltungen
öffentlich gemacht. Die anfangs hohe und positive
Resonanz verebbte aber alsbald wieder.
13
Konsenspapier der Kinderliga: http://bit.ly/1FWq9p0
Auf Grund einer Erkenntnis des VfGH14 sowie eines
Entscheids des Europäischen Gerichtshofes für
­M enschenrechte15, wurde die Diskussion rund um
das Fortpflanzungsmedizingesetz unter anderen
­G esichtspunkten 2014 wieder aktualisiert. Leider
wurde dieser Diskurs großteils völlig undifferenziert und pauschalierend bloß als Ideologie-Debatte
zwischen dem »konservativ-katholischen Lager als
Gegner« und der »liberalen Position als Befürworter« des Gesetzes geführt. In dieser Polarisierung
war für eine sachliche Diskussion bezüglich einer inhaltlichen Verbesserung für die weitgehend unbedachte, aber hoch betroffene Bevölkerungs­gruppe
der so gezeugten Kinder, kein Platz. Nach nur
2 Wochen Begutachtungsfrist Ende 2014 wurde das neue FMedRÄG im Jänner 2015 im Nationalrat beschlossen. Die vorhandenen Chancen,
­d abei auch die hohe Frühgeborenen-Rate mit all
den nachteiligen Folgen für die Kinder durch eine
­L imitierung der eingesetzten befruchteten Eizellen zu senken, das Menschen- und Kinder-Recht
um das Wissen um seine Herkunft ausgewogen zu
­regeln, den K
­ inderwunsch-Eltern eine optimierte
Beratung und Begleitung durch die schwierige und
oft sehr belastete Zeit beizustellen oder durch eine
entsprechende Evaluation über qualitative Aspekte
der ­G eburt und über die weitere Entwicklung dieser Kinder Bescheid zu wissen, u.a.m. wurde leider
­versäumt, obwohl dies in allen politischen Strategiepapieren zur Kindergesundheit der letzten Jahre als
Ziel ­artikuliert wurde.
Schätzungen gehen davon aus, dass heute etwa 9%
unserer Kinder aus der medizinisch unterstützten
Fortpflanzung kommen. Keine kleine Gruppe also.
Die ersten Kinder aus der künstlichen Befruchtung
in Österreich sind mittlerweile 30 Jahre alt, aber wir
wissen nahezu nichts darüber wie es ihnen geht.
Jede andere medizinische Maßnahme muss sich mit
ihren qualitativen Ergebnissen überprüfen und beweisen. Das ist nichts Außergewöhnliches, sondern
14
Bezüglich Zulassung weiblicher homosexueller Paare zur
medizinisch unterstützten Fortpflanzung.
15
Das Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID) verstoße gegen
die EMRK.
31
Zur aktuellen Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
allgemein geübte Praxis. Warum nicht auch die
­Reproduktionsmedizin? Warum dieses Tabu?
Wenn das Ziel des ganzen fortpflanzungsmedizinischen Unterfangens das – nach Wissen und Gewissen – bestmögliche Leben eines neuen Menschen ist, dann sollte sich das Vorgehen und der
Inhalt des Gesetzes auch primär daran ausrichten,
die Perspektive des Kindeswohls klar zu definieren
und versuchen Schaden vom Kind abzuhalten. Wenn
das Kind aber bloß zum Produkt oder Projekt der
Wunscherfüllung wird, dann wird zwischen Angebot und Nachfrage alles was möglich ist sprichwörtlich »um jeden Preis« gemacht. Dass diesen Preis
aber oft die Kinder mit vorhersagbaren und vermeidbaren Beeinträchtigungen und schwierigen
Lebensverläufen bezahlen und die Eltern in der späteren Betreuung häufig sagen, sie wären über diese
möglichen Folgen niemals aufgeklärt worden, zeigt,
wie wenig das Kindeswohl oder der Kinderschutz
gegenüber ökonomischen Interessen und der vorgegaukelten optimalen Wunscherfüllung wiegt.
Unerfüllter Kindeswunsch kann eine sehr quälende
Belastung sein. Bei allem Respekt und Verständnis
dafür, muss dennoch die Frage gestellt werden dürfen, ob hier die Beseitigung des einen Leides mit der
Schaffung eines vermeidbaren Leides eines anderen
Menschen erkauft wird. Wenn in dieser Diskussion
oft mit hohem ethischen Druck darauf verwiesen
wird, dass »auch Menschen, die miteinander biologisch keine Kinder bekommen können, ein Recht
auf ein Kind hätten«, dann kann dem nur entgegenhalten werden, dass es eine gute Balance zwischen
den verschiedenen Rechten aller Beteiligten braucht.
Kinder sind ebenfalls Subjekte eigenständiger Rechte und es gibt kein »Recht auf einen anderen Menschen«, der einem für´s eigene Glück noch fehlt. Mit
derselben Argumentation könnte jeder ja auch etwa
ein Recht auf einen passenden Partner einfordern.
Aber wer stellt sich dafür zu Verfügung?
Die Stellungnahme der Kinderliga zum Gesetzes­
entwurf ist unter http://bit.ly/1EFEtAj nachzulesen.
32
6. Stärkung der Elternschaft
Eltern haben eine Schlüsselposition bei der Entwicklung von Gesundheit und Lebensstil ihrer Kinder.
Sie sind deren wichtigste Lebensraumgestalter und
haben den frühesten und lebenslang prägendsten
Einfluss auf die nächste Generation. Solche oder
ähnliche Statements haben wir schon häufig geschrieben. Sie sind unwidersprochen bzw. werden
durch vielerlei Untersuchungen bestätigt. Dennoch muss festgestellt werden, dass die Ressource
­»Eltern« noch viel zu wenig konkret genutzt und
respektiert wird. Bei vielen Gesundheitsthemen erreichen wir Kinder und Jugendliche nur über ihre
Eltern. Dies gilt präventiv ebenso, wie bei der kurativen oder rehabilitativen Begleitung (chronisch)
­erkrankter Kinder.
Für einen effizienten diagnostisch-therapeutischen
Prozess braucht es daher:
• Eine unlimitierte und kostenfreie Mitbetreuung der Eltern auf Indikation und ­e -card des Kindes oder Jugendlichen.
• Angebote zur Förderung der Gesundheits- und
Erziehungskompetenz von Eltern oder andern
­LebensbegleiterInnen.
• Bestmögliche Unterstützung der Eltern durch die
öffentliche Hand bei der Erfüllung dieser Aufgabe.
Allein das Faktum »Kinder zu haben« lässt Familien
statistisch auf ein niedrigeres Niveau des Lebensstandards fallen. Die höchste Armutsgefährdung
haben heute Alleinerzieherinnen und Mehrkindfamilien. Krankheit verstärkt diesen Prozess nochmals. Das faktische und emotionale »Sorgen« um
ein (chronisch) krankes Kind hindert an Berufstätigkeit. Es kostet Lebenskraft, Zeit und Geld und erschwert soziale Kontakte enorm. Die damit verbundene ­L ebensaufgabe und Schicksalsbewältigung
kann die Gesellschaft den betroffenen Familien
­o hnehin nicht abnehmen. Viele dieser Eltern machen darüber hinaus aber die Erfahrung, dass auch
mögliche Hilfen oft hart erkämpft und die Kraft
hierfür zusätzlich aufgebracht werden muss. Sie
­k lagen etwa über einen enormen Bürokratie- und
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Zuständigkeits­d schungel, über eine häufig erlebte
»BittstellerInnen Position« und über ihren Kampf um
Hilfsmittelfinanzierung, um Pflegegeldvalorisierung,
um die Integration von chronisch kranken oder verhaltensauffälligen Kindern in das K
­ indergarten- und
Schulsystem und vieles anderes mehr.
aktuellen politischen Agenda. Kinder- und Jugend(gesundheits)politik ist im besten Sinn des Wortes
­Z ukunftspolitik! Sie ist volkswirtschaftlich
höchst sinnvoll, soll insgesamt politisch priorisiert
werden und kann nur erfolgreich sein, wenn sie alle
Lebensräume berücksichtigt.
An dieser Situation hat sich in den letzten Jahren
leider nicht viel verändert. Die Stärkung und Unterstützung von Eltern und Familien werden im Regierungsprogramm zwar mehrfach erwähnt, eine Konkretisierung der Maßnahmen bleibt offen.
Geben wir Kindern eine Stimme!
7. Health in all Policy – Next Generation Policy
Kinder- und Jugendgesundheit ist eine Querschnittsmaterie, die als gesamtgesellschaftliche
Aufgabe verstanden werden muss, welche alle
staatlichen Sektoren und Organisationen betrifft.
Insofern sind auch alle Ressorts und Politikfelder
gefordert, kooperativ ihren Anteil an der gesellschaftlichen Verantwortung für ein umfassend
gesundes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen zu leisten.
Hierfür – und für unzählige lebenspraktische Beispiele auch – bräuchte es eine Ressort übergreifende Kinder- und Jugendgesundheits-Politik, wenn
­möglich mit Finanzierung aus einer Hand!
Stehsätze dieser Art sind mittlerweile in vielen unserer Papiere geschrieben worden. Erfreuliche
­A nsätze hierzu sind, dass jenes – eingangs erwähnte – »Intersektorale Komitee zur Umsetzung
der Kinder- und Jugend-Gesundheitsstrategie« eben
­intersektoral installiert wurde. Eine über Ihre Ressortgrenzen hinaus agierende Koordinationsstelle
für Kinder und Jugendgesundheit im BMG besteht
und auch im BMUKK wurde eine »Koordinationsstelle Gesundheit« eingerichtet. Für eine tatsächliche »Health-in-all-Policy«-Politik bedarf es aber
­einer deutlich höherrangigen Konsensebene.
Was es darüberhinaus aber noch ganz dringlich
braucht, ist eine starke Vertretung der Anliegen
und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen
im alltäglichen politischen »Geschäft« und in der
Unsere Vorschläge hierzu sind:
• Einrichten einer Parlamentarische Kinderkommission (mit Abgeordneten aller Fraktionen und
­E xpertInnen gemischt besetzt)
• Ein Ressort für Kinder-, Jugend- und Familienangelegenheiten
• Vollständige Aufnahme der UN-Kinderrechtskonvention in die österreichische Verfassung
Auch das haben wir schon öfter geschrieben, aber
es lohnt und ist die Wiederholung wert: »Eine
­Gesellschaft, die zukunftsfähig sein will, ist auf
die Gesundheit ihrer Kinder und Jugend dringend angewiesen. Bestmögliche Förderung
der körperlichen, seelischen und sozialen Gesundheit von Anfang an gehört zu den Grundrechten ­aller Kinder.«
Die Kinder von heute werden unsere Zukunft g
­ estalten.
Geben wir Ihnen dafür eine gute Gegenwart!
P.S.: Die Auflösung des Rätsels der verschieden
Schriftstärken in diesem Beitrag ist folgende: ab dem
Punk »1. Datenlage« bis zum Ende hier, sind alle
Textteile in grauer Schrift solche, die schon in früheren Berichten geschrieben wurden. Die blaue Schrift
markiert jene Texte, die heuer neu hinzugekommen
sind. Auch daran lässt sich gleich optisch ablesen,
wie langwierig Prozesse der konkreten ­Veränderung
oft sind.
Prim. Dr. Klaus Vavrik · Präsident der Österreichischen
Liga für Kinder- und Jugendgesundheit
33
Organigramm
VORSTAND
NOMINIERTE
MITGLIEDER
Klaus Vavrik
Christina Wehringer
Alfred Stiskal
Eva Mosar Mischling
Irene Promussas
Georg Streit
Hedwig Wölfl
Lieselotte Ahnert
Günther Bernert
Harald Geiger
Gerald Koller
Katharina Kruppa
Werner Leixnering
Grete Melzer
Ulrike Schulz
Hedwig Wölfl
ETHIK-BEIRAT
INSTITUTIONELLE
MITGLIEDER
ELTERN-SELBSTHILFEBEIRAT
KOOPERATIONSPARTNERSCHAFTEN
Vorsitz:
Karin Kalteis
Vorsitz:
Irene Promussas
Gerald Bachinger
Lukas Kaelin
Barbara Maier
Maria Kletecka-Pulker
Helmut Sax
Delegierte der
Verbände
Lobby4Kids – Kinderlobby
Kinder-Lobby
KiB Children Care
KEKS
SHG „Eltern Anders“
SHG Rheumalis
VKKJ
In der Versorgung tätige
Organisationen
Wissenschaftlich und lehrend
tätige Organisationen
BV Kinderkrankenpflege Ö.
BV Logopädie Austria
BV Österr. PsychologInnen
BV Österr. Kinderschutzzentren
Deutsche Liga für das Kind
Ergotherapie Austria
Ges. d. SchulärztInnen Ö.
Ges. f. Sensorische Integration
Ö. Ges. f. Allgemein- und
Familienmedizin
ÖG f. Kinder- und
Jugendpsychiatrie
ÖG f. Psychosomatik in
Gynäkologie und Geburtshilfe
ÖBV der MusiktherapeutInnen
ÖBV f. Psychotherapie
Österr. Kinderschutzbund
Österr. Hebammengremium
Physio Austria
Pikler-Hengstenberg-Ges.Ö.
Plattform Educare
Verb. d. Diaetologen Ö.
V d. Still- und LaktationsberaterInnen Ö.
V. Ö. PsychotherapeutInnen
aks
Aktion Leben
Caritas d. Erzdiözese Wien
DV österr. Autistenhilfe
Diakonie Zentrum Spattstraße
Die Boje
Die Eule
Die Möwe
Ges.f. g. Förderung u.Therapie
Institut für Erziehungshilfe
Kinderhospiz Netz
KH Barmherzige Brüder
MOKI
ÖGF
PGA
ProMami NÖ
Rainbows
Rudolf Ekstein Zentrum
STEP-Baumgartenberg
SOS Kinderdorf
Telefonseelsorge OÖ
Therapieinstitut Keil
Unabh. Kinderschutzzentrum Wien
Verein Kind-Familie-Umwelt
VKKJ
Vorarlberger Kinderdorf
Wiener Hilfswerk
Wiener Kinderfreunde
(Beratungsstellen)
AG Psychoanalytische Pädagogik
BIFEF
Ganztagsvolksschule Novaragasse
IGfB – Int. G. f. Beziehungskomp.
ökids
ZAEG
St.Virgil Salzburg
WISSENSCHAFTLICHER
BEIRAT
Vorsitz:
Lieselotte Ahnert
Netzwerk Kinderrechte
Politische Kindermedizin
Berufsverbände und
Fachgesellschaften
34
FAMILIENBEIRAT
(IN ENTWICKLUNG)
Thomas Amegah
Karin Berghammer
Günther Bernert
Barbara Burian-Langegger
Wolfgang Dür
Helmuth Figdor
Andrea Fleischmann
Petra Gajar
Ernst Gehmacher
Franz Grill
Sabine Haas
Birgit Hartel
Reinhard Kürsten
Renate Mitterhuber
Michael Musalek
Wolfgang Novak
Peter Pantucek
Franz Piribauer
Claudia Reiner-Lawugger
Hanni Rützler
Martin Schenk
Erna Schönthaler
Brigitte Sindelar
Manuel Sprung
Walter Strobl
Leonhard Thun-Hohenstein
Renate Winter
Karl Zwiauer
Gesundheitsfördernd und
präventiv tätige Organisationen
Gesundheitsfördernd und
präventiv tätige Organisationen
beratungsgruppe.at
BOJA
LV d. EV an mittleren u. höheren
Schulen Ö.
DV der unabhängigen EKIZ Ö.
Elternwerkstatt
FamilyLab
FEM
Forum Kath. Erwachsenenbildung
- Elternbildung
Katholischer Familienverband Ö.
LV Katholischer Elternvereine Wiens
Nanaya
Österreichische Jugendinfos
Ö. Kinder- und Jugendvertretung
Österr. DV d. EV an den
öffentlichen Pflichtschulen
Plattform Elterngesundheit
PRAEV CIRCLE
SPORTUNION Österreich
St. Nikolausstiftung Erzdiözese
Wien
Verb. d. EV a.d. Höheren u.
Mittleren Schulen Wiens
Welt der Kinder
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Die Liga und das Jahr 2014
Die Österreichische Liga für Kinder- und Jugendgesundheit (kurz: Kinderliga) blickt auf 6 Jahre
gemeinsamen Engagements für die Kinder- und
­Jugendgesundheit zurück und präsentiert damit
heuer den sechsten Jahresbericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit.
2014 hat die Kinderliga den Themenschwerpunkt ­»Bildung & Gesundheit« gewählt und die
»Beziehungs­b ildung« als eine wichtige Säule der
Kindes­entwicklung, diesen Aspekt führen wir auch
2015 im Rahmen der Bildungsdialoge fort.
Wir blicken auf eine zu weiten Teilen sehr positive
­Bilanz 2014 zurück. Kinder- und Jugendgesundheit
hat weiterhin an Relevanz zugenommen und stellt ein
wichtiges politisches und mediales Thema dar. Nicht
zuletzt durch den gemeinsamen Aufruf von Gesundheitsministerin Oberhauser und Sportminister Klug
Österreich soll »Europameister der Kindergesundheit«
werden. Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen ist
noch viel zu tun, doch gerne arbeiten wir an der Verwirklichung mit.
Die Kinderliga freut sich über die stetig wachsende
Zahl an Mitgliedern, die uns den Rücken stärken und
eine gemeinsame starke Stimme für die Kinder- und
Jugendgesundheit in Österreich sind:
Mitglieder im wissenschaftlichen Beirat:
• Dr. Thomas Amegah, MAS (ÖGD), MPH (Public
Health, Gesundheitsförderung).
Die stetig wachsenden Aufgaben lassen auch unser
Team wachsen. Aktuell sind acht Personen im operativen Team tätig. Im August 2014 hat die Kinderliga daher auch größere Büroräume in der Bürogemeinschaft von World Vision in der Graumanngasse
7/C-2 im 15. Bezirk bezogen.
MitarbeiterInnen
Österreichische Liga für Kinder- und Jugendgesundheit
• Martina Wolf – Geschäftsführung
• Mag.a Sarah Koller – Veranstaltungsorganisation
und Assistenz der Geschäftsführung
• Lisbeth Christely, MSc – Fundraising und
Strategische Kommunikation
• Mag.a Hedwig Wölfl – Regionale Projektleitung
Frühe Hilfen Modelregion Wien
• Mag.a Franziska Pruckner – Koordination Frühe
Hilfen Modellregion Wien
• Verena Bittner-Czettl – Öffentlichkeitsarbeit,
extern
Verein zur Förderung der Kinder- und Jugend­
gesundheit in Österreich
Neue Mitgliedschaften
Wir freuen uns über neue Mitglieder:
• Daniela Koller – Sachbearbeitung Kinderhilfsfonds
• Doris Staudt – Lehrgangsmanagement
Institutionelle Mitglieder:
• Bundesjugendvertretung
• Dachverband österreichische Autistenhilfe
• FEM- Institut für Frauen- und Männergesundheit
• Ganztagsvolksschule Novaragasse
• ÖGAM - Österreichische Gesellschaft für
Allgemein- und Familienmedizin
• Österreichische Jugendinfos
• St. Nikolaus Kindertagesheimstiftung
• St. Virgil Bildungs- und Konferenzzentrum,
Seminarhotel Salzburg
• Wiener Hilfswerk
Interne Gremienarbeit
• Halbjährliche Sitzungen der Fachgesellschaften
und Berufsvertretungen
• Halbjährliches Jour-Fixe der Wiener Kinder- und
Jugendgesundheitsversorgung, wobei hier auch
einige Organisationen beteiligt sind, die (noch)
nicht Mitglied in der Liga sind
• Jährliche/halbjährliche Mitgliederversammlungen
(Treffen der nominierten Mitglieder)
• Jährliche Mitgliederkonferenz (Vernetzungstreffen
aller Mitgliederorganisationen)
• Regelmäßige Sitzungen von Arbeitsgruppen,
wie der AG »Qualitätssicherung in der Frühen
­Kindheit«
35
Die Liga und das Jahr 2014
ÖSTERREICHISCHE LIGA FÜR KINDER-UND
JUGENDGESUNDHEIT
Veranstaltungen
2. Jahrestagung der Österreichischen Liga für
Kinder- und Jugendgesundheit
Von 2. bis 4. Oktober 2014 fand die 2. Jahrestagung
Modellprojekt Frühe Hilfen.
zum Thema »beziehung:bildung – Auf dem Weg zu
Die Kinderliga ist Kooperationspartnerin in einem einer pädagogischen Klimaerwärmung« in KooperaProjektverbund mit fünf Sozialversicherungsträgern tion mit dem Forum Lebensqualität im Europahaus
(GKK von W, NÖ, OÖ, Stmk, K). Das Projekt wird Wien statt. Angeboten wurden Fachvorträge, sowie
im Rahmen der Gesundheitsziele aus dem Rahmen-­ Dialogrunden, Co-Creation-Settings zur Vernetzung
Pharmavertrag finanziert und läuft noch bis Ende zwischen den TeilnehmerInnen. Aus verschiedenen
2015. In jedem der fünf Bundesländer wurde ein re- Perspektiven wurde der Frage nachgegangen, wie
gionales Frühe-Hilfen-Modellprojekt eingerichtet, eine zukunftsorientierte gesundheitsfördernde
das ausgewählte, psychosozial belastete Familien ­B ildungskultur beschaffen sein könnte, die das
begleitet. Die Kinderliga hat hier den Part der Qua- Wohlergehen der gesamten Gesellschaft im Blick
lifizierung und Sensibilisierung der befassten Profes- hat. Eine besondere Freude war das besonders wertsionen übernommen, hat die Fortbildung konzipiert schätzende Feedback, das wir von unseren Teilnehund durchgeführt und die Kick-Off Veranstaltungen merInnen erhalten haben.
für relevante Berufsgruppen (Vernetzungspartner
und Zuweiser) in den Regionen organisiert. Auf ­Basis 2. Familientag
der Erkenntnisse aus diesem Modellprojekt ist ein Der 2. Familientag wurde in Kooperation mit dem
­österreichweiter Roll-Out geplant.
DSCHUNGEL WIEN, dem ZOOM Kindermuseum
und der wienXtra-kinderinfo am 22.11.2014 verHigh + Responsible Award,
anstaltet. Anlässlich des 25-Jahres-Jubiläums der
ist eine österreichweite Initiative zur Rausch- und Unterzeichnung der UN-Kinderrechtskonvention
Risikobalance von Jugendlichen in Nightlife, Gas- sowie 2
­ 5 Jahre Gewaltschutz in Österreich und in
tronomie, Spiel und Sport. In diesem dreijährigen zeitlicher Nähe zum Internationalen Tag der Kin­Kooperationsprojekt werden jährlich 15 Betriebe derrechte, haben wir neben unserem Jahresthema
ausgezeichnet, die besondere Sensibilität im Um- »Beziehungsbildung« thematisch die Kinderrechte
gang mit Rausch und Risiko bei jugendspezifischen in den Fokus des Familientags gestellt. Vor Ort waAngeboten zeigen. Das Projekt startete 2014, die ren 20 Beratungs- und Informationsstände unserer
­e rsten GewinnerInnen werden im Frühjahr 2015 Mitgliederorganisationen, teilweise mit Mitmach­m edial präsentiert, sowie die nächsten Vorschläge stationen vertreten. Es gab Informationsmaterifür das Jahr 2015 gesammelt. Die Kinderliga stellt al zu den ­K inderrechten, sowie eine Spielecke, die
den inhaltlichen Support für den Award.
von der Kinderliga betreut wurde. Ein hochwertiges Programm mit Kontaktjonglage, Theater- und
SAFE®,
Tanzworkshops, einer interaktiven Installation und
Projekt zur Förderung der frühen Eltern-Kind-Bin- ­Z auberei wurde für Kinder angeboten. Erwachsedung. Start der ersten Elterngruppen in Wien und ne konnten bei Fachvorträgen von vorgeburtlicher
­einer weiteren Gruppe in Niederösterreich. Ein Kon- Beziehungsbildung bis zu Jugendlichen unterschiedzept zur Realisierung weiterer Gruppen in verschie- liche Inhalte sammeln und sich bei den Informatidenen Bundesländern ist derzeit in Entwicklung.
onsständen austauschen. Der 2. Familientag war
gut besucht und hat den Kindern sichtlich Spaß
­gemacht.
Projekte
36
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Bildungsdialoge
finden 2015 landesweit unter dem Titel ­»Beziehungen
Bilden« in Kooperation mit dem Forum Lebensqualität statt. Thematisch soll damit das Jahresthema
2014 der Kinderliga »Beziehungsbildung« in die
­österreichischen Bundesländer gebracht werden und
einen Diskurs über eine menschengerechte Bildung
der Zukunft in die Wege leiten. Unterschiedliche
­B ildungspartnerInnen laden dazu gemeinsam mit
der Kinderliga ein, am 5.9. 2015 werden die Ergebnisse in Schattendorf/Burgenland präsentiert und
der Abschluss der Bildungsdialoge gefeiert.
Alle Termine & Informationen unter:
www.bildungsdialoge.at
Öffentlichkeitsarbeit
Neben der Bearbeitung zahlreicher Journalistenanfragen leistete die Kinderliga auch proaktiv Medienarbeit:
• 30.1.2014 – Pressekonferenz: 5. Bericht zur
Lage der Kinder- und Jugendgesundheit.
Das inhaltliche Jahresthema 2014 der Kinderliga ist
»Gesundheit und Bildung«, im Besonderen »Beziehungs-Bildung« als Kern jedes Bildungsprozesses
und als Grundlage für freudvolles und nachhaltiges
Lernen in allen Altersstufen.
• 27.4.2014 - Presseinformation zur Budgetrede
»Österreich darf nicht AN, sondern soll FÜR die
Zukunft seiner Kinder und Jugendlichen sparen«
In Hinblick auf die Budgetrede der Regierung zwei
Tage später, forderte die Kinderliga die politischen
Verantwortlichen auf, die Zukunftsgestaltung Kinder
und Jugendlicher nicht auf den Sparplan zu setzen.
• 28.5.2014 – Presseinformation: Im Sinne des
Kinderschutzes: Kinderliga begrüßt Forderung
des Gesundheitsministers nach Verbesserung
des Nichtraucherschutzes.
Die Österreichische Liga für Kinder- und Jugendgesundheit begrüßt, dass der Gesundheitsminister
Alois Stöger in seiner Forderung nach rauchfreier
Gastronomie auch an die Kinder denkt und weitere
Verbesserungen zum Schutz von NichtraucherInnen
in Erwägung zieht.
• 28.8.2014 – Presseinformation »Qualität vor
Quantität in der Kinderbetreuung«
Ein Appell der Kinderliga nach mehr Qualität, einem
angemessenen Betreuungsschlüssel und einer qualitativ hochwertigen Ausbildung in Bezug auf die
­Betreuung von Kleinkindern.
• 20.9.2014 – Presseinformation »Bildung ist
wichtiger Faktor für gesunde Entwicklung«
Den Weltkindertag 2014 nimmt die Kinderliga zum
Anlass, um auf den unmittelbaren Zusammenhang
von Bildung und Gesundheit aufmerksam zu machen.
• November 2014: Medienarbeit rund um den
2. Familientag.
Der zweite Familientag der Kinderliga widmete sich
inhaltlich dem 25-jährigen Jubiläum der Unterzeichnung der UN-Konvention Österreichs und dem Internationalen Tags der Kinderrechte (20.11.)
• 17.11.2014 – Presseinformation »Ein Jahr
Kinderhilfsfonds: Österr. Kinderliga zieht Bilanz«
Seit seiner Gründung im November 2013 konnte der
Kinderhilfsfonds bereits knapp 100 Anträge auf Soforthilfe bearbeiten und kranken Kindern rasch und
unbürokratisch zu den dringend notwendigen Behandlungen und Therapien verhelfen.
• 3.12.2014 – Presseinformation »Die Österr. Liga
für Kinder- und Jugendgesundheit (Kinderliga)
nimmt Stellung zum Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015-FMedRÄG 2015
und fordert dringend die Berücksichtigung
des Kindeswohls als zentrales Ziel im neuen
Gesetzes­entwurf ein«.
Die Kinderliga begrüßt grundsätzlich die Bemühungen um eine zeitgemäße Aktualisierung des Fortpflanzungsmedizingesetzes. Es gilt jedoch hierbei
sicher zu stellen, dass bereits ab der Entscheidung
eine reproduktions-medizinische Maßnahme in Anspruch zu nehmen, das Wohl des Kindes als zentrales
Ziel in den gesetzlichen Regelungen Beachtung findet. Daher hat sich ein multiprofessionelles ExpertInnen-Team der Liga mit dem Gesetzesentwurf auseinandergesetzt und gemeinsam eine Stellungnahme
verfasst.
37
Die Liga und das Jahr 2014
(Fach-)Politische Aktivitäten
• Wiederkehrende Beratungstätigkeit für politische
EntscheidungsträgerInnen.
• Parlamentarische Enquete Kinderrechte (mit
­d irekter Partizipation Jugendlicher) organisiert
vom Netzwerk Kinderrechte. Statement der
­Kinderliga.
• Kinderrehabilitation: mehrfache Gespräche bei
EntscheidungsträgerInnen auf Basis der Empfehlungen der Kinderliga.
• Stellungnahmen zu diversen gesundheits- oder
gesellschaftspolitischen Fragen und Gesetzesentwürfen (Fortpflanzungsmedizinrechtsänderungsgesetz 2015, NAP-Menschenrechte, …)
• Kinderschutz-Allianz. Bemühungen zur Realisierung der Allianz und erste Gespräche mit dem
BMJF dazu.
• Teilnahme an Gremienarbeit bzw. ExpertInnenmeetings; wie Österreichische Rahmengesundheitsziele Plenum BMG, Fachbeirat Frühe Hilfen
GÖG, Schulärztliche Untersuchung, KinderrechteMonitoring-Board BMWFJ …
• Wiederwahl in den Vorsitz des intersektoralen
­Komitees zur Umsetzung der Kinder- und Jugendgesundheitsstrategie.
• Erarbeitung und Kommunikation des »Maßnahmenkatalogs zur Verbesserung der Kinder- und
Jugendgesundheit in Österreich« – Übergabe an
die regierungsverhandelnden Parteien.
VEREIN ZUR FÖRDERUNG DER KINDER-UND
JUGENDGESUNDHEIT
Fortbildungsangebot
• Der Lehrgang Entwicklungs- und Sozialpädiatrie
ist unser Fortbildungsangebot für ÄrztInnen. Der
erste Durchgang mit 8 Modulen wurde mit ­äußerst
positiver Bewertung der TeilnehmerInnen an den
zwei Veranstaltungsorten (Wien und Salzburg) abgeschlossen. Aktuell läuft die Anmeldung für den
nächsten Lehrgangsstart im Herbst 2015!
• Der Interdisziplinäre Lehrgang Kinder- und
Jugendgesundheit – wurde für Gesundheits-,
­Bildungs- und psychosoziale Berufe konzipiert. Der
Lehrgang besteht aus neun Modulen, die nach Verfügbarkeit auch einzeln besucht werden können.
Der erste Durchgang – ebenfalls in Wien und Salzburg – ist gerade in der Schlussphase.
Weitere Informationen: www.gesunde-kindheit.at
Kinderhilfsfonds
Der Kinderhilfsfonds ist als Direkthilfe für Familien,
die durch die Erkrankung oder Behinderung ihres
Kindes in Not geraten sind vom Verein zur Förderung
der Kinder- und Jugendgesundheit ins Leben gerufen worden. Der Kinderhilfsfonds ermöglicht eine
Teil-, Voll- oder Zwischenfinanzierung von Therapien
und Heilbehelfen und unterstützt somit Familien bei
­Bedarf auf finanzieller sowie sozialer Ebene.
Der Erfolg des Kinderhilfsfonds freut uns zwar, zeigt
aber gleichzeitig, dass Kinder, die krankheitsbedingt
durch die Lücken des Systems fallen, dringend Hilfe
benötigen. Über 100 Fälle, die seit Ende 2013 schon
bearbeitet wurden und die erhöhte Nachfrage verdeutlichen die schwierige Lage. Wir suchen daher
­aktiv Unterstützung und bitten um Spenden unter:
www.kinderhilfsfonds.at
Martina Wolf, Mag.a Sarah Koller
38
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Verein zur Förderung der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich
Helfen Sie mit,
Kindern eine
Stimme zu geben!
Wenn Sie meinen, Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf bestmögliche Gesundheit und
Entwicklung, unabhängig von sozialem Status,
Geschlecht, Herkunft, Bildung oder Wohnort;
wenn Sie denken, dass es sinnvoll ist, in die Zukunft junger Menschen zu investieren; wenn Sie
die Ziele und Anliegen der Österreichischen Liga
für Kinder- und Jugendgesundheit teilen und ihre
Aktivitäten unterstützen wollen:
Dann freuen wir uns über Ihre Spende!
Spendenkonto:
Die Ärztebank
IBAN: AT 71 1813 0502 9004 0001
BIC: BWFBATW1
Vielen herzlichen Dank!
Kranke Kinder brauchen
unsere Hilfe
Ohne spezifische Widmung wird Ihre Spende von
uns im bestmöglichen Sinn für die Gesundheit
von Kindern und Jugendlichen verwendet. Falls
Sie für einen besonderen Zweck spenden wollen,
schreiben Sie dies bitte auf den Einzahlungsbeleg.
Spendenkonto
IBAN: AT 88 1813 0808 8932 0001
BIC: BWFBATW1
Die Ärztebank
Ihre Spende ist spendenbegünstigt!
Registrierungsnummer: FW 2332
Sie möchten Teil der Liga werden und helfen, Kindern eine Stimme zu geben? Wir freuen uns, Sie
als »Förderndes Einzelmitglied« oder Organisation begrüßen zu dürfen! (ab EUR 35,– pro Jahr)
Vielen herzlichen Dank!
www.kinderhilfsfonds.at
www.kinderjugendgesundheit.at
39
Gastbeiträge
41
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Martin Schenk
Sozialexperte der Diakonie u. Mitbegründer d. »Armutskonferenz«,
Lehrbeauftragter an der Fachhochschule Campus Wien, Aktuelle
Publikation »Handbuch Armut in Österreich« im Studienverlag.
Kindergesundheit und Armut
Daten, Zusammenhänge, Ursachen
Dieser Beitrag möchte eine kurze Einführung zum
Status von Kinderarmut und Gesundheit in Österreich
geben. Dazu werden die vorhanden empirischen
Statistiken zu Rate gezogen. Wo es keine Daten zu
Österreich gibt, greifen wir auf die internationale Forschung zurück. Einen Schwerpunkt bildet die überblicksmäßige Darstellung der Faktoren, die für die
Unterschiede in der Gesundheit verantwortlich sind.
1. Kinderarmut: Je früher, je schutzloser, je länger
124.000 Kinder und Jugendliche in Österreich leben
in manifester Armut. 30.000 Kinder und Jugendliche sind auf Unterstützung der Jugendhilfe angewiesen. Mehr als 8000 Jugendliche brechen jedes
Jahr vorzeitig die Schule ab. 78.000 junge Menschen im Alter zwischen 16 und 24 Jahren sind weder beschäftigt noch in Ausbildung (NEET). Um die
60.000 Minderjährige verbringen ihre Tage unter
Mindestsicherungsbedingungen.
Neben einem geringen Einkommen des Haushalts,
in dem die Kinder leben, treten schwierigste Lebensbedingungen auf, wie: die Wohnung nicht warm
halten können, keine unerwarteten Ausgaben wie
kaputte Waschmaschine oder Boiler tätigen können,
gesundheitliche Probleme oder feuchte schimmlige
Wände. Ihre Eltern sind zugewandert, erwerbslos,
allein­erziehend, psychisch bzw. physisch beeinträchtigt, oder haben Jobs, von denen sie nicht leben
können.
Die Chance aus der Armut herauszukommen, steht
in enger Wechselbeziehung zu gesellschaftlicher
Ungleichheit insgesamt. Je sozial gespaltener eine
Gesellschaft ist, desto mehr Dauerarmut existiert. Je
mehr Dauerarmut existiert, desto stärker beeinträchtigt sind die Zukunftschancen sozial benachteiligter
Kinder. Je früher, je schutzloser und je länger Kinder
der Armutssituation ausgesetzt sind, desto stärker
die Auswirkungen.
Das Essensgeld ist noch immer nicht gezahlt. Sie
kommen in der Früh hungrig in den Kindergarten.
Im Winter stapfen sie mit Turnschuhen durch den
Schnee. Das sind Kinder, die in knappen finanziellen
Verhältnissen aufwachsen. Der Schulanfang macht
große Probleme, wenn Zirkel, Hefte, Stifte, Einbände
und Werksachen gekauft werden müssen. Die Eltern
versuchen zuerst einmal sich selbst einzuschränken,
um den Kindern weiter ein normales Leben zu ermöglichen. Das geht auch einige Zeit gut, aber nicht
auf Dauer. Für Familien unter der Armutsgrenze sind
Wohnen, Energie und Ernährung die drei Hauptposten im Haushaltsbudget, die zusammen bereits
über zwei Drittel der Gesamtausgaben ausmachen.
Bei Haushalten, die weniger als 900 Euro im Monat
zur Verfügung haben, steigt der Anteil von Wohnen und Energie auf 36%, Ernährung macht weitere
20% aus. Je weniger Einkommen, desto höher wird
dieser Anteil. In Armutshaushalten werden besonders bei länger andauernden Einkommenseinbußen
anteilige Ausgaben für Bildung, Kultur, Erholung
zugunsten der Ausgaben für Ernährung und Wohnung/Energie verringert. Am Ende des Geldes ist
zu viel Monat übrig. Dann schlägt die angespannte
finanzielle Situation in Armutshaushalten auch auf
den Alltag der Kinder durch. Und auf ihre Zukunft.
In äußerst beengten Verhältnissen und überbelegten
Wohnungen ist es für Kinder schwieriger, Aufgaben
zu fokussieren. Aber es muss gehen. Die älteste
Tochter von Frau Kellner, Petra, passt auch an vier
Nachmittagen auf die kleineren Geschwister auf. Da
ist die Mutter bei der Arbeit. Und wenn die Mutter
nicht mehr kann, springt sie ein. »Im letzten Winter
haben sie uns den Strom abgedreht«, erinnert sich
Bettina Kellner. Es war bitter kalt in der Wohnung.
»Die Kinder haben geweint.« Und wochenlang nicht
gelernt. »Petra, jetzt 14, fühlt alles akut mit, sieht,
dass wir mit den täglichen Aufgaben allein dastehen. Nahe Verwandte in der Nähe gibt es nicht und
meine Mutter ist selbst bettlägerig.« Das Mädchen
ist mit der Schule und den Herausforderungen der
Pubertät eigentlich überfordert, knickt immer wieder ein, wird krank und von lähmender Müdigkeit
befallen. Viele Jugendliche reagieren mit depressiven Verstimmungen auf belastende und überfordernde Situationen.
Armut setzt sich stets ins Verhältnis, egal wo. Sie
manifestiert sich in reichen Ländern anders als in
43
Kindergesundheit und Armut (Martin Schenk)
Kalkutta. Menschen, die in Österreich von 700 EURO
im Monat leben müssen, hilft es wenig, dass sie mit
diesem Geld in Kalkutta gut auskommen könnten.
Die Miete ist hier zu zahlen, die Heizkosten hier zu
begleichen und die Kinder gehen hier zur Schule.
Deshalb macht es Sinn, Lebensverhältnisse in den
konkreten Kontext zu setzen. Armut ist weniger ein
Eigenschafts- als ein Verhältniswort.
Armut ist das Leben, mit dem niemand tauschen
will. Warum? Armutsbetroffene Kinder haben Eltern
mit den schlechtesten Jobs, den geringsten Einkommen, den krank machendsten Tätigkeiten, leben in
den kleinsten und feuchtesten Wohnungen, wohnen
in den schlechtesten Vierteln, gehen in die am geringsten ausgestatteten Schulen, müssen fast überall
länger warten – außer beim Tod, der ereilt sie um
sieben Jahre früher als Angehöriger der höchsten
Einkommensschicht.
2. Kindergesundheit
Steige ich im ärmsten 15. Wiener Gemeinde­
bezirk in die U-Bahn und im noblen 1.Bezirk am
Stephans­platz wieder aus, dann liegen dazwischen
4 Minuten Fahrzeit – aber auch 4 Jahre an Lebenserwartung der jeweiligen Wohnbevölkerung. Sowohl
die Mortalität und Morbidität als auch die sozialen
Abbildung 1: Lebenserwartung und Kinderarmut als
U-Bahn Plan.
44
Aufstiegschancen für Kinder sind hier unterschiedlichst verteilt. Sag mir wo du wohnst und ich sag dir
wann du stirbst. Eine ausführliche Studie liegt für
London in Form der mit den jeweiligen Sterbezahlen
umbenannten Underground-Stationen vor (Abb 1).
Bei Kindern von Erwerbslosen und SozialhilfeempfängerInnen treten überproportional asthmatische
Erscheinungen und Kopfschmerzen auf. Teilt man
die Gesellschaft in drei soziale Schichten, finden
sich bei Kindern in der unteren Schicht mehr Kopfschmerzen, Nervosität, Schlafstörungen und Einsamkeit (Klocke/Hurrelmann 1995). Wo Sicherheit
fehlt, wird die kritische Phase des Einschlafens doppelt schwierig. Und der stressige Alltag unter finanziellem Dauerdruck erreicht auch die Kinder und
zwingt sie, sich den Kopf zu »zerbrechen«.
Umgekehrt schätzen Schüler/innen mit höherem Familienwohlstand ihren Gesundheitszustand besser
ein und berichten häufiger über hohe Lebenszufriedenheit (WHO 2012b).
Der Gesundheitsstatus einkommensarmer Kinder
ist gekennzeichnet durch eine deutlich erhöhte Unfallgefahr. Kinder aus einem sozial benachteiligten
Elternhaus verunfallen bis zu 70% häufiger. Außerdem häufen sich Komplikationen und die Krankheitsdauer bei akuten und chronischen Erkrankungen ist länger (Damm 2009).
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Weiters gibt es einen sozialen Gradienten der Körpergröße. Je höher die soziale Position einer Gruppe
ist, desto größer ist ihre durchschnittliche Körpergröße. Bei einer Stichprobe in der Steiermark konnte der Gesundheitswissenschafter Willibald-Julius
Stronegger (1996) dieses Größengefälle mit abnehmender Bildung bestätigen.
Die sozialen und gesundheitlichen Ungleichheiten,
die in der Kindheit auftreten, haben eine hohe Prognosewirkung für die Morbidität im Erwachsenenalter. Diese Kinder tragen die soziale Benachteiligung
als gesundheitliche Benachteiligung ein Leben lang
mit. Sie sind auch als Erwachsene deutlich kränker
als der Rest der Bevölkerung. Arme Kinder von heute sind die chronisch Kranken von morgen.
So werden Kinder in die Schule geschickt, auch
wenn sie krank sind. AlleinerzieherInnen fürchten Arbeitsplatzverlust bei häufigem Fehlen bzw.
wiederholten Bitten um Pflegeurlaub. »Obwohl
rezeptgebührenbefreite Arbeiter deutlich höhere
Arztbesuchshäufigkeiten aufwiesen als ihre rezeptpflichtigen Kollegen, sind sowohl die durchschnittliche Krankenstandsdauer als auch die Anzahl der
Krankenstände fast identisch. Die Angst vor dem
Verlust des Arbeitsplatzes scheint also höher zu sein
als die Angst um die Gesundheit« (Habl 2009, 180).
Familien aus dem unteren Einkommenssegment gehen erst bei extremer Not zum Arzt. Dieser muss
die Krankheit möglichst rasch beseitigen, damit der
Körper wieder funktioniert. Der Körper wird zur Arbeitsmaschine zur Bewältigung des stressbelasteten
und prekären Alltags.
Die gleiche Schmerzintensität – bei gleichen betroffenen Körperteilen – wurde von Personen mit einem
niedrigeren sozioökonomischen Status als zwei- bis
dreimal beeinträchtigender empfunden als von Personen mit dem höchsten (Dorner et.al. 2011). D
­ iese
Erkenntnisse sind im Verständnis und in der Behandlung von Kindern, die in Armut leben, mehr als relevant.
Betrachtet man nicht nur die Armut, also die Kinder im untersten Segment, sondern die gesamte
Gesellschaft, dann zeigt sich bei steigender sozialer
Ungleichheit eine Verschlechterung der gesundheitlichen Lebensbedingungen. Die Lebenserwartung
sinkt, Kindersterblichkeit steigt, Teenager Birth Rate
nimmt zu und die Aufstiegschancen für Kinder sinken
(Abb 2).
Abbildung 2: Soziale Ungleichheit wirkt sich negativ auf gesundheitliche und soziale Entwicklung von Kindern aus.
Quelle: Wilkinson/Pickett 2010;
der Index inkludiert: Lebenserwartung, Analphabetismus &
mathematische Fähigkeiten,
Kindersterblichkeit, Mordraten, Anzahl an Häf tlingen,
Schwangerschaften von Jugendlichen, Vertrauen, Fettleibigkeit, Ausmaß an psychischen Erkrankungen (inkl.
Drogen- und Alkoholmissbrauch) & soziale Mobilität.
45
Kindergesundheit und Armut (Martin Schenk)
Die Bevölkerung unter der Armutsgrenze weist einen dreimal schlechteren Gesundheitszustand auf
als hohe Einkommen. Und ist doppelt so oft krank
wie mittlere Einkommen (Statistik Austria 2014).
Die 385.000 Personen in Österreich, die als arm
und mehrfach ausgegrenzt bezeichnet werden können, sind von einem sehr schlechten allgemeinen
Abbildung 3: Veränderung der Lebensbedingungen von
Mehrfach Ausgrenzungsgefährdeten zwischen 2008 u. 2013
46
Gesundheitszustand, chronischer Krankheit und
starken Einschränkung bei Alltagstätigkeiten betroffen – dreimal so stark wie der Rest der Bevölkerung
(Abb 3).
Laut GÖG-eigenen Auswertungen aus dem ATHIS
2006/2007 gibt es einen starken Zusammenhang
zwischen dem Bildungsstand und dem Auftreten
chronischer Krankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes oder Arthrosen und Rheuma bzw. von akuten
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Ereignissen wie Herzinfarkt. Je niedriger der Bildungsstand, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit
an einer der genannten Krankheitsbilder zu leiden.
Auffallend stark treten die psychosozialen Auswirkungen hervor. Armut kränkt die Seele. Menschen
mit geringem sozioökonomischem Status weisen
signifikant mehr Krankenhausaufenthalte aufgrund
affektiver Störungen wie Depression auf. Bei arbeitslosen Personen beträgt die Wahrscheinlichkeit
noch ein Vielfaches. Ähnliche Unterschiede lassen
sich auch für Belastungsstörungen beobachten.
Weltweit ist Suizid die zweithäufigste Todesursache bei Jugendlichen. Als Einflussfaktoren gelten
u.a. Geschlecht, niedriger sozioökonomischer Status
und geringeres Bildungsniveau (Hawton et.al. 2012).
Heißt: Burschen in Haushalten mit geringerem sozialen Status sind am meisten gefährdet. Mit der
­Finanzkrise steigt die Suizidrate wieder europaweit,
besonders die von den sozialen Folgen von Krise
und Austeritätspolitik betroffenen Länder verzeichnen einen Anstieg (Abb 4).
Abbildung 4: Trends in Suizid-Raten, ausgewählte europäische Länder, 1995-2010
OECD (2012): Health at a Glance.
47
Kindergesundheit und Armut (Martin Schenk)
Die Ergebnisse zum Einfluss von Armut und sozialem
Status auf die Gesundheit in Österreich entsprechen
den Forschungsergebnissen, die international vorliegen (vgl. Mackenbach & Bakker, 2002; Van Lenthe,
Schrijvers & Mackenbach, 2004; Orpama & Lemyre,
2004; Marmot, 2005; Mielck, 2005; Siegrist & Marmot, 2008;). Das Bild ist überall das gleiche: Mit sinkendem sozialem Status steigen die Krankheiten an,
die untersten sozialen Schichten weisen die schwersten Krankheiten auf und sind gleichzeitig mit der
geringsten Lebenserwartung ausgestattet. Es lässt
sich eine soziale Stufenleiter nachweisen, ein sozialer
Gradient, der mit jeder vorrückenden Einkommensstufe die Gesundheit und das Sterbedatum anhebt.
3. Ursachen und Faktoren
Die im so genannten »Black-Report« zu Beginn der
80er Jahre in Großbritannien publizierten Erklärungsansätze für gesundheitliche Ungleichheiten
sind bis heute Ausgangpunkt von empirischen wie
theoretischen Überlegungen (vgl. Townsend &
­Davidson, 1982).
Die soziale Selektionshypothese argumentiert,
dass Krankheit und schlechte Gesundheit zu sozialen Problemen führen. Krankheit macht arm. Wer
krank ist, steigt ab, wer gesund ist, steigt auf. Der
Gesundheitszustand bestimmt den sozioökonomischen Status. »Armut macht krank« beschreibt
den Zusammenhang in die andere Richtung. Über
das Einkommen, den Beruf und Bildungsabschlüsse
vermitteln sich unterschiedliche Lebensbedingungen mit unterschiedlichen Wohnverhältnissen, Arbeitsplätzen und Erholungsräumen. Die Alltagsbelastungen sind ungleich verteilt und führen dort, wo
sie überproportional auftreten, zu höheren gesundheitlichen Risken. Belastungen können physisch wie
auch psychisch verstanden werden. Schlechte Luft
für Ärmere in Wohnungen an den Autorouten der
Großstädte belastet den Organismus, genauso wie
chronischer Stress unter einem prekären und unsicheren Alltag.
Die bisher genannten Erklärungsansätze schließen einander nicht aus, im Gegenteil: sie setzen an
48
verschiedenen Seiten und Enden der Wirkmechanismen sozialer und gesundheitlicher Ungleichheiten
an. Wie verwoben Belastungen, Ressourcen und
Gesundheitsverhalten sind, zeigt Abbildung 5. Sie
weist auch auf den dominanten Weg von den Unterschieden in Wissen, Macht, Geld und Prestige zu
den Unterschieden in Morbidität und Mortalität.
Was führt nun zum höheren Krankheits- und Sterberisiko Ärmerer? Es sind die (1) Unterschiede in den
gesundheitlichen Belastungen, in den (2) Bewältigungsressourcen und Erholungsmöglichkeiten, in
der (3) gesundheitlichen Versorgung und die Unterschiede im (4) Gesundheits- und Krankheitshandeln.
Das eine bedingt das andere. Stress durch finanziellen Druck und schlechte Wohnverhältnisse geht
Hand in Hand mit einem geschwächten Krisenmanagement, und hängt unmittelbar mit mangelnder
Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten und
einem ungesunden Lebensstil zusammen.
3.1. Gesundheitliche Belastungen
Für Kinder sind die Umweltbelastungen nicht gleich
verteilt. Einkommensschwächere leben an den
Hauptstraßen des motorisierten Verkehrs mit mehr
Lärm und mehr Schadstoffbelastung. Armutsbetroffene leben überproportional an den Ausfallsrouten
des Schwerverkehrs. Was auf Dauer messbare Unterschiede in der gesundheitlichen Verfassung der
betroffenen Bewohner bewirkt. Feuchtigkeit und
Schimmel gehören bei immerhin einem Zehntel der
Bevölkerung in Österreich zum Wohnungsalltag und
genauso viele klagen über Luftverschmutzung in ihrer Wohnumgebung. Wer Geld hat, zieht weg.
Kürzlich in der Beratungsstelle: eine junge Frau mit
zwei Kindern, deren prekäres Einkommen so gering
ist, dass sie entscheiden muss: zahle ich die Krankenversicherung oder die Miete oder die Hefte zum
Schulanfang für die Kinder? Die Gründe für das
hohe Erkrankungsrisiko Ärmerer sind also vielschichtig: Leben am Limit macht Stress. Leben am Limit
schwächt die Abwehrkräfte und das Immunsystem.
Leben am Limit macht verletzlich. Finanzielle Not,
Arbeitslosigkeit oder schlechte Wohnverhältnisse
machen krank.
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
3.2 Bewältigungsressourcen
Die Verschärfung sozialer Unterschiede hat konkrete lebensweltliche Auswirkungen. Kein Geld zu
haben, macht ja nicht krank. Sondern die Alltagssituationen, die mit dem sozialen Status und mit allen
damit einhergehenden Prozessen verbunden sind.
Die Bedrohung des eigenen Ansehens, Demütigung,
Stigmatisierung, die Verweigerung von Anerkennung, soziale Disqualifikation.
Für Kinder und ihr gesundes Aufwachsen bedeutet
das: Lerne ich den Geschmack vom zukünftigen Leben als Konkurrenz, Misstrauen, Verlassensein, Gewalt? Oder habe ich die Erfahrung qualitätsvoller
Beziehungen, Vertrauen und Empathie gemacht?
Werde ich schlecht gemacht und beschämt oder geschätzt und erfahre Anerkennung? Ist mein Leben
von großer Unsicherheit, Angst und Stress geprägt,
oder von Vertrauen und Planbarkeit? Je ungleicher Gesellschaften sind, desto defizitärer sind die
Abbildung 5 : Zusammenhänge zwischen sozialer und
gesundheitlicher Ungleichheit (Rosenbrock 2006)
Soziale Ungleichheit
(Unterschiede in Wissen, Geld, Macht und Prestige)
Unterschiedliche
gesundheitliche
Beanspruchungen
Unterschiedliche
gesundheitliche
Versorgung
Bilanz aus
gesundheitliche
Belastungen
gesundheitliche
Ressourcen
(Selbstbewusstein,
(biologische,
Bildung, Einkommen,
chemische und
physikalische Belastungen, Transparenz, Partizipationsund HandlungsDistress, soziale
spielräume, soziale
Exklusion, etc.)
Netzwerke, Erholung, etc.)
(Qualität und Gesundheitsförderlichkeit von Prävention,
Kuration, Pflege,
Rehabilitation)
Unterschiedliche gesundheitsrelevante Lebensstile
(Gesundheitsrelevantes Verhalten, Bewältigungsstratgien bei Krise und Krankheit,
Inanspruchnahme von Gesundheitsversorgung, etc.)
Gesundheitliche Ungleichheit
(Unterschiede in Morbidität und Mortalität)
49
Kindergesundheit und Armut (Martin Schenk)
psychosozialen Ressourcen. Es gibt weniger Inklusion, das heißt häufiger das Gefühl ausgeschlossen zu
sein. Es gibt weniger Partizipation, also häufiger das
Gefühl, nicht eingreifen zu können. Es gibt weniger
Reziprozität, also häufiger das Gefühl, sich nicht auf
Gegenseitigkeit verlassen zu können.
3.3. Gesundheitliche Versorgung
In den aktuellen Auswertungen der Statistik Austria (2014) wird die Abhängigkeit von Indikatoren
des Wohlbefindens vom sozialen Status ersichtlich
(Abb 6).
Der Versicherungsschutz ist in Österreich sehr gut im
Vergleich z.B. zur USA, aber es gibt auch hier neue
Probleme. Für viele ist der mangelnde Krankenversicherungsschutz kurzzeitlich, für manche dauerhaft.
Es ist ein Mix aus strukturellen Lücken, sozialen Benachteiligungen, fehlenden persönlichen Ressourcen
und mangelnder Information. Davon betroffen sind
Menschen in prekärer Beschäftigung, Personen in
schweren psychischen Krisen, Arbeitssuchende ohne
Leistungsanspruch, vormals mit ihrem Ehemann mitversicherte Frauen nach der Scheidung, Hilfesuchende, die ihren Mindestsicherungsanspruch aus Scham
nicht einlösen. Alle haben sie auch Kinder.
Abbildung 6: Psychisches Wohlbefinden nach
Einkommensgruppen
Versichert aber nicht gut versorgt: Menschen, die
unter der Armutsgrenze leben können krankenversichert und trotzdem nicht gut versorgt sein. Besonders wenn es um Selbstbehalte geht, die nicht leistbar sind. Oder Rehabilitations-Maßnahmen, die in
zu geringem Umfang angeboten werden.
Es sind nicht nur die Belastungen ungleich verteilt,
sondern auch die Ressourcen sie zu bewältigen
(Schenk/Moser 2010; Schenk 2004).
50
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Einkommensschwächere Personen suchen nicht nur
um 20 Prozent seltener Fachärzte auf als vergleichbare rezeptpflichtige Personen, sondern erhalten
auch durchschnittlich billigere Arzneimittel verordnet.
Eine weitere wichtige Barriere ist immer noch die
schlechte räumliche Erreichbarkeit von Gesundheitseinrichtungen. Nach wie vor lässt sich zeigen, »dass
sozial benachteiligte Personen, insbesondere aus
ländlichen Regionen größere Probleme mit der Erreichbarkeit haben: So gaben rund 41 Prozent der
EinwohnerInnen aus Orten unter 5.000 an, dass
die Erreichbarkeit medizinischer Versorgung eher
schlecht ist.« (Habl 2009, 180).
Die aktuellen Erhebungen der Statistik Austria
(2014) zeigen die Unterschiede dringend benötigter
Behandlungen nach Einkommen und Bildung. Je geringer das Einkommen und der Bildungsabschluss
desto geringer die Inanspruchnahme. Zwischen
2008 und 2013 haben sich diese Unterschiede noch
verstärkt (Abb 7).
Abbildung 7: Nicht-Inanspruchnahme dringend benötigter
medizinischer Leistungen nach Einkommen und Bildung
Conclusio
Für die Verbesserung der Kindergesundheit: Wenn
wir davon ausgehen, dass nicht nur Krankheit in
die Armut führen kann, sondern auch Armut in die
Krankheit – wofür es eine lange Reihe empirischer
Evidenz gibt - dann muss es sich für die Gesundheitsförderung lohnen, die sozialen Felder in den
Blick zu bekommen, in denen prekäre Lebenslagen und Prozesse sozialer Disqualifikation zu finden
sind. Die Unterschiede in den gesundheitlichen Belastungen (Schimmlige Wohnung, belastende Arbeit, Prekarität, Luft- und Lärmbelastung, Stress)
wie auch die Unterschiede in den Bewältigungsressourcen (Handlungsspielräume, Anerkennung, soziale Netzwerke, Bildung) wiegen schwerer als die
Unterschiede in der gesundheitlichen Versorgung
(Krankenversicherung, Selbstbehalte, Wartezeiten,
Fachärzte) – und sind mit den Unterschieden im Gesundheits/Krankheitsverhalten (Ernährung, Bewegung) tief verwoben. Gesundheitsförderung ohne
soziales Feld ist genauso blind wie sozialer Ausgleich
ohne den Blick auf das Handeln von Personen. Gesundheitsförderndes Verhalten ist am besten in gesundheitsfördernden Verhältnissen erreichbar.
51
Kindergesundheit und Armut (Martin Schenk)
Wenn aber Vorschläge zur Gesundheitsförderung
kommen, dann immer einzig beim Lebensstil. Da
sollte man eine Regel einführen: Für jeden Vorschlag, den jemand beim Verhalten macht , muss er
einen zur Reduzierung schlechter Wohnungen und
krankmachender Arbeit machen, einen zum Abbau
von Barrieren im Gesundheitssystem und einen zur
Stärkung der persönlichen Ressourcen.
Für die Bekämpfung von Kinderarmut: Kinder, die in
Armutsverhältnissen leben, haben arme Eltern. Jede
Strategie gegen Kinderarmut muss deshalb auch
eine Strategie für ein existenzsicherndes Einkommen
der Eltern sein. Kinder, die in Armutsverhältnissen
aufwachsen, sind geschwächt. Jede Strategie gegen Kinderarmut muss deshalb auch Kinder stärken
und in ihre Ressourcen investieren. Kinder, die in
Armutsverhältnissen aufwachsen, haben ein hohes
Risiko als Erwachsener wieder arm zu werden. Jede
Strategie gegen Kinderarmut muss deshalb diesen
Kreislauf durchbrechen; z. B. Bildungs- wie Lebensbedingungen zur Verfügung stellen, die integrieren,
nicht selektieren. Damit es für sozial benachteiligte
Kinder Zukunft gibt – trotz Herkunft.
Quellen:
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53
Armutsbegriff und Chancengleichheit (E. Kapferer, C. Sedmak)
Mag.a Elisabeth Kapferer
wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Ethik und Armutsforschung der Univ. Salzburg.
Prof. DDDr. Clemens Sedmak
Professor für Sozialethik am King‘s College London (F. D. Maurice
Chair) und Leiter des Zentrums für Ethik und Armutsforschung der
Univ. Salzburg sowie Präsident des internationalen Forschungszentrums für soziale und ethische Fragen (ifz).
Armutsbegriff und Chancengleichheit für
Kinder in der Gesellschaft
Manchmal werden diese Briefe auch geschrieben,
mitunter kommen diese Briefe auch an, nicht selten wird auf diese Briefe hin auch etwas unternommen, Briefe, in denen steht: »Meiner Mama geht es
schlecht, weil wir haben so Angst vor meinem Vater, wir haben kein Geld mehr, auch nicht für unsere Katzen. Mama ist so traurig, ich will bei meiner
Mama sein und glücklich, ich brauch auch sonst gar
nichts mehr zu Weihnachten oder zum Geburtstag...«
Kinder, die in Armut aufwachsen, »haben« nicht nur
wenig, vielfach wird ihnen vermittelt, sie »seien«
auch wenig, weil sie wenig »tun« können. Kinder
sind verwundbare Handelnde, deren Leben auf eine
möglichst frei entscheidbare Zukunft hin offen ist.
»Verwundbarkeit« bedeutet anfällig zu sein für Widrigkeiten und gleichzeitig angewiesen zu sein auf
Andere; eine »offene Zukunft« meint die Freiheit,
aus Entwürfen auswählen und etwas aufbauen zu
können. Kinderarmut erhöht die Verwundbarkeit
und vermindert die Offenheit der Zukunft. Eine eingeschränkte Kindheit kann sich auf Selbstwertgefühl, den Sinn für die eigenen Fähigkeiten, die soziale Kontaktleichtigkeit auswirken. Kinderarmut ist
vielfach Basis für soziale Ausgrenzung im Erwachsenenalter.
Armut in wohlhabenden Gesellschaften ist zumeist
weniger eine Frage des physischen Überlebens (wie
etwa in Ländern des globalen Südens), sondern ist
häufig als »relativ« zu erfassen. Das heißt, Armut in
Ländern wie Österreich ist in Bezug auf die Gesellschaft zu sehen, in der das Phänomen Armut verortet ist, auf die Möglichkeiten guten Lebens, die den
Mitgliedern dieser Gesellschaft üblicherweise offen
stehen, und auf die Güter und anderen Ressourcen,
über die Menschen in dieser Gesellschaft üblicherweise verfügen bzw. für ein solches gutes Leben benötigen. Auch für das nicht identische aber nah verwandte Phänomen der sozialen Ausgrenzung trifft
dies zu. Armut und Ausgrenzung haben materielle
und immaterielle Dimensionen und haben entsprechend auch Auswirkungen, die sich materiell sowie
immateriell zeigen und oftmals mit- und ineinander
verwoben sind: wenn sich fehlende finanzielle Mittel in fehlende oder eingeschränkte Chancen der
54
persönlichen (Weiter-)Entwicklung übersetzen, oder
wenn die von Haus aus begrenzten Möglichkeiten
und Spielräume sich in Biographien fortsetzen, denen wiederum engere sozioökonomische Grenzen
gesetzt sind als jenen anderer Personen. Was damit
gemeint ist, wird vor allem dort deutlich, wo Kinder und Jugendliche betroffen sind. Dieser Beitrag
möchte ausgehend von einleitenden Bemerkungen
zur finanziellen und materiellen Deprivation und
Ausgrenzung von Kindern und Jugendlichen auf Basis statistischen Datenmaterials eine Perspektive auf
nicht-materielle Folgewirkungen von Armuts- und
Ausgrenzungserfahrungen junger Menschen insbesondere hinsichtlich Fragen möglicher Chancengerechtigkeit öffnen.
Die in Österreich wohl bekanntesten Veröffentlichungen zu Armut und sozialer Ausgrenzung sind
die jährlich erhobenen und veröffentlichten Daten
der Statistik Austria (zuletzt im Oktober 2014 die
Studie EU-SILC 2013). Darin wird Armut oder Armutsgefährdung anhand von drei Bereichen erhoben, die jeweils einzeln oder in Kombination auftreten können – erstens als Einkommensarmut: ein
Haushalt erreicht nur weniger als 60% des nationalen Medianeinkommens (so die statistisch gesetzte, derzeit in Österreich etablierte Armutsgefährdungsschwelle); zweitens als materielle Deprivation:
die Personen eines Haushaltes sind von mehreren
Benachteiligungen betroffen, über deren Bedeutung
für einen Mindestlebensstandard europaweit Konsens besteht (dies betrifft zum Beispiel die Wohnsituation, Fragen der Gesundheitsversorgung und
Ernährung oder ein Minimum an sozialer Teilhabe
und Kontaktpflege); und drittens als Mangel an Erwerbstätigkeit: die im erwerbsfähigen Alter stehenden Personen eines Haushalts erreichen weniger als
20% an sogenannter Erwerbsintensität, veranschaulicht für einen 1-Personen-Haushalt bedeutet dies
eine Erwerbstätigkeit von weniger als 7 Wochenstunden über ein Jahr. Die Statistik berücksichtigt
die Altersverteilung der Bevölkerung, und so lässt
sich zur Situation von Kindern und Jugendlichen in
armutsgefährdeten oder armutsbetroffenen Haushalten etwa erkennen, dass Benachteiligungen von
Kindern und Jugendlichen auch in Österreich keine
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Seltenheit sind. Studien wie von der Österreichischen Volkshilfe und, wie bereits erwähnt, der Statistik Austria legen dar, dass der Anteil junger Menschen in diesen Haushalten hoch ist und sie von den
oben beschriebenen Mängeln in besonderem Maße
betroffen sind. Am Beispiel Einkommensarmut zeigt
sich etwa, dass gesamt betrachtet ca. 14% der Bevölkerung (1,2 Millionen Menschen) in privaten
Haushalten1 mit einem Einkommen unterhalb der
Armutsgefährdungsschwelle leben, bei den Unter20-Jährigen aber sind es 18%, das sind 313.000
Kinder und Jugendliche, mehr als ein Viertel der insgesamt Betroffenen.
Die Statistiken werden häufig so interpretiert, dass
Kinder ein Armutsrisiko sind, sprechen doch die Vergleichszahlen zu Haushalten ohne Kinder und solchen mit Kindern eine deutliche Sprache, mehr noch
dann, wenn es um Ein-Eltern-Haushalte geht. Aber
die Zahlen lassen sich auch anders lesen. Sie erzählen von Lebenssituationen von Kindern und Jugendlichen in armutsgefährdeten oder von Armut und
Ausgrenzung betroffenen Familien, von bestimmten Erfahrungen, die nicht über das bloße Erfassen
materieller Defizite allein zu beschreiben und zu bemessen sind. Welche Fragen lassen sich etwa stellen
angesichts der Tatsache, dass ein Siebtel der Kinder
und Jugendlichen bis 17 Jahre in Haushalten leben,
deren Haupteinnahmequellen in Sozialleistungen
liegen? Sozialhilfeempfänger zählen landläufig ja
nicht zu den Personengruppen mit hoher Reputation. Welchen mehr oder weniger offensichtlichen
gesundheitlichen Gefahren sind jene 288.000 junge
Menschen unter 20 ausgesetzt, die in Wohnungen
leben, in denen Feuchtigkeit und Schimmel zu finden sind, oder jene 287.000, die in einem lärmbe­
lasteten Wohnumfeld leben müssen? Welche Risiken
für das persönliche wie schulische Gedeihen können
darin liegen, wenn Überbelag gegeben ist, wenn zuhause also kaum Möglichkeiten der Ruhe und des
1
Es ist zu berücksichtigen, dass Statistiken wie EU-SILC 2013 die
Lebenssituation auf der Ebene von Haushalten erfassen. Kinder und
Jugendliche, die in Institutionen (in Heimen zum Beispiel oder in
Strafanstalten) leben, sind darin wie auch erwachsene institutionell
untergebrachte Menschen nicht berücksichtigt.
Rückzugs vorhanden sind, wie es etwa 209.000 Kinder und Jugendliche erleben? Ein Drittel der jungen
Menschen bis 17 Jahre (in Zahlen 463.000 Kinder
und Jugendliche) lebt in Haushalten, in denen unerwartete Ausgaben nicht bewältigt werden können; welchen Einfluss hat es, wenn der Gedanke an
morgen immer wieder auch mit einer begründeten
Sorge vor unabsehbaren, möglicherweise existenzgefährdenden Ereignissen verbunden ist?
Solche Fragen können sich aus den Statistiken
­z iehen lassen und dabei gleichzeitig über diese
­hinaus weisen. Sie können auf wichtige immaterielle
Ressourcen hindeuten, die für ein gutes Leben und
die Ausbildung eines robusten Selbst – man könnte
in diesem Sinne auch sagen: für ein in einem umfassenden Sinne gesundes Leben – von Relevanz sind,
und deren Ausbildung und deren Erwerb im Leben
von Kindern und Jugendlichen, die von ­A rmut und
Ausgrenzung betroffen sind, erschwert werden. Armut bedeutet neben einem Mangel an finanziellen
Mitteln und materiellen Gütern auch einen Mangel
an Gelegenheiten, Spielräumen und Zugängen zu
wichtigen gesellschaftlichen Kontexten; was fehlt,
ist der »Zugang zu Informationen, Internet, Büchern,
Wissen, Zeit und Platz für Kinder, damit sie sich austoben und entfalten können«, wie die deutsche Autorin Undine Zimmer es beschreibt (U. Zimmer, 115).
Armut führt dazu, dass bestimmte Möglichkeiten
nicht offen stehen und dass Identitäts­ressourcen
nicht zur Verfügung stehen oder verloren gehen.
Wenn Alltag immer wieder auch mit Erfahrungen
von Demütigung und Beschämung einhergeht,
wenn die eigene Handlungsmacht wiederholt an
Grenzen stößt und ausgehebelt wird, wenn der
Wunsch nach Zugehörigkeit mit Ausgrenzungserlebnissen beantwortet wird, wenn der G
­ edanke an
die eigene Zukunft eher mit Ängsten als mit Neugier
und Erwartung verbunden ist, dann ­s ehen wir hier
nur einige mögliche Eintrittsstellen für Verwundbarkeit und Beschädigung einer robusten Identität. Beschädigt wird hier etwa der »Glaube an Bildungsund Aufstiegschancen, an langfristige ­Investitionen
und an sich selbst.« (U. Zimmer, 115).
55
Armutsbegriff und Chancengleichheit (E. Kapferer, C. Sedmak)
Wohl gehen nicht alle Menschen gleich gut oder
schlecht aus widrigen Umständen hervor und können diese bewältigen – Stichwort Resilienz; auch in
armutsgefährdeten oder -betroffenen Familien können Kinder in Wohlergehen aufwachsen. Dennoch
darf behauptet werden: was schon für erwachsene
Menschen, die in Armuts- und Ausgrenzungssituationen leben müssen, zu massiven Problemen führen kann, bedeutet für Kinder und J­ ugendliche eine
umso größere Gefährdung und eine Beraubung an
Chancen. Aus den oben skizzierten Problemlagen,
von denen junge Menschen in armutsgefährdeten
Familien betroffen sein können, lassen sich bekannte Muster an Folgewirkungen ableiten: zum Beispiel gesundheitliche Schwächung und (chronische)
Erkrankungen als Folge von Schimmelbefall in der
Wohnung; erschwerter schulischer Erfolg aufgrund
lern-ungünstiger Wohnverhältnisse, oft auch verbunden mit Benachteiligungen in Bildungschancen und -zugängen ‚von außen’; Schwächung der
Selbstachtung und des Selbstwerts durch beschämende, stigmatisierende Erfahrungen. Wenn Benachteiligungen sich auf diese Weise manifestieren
und greifbar werden, geht es nicht allein um die Gegenwart, in der jungen Menschen leben, sondern
auch um Türen in die Zukunft, die sich öffnen oder
verschlossen bleiben können. Es geht auch hier um
Benachteiligungen, die häufig ineinandergreifen und
sich gegenseitig verstärken können. Hier zeigt sich,
dass es sich bei von Armut und Ausgrenzung betroffenen Kindern und Jugendlichen um eine Gruppe
von besonderer Verwundbarkeit handelt und nicht
einfach um Kinder, die eben mit etwas weniger auskommen und mir dem zur Verfügung Stehenden
eben noch besser umzugehen lernen müssen.
Die ungleiche und ungerechte Chancenverteilung,
die aus Armut in diesen Lebensphasen entstehen
kann, stellt nicht nur eine vielleicht temporäre und
vielleicht überwindbare Benachteiligung dar, sondern kann Lebenswege prägen. Armut und soziale
Ausgrenzung im Kindesalter und in der Jugend bedeutet somit eine besondere, tiefgreifende und folgenreiche Art von ungerechter Chancenverteilung:
sie wirkt in doppelter Weise, indem sie ihre Spuren in der kindlichen Gegenwart hinterlässt und in
56
entscheidender Weise auch Weichenstellungen für
die Zukunft junger Menschen bedeuten kann.
Wege aus der Kinderarmut haben mit vielen Aspekten zu tun, hier seien einmal »Begleitung« und
»Gelegenheiten« genannt. Kinder brauchen Begleitung, ein soziales Netz von Begleiterinnen und Begleitern, über die Familie hinaus. Georg Sporschill,
der sich seit vielen Jahren gegen Kinderarmut engagiert, betont die Bedeutung einer Infrastruktur (ein
Haus mit Betätigungsmöglichkeiten) und die Bedeutung von »Mitverantwortung« in der Begleitung.
Durch die Begleitung kann das Sozialkapital stabil
erweitert werden. Stabil heißt, langfristige Kontakte
anzubieten. Formen des Mentoring sind hier sehr
zu empfehlen. Im Jahr 2014 haben Mary Bruce und
John Bridgeland für Washington D.C. und den gesamtamerikanischen Raum eine Evaluationsstudie
dazu gemacht, welche Auswirkungen es hat, wenn
man Jugendliche in »Mentoring«-Projekte bringt.
Sie nennen zwei Schlüsseleffekte: Nachweislich setzen sich Jugendliche durch »Mentoring«-Konstellationen höhere Bildungsziele; sie engagieren sich in
produktiveren Aktivitäten. So kann die »Offenheit
der Zukunft« durch ein erweitertes soziales Netz gestärkt werden. In diesem Sinne sollte jedes Kind ein
»Begleitungsnetz« haben, ein »Sozialkontaktnetz«,
um Wege aus der Armut zu finden. Zweitens: »Gelegenheiten«; Ein wichtiger Weg aus der Armut ist
die Schaffung von Gelegenheiten, von echten Teilhabe- und Tätigkeitsmöglichkeiten. Eine Gelegenheit ist nicht eine vage Möglichkeit, sondern eine
konkrete Handlungseinladung. Man könnte Gelegenheit definieren als »spezifisch handlungsermächtigende und persönlich adressierte Einladung auf
der Grundlage einer Korrespondenz zwischen vorhandenem Potential und relevanten Möglichkeiten«.
Armutsbekämpfung hat mit dem Schaffen von echten und begleiteten Gelegenheiten mit sorgsamem
Blick auf die Potentiale zu tun.
Mit »Begleitung« und »Gelegenheiten« werden
»Chancen« geschaffen, die die Chancengleichheit von Kindern vergrößern. Und dann kann das,
was der polnische Kinderarzt Janusz Korczak die
»schwere Aufgabe des Heranwachsens« genannt
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
hat, gelingen – wenn, um noch einmal Korczak zu
zitieren, das Recht des Kindes auf Achtung und das
Recht des Kindes auf den heutigen Tag ernst genommen werden.
Verwendete und weiterführende Literatur:
G. Holz: Frühe Armutserfahrungen und ihre Folgen. In: M. Zander (Hg.): Kinderarmut. Einführendes
Handbuch für Forschung und soziale Praxis. Wiesbaden: VS Verlag 20102, 88–109.
C. Sedmak: Armutsbekämpfung. Eine Grundlegung.
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Tabellenband EU-SILC 2013. Einkommen, Armut und
Lebensbedingungen. Wien: Statistik Austria 2014.
Online unter: http://bit.ly/19aPQoy (29.01.2015).
U. Zimmer: Nicht von schlechten Eltern. Meine Hartz
IV-Familie. Frankfurt a. M.: S. Fischer 2013.
57
Kinderarmut und Gesundheit (Antje Richter-Kornweitz)
Dr.in Antje Richter-Kornweitz
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, Fachreferentin
für S­ oziale Lage und Gesundheit bei der Landesvereinigung für
­G esundheit Niedersachsen und Akademie für Sozialmedizin e.V.
Kinderarmut und Gesundheit
Armut ist ein Entwicklungsrisiko für Kinder. Sie ist
meist mit deprivierenden Lebens- und Entwicklungsbedingungen verbunden, die die Gesundheit von
Kindern nachhaltig negativ beeinflussen können und
zu ihrer Benachteiligung führen. Somit birgt Armut
erhebliche Risiken für die Gesundheit wie auch für
die soziale Teilhabe und sie geht einher mit geringen Chancen auf umfassende Bildung und höheren
beruflichen Status. Dies ist Thema dieses Beitrags:
Gesundheitliche Ungleichheit und der Einfluss eines
niedrigen sozioökonomischen Status auf die Gesundheit von Kindern und die Auswirkungen dieser
Lebenslage im weiteren Lebensverlauf.
1. Gesundheit
L aut Weltgesundheitsorganisation ( WHO) ist
­» Gesundheit (–) der Zustand des umfassenden
körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und
­Gebrechen. Sich des bestmöglichen Gesundheitszustands zu erfreuen, ist eines der Grundrechte jedes
Menschen ohne Unterschied der Rasse, der politischen Überzeugung, der wirtschaftlichen und sozialen Stellung« (aus der Präambel der Verfassung der
WHO 1948).
Die Definition der WHO beinhaltet den Hinweis
auf den Einfluss von sozialer Statusposition bzw.
Chancenungleichheit auf die individuelle Gesundheit (Schmidt/Kolip 2007). Gesundheit wird nicht
als etwas Statisches, sondern als kontextabhängig
und als dynamischer Prozess gesehen, als Interaktion zwischen Lebensweisen und Lebensum­s tänden.
Das heißt, Menschen können aktiv an der positiven Entwicklung ihrer Gesundheit mitwirken. Ein
gesundheitsgerechtes Verhalten ist dabei jedoch
nicht nur von der individuellen, aktiven Gestaltung
­a bhängig, sondern mindestens ebenso sehr von
unter­s tützenden Rahmenbedingungen oder auch
anders ausgedrückt: den sozialen Determinanten
von Gesundheit (Dahlgren/Whitehead 1993).
2. Gesundheitliche Ungleichheit
Deutschsprachige und internationale Studien
58
belegen, dass frühzeitige Sterblichkeit und gesundheitliche Beeinträchtigungen in Gruppen mit niedrigem sozioökonomischem Status (zu erfassen über
Faktoren wie Bildung, Einkommen, Beruf) in nahezu
allen spezifischen Krankheiten und Behinderungen
häufiger auftreten als in höheren Statusgruppen.
Menschen am unteren Ende der sozialen Stufenleiter leiden häufiger unter Erkrankungen, haben
eine kürzere Lebenserwartung und erleben weniger
in Gesundheit verbrachte Jahre (Power/Kuh 2008;
Siegrist/Marmot 2008; Lampert u.a. 2007).
Folge der sozial bedingten gesundheitlichen Ungleichheit sind dauerhafte Teilhabebeschränkungen.
Sie bilden Barrieren, so wie es auch im Kontext von
materieller Armut in allen anderen gesellschaftlichen
Lebensbereichen zu beobachten ist. Dazu gehören
geringere Bildungschancen oder auch soziale Isolation aufgrund der durch Arbeitslosigkeit und Armut
beschränkten sozialen Netzwerke. Dazu gehören
auch Barrieren beim Zugang zu medizinischen Leistungen wie erschwerter Zugang zu allgemeinen sowie gesundheitsrelevanten Informationen, geringere
Kompetenzen im Durchsetzen eigener Bedürfnisse,
z.B. gegenüber Behörden, aber auch gegenüber
medizinischem Fachpersonal und Pflegediensten.
Als Zugangsprobleme erschweren diese Teilhabebarrieren es, überhaupt passende Hilfen zu finden.
Als Bewältigungsprobleme erschweren sie es, die
Anforderungen bei der Inanspruchnahme von passgenauen, gesundheitsförderlichen Hilfen zu meistern (Engelbert 1999; Mielck/Helmert 2005; BMAS
2013).
Als Barrieren sind außerdem Angebote zur primären
und sekundären Prävention zu werten, die nicht soziallagensensibel ausgerichtet und damit wegen fehlender Anschlussfähigkeit an die Lebenswelt nicht
alltagstauglich sind. Nutzergruppen, die nicht auf
umfassendes Vorwissen, auf Durchsetzungskraft,
Selbstbewusstsein und Unterstützung durch soziale Netzwerke zurückgreifen können, behindert dies
in der Inanspruchnahme bestehender Hilfestrukturen. Als Hemmnis erweist sich für diese Nutzergruppen darüber hinaus die fehlende Usability der
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
online-gestützten und der gedruckten Gesundheitsinformationen (IQWiG 2014).
Diese und weitere Teilhabebeschränkungen erschweren es gegenzusteuern, gesundheitliche Bedrohungen zur Vermeidung tief greifender Schäden
zu identifizieren und frühzeitig zu intervenieren.
2.1. Gesundheitliche Ungleichheit bei Kindern
und Jugendlichen
Im Kindes- und Jugendalter können die Folgen des
Aufwachsens unter einem niedrigen sozioökonomischen Status die körperliche, psychische und sozio-emotionale Entwicklung betreffen. Dabei können vor allem Belastungen in der frühen Kindheit
und/oder die Erfahrung dauerhafter materieller
­A rmut in der Kindheit die gesundheitliche Entwicklung beeinträchtigen und gesundheitliche Ungleichheit nachhaltig, auch für spätere Lebensphasen, verfestigen (Richter-Kornweitz 2010a; BMFSFJ 2009;
Power/Kuh 2008; Siegrist/Marmot 2008).
Gesundheitliche Ungleichheit im Kindes- und
­Jugendalter lässt sich ablesen an Indikatoren wie
Säuglingssterblichkeit, niedrigem Geburtsgewicht,
geringer Körpergröße bei Schuleintritt, Entwicklungsstörungen bzw. -verzögerungen (z.B. im ­Bereich der
motorischen Entwicklung oder der Sprachentwicklung), an der Häufigkeit von Unfällen und Verletzungen, an der psychosozialen Gesundheit, geringerer Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen sowie
am Gesundheitsverhalten.
Eine wichtige Quelle für den Nachweis gesundheitlicher Ungleichheit im Kindes- und Jugendalter kann
die Gesundheitsberichterstattung (GBE) sein, wenn
auch soziökonomische Indikatoren erfasst werden.
In Deutschland bieten dies beispielsweise die Daten
des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS)
des Robert Koch-Instituts1, die GBE verschiedener
1
Innerhalb der KiGGS-Studie wird der sozioökonomische Status
aus Angaben der Eltern zu Schul- und Berufsabschluss, beruflicher
Stellung und zum bedarfsgewichteten Haushaltsnettoeinkommen
erhoben.
Bundesländer, Schuleingangsuntersuchungen sowie
die von der WHO koordinierte Studie Health Behaviour in School-aged Children (HBSC).
2.2. Folgen sozial bedingter gesundheitlicher
Ungleichheit im Kindes- und Jugendalter
Betrachtet man die längerfristige Entwicklung der
Armutsquoten in Europa, wird deutlich, dass es
sich hier nicht um ein vorübergehendes Phänomen
­handelt 2 , das man ignorieren könnte. Die Folgen
anhaltender Armut, die für einen erheblichen Teil
der Bevölkerung die alltägliche Realität ausmachen,
sind aufgrund der Ergebnisse internationaler Studien seit Jahren bekannt und mittlerweile auch durch
deutschsprachige Studien belegt. Sie bestätigen
nicht nur die Beeinträchtigung des aktuellen kindlichen Wohlbefindens (vgl. Richter 2000; ­U NICEF
Office of Research 2013; Adams 2013a/2013b),
sondern auch Langzeitfolgen für die physische und
­psychische Gesundheit.
So ergaben beispielsweise die Untersuchungen der
AWO-ISS-Studie, die vom Vorschulalter bis zum
Übergang Schule – Beruf reichten, eine dauerhafte
Verfestigung der ungünstigen Gesamtlebenslage in
zentralen Bereichen (sozial, kulturell und gesundheitlich) bei jedem zweiten Kind, das bereits im Vorschulalter in Armut lebte (vgl. Hock et al 2000; Holz/
Puhlmann 2005; Holz et al 2005).
Folge lang anhaltender Armut ist nach Kohl, der
Armutsverläufe von Kindern anhand der Daten des
sozioökonomischen Panels (1993–2009) erforschte,
eine überproportionale, dreifach geringere Lebenszufriedenheit (Kohl 2013) der betroffenen Kinder.
Über das Kinderpanel des Deutschen Jugendinstituts-DJI (Alt 2008) konnten signifikante Zusammenhänge zwischen Intensität und Dauer der Armut
­einerseits sowie Wohlbefinden der Kinder andererseits belegt werden. Vor allem starke Schwankungen
2
vgl. Pressemitteilung des Arbeits-und Sozialministerrats:
Vermerk des Vorsitzes für den Arbeits- und Sozialministerrates vom
7.10.2014 (Brüssel). http://bit.ly/1FfhE9z
59
Kinderarmut und Gesundheit (Antje Richter-Kornweitz)
in der wirtschaftlichen Situation einer ­Familie bei
lang anhaltender Armut führen laut DJI zu starkem
Stress und zur Beeinträchtigung des Wohlbefindens
von Mädchen und Jungen. Weitere Beeinträchtigungen bestehen in den geringeren Selbstwirksamkeitserwartungen, aus Sicht von Kindern und von
­M üttern aus dauerhaft armen Familien in Relation
zu nicht-armen Kindern bzw. Müttern (Alt 2008).
Die World Vision Kinderstudie nennt Selbstwirksamkeitserfahrungen als Schlüsselfaktor für das Wohlbefinden von Kindern, stellt aber gleichzeitig fest,
dass hierzu kaum Zugang und Ressourcen für Kinder
mit konkreten Armutserfahrungen bestehen. Zudem
nennen diese viel häufiger Ängste vor der Arbeitslosigkeit der Eltern, vor Gewalt oder schlechten Schulnoten als nicht-arme Kinder (Hurrelmann et al 2013).
So verwundert es auch nicht, dass die Basiserhebung
der KiGGS-Studie einen Trend zur Verschiebung des
Krankheitsspektrums von den akuten zu überwiegend chronisch-körperlichen Erkrankungen und von
körperlichen zu psychischen Auffälligkeiten (»Neue
Morbidität«) konstatiert. KiGGS 2009 stellt bei ca.
20% aller Mädchen und Jungen in Deutschland (oft
auch kumulativ auftretende) gesundheitliche Auffälligkeiten fest, von denen Kinder und J­ ugendliche mit
niedrigem sozioökonomischem Status in besonderer
Weise betroffen sind (BMFSFJ 2009).
Den neuen KIGGS-Daten aus der ersten Wiederholungsbefragung (Lampert et al 2014) ist zu entnehmen, dass ein niedriger sozioökonomischer
Status mit einer geringeren gesundheitsbezogenen
Lebensqualität einhergeht. Dabei ist das Risiko für
einen nur mittelmäßigen bis sehr schlechten allgemeinen Gesundheitszustand bei Mädchen und
­Jungen mit niedrigem Sozialstatus um das 3,4- bzw.
3,7-Fache erhöht im Vergleich zu Kindern mit hohem sozioökonomischen Status. KiGGS 2014 belegt
also erneut die hohe Belastung dieser Kindern und
Jugendlichen, abzulesen an vermehrten psychischen
Auffälligkeiten sowie an ADHS. Jugendliche zeigen
vermehrt gesundheitsriskantes Verhalten, d.h. sie
rauchen häufiger und sind seltener sportlich aktiv
bzw. in einem Sportverein engagiert.
60
2.3. Langzeitfolgen sozial bedingter gesundheitlicher Ungleichheit im Kindes- und Jugendalter
Internationale Langzeitstudien belegen seit langem die negativen Auswirkungen von materieller
Armut, sozialem Abstieg und damit verbundenem
ökonomischem Stress auf die kindliche Entwicklung,
­vermittelt unter anderem über die Qualität innerfamiliärer Paar- bzw. Eltern-Kind-Beziehungen (­Walper
1988; Walper 1997; Richter 2000). Die Folgen
­zeigen sich laut der amerikanischen Langzeitstudie
Children of the Great Depression beispielsweise bei
Jungen im Kindesalter in negativen Selbstbildern,
persönlichen und sozialen Minder wertigkeits­
gefühlen, Vermeidungstendenzen und selbstzerstörerischem Verhalten, die später im Jugendalter
weitere Verhaltensauffälligkeiten nach sich ziehen
können (Elder/Caspi 1988; Elder/Caspi 1991).
Ingrid Schoon (2006) nutzt die Daten der British
Birth Cohort Studies, um den Einfluss sozialer Benachteiligung im Kindesalter auf die individuellen
Lebensverläufe von Kindern bis ins Erwachsenen­
alter hinein zu untersuchen. Dazu stellt sie die
Lebens­verläufe der Kinder unterschiedlicher sozioökonomischer Statusgruppen einander gegenüber.
Ihr besonderes Interesse richtet sich hierbei auf den
Zusammenhang von sozialer Benachteiligung, individueller Belastungsbewältigung und Entwicklung im
Lebensverlauf sowie auf Resilienzprozesse (vgl. auch
Richter-Kornweitz 2010b). Anhaltspunkte für Wohlbefinden und Gesundheit im Lebensverlauf bieten
dabei Faktoren wie Stressempfinden, Zufriedenheit
und Kontrollüberzeugung.
Schoons Ergebnisse belegen den überdauernden
Zusammenhang zwischen sozioökonomischer Benachteiligung im frühen Kindesalter und geringerem
Wohlbefinden im mittleren Erwachsenenalter. Nach
ihren Erkenntnissen bewirkt soziale Ungleichheit
im frühen Kindesalter im späteren Lebensverlauf
bei Frauen wie Männern – auch unabhängig vom
späteren Sozialstatus – eine niedrigere Kontrollüberzeugung, einen höheren Grad an Depressionen
und weniger Lebenszufriedenheit. Zu ihren wesentlichen Ergebnissen gehört dabei, dass die frühen
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Erfahrungen von sozialer Benachteiligung nicht
­völlig überwunden werden können: Auch allgemein
anerkannte Resilienzfaktoren, zu denen beispielsweise schulischer Erfolg im Kindesalter trotz sozioökonomischer Benachteiligung gehört, können die
Auswirkungen sozialer Ungleichheit nur geringfügig
mildern.
Verursachung gibt es bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bei Stoffwechsel- und Lungenerkrankungen. Zudem können langfristig nicht nur organische und wachstumsbezogene Prozesse, sondern
auch die kognitive Entwicklung, die psychische Stabilität und die Persönlichkeitsentwicklung betroffen
sein (Power/Kuh 2008; Dragano 2007).
Zu den Folgen eines Aufwachsens unter niedrigem
Sozialstatus gehört somit nicht »nur« die in ­Relation
zu Gleichaltrigen beeinträchtigte Gesundheit im
Kindes­a lter, frühkindliche Belastungen beinhalten vielmehr eine Hypothek auf die Gesundheit im
­Erwachsenenalter.
Erwähnt werden muss auch der Einfluss des Sozialstatus in Kindheit und Erwachsenalter auf die
­subjektive Wahrnehmung von Gesundheit. Nach
­P ower/Kuh (2008) stufen mehr als 20% der von
­ihnen befragten Erwachsenen mittleren Alters mit
anhaltend niedrigem sozioökonomischem Status ihre eigene Gesundheit als mittelmäßig oder
schlecht ein, jedoch nur 5% der Befragten mit anhaltend hohem sozioökonomischem Status.
Die Forschung zu Lebensverlauf und sozialer Ungleichheit liefert weitere zuverlässige Belege für
die engen Zusammenhänge zwischen biologischen
und sozialen Prozessen (vgl. Pickett/Wilkinson 2007;
Siegrist /Marmot 2008; Wilkinson/Pickett 2009).
Die ebenfalls auf den Daten der British Birth ­Cohort
Studies beruhende Lebenslaufforschung belegt
eine um das Doppelte erhöhte Mortalitätsrate bei
­Erwachsenen, die in einem sozioökonomisch benachteiligten Haushalt aufwuchsen gegenüber jenen
aus nicht benachteiligten Haushalten. Eine dreifach
erhöhte frühzeitige Sterblichkeit tritt bei Personen
auf, bei denen sowohl in der frühen Kindheit wie im
Erwachsenenalter ein niedriger sozioökonomischer
Status vorlag (Power/Kuh 2008).
Belegt ist auch, dass frühkindliche Belastungen eine
bedeutende Rolle bei der Verbreitung chronischer
Erkrankungen im Erwachsenenalter spielen, wobei
enge Zusammenhänge zwischen niedrigem sozioökonomischem Status in der frühen Kindheit und
frühzeitiger Sterblichkeit sowie Risikoverhaltensweisen im Erwachsenenalter bestehen (Siegrist /
Marmot 2008; Power/Kuh 2008; Dragano 2007).
Belastungen oder Schädigungen in kritischen Perioden, beispielsweise in der Schwangerschaft und der
frühen Kindheit, können sogar über einen langen
Zeitraum kompensiert werden und bei einer Häufung von Risikofaktoren oder bei nachlassender allgemeiner Reservekapazität erst im Erwachsenenalter zutage treten. Hinweise auf eine entsprechende
Wird psychische Befindlichkeit differenziert nach Sozialstatus und Zeitpunkt der Exposition gegenüber
Belastungen erhoben, dann lässt sich außerdem verdeutlichen, dass nicht einzelne soziologische oder
entwicklungspsychologische Aspekte den Befund
beeinflussen, sondern kumulierende Belastungsfaktoren im Lebensverlauf (Power/Kuh 2008) verantwortlich sind.
Zusammenfassend kann gesagt werden: Sozioökonomische Determinanten von Gesundheit wirken
­d irekt über unmittelbar belastende Lebenssituationen in der frühen Kindheit mit langfristigen biologischen oder psychischen Folgen sowie indirekt,
indem sie Risikoketten in Gang setzen (Power/Kuh
2008; Dragano 2007).
3. Anforderungen an Gesundheitsförderung
und Prävention
Armutsbedingte Belastungen der Gesundheit sind
vermeidbar. Einmal eingetreten, können sie jedoch
eine ohnehin niedrige sozioökonomische Statusposition verfestigen, zu vertikaler Rigidität und Verstetigung von Armutslagen und gesundheitlicher Ungleichheit führen.
61
Kinderarmut und Gesundheit (Antje Richter-Kornweitz)
3.1 Gesundheitliche Teilhabe verwirklichen
3.2. Präventionsketten in Kommunen
Eine Minderung gesundheitlicher Ungleichheit erfordert die Verminderung sozialer Ungleichheit.
Dies wiederum erfordert zuallererst eine wirksame
Arbeits-, Wirtschafts-, Sozial-, Bildungs- und Familienpolitik auf Bundes- und Landesebenen und eine
Gesundheitspolitik, für die der Abbau von Teilhabebeschränkungen ein wesentliches Qualitätskriterium
darstellt.
An dieser Stelle könnten nun viele Einzelbeispiele
aus Handlungsfeldern genannt werden, die für ein
gesundes Aufwachsen aller Kinder und Jugendlichen relevant sind. Für sich allein wären sie nachahmenswerte Beispiele und empfehlenswerte Gute
Praxis von Gesundheitsförderung und Prävention.
Doch auch auf kommunaler Ebene muss gehandelt
werden. Erforderlich ist ein abgestimmtes Vorgehen
aller relevanten Fach- und Politikbereiche, eine integrierte kommunale Handlungsstrategie zu Gesundheitsförderung und Prävention (»Präventionskette«).
Das Recht auf (gesundheitliche) Teilhabe (vgl. UNKonvention für die Rechte des Kindes) konsequent
umzusetzen, heißt, diese Probleme anzugehen. Es
bedeutet:
• Rahmenbedingungen für gesundheitsförderliche
Lebenswelten bzw. entwicklungsförderliche Bedingungen und somit für gesundes Aufwachsen
zu schaffen,
• verstärkte Aufmerksamkeit der Identifizierung
und dem Abbau von (gesundheitlichen) Teilhabebarrieren zuzuwenden,
• neue Zugänge zu öffnen und bestehende Zugänge fortlaufend auf Niedrigschwelligkeit und Beteiligungsorientierung zu untersuchen,
• benachbarte Bereiche wie den Bildungsbereich in
den Blick zu nehmen und eng zusammen zu arbeiten, um Zugänge in die Regelinstitutionen zu
ermöglichen und durch gezielte Förderung die
Chancen zu erhöhen, diese erfolgreich zu durchlaufen.
Entsprechende Konzepte sollten zum Ziel haben,
gesundheitsförderliche und präventive Strukturen
­a ufzubauen und zu verstetigen sowie einzelne
Aufgabenkomplexe zu bearbeiten, die in diesem
­Kontext eine besondere Herausforderung darstellen.
62
Doch erst im Zusammenschluss mit weiteren Bausteinen können sie ihre volle Wirkung erreichen,
weshalb hier abschließend ein kurzes Plädoyer für
das strukturell orientierte Vorgehen im Rahmen einer integrierten kommunalen/regionalen Handlungsstrategie (»Präventionskette«) gehalten ­werden soll.
Als Präventionskette steht diese Vorgehensweise
für eine Neuorientierung und Neustrukturierung
der Hilfesysteme, mit der Absicht, allen Kindern
und Jugendlichen positive Lebens- und Teilhabebedingungen zu eröffnen (Holz u.a. 2011; Richter-­
Kornweitz/Utermark 2013).
Präventionsketten basieren auf interdisziplinärer
­Kooperation, das heißt auf Zusammenarbeit und
Beteiligung aller relevanten Fachdienste und -kräfte, und auf Beteiligung von Kindern, Jugendlichen,
­Familien. Sie zielen auf ihre flächendeckende Versorgung mit bedarfsgerechten Unterstützungsangeboten sowie auf eine verbesserte Versorgungsqualität
Richter-Kornweitz/Utermark 2013).
In einer Präventionskette wird der Fokus auf gesicherte Übergänge zwischen Altersphasen und Praxisfeldern gelegt, um einmal erreichte Präventionserfolge langfristig bewahren zu können. Akteure
und Institutionen arbeiten hier übergreifend und
lebensphasenorientiert zusammen, um die Übergänge für das Kind und seine Familie zwischen Angeboten, Institutionen und Settings zu sichern. Ihre
Netzwerke zur Förderung, Unterstützung, Beratung,
Bildung, Betreuung, Partizipation und Schutz bilden
die Präventionskette.
Das Konzept der Präventionskette zielt auf mehr als
auf die Kompensation von sozialer Benachteiligung.
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Abbildung 1: Die kommunale Präventionskette und ihre Netzwerke von der Geburt bis zur Berufsausbildung
Bildung
Förderung
Schutz
Unterstützung
Partizipation
Rund um
die Geburt
Krippe
Kita
Grundschule
Weiterführende
Schule
0-3 Jahre
3-6 Jahre
6-10 Jahre
10-... Jahre
Beratung
Betreuung
Geburt
Berufsausbildung
Beziehung
LEBENSPHASEN
Quelle: Richter-Kornweitz/Utermark 2013, S. 16
Es will bestehende Ressourcen bündeln und sie gezielt für die Kinder, Jugendlichen und Familien einsetzen, die sie besonders dringend brauchen – allerdings ohne eine Stigmatisierung und Etikettierung
als bedürftig vorzunehmen. Das Konzept folgt der
Philosophie der Priorität für Partizipation (FES 2006)
und misst dem Kindeswillen der Heranwachsenden
hohe Bedeutung bei.
Der Beschluss zugunsten einer Präventionskette liegt
im Entscheidungsbereich einer Kommune. Fällt dieser Beschluss positiv aus, entspricht er vielen Empfehlungen. Nicht nur denen diverser Kinder- und
­Jugendberichte und Sachverständigenkommissionen (SVR) des Gesundheitswesens. Er entspricht
auch der Ottawa-Charta der Weltgesundheits­
organisation (WHO) und deren Weiterentwicklungen sowie den in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschriebenen Rechten jedes Kindes auf
Chancengleichheit an Gesundheit (§24) und Bildung
(§28) sowie der Beachtung des Kindeswohls (§3)
und des Kindeswillens (§12).
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65
Interviews zu Kinderarmut und Gesundheit (Sarah Koller)
Mag.a Sarah Teresa Koller
Assistentin der Geschäftsführung und Veranstaltungsorganisatorin
der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit.
Interviews zum Thema Kinderarmut
und Gesundheit
Im Rahmen unseres Jahresschwerpunkts Armut &
Gesundheit ist es uns ein Anliegen das Thema auch
von der praxisorientierten Seite zu beleuchten. Daher haben wir fünf Personen eingeladen uns von ihren direkten Erfahrungen mit Armut in ihrer Arbeit
zu erzählen:
Kulturkreisen zu uns. Vorwiegend handelt es sich
um MigrantInnen und AsylwerberInnen, die durch
die Maschen des Sozialnetzes fallen. Der Anteil der
ÖsterreicherInnen ist um einiges geringer, weil diese
normalerweise nur kurzfristig aus dem System fallen
und meist schnell wieder aufgefangen werden.
Carina Spak ist Leiterin einer ambulant-medizinischen Einrichtung, die Menschen ohne Versicherung betreut. Ingrid Teufel berät in der Kinder-und
Jugendabteilung eines Spitals als Sozialarbeiterin
häufig von Armut betroffene Familien. Steffi Ecker
hat einen Verein gegründet, der sich um die Kinder von AsylantInnen kümmert und ihnen ein Stück
Normalität schenken will. Regina Zsivkovits leitet
ein Hebammen-Zentrum und erlebt Armut besonders in beratenden Gesprächen mit Müttern und
Marianne Lippert behandelt als Ärztin der Kinder- und Jugendheilkunde in ihrer Schwerpunktpraxis im 16. Bezirk in Wien oft arme PatientInnen.
Wir bedanken uns bei allen Interviewpartnerinnen
für ihre Offenheit und den gewährten Einblick! Die
Interviews führte Sarah Koller, Assistentin der Geschäftsführung und Veranstaltungsorganisatorin der
Liga für Kinder- und Jugendgesundheit.
Viele der PatientInnen sprechen kaum Deutsch,
daher arbeiten ehrenamtliche DolmetscherInnen
bei uns, meist mit Fokus auf BKS; Bulgarisch, Rumänisch. Häufig vertreten sind auch PatientInnen
mit chinesischer, tschetschenischer und russischer
Herkunft. Es gibt auch Sprachen wie Mongolisch,
nach der angefragt wird, das kann bei uns aber nur
schwer abgedeckt werden, Russisch hilft uns aber
oft bei der Übersetzung. Italienisch, Portugiesisch
und Spanisch hingegen werden beispielsweise kaum
nachgefragt. Selbst Syrisch ist noch nicht akut, da
die meisten SyrerInnen noch versichert sind, die
Flüchtlingswelle wird Österreich erst in ein paar Jahren richtig erwischen.
Interview mit DSA Carina Spak
AmberMed ist eine Stelle, an die sich Menschen
ohne Versicherungsschutz wenden können und
dort ambulant-medizinische Versorgung, soziale Beratung und Medikamentenhilfe erhalten. Sie wird
von der Diakonie und dem Roten Kreuz gemeinsam
als Kooperationsprojekt getragen und von zahlreichen Institutionen unterstützt. Die Leiterin, Frau
DSA Carina Spak nimmt sich Zeit für ein Interview
und führt mich durch alle Räume: vom Warteraum,
bis in die Behandlungszimmer und das Medikamentenlager – vielen Dank für den Einblick!
1. Wie begegnet Ihnen Armut in Ihrer täglichen
Praxis?
Durch tägliche Besuche von Armut betroffener
Menschen bei AmberMed, die keinen Versicherungsschutz haben. Diese kommen aus den unterschiedlichsten Gründen und verschiedenen
66
Wir bekommen durch eine Kooperation mit der
Wiener Tafel zwei Mal die Woche gesunde Nahrungsmittel gespendet, vorwiegend handelt es sich
um Obst und Gemüse, dieses wird an die bedürftigsten der PatientInnen ausgeteilt. Früher wurden
die Nahrungsmittelspenden einfach aufgestellt, aber
das ist geradezu zu einem Kampf zwischen den Bedürftigen geworden. Jetzt verteile ich lieber an diejenigen, bei denen offensichtlich ist, dass sie sehr
arm sind.
Unsere PatientInnen erhalten bei uns medizinische
Betreuung, wir bieten immer Sprechstunden bei
unseren Allgemeinmedizinern an. Im Intervall sind
auch FachärztInnen da, die gynäkologische über
neurologische bis hin zu dermatologischen Untersuchungen vornehmen. Wir haben auch FachärztInnen
für Kinder- und Jugendmedizin, die die Kinder betreuen, ansonsten wird auch an kooperierende FachärztInnen überwiesen. Auch Medikamente werden
von uns ausgegeben, die wären für viele sonst kaum
erschwinglich. Wir versuchen auch durch soziale Beratungs- und Krisengespräche den Menschen weiter
zu helfen. Unsere Angebote sind anonym, für uns ist
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
nur wichtig, dass die PatientInnen denselben Namen
verwenden, selbst wenn dieser aufgrund ihrer persönlichen Sicherheit oder aus Furcht nicht stimmen
sollte, damit wir die Krankenakten besser bearbeiten
können.
a. Woran bemerken Sie Armut? Wie erkennen
Sie Armut?
An der Art der Kleidung, des physischen Auftritts.
Daran, dass unsere PatientInnen nicht versichert
sind, keine Papiere oder oft kein gutes Bildungsniveau haben. Auch daran, dass sie überhaupt zu
uns kommen. Wir versuchen allen Menschen, die zu
uns kommen so gut es geht zu helfen, aber es gibt
auch immer wieder Fälle, bei denen selbst wir nichts
machen können. Zum Beispiel gibt es einen Fall, ein
junges Mädchen, das an Wachstumsverzögerungen
leidet. Es gäbe in Österreich schon Möglichkeiten
diese Art von Wachstumsverzögerungen zu behandeln, doch die dementsprechende medikamentöse
Behandlung ist finanziell für uns leider nicht tragbar. Das ist schwierig zu akzeptieren, dass es Möglichkeiten gäbe, wir aber nichts tun können. Ähnlich
schaut es auch beim Thema Zahnspangen aus, das
ist quasi ein Luxusgut und kann nicht finanziert werden.
Es sind uns auch Fälle bekannt, da gehen die Frauen
für 15-20,- EURO anschaffen, während die Kinder
oben in der Wohnung in einem Art Bretterverschlag
leben, ohne fließendem oder warmen Wasser. Die
Wohnungen, meist nicht mehr als 25 m2, kosten
trotzdem an die 500,- EURO, das sind unglaubliche
Zustände – noch dazu in Wien! Diese Wohnungen
werden natürlich nicht immer rechtmäßig vergeben.
Die Frauen wollen ihre Kinder irgendwie durchbringen, können sie aber oft nicht in die Schule schicken, weil sie Angst vor dem Jugendamt haben und
dass ihnen aufgrund ihrer Lebensumstände ihre Kinder weggenommen werden. Das kommt überhaupt
öfter vor, deshalb kann ich in Beratungsgesprächen
kaum mehr auf die Schulpflicht, die in Österreich
herrscht, hinweisen. Das schreckt sehr viele Eltern
ab und sie kommen dann in der Folge nicht mehr
zu uns.
Ein weiterer Fall war, dass einmal ein obdachloser
Mann zu uns gekommen ist, dem sind die Socken
sprichwörtlich »angewachsen«, ich wusste gar
nicht, dass das möglich ist. Generell haben wir aber
weniger Zulauf von obdachlosen Menschen, die
meisten haben immerhin ein Dach über dem Kopf,
auch wenn es ihnen sonst an allem möglichen fehlt.
b. Welche Kinder sind Ihrer Erfahrung nach
besonders von Armut betroffen?
Kinder von Armut betroffener Erwachsenen. Kinder
von Erwachsenen, die sich illegal im Land aufhalten. Kinder von AlleinerzieherInnen. Bezüglich der
Nationalitäten, die AmberMed aufsuchen, stehen
serbische, rumänische und bulgarische Familien mit
ihren Kindern klar im Vordergrund. Österreichische
Kinder hingegen werden wenn, dann nur kurzfristig
bei AmberMed betreut, weil sie relativ schnell wieder in das Sozialsystem integriert werden können.
c. Was fehlt diesen Kindern und ihren Familien
Ihrer Erfahrung nach am meisten?
Bildung, sozialer Background, Freizeitbeschäftigung
oder generell »Beschäftigung«. Die Kinder, die keine Schule besuchen, fallen ganz aus dem sozialen
Netzwerk, sie schlagen die Zeit tot, können oft nicht
schreiben und lesen. Wie sollen diese Kinder später in Österreich auf dem Arbeitsmarkt zurechtkommen? Die Zukunftsperspektiven sind für diese Kinder besonders trüb.
2. Wie gehen die Familien mit ihrer Armut um?
Wie drücken sie diese aus?
(zögerlich zurückhaltend, ärgerlich fordernd, enttäuscht aufgebend)
Es gibt bei uns alle drei Aspekte. Ich verstehe persönlich auch, dass manche ärgerlich und fordernd
reagieren, speziell wenn eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt, da steigt dann der Druck. Die
meisten PatientInnen erwarten sich gewissermaßen
auch, dass wir helfen, wir sind hier ja schließlich in
einem reichen Land. Die Dankbarkeit kommt deshalb leider oft zu kurz. Wir freuen uns aber so oder
so, wenn wir helfen können, hier wurde schon Augenlicht gerettet, das gibt ein gutes Gefühl.
67
Interviews zu Kinderarmut und Gesundheit (Sarah Koller)
3. Wie häufig begegnet Ihnen Armut in Ihrer
Praxis? Bzw. wieviele Ihrer PatientInnen/KlientInnen sind von Armut betroffen (Zahl, %)
Ganz klar: 100%, oder um genauer zu sein: fast
alle unserer PatientInnen sind von Armut betroffen.
Wir haben keine starken geschlechterspezifischen
Schwankungen, der Frauen- und Männeranteil liegt
ziemlich genau bei 50:50. Wir können daher auch
keine Aussagen dazu treffen, ob die Armut eher
Frauen oder Männer trifft, bei AmberMed gibt es
diese Trennung zumindest nicht.
4. Was können Sie tun bzw. was tun Sie für
diese Menschen? Für die Kinder?
Wir versuchen rasch, unbürokratisch Hilfe zu leisten,
nicht nur auf medizinischer Ebene, sondern auch in
persönlichen Beratungsgesprächen. Oft muss der
kulturelle Hintergrund mitgedacht werden, um gewisse Ängste zu verstehen. Wir haben auch KinderärztInnen vor Ort, alle ÄrztInnen wechseln sich
prinzipiell im Turnus ab und arbeiten ehrenamtlich,
das bedeutet: heute Mittwochvormittag ist ein/e
AllgemeinmedizinerIn und ein/e GynäkologIn da.
Wenn ein Kind in akuter Gefahr ist, dann wird von
unserer Seite her sofort an ein Spital überwiesen.
Natürlich entstehen dabei oft Kosten, die von den
Familien kaum getragen werden können. Meistens
einigen wir uns mit den Spitälern irgendwie, wir haben auch konkrete Spitäler, an die wir uns wenden
können und gewisse KinderärztInnen die mit uns
kooperieren.
Darüber hinaus sammelt das Rote Kreuz, das ja ein
Träger von AmberMed ist, Medikamente. Oft stammen diese von verstorbenen Menschen, oder von
Menschen, die eine Krankheit überwunden haben.
Selbstverständlich sind diese alle einwandfrei und
originalverpackt und noch haltbar, das bedeutet die
ÄrztInnen können den PatientInnen hier gleich die
richtigen Medikamente mitgeben. Es geht also nicht
nur um die akute Versorgung, sondern auch Weiterbehandlung der Krankheiten.
5. Was würden Sie für notwendig erachten?
Das Thema Armut ist kein spezifisch österreichisches,
68
sondern ein gesamteuropäisches. Es braucht ganz
klar eine Lösung für den gesamten EU-Raum, und
die Politik ist dafür zuständig, die Situation der
Menschen zu verbessern. Es ist ja nicht so, dass nur
Menschen außerhalb von Europa zu uns kommen,
sondern es auch inner-europäische Migrationsströmungen gibt. Es wurde viel zu wenig bedacht, dass
ein Rumäne natürlich besser in Österreich dasteht,
als in seinem Heimatland, denn hier oder dort hat
er wenig, aber hier gibt es mehr Möglichkeiten, für
sich und seine Familie einen sozialen Aufstieg zu
­erlangen. Viele der Menschen die dann hier leben,
arbeiten aber in schlecht bezahlten Jobs und können
sich den sozialen Standard kaum leisten. Daher fallen natürlich viele Menschen schnell aus dem System
und haben auch keine Versicherung. Es geht also
um eine klare politische Strategie für Europa.
Außerdem ist Bildung eine wichtige Komponente für
ein gutes Aufwachsen von Kindern. Es ist unbedingt
notwendig, dass Kinder mit Eltern ohne Papiere
auch die Möglichkeit haben eine schulische Ausbildung zu erhalten. Dadurch werden viele Folgeprobleme schon früh verhindert.
6. Was möchten Sie darüber hinaus noch zum
Thema sagen?
Kinder sind unsere Zukunft. Es ist besonders wichtig,
behutsam mit ihnen umzugehen und ihnen eine gesunde, glückliche Kindheit zu ermöglichen.
Bei AmberMed betreuen wir jährlich ca. 2000 PatientInnen mit steigendender Tendenz, das bedeutet,
dass unsere Arbeit wichtig ist und auf besondere
Nachfrage stößt. Unser Team umfasst 40 ÄrztInnen
und weitere 40 Personen, die als DolmetscherInnen,
AssistentInnen, Zivildiener und TherapeutInnen ehrenamtlich arbeiten. Wir freuen uns daher immer
über Unterstützung!
Kontakt: AmberMed
Oberlaaer Strasse 300 - 306 , 1230 Wien,
T: +43 (0)1 / 589 00 - 847
F: +43 (0)1 / 589 00 - 846,
Mail: [email protected]
Web: www.amber-med.at
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Interview mit DSA Ingrid Teufel
Frau DSA Ingrid Teufel arbeitet in der Kinder- und
Jugendabteilung der Krankenanstalt Rudolfstiftung inklusive Standort Semmelweis Frauenklinik
als ­S ozialarbeiterin. Darüber hinaus hat sie jahrelange Erfahrung in der Arbeit mit Menschen mit
Down Syndrom und bietet Beratung in der Spezial­
ambulanz für Menschen mit Down Syndrom an. Wir
bedanken uns, dass sie unsere Fragen zu Armut und
Gesundheit telefonisch beantwortet hat!
1. Wie begegnet Ihnen Armut in Ihrer täglichen
Praxis?
Ich arbeite als Sozialarbeiterin in einer Kinder- und
Jugendabteilung und zusätzlich mit dem Schwerpunkt für Menschen mit Down-Syndrom. Mir begegnet der Armuts-Schwerpunkt in Zusammenhang mit
chronischen Erkrankungen, aber auch in t­ äglichen
Situationen bei Akuterkrankungen von Familien, die
ihre Kinder in der Kinderabteilung ­unterbringen.
a. Woran bemerken Sie Armut? Wie erkennen
Sie Armut?
Ich bin da als Sozialarbeiterin natürlich sehr konkret,
neben der sonstigen Belastungssituation, mit der
eine Familie überwiesen wird oder konfrontiert ist,
versuche ich mir immer auch ein Bild über deren soziale und finanzielle Lage zu machen.
Wir sehen das oft, dass Familien an gewissen Veranstaltungen nicht teilnehmen, zum Beispiel solche,
die es extra für Kinder mit Down Syndrom gibt. Wir
sehen das an Problemen, wenn sie sagen, dass eine
Zusatzfinanzierung für eine Therapie notwendig
wäre. Wir sehen auch, dass Kinder einen schlechten Essensstatus haben, das ist etwas, was in der
Akutsituation sehr massiv auffällt, dass Kinder sehr
ungesund essen. Adipositas ist auch ein großes
­T hema in meiner Arbeit, und wenn man ungesunde
­Ernährung anspricht, es doch etwas ist, was einfach
billiger ist.
AlleinerzieherInnen sind natürlich betroffen und
speziell auch in Zusammenhang mit Familien mit
Migrationshintergrund – da sehen wir schon auch
große Armut.
b. Welche Kinder sind Ihrer Erfahrung nach
besonders von Armut betroffen?
Familien mit chronischen Erkrankungen, auch wenn
sich ja auch Vieles ändert. Aber oftmals auch Familien, wenn die Mütter länger vom Arbeitsmarkt fern
bleiben müssen.
Sehr junge Mütter, die eigentlich keine Berufsausbildung abgeschlossen haben und mit ein, zwei,
drei Kindern im Alltag stehen und dann der Wiedereinstieg eine schwierige Geschichte ist. Oft sind sie
schon wieder Alleinerzieherin, aber auch in Beziehung und haben wirklich nur Zugang zu Arbeitsplätzen, die so schlecht bezahlt sind, dass die Erwerbsarbeit die Not dann nicht stark lindert.
c. Was fehlt diesen Kindern und ihren Familien
Ihrer Erfahrung nach am meisten?
Am Allermeisten, dass sie ihre Eltern unbeschwert
erleben können, weil das einen großen Druck auf
die Kinder macht, unbewusst. Und ich glaube es
fehlt ein Zugang zu gesunder Ernährung. Es fehlt
auch eine Aufstockung in unserem Bildungssystem
von zusätzlichen Lernförderungen, die andere Kinder sich leisten können. Oft wird auch von Eltern
nicht ausgesprochen, dass die Teilnahme an gewissen außerschulischen Veranstaltungen, Extrakursen
finanziell nicht möglich ist und ihre Kinder deswegen nicht teilnehmen können. Ich glaube gar nicht
beachtet ist der soziale Aspekt, des GegenseitigFreunde-Einladens, das dieser eine weitere große
Kluft erzeugen kann, wenn aus Scham vor den bescheidenen Verhältnissen Kindern diese Möglichkeit
verwehrt wird.
2. Wie gehen die Familien mit ihrer Armut um?
Wie drücken sie diese aus?
Zögerlich zurückhaltend.
3. Wie häufig begegnet Ihnen Armut in Ihrer
Praxis? Bzw. wieviele Ihrer PatientInnen/KlientInnen sind von Armut betroffen (Zahl, %)
Ich würde sagen 60 %. Nach dem wir sozialarbeiterisch auch viele Familien mit Down Syndrom
betreuen gibt es natürlich eine andere Streuung,
da sind alle Gesellschaftsschichten dabei. Für die
69
Interviews zu Kinderarmut und Gesundheit (Sarah Koller)
Kinderabteilung würde ich sagen, in den Fällen wo
ich befasst bin, ist bei 80 % Armut ein Thema.
4. Was können Sie tun bzw. was tun Sie für
diese Menschen? Für die Kinder?
Den Eltern, die Beratung läuft ja meistens über die
Angehörigen, einmal aufzeigen welche gesetzlichen Ansprüche es gibt, das wissen nicht alle. Im
System zu versuchen, Stellen ausfindig zu machen,
die gewisse Kosten übernehmen – wobei das für die
­S ozialarbeit sicher auch an die Grenzen geht, weil
der Inhalt eigentlich die sozialarbeiterische Beratung
und die Beziehungsarbeit mit den Eltern ist.
Die Stellensuche, ob das Krankenhausstiftungen
sind, »Stiftung Kindertraum«, »Aktion Leben« für
Schwangere, »Licht ins Dunkel«, »Kinderhilfsfonds«
und all diese Träger, das ist halt sehr zeitintensiv und
bedarf einer gewissen Kooperation, die nicht alle
­Eltern mitmachen. Das ist auch wieder ein Ausschließungsgrund, weil bei denen wo gar nichts passt, da
ist das auch sehr schwer umzusetzen. Da muss man
leider auch sagen, auch sozialarbeiterisch gibt es da
Grenzen.
5. Was würden Sie für notwendig erachten?
Da geht es um politische Dinge, da müsste es ein
gewisses Grundeinkommen für alle geben. Für Familien sollte es leichter einen Zugang zur Grundsicherung geben, wenn beispielsweise zuerst Kinder
auf die Welt kommen und dann erst die Berufsausbildung gemacht wird, dass es dann Unterstützung
dafür gibt und Systeme nicht so starr sind. Und wirklich Einkommen von denen man leben kann. Bessere
Ausbildung für die jetzige Generation, die ich auch
in der Kinderspitalsarbeit wirklich sehe als Patienten
mit Krankheitssymptomen, 16- und 17-jährige, die
wenig Perspektiven haben, die aus dem Schulsystem rausfallen oder keine Erfolge haben, die haben ein anderes Krankheitsrisiko. Das bedeutet: Die
schulische Situation müsste sehr massiv gefördert
­werden.
6. Was möchten Sie darüber hinaus noch zum
Thema sagen?
Das war Alles, danke.
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Kontakt:
Krankenanstalt Rudolfstiftung inklusive Standort
Semmelweis Frauenklinik
Juchgasse 25, 2. Stock, 1030 Wien
T: +43 (0)1 711 65 - 94780
F: +43 (0)1 711 65 - 1009
Web: www.down-syndrom-ambulanz.at
Interview mit Steffi Ecker
Der Verein LIMDA ist in Wien in unmittelbarer Nähe
des Ute-Bock-Hauses entstanden, wo Menschen
Unterstützung finden, deren erster Asylantrag abgelehnt wurde. Sie haben keinen Anspruch auf Sozialleistung und gleichzeitig keine Erlaubnis zu arbeiten. Ohne jegliches Einkommen haben sie oft auch
mit den traumatischen Folgen von Krieg und Gewalt
zu kämpfen.
Wie so oft sind es besonders die Kinder, die unter
diesen Lebensumständen leiden. LIMDA unterstützt
sie im Alltag, in der Schule und ermöglicht ihnen
unbeschwerte Momente im Spiel mit Freunden.
Konkret kümmert sich der Verein um: Schulanmeldung, medizinische und psychologische Betreuung
der Kinder und sorgt dafür, dass sie durch vielfältige Freizeitbetreuung Normalität erleben dürfen.
Ich freue mich ein Telefonat mit der Gründerin und
Obfrau, ausgebildeten Kinder- und Sozialpädagogin
Steffi Ecker führen zu können.
1. Wie begegnet Ihnen Armut in Ihrer täglichen
Praxis?
Zuerst einmal mündlich – über Erzählungen, dann
bei Hausbesuchen und durch den optischen Eindruck. Armut hat auch eine starke Nachwirkung auf
die Personen, da spürt man das ganz stark, man
merkt das zum Beispiel am Geruch. Arme Menschen
riechen sehr oft ganz stark nach Waschmittel, weil
sie sich bemühen sauber zu sein. Wir haben von Anfang an im Projekt die Grundversorgung dabei, da
ist immer auch der Hausbesuch notwendig und da
bekommen wir das mit.
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
a. Woran bemerken Sie Armut? Wie erkennen
Sie Armut?
An den Wohnverhältnissen, dass keine Möbel da
sind, ganz schlechte Stromleitungen, oft nur eine
Steckdose pro 25 m2, also etwas, das wir gar nicht
mehr gewöhnt sind. Ganz oft gibt es auch kein
Warmwasser oder keine Heizung, weil die Wohnung
desolat ist.
Im Alltagsleben gibt es oft eine hohe Ansammlung
an Strafen bei den öffentlichen Verkehrsmitteln (UBahn), das sind Summen, die nie nachbezahlt werden können, weil die Menschen das Geld einfach
nicht haben. Auch Exekutionen die ausstehen, auch
wenn das lächerlich ist, weil es sowieso nichts zu
holen gibt. Ich habe bisher aber nur Menschen kennengelernt, die das total stresst. Obwohl – wenn
man länger darüber nachdenkt, müsste man sich
ja nicht stressen, dass einem etwas weggenommen
wird, wenn man sowieso nichts hat. Da spielt Scham
eine große Rolle, aber auch die Furcht vor Gefängnisstrafen, auch wenn beispielsweise die Verkehrsbetriebe beim Schwarzfahren diese Konsequenzen
nur androhen, aber nicht durchführen.
b. Welche Kinder sind Ihrer Erfahrung nach
besonders von Armut betroffen?
80 % unserer Kinder haben Eltern mit Asylverfahren in Schwebe, das heißt sie haben einen ein- oder
mehrmaligen negativen Asylbescheid erhalten. Das
hat sich aber noch verschärft, jetzt können Familien
jederzeit abgeschoben werden, auch wenn man Einspruch dagegen erhoben hat. Diese Kinder haben
keine Versicherung, können also kaum zum Kinderarzt gehen, die können auch nicht zum Zahnarzt gehen, die haben einfach gar nichts. Das widerspricht
dem Menschenrecht. Wir hatten auch Zeiten, vor ca.
6 Jahren, wo wir darum kämpfen mussten, dass die
Kinder von AsylantInnen in den Schulen und Kindergärten überhaupt genommen wurden.
In erster Linie sind also Kinder von Flüchtlingen betroffen, auch Straßenkinder, zu denen der Zugang
allerdings von unserer Seite her schwerer ist, da haben wir erst Annäherungen geschafft.
Dann gibt es schon auch die Flüchtlinge, die im
Asylverfahren sind, das ist dann die nächste Ebene,
denn sie bekommen das Recht hier zu bleiben, haben es aber extrem schwer und viele bürokratische
Hürden. Oft bekommen sie erst nach 8 bis 10 Jahren
ein Arbeitsvisum, müssen dann aber in aller Schnelle
eine neue Wohnung finden, denn es gibt staatlich
geförderte für anerkannte Flüchtlinge, und gleichzeitig das Visum bezahlen. Das ist pro Kopf ca.120,EURO/ Jahr, das kann bei mehreren Kindern eine
finanzielle Belastung werden, speziell wenn dann
auch für die neue Wohnung gleich Kaution und
Miete zu zahlen ist und das schon bevor man überhaupt zu arbeiten beginnt.
c. Was fehlt diesen Kindern und ihren Familien
Ihrer Erfahrung nach am meisten?
Dass sie teilnehmen können am ganz normalen Leben in Österreich. Dass die Eltern arbeiten dürfen
und die Kinder in die Schule gehen dürfen. Das ist
ganz ein wichtiger Punkt.
Das zweite ist, dass nicht alle reingestopft werden
in irgendwelche Heime oder irgendwelche Häuser,
die Flüchtlingen zur Verfügung gestellt werden. Das
ist furchtbar! Es fehlt ihnen eine ganz normale Wohnung. Wie ich angefangen habe als Sozialpädagogin
hat es noch die Kinderheime gegeben, da hat man
die Kinder, die eine zeitlang nicht mehr zu Hause
leben konnten, hineingestopft. Das hat man ja auch
aufgehört und gesehen, dass Wohngemeinschaften und selbstständige Wohnungen sinnvoller sind.
Und das muss man jetzt endlich bei den Flüchtlingen auch tun! Man kann nicht lauter Menschen, die
dasselbe Problem haben auf einen Haufen in eine
Turnhalle oder in eine alte Kaserne reinstopfen, das
ist einfach unmöglich!
2. Wie gehen die Familien mit ihrer Armut um?
Wie drücken sie diese aus?
Zögerlich zurückhaltend.
3. Wie häufig begegnet Ihnen Armut in Ihrer
Praxis? Bzw. wieviele Ihrer PatientInnen/KlientInnen sind von Armut betroffen (Zahl, %)
Alle sind von Armut betroffen. Aktuell betreuen wir 150 Kinder, der Fokus liegt bei uns auf der
71
Interviews zu Kinderarmut und Gesundheit (Sarah Koller)
Kinderbetreuung. Man muss sich natürlich auch mit
den Erwachsenen absprechen, sich treffen und auch
manchmal diskutieren. Es sind bei uns im Schnitt 4
Kinder pro Familie.
anzusprechen und zu diskutieren, und wir versuchen da was auf die Beine zu stellen. Das ist auch
ein wichtiger Punkt: darüber weiß niemand in der
österreichischen Gesellschaft Bescheid!
4. Was können Sie tun bzw. was tun Sie für
diese Menschen? Für die Kinder?
Wir schauen ganz stark, dass die Kinderrechte eingehalten werden. Dann kümmern wir uns um die
Grundversorgung der Kinder, wenn sie krank sind,
dass sie zu einem Arzt kommen und dann die Medizin kaufen können. Dass sie in die Schule oder
Kindergarten gehen können und dass sie bei den
Aktivitäten in der Schule und im Kindergarten mitmachen können. Dass sie gefördert werden und wir
schauen auch, dass sie bei Sportvereinen mitmachen
können. Dann machen wir auch so zusätzliche, tolle
Sachen wie Museumsbesuch, Kinderfeste etc.
Es wissen auch viele Lehrer nicht, dass sie mit Kindern zu tun haben, die aufgrund ihrer Migrationsoder Flüchtlingsgeschichte mehr Zuwendung brauchen. Da kann man ansetzen und auch Infomaterial
für Lehrer bereitstellen, mit Anhaltspunkten was sie
machen können, wie sie helfen können, auf was sie
achten können. Fast alle unserer Kinder haben ja
keinen Schreibtisch zu Hause, haben also erschwert
Möglichkeiten eine Hausaufgabe zu machen. Das
Kind kann nichts dafür, wenn die Mutter nicht unterschreibt, weil sie nicht schreiben kann, da gibt’s
dann oft ganz viele Missverständnisse.
Kinder ohne Papiere sollten zwar rechtlich von den
Schulen aufgenommen werden, das funktioniert
auch meistens. Schwieriger ist es eher für die Kinder mit der Schule und den Lebensumständen umzugehen. Oft müssen sie alle 5 Monate umsiedeln,
in einen anderen Bezirk, ein anderes Bundesland. Sie
haben gerade eine Flucht erlebt und müssen hier so
weitermachen und immer überall neu anfangen. Wo
ist der nächste Spielplatz? Wem kann ich vertrauen?
Was ist das jetzt für ein Lehrer? Das ist ganz furchtbar!
Kontakt:
Flüchtlingskinderprojekt LIMDA
Badeschiff bei der Urania, Leopoldsgasse 28/31,
A-1020 Wien,
Web: www.limda.org
Interview mit Regina Zsivkovits
5. Was würden Sie für notwendig erachten?
Dass es soziale Wohnungen gibt und von der Stadt,
der Gemeinde Gratiswohnungen zur Verfügung gestellt werden. Wenn ein neues Haus mit 100 Wohnungen gebaut wird, dass zumindest eine Wohnung
davon gratis zur Verfügung gestellt wird für Sozialfälle. Dass sie diesen finanziellen Druck einmal weg
haben und versuchen können ein ganz normales Leben zu haben.
Das Hebammenzentrum – Verein freier Hebammen
hat sich vor 26 Jahren aus freipraktizierenden Hebammen zusammengeschlossen, um ihre Anliegen
wie sanfter Umgang mit Neugeborenen, natürliche
Geburt und Hebammenbetreuung in die Öffentlichkeit zu tragen. Es hilft als Familienberatungsstelle bei
Fragen rund um Schwangerschaft und Geburt, berät
aber auch zu weiteren sozialen Fragen. H
­ ebammen,
ÄrztInnen und SozialarbeiterInnen arbeiten im Verbund zusammen. Die Geschäftsführerin des Hebammenzentrums, Regina Zsivkovits nimmt sich telefonisch Zeit für unsere Fragen – vielen Dank dafür!
6. Was möchten Sie darüber hinaus noch zum
Thema sagen?
Dass man ganz viel darüber reden sollte und
zwar öffentlich! Mein Ziel dieses Jahr ist es, die
Wohnungssituation von Flüchtlingen öffentlich
1. Wie begegnet Ihnen Armut in Ihrer täglichen
Praxis?
Vor allem in der Beratungspraxis, auch in der
Hebammenpraxis, aber eher weil es Studentinnen oder Alleinerzieherinnen sind. In der
72
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Familienberatungsstelle merken wir es, wenn dort
eher soziale Fragen, als fachliche, hebammenspezifische Fragen im Vordergrund stehen. Die Familienberatungsstelle hat viele kostengünstige bzw.
kostenlose Angebote und die Nachfrage steigt.
Von der Organisation her haben wir das Gefühl, wir
müssen mehr dieser kostenlose Angebote setzen im
Vergleich zu früher. Es gibt uns seit 1989, in letzter
Zeit müssen wir aber die kostenlosen Angebote ausweiten und suchen dafür Kooperationspartner und
Stiftungen. Das sind so die großen, übergeordneten
Bewegungen bei uns bezüglich Armut.
a. Woran bemerken Sie Armut? Wie erkennen
Sie Armut?
Wenn der Wunsch nach eins-zu-eins-Betreuung
besteht und der aber nicht geleistet werden kann,
weil es einfach privat zu zahlen ist, und bei der Arztsuche. Und natürlich wenn Fragen nach Finanzierbarkeit vorrangig sind, an denen merkt man halt am
leichtesten, ob Armut und wenig Geld im Spiel ist.
Ob jemand wenig Geld hat oder ganz arm ist, ist
­sicher auch ein Unterschied, weil die mit wenig Geld
immer noch damit haushalten können und ganz
arme Menschen haben eigentlich keine Chance auszukommen.
b. Welche Kinder sind Ihrer Erfahrung nach
besonders von Armut betroffen?
Mehrkindfamilien sicher, AlleinerzieherInnen sagt
man immer, aber das ist Halbe Halbe glaube ich.
Schon auch, weil die Gefahr, wenn die Frau krank
wird und dann niemand da ist, sehr viel größer ist,
und weil die Unterstützungsmöglichkeiten alleinerziehender Frauen fehlen, wenn es keinen familiären
Rückhalt gibt. Besonders MigrantInnen oder auch
Frauen, die aus den Bundesländern immigriert sind,
sind hier betroffen, und das ist im Kontext der Familiengründung und des Kinderkriegens besonders
spürbar, da sie Hilfe immer »zukaufen« müssen und
das stößt natürlich schnell an Grenzen.
c. Was fehlt diesen Kindern und ihren Familien
Ihrer Erfahrung nach am meisten?
Ich glaube eine Freiheit, zu agieren. Wenn Geld da
ist, das zur freieren Verfügung bereit steht, dann
fühlt man sich nicht so eingesperrt, so »bezwängt«
und »bedrängt«, damit auszukommen. Für die Kinder ist es auch teilweise in den Schulen schwerer im
Vergleich zu anderen Kindern, einfach was sie für
Möglichkeiten haben. Dass sie Armut ganz persönlich spüren, etwas nicht haben was der andere hat,
oder dass der eine auf Urlaub fahren kann und der
andere nicht. Andererseits sind die Kinder da oft
sehr geschickt im Umgang auch mit wenig Geld.
2. Wie gehen die Familien mit ihrer Armut um?
Wie drücken sie diese aus?
(zögerlich zurückhaltend, ärgerlich fordernd, enttäuscht aufgebend)
Alle drei gibt es. Die meisten sind zögerlich zurückhaltend, glaube ich. Ärgerlich fordernd manchmal
und speziell wenn Männer dabei sind, weil sehr oft
auch Paare zu Beratungen zu uns kommen. Enttäuscht aufgebend auch, das sind aber die wenigeren. Meistens zögerlich zurückhaltend und beschämt, es ist ja auch eine Scham dabei.
3. Wie häufig begegnet Ihnen Armut in Ihrer
Praxis? Bzw. wieviele Ihrer PatientInnen/KlientInnen sind von Armut betroffen (Zahl, %)
Das kann ich jetzt so nicht beantworten, es ist ganz
eindeutig mehr geworden. Da müssen Sie jetzt ohne
meine Prozentzahl auskommen.
4. Was können Sie tun bzw. was tun Sie für
diese Menschen? Für die Kinder?
Eben, dass wir kostenlose Angebote setzen und dass
wir schauen, wo können wir sie noch hinschicken,
wo können sie noch Hilfe bekommen.
5. Was würden Sie für notwendig erachten?
Für Familien ohne gesicherten Aufenthalt zum Beispiel, dass es da speziell in der Familiengründungszeit einfach ein Recht gibt auf Versorgung. Dass
es mehr gesetzlich verankerte Möglichkeiten gibt
Geld zu erlangen. Dass es Notfallhilfen gibt einerseits und andererseits, dass sich der Arbeitsmarkt so
weiter entwickelt, dass man gut leben kann, auch
wenn man nicht gut ausgebildet ist zum Beispiel.
Es braucht halt eine Armutsbekämpfung im gesellschaftlichen Sinn und nicht, dass immer nur Löcher
73
Interviews zu Kinderarmut und Gesundheit (Sarah Koller)
gestopft werden die ganze Zeit, das schafft man
dann eh nicht. Das ist oft sehr schwierig, denn wenn
die Familien zu neuen Stellen kommen, erhoffen sie
sich wieder was und bekommen wieder eine Abfuhr.
6. Was möchten Sie darüber hinaus noch zum
Thema sagen?
Dass ich glaube, dass es drängender wird das­ Armutsthema, das ist schon spürbar. Und ich finde,
dass es viel zu wenig in der Politik Thema ist – eine
effektive Armutsvorsorge und Armutspolitik.
Kontakt:
Das Hebammenzentrum – Verein freier Hebammen
Lazarettgasse 8/1B/1, 1090 Wien
T: +43 (0)1 408 80 22
F: +43 (0)1 403 98 77-18
Mail: [email protected]
Web: www.hebammenzentrum.at
Interview mit Dr.in Marianne Lippert
In ihrer Praxis »Am Yppenplatz« behandelt Dr.in
Marianne Lippert, Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde seit über 20 Jahren täglich Kinder,
oft stammen diese aus ärmeren Verhältnissen. Ein
Großteil ihrer PatientInnen sind ZuwanderInnen und
gerade dieser Aspekt ist für die engagierte Ärztin einer der Gründe, wieso sie sich besonders wohlfühlt
im 16. Bezirk: sie sieht darin ihre eigene vielfältige
Ahnenherkunft und deren oftmals einfache Verhältnisse widergespiegelt. Dr.in Lippert zeigt mir ihre
geräumige Praxis, die sie von ihrem Vater übernommen hat und nimmt sich Zeit für ein ausführliches
Gespräch – vielen lieben Dank dafür!
1. Wie begegnet Ihnen Armut in Ihrer täglichen
Praxis?
a. Woran bemerken Sie Armut? Wie erkennen
Sie Armut?
Ich habe mir als Erstes einmal überlegt, was
sind so die Signale, die ich zu dem Thema im
Kopf habe? Und da gibt es quasi eine Gleichung:
Arm=Kinderreich=Bildungsfern. Das ist so eine
­Formel, die ich einmal an den Anfang stelle.
74
Man merkt das bei unseren Patienten schon bei der
Anmeldung, es besteht oft keine Versicherung, oder
die e-card ist nicht mehr gültig, es gibt einen unklaren Aufenthaltsstatus. Man sieht es auch an der
Kleidung, dass die Menschen einfach oder abgetragen gekleidet sind. Der Pflegezustand ist auch
manchmal nicht so, wie das zu wünschen wäre. Das
ist jetzt übrigens nicht in Bezug auf Zuwanderer gemeint, sondern im Gegenteil. Ich habe sehr viele
muslimische Zuwanderer und die sind, egal wie arm
sie sind peinlich rein. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt, der natürlich auch mit der Religion zu tun hat.
Es kommt natürlich auch vor, dass im Wartezimmer
ein alkoholisierter arbeitsloser Vater randaliert in
seiner Verzweiflung, für uns ist das natürlich sehr
unangenehm, aber menschlich verständlich ist es
trotzdem. Dann merkt man es auch am Informationsdefizit, dass der Zugang zu Informationen nicht
so da ist. Sprachprobleme sind dabei nur ein Aspekt,
sondern überhaupt Bildungsferne in jeder Art und
Weise. Wir haben auch sehr viele Analphabeten und
damit jene, die völlig unabhängig von ihrer persönlichen Intelligenz, keinen Zugang zu Information
­haben.
Was auch noch auffällt ist das explodierende Übergewicht bei armen Patienten, weil die Ernährung
kohlenhydratreich und fett ist, um die Kinder und
sich selbst satt zu bekommen. Dadurch ist die Ernährung natürlich nicht wertvoll und gesund. G
­ esunde
Lebensmittel sind aber oft nicht leistbar.
b. Welche Kinder sind Ihrer Erfahrung nach
besonders von Armut betroffen?
Natürlich Kinder von Asylanten, von bildungsfernen
Zuwanderern (Hilfsarbeiter, Arbeitslose), Kinder von
Alleinerziehern, da gehören auch Akademikerkinder
dazu. Ich habe etliche Akademiker, die mit ihrem
Kind zu mir kommen und auch am Existenzminimum
leben, weil sie oft durch die Mutter- oder Vaterschaft in einer prekären finanziellen Situation sind.
Zum Beispiel weil sie nicht den Job ausüben können,
den sie gelernt haben, oder ihn verloren haben und
da gibt es oft ganz versteckt Armut.
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Natürlich gehören kinderreiche Familien auch dazu.
Zunehmend auch Kinder von drogenabhängigen
­Eltern, das gab es bei uns bis vor drei Jahren kaum.
Das sind in erster Linie österreichstämmige Menschen. Sehr häufig kommt das bei Österreichern vor,
die aus den Bundesländern nach Wien kommen,
hier nicht Fuß fassen und dann irgendwie in die
­Szene abrutschen.
c. Was fehlt diesen Kindern und ihren Familien
Ihrer Erfahrung nach am meisten?
In erster Linie fehlt eine funktionierende Infrastruktur. Damit meine ich, dass ein niederschwelliger
Zugang zu vielen Institutionen ermöglicht werden
müsste. Gleichzeitig eine »fordernde Förderung«,
das Wort fordernd ist so wichtig wie fördernd. Weil
nur die Hilfe zur Selbsthilfe auch zu sinngebender
Tätigkeit und Selbstwertgefühl führen. Ich bin ganz
gegen ein Almosenverteilen, außer im absoluten
Notfall. Es ist ganz wichtig, dass Menschen einen
Sinn im Leben haben! Für mich ist, aus meiner Erfahrung heraus, der Erhalt oder die Rekonstruktion von
Würde und Erfolgserlebnissen, Anerkennung und
Selbstwertgefühl ganz wichtig. Dieses Gießkannenprinzip, wo ich auf dem Asphalt das Wasser verteile, das kostet dem Staat, dem Steuerzahler viel und
bringt überhaupt nichts. Es ist viel besser, wenn das
Wasser kanalisiert auf den Humus kommt. Und ich
denke es gehört auch zur Struktur des M
­ enschen,
eine Leistung erbringen zu wollen.
2. Wie gehen die Familien mit ihrer Armut um?
Wie drücken sie diese aus?
(zögerlich zurückhaltend, ärgerlich fordernd, enttäuscht aufgebend)
Meine Mitarbeiterinnen und ich kennen alle drei
Formen der Reaktion. Am Häufigsten, vor allem im
Wartezimmer, bei mir in der Ordination ist es wieder etwas anders; ist es eher das ärgerliche Fordern,
mitunter auch das Nötigen meines Personals und
manchmal auch meiner Person. Es gibt auch Wut,
es gibt auch Randalieren, wenn beispielsweise eine
Leistung nicht möglich ist.
Ich merke es aber auch an anderen Dingen, die mir
wehtun: in der Ablehnung von Impfungen, die durch
das Gratisimpfkonzept nicht finanziert werden, vom
Gesundheitsministerium und von Impfexperten aber
empfohlen werden. Ich habe das Gefühl, dass es eigentlich nicht die Ablehnung der Impfung ist, sondern der eigentliche Grund ist, dass die Leute sie
nicht wirklich zahlen können und sich schämen es
zuzugeben. Das ist wirklich deprimierend!
Was natürlich auch oft der Fall ist, ist dass Leute
­Atteste für erhöhte Kinderbeihilfe, Wohnungs­atteste
für eine neue, bessere Wohnung fordern. Manche
sind auch mitunter der Meinung, dass ihre Kinder
wesentlich kranker sind als sie es sind, um etwas
bewegen zu wollen. Da können manche Menschen
auch aggressiv werden und es ist gar nicht leicht
sie davon zu überzeugen, dass ich nur tatsächlich
­Zutreffendes zu Papier bringe.
3. Wie häufig begegnet Ihnen Armut in Ihrer
Praxis? Bzw. wieviele Ihrer PatientInnen/KlientInnen sind von Armut betroffen (Zahl, %)
Ich würde glauben, es geht schon langsam über die
30 % Grenze drüber. Weitere 10 % sind möglicherweise in einer prekären Situation: mit drohender
Kündigung, oder wenn nur mehr ein Verdiener im
Haushalt ist.
Man merkt das auch am deutlichen Ansteigen des
Prozentsatzes der rezeptgebührbefreiten Patienten,
ich glaube jetzt haben wir schon 30 %. Es war immer in meiner Praxis, die eine Schwerpunktpraxis ist
bezüglich Zuwanderern und ärmeren Österreichern,
ein relativ hoher Prozentsatz, aber der wird jetzt
­höher durch Arbeitslosigkeit, aber auch in Familien
mit sehr schwer kranken Kindern.
Woran ich es auch merke ist, dass die ersten Zuwanderfamilien jetzt beginnen wieder in ihre Ursprungsländer zurück zu gehen. Sie sagen, dass das Leben
hier für sie nicht mehr leistbar ist.
4. Was können Sie tun bzw. was tun Sie für diese Menschen? Für die Kinder?
Also ich verschenke relativ viele Leistungen einfach.
Es gibt viele Familien, bei denen ich keine Impf­
honorare verlange, weil ich froh bin, wenn dann
diese Impfungen, die nicht gratis sind, gekauft
75
Interviews zu Kinderarmut und Gesundheit (Sarah Koller)
werden. Für Bestätigungen, Atteste usw. verlange
ich bei diesen Familien meistens nichts, weil ich den
Standpunkt vertrete, die haben ja schon eine zu
kleine, schimmlige Wohnung, sollen sie jetzt wirklich noch den Arzt bezahlen? Ich weiß schon, dass
das meine Leistung ist, die ich dann nicht honoriert
bekomme, aber ich könnte nicht damit leben, von
diesen ­M enschen Geld zu nehmen.
Was mich oft im Notfall rausreißt sind Ärztemuster.
Wenn ein Kind zum Beispiel eine Lungenentzündung hat, nicht versichert ist, dann bin ich immer
sehr dankbar, wenn mir die Firmen ein paar Antibiotika dalassen, damit ich die Leute wenigstens
­kostenlos behandeln kann. Das hat jetzt gar nichts
mit meiner Leistung, auf die ich verzichte, zu tun,
sondern die Patienten gehen die Medikamente dann
ja nicht kaufen, weil sie zu teuer sind. Im Notfall
­b ehandle ich Menschen ohne Versicherung immer
wieder auch gratis.
Gesundheitszentrum in der Andreasgasse gibt, wo
es die ­M öglichkeit zur Psychotherapie für Kinder
und ­Jugendliche über die Krankenkasse gibt.
Dankbar bin ich auch über die Entwicklungsambulatorien, Stichwort Dresdnerstraße, Modecenterstraße,
Fernkorngasse, Graumanngasse. Das Problem: Wartezeiten unendlich lang, trotzdem funktioniert es in
den meisten Fällen durch wechselseitige M
­ otivation,
vor allem auch den Eltern gegenüber, dass sie wirklich hingehen. Ich habe eine über Jahrzehnte angesammelte Liste an wohlbegangenen Wegen, wo ich
weiß dort haut es hin und wo ich die Eltern weitervermitteln kann. Mir ist es auch ganz wichtig, dass
Jugendamt, Familie und Arzt keine Barrikaden zwischen sich aufbauen, sondern gemeinsam versuchen
Probleme zu lösen. Schuldzuweisungen bringen uns
nicht weiter.
Begeistert bin ich auch von dem Projekt »Frühe Hilfen«,
viele meiner Familien, bei denen ich mir zuerst gar
nicht gedacht hätte, das sie das Angebot in Anspruch nehmen, berichten danach sehr positiv darüber.
Wir sammeln auch Gegenstände, ich habe eine Familie, wo zwei Mädchen zur IS gegangen sind, sie
sind gottseidank wieder gesund zurückgekommen.
Der Vater ist kurz davor gestorben, die Familie war
aufgelöst, 5 Kinder, das ist alles durch die Presse gegangen. Ich habe dann alles, was ich in der Familie
und von Freunden an Kleidern bekommen habe, gesammelt und der Familie geschenkt. Die haben das
teilweise für sich selbst verwendet und zum Teil am
Flohmarkt »verscherbelt«, und das ist auch gut so!
Ich habe auch Visitenkarten von der »Lehrlingskümmernummer« der Stadt Wien in meiner Ordination aufgelegt, für jugendliche Schulabbrecher und
­Jugendliche, die eine Lehre suchen.
5. Was würden Sie für notwendig erachten?
Bildung und Kindergarten! Bildung ist der Weg zu
fast allen Segnungen, die möglich sind im Leben.
Bezüglich des Zusammenlebens verschiedener Kulturen halte ich nichts von Assimilation, sondern
viel davon in Würde verschiedene Traditionen, Religionen und Lebensanschauungen nebeneinander respektvoll stehen zu lassen. Bildung ist eine
Art Existenzsicherungsmöglichkeit und ermöglicht
auch das Erbringen einer Gegenleistung für die
­Gesellschaft.
Ich habe sehr viele Kinder, die Psychotherapie brauchen – gerade in diesen Grabenbrüchen zwischen
den Kulturen. Oft sind die Mädchen in der Pubertät in der Akzeptanz ihrer Rolle als Frau zwischen
den Welten mit verschiedenen Vorbildern hin-und
hergerissen und haben oft furchtbare psychosomatische Probleme, werden in der Familie unterdrückt oder machen Gewalterfahrungen durch Brüder
oder Väter und dann gibt es oft auch noch kein
Geld. Da bin ich unendlich dankbar, dass es das
Zum Beispiel das Zusammenleben in einem Flüchtlingslager wie Traiskirchen: Irrsinnig viele Leute, da
sind ein paar Gewaltbereite, dort sind viele verschiedene Ethnien und die dürfen alle nicht arbeiten und
müssen jetzt dort brav sein und dürfen nicht raus.
Das Erste was mir dazu einfällt ist: es ist ganz klar,
dass diese Leute Fähigkeiten haben! Warum können
diese nicht gemeinsam das Haus selbst verwalten,
da wird eine gut kochen können, da wird einer vielleicht ein ganz guter Frisör sein. Da könnte man ja
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Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
eigentlich ein Projekt machen, dass die Menschen,
die in einer fremden Umgebung unter enormen psychischen Druck »angehalten« werden, aus dem das
Beste machen – nämlich einen Sinn. Die Sinnlosigkeit macht Aggressionen. Ich habe mir immer, während dieser ganzen Diskussionen über Migration, Assimilation usw. gedacht: »Warum müssen so viele,
zum Teil junge, Menschen zum Nichtstun verurteilt
sein?«. Ich verstehe es nicht! Warum kann man nicht
eine Leistung auch durch einen Lohn entgelten? Das
ist Wertschätzung, sie leisten dann ja auch was und
vielleicht kann man dort in der Folge sogar Personal
einsparen. Ich denke mir immer: »Warum muss das
ein Käfig sein?«.
Was ich mir noch wünschen würde: verpflichtendes
Deutsch-Lernen hat wieder so etwas Überflüssiges,
es ist selbstverständlich, dass man die Sprache des
Landes lernt, in dem man lebt. Dass sollte motivierender unter die Leute gebracht werden!
Was Arme ärmer macht als sie sind, ist der Markenfetischismus unserer Gesellschaft, weil was mich
arm macht, ist auch, wenn ich nicht dazugehöre, da
muss ich nicht einmal hungrig sein. Mein Ziel ist die
Denunziation von Markenfetischismus, dieses »das
muss man ja haben« macht die Leute unfrei und
­unglücklich.
Sehr wichtig ist es auch Leistungen zu würdigen
oder zu loben, dort wo sich etwas zum Guten wendet. Das macht die Politik auch nicht und das macht
stets eine depressive Stimmung.
6. Was möchten Sie darüber hinaus noch zum
Thema sagen?
Also wenn man Armut abschaffen will, dann muss
man die Ursachen der Armut abschaffen. Wenn
man kluge Köpfe zulässt und fördert, dann bringt
das Innovation und Entwicklungen, die zu Auswegen aus der Krise führen. Das sehe ich auch in unserer derzeitigen Wirtschaftssituation so. Ich glaube,
wenn man über Wachstum nachdenkt, sollte man
sich überlegen, ob es erstens überhaupt sinnvoll ist?
und zweitens in welche Richtung? In diesem Land
könnten so viele Investitionen eingespart werden
und in die richtige Richtung kanalisiert werden. Man
muss bei der Sinnhaftigkeit von Investitionen den
Hebel ansetzen und dann kommt man immer wieder zur Bildung zurück: sobald ein Mensch denken
darf, gibt es einen Weg. Wenn ich jemanden einfach
nur unselbstständig dahin leben lassen will, habe ich
selbst wirtschaftlich verloren und daran leidet dieses
Land!
Das ist der Fehler gewesen über Jahrzehnte. Mein
Vater ist seit elf Jahren tot und hat vor vierzig Jahren
gesagt: »der Kindergarten muss für alle Kinder, die
in Österreich leben, kostenlos sein«. Sie können sich
jetzt denken was in den letzten Jahren zu diesem
Thema effizient geschehen ist. Wir haben jetzt einen Zugang zum Kindergarten, in einem Alter, wo
es meines Erachtens nach wesentlich zu spät ist, wo
es zu wenige Räume, zu wenig Personal und vor
allem zu wenig Wertschätzung für das Kindergartenpersonal gibt.
Ich habe noch ein Anliegen, ein heikles Thema, über
das ich mir viele Gedanken gemacht habe und zu
dem ich folgende Theorie habe: das ist die IS. Ich
finde, die IS ist zu einem hohen Prozentsatz die logische Folge aus fehlender Anerkennung von jungen
Menschen. Menschen, die akonto ihrer sprachlichen
Probleme, akonto ihrer fehlenden Bildung, ihrer fehlenden Chancen zu wenig Anerkennung in unserer
Gesellschaft bekommen haben, die kein Selbstvertrauen haben und wo trauriger Weise die erste
Wertschätzung und erster Sinn ihres Lebens die
Mitgliedschaft bei einer Gruppe wie die IS ist. Wir
können uns überhaupt nicht freisprechen von diesem Auslösmechanismus im Westen. Ich finde, dass
ist die Rache der »lost generation« am goldenen
Westen. Wobei ich jetzt ganz kritisch mit Karl Kraus
schließen möchte: »das goldene Wienerherz – das
einzige Herz, das aus Metall ist«.
Kontakt:
Dr.in Marianne Lippert
Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde
Weyprechtgasste 3, 1160 Wien
T.: +43 (0)1 / 402 52 00
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Beiträge Institutioneller Mitglieder
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Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Berufsverband Kinderkrankenpflege Österreich
Der Berufsverband Kinderkrankenpflege Österreich (BKKÖ) vertritt die Interessen für die Berufsgruppe »Diplomierte Kinderkrankenschwester bzw.
Diplomierter Kinderkrankenpfleger« sowie für alle
Personen des gehobenen Dienstes der Gesundheitsund Krankenpflege, die berechtigterweise in der
Kinder- und Jugendlichenpflege tätig sind.
Die Liga für Kinder- und Jugendgesundheit
nimmt klare Positionen in gesundheitspolitischen
Belangen ein, stets zum Wohle der Kinder und
­Jugendlichen und deren Familien, eine starke, gemeinsame Stimme wenn es um die Chancengleichheit für die Jüngsten in unserer Gesellschaft geht.
Der BKKÖ setzt sich dafür ein, dass allen Kindern
und Jugendlichen die gleiche professionelle Pflege
zu Teil wird, unabhängig von Herkunft, sozialem
Status oder wirtschaftlicher Lage und so der pflegerische Versorgungsauftrag gewährleistet wird
(vgl. Rahmengesundheitsziele Österreich). Es fehlen­
z.B. ausreichende Stellen im Bereich der Mobilen
Kinderkrankenpflege, ein Kinderrehabilitation­s­
zentrum oder ein Kinderhospiz.
Schaffen wir für unsere Kinder eine sorgenfreie
und glückliche Kindheit, sichern wir die beste
Gesundheitsversorgung für alle Kinder und
Jugendlichen!
Frühe Förderung von Wohlbefinden und Entwicklung eines Kindes führt zu besseren und gerechteren
Gesundheitsergebnissen. Fachkompetente Beratung,
Begleitung bei der Versorgung des Neugeborenen
und Säuglings von Geburt an in Elternberatungsstellen und im Rahmen der Mobilen Kinderkrankenpflege direkt in den Familien, ist das Fundament für eine
langfristige Gesundheit.
Kinderkrankenpflege im Blickwinkel von
Chancen­gleichheit und Gesundheit im
­schulischen Alltag – die School Health Nurse –
eine Zukunfts­vision
Gesundheitsförderung, Gesundheitsversorgung
und Prävention gehören zu den wichtigsten Aufgaben der School Health Nurse. Sie steht den Kindern
und Jugendlichen in gesundheits- und krankheitsbezogenen und vor allem auch die entwicklungsbedingten Fragestellungen zur Seite um Ihre Lebenskompetenzen zu stärken und zu entwickeln. Die
Fachkraft ist da, wo die jungen Menschen sind, integriert in das Schulleben. Chronisch kranke Kinder
haben Unterstützung vor Ort, die Inklusion der betroffenen Kinder ist keine Diskussion mehr.
Die Präsenz einer kompetenten AnsprechpartnerIn
im Lebensraum Schule gibt Sicherheit, es kommt zur
Entlastung des gesamten Lehrerkollegiums.
Ausbildung in der Kinder- und Jugendlichenpflege
Eine adäquate Ausbildung und Weiterbildung und die
ständige Weiterentwicklung des eigenen Wissens ist
die Voraussetzung, um die Patienten qualitativ hochwertig pflegen zu können. Das Rahmen-Gesundheitsziel 6 beansprucht Kinder- und Jugendspezifische
­Zusatzqualifikationen in der Aus- und Weiterbildung.
(vgl. BM f. Gesundheit, 2014)
Die erste Stufe der Ausbildung des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege wird an ­einer
Fachhochschule stattfinden mit der Möglichkeit, Masterstudien und Doktorratsstudien anzuschließen.
Dies wird als Weiterentwicklung gesehen und vom
BKKÖ unterstützt. Doch werden in der geplanten
generalistischen Ausbildung, ausreichend Kernkompetenzen der Kinder- und Jugendlichenpflege inkludiert sein um in diesem komplexen, speziellen Tätigkeitsbereich einsetzbar zu sein? Welche spezifischen
Zusatzqualifikationen müssen ergänzend angeboten
werden um dem Qualitätsanspruch und den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden? Welche
Kompetenzen können neu geschaffene Berufsgruppen übernehmen?
Der BKKÖ wird sich in laufende Gesprächsrunden
und Diskussionen einbringen und fordert eine adäquate Ausbildung, die in jedem Fall dazu geeignet
sein muss, die pflegerische Versorgung für Kinder
und Jugendliche zu sichern, zu verbessern und auszubauen.
Eva Mosar-Mischling · Delegierte
81
Institutionelle Mitglieder
Berufsverband Österreichischer
PsychologInnen
Der Berufsverband Österreichischer PsychologInnen
ist mit mehr als 5.000 Mitgliedern die größte Interessenvertretung für PsychologInnen in Österreich. Davon sind 1.900 ExpertInnen Mitglied in der Fachsektion Kinder-, Jugend- und Familienpsychologie, die
damit die zweitgrößte Fachgruppe innerhalb des
Psycholog­Innenverbandes repräsentiert.
Aktivitäten des Berufsverbandes Österreichischer
PsychologInnen im Hinblick auf Kinder- und
J­ugendgesundheit 2014
»Tag der Psychologie« zum Schwerpunkt
»Elternbildung«
»Elternbildung – Kann, soll, muss man Elternsein lernen?« war das Thema des vom BÖP organisierten
»Tag der Psychologie« am 4.10.2014, der sowohl in
Wien als auch zeitgleich in Salzburg stattfand. Ganz
besonders freuten wir uns, dass Bundesministerin
MMAg.a Dr.in Sophie Karmasin und Landtagsabgeordnete Mag.a Sonja Ramskogler – beide Damen
sind auch Psychologinnen – die Veranstaltung eröffneten. In beiden Eröffnungsreden wurde die Bedeutung psychologischer Kompetenz bei der Elternbildung hervorgehoben und eine weitere Kooperation
zu dieser Thematik in Aussicht gestellt.
Die Vorträge sowie Fotos beider Veranstaltungen
finden Sie auf unserer Homepage
www.tagderpsychologie.at
»Erziehung – kein Kinderspiel?« Informationsfolder vom BMFJ und BÖP
In Kooperation mit dem Bundesministerium für Familien und Jugend wurde ein Informationsfolder mit
dem Titel »Erziehung – kein Kinderspiel?« erstellt.
Der Folder informiert über das umfangreiche Angebot des Familienministeriums zur Elternbildung
sowie über die Unterstützungsmöglichkeiten durch
Kinder-, Jugend- und FamilienpsychologInnen des
Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen.
Der Folder ist über den BÖP kostenlos erhältlich.
Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium
für Familien und Jugendliche
Bereits im Vorjahr hat der BÖP das soeben
wieder aktuelle Thema der »Adoption durch
82
gleichgeschlechtliche Paare« beobachtet, auf Ersuchen der Bundesministerin Dr.in Sophie Karmasin
einen Überblick über die Studienlage erstellt und
diesen zur Verfügung gestellt. Insgesamt haben
die Ergebnisse dieser Studien gezeigt, dass die sogenannten Regenbogenfamilien keinerlei negativen
Einfluss auf die Kindesentwicklung haben. Wir freuen
uns, die Bundesministerin mit unserer Expertise unterstützt zu haben.
Kinderrechte-Enquete – PsychologInnen sprechen
im Parlament
Aus Anlass von »25 Jahre UN-Kinderrechtskonvention« fand am 10.11.2014 eine Kinderrechte-Enquete im Parlament statt. BÖP-Vorstandsmitglied­­
Mag.a Hedwig Wölfl, und die BÖP-Mitglieder
Dr. Reinhard Neumayer, Abteilung Jugendwohlfahrt der NÖ Landesregierung sowie Dr. Reinhard
Topf vom St. Anna Kinderspital, haben bei dieser
Veranstaltung von ihren Erfahrungen zum Kinderschutz aus psychologischer Sicht berichtet und weitere Maßnahmen für eine Verbesserung des Kinderschutzes zur Diskussion gestellt.
Einen ausführlichen Bericht zur Enquete gibt es auf
der Parlamentshomepage unter
www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/VER/
VER_00001/index.shtml
Informationsfolder zu psychologischen Themen
kostenlos im BÖP erhältlich
ExpertInnen der Fachsektion »Pädagogische Psychologie« im BÖP haben einen Informationsfolder
zum Thema »Pädagogische Psychologie & Bildungpsychologie« erstellt. Darin wird anhand von Fallbeispielen über die zahlreichen Tätigkeitsbereiche
von Pädagogischen PsychologInnen und Bildungs­
psychologInnen informiert. Das gesamte Informationsangebot des BÖP finden Sie auf unserer Homepage unter www.boep.or.at/Folder.171.0.html
Informationsangebot des Berufsverbandes
Österreichischer PsychologInnen
BÖP-Helpline Tel: 01 / 504 8000
www.boep.or.at
Mag.a Dr.in Sandra M. Lettner · Präsidentin
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
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Bundesverband Österreichischer
Kinderschutzzentren
Im vergangenen Jahr wurden zwei für den Kinderschutz bedeutsame Jahrestage gefeiert: 25 Jahre
UN-Kinderrechtskonvention und 25 Jahre gesetzliches Gewaltverbot in der Erziehung in Österreich.
Ein Vierteljahrhundert danach fällt die Bilanz für die
Österreichischen Kinderschutzzentren gemischt aus.
Einige Beispiele sollen dies veranschaulichen:
vieles noch nicht etabliert ist. Viele betroffene Kinder können mit den Angeboten der Kinderschutzzentren nicht erreicht werden, da die Intervention
bei häuslicher Gewalt – trotz gesetzlicher Verbesserungen wie der verpflichtenden Meldung der Exekutive an den Kinder- und Jugendhilfeträger – eher auf
die betroffenen Erwachsenen fokussiert ist.
Befanden sich damals gerade die ersten österreichischen Kinderschutzzentren in Gründung, so gibt es
heute Kinderschutzzentren und -einrichtungen in
allen Bundesländern mit einem breiten Angebotsspektrum von Beratung, Psychotherapie, Prozessbegleitung, Präventionsarbeit u.v.m. Seit 2011 haben
die Kinderschutzzentren mit dem Bundesverband
auch eine gemeinsame Plattform, um Anliegen des
Kinderschutzes gemeinsam zu vertreten.
Allerdings zeigt sich nach wie vor, dass die Ressourcen
für den Kinderschutz begrenzt sind. Statt ihre Angebote ausbauen und absichern zu können, waren
2014 viele Einrichtungen zu Stunden- und Personal­
kürzungen gezwungen und mitunter auch mit drohender Schließung konfrontiert. Das gefährdet die
kontinuierliche Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die von Gewalt betroffen sind. Für eine flächendeckende Versorgung wäre es zudem in manchen Regionen notwendig, Außenstellen auf- und
auszubauen, um Kindern und ihren Familien zu
­ermöglichen, die Angebote der Kinderschutzzentren
in Anspruch zu nehmen.
Wenn Kinder in Einrichtungen wie den Gewaltschutzzentren, die für Erwachsene konzipiert wurden, »mitbetreut« werden, dann kommt dies zwar
dem Bedarf nach unmittelbarer Unterstützung und
Krisenintervention nach. Dennoch ist die Frage zu
stellen, ob es nicht in manchen Fällen sinnvoller ist,
mit Einrichtungen aus dem Kinder- und Jugend­
bereich zu kooperieren bzw. die Kinder dorthin zu
überweisen. Kinder haben in dieser Belastungssituation andere Bedürfnisse und Sorgen als die beteiligten Erwachsenen, und es besteht die Gefahr, dass
diese nicht ausreichend wahrgenommen werden,
wenn sie keinen entsprechenden kindzentrierten
Raum zur Verfügung gestellt bekommen.
In diesem Zusammenhang sorgte das Land Ober­
österreich mit der »Richtlinie Kinderschutz« im vergangenen Jahr für Aufmerksamkeit. Sie legt nicht
nur Qualitätskriterien für die Arbeit der Kinderschutzzentren fest, sondern dokumentiert auch
durch die Bereitschaft des Landes Oberösterreich,
die finanzielle Verantwortung für die Kernleistungen
der Zentren zu übernehmen. Eine solche finanzielle
Grundsicherung wäre auch für Kinderschutzzentren
in anderen Bundesländern eine Chance, ihr Budget
nicht Jahr für Jahr aufs Neue aus unterschiedlichsten
Fördertöpfen »zusammenstoppeln« zu müssen.
Diese Frage ist nicht nur fachlich zu diskutieren, sondern sie hat auch eine (sozial- und gesundheits-)
politische Dimension: Im Gesundheitsbereich werden Kinder und Jugendliche zunehmend als eigene
Zielgruppe gesehen, die nicht einfach mit der Gruppe der »Erwachsenen« mitgedacht werden kann,
sondern eigene Angebote und Zugänge benötigt
(z.B. bei der Spezialisierung auf Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie). Es wäre als Rückschritt zu
sehen, wenn im Kinderschutz die kinderspezifischen
Angebote für gewaltbetroffene Minderjährige nicht
ausgebaut würden, sondern Kinder stattdessen in
Einrichtungen, die auf die Bedürfnisse erwachsener
Gewaltopfer abgestimmt sind, als »Sonderfall« mitbetreut würden.
Barbara Neudecker · Mitarbeiterin des Bundes­
verbandes und Leiterin der Fachstelle für Prozess­
begleitung des Bundesverbandes
Auch Kinder, die Opfer häuslicher Gewalt wurden,
sind ein Beispiel dafür, dass in der Kinderschutz­arbeit
83
Institutionelle Mitglieder
Ergotherapie Austria – Bundesverband der
ErgotherapeutInnen Österreichs
Als berufspolitische Interessensvertretung der
ErgotherapeutInnen Österreichs verfolgen wir unter
anderem das Ziel einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Ergotherapie. Ergotherapie
rückt das selbstständige Tun in den Mittelpunkt der
täglichen Arbeit und geht davon aus, dass gezielt
eingesetzte Tätigkeit gesundheitsfördernde und therapeutische Wirkung hat. Ergotherapie richtet sich
an Menschen jeden Alters, die in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt oder von Einschränkung bedroht sind. Das Ziel der Ergotherapie ist die Durchführung von bedeutungsvollen Betätigungen in den
Bereichen Selbstversorgung, ­Produktivität und Freizeit/Erholung.
Status Quo und Teilerfolge der ergotherapeutischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen
Während die kostenlose ergotherapeutische
­Versorgung durch die Bundeskassen und einige
­G ebietskrankenkassen bereits seit Jahren möglich
ist, war in manchen Bundesländern die Versorgung
unzureichend. Erfreulicherweise gelang Ergotherapie
Austria ein Vertragsabschluss mit der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse. Dadurch stehen
seit April 2014 erstmals kassenfinanzierte Therapieplätze für PatientInnen der Niederösterreichischen
­Gebietskrankenkasse zur Verfügung. Ein besonderes
Augenmerk wurde bei der Definition der Planstellen auf die Versorgung von Kindern und Jugendlichen gelegt. Von den geschaffenen 36 Planstellen
sind 15 Stellen (40%) für Kinder gewidmet. Eine
weitere Verbesserung der Versorgung gibt es auch
im B
­ urgenland. Der bestehende Poolvertrag wurde
durch zusätzliche Poolstunden erweitert.
Ergotherapie Austria steht laufend in Verhandlungen mit Krankenkassen um eine Verbesserung
der Versorgungsstrukturen zu erreichen. Intensive
Gespräche gab es 2014 in Kärnten und der Steiermark.
Jedoch wurde bis dato noch keine Einigung für Rahmenverträge erzielt. In der Steiermark wurde nun
durch einen Vertrag der STGKK mit Ambulatorien
eine Versorgung geschaffen. In wie weit diese
den tatsächlichen Bedarf deckt, wird das nächste
Jahr zeigen. In Wien deckt der vorhandene Pool­
vertrag weiterhin nur rund 10-20% des Bedarfs ab.
84
Gespräche zwischen der Wiener Gebietskrankenkasse
und dem VEV sollen eine Annährung zum nieder­
österreichischen Versorgungsgrad bringen.
Auch 2015 ist Ergotherapie Austria bemüht allen
Kindern und Jugendlichen – unabhängig vom
Wohnort und Versicherungsträger – einen Zugang
zur kostenfreien Therapie zu ermöglichen.
Mitarbeit von Ergotherapie Austria bei
Projekten bezogen auf die Gesundheit von
Kindern und Jugendlichen
Ergotherapie Austria arbeitete bei der Erstellung des
Verordnungskataloges für Kinder und Jugendliche
aktiv mit. Dieser hat zum Ziel, u.a. ergotherapie­
spezifische Probleme darzulegen und die gegebene
Notwendigkeit einer Ergotherapie aufzuzeigen. Er
soll österreichweit eingesetzt werden und zu einer
Optimierung der Vernetzung zwischen ÄrztInnen,
Kassen und TherapeutInnen beitragen.
Ergotherapie Austria hat auch bei weiteren Projekten
zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen fachliche Expertise eingebracht und auf die spezifischen
Kompetenzen von ErgotherapeutInnen für ein
­gesundes Aufwachsen von Kindern hingewiesen. So
wurde für die Weiterentwicklung des Mutter-KindPasses Informationen zu Screeningprogrammen
mit ergotherapeutischer Relevanz eingebracht und
Mitarbeit angeboten. Ebenso arbeitet Ergotherapie
Austria intensiv am Thema Primärversorgung aber
auch an Projekten wie dem NÖ Kinder- und Jugendplan mit.
Mag.a Katrin Unterweger, MSc · Ressort Evidenzbasierung
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Gesellschaft für Sensorische Integration
in Österreich (GSIÖ e.V.)
Der Verein GSIÖ nimmt sich um alle Anliegen rund
um Sensorische Integration an. Hauptpunkte sind
dabei:
• Öffentlichkeitsarbeit zur Erzeugung eines
öffentlichen Bewusstseins für die Existenz, die
Auswirkungen und den Umgang mit sensorischen
Integrationsstörungen.
• Qualitätssicherung der Praxis der Sensorischen
Integrationstherapie. Dies erreichen wir durch
Qualitätssicherung der Ausbildung, da nur exzellent ausgebildete Fachkräfte auch exzellente Versorgung bieten können.
• Verbesserung der Versorgung: hier hat die
Kinderliga mit dem Kinderhilfsfonds einen unschätzbaren Beitrag geleistet, um Therapie in der
Privatpraxis zugänglich zu machen. Danke! Dennoch sind Eltern aus Mangel an Ergotherapieplätzen bei SI-zertifizierten Therapeutinnen gerade im
ländlichen Raum auf nicht äquivalente Ersatzangebote (z.B. SI-«Förderung« oder Gruppen) angewiesen.
im Balance Resort, bei der das anstehende neue
Curriculum durchgearbeitet wurde. Im Herbst organisierten wir eine interne online Weiterbildung für
die GSIÖ-Instruktorinnen (»Didaktischer Impuls«).
Das Jahr 2014 war für uns das Jahr d er
4. Generalversammlung. Der »alte« Vorstand
(Elisabeth Söchting, Helene Grabuschnigg) wurde
bestätigt. Auf der GV wurde ein neues Curriculum für die Zertifikatsausbildung in Sensorischer
Integrationstherapie angenommen. Wichtigste
Neuerungen: Es gibt keine Teilung in Grund- und
Aufbaustufe, am Ausbildungsende steht ein Kalibrierungsprozess und das SI-Zertifikat hat eine zeitbegrenzte Gültigkeit (5 Jahre).
Ein Übersetzungsprojekt wurde fertiggestellt:
»Sinn-Volle Tipps für Kids« ist ab 2015 im GSIÖ
Shop erhältlich.
Ganz aktuell: Relaunch unserer Website!
Besuchen Sie unsere neue Website auf
www.sensorische-integration.org
Mag.a Elisabeth Söchting · Präsidentin
• Vernetzung: Die GSIÖ kooperiert mit relevanten
internationalen SI-Organisationen wie dem Sensory Integrational Global Network SIGN und der
International Collaboration for Education in Ayres’
Sensory Integration (ICEASI) und innnerhalb
Österreichs mit dem Ergotherapieverband ErgotherapieAustria und – der Kinderliga!
Was hat die GSIÖ im Jahr 2014 unternommen?
Im Juni 2014 fand in Finnland der 3. Europäische
SI Kongress (ESIC) statt, auf dem Österreich stark
repräsentiert war. Die 5. ESIC wird übrigens 2017 in
Wien stattfinden!
Die GSIÖ war in diesem Jahr auch mit Ständen auf
der Autismuskonferenz in Wien und dem Familientag der Kinderliga vertreten.
Im Sommer lud die GSIÖ die Instruktorinnen zum
Instruktoren Meeting, einer zweitägigen Klausur
85
Institutionelle Mitglieder
Österreichischer Berufsverband
der MusiktherapeutInnen
Musiktherapie ist speziell indiziert, wenn zur
­B ehandlung die Sprache nicht oder nur beschränkt
zur Verfügung steht, wie dies etwa bei Kindern mit
Entwicklungsverzögerungen oft der Fall ist – über
ein nonverbales Medium kann hier eine Beziehungsanbahnung erfolgen und an therapeutischen Zielen
gearbeitet werden. Wichtige Arbeitsbereiche sind
Autismus-Spektrum-Störungen, psychiatrische und
psychosomatische Erkrankungen, Neonatologie,
Neurorehabilitation und Onkologie.
Seit seiner Gründung im Jahr 1984 vertritt der ÖBM
die Interessen der in Österreich berufstätigen MusiktherapeutInnen. Derzeit sind etwa 225 MusiktherapeutInnen sowie 40 Musiktherapie-Studierende im
ÖBM organisiert.
Rückblick 2014
• Finanzierung musiktherapeutischer Leistungen: Im Rahmen einer Unterschriften-Aktion
wurden im Jänner 2014 dem Gesundheitsminister
8.221 Unterstützungserklärungen übermittelt.
• 14th World Congress of Music Therapy in
Vienna/Krems: Im umfangreichen Kongress­
programm fand sich u.a. eine Präsentation des
­T IME-A-Projekts, das weltweit im Bereich Musiktherapie und Autismus-Spektrum-Störung forscht.
»Music Therapy with Families« ist ebenfalls ein
­international aktuelles Thema, zu dem es rege
Vernetzungsarbeit und fachlichen Austausch gibt.
• 30 Jahre ÖBM: Im Juni 2014 konnte der Berufsverband auf insgesamt 30 Jahre seines Bestehens
zurückblicken. Als besonderer Meilenstein wurde
im Rahmen der Festlichkeiten das 2009 in Kraft
­getretene Berufsgesetz für Musiktherapie gewürdigt.
• ÖBM-Fortbildungsveranstaltungen:
Speziell im Kinder- und Jugendbereich wurden in
diesem Jahr Schwerpunkte auf die Themen ADHS
und musiktherapeutische Methodik gesetzt. Ein
Fachtag widmete sich musiktherapeutischen Eingangsphasen im störungsspezifischen Kontext
(Erstkontakte, Erstgespräche und Elternarbeit).
86
Ausblick 2015
• Finanzierung musiktherapeutischer Leistungen:
In Kontakt mit Verantwortlichen aus Politik und
Sozialversicherungswesen wird weiter an diesem
Ziel gearbeitet.
• Ein zertifizierter Weiterbildungskurs »MusikSpielTherapie ®« unter der Leitung von Katrin Stumptner und Cornelia Thomsen (Berlin) wird von Dezember 2014 bis Jänner 2016 angeboten. Unter
direktem Einbezug der Eltern bietet die Musiktherapie hier eine Methode zur Behandlung früher
Entwicklungsstörungen in den ersten Lebensjahren. In triadischem Setting (Bezugsperson – Kind –
Therapeutin) kann dadurch intensiv an Bindungsund Regulationsstörungen des Säuglings und
Kleinkindes gearbeitet werden. Ein Einsatz des
nonverbalen Mediums Musik erweist sich in dieser
präverbalen Zeit als sehr sinnvoll.
• 10th European Music Therapy Conference: Der
ÖBM als Mitveranstalter freut sich auf diese internationale Veranstaltung, die im Juli 2016 in Wien
stattfinden wird. Planung und Organisation sind
bereits in vollem Gange.
Chancengleichheit und Gesundheit
Derzeit steht in Österreich keine Finanzierung oder
Unterstützung von Musiktherapie im niedergelassenen Bereich durch Krankenkassen zur Verfügung.
Der ÖBM setzt sich dafür ein, diese Lücke zu schließen
und somit allen Familien, die dies brauchen, den
Zugang zu Musiktherapie zu ermöglichen oder zu
erleichtern.
MMMag.a Monika Geretsegger · Vorstandsvorsitzende
Mag.a Marianne Trippl · Delegierte
Mag.a Eva Phan Quoc · Delegierte
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Österreichischer Bundesverband
für Psychotherapie
Säuglings-, Kinder und Jugendpsychotherapie in
Österreich
Die psychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen wächst. Dabei wird die
Forderung nach Qualitätssicherung und nach
besseren Arbeitsbedingungen lauter.
Die psychotherapeutische Versorgung für Säuglinge,
Kinder und Jugendliche hat in den letzten Jahren
große Schritte in Richtung einer bedarfsgerechteren
Versorgung gemacht. Kinder und deren Eltern merken dies in erster Linie an einem leichteren und leistbaren Zugang zur Psychotherapie und im Idealfall
an kürzeren Wartezeiten. In einigen Bundesländern
sind seitens der Krankenkassen die Budgets für die
Psychotherapie von Säuglingen, Kinder und Jugendlichen teils erheblich angehoben worden, in manchen
Regionen gibt es eine Vorreihung des Ausbaus der
Psychotherapie zugunsten der Kinder entsprechend
den Gesundheitsrahmenzielen.
Eine wesentliche Neuerung wird es im Bereich der
Qualitätssicherung geben. Im Psychotherapie­
beirat wurde der Entschluss gefasst, eine einheitliche Schwerpunktliste für Säuglings-, Kinder
und ­J ugendpsychotherapie zu etablieren. Der
österreichische Bundesverband für Psychotherapie
(ÖBVP) arbeitet schon länger an der Umsetzung
einer ­s olchen Liste. Sie soll Orientierung für Eltern
und zuweisende Stellen bringen. Es ist zu gewährleisten, dass alle, die Psychotherapie suchen, möglichst
ohne Irrwege adäquate Behandlung finden. Aber es
geht auch um den Nachweis, dass eine Vertiefung
mit dem Fach stattgefunden hat. Diese Liste bringt
keinen Tätigkeitsvorbehalt, das bedeutet, dass weiterhin alle eingetragenen PsychotherapeutInnen berechtigt sind, im Feld zu arbeiten. Gelistet können
aber nur jene KollegInnen werden, die besondere
Qualitäts- und Erfahrungsnachweise erbringen.
Mag. Karl-Ernst Heidegger · Vizepräsident ÖBVP
Aber trotz aller Verbesserungen gibt es noch keine
einheitliche gerechte Lösung, es bleibt ein Flickwerk.
Im Bedarfsfall brauchen Österreichs Kinder Glück,
im richtigen Bundesland zu leben, bei der richtigen
Sozialversicherung zu sein oder vermögende Eltern
zu haben. Die Frage beim Erstgespräch, bei welcher Versicherung das Kind mitversichert ist, wird zu
oft zur Schicksalsfrage, ob Eltern sich die notwendige Psychotherapie ihres Kindes leisten können.
Die Wechselwirkung zwischen sozioökonomischen
­Faktoren und Gesundheit ist längst bekannt, auch
dass Armut seelisch krank macht und Kinder und
­Jugendliche besonders trifft.
Im November 2014 hat Österreich seinen Beitritt zur
UN-Kinderrechtskonvention vor 25 Jahren gefeiert.
Das Recht auf die bestmögliche Gesundheit und Behandlung ist ein Teil der Kinderrechte der Vereinten
Nationen. Hier ist Österreich säumig. Die psychische
Versorgung von Kindern hinkt in Österreich der allgemeinen Gesundheitsversorgung stark hinterher
und ist trotz Angebot nicht vollständig gewährleistet. Was vor allem fehlt, ist ausreichend kassen­
finanzierte Psychotherapie.
87
Institutionelle Mitglieder
ÖSTERREICHISCHES
HEBAMMENGREMIUM
Österreichisches Hebammengremium
Gesundheitliche Chancengleichheit für sozial
­b enachteiligte Kinder wurde anlässlich der Kindergesundheitsstrategie im Jahr 2012 vom Bundes­
ministerium für Gesundheit gefordert und Maßnahmen, um die geforderten Ziele zu erreichen,
angekündigt. Aufgrund ihrer Positionierung im
Gesundheitssystem haben Hebammen hier eine
­wichtige Aufgabe zu bewältigen. Zum einen sind sie
Fachfrauen für Schwangerschaft, Geburt und Säuglingszeit, zum anderen sollen sie Eltern zu gesundheitsrelevanten Themen fachlich beraten und Informationen von gesundheitlichen Präventions- und
Vorsorgeleistungen weitergeben.
Es bedarf eines ungehinderten Zugangs, damit auch
sozial benachteiligte Frauen und ihre Familien oder
Frauen mit Migrationshintergrund diese Vorsorgeleistungen in Anspruch nehmen. Diesen Zugang
schafft der Mutter-Kind-Pass, der allen schwangeren
Frauen zu Beginn der Schwangerschaft ausgestellt
wird und in dem alle für Mutter und Kind relevanten
Unter­suchungen aufgezeichnet sind.
Die Hebammenberatung im Mutter-Kind-Pass
­z wischen der 18. und 22. Schwangerschaftswoche
ist nur der erste Schritt in der Beratung und Begleitung von werdenden Eltern durch Hebammen. Die
Hebamme leitet nach der Geburt und während der
Stillzeit die Eltern in der Pflege und Versorgung des
Säuglings an und unterstützt sie in der Entwicklung
einer tragfähigen Eltern-Kind-Beziehung.
Seit November 2013 ist das Beratungsgespräch
gesetzlich verankert und seit März 2014 mit dem
Hauptverband ein Gesamtvertrag ausgehandelt.
Derzeit bieten 678 von 2116 Hebammen in Österreich
das Beratungsgespräch an, ca. 300 Hebammen davon mit Kassenvertrag. Bis Mitte Mai wurden 650
Beratungen durchgeführt und konnten bis November 2014 auf 4000 ausgeweitet werden. Dies sehen
wir für die ersten Monate als sehr zufriedenstellend
an. Der kostenlose Kontakt mit einer Hebamme
hat sich bis Ende 2014 etabliert und die Möglichkeit trifft bei den werdenden Eltern auf sehr positive
Resonanz.
88
Im vergangenen Jahr wurde zusätzlich erneut ein
Augenmerk auf das Projekt »Hebammen in den
Schulen« gelegt. In wenigen Bundesländern gibt
es seit Jahren finanzielle Unterstützung, es wäre
ein wünschenswertes Ziel für 2015, das Angebot
flächen­­deckend auszuweiten.
Die Expertise von Hebammen erfüllt auch einen
Nutzen für Schwangere und Neugeborene in besonderen Lebensumständen.
Familienhebammen unterstützen Familien, die in
der Phase der Familienbildung gesundheitlich oder
psychosozial besonders belastet sind zusätzlich, und
vertreten die Interessen des Kindes. Dies geschieht
insbesondere hinsichtlich seiner Gesundheit, Ernährung und der emotionalen und sozialen Bedürfnisse.
Dazu gehört die Sicherstellung der Inanspruch­
nahme von Präventionsprogrammen wie zum Beispiel
kinderärztliche Untersuchungen, und bei Bedarf die
Vermittlung in andere Unterstützungs­angebote aus
dem Gesundheits- oder Jugendhilfebereich.
Aufsuchende Dienste, wie Hausbesuche durch die
Hebamme ermöglichen einen niederschwelligen
­Zugang, durch den belastende Situationen in der
­Familie erst erkennbar werden. Im Basisangebot des
»Frühe Hilfen«-Konzeptes soll der Hausbesuch der
Hebamme daher einen sicheren Platz finden.
Auch in der Primärversorgung wird die Betreuung
von Schwangeren, Eltern und ihrer Kinder durch
die Hebamme eine wichtige Rolle spielen. Die Wahrung der körperlichen und psychischen Gesundheit
von Mutter und Kind mit Hilfe von Gesundheits­
förderung und Prävention, Stärkung der Elternkompetenz, Unterstützung der Eltern-Kind Bindung und
die Erhöhung der Stillquoten sind unsere wichtigsten
Ziele im Bereich der Primärversorgung im nächsten
Jahr.
Gerlinde Feichtlbauer / Brigitte Theierling,
Geschäftsführender Ausschuss
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Österreichischer Kinderschutzbund
und Verein für gewaltlose Erziehung
Die Vision von Univ. Prof. Hans Czermak galt einer
Gesellschaft, die Kindern gegenüber vollkommen
gewaltfrei agiert. Sie führte 1978 zur Gründung des
Österreichischen Kinderschutzbundes und ist für
die Mitarbeiter/-innen des Vereins seither die Triebfeder des Engagements gegen Gewalt. Vor allem
die Erziehung zur Gewaltlosigkeit und Toleranz innerhalb der Familie war eine der zentralen Lebensaufgaben des leidenschaftlichen Kinderarztes. »Wer
sich ­K indern widmet, wer sie liebt, der kommt um
die Frage der Gewalt innerhalb der Familie nicht herum«, schrieb Hans Czermak in seinem Vermächtnis
an die Eltern.
Gerade dieses Vermächtnis bedeutet für alle, die im
Rahmen der Vereinsarbeit auch gegenwärtig Funktionen ausüben, Verpflichtung. Daraus leitet sich ab,
dass im Rahmen der Vereinsarbeit nicht nur Stellung
zu nationalen und internationalen Fragen der Kinderrechte und des Gewaltproblems bezogen wird,
sondern, dass auch die »kleinen« Konflikte, bei denen es um Gewalt geht, eine große Bedeutung haben.
Das leitende Motto:
Im Jahr 2014 wurde auf breiter, auch medialer
Ebene die »25 Jahre UN- Kinderrechtskonvention«
gefeiert und auch an »25 Jahre gesetzliches Gewaltverbot in Österreich« erinnert. Der Verein konnte
sich an zahlreichen Veranstaltungen kooperativ beteiligen und das vor dem Hintergrund der Überzeugung, dass es immer auch darum geht, gemeinsam
mit Partnerorganisationen kontinuierlich eine Front
gegenüber der Gewalt aufzubauen und zu stärken.
Die Ankündigung von Frau Dr. Sophie Karmasin
(Bundesministerin für Familien und Jugend)
» Österreich zieht alle Vorbehalte gegen die
­
UN-Kinderrechtskonvention zurück« war ganz im
Sinne des Österreichischen Kinderschutzbundes.
42% unserer Mitmenschen kennen noch immer
nicht das gesetzliche Gewaltverbot in Österreich.
(Quelle: Ergebnisse der Untersuchung »25 Jahre Gesetzliches Gewaltverbot 2014« GFK Austria GmbH)
Das ist uns einfach zu viel und für uns Motivation
und Ansporn, um eine entsprechende Aufklärung
weiter voran zu treiben.
Wir hoffen dass dieser Ankündigung bald weitere
Schritte folgen werden, die dazu dienen, Gewalt
in allen ihren Facetten zu vermindern. Dies w
­ ürde
für den Österreichischen Kinderschutzbund das
»Highlight« des Jahres darstellen.
»Denn jedes Kind hat das Recht auf eine glückliche Kindheit« ist für uns und unsere Arbeit verbindlich und daher werden wir auch im nächsten
Jahr im Rahmen ­u nserer Möglichkeiten folgende
Themen unterstützen und weiter entwickeln, wobei
wir insbesondere in der Liga eine konstruktive und
wichtige Partnerorganisation sehen:
• Das Modellprojekt »Frühe Hilfen« wird von
­u nserem Verein weiterhin vollste Unterstützung
erfahren und bei jeder sich bietenden Gelegenheit
beworben.
• Die »Stärkung der elterlichen Kompetenz –
E lternbildung« soll ein fixer Bestandteil im
­
Mutter(Eltern)-Kind-Pass werden.
• »Österreichweite Kampagne« zum Gewaltverbot
in Österreich und den UN-Kinderrechten durch
­ö sterreichische Ministerien und der österreichischen Wirtschaft.
Es ist uns zu wenig, dass nur 5 bis 7 % der Eltern
in Österreich Elternbildungsprogramme besuchen,
obwohl diese zum Teil sogar kostenlos angeboten
werden. Auch diesbezüglich werden wir versuchen,
neue Aktivitäten zu setzen, denn die steigende Zahl
der hilfesuchenden Kinder, die einen psychotherapeutischen Therapieplatz benötigen, ist ein Hinweis
dafür, dass ein entsprechender Handlungsbedarf
vonnöten ist.
Es gibt noch viel zu tun, packen wir es gemeinsam an.
Sascha Hörstlhofer, BA. · Obmann Stellvertreter
Ein bedeutsames Ereignis war auch die parlamentarische Enquete am 10. November 2014, an der wir
im Kreise des Netzwerks Kinderrechte integriert waren.
89
Institutionelle Mitglieder
Pikler-Hengstenberg-GesellschaftÖsterreich
»Für ein friedliches Zusammenleben der Menschen
wird es in Zukunft ausschlaggebend sein, ob die
Würde des Kindes im Bewusstsein der Erwachsenen
einen anderen Stellenwert erhält.«
Ute Strub
Gesundheit und Chancengleichheit im Sinne der
Pikler® -Kleinkindpädagogik zu verstehen, kann bedeuten, allen Menschen von Geburt an geeignete
Bedingungen für eine gesunde persönliche Entwicklung zu gewähren: durch Raum für Autonomieentwicklung, freie Bewegung und kreatives Spiel aus
eigener Initiative, Entwicklung von Selbstgefühl und
Beziehungskompetenz durch Kooperation während
der Pflege, Empathie und Interesse für individuelle
Lernschritte.
Als Verein, der bestrebt ist, mit seinen Angeboten
Familien mit Kindern von Anfang an zu unterstützen
und zu begleiten, gehen wir davon aus, dass frühe
Hilfen eine Basis legen können, die kleinen Kindern
und ihren Eltern ermöglicht, authentische Beziehungen zu entwickeln.
1.Pikler®-Krippentagung veranstaltet – zum Thema:
»Die Pikler®-Kleinkindpädagogik in Krippen und
in Krabbelstuben. Was brauchen kleine Kinder in
Betreuungseinrichtungen?«.
Die rege Teilnahme hat uns gezeigt, welch einen
­B edarf es gibt nach Unterstützung für eine praxis­
orientierte, an den Entwicklungsbedürfnissen
­k leiner Kinder ausgerichtete Pädagogik. Und wie
offen und interessiert Pädagoginnen sind, in dem
heraus­fordernden Betreuungsalltag konkrete Möglichkeiten kennenzulernen, die Betreuung von
­kleinen Kindern so zu gestalten, dass sowohl ­Kinder
in diesem jungen Alter als auch deren Eltern in der
Tagesbetreuung von qualifizierten Bedingungen
profitieren können.
In Zusammenarbeit mit Kolleginnen aus Deutschland, Schweiz und Ungarn haben wir im Oktober
2014 in der Pikler® -Krippen-Arbeitsgemeinschaft
die Pikler® -Konvention für die Rechte der Kinder in
Krippen verfasst.
Vorausblick:
Für frühen Bindungsaufbau als Grundlage für die
Entfaltung einer gesunden Persönlichkeit möchte
der Pikler®-SpielRaum, ein Eltern-Kind-GruppenKonzept, eine Möglichkeit bieten, Kinder und ihre
Entwicklungsbedürfnisse immer besser kennenzu­
lernen und adäquat darauf zu antworten.
Das Pikler ®-Ausbildungscurriculum bietet nicht
nur interessierten Eltern-Kind-Gruppen-Leiterinnen
sondern auch Krippenbetreuerinnen und Tagesmüttern die Möglichkeit, sich für die Betreuung
von kleinen Kindern und die Zusammenarbeit mit
deren Eltern zu qualifizieren, um in außerhäuslichen Betreuungseinrichtungen Bedingungen zu
schaffen, die den Bedürfnissen kleiner Kinder nach
emotionaler Sicherheit und Autonomieentwicklung
­Rechnung tragen.
Rückblick
Vom 21.-23. Februar 2014 hab en w ir in
S alzburg im Bildungs zentr um St.V irgil di e
90
Für das Jahr 2015 haben wir eine Weiterbildung
zur Pikler®-SpielRaum-Arbeit organisiert, mit den
Kolleginnen aus dem Pikler® -Institut in Budapest,
die aufgrund ihrer jahrelangen Erfahrung in der
Betreuung von Heimkindern, Krippenkindern und
Pikler® -SpielRaum-Gruppen die Qualität der Begleitung von kleinen Kindern und deren Eltern mit uns
weiterentwickeln und vertiefen werden.
Darüberhinaus arbeiten wir in der Pikler® -KrippenArbeitsgemeinschaft an der Veröffentlichung eines
Pikler®-Krippenkonzepts.
Mag.a Daniela M. I. Pichler-Bogner · Obfrau
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Vereinigung Österreichischer
Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten
Seit 2008 arbeitet die Vereinigung Österreichischer
Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten daran,
dass Chancengleichheit im Gesundheitssystem wirklich und konsequent umgesetzt wird. Dazu gehört,
dass psychische Gesundheit als ebenso wichtig betrachtet wird wie körperliche. Viel Positives ist seit
der Einführung des Psychotherapiegesetzes 1991
passiert, es sind Vorurteile und Schambarrieren gegenüber psychischen Beschwerden geringer geworden, es ist seit 2001 möglich, psychotherapeutische
Behandlung auch auf Krankenschein zu erhalten.
Womit wir aber doch wieder bei dem Begriff Chancengleichheit wären, denn leider ist es noch nicht gelungen, einen Gesamtvertrag für Psychotherapie zu
erreichen, das heißt aber, nicht alle, die Behandlung
bräuchten, können sie sich leisten, es gibt zu wenig
Kassenplätze.
Dies trifft besonders Kinder, denn die sind darauf
angewiesen, dass Erwachsene erstens bemerken,
dass sie Unterstützung brauchen und dann auch dafür sorgen, dass sie diese erhalten.
Was braucht ein Kind? Am wichtigsten sind sichere
und verlässliche Bezugspersonen, die die Bedürfnissen des Kindes ernst nehmen, sein Fehlverhalten
oder seine Beschwerden als Botschaft sehen, die zu
hinterfragen sind und Sinn haben. Gerade weil Kinder
abhängig von Erwachsenen sind, ist es wichtig, auch
diese zu stützen und professionell zu begleiten,
wenn Schwierigkeiten auftreten.
Zum Beispiel sind seit 2013 Eltern minderjähriger
Kinder vor einer einvernehmlichen Scheidung gesetzlich verpflichtet, sich über die spezifischen aus
der Scheidung resultierenden Bedürfnisse ihrer Kinder bei einer geeigneten Person oder Einrichtung
beraten zu lassen. Die VÖPP bietet gerichtlich anerkannte Einzel-/Paar-und Gruppenberatungen
(nach § 95 Abs 1a) an. Wichtig ist, dass sich Eltern
in dieser Phase mit den Bedürfnissen ihrer Kinder
auseinandersetzen. Dabei werden sowohl entwicklungspsychologische als auch familiendynamische
und systemische Aspekte beleuchtet. Es stehen
die kindlichen Perspektiven und das Bedürfnis der
Kinder nach Stabilität und Sicherheit im Mittelpunkt,
die Erhaltung oder das wieder Herstellen der seelischen
Gesundheit.
Ebenso wichtige Bezugspersonen, mit denen ein
Kind viel Zeit verbringt, sind LehrerInnen und KindergartenpädagogInnen. Oft entsteht seelisches
Leid der Kinder an den Orten Kindergarten oder
Schule. Hier ist Interdisziplinarität besonders gefragt,
Beobachtungen der BetreuerInnen sind wichtig, um
allen Kindern die gleiche Chance zu geben, dass
Probleme entdeckt werden, psychische Beschwerden erkannt und auffälliges Verhalten professionell
hinterfragt werden. Dazu braucht es BetreuerInnen
und LehrerInnen, die über entwicklungspsychologische Kenntnisse verfügen und bereit und imstande sind, Kindern emotional verlässliche Zuwendung
zu bieten, Wissen über Gruppendynamik haben und
Gruppenprozesse, in denen Kinder benachteiligt
(gemobbt oder ausgeschlossen) werden, konstruktiv
verändern können.
Ziel wäre die Fokussierung der Förderung auf Kreativität und Ausprobieren der Fähigkeiten und Entwicklung des Selbst, dazu gehört, Lernen so zu
praktizieren, dass Leistung bzw. Fehlleistung nicht
Angst erzeugt. Ein besonders gutes Beispiel sei hier
exemplarisch erwähnt: Das Fehlerkillerprojekt von
Brigitte Sindelar (2011), in dem sie belegen konnte,
dass SchülerInnen, bei deren Arbeiten nicht die Fehler,
sondern das Richtige markiert wurde, mehr Motivation und bessere Leistungen zeigten als Kinder, deren
Arbeiten herkömmlich verbessert wurden.
Angststörungen, Depressionen, Schulverweigerung,
psychosomatische Erkrankungen könnten minimiert
werden, wenn die wichtigen Bezugspersonen der
Kinder an einem Strang ziehen – präventiv aber
auch kurativ.
Dr.in Jutta Fiegl · Präsidentin
91
Institutionelle Mitglieder
Caritas der Erzdiözese Wien – Hilfe in Not
Kinderliga-Jahresthema: Gesundheit & Bildung –
Beziehungsbildung
Zum aktuellen Jahresthema bietet die Caritas der
Erzdiözese Wien bereits seit vielen Jahren Angebote
im Rahmen der aufsuchenden Familienarbeit an, wie
z.B. »Familienhilfe Klassisch« zur Überbrückung in
Krisensituationen und »Familienhilfe KiB« als Entlas­
tungs- und Unterstützungsangebot für Eltern von
Kindern mit Beeinträchtigungen.
Ein weiterer Schritt in der aufsuchenden Familienarbeit konnte 2014 mit der Kooperation und dem
­A bschluss eines Masterfranchisevertrages mit wellcome Deutschland gesetzt werden.
Die Caritas der Erzdiözese Wien bringt mit wellcome
ein sehr bewährtes, niederschwelliges und primärpräventives Angebot im Spektrum der »Frühen Hilfen«
nach Österreich.
wellcome – Praktische Hilfe nach der Geburt
Die Idee
Mit der Geburt eines Babys beginnt für viele Paare
ein neuer Lebensabschnitt – geprägt von Freude,
Hoffnung und Glück, aber auch von den Bedürfnissen des Babys.
Die Bewältigungsmöglichkeiten, vor allem wenn
kein soziales Netzwerk von Familie oder Bekannten
im lokalen Umfeld vorhanden ist, sind oftmals sehr
schnell ausgeschöpft.
Den Eltern fehlt die Zeit zum Durchatmen, zum
Schlafen, die Zeit für sich selbst. Vor allem Familien,
die nicht in der Region »verwurzelt« sind (sog. Zugzugsfamilien), erleben diese Zeit oftmals als besondere Herausforderung.
Familien, die sich nach der Geburt Unterstützung
wünschen oder die unter besonderen Belastungen
leiden (z. B. Mehrlingsgeburt, Alleinerziehende), erhalten diese durch ehrenamtliche Mitarbeiterinnen.
Die Hilfe
Wie ein guter Engel kommt die ehrenamtliche
wellcome-Mitarbeiterin der Familie zu Hilfe. Sie
wacht über den Schlaf des Babys, geht mit dem
Geschwisterkind zum Spielplatz oder begleitet die
Zwillings­mutter zum Kinderarzt.
92
Die Unterstützung durch wellcome findet zeitlich
begrenzt für ca. drei Monate etwa ein- bis zweimal
pro Woche für jeweils zwei bis drei Stunden innerhalb des ersten Lebensjahres des Kindes statt.
Ein wellcome-Team besteht aus einer hauptamtlichen, fachlich ausgebildeten wellcome-TeamKoordinatorin und etwa 15 Ehrenamtlichen. Die
Team-Koordinatorin vermittelt Ehrenamtliche in
Familien, berät zu weiterführenden und alternativen
Angeboten und vermittelt Familien in regionale
Netzwerke. Sie begleitet und betreut die Ehrenamtlichen bei fachlichen Fragen.
Ziele
• Unterstützung für Mütter und Väter bei der
Bewältigung alltäglicher Herausforderungen nach
der Geburt eines Kindes.
• Information von Familien über regionale Unterstützungssysteme und soziale Netzwerke
• Primärprävention um möglichen Krisensituationen
entgegen zu wirken und in Folge teuren Unterstützungsnotwendigkeiten vor zu beugen.
• Bereitstellen von leicht zugänglichen Unterstützungsmaßnahmen um Rahmenbedingungen zu
schaffen, welche grundsätzlich »Lust auf Familie«
wecken und insbesondere Frauen stärken.
wellcome wurde 2006 von der Universität Kiel evaluiert. Die Wirksamkeit von wellcome zur Entlastung
der Mütter und der damit verbundenen Förderung
einer positiven Mutter-Kind-Beziehung sowie das
präventive Potential wurden wissenschaftlich nachgewiesen. Im Jahr 2012 wurde wellcome mit dem
»Wirkt-Siegel« von Phineo ausgezeichnet
Ausblick 2015
Die Caritas der Erzdiözese Wien wird wellcome an
jeweils zwei Standorten in Wien und NÖ umsetzen.
Für die bundesweite Verbreitung des Konzeptes
werden trägerübergreifende Kooperationen angestrebt.
Bei Interesse freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme:
Cornelia Heinrich · Leiterin Beratung & Familie
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Die Boje – Ambulatorium für
Kinder und Jugendliche in Krisensituationen
Zielgruppe
Das Ambulatorium bietet seine Dienste Kindern und
Jugendlichen (bis 18 Jahren) und gegebenenfalls deren
Familien an, die von schweren emotionalen Belas­
tungen und einschneidenden traumatisierenden
Lebensereignissen, wie etwa Krankheit, Unfall, Tod
(natürlicher, gewaltsamer und Unfalltod), physischer
und psychischer Gewalt, traumatische Scheidungen,
Mobbing, aber auch von Großschadensereignissen
betroffen sind.
Jugendliche in Krisensituationen – die Boje ist.
Finanzierung
Die Finanzierung erfolgt zu 63 % aus den Krankenkassenerträgen, 37 % der Gesamtkosten müssen
über Spenden und Förderungen aufgebracht werden, was immer schwieriger wird. Die Boje gehört
zu den spendenbegünstigten Organisationen, das
heißt, Spenden an die Boje sind steuerlich absetzbar.
Dr.in Regina Rüsch · Geschäftsführerin
Es ist hinreichend bekannt, dass viele chronische
psychische Leidenszustände und Krankheitsbilder,
die in späteren Jahren der Entwicklung auftreten,
oftmals auf unbewältigte Krisen im Kindes- bzw.
­Jugendalter zurückzuführen sind, die dann lang­
jähriger psychotherapeutischer Behandlung bedürfen.
Angebot
Das niederschwellige Angebot des Ambulatoriums
richtet sich nach den Bedür fnissen der Zielgruppe und kann mit der e-Card in Anspruch
genommen werden. Hauptanliegen ist rasche und
unkomplizierte Hilfeleistung. Wir bieten Krisen­
intervention, Diagnostik, kinderneuropsychiatrische
Behandlung, Kurzzeittherapie, gelegentlich Langzeittherapie, Gruppentherapie und Arbeit mit Eltern bzw.
Bezugspersonen. Wir beraten KollegInnen in pädagogischen Berufen. Wir sind mit vielen Institutionen
vernetzt.
Seit der Eröffnung im Oktober 2002 wurden etwa
8.550 PatientInnen in rund 90.000 Stunden im
Ambulatorium betreut.
MitarbeiterInnen
Multiprofessionelles, interdisziplinäres Team,
bestehend aus FachärztInnen für Kinderneuro­
psychiatrie, klinischen PsychologInnen und PsychotherapeutInnen, alle sind speziell in Krisenintervention geschult.
Träger
Der Verein die Boje – Individualpsychologisches
Z­ entrum führt eine gemeinnützige GesmbH, welche
Träger des A mbulatoriums für K inder und
93
Institutionelle Mitglieder
Kinderhospiz Netz
Wiens erstes Kinderhospiz
Dankbar schauen wir auf das Jahr 2014 zurück.
Viele Menschen begleiteten uns, sei es durch ehrenamtliches Engagement oder die so dringend benötigte
finanzielle Unterstützung.
Dadurch konnten wir die von uns betreuten Kinder
und deren Familien bestmöglich unterstützen.
Dass Kinderpalliativ- und Kinderhospizarbeit dringend gebraucht wird, ist evident. Mehr als 400
Kinder sterben jährlich in Österreich, oft nach
langem Leiden, an einer unheilbaren Krankheit.
Allein in Wien und Umgebung sind 800 Kinder
lebensbedrohlich erkrankt.
Ab der Diagnose verändert sich das Leben der
betroffenen Familie von Grund auf. Verzweiflung,
Hilflosigkeit und Trauer kommen auf. Der Tagesablauf wird von der Pflege und Behandlung des kranken Kindes bestimmt. Ein normaler Alltag ist nicht
mehr möglich. Die Tage sind geprägt von körperlicher und seelischer Dauerbelastung. Für gesunde
Geschwister bleibt kaum noch Zeit und Aufmerksamkeit.
Das Kinderhospiz Netz unterstützt die gesamte Familie dabei, das Beste aus jedem verbleibenden Tag
zu machen. Unsere Begleitung ermöglicht es unheilbar kranken Kindern, in ihrer vertrauten Umgebung
bleiben zu können, ohne dass die Familien allein gelassen und überfordert werden.
Wir helfen, wo auch immer Hilfe nötig ist
Das Kinderhospiz Netz arbeitet mobil und unterstützt betroffene Familien dort, wo das kranke Kind
zu Hause ist.
Wir bieten:
• Medizinische und pflegerische Betreuung
• Psychische und seelsorgerische Beratung
• Sozialberatung
• Hilfe und Entlastung im Alltag für die gesamte
Familie durch geschulte Ehrenamtliche
• Begleitung über den Tod des Kindes hinaus
94
• Hilfestellung durch unsere Trauergruppen und individuelle Betreuungsangebote
• Vernetzung mit bestehenden Versorgungsangeboten (wie z.B. MOKI) und Organisation von
fehlenden Diensten
GESCHWISTERARBEIT:
Ein wichtiger Bereich im Kinderhospiz Netz
Geschwister von lebensverkürzend erkrankten oder
verstorbenen Kindern sind stark belastet. Die meiste
Aufmerksamkeit der Eltern gilt dem erkrankten
Kind, die Geschwister fühlen sich oft allein gelassen
und nicht beachtet.
Die im Befähigungskurs ausgebildeten Ehrenamtlichen des Kinderhospiz Netz sind wichtige
Ansprechpartner und Vertrauenspersonen für die
Geschwisterkinder. Sie helfen ihnen bei den Schulaufgaben, unternehmen oder spielen etwas gemeinsam. Vor allem aber haben sie Zeit für die Kinder
und hören ihnen zu.
Zusätzlich gibt es einmal monatlich im Rahmen
der Geschwistergruppe »Du bist uns wichtig«
regelmäßige Unternehmungen, wie Ausflüge,
Spiele­n achmittage, sportliche oder tiergestützte
Aktivitäten.
Wie bereits 2014 bieten wir auch im kommenden Jahr wieder unsere Kinder-Trauergruppe an.
Hier lernen die Kinder unter professioneller Anleitung ihre Trauer um den verstorbenen Bruder / die
verstorbene Schwester zu verarbeiten. Geplant ist
auch eine Trauergruppe für Eltern.
Mag.a Irene Eberl · Stv. Obfrau & Öffentlichkeitsarbeit
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
MOKI-Mobile Kinderkrankenpflege
Im Jahr 2014 dominierten zwei Themen unsere
Arbeit.
Wir konnten Veränderungen im Bereich »Palliative
Care in der Pädiatrie« erkennen. Gemeinsam mit
MOMO, Wiens mobiles Kinderhospiz, und dem
Kinderhospiz Netz wurden viele Kinder, Jugendliche
und ihre Familien auch medizinisch, psychosozial
und ehrenamtlich betreut.
Im Auftrag von Stadträtin Mag.a Sonja Wehsely hat
der Dachverband der Wiener Sozialeinrichtungen
zu mehreren Arbeitssitzungen geladen, Thema war
wieder die Konzepterstellung möglicher Versorgungs- und Betreuungsangebote. Derzeit wird ein
umfassendes Hospiz- und Palliativkonzept für Wien
erarbeitet, wir sind sehr gespannt ob dies 2015 zu
einer deutlichen Verbesserung und einer Finanzierung
– vor allem – im Kinder- und Jugendlichen­b ereich
führen wird.
Der zweite Schwerpunkt, welcher immer mehr
thematisiert wird, ist die Versorgung und Betreuung von Kindern mit einer chronischen Erkrankung
oder einer (schweren) Behinderung. Der Anteil der
schulpflichtigen Kinder, welche einen medizinisch/­
pflegerischen Bedarf aufweisen steigt kontinuierlich.
Wir können nachvollziehen, dass invasive Tätigkeiten
wie katheterisieren, absaugen oder Beatmungen
durch Respiratoren durch eine diplomierte Pflegeperson durchgeführt werden sollen. Es wird immer
wieder diskutiert, wo die Grenzen der »Zumutbarkeit« für Pädagoginnen/Pädagogen sind. Ist Wickeln
oder die Nahrungsverabreichung über eine PEGSonde schon eine fachspezifische Tätigkeit? Kann
die Pädagogin/der Pädagoge neben der Betreuung
und Aufsicht anderer Kinder »nebenbei« Blutzucker
messen und Insulin verabreichen, bzw. bei akuten
Krampfanfällen Notfallsmaßnahmen setzen? Wir
von MOKI-Wien nehmen einerseits die Sorgen und
Ängste der Pädagogen wahr, andererseits verstehen
wir auch die Eltern, welche ihren Kindern soweit wie
möglich Alltag bieten, bzw. einen Schulwechsel vermeiden möchten. Kinder oder Jugendliche mit einem
medizinischen Bedarf besuchen fast flächendeckend
in ganz Wien die unterschiedlichen Schulen und
Klassen. Da die Tätigkeiten meist in den (fast immer
gleichzeitig stattfindenden) Pausen durchgeführt
werden, würde ein hoher Personalbedarf an diplomiertem Kinderkrankenpflegepersonal (DKKS/DKKP)
benötigt werden.
MOKI-Wien zeigt seit Jahren mit verschiedenen
anderen Organisationen die Notwendigkeit einer
Schulnurse – wie es sie in anderen Ländern gibt –
auf. Diese könnte neben den Kindern mit einem
regelmäßigen medizinisch/pflegerischen Bedarf
auch viele vermeintlich gesunde Kinder im Rahmen
der Gesundheitsprävention unterstützen und fördern.
Im Jahr 2014 wurden sehr viele Gespräche mit den
verschiedensten öffentlichen Stellen (Stadtschulrat,
Fonds Soziales Wien) aber auch mit Elterninteressensvertretungen geführt, wie immer wenn es um
neue Ideen, neue Konzepte geht, steht die Finanzierung dieser Angebote zur Diskussion. Es wird aber
auch eine (neue) Offenheit der öffentlichen Stellen
wahrgenommen, mittelfristig Lösungen zu finden.
Ich hoffe, dass 2015 schon erste Schritte umgesetzt
werden können.
Informationen:
32 Dipl. Pflegepersonen und 2 Pflegehelferinnen
betreuen Kinder/Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr
spitalsersetzend oder im Rahmen der Langzeithauskrankenpflege.
Schwerpunkte:
• Übernahme medizinischer und pflegerischer Tätigkeiten entsprechend GuKG,
• Frühgeborenennachbetreuung,
• Entlastung der Familien bei der Betreuung/Versorgung ihres Kindes/Jugendlichen mit einer chronischen Erkrankung und/oder einer Behinderung
• Begleitung der Familie mit einem sterbenden
Kind/Jugendlichen, es steht der Erhalt der Lebensqualität so lange wie möglich bzw. die Unterstützung
und Begleitung beim Sterbeprozess und in der
Trauerphase im Mittelpunkt.
Gabriele Hintermayer, MSc · Geschäftsführende
Vorsitzende
95
Institutionelle Mitglieder
Verein ProMami NÖ
Während einer Schwangerschaft und rund um die
Geburt und das Leben mit einem Neugeborenen
sind werdende Mütter oft mit sehr widersprüchlichen Informationen konfrontiert und suchen nach
einfühlsamer, kompetenter Beratung und Unterstützung.
Basisangebote an allen ProMami NÖ Standorten
Der Verein ProMami NÖ umfasst 10 selbständige
Standorte, die von der Beratung vor der Schwangerschaft, der Betreuung der Schwangeren, der
Geburtsvorbereitung, der Durchführung der Geburt,
der Betreuung der Wöchnerin, sowie der Stillberatung und der Begleitung der jungen Familie ein
breites Spektrum abdecken.
• Hebammensprechstunden rund um Kinderwunschzeit, Schwangerschaft, Geburt, Stillzeit,
Wochenbett und Leben mit dem Baby, Frauengesundheit, Sexualität und Familienplanung
• Familienhebamme
• Vorsorgeuntersuchungen, Mutter Kind Pass Beratung
• Geburtsvorbereitung
• Nachsorge, Elternberatung
• Stillberatung
• Babytreff
• Beckenbodentraining und Rückbildung
• Babymassage
• Erste-Hilfe-Kurse mit Schwerpunkt Kindernotfälle
• Begleitung und Betreuung nach Tot- und Fehlgeburten
Die Hebammen werden so zur Vertrauensperson,
die die Schwangere und ihren Partner in diesem
Prozess begleiten.
Unsere Kooperationspartner und alle ProMamiStandorte in Niederösterreich entnehmen Sie
unserer Website: www.promami.at
Die Hebammenbetreuungin den ProMami NÖ
Standorten wird von den Schwangeren als niederschwellig und sehr unterstützend gesehen, weniger
Interventionen bei der Geburt, sowie weniger und
kürzere Spitalsaufenthalte sind die Folge.
Beatrix Cmolik · Präsidentin von ProMami NÖ.
Eine schwangere Frau sieht bis zu 35 Betreuungspersonen von der ersten Kontrolle bis sie nach der
Geburt wieder zu Hause ist.
Umfassende Unterstützung in einer wichtigen
Lebensphase
• Einfühlsame medizinische Fachbetreuung durch
Hebammen ( Vorsorge, Nachsorge, Geburt)
• Vielseitige Angebote und Kurse durch multidisziplinäre Teams
• Hohe Verfügbarkeit der Hebammen bei geringem
Wechsel im Betreuungsteam
• Aufsuchende Betreuung durch Hausbesuche möglich
• Breites Beratungsspektrum (Bindungsförderung,
Trauerbegleitung, frühe Hilfen für belastete Familien, Beratung zum Thema Pränataldiagnostik, …)
• Ort der Begegnung und Vernetzung
96
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Rudolf Ekstein Zentrum – Sonderpädagogisches
Zentrum für integrative Betreuungsformen
ES IST DIE BEZIEHUNG, DIE HEILT
(Rudolf Ekstein)
Das Rudolf Ekstein Zentrum ist ein Sonderpädagogisches Zentrum für integrative Betreuungsformen
der Stadt Wien und bietet Unterstützung für Schülerinnen und Schüler an Wiener Pflichtschulen, die
durch ihr Verhalten darauf hinweisen, dass belastende Themen und besondere Bedürfnisse in der sozialen
und emotionalen Entwicklung dem Lernen im Wege
stehen.
Psychagogische Betreuung und die Arbeit im MosaikModell wirken gewaltpräventiv durch Raum und Zeit
für den Aufbau verlässlicher Beziehungen auf Grund
regelmäßiger Anwesenheit und kontinuierlicher
Begleitung von Prozessen.
Grundsätze unserer Arbeit:
• wertschätzende Haltung und Achtsamkeit in der
Begegnung mit SchülerInnen, Eltern, LehrerInnen und
anderen am Schulgeschehen beteiligten Personen
• hohe Reflexionsbereitschaft, Offenheit und Klarheit in der Kommunikation
• Interdisziplinäre Zusammenarbeit und Vernetzung
Psychagogische Betreuung
Für PflichtschülerInnen in Wien
PsychagogInnen bieten kontinuierliche Betreuung
für SchülerInnen, sowie Beratung für Erziehungsberechtigte, LehrerInnen und anderen Bezugspersonen
im Fall von emotionalen und sozialen Problemen von
Kindern, bei Konflikten und Gewaltproblemen im
schulischen und/oder familiären Kontext. Ebenso
unterstützen sie in Akutkrisensituationen.
Modell Mosaik
für Kinder mit Verhaltensproblemen in der Schuleingangsphase.
Mobiles Mosaikteam
Unterstützung in der Abklärung sowie Beratung für
LehrerInnen, die Schulneulinge bzw. SchülerInnen
bis zum Ende der 2. Schulstufe unterrichten.
Mosaikklassen
für Kinder mit besonderem Förderungsbedarf in
ihrer sozialen und emotionalen Entwicklung.
Mobile MosaikklassenlehrerInnen
unterstützen die Integration/Inklusion von Kindern
mit Verhaltensproblemen in der Stammklasse
Teil des Arbeitsfeldes ist die Vernetzung mit psychosozialen Institutionen.
Ziel der Betreuung und Beschulung
ist es, Schülerinnen und Schüler bei der Bewältigung
ihrer individuellen Schwierigkeiten zu unterstützen,
sodass sie Selbstvertrauen und soziale Kompetenzen
entwickeln können und den Anforderungen der
Schule gewachsen sind.
Soziale Lernprozesse in der Klasse werden gefördert, um die Integration in die Gemeinschaft zu
ermöglichen.
Unsere Aufgabe ist die Schaffung von entwicklungsförderndem Raum für Kinder und Jugendliche
mit besonderen sozialen und emotionalen Problemen. Kinder – im Besonderen »schwierige« – sind
im Hinblick auf eine gelingende Persönlichkeitsentwicklung auf Verständnis und Halt gebende Beziehungen seitens ihrer Bezugspersonen angewiesen.
Der theoretische Hintergrund unserer Arbeitsinhalte
basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen der
psychoanalytisch-pädagogischen Entwicklungstheorie, der neueren Hirnforschung, der Bindungstheorie,
der Resilienzforschung und weiterer angrenzender
Wissenschaften. Laufende Reflexion der Praxis unseres Schulalltags in Form von Intervision, Supervision, Balintgruppen oder Workdiscussions ist selbstverständlicher Bestandteil unseres Verständnisses
von Qualitätssicherung.
Ende September dieses Jahres schlossen wir ein
zweijähriges EU-Comenius Regio Projekt ab:
SCHULE INKLUSIVE «AUGENMERKKINDER”
Die aktive Beziehungsarbeit der Pädagoginnen
und Pädagogen als zentraler Baustein für eine erfolgreiche Lern- und Entwicklungsbegleitung von
»Augenmerkkindern« in einer inklusiven Schule.
www.augenmerkkinder.eu
Waltraud Perkonig · Mobile Mosaiklehrerin
97
Institutionelle Mitglieder
SOS-Kinderdorf Österreich
Bildung, Chancengleichheit und Gesundheit in
Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe
Kinder und Jugendliche in Maßnahmen der Kinderund Jugendhilfe (KJH) haben denkbar ungünstige
Voraussetzungen für eine bestmögliche Entfaltung
ihrer Potentiale. Häufig kumulieren erschwerende
Bedingungen wie sozialstrukturelle Belastungsfaktoren, Risikolagen und individuelle Bewältigungsprobleme. Deren Aufarbeitung geht häufig zu Lasten
des Abschluss einer schulischen oder beruflichen
Ausbildung, da kein Rechtsanspruch auf Maßnahmen der KJH über die Volljährigkeit hinaus besteht.
Gesamtgesellschaftlich ist hingegen ein Trend zu
höherer Bildung zu beobachten. Dies ist möglich
wenn Elternhäuser mit ausreichend Kapitalien ausgestattet sind. Fehlende oder niedrige Abschlüsse
erschweren den Einstieg ins Berufsleben und verschlechtern Einkommens- und Beschäftigungschancen.
Hier öffnet sich eine Bildungsschere und es entsteht
eine Situation multipler Benachteiligungen für junge
Menschen in Maßnahmen der KJH, mit nachhaltigen
Folgen für deren Biographien, die Gesundheit oder
die Lebenserwartung.
Ein Bildungsauftrag für SOS-Kinderdorf
Im Zuge einer Maßnahme wandern oftmals auch familiäre Bildungsagenden zur KJH. Folglich leitet sich
für SOS-Kinderdorf ein Bildungsauftrag ab, dem es
in Abstimmung mit dem Herkunftssystem, dem formalen Bildungssystem und im Interesse der Kinder
und Jugendlichen im Rahmen des Projekts Bildung &
Chancengleichheit nachkommt.
SOS-Kinderdorf definiert Bildung als einen lebens­
langen Prozess der Aneignung von Welt und der
Entwicklung der Person in dieser Welt, als Arbeit am Lebensentwurf. Bildung verfolgt das Ziel,
Lebenskompetenzen zu erwerben, junge Menschen
zu Selbstbildung, zu Lebens- und Weltgestaltung im
Horizont individueller Möglichkeiten zu befähigen.
Bildung umfasst ein Kontinuum von informellen
über nichtformalen bis formalen Aspekten des
Lernens vor, neben und nach der Schule und beinhaltet physische, emotionale, soziale und handlungspraktische Aspekte. Bildung ist mehr als Schule!
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Informelle Lernprozesse: SOS-Kinderdorf ist Lernort
für den Erwerb instrumenteller, kultureller, sozialer
und personaler Kompetenzen. Gelernt wird immer
und überall, z.B. im Kontakt (und Konflikt) mit PädagogInnen, Peers, bei Freizeitaktivitäten, Sport und
weiteren außerschulischen Förderangeboten.
Nichtformale Lernprozesse: SOS-Kinderdorf bietet
pädagogisch inszenierte Lebens- und Lernwelten
um Lern- und Entwicklungsprozesse anzuregen.
Gespräche, partizipative Foren oder Biographiearbeit ermöglichen Prozesse der Selbstreflexion und
des biographischen Lernens. Unterstützende Maßnahmen wie Therapien oder heilpädagogisches Reiten setzen gezielt an der Entwicklungsförderung an.
Formale Bildungsprozesse: SOS-Kinderdorf unterstützt schulische und berufliche Bildungs- und Integrationsprozesse, etwa durch Lern- bzw. Nachhilfe,
Hausaufgabenbetreuung oder Arbeitstrainingsmaßnahmen.
Die Angebote von SOS-Kinderdorf schaffen also ein
reichhaltiges Milieu, um Bildungsprozesse jeder Art
anzuregen. Gleichzeitig schaffen sie Raum zum Ausruhen, Experimentieren, Scheitern und für Neuanfänge. Professionelle MitarbeiterInnen begleiten die
Bildungsprozesse junger Menschen und unterstützen deren Selbstreflexionsprozesse. SOS-Kinderdorf
stattet durch sein Engagement junge Menschen mit
den nötigen ökonomischen, kulturellen und sozialen
Kapitalien aus, teilweise über deren Volljährigkeit
hinaus. Wenigstens zum Teil werden so systemund gesellschaftsbedingte Benachteiligungen kompensiert, mit nachhaltigen Wirkungen für bessere
Bildungserfolge, mehr gesellschaftliche Teilhabe,
Chancengleichheit und Gesundheit.
Mag. Wolfgang Hagleitner · wiss. Mitarbeiter in
­Forschung & Entwicklung, SOS-Kinderdorf Österreich
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Unabhängiges Kinderschutzzentrum Wien
Das Unabhängige Kinderschutzzentrum Wien leistet
seit 25 Jahren Unterstützung und Hilfe für alle, die
mit dem Thema Gewalt gegen Kinder und Jugendliche konfrontiert sind. Unsere Sozialarbeiterinnen,
PsychologInnen und PsychotherapeutInnen beraten betroffene Kinder und Jugendliche, (Familien-)
Angehörige ebenso wie professionelle HelferInnen.
Außerdem bietet das Kinderschutzzentrum Krisenintervention in Akutsituationen sowie Psychotherapie und Diagnostik für von Gewalt betroffene Kinder und Jugendliche an. Das Angebot ist vertraulich,
kostenlos und kann anonym in Anspruch genommen werden.
Im Jahr 2014 befanden wir uns im intensiven Austausch mit anderen Kinderschutzzentren in Österreich und Deutschland. Ziel dieser Gespräche ist es,
die bestehenden Hilfsangebote zu evaluieren und
zu aktualisieren: Seit unserer Gründung hat sich
der Themenschwerpunkt von der sexuellen Misshandlung verlagert in Richtung Verwahrlosung und
emotionale Vernachlässigung – wobei es notwendig wird, betroffene Familien mit neuen Angeboten
anzusprechen.
Wie in jedem Jahr seit unserer Gründung haben wir
Fortbildungen und Supervisionen für unterschiedliche Berufsgruppen und Organisationen rund um
das Thema Kinderschutz angeboten.
Neben all der fachlichen Arbeit war das Kinderschutzzentrum organisatorisch vorwiegend damit
beschäftigt, neue Räumlichkeiten für die Beratungsstelle zu finden, um die angestrebte Barrierefreiheit
für seine KlientInnen gewährleisten zu können. Die
Suche war erfolgreich, und somit dürfen wir Sie seit
15.12.2014 an unserer neuen Adresse in der Mohsgasse 1, 1030 Wien, willkommen heißen. Nach über
zwanzig Jahren im 7. Bezirk bedeutet diese Übersiedlung für uns, von dort Abschied zu nehmen und
uns im kommenden Jahr in unserer neuen Nachbarschaft im 3. Bezirk einzuleben, uns neu zu orientieren und uns dort neu zu vernetzen.
Dr.in Anna Schwitzer · Klinische und Gesundheitspsychologin
Das Kindeschutzzentrum Wien hat immer wieder
mit neuen Konzepten versucht, Jugendliche, die in
ein klassisches psychotherapeutisches Setting nicht
eingebunden werden wollen, anzusprechen. Ein
besonders er folgreiches Konzept ist hier die
Mädchen.Theater.Gruppe, in der im Jahr 2014
bereits zum sechsten Mal von Theaterpädagoginnen
und –Studentinnen gemeinsam mit den Teilnehmerinnen ein Thema erarbeitet wurde. Die anschließende Aufführung des Stücks zum Thema »Träumen«
war bis auf den letzten Platz ausverkauft und begeisterte Publikum und Schauspielerinnen gleichermaßen.
Neu ist seit heuer auch ein Blog zu aktuellen
Themen auf unserer Website, die übrigens ab
Dezember www.kinderschutzzentrum.wien heißen
wird. Im Blog sollen Ergebnisse aktueller Studien
zum Thema familiärer Gewalt präsentiert, aber auch
unsere Fachmeinung zu aktuellen gesellschaftspolitischen Diskussionen formuliert werden.
99
Institutionelle Mitglieder
Wiener Hilfswerk
»Betreuung bei der Tagesmutter/ dem Tages­
vater ist bindungsbezogen, anregend und kindorientiert«
Kindertagespflege unterstützt die frühkindliche
Entwicklung in besonderer Weise, dies zeigen die
­Ergebnisse der Studie von Universitätsprofessorin und
Entwicklungspsychologin Univ. Prof. DDr. Lieselotte
Ahnert der Universität Wien. Eine kleine Gruppengröße (max. 5 Kinder gleichzeitig) und das Angebot,
eine sichere Bindung aufzubauen, die emotionale
Stabilität vermittelt, ermöglichen eine umfassende
Kompetenzentwicklung. Eltern nehmen unsere
Tagesmütter/-väter vor allem für Kinder im Alter
bis 3 Jahre in Anspruch, da ihnen Geborgenheit,
Körperkontakt und individuelle Unterstützung beim
Spielen und Lernen wichtig sind. Im Mittelpunkt
stehen liebevolle Aufmerksamkeit und Einfühlungsvermögen.
Die positiven Rückmeldungen der Eltern bestätigen
uns, dass die Betreuung durch eine Tagesmutter
oder einen Tagesvater ideal für die kindliche Entwicklung ist. Bildung, Betreuung und Erziehung bei
der Tagesmutter/ dem Tagesvater sind bindungs­
bezogen, anregend und kindorientiert. Diese
­B etreuungsform ist speziell für Kleinkinder ausgezeichnet, besonders deshalb, weil es für Kleinkinder
wichtig ist, eine enge Beziehung zu einer konstanten
Bezugsperson aufzubauen.
Zwei Kindergruppen bieten Platz für jeweils 14
Kinder im Alter von ein bis dreieinhalb Jahren. Um
dem Bedürfnis der sehr jungen Kinder nach Beziehung und Geborgenheit nachzukommen, ist uns ein
hoher Betreuungsschlüssel ein besonderes Anliegen.
Den Kindern stehen in jeder Gruppe drei Bezugspersonen zur Verfügung, die jedem Kind eine sanfte
Eingewöhnung nach dem Berliner Eingewöhnungsmodell ermöglichen. So wird eine altersgemäße
Förderung in liebevollem Rahmen umgesetzt.
­Zudem wird besonderer Wert auf eine gesunde und
ausgewogene Ernährung sowie auf ausreichend
Bewegung gelegt.
Leichte Zugänglichkeit und Erreichbarkeit, Niederschwelligkeit, kostenlose Nutzungsmöglichkeit,
100
Barrierefreiheit und das Verständnis als Informations­
plattform stellen die Grundprinzipien der Freizeiteinrichtungen für Kinder und Jugendliche mit
Behinderung dar. Die Mitarbeiter/innen begegnen
den Besucher/innen mit Empathie, Achtsamkeit und
Respekt und schaffen einen geschützten Rahmen,
innerhalb dessen auf die individuellen Bedürfnisse
und Wünsche der Kinder, Jugendlichen und Familien
soweit wie möglich eingegangen wird.
Die Spielothek ist eine Freizeiteinrichtung für
­K inder mit Entwicklungsverzögerung oder Behinderung von 0-12 Jahren und deren Familien. In der
Spielothek haben die Kinder, deren Geschwister und
Familienangehörige die Möglichkeit in geschützter
Atmosphäre zu spielen, andere Familien in vergleichbaren Lebenssituationen zu treffen und vielseitige
Angebote zu nutzen.
Der Aktionsraum ist ein Freizeitraum für Jugendliche
mit und ohne Behinderung von 12-18 Jahren. Im
Aktions­raum haben die Jugendlichen die Möglichkeit Gleichaltrige zu treffen, viele verschiedene und
neue Aktivitäten kennenzulernen und auszuprobieren und ihre Freizeit selbstbestimmt und eigen­
verantwortlich zu gestalten.
Kinderhauskrankenpflege des Wiener Hilfswerks
Die speziell ausgebildeten Kinderkrankenpflege­
kräfte des Wiener Hilfswerks unterstützen die
Eltern bei der Pflege chronisch kranker oder behinderter Kinder ebenso wie bei der Betreuung von
Mehrlings- und Frühgeburten. Ob medizinische
Kinderkranken- oder Langzeit-Hauskrankenpflege:
Das Pflegeteam arbeitet eng mit KinderärztInnen,
Spitälern, Ambulatorien, Kindergärten und anderen
Einrichtungen der Kinderversorgung zusammen
und geht auf die ganz persönlichen Rahmenbedingungen und Erfordernisse der Familien ein.
Mag.a Brigitte Popprath · Abteilungsleitung –
Kinderbetreuung
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Arbeitsgemeinschaft Psychoanalytische
Pädagogik (APP)
Die Arbeitsgemeinschaft Psychoanalytische Pädagogik
wurde vor rund 20 Jahren als Trägerverein für die
Ausbildung psychoanalytisch-pädagogischer ErziehungsberaterInnen gegründet. Seitdem haben sich
die Aktivitäten und Angebote der APP immer mehr
ausgeweitet.
Bei unseren Tätigkeiten leitet uns ein zentraler
Gedanke: Die Beziehung eines Kindes zu seinen
Eltern (bzw. zu anderen relevanten Bezugspersonen)
ist ein maßgeblicher Faktor für seine Entwicklung
und damit auch für seine psychische und körperliche Gesundheit. Diese Bezugspersonen dabei zu
unterstützen, im Umgang mit dem Kind eine entwicklungsförderliche Haltung zu entwickeln oder
aufrechtzuerhalten, kommt unmittelbar auch dem
Kind zugute.
In der psychoanalytisch-pädagogischen Erziehungsberatung arbeiten wir mit Eltern bzw. auch mit professionellen PädagogInnen daran, wie sie auffällige,
störende oder beunruhigende Verhaltensweisen und
Symptome ihres Kindes besser verstehen und dieses
Verständnis im pädagogischen Alltag dazu nützen
können, dem Kind in förderlicher Weise zu begegnen. In vielen Fällen sind Symptome bei Kindern
Ausdruck einer belasteten Elternbeziehung, und
eine Veränderung der Haltung der Eltern führt zu
einer unmittelbaren Lösung bzw. Erleichterung des
Problems. Doch auch wenn das Problem des Kindes
nicht ursächlich in der Beziehung zu Mutter oder
Vater gründet, sind Eltern unterstützend von besonderer Bedeutung, damit das Kind diese Schwierigkeiten bewältigen kann.
In der psychoanalytisch-pädagogischen Beratung
bei Trennung und Scheidung, die ein Aufgaben­
bereich vieler APP-ErziehungsberaterInnen ist, geht
es darum, dass Eltern lernen, die Bedürfnisse ihres
Kindes in dieser schwierigen Lebenssituation besser
zu verstehen und ihre Entscheidungen und Handlungen an den Bedürfnissen des Kindes zu orientieren.
Hier sind die in den letzten Jahren eingeführte verpflichtende Beratung bei einvernehmliche Scheidung
und die verordnete Erziehungsberatung nach § 107
Außerstreitgesetz als Chance für viele Familien zu
sehen.
In den kommenden Jahren wird es allerdings ­darum
gehen, im Sinne eines »Erziehungsberatungs-­
Gesetzes« Qualitätskriterien für die Erziehungs­
beratung in diesem Bereich zu entwickeln, da das Angebot derzeit durch viele unterschiedliche A
­ nbieter
sehr heterogen und für betroffene Eltern kaum
überschaubar ist. Auch die methodischen Grund­
lagen der Beratung variieren sehr – die BeraterInnen
der APP etwa haben sich mit der Methodik von
Elternberatung im Zuge einer dreijährigen Ausbildung,
die in den vergangenen Jahren auch als Master-­
Studiengang geführt wurde, auseinandergesetzt.
Wie auch in der »herkömmlichen« Erziehungsberatung zeigt sich auch in der Beratung bei Trennung
und Scheidung, dass es zu wenige kostenlose Angebote für Eltern gibt, und dass für manche Eltern die
mit einer Erziehungsberatung verbundenen Kosten
eine schwierige Hürde sind. Wenn man bedenkt,
dass Erziehungsberatung oft nicht nur präventive,
sondern vor allem bei kleinen Kindern auch heilende
Wirkung hat, wäre eine verstärkte Förderung von
Erziehungsberatung eine wichtige Investition für
die gesunde Entwicklung von Kindern. In diesem
Zusammenhang ist auch an Kinder zu denken, die
sich in psychotherapeutischer Behandlung befinden
und bei denen es aus zeitlichen oder inhaltlichen
Gründen nicht möglich oder sinnvoll ist, die begleitende Elternarbeit durch die behandelnden
P sychotherapeutInnen durchführen zu lassen,
­
­s ondern durch KollegInnen oder ErziehungsberaterInnen. In diesen Fällen müssen Eltern für diese Stunden, die eigentlich Teil des psychotherapeutischen
Behandlungsplans sind, gesondert ­aufkommen.
Auch im kommenden Jahr wird sich die APP dafür
einsetzen, dass bei Fragen der psychischen Gesundheit von Kindern die Bedeutung der Elternbeziehung
und ihre Stärkung nicht aus dem Blick gerät.
Prim.Prof.h.c.Dr.med. Walter Michael Strobl, MBA
Health Care Management, Chefarzt der Klinik für Kinder-, Jugend- und Neuroorthopädie Rummelsberg
101
Institutionelle Mitglieder
IGfB - Internationale Gesellschaft
für Beziehungskompetenz
Die IGfB - Internationale Gesellschaft für Beziehungskompetenz in Familie und Organisation mit
Sitz in Innsbruck organisiert Lehrgänge, Seminare und Projekte zu Grundthemen menschlichen
­Z usammenseins, zu Beziehungskompetenz und
persönlicher Entwicklung. Wesentlich ist die Bedeutung und Entwicklung von Beziehungen im Arbeiten
mit Menschen und die Familie als primärer Ort des
menschlichen Werdens. Wichtig ist die Anwendbarkeit des Erfahrenen und Erlebten im beruflichen Umfeld.
Das experientielle (erfahrungsbasierte) Arbeiten mit
Beziehungen ist ein zeitgemäßer phänomenologischer Ansatz und bietet die intensive Möglichkeit
mit sich selbst und an der eigenen Beziehungskompetenz zu arbeiten. Es entfaltet das volle Potential,
das zwischen Menschen entstehen kann und stärkt
gleichzeitig sehr heilsam die Integrität und die Persönlichkeit des Einzelnen. Die eigenen Fähigkeiten
als Gegenüber, als Dialogpartner und als Krisenbegleiter werden umfassend ausgebaut. Diese Arbeit
findet in 4 Bereichen ihren Niederschlag:
Lehrgang experientielle Familientherapie/­Family
Counseling
Die IGfB bietet einzigartig im gesamten süddeutschen Raum einen interdisziplinären Lehrgang an,
der beratende und therapeutische Interventionen in
der Arbeit mit Familien/Paaren und Teams vermittelt.
Nach zwei durchgeführten Basisjahren (2012/2013)
konnte 2014 zum ersten Mal der Aufbaulehrgang
starten. Des Weiteren begann im Februar 2014 auch
der vertiefende 2 jährige Masterkurs für schon ausgebildete Family Counselor, wodurch auch unsere
Ressourcen an kompetenten Fachleuten gestärkt
werden konnte.
Grundthemen menschlichen Seins
Unser Schwerpunkt 2014 lag auf dem Thema
»Scham und Menschenwürde«. In diesem Bereich
geben wir Grundthemen menschlicher Entwicklung
und menschlichen Seins Raum und Zeit. Es sind immer Themen, die unser Zusammenleben und unser
Zusammenarbeiten prägen. Wir konnten mit drei
102
unterschiedlichen Veranstaltungsformaten eine breite Palette von Fachleuten und Privatpersonen erreichen und freuen uns sehr über die daraus entstandenen Kooperationen.
Spezialseminare/Workshops
Unter diesem Schwerpunkt bieten wir Seminare für
spezifische Zielgruppen und zu spezifischen Themen
an. Diese Seminare finden auch häufig in Kooperation mit unterschiedlichen Organisationen statt. Die
Angebote umfassten heuer die Themen: »Achtsamkeit und Empathieentwicklung«, »Heikle Elterngespräche führen«, »familiäre Gewalt« und »Stärkung
der Beziehungskompetenz und der eigenen Ressourcen in herausfordernden Berufen«, sowie »Einführung in die experientielle Familientherapie«.
Prozessbegleitung und Supervision
Die Prozessbegleitung und Supervision wird erst
ausgebaut. Erste Schritte in diesem Bereich mit
Schulen und Sozialeinrichtungen mit spezifischen
Angeboten konnten aber initiiert werden. Dieser B
­ ereich ist langfristig ein sehr wesentlicher, da
hier vor Ort und individuell angepasste Angebote
­entwickelt werden können.
Herausforderungen und Ziele 2015
Derzeit steht die IGfB vor allem vor der Herausforderung dem wachsenden Interesse auch strukturell
zu begegnen und neue Organisationsstrukturen
zu entwickeln. Dieser Herausforderung wollen wir
2015 mit der Schaffung einer Halbtagsstelle im organisatorischen Bereich begegnen und erwarten
gute Synergieeffekte. Die Angebote werden 2015
intensiviert. Im Februar wird der nächste Lehrgang
in Innsbruck starten und wir planen im Herbst 2015
einen ersten Basislehrgang in Wien.
Mag.a Robin Menges · Geschäftsführerin und
psychologische Leitung
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
bOJA - Bundesweites Netzwerk
Offene Jugendarbeit
»Chancengleichheit und Gesundheit«
Gesundheitskompetenz in der außerschulischen
professionellen Jugendarbeit
Jugendliche in Österreich weisen mehrheitlich eine
geringe Gesundheitskompetenz auf. Vor allem
­Jugendliche aus bildungsfernen und sozioökonomisch benachteiligten Lebenskontexten sind wenig gesundheitskompetent. Gesundheitskompetenz zeigt bereits bei Jugendlichen Auswirkungen
auf ihr gesundheitsrelevantes Verhalten. Um die
­G esundheitskompetenz von Jugendlichen in Österreich auf Systemebene zu stärken, werden in der
Fachliteratur soziale Settings und Bildungssettings
empfohlen, vorwiegend Schule und außerschulische
Jugendarbeit. Die professionelle außerschulische
Jugendarbeit bietet mit ihren Schwerpunkten nonformale Bildungsräume (Offene Jugendarbeit) und
Informationskompetenz (Jugendinfos) die ideale Voraussetzung zur Auseinandersetzung mit
­Gesundheitskompetenz und Schaffung von gesundheitskompetenten Settings.
Neben der Sozialen Arbeit, der Kultur- und der
­B ildungsarbeit stellt die Gesundheitsförderung ein
wesentliches Handlungsfeld der professionellen
­außerschulischen Jugendarbeit dar. Es existieren jedoch bis dato kaum wissenschaftliche Studien zur
Wirkung außerschulischer Jugendarbeit im Bereich
der Gesundheitsförderung. Gesundheitsförderung ist hier weit mehr als Verhütungsinformation
und Kochworkshops. Jugendarbeit per se stellt gesundheitsförderliche Strukturen zur Verfügung. Sie
schafft Räume, in denen Mädchen und Burschen
einfach »sein« dürfen, Rollen ausprobieren dürfen
jenseits von Bewertungen und gesellschaftlichem
Druck. Sie erleben Schutz­räume und erhalten bei
Bedarf professionelle Unterstützung. JugendarbeiterInnen stehen als role models zur Verfügung, sowohl zum Thema Gesundheitsverhalten als auch zu
Geschlechtsrollenstereotypien und dem »Erwachsensein«. So vielfältig Offene Jugendarbeit in ihren
Zugängen und Ansätzen ist, so divers sind auch die
JugendarbeiterInnen und ermöglichen damit den
Mädchen und Burschen ein möglichst breites Spektrum an Erwachsenenvorbildern.
Das bundesweite Netzwerk Offene Jugendarbeit,
bOJA und das Bundesnetzwerk Österreichische
­J ugendinfos, BÖJI, haben es sich zum Ziel gesetzt,
die Gesundheitskompetenz von Mädchen und Burschen in Österreich durch Schaffung von gesundheitskompetenten Rahmenbedingungen in der
außerschulischen professionellen Jugendarbeit zu
verbessern. Das Vorhaben stellt eine konkrete Maßnahme im Rahmen der strategischen Rahmenziele
der Österreichischen Jugendstrategie dar.
In 3 ausgewählten österreichischen Bundesländern:
Salzburg, Steiermark und Tirol, setzen sich Organisationen der Offenen Jugendarbeit (Jugendzentren,
Jugendtreffs, mobile Jugendarbeit) und die Jugendinformationsstellen mit dem Thema Gesundheitskompetenz auf mehreren Ebenen auseinander, identifizieren in einem partizipativen Prozess wesentliche
Merkmale und definieren Leitfäden: »Das gesundheitskompetente Jugendzentrum«, »Gesundheitskompetente mobile Jugendarbeit«, »Die gesundheitskompetente Jugendinfo«. Im Anschluss daran
werden Praxisprojekte zu Gesundheitskompetenz
durchgeführt.
Es wird in den nächsten Jahren außerdem ein österreichweites Netzwerk zu Gesundheitskompetenz in
der außerschulischen Jugendarbeit gegründet. Um
möglichst viel Nachhaltigkeit und weitere Umsetzung im Feld zu gewährleisten, werden im Rahmen
von Workshops die entstandenen Leitfäden auf andere Einrichtungen in Österreich transferiert.
Unterstützt wird das Projektvorhaben vom Fonds
Gesundes Österreich, dem Bundesministerium für
Familien und Jugend, sowie dem Bundesministerium
für Landesverteidigung und Sport.
Mag.a Daniela Kern-Stoiber, MSc · Geschäftsführung
103
Institutionelle Mitglieder
Elternwerkstatt - Verein im Dienst von Kindern,
Eltern und PädagogInnen
Das Jahr 2014 war für die Elternwerkstatt ein Spannendes. Durch den Generationenwechsel im Vorstand, wurden einerseits die altbewährten Fundamente gefestigt, andererseits kamen durch neuen
Wind, auch viele neue Ideen im Sinne unserer Eltern
und deren Familien, sowie eine neue Homepage
»Elternwerkstatt Neu« zustande.
Genau diese Familien liegen uns am Herzen und auf
diese haben wir im Jahr 2014 auch unser Augenmerk gerichtet. Die Elternwerkstatt hat für unsere
Jüngsten bzw. deren Eltern den ABC-Babyführerschein ® entwickelt und auf Schiene gebracht.
Für uns ist es wichtig, dass auch Jung- bzw.
w erdende Eltern die Chance bekommen, be­
gleitet und unterstützt zu werden. Durch dieses spezielle ­S eminar zugeschnitten auf das Alter z wischen ­
» pränatal« und 18 M onaten,
werden Eltern auf die enorme Umstellung vorbereitet. In diesem Seminar, so wie ­
b ereits
a u c h i m A B C- E l t e r n f ü h r e r s c h e i n ® , h a b e n
Eltern den Freiraum ihre Gedanken, Ängste und
Wünsche sowie Sorgen laut auszusprechen, sich
auszutauschen.
So kann man bereits im Vorfeld, also präventiv viele
mögliche Unsicherheiten und in Folge Probleme vermeiden.
Ebenfalls widmeten wir uns der gewaltfreien Kommunikation innerhalb der Familie. Die psychische
Gesundheit eines Kindes wirkt sich sogleich auf
die Physische aus. Aufwachsen in einem Umfeld,
das durch Androhungen, Druck und Angriffe auf
die Kinderseele gekennzeichnet ist, kränkt Kinder
und sich kränken macht krank. Daher möchten wir
Chancengleichheit für möglichst viele Kinder und
auch für uns Erwachsene, denn was wir denken und
in Folge durch die Sprache ausdrücken, das macht
uns aus.
Durch viele alltägliche Beispiele, die uns unsere Klienten mitteilen, können wir hier in den Kursen direkt mit den Eltern üben und so gezielt arbeiten.
Eine Chance eine »neue Sprache« zu lernen, damit
es für die Kinder selbstverständlich ist, so miteinander zu kommunizieren, das war, ist und wird unser
Ziel sein.
Die Elternwerkstatt ist davon überzeugt: «Geht
es den Eltern gut, dann geht es auch den Kindern
gut!« Aus dieser Motivation heraus, gilt es unsere Kraft, auch im kommenden Jahr für die Elternbildung einzusetzen. Leider beobachten wir nur zu
oft, dass Eltern gerne in unsere Kurse kommen würden, jedoch aus oft unerklärlichen Gründen haben
sie Respekt davor. Die Elternbildung salonfähig zu
­machen, das nehmen wir uns vor.
Auch in finanzieller Hinsicht gilt hier der bereits genannte Spruch. »Geht es Eltern schlecht, welche
durch Armut betroffen sind, fühlen dies, logischer
Weise auch deren Kinder.« Wir können, durch unsere Kooperation mit Schulen beobachten, dass durch
diesen Zustand Kinder gruppendynamisch unter
großen Druck geraten. Das Gefühl sich minder zu
fühlen und nicht die gleiche Chance zu haben, da
kein Geld, ist nur zu oft Thema in den Workshops
an Schulen. Nur mit den Kindern allein zu arbeiten
bringt leider nicht den gewünschten Erfolg, deshalb arbeitet die Elternwerkstatt mit allen ­Ebenen
im Schulbereich. In den angesprochen Workshops
für Schüler wird Kindern durch verschiedene Instrumente das Thema Armut mit dem gesamten
­Ausmaß, näher gebracht. Schüler, die betroffen sind
werden mit eingebunden und bei Bedarf extra betreut. Für Eltern gibt es moderierte Elternabende,
an denen man Vorurteile ausräumen und das Verständnis hervorheben kann. Eltern, deren finanzielle
Situation schwer ist, werden mit Organisationen vernetzt, die in diesem Bereich tätig sind. Der Lehrerkörper wird sensibilisiert und durch Besprechen einer geeigneten Kommunikation, hinsichtlich Kindern
und Eltern, unterstützt. Armut betrifft nicht nur das
Geldbörsel, sondern auch die Seelen.
Wir dürfen in einem Land leben, dessen Überfluss enorm ist. Die Elternwerkstatt teilt gerne und
­u nterstützt Familien auch finanziell, damit deren
­Alltag leichter zu gestalten ist.
Veronika Lippert · Obfrau
104
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
KiB children care
Verein rund ums erkrankte Kind
Der Familien-Selbsthilfe-Verein KiB children care
setzt sich dafür ein, dass Kinder mit bestmöglicher
Fürsorge und Pflege in Ruhe und Geborgenheit gesund werden können. Unser Ziel ist, die einzelne
Familie bei Erkrankung eines Kindes zu unterstützen und als Vertretung der Eltern gesellschaftspolitischen Einfluss zur Umsetzung der Rechte der kranken Kinder zu nehmen.
Der Schwerpunkt lag 2014 bei der Abschaffung
des Selbstbehaltes für Kinder und Jugendliche
bei einem Krankenhausaufaufenthalt und die Thematisierung auf gesellschaftspolitischer Ebene der
Problematik »Familie und Beruf zu vereinbaren,
wenn Kinder erkranken«:
• Zur Abschaffung des Selbstbehaltes führten
wir Gespräche mit den Ländern und dem Hauptverband. Als Erfolg können wir verzeichnen, dass
dieses Anliegen im Regierungsprogramm mit aufgenommen worden ist und erwarten ehest möglich die Umsetzung.
• Am 24. April wurde das Zentrum für Kinderund Jugendmedizin in Salzburg eröffnet. Die
Besonderheit dieses Vorzeigeprojektes ist der Anschluss an die Frauenklinik und die Kinderrehabilitationsklinik. Hier wurden die Forderungen aus
der EACH Charta umgesetzt.
• KiB hat Österreich bei der EACH Conference in
Prag vertreten:
40 europäische Organisationen, die sich für die
Rechte der Kinder im Krankenhaus einsetzen, trafen sich von 10. - 13. September in Prag.
Die verabschiedete Resolution fordert die Mitgliedsstaaten auf, Eltern die uneingeschränkte,
kostenlose Anwesenheit beim kranken Kind im
Krankenhaus zu ermöglichen.
Es ist bewiesen, dass das »Dabei sein« eine
­p ositive Auswirkung auf die Gesundung des
Kindes hat. Das Begleiten im Krankenhaus von
Kindern über sechs Jahren ist bei uns nicht
selbstverständlich. Ist die Begleitung räumlich
möglich, werden den Eltern Begleitkosten bis zu
€ 40,- pro Aufenthaltstag in Rechnung gestellt.
Auf diesem Gebiet sind wir im europäischen
­Vergleich leider Schlusslicht!
KiB ermutigt und unterstützt die Eltern, ihre
»großen« Kinder im Krankenhaus nicht alleine zu
lassen.
• Kinder haben ein Recht auf Krankenstand!
Zum Thema Vereinbarkeit Familie und Beruf
führten wir Gespräche auf Bundes- und Landes­
ebene, um den Betreuungsbedarf für erkrankte
Kinder zu Hause, wenn Eltern berufstätig sind
und die Pflegefreistellung aufgebraucht ist, oder
nicht in Anspruch genommen werden kann und
das soziale Netz fehlt, aufzuzeigen. Institutionelle
Kinderbetreuungseinrichtungen werden ausgebaut, jedoch auf diese Lücke der Betreuung,
wenn Kinder erkranken und nicht in den Kindergarten gehen können, nicht mitbedacht. Das
Land Oberösterreich und der oberösterreichische
Familienbund haben sich bereit erklärt, ein Pilotprojekt zu starten.
Ausblick 2015 zum Thema »Chancengleichheit
und Gesundheit«:
• Gespräche auf Bundes- und Landesebene fortsetzen, damit das Regierungsübereinkommen zum
Thema Selbstbehalt für Kinder- und Jugendliche
bei einem Krankenhausaufenthalt, umgesetzt
wird.
• Auf Länderebene Politik, Wirtschaft und Dienstleistungsanbieter für den ergänzenden Bedarf
von professionellen mobilen Kinderbetreuungs­
angeboten für kranke Kinder sensibilisieren und
sich dafür einsetzen, dass diese für Eltern leistbar
­angeboten werden.
• Als Familienselbsthilfeverein zu regionalen Austauschtreffen österreichweit einzuladen, um einerseits die Bedürfnisse der Familien zu erheben
und andererseits nachbarschaftlich engagierte
Personen zu finden und zu begleiten, die Familien
bei Krankheit eines Kindes unterstützen.
Manuela Schalek · Bundeskoordinatorin
105
Institutionelle Mitglieder
Nanaya – Zentrum für Schwangerschaft, Geburt
und Leben mit Kindern
Beratung und Begleitung ist immer dabei
Als Eltern-Kind-Zentrum und Familienberatungsstelle bieten wir (werdenden) Eltern von Beginn der
Schwangerschaft bis zum Ende des zweiten Lebensjahres des Kindes eine Vielzahl an Gruppen, Kursen,
Vorträgen und Beratungsmöglichkeiten.
Das Angebot reicht vom Infoabend in der Frühschwangerschaft zum Geburtsvorbereitungskurs
und der Schwangerengymnastik über Rückbildung,
Stillgruppen und Austauschangebote für junge
­Eltern bis hin zu Workshops über verschiedene Themen des Säuglings- und Kleinkindalters (Kinderbetreuungsgeld, Trotzalter, Windelfrei, Erste Hilfe, …).
Vielfach werden Fragestellungen von den (werdenden) Eltern nicht unmittelbar als Beratungsbedarf geäußert, sondern in die Gruppen mit hineingenommen. In den offenen Treffpunkten wie dem
Eltern Kind Cafe oder in den geschlossenen Babyund Spielgruppen, die sich über einen Zeitraum von
einigen Monaten erstrecken, findet daher auch Beratung und Begleitung der Mütter/ Väter statt, die
weit über das hinausgeht, weswegen die Eltern »eigentlich« gekommen sind. Aus diesem Grund ist es
uns wichtig, dass unsere Mitarbeiterinnen auch für
solche Anliegen ein offenes Ohr haben, die nicht
unmittelbar Thema des Kurses sind, und über eine
möglichst umfassende Weiterbildung verfügen. Bei
Bedarf kann an ein entsprechendes Angebot (Vortrag, Beratung…) weiterverwiesen werden.
Zu folgenden Themen bieten wir Beratung an,
z.T. auch fremdsprachig:
Psychologische, pädagogische und Sozialberatung,
medizinische Beratung, Hebammensprechstunde sowie Hebammenberatung nach dem Mutter-KindPass, Beratung zu den Themen Stillen, Verhütung, Pränatale Diagnostik, Schwangerschaft und
Schwangerschaftskonflikt, Trauer und Begleitung
bei Kinderwunsch, Beratung nach § 95.
Zunehmende Nachfrage der Nischenangebote
In letzter Zeit werden mehr und mehr auch unsere
Angebote für spezielle Problemstellungen nachgefragt. So bieten wir seit mehreren Jahren Rückbildungskurse für Frauen an, deren Baby gestorben
106
ist. Außerdem finden regelmäßig Gruppen und
Vorträge zu den Themen Kaiserschnitt, Geburtsauf­
arbeitung und Bindungsanalyse statt sowie baby­
therapeutische Begleitung zur Bindungsförderung
und bei Unsicherheiten wie untröstlichem Weinen,
Stillstreik, Entwicklungsauffälligkeiten.
Und die Kosten?
Mitgliedsbeiträge, Spenden und Förderungen vom
bmfj, vom BMBF sowie von der Familienberatung
und der MA11 ermöglichen es uns, Beratungen
kostenlos anzubieten.
Es ist uns ein Anliegen, auch die Kursgebühren möglichst gering zu halten. Für unsere Mitglieder gibt es
den günstigeren Mitgliedspreis – und da für Alleinerziehende die Mitgliedschaft kostenlos ist, können
sie diesen Tarif jedenfalls in Anspruch nehmen. Bei
Bedarf können auch darüber hinaus Ermäßigungen
gewährt werden. Durch die Förderungen ist es uns
außerdem möglich, verschiedene Angebote, wie
etwa die Stillgruppen, das Eltern-Kind-Café, Vorträge zu wichtigen Themen (z.B. erste Beikost, Impfentscheidung) mit einem Teilnehmerinnenbeitrag
von Euro 3,50 äußerst kostengünstig anzubieten.
Das Nanaya – seit 30 Jahren Beratung,
Begleitung, Vernetzung, Lobby
Das Nanaya hat sich zum Ziel gesetzt, die Bedingungen in der Schwangerschaft und Geburt zu
verbessern. Daher ist das Nanaya auch auf gesellschaftspolitischer Ebene tätig, etwa durch Vernetzung mit anderen Einrichtungen (z.B. ENCA und
prenet). In unseren barrierefreien Räumlichkeiten
werden häufig Fortbildungen für Fachpersonal angeboten, und immer wieder engagiert sich das
­N anaya auch bei Aktionen. So wurde im Herbst
2014 im Nanaya der Film »Microbirth« uraufgeführt.
Mag.a Angelika Markom · Psychologin
Claudia Versluis · Leiterin Nanaya.
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Plattform Elterngesundheit
Die PEG hat ein erfolgreiches Jahr hinter sich. Hier
gilt der besondere Dank Frau Ingrid Wallner, MBA.
Sie hat als Vorsitzende der PEG einen enormen Einsatz g
­ eleistet. Nun will sie sich anderen beruflichen
­H erausforderungen stellen.
Daher hat die PEG ihren Vorstand ein wenig umgestaltet. Neue Vorsitzende ist Eveline Brem, den Platz
des stv. Kassiers nimmt Paul Hollnagl ein. Wir freuen
uns auf eine weitere gute Zusammenarbeit. Gestartet ist die PEG mit einer Beiratsklausur im ­Februar.
Ingrid Wallner, MBA nahm an der Bundes-Gesundheitskonferenz im BMG im März teil. Sie vertrat die
PEG am Podium und konnte so unsere Interessen an
der richtigen Stelle deponieren.
Der Frühling wurde für den Schulgesundheits­dialog
zum Thema Impfen im Juni genutzt. Bei dieser sehr
gut besuchten Veranstaltung setzte die PEG auf
­Information und Dialog. Durch die gute Kooperation
mit dem BMG konnte Dr. med. Jean-Paul Klein mit
s einem Vor trag »Wozu I mpfen« Vorur teile
­ausräumen.
Wissenswertes über die HPV Impfung wurde von
­E lmar A. Joura in einer Präsentation dargestellt.
Über »Impfschäden« wurde durch Doz. Dr. Ursula
Hollenstein aufgeklärt. Dr. Judith Glazer referierte
über die Umsetzung des Kinderimpfprogrammes.
Sehr berührend war der Bericht eines betroffenen
­Vaters, vielen Dank für Ihre Offenheit.
Mit großem Stolz können wir berichten, dass die
PEG seit August über ein eigenes Büro verfügt. Hier
gilt unser Dank dem BMBF.
Dr. Schmid beim »Impftalk” des Kuriers.
Highlight war für die PEG, die Jahrestagung
»Gefangen im Netz – Geschützt im Nest« zum
Thema Sucht im November. Gemeinsam mit dem
Institut für Suchtprävention pro mente OÖ und der
Kinder- und Jugendanwaltschaft OÖ.
Während von der SchülerInnen-Veranstaltung
­b erichtet wurde, konnte man den Market Place,
sowie den Büchertisch besuchen.
Am Podium diskutierten der Drogenkoordinator
des Landes OÖ, Thomas Schwarzenbrunner mit
dem ­L eiter der Schulpsychologie für OÖ, Andreas
­Girzikovsky, der Landesschulärztin Gertrude J­ indich,
Reinhold Rampler vom Amt OÖ, den OÖ EV für
Pflichtschulen, Kurt Süss für die höheren & mittleren Schulen und DI Anne Mautner Markhof für die
Kath. Schulen.
Die PEG nahm an Arbeitsgruppen im BMG bezüglich
Rahmengesundheitsziele und dem BMBF hinsichtlich
Elternbildung teil.
Im Jahr 2015, wird der Kontakt mit den Eltern
­w eiter ausgebaut. Es wird eine Drehscheibe für
­Vernetzungsarbeit und Infos geben.
Einen Schwerpunkt im Jahr 2015 wird das Thema
»Schularzt« darstellen.
Abschließend möchten wir dankbar auf ein erfolgreiches Jahr zurückblicken und mit Freude auf ein
hoffentlich ebensolches vorausschauen.
Veronika Lippert · Schriftführerin
Ende des Sommers konnte sich die PEG, in Kooperation mit der Österreichischen Krebshilfe, am ­neuen
HPV-Folder beteiligen. Die Folder wurden durch
­Mithilfe der EV an die Schulen verteilt – Danke!
Im Herbst war die PEG an zwei Podiumsdiskussionen beteiligt, durch Ingrid Wallner beim »Tag
der Psychologie« mit Frau BM Karmasin und durch­­
107
Institutionelle Mitglieder
SPORTUNION Österreich
SPORTUNION Österreich –
Der Verein im Mittelpunkt!
Die SPORTUNION ist mit über 4.000 Vereinen in allen Bundesländern eine tragende Säule des Sports
in Österreich. Unter dem Leitsatz »Wir bewegen
Menschen« bekennt sich die SPORTUNION als Breitensportorganisation zur Förderung von Sport und
Bewegung in der österreichischen Gesellschaft.
Mit 140 verschiedenen Sportarten verfügt die
­SPORTUNION über das vielfältigste Sportangebot in
der österreichischen Sportlandschaft. Rund 900.000
Mitgliedschaften zeugen von der enormen Bedeutung der SPORTUNION in ihrer Trägerfunktion für
die Bereiche des Breiten-, Freizeit-, Gesundheitsund Leistungssports in Österreich. Über den Sport
schaffen wir Begeisterung und motivieren über
40.000 ehrenamtliche Verantwortungsträger in verantwortungsvollen Funktionen, unzählige Übungsleiter, Vorturner, Instruktoren oder Trainer zum Einsatz für die Gemeinschaft in ihrer Freizeit.
Die SPORTUNION Akademie –
unsere Bildungsinstitution
Modellprojekt ‚Sport respects your rights‘.
Das Projekt ermöglicht Jugendlichen an der Gestaltung des Verbands- bzw. Vereinsleben zu partizipieren und sich dabei durch selbst entwickelte Kampagnen aktiv für die Stärkung und den Schutz von
Kindern und Jugendlichen einzusetzen. Zusätzlich
werden im Rahmen des Projektes Netzwerktreffen
mit sektorenübergreifenden Stakeholdern (z.B. mit
Fachstellen, NGO´s, Experten) ins Leben gerufen.
Insgesamt wurden durch das Projekt 52 MultiplikatorInnen von 22 europäischen Sportverbänden und
-vereinen geschult. Diese haben 440 Jugendliche
zwischen 16 und 22 Jahren bestärkt, durch die Teilnahme an Jugendworkshops und der Erarbeitung
von Jugendkampagnen, am Vereins- und Verbandsleben aktiv teilzuhaben. Um mit ihren eigens entwickelten Kampagnen 1200 Gleichaltrige für einen
respektvollen Umgang miteinander und den Schutz
von Kindern und Jugendlichen im Sport zu sensibilisieren. Das Projekt schließt mit einer internationalen
Abschlusskonferenz aller Projektpartner und der EUInstitutionen im Februar 2015 in Wien ab.
www.sport-respects-your-rights.eu
Die SPORTUNION-Akademie (SPAK) hat sich im organisierten Sport in Österreich längst als eine der
führenden Ausbildungsinstitutionen etabliert. In Zusammenarbeit der neun Landesverbände und des
Bundesverbandes werden jährlich fast 300 Kurse
in den unterschiedlichsten Bereichen des Sports,
im Fitnessbereich bzw. der Gesundheit angeboten. Schwerpunkt innerhalb der SPAK bilden die
zertifizierten Übungsleiter-Ausbildungen, die wir
flächendeckend auch im Kinder- und Jugendbereich anbieten. Aktuelle Kurse befinden sich auf­
www.sportunion-akademie.at
Sport respects your rights –
Schutz von Kindern und Jugendlichen im Sport
Unter Leitung der SPORTUNION Österreich und dem
Europarat in unterstützender Funktion kooperieren
seit April 2013 neun internationale Sportorganisationen und Universitäten bei dem europaweiten
108
»Mit finanzieller Unterstützung des DAPHNE- III - Programm
2011/2012 der Europäischen Union«
Martin Krakhofer · Jugendkoordinator SPORTUNION
Österreich
Mag.a Agnes Kainz · Projektleiterin Sport respects
your rights
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Welt der Kinder
Die Aktivitäten von Welt der Kinder fokussierten im
Jahr 2014 auf zwei zentrale Tätigkeitsbereiche.
A) Symposium ‚Kindheit, Jugend, Gesellschaft
2014‘ im Festspiel- und Kongresshaus Bregenz;
14.-17. Mai 2014
Das Symposium 2014 ist inhaltlich in eine 6-Jahres
Perspektive eingebettet (Symposiums Zyklus 2013 bis
2018) und ermöglicht auf Grundlage des Bio-PsychoSozialen Gesundheitsmodells eine Zusammenschau
zur Lebenssituation von Kindern in einer ganzheitlichen Perspektive: Kernanliegen ist es, im Sinne der
Kinder verbindend zu wirken und bestes Wissen und
beste Praxis für ein Fachpublikum (beim Symposium selbst) und für ein breites Publikum (in parallelen
Veranstaltungen) zugänglich zu machen.
Ausgehend von Projekten guter Praxis findet die
­Reflexion im internationalen und transdisziplinären
Kontext statt. 2014 traten 22 ReferentInnen auf.
­Unter Ihnen: Paul L. Harris, Andreas Kruse, Sabine
Andresen, Reiner Klingholz, Helle Jensen, Christiane
Spiel, Margy Whalley, Hilarion Petzold, Jörg Maywald,
Lothar Krappmann.
Als Zielgruppen adressieren wir in Ö und EU Berufsgruppen der psychosozialen Versorgung und weitere
Akteure in Familie, Schule, Gemeinwesen, Gesundheitsberufen, Öffentlichen Medien, in Politik, Verwaltung und Exekutive – mit der Frage nach Möglichkeiten der pluri/interdisziplinären Kooperationen.
Weiters steht die Formulierung einer zentralen, gesellschaftspolitisch orientierten Aussage, die den Inhalten des Symposiums erwächst, im Vordergrund. Am
20.11.2014 (25 Jahre Kinderrechte) wurde diese Aussage des Symposiums 2014 publiziert. Zudem wird ab
2014 eine Auswahl der Keynotereferate des Symposiums im Internet als Videostream frei zugänglich.
Die öffentliche Stellungnahme und die Keynote­
referate sind auf der Website www.weltderkinder.at
einsehbar.
Hauptveranstalter ist Welt der Kinder. Kooperationspartner sind: aks Sozialmedizin Gmbh, Caritas
Vorarlberg‚ Institut für Sozialdienste (IfS), pro mente
Vorarlberg, Stiftung Jupident, SOS-Kinderdorf, Vorarlberger Kinderdorf, Förderer auf Bundes- und Landesebene (FGÖ, BMWFJ, ÖGPB, Vlbger Landesregierung,
FH). Zudem: die Deutsche Liga für das Kind, die Jacobs Foundation (Schweiz) und die ÖLKJG.
B) Kinderbeteiligung
Seit dem Jahr 2004 baut Welt der Kinder in Kooperation mit der Vorarlberger Landesregierung Kinderbeteiligung in Vorarlberg auf. Es werden eine Reihe
von Modulen entwickelt, angeboten und umgesetzt,
die es Kindern ermöglichen, eigene Erfahrungen und
Sichtweisen einzubringen und in Familie, Schule und
Gemeinde wirksam zu machen. Im Jahr 2014 werden
in 23 Vorarlberger Gemeinden die nachfolgenden
Projektteile umgesetzt:
Mit Hilfe eines umfassenden Fragebogens und von
Gemeindekarten wird die Lebenssituation der Kinder
erfasst. Diese Ergebnisse werden den Kindern rückübermittelt, in Kinderrechtsseminaren werden sie zu ihren Rechten und Handlungsmöglichkeiten informiert.
Sie erhalten die Möglichkeit, an einem Kinderrat mitzuwirken und lernen Initiativen aus anderen Gemeinden kennen.
In der Folge zeigen Kinder Handlungsbedarf auf.
Stadtdetektive ergänzen die Kartierung, Interviews
und darstellende Arbeiten (Fotos, Zeichnungen,
­M odellbau, Theater) vertiefen die Informationen.
Schließlich werden die Einsichten den Verantwortlichen der Gemeinde/Stadt vermittelt und auch an
LehrerInnen und Eltern weitergegeben (Schulfeste,
­Elternabende).
Als Materialien für die Kinderrechtsseminare werden
u.a. auch gemeindeübergreifende Arbeiten der ­Kinder
eingesetzt: So führten die Kinder Regie in den Filmen
»Kinder-t-räume I – III«, sie zeigten Fotoarbeiten in
Ausstellungen und realisierten Kindernachrichten
(Theater).
Dr. Gerhard König · Obmann,
Mag.a Carmen Feuchtner · Geschäftsführerin
109
Bericht der Beiräte
111
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Beziehung, Bildung, Gesundheit,
Chancengleichheit
Schon im letzten Jahresbericht haben wir festgestellt, dass all diese Begriffe eng zusammengehören und sogar einander wechselseitig bedingen und
ermöglichen. Lobby4kids sowie die meisten aller
Vereinigungen, die in der Eltern-Selbsthilfe zusammengefasst sind, freuen sich daher besonders über
diese beiden hintereinander folgenden Jahresthemen, weil sie sozusagen die Lebensthemen dieser
Gruppen sind.
Wie ist das gemeint? Nun, dass Bildung und Gesundheit eng zusammengehören, ist mittlerweile gängige Fachleutemeinung und längst kein Geheimnis mehr. Dort, wo Bildung ermöglicht und
Zugang zu Bildungseinrichtungen selbstverständlich
gewährt wird, wachsen junge Menschen heran, die
sich auch selbstbewusst mit ihrer eigenen Gesundheit beschäftigen können. Wo Beziehung gelingt
im Bildungswesen, sind die besten Chancen für ein
selbstbestimmtes Leben von vornherein gegeben.
Das gilt auch für Kinder mit Behinderungen und
chronischen Erkrankungen, sogar, wenn sie aufgrund einer schweren Behinderung oder Erkrankung
auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Dazu braucht
es aber auch barrierefreies Denken in den Köpfen aller Beteiligten sowie den Willen, gemeinsam,
sprich inklusiv, Leben, Spielen und Lernen zu praktizieren. Sätze wie »Die Gesellschaft kann nicht alles
abfangen« oder »Das geht nicht« sollten langsam
aus dem Sprachgebrauch verschwinden. Auch das
Totschlagargument, das alles koste Geld und das sei
leider derzeit nicht vorhanden, ist nicht zulässig –
wir leisten uns ganz andere Dinge, die in den Augen
vieler Betroffener unnötig wären.
Zum Thema Chancengleichheit und Inklusion kommt
nun erfreulicherweise doch einiges in Bewegung,
wenn auch sehr langsam. Vor einigen Monaten gab
die Caritas am Himmel bekannt, dass sie ihre lange bestehende Sonderschule schließen würde. Den
darauffolgenden medialen Shitstorm ließ sie nobel
über sich ergehen. Alte, lang gepflegte Ängste wurden sichtbar, die man natürlich auch ernst nehmen
muss. An dieser Stelle sei einmal eine Lanze für die
Caritas gebrochen, die einfach erkannt hat, dass es
nicht mehr zeitgemäß ist, Kinder und Jugendliche
mit schweren Behinderungen an einen sicheren Ort
zu unterrichten und zu verwahren, wo sie den Rest
der Gesellschaft nicht stören – abgesehen davon,
dass sie schon tolle Ideen für die Schule der Zukunft
hat. Auch wenn sich viele Betroffene (und noch
mehr nicht betroffene) Eltern fürchten, die mit der
Integration bisher keine guten Erfahrungen gemacht
haben: Lasst uns Geld in die Hand nehmen und eine
Schule schaffen, in der Kinder mit und ohne Behinderungen, Sonder- und andere PädagogInnen miteinander arbeiten, spielen und leben!
Auch Regierungsarbeitskreise und der Stadtschulrat
beschäftigen sich vermehrt mit diesen Themen. So
wurde nach langer Wartezeit endlich Geld bereitgestellt zur Erhebung von Daten zur Sozialisierung
in Kindergarten, Hort und Schule. Der Stadtschulrat
für Inklusion verkündete, dass es neuerdings für SPZSchülerInnen einen Abschluss ohne ASO-Hinweis
geben werde. Ein absolutes Novum und mit Sicherheit eine neue Chance für viele Jugendliche!
Nachdem Lobby4kids nun schon fast zehn Jahre sich hauptsächlich dieser Anliegen von Kindern
mit Behinderungen annimmt, hat sich nun auch
wieder verstärkt die Volksanwaltschaft auf unsere
Seite gestellt. Familien trauen sich immer öfter, in
die Öffentlichkeit zu gehen, wenn ihr betroffenes
Kind ausgeschlossen oder nicht gleich behandelt
wird wie andere. Das Problem ist klarerweise ein
komplexeres: Auf Kindergartenplätze gibt es noch
immer keinen Rechtsanspruch, die Ausbildung der
ElementarpädagogInnen muss aufgewertet werden,
die Ressourcen gehören aufgestockt, sowohl finanziell wie auch personell. Längst ist der Kindergarten keine Aufbewahrungsstätte mehr, sondern erste
Bildungseinrichtung. Hinter jedem abgewiesenem
Kind steht eine Geschichte, die eine ganze Familie
betrifft. Es muss uns bewusst sein, dass diese Kinder wichtig sind für uns, und dass es gut ist, sie in
unserer Mitte zu haben, indem wir ihnen genau die
Unterstützung angedeihen lassen, die sie individuell
benötigen.
Dr. Irene Promussas · Vorsitzende Eltern-SelbsthilfeBeirat, Obfrau lobby4Kids – Kinderlobby
113
Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Kinderliga
Verbesserung der Lebensqualität
– NeuroorthopädInnen fordern neue Impulse
Die Verbesserung der Lebensqualität von Kindern
mit komplexen Bewegungs­erkrankungen in
Österreich braucht neue Impulse
Zahlreiche Studien der letzten Jahre aus Hirnforschung, Neuroradiologie, Schmerztherapie, Materialforschung, Neurorehabilitation, Bewegungsanalyse und Neuroorthopädie konnten die Bedeutung
der Bewegung zwischen Muskeln und Faszien zur
Fibrose- und Kontrakturprophylaxe, der Bewegung
mit Vertikalisierung für eine signifikante Tonusreduktion, hormonelle Stimulation und Motivation,
die Bedeutung des Erlangens einer weitgehend physiologischen Steh- oder Gehfähigkeit für die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit und psychische Stabilität und die Kombination dieser Therapien für
das Erreichen einer langfristig schmerzfreien,
selbständigen Mobilität und Leistungsfähigkeit
nachweisen.
Patientenregister und Screeningprogramme konnten in Skandinavien die Zahl schwerer Muskelskelettveränderungen im Jugendalter zusammen mit
früh beginnenden, integrierten orthopädischen
Behandlungsprogrammen auf einen Bruchteil des
bei uns noch üblichen Prozentsatzes senken. Die
Wirksamkeit der Kombination konservativer, orthetischer und operativer orthopädischer Methoden zur
Verbesserung der Entwicklung und Lebensqualität
von Kindern mit cerebralen Bewegungsstörungen
wird seit etwa 100 Jahren permanent nachgewiesen. Durch laufende Evaluierung, das Verlassen wenig bewährter und die Aufnahme neuer erfahrungsund evidenzbasierter wirkungsvoller Verfahren wird
das integrierte Behandlungskonzept evolutiv weiterentwickelt.
Heute stellt beispielsweise die integrierte Behandlung mit minimal-invasiven und belastungsstabilen operativen Verfahren, neuartigen
Funktionsorthesen und einer frühen postoperativ beginnenden Robotik-unterstützter Lokomotionstherapie eine von Kindern aller Altersgruppen
gut akzeptierte und rasch funktionsverbessernde
­Behandlungsmethode dar.
114
Diese neuen Konzepte werden in einer zunehmenden Zahl von Zentren für Kinder- Neuro­
orthopädie und Rehabilitation in Europa erfolgreich
angewendet. In Österreich werden öffentlich unterstützte Strukturen der Kinderorthopädie seit mehreren Jahren eher reduziert, geschlossen, zusammengelegt. In Krankenanstalten erfolgt kein Ausbau
dringend erforderlicher interdisziplinärer stationärer
Angebote, z.B. neuropädiatrisch/neurologisch-­
orthopädischer Stationen, und kein Ausbau dringend notwendiger, moderner integrierter Behandlungsstrukturen, die stationäre Akut-,
Hilfsmittelversorgung und Rehabilitation unter
einem Dach vereinen.
Integrierte ambulante Versorgungsnetzwerke
wurden bisher nur durch persönliches Engagement
von spezialisierten Ärzten, zum Teil gegen Widerstände errichtet, und werden nicht durch öffentliche
Mittel unterstützt. Mehrmonatige Wartezeiten
auf Ambulanz-, Therapie- und OP-Termine bei
ExpertInnen sind aufgrund der begrenzten Ressourcen im Vergleich zum deutschsprachigen Ausland
einzigartig und bereits seit vielen Jahren unverändert um ein Vielfaches höher.
Die Wege zur Finanzierung von medizinisch
­d ringenden Orthesen-, Reha- und Hilfsmittelversorgungen, für barrierefreies Wohnen und Mobilität sind für die Eltern bewegungsbehinderter Kinder
langwierig, wichtige von Kinder- und Neuroorthopäden verordnete Behandlungen können daher nicht
rechtzeitig greifen.
Da unsere Kinder mit Bewegungsbehinderungen
­E rwachsene mit Bewegungsbehinderungen werden und weiterhin Bedarf an einer fachlich fundierten Behandlung und Versorgung haben, ist auch
die Schaffung von spezialisierten ambulanten und
­stationären Einrichtungen für Menschen über 18
Jahren mit Mehrfachbehinderung ein wichtiges
Anliegen.
Prim.Prof.h.c.Dr.med. Walter Michael Strobl, MBA, Chefarzt der Klinik für Kinder-, Jugend- und Neuroorthopädie Rummelsberg, Österr. Arbeitskreis Neuroorthopädie, Mitglied Wissenschaftlicher Beirat der Kinderliga
Bericht der Stakeholder
115
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Kinder und Jugendgesundheit im Jahr 2014 –
ein Überblick des BM für Gesundheit
Update der Kinder und Jugend Gesundheits­
strategie
Im letzten Jahr ist im Bereich der Kinder und
­Jugendgesundheitsstrategie viel passiert. Das nächste Update zur KJG-Strategie wird Ende April 2015
veröffentlicht. Es folgt nach Vorschlag des Kinderund Jugend-Gesundheit-Komitees einer thematischen Schwerpunktsetzung auf dem Themenfeld 4
»Gesundheitliche Chancengerechtigkeit« und wird
für dieses Themenfeld einen thematischer Aufriss
beinhalten (soziale und gesundheitliche Benachteiligung, Strategien zur Reduktion gesundheitlicher Ungleichheit, Kriterien guter Praxis). Da dieses Update
derzeit noch nicht vorliegt nehmen wir gerne die
Möglichkeit wahr, hier die wichtigsten Punkte kurz
darstellen zu können.
Hebammenberatung im Mutter-Kind-Pass
Seit März 2014 kann im Rahmen des Mutter-KindPasses kostenlos eine Hebammenberatung in SSW
18.-22 in Anspruch genommen werden. Diese beinhaltet Informationen über den Verlauf von Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillen sowie
Beratung über gesundheitsförderndes und präventives Verhalten in diesem Zeitraum. Das verstärkte
Einbinden von Hebammen in die Schwangeren­
betreuung soll u. a. dazu dienen, Unsicherheiten
und Ängste abzubauen und das Selbstvertrauen
in einen natürlichen Geburts­a blauf zu stärken. Im
Rahmen der persönlichen Beratung für alle Schwangeren wird auch ein Eingehen auf das individuelle
psychosoziale Umfeld der Schwangeren ermöglicht. Eventuelle Sorgen und Probleme sowie ungünstige Begleitumstände in Zusammenhang mit der
Schwangerschaft können angesprochen werden.
Erforderlichenfalls werden auch Informationen über
weitere Unterstützungsmöglichkeiten vermittelt.
Weiterentwicklung Mutter-Kind-Pass
Die Weiterentwicklung des Mutter-Kind-Passes
(MKP) steht im Regierungsprogramm. Ziel ist ein
­m odernes MKP-Programm orientiert an den aktuellen Bedrohungen und Evidenzen. Jede Schwangere
und jedes Kind sollen die jeweils passende Leistung
am passenden Ort und zum richtigen Zeitpunkt erhalten. Das BMG hat für bestmögliche Zielerreichung
einen an WHO-Kriterien orientierten standardisierten Arbeits­p rozess entwickelt (interdisziplinär,
­m ulti-Stakeholder, multi-Level). Größtmögliche
Transparenz der Entscheidungsfindung ist von zentraler Bedeutung. Im Oktober 2014 wurde eine multidisziplinäre Facharbeitsgruppe (FAG) gegründet.
Diese wird in den nächsten ca. 2 Jahren nach einem
standardisierten Verfahren Entscheidungen über
Screening-Empfehlungen zu ca. 100 unterschiedlichen Gesundheitsbedrohungen (beginnend mit der
Schwangerschaft bis zum 5. Lebensjahr des Kindes)
im Konsens verabschieden. Die FAG trifft sich ca
1x/Monat. Die abgestimmten Empfehlungen münden in einem ­Ergebnisbericht, der in weiterer Folge
einem Entscheidungsgremium als Arbeitsgrundlage
für die Umsetzung dient. Der Schwangerschaftsteil
soll in der FAG 2015 abgeschlossen werden. Der jeweilige Umsetzungsstand ist transparent, kann unter
www.bmg.gv.at/muki verfolgt werden.
Frühe Hilfen
In Österreich gibt es seit einigen Jahren ein flächendeckendes Frühe-Hilfen-Angebot in Vorarlberg
(www.netzwerk-familie.at). Seit 2014 finden konkrete Umsetzungsprojekte in 5 Modellregionen statt
(Bruck-Mürzzuschlag, Linz, Wien 15., 16. und 17.
Bezirk, Wr. Neustadt, Wolfsberg).
Bald nach Etablierung waren die Modellprojekte
ausgelastet. Der Bedarf für Frühe Hilfen ist vorhanden. Im Rahmen der Pilotprojekte wurden bisher durch insgesamt 17 Familienbegleiterinnen
­insgesamt rund 100 Familien begleitet.
Ab 2015 werden – v.a. finanzier t durch die
Vorsorge­mittel 2015/16 der BGA – weitere regionale
Frühe Hilfen-Netzwerke etabliert werden. In den
Vorsorgemittel-Projekten 2015/16 ist der flächendeckende Aufbau von Frühen Hilfen in zwei Bundesländern (Burgenland, Salzburg) geplant und jeweils
mehreren Bezirken in den restlichen Bundesländern.
Die genaue Zahl der Bezirke steht noch nicht fest –
es zeichnen sich aktuell ungefähr 40 Bezirke (alle 9
Bundesländer) ab, die dann spätestens 2016 durch
Frühe Hilfen-Netzwerke abgedeckt werden. Laut
Plan sollen im Zeitraum 2015 bis Mai 2017 in den
117
Bericht der Stakeholder
acht Bundesländern (ohne Vorarlberg) mit dem im
Rahmen der Vorsorgemittel geschaffenen Angebot
rund 1.700 Familien begleitet werden.
Koordiniert, gesteuert, unterstützt und begleitet
wird die Etablierung der Netzwerke durch ein nationales Zentrum Frühe Hilfen, das in der GÖG errichtet
wird. Das BMG wird aus Vorsorgemitteln der BGA
2015/2016 voraussichtlich rund 1 Mio. EURO dafür
verwenden. Die Aufgaben des Nationalen Zentrums
sind die bundesweite Abstimmung und Vernetzung,
die Qualitätssicherung der Umsetzung, Wissenstransfer und Öffentlichkeitsarbeit. Die Bundesmittel werden neben Maßnahmen zur Gesamtabstimmung und Vernetzung der regionalen Aktivitäten u.
a. auch für gemeinsame Schulungen und eine überregionale Evaluation sowie ein einheitliches Dokumentationssystems und Vorlagen verwendet. Damit
werden die Budgets für die regionale Umsetzung
von diesen Kosten entlastet.
»Unser Schulbuffet«
»Unser Schulbuffet« wurde als erfolgreiche Maßnahme zur Verbesserung des Verpflegungsangebots an
Schulbuffets nach der Leitlinie Schulbuffet des BMG
von 2011 bis 2014 aus Vorsorgemitteln der BGA finanziert und im Rahmen der Vorsorgestrategie Ernährung umgesetzt. In diesem Zeitraum gelang es,
gut ¼ der Buffets zur Teilnahme zu gewinnen. Ca.
222.000 Schüler/innen werden derzeit erreicht. Zur
nachhaltigen Etablierung suchte das BMG Kooperationspartner/innen. Vier Bundesländern werden
in Kooperation mit dem BMG »
­ Unser Schulbuffet« nach dem bewährten Konzept weiterführen.
Das BMG stellt alle Unterlagen (z.B. Handbuch, Rezepte) und Tools (z.B. Auswertungsprogramm) zur
Verfügung, die Partner machen die Feldarbeit und
liefern die Daten, das BMG führt die Daten zusammen, macht die Qualitätssicherung und betreibt die
Homepage weiter. Die mobilen Coaches wurden
durch eine kostenlose Schulung durch BMG/AGES
auf ihre neue Aufgabe vorbereitet. Gemeinsam
soll die Initiative auch weiterentwickelt werden.
Ziel ist, dass weitere Bundesländer oder geeignete
Vereinigungen als Kooperationspartner/innen gefunden werden, damit möglichst alle Kinder und
118
Jugendlichen von einem gesundheitsförderlichen
Buffet an ihrer ­Schule profitieren.
Kinder und Jugendrehabilitation
Der Ausbau der KiJu-Reha wurde erstmals im Rehabilitationsplan 2012 der Sozialversicherung konkret
geplant, Strukturqualitätskriterien wurden definiert.
Im Juni 2013 wurde die Reha-Planung (inkl. KiJuReha) in den Österreichischen Strukturplan Gesundheit 2012 übernommen. Im stationären Bereich soll
es bis 2020 österreichweit 343 Betten für die stationäre Reha für KiJu geben.
Betreffend der stationären Rehabilitation ist die
­Einigung zwischen Ländern und Sozialversicherung
in Bezug auf folgende Punkte besonders wichtig:
• es muss einen unbürokratischen niedrigschwelligen Zugang zur Rehabilitation für alle Kinder
­g eben, unabhängig davon, ob die Rehabilitation im Anschluss an eine Krankenbehandlung
oder wegen angeborener Behinderung bzw.
­genetischer Defekte oder Entwicklungsstörungen
erforderlich ist;
• der »Single Point of Service« für die Antragstellung für Kinder bzw. Eltern ist der jeweilige
­S ozialversicherungsträger; die Verrechnungen
zwischen Sozialversicherung und Land erfolgen
im ­Hintergrund;
• Bewilligungen auf Kinder-Rehabilitation sollen
zur Gewährleistung der Gleichbehandlung nach
­ö sterreichweit einheitlichen Kriterien durch den
zuständigen Sozialversicherungsträger erfolgen.
Im Sommer 2014 einigten sich Sozialversicherung
und Länder über die Finanzierung. Seit Herbst 2014
nehmen Länder und Sozialversicherung weitere
­A bstimmungen vor und beraten über die Festlegung der Standorte für KiJu-Reha-Einrichtungen.
Danach werden die Länder die erforderlichen Bewilligungsverfahren durchführen und in weiterer Folge
wird die Sozialversicherung entsprechende Verträge
mit den Trägern der Rehabilitationseinrichtungen
­abschließen.
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Zahnregulierung bei Kindern und Jugendlichen
»Gratis-Zahnspange«
Nach langen Verhandlungen haben sich die
S ozialver sicherung und die Ö s terreichis che
­
Zahnärzte­­­­k ammer auf eine neue kieferorthopädische Sachleistungsversorgung für Kinder und
Jugendliche geeinigt. Betroffen sind davon rund
30.000 Kinder pro Jahr. 8.000 bei der frühkindlichen Behandlung, 22.500 Kinder und Jugendliche
bei der Versorgung mit festsitzender Zahnspange ab
dem 12. Lebensjahr.
Für Kinder und Jugendliche wird es ab dem 1. Juli
2015 bei medizinischer Notwendigkeit (laut IOTN*Skala 4 und 5) bis zum 18. Lebensjahr zwei neue
Leistungen der sozialen Krankenversicherung geben:
• Eine frühkindliche kieferorthopädische Behandlung durch Zahnärzte und Kieferorthopäden
bei schweren Fehlstellungen, die im Normalfall
­frühestens ab dem 6. Lebensjahr erfolgt, wobei
der bisher geltende Selbstbehalt (durchschnittlich
in Höhe von rund 400.- EURO) wegfallen wird.
• Festsitzende Zahnspange ausschließlich durch
( Ver trags)Kieferor thopäden bei Kinder und
­Jugendlichen zwischen dem 12. und 18. ­Lebensjahr
bei schwerwiegenden Fehlstellungen (IOTN 4 und 5)
Natürlich sind dies nicht alle – wenn auch die größten – Maßnahmen die im letzten Jahr durchgeführt wurden. Damit ist selbstverständlich nicht der
Endpunkt der Bemühungen erreicht. Wir arbeiten
­d aran Kindern und Jugendliche in diesem Land in
allen Lebensbereichen besser zu unterstützen, sie
zu f­ördern und zu schützen damit sie zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten mit gesundheits­
förderlicher Lebensweise heranwachsen können.
Dr.in Bärbel Klepp · Bundesministerium für Gesundheit, Koordinationsstelle Kinder- und Jugendgesundheit
119
Bericht der Stakeholder
Kinder- und Jugendlichengesundheit
im Fokus der Sozialversicherung
Das Thema Kinder- und Jugendlichengesundheit
steht für die österreichische Sozialversicherung
im Fokus
Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger hat bei Fr. Mag. Agnes Streissler
eine Studie »Ausgewählte Fragen zur Versorgung
von Kindern und Jugendlichen durch die österreichische Krankenversicherung« in Auftrag gegeben.
Diese Studie (Publikation 2011; auf der Homepage
des Hauptverbandes zu finden) hat anschaulich gemacht, dass die ärztliche Versorgung und die Versorgung mit Physiotherapie im Großen und Ganzen
in Ordnung sind.
Dem gegenüber bestehen im Bereich der Behandlung von Entwicklungsstörungen mit Psychotherapie,
Logopädie und Ergotherapie Defizite.
Die Studie war Anlass dafür, dass in der Sozialversicherung eine Mehrjahresstrategie entwickelt wurde. Die Trägerkonferenz des Hauptverbandes hat
in ihrer Sitzung vom 18.12.2012 die »Strategie der
österreichischen Sozialversicherung zu bestimmten
Aspekten der Kinder- und Jugendgesundheit« mit
folgenden Schwerpunkten beschlossen:
• Erarbeitung von Kooperationsmodellen im Dialog
mit den Gebietskörperschaften; Bedarfsgerechte
Lösungen für die PatientInnen »aus einem Guss«,
die im Hintergrund gemeinsam finanziert werden.
• Versorgungsmodelle über multidisziplinär ausgestattete Einrichtungen. Bei Einzelanbietern ist
deren Vernetzung mit multidisziplinären Einrichtungen sicherzustellen.
• Sinnvolle Steuerung des Zuganges zu qualitativ
hochstehenden Leistungen.
• Forcierung der Handlungsbereiche Prävention und
Früherkennung von Defiziten. In diesem Zusammenhang niederschwellige und auch aufsuchende
Angebote.
• Verbesserung der Wissensbasis über das ­Leistungsund Krankheitsgeschehen.
In der Folge werden einige in Verfolgung dieser
Strategie gesetzte Schwerpunkte vorgestellt.
120
Kinderrehabilitation
Nach langen, intensiven Verhandlungen konnte
Ende Juni 2014 eine politische Einigung zwischen
Ländern und Sozialversicherung erzielt werden, die
stationäre Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen österreichweit auszubauen und gemeinsam
zu finanzieren.
Länder und Sozialversicherung vereinbarten, zukünftig für alle Kinder- und Jugendlichen ein einheitliches Leistungsgeschehen in der stationären
­R ehabilitation sicherzustellen und dieses insbesondere im Hinblick auf die in den vereinbarten
­L eistungsprofilen vorgesehenen Berufsgruppen gemeinsam zu finanzieren.
Ziel der Vereinbarung ist, dass es einen niedrigschwelligen Zugang zur Rehabilitation für Kinder und Jugendliche gibt, unabhängig davon, ob
die Rehabilitation im Anschluss an eine Kranken­
behandlung, oder wegen einer angeborenen
Behinderung bz w. genetischer Defekte oder
Entwicklungs­störungen erforderlich ist. Dieser
niedrigschwellige Zugang ist ein Herzstück der
­G esundheitsreform. Der »Single Point of Service«
für die Antragstellung für Kinder bzw. Eltern ist der
jeweilige Sozialversicherungsträger. Die Bewilligung
erfolgt nach österreichweit einheitlichen Kriterien
durch den zuständigen Krankenversicherungsträger
(bzw. durch die Allgemeine Unfallversicherungs­
anstalt oder die Pensionsversicherungsanstalt).
Bund, Länder und Sozialversicherung gehen von
dem im Rehabilitationsplan festgelegten Bedarf
von insgesamt 343 Betten aus. Die Bundesländer
­leisten in Summe pro Jahr beginnend ab 1.1.2015
für die stationäre Kinder und Jugendrehabilitation
(bei Vollausbau) eine Pauschalzahlung in Höhe von
8,5 Mio. EURO an den Hauptverband der Sozial­
versicherungsträger.
Umsetzung Verordnungskatalog
Als gefördertes Projekt wurde von einem Team
um Frau Primaria Dr. Gobara (Ambulatorium
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Sonnenschein in St. Pölten), ein Verordnungskatalog erstellt, welcher das Ziel hat, die Verordnung,
Planung und Durchführung von funktionellen
­T herapien im Kindes- und Jugendalter effektiv zu
gestalten und zu regeln. Der vorliegende Verordnungskatalog soll nun in 2 Modellregionen auf
­seine Praktikabilität hin getestet werden, um vor d
­ er
­geplanten österreichweiten Umsetzung gegebenenfalls nötige Anpassungen vornehmen zu können.
Im Jahre 2015 sollen der Befüllungsgrad und der
Nutzungsgrad der Datenbank wesentlich erhöht
werden.
Die Modellregionen sollen geografisch abgegrenzte
Gebiete (z.B. politischer Bezirk) mit folgenden
­Gesundheitsleistungsanbietern sein:
Dieser Beitrag erschien auch in der Fachzeitschrift »Soziale Sicherheit« des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger.
Dr. Peter Scholz · Leiter der Abteilung ”Beziehungen
zu Ärzten, Psychologen und Psychotherapeuten«
im Hauptverband der österreichischen Sozial­
versicherungsträger
• KinderfachärztInnen
• TherapeutInnen (Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie) mit Kinderexpertise
• spezialisiertes Zentrum für Kinder und Jugendliche
Datenbank über Leistungsdaten
Die Datenbasis der Sozialversicherung über Leistungen
im Rahmen der funktionellen Therapien war bisher
unvollständig.
Ziel der Sozialversicherung ist der Aufbau einer vollständigen und validen Datenbasis zur Beantwortung
von Versorgungsfragestellungen vor allem im Bereich der funktionellen Therapien. Es soll ermöglicht
werden, in Zukunft auf aussagekräftige Daten für
Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich zurückgreifen zu können.
Datenbank hinsichtlich freier Therapieplätze für
Kinder und Jugendliche
Die Wiener Gebietskrankenkasse hat eine Datenbank hinsichtlich freier Therapieplätze für Kinder
und Jugendliche eingerichtet, in die die TherapeutInnen einmelden sollen. So kann von Suchenden
schneller der richtige und vor allem freie Therapieplatz gefunden werden. Zugriff haben aber nicht die
PatientInnen und deren Angehörige selbst, sondern
der behandelnde Arzt oder die behandelnde Einrichtung. Die Datenbank stellt auch ein Instrument zur
Bedarfserhebung dar.
121
Kontaktdaten
Kontaktdaten
Berufsverbände und Fachgesellschaften:
Berufsverband Kinderkrankenpflege Österreich
Martha Böhm (Präsidentin) und
Eva Mosar-Mischling (Delegierte)
Postfach 35, A-1097 Wien,
T: +43 (0)1 / 470 22 33
F: +43 (0)1 / 479 64 00
[email protected]
www.kinderkrankenpflege.at
Berufsverband Logopädie Austria
Karin Pfaller, MSc (Präsidentin)
Sperrgasse 8-10, A-1150 Wien
T: +43 (0)1 / 892 93 80
F: +43 (0)1 / 897 48 95
[email protected]
www.logopaedieaustria.at
Berufsverband Österreichische PsychologInnen
Mag.a Dr.in Sandra Lettner (Präsidentin),
Dr. Elfriede Wegricht und Mag.a Claudia Rupp (Delegierte)
Dietrichgasse 25, A-1030 Wien
T: +43 (0)1 / 407 26 71-15
F: +43 (0)1 / 407 26 71-30
[email protected]
www.boep.or.at
Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren
Dr.in Adele Lassenberger (Vorsitzende)
Ballgasse 2, A-1010 Wien
T: +43 (0)664 / 887 364 62 [email protected]
www.oe-kinderschutzzentren.at
Deutsche Liga für das Kind
Dr. Jörg Maywald (Geschäftsführer)
Charlottenstrasse 65, 10117 Berlin
T: +49 (0)30-28 59 99 70
F: +49 (0) 302 859 971
[email protected]
www.liga-kind.de
Ergotherapie Austria – Bundesverband der
ErgotherapeutInnen Österreichs
Marion Hackl (Präsidentin) und
Irmgard Himmelbauer, MSc (Delegierte)
Sobieskigasse 42/6, A-1090 Wien
T: +43 (0)1 / 895 54 76
F: +43 (0)1 / 897 43 58
[email protected]
www.ergotherapie.at
122
Gesellschaft der Schulärztinnen und
Schulärzte Österreichs
Dr.in Judith Glazer (Präsidentin)
Beethovengasse 10/6, A-2500 Baden
F: +43 (0)2252 / 45133
[email protected]
www.schulaerzte.at
Gesellschaft für sensorische Integration in Österr. (GSIÖ)
Mag.a Elisabeth Söchting (Präsidentin)
Oberzellergasse 1/Stg. 19, 1030 Wien
T: +43 (0)1 / 715 11 89
F: 0+43 (1) / 869 65 89
[email protected]
www.sensorische-integration.org
Österreichische Gesellschaft für Allgemeinund Familienmedizin (ÖGAM)
Dr. Reinhold Glehr (Präsident)
c/o Wiener Medizinische Akademie
Alser Strasse 4/UniCampus 1.17, A-1090 Wien
T: +43 (0)1 / 405 13 83-17
F: +43 (0)1 / 407 82 74
[email protected]
www.oegam.at
Österreichische Gesellschaft für
Kinder- und Jugendpsychiatrie
Univ.-Prof.Dr. Andreas Karwautz (Präsident),
OA Dr. Christian Kienbacher (Generalsekretär)
c/o OA Dr. Christian Kienbacher
p.A. Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Medizinische Universität Wien,
Währinger Gürtel 18-20, A-1090 Wien
T: +43 (0)1 / 40400-3012
F: +43 (0)1 / 40400-2793
[email protected]
www.oegkjp.at
Österreichische Gesellschaft für Psychosomatik
in Gynäkologie und Geburtshilfe
Univ. Doz.Prof.in DDr.in Barbara Maier (Präsidentin)
c/o Univ.Doz.Prof.in DDr.in Barbara Maier
Hanusch Krankenhaus Geb./Gyn. Abt./Pav. 2, 3. Stock
Heinrich Collinstr. 30, 1140 Wien
T: +43 (0)1 / 910 21-84811 – Sekretariat
F: +43 (0)1 / 910 21-84819
[email protected]
[email protected]
www.psygyn.at
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
Österreichischer Berufsverband der
MusiktherapeutInnen
MMMag.a Monika Geretsegger (Vorsitzende)
Cumberlandstraße 48, A-1140 Wien
T: +42 (0) 699 / 10 65 47 41
[email protected]
www.oebm.org
Österreichischer Bundesverband für Psychotherapie
Dr. Peter Stippl (Präsident)
Mag. Karl-Ernst Heidegger (Vizepräsident)
Löwengasse 3/5/Top 6, A-1030 Wien
T: +43 (0)1 / 512 70 90
F: +43 (0)1 / 512 70 90-44
[email protected]
www.psychotherapie.at
Österreichischer Kinderschutzbund
Univ.-Prof. Mag. Dr. Christian Vielhaber (Obmann),
Sascha Hörstlhofer, BA (stv. Obmann)
Obere Augartenstraße 26-28, A-1020 Wien
T: +43 (0)699 / 815 138 11
[email protected]
www.kinderschutz.at
Österreichisches Hebammengremium
Petra Welskop (Präsidentin)
Gerlinde Feichtlbauer (Vizepräsidentin)
Landstraßer Hauptstraße 71/2, A-1030 Wien
T: +43 (0)1 / 71728 163
F: +43 (0)1 / 71728 110
[email protected]
www.hebammen.at
Physio Austria – Bundesverband der
PhysiotherapeutInnen Österreichs
Silvia Mériaux-Kratochvila, M.Ed. (Präsidentin),
Mag. Stefan Moritz, MSc (Geschäftsführer)
Linke Wienzeile 8/28, A-1060 Wien
T: +43 (0)1 / 587 99 51
F: +43 (0)1 / 587 99 51-30
[email protected]
www.physioaustria.at
Pikler-Hengstenberg-Gesellschaft-Österreich
Mag.a Daniela M. I. Pichler-Bogner (Obfrau)
Mag.a Silvia Gerger (Delegierte)
c/o Mag.a Daniela M. I. Pichler-Bogner
Thugutstraße 3/16, A-1020 Wien
T/F: +43 (0)1 / 942 36 11
M: +43 (0)6991 / 942 36 11
[email protected]
www.pikler-hengstenberg.at
Plattform EduCare
Dr.in Brigitte Zielina und Mag.a Dr.in Heidemarie Lex-Nalis
(Steuerteam-Mitglieder)
Krausegasse 7a / 10, A-1110 Wien
T: +43 (0)664 / 735 922 65
F: +43 (0)1 / 748 54 69
[email protected]
www.plattform-educare.org
Verband der Diaetologen Österreichs
Prof.in Andrea Hofbauer MSc, MBA (Präsidentin)
Mag.a Petra Wohlfahrtstätter (Delegierte)
Grüngasse 9/Top 20, 1050 Wien
[email protected]
www.diaetologen.at
Verband der Still- und LaktationsberaterInnen
Österreichs
DSA Anita Schoberlechner (Präsidentin)
Lindenstrasse 20, 2362 Biedermannsdorf
T: +43 (0)2236 / 72336
[email protected]
www.stillen.at
Vereinigung Österreichischer Psychotherapeutinnen
und Psychotherapeuten (VÖPP)
Dr.in Jutta Fiegl (Präsidentin)
Elisabeth Töpel (Delegierte)
Lustkandlgasse 3-5/TOP 2-4, 1090 Wien
T: +43 (0)664/9223222
[email protected]
www.voepp.at
In der Versorgung tätige Organisationen:
aks – Arbeitskreis für Vorsorge und
Sozialmedizin BetriebsGmbH
Dr. Hans Concin (Präsident)
Rheinstraße 61, 6900 Bregenz
T: +43 (0)55 74 / 202 – 0
F: +43 (0)55 74 / 202 – 9
[email protected]
www.aks.or.at
Aktion Leben Österreich
Mag.a Martina Kronthaler (Generalsekretärin)
Diefenbachgasse 5/5, A-1150 Wien
T: +43 (0)1 / 512 52 21
F: +43 (0)1 / 512 52 21-25
[email protected]
www.aktionleben.at
123
Kontaktdaten
Caritas der Erzdiözese Wien
Mag. Alexander Bodmann (Generalsekretär)
Albrechtskreithgasse 19-21 , A-1160 Wien
T: +43 (0)1 / 878 12 - 0
F: +43 (0)1 / 878 12 - 9100
[email protected]
www.caritas-wien.at
Gesellschaft für ganzheitliche Förderung und
Therapie GmbH
Hedwig Zsivkovits
Hamerlingstraße 20, 3910 Zwettl
T:+43 (0)664/ 643 53 72
[email protected]
www.gfgf.at
Dachverband österreichische Autistenhilfe
Jutta Steidl (Präsidentin)
Eßlinggasse 17, A-1010 Wien
T: +43 (0)1 / 533 96 66
F: +43 (0)1 / 533 78 47
[email protected]
www.autistenhilfe.at
Institut für Erziehungshilfe
Dr. Georg Sojka
Heiligenstädter Straße 82 / 14, 1190 Wien
T: +43 (0)1 / 3683112
F_ +43 (0)1 / 3681235
[email protected]
www.erziehungshilfe.org
Diakonie Zentrum Spattstraße, gemeinnützige GmbH
Mag.a (FH) Andrea Boxhofer (Geschäftsführerin, Leiterin
der Abteilung Angebote nach dem Chancengleichheitsgesetz und der Abteilung Beratung, Diagnostik, Therapie)
Mag.(FH) Heinz Wieser (Geschäftsführer)
Willingerstraße 21, 4030 Linz
T: +43 (0)732 / 34 92 71
F: +43 (0)732 / 34 92 71 - 48
[email protected]
www.spattstrasse.at
Kinderhospiz Netz
Sabine Reisinger (Geschäftsführende Obfrau)
Breitenseer Straße 19/27, 1140 Wien
T: +42 (0)1 / 7863412
M: +43 (0)664 / 73402641
F: +43 (0)1 / 7863412
[email protected]
www.kinderhospiz.at
Die Boje – Ambulatorium für Kinder und Jugendliche
in Krisensituationen
Dr.in Gertrude Bogyi,
Dr.in Regina Rüsch (Geschäftsführung)
Hernalser Hauptstraße 15, A-1170 Wien
T: +43 (0)1 / 406 66 02
F: +43 (0)1 / 406 66 02 22
[email protected]
www.die-boje.at
Die Eule, Therapie- und Förderzentrum
Mag.a Dagmar Fischnaller (Geschäftsführerin)
Amraserstraße 1, 6020 Innsbruck
T: +43 (0)512 / 394420
F: +43 (0)512 / 394420-30
[email protected]
www.eule.org
Die Möwe – Kinderschutzzentren für physisch,
psychisch oder sexuell misshandelte Kinder
Mag.a Hedwig Wölfl (Geschäftsführerin, Fachliche Leitung)
Börsegasse 9/1, 1010 Wien
T: +43 (0)1 / 532 14 14
F. +43 (0)1 / 532 1414 140
[email protected]
www.die-moewe.at
124
Konventhospital Barmherzige Brüder, Institut für
Sinnes- und Sprachneurologie
Prim. Priv. - Doz. Dr. Johannes Fellinger (Institutsvorstand)
Bischofstraße 11, A-4021 Linz
T: +43 (0)7327 / 89724900
F: +43 (0)7327 / 89724979
[email protected]
www.bblinz.at
MOKI-Wien Mobile Kinderkrankenpflege
Gabriele Hintermayer, MSc (Geschäftsführende Vorsitzende)
Puchsbaumplatz 2/5-6, 1100 Wien
M: +43 (0)699 / 166 777 00
[email protected]
www.wien.moki.at
Österreichische Gesellschaft für Familienplanung
Mag.a Angela Tunkel
Bastiengasse 36-38, A-1180 Wien
T: +43 (0)1 / 4785242
Fax: +43 (0)1 / 4708970
[email protected]
www.oegf.at, www.firstlove.at
PGA – Verein für prophylaktische Gesundheitsarbeit
Mag.a Dr.in Doris Formann (Geschäftsführerin)
Museumstrasse 31a, 4020 Linz
T: +43 (0)732 / 771200
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
F: +43 (0)732 / 771200-22
[email protected]
www.pga.at
[email protected]
www.dioezese-linz.at/telefonseelsorge
ProMami Niederösterreich - Hebammenberatung
Beatrix Cmolik (Präsidentin)
Unterzellerstraße 19, 3340 Waidhofen/Ybbs
T: +43 (0)7442 / 52350
F: +43 (0)7442 / 52350
[email protected]
www.promami.at
Therapieinstitut Keil GmbH
Monika Weiszmann (Geschäftsführerin)
Jana Käferle (Therapeutische Leitung)
Bergsteiggasse 36-38, 1170 Wien
T: +43 (0)1/. 408 81 22 11
F: +43 (0)1 / 408 81 22 16
[email protected]
www.institutkeil.at
Rainbows
Mag.a Dagmar Bojdunyk-Rack (Geschäftsführerin)
Theodor-Körner-Straße 182/1, 8010 Graz
T: +43 (0)316 / 68 86 70
F: +43 (0)316 / 68 86 70-21
[email protected]
www.rainbows.at
Unabhängiges Kinderschutzzentrum Wien
Mag. Philipp Schwärzler (Leiter)
Mohsgasse 1 / Top 3.1, A-1030 Wien
T: +43 (0)1 / 526 18 20
F: +43 (0)1 / 526 18 20 9
[email protected]
www.kinderschutzzentrum.wien
Rudolf Ekstein Zentrum – Sonderpädagogisches
Zentrum für integrative Betreuung
SDn Eva Posch-Bleyer (Leiterin)
Jägerstraße 11-13, A-1200 Wien
T: +43 (0)1/ 334 67 34
F: +43 (0)1/ 334 28 51
[email protected]
www.rez.at
Verein Kind-Familie-Umwelt
Katharina Hofbauer-Thiery
Seilerstätte 5/14, 1010 Wien
T: +43 (0)699 / 13 17 33 07
F: +43 (0)1 / 941 25 08
[email protected]
www.kind-familie-umwelt.at
STEP-Baumgartenberg
Markus Hatschenberger (Geschäftsführer)
Baumgartenberg 1, A-4342 Baumgartenberg
T: +43 (0)7269 / 42042
Fax: +43 (0)7269 / 42050
[email protected]
www.step-mwg.at
Verantwortung und Kompetenz für
besondere Kinder und Jugendliche (VKKJ)
Stefan Stadler (Obmann)
Graumanngasse 7, 1150
T: +43 (0)1 / 985 25 72
F: +43 (0)1 / 985 25 72 - 20
[email protected]
www.vkkj.at
SOS-Kinderdorf
Mag.a Elisabeth Hauser
(Leitung Fachbereich Pädagogik)
Stafflerstr. 10a, 6020 Innsbruck
T: +43 (0)512 / 5918 – 201
M: +43 (0)676 / 88 14 42 21
F: +43 (0) 512 / 5918 – 218
[email protected]
www.sos-kinderdorf.at
TelefonSeelsorge OÖ – Notruf 142
Mag.a Barbara Lanzerstorfer-Holzner
Schulstraße 4, A-4040 Linz
T: +43 (0)732 / 731 313 3529
M: +43 (0)676 / 87 76 35 29
F: +43 (0)732 / 731 313 33
Vorarlberger Kinderdorf gemGmbH
Christine Rinner
Kronhaldenweg 2, 6900 Bregenz
T: +43 (0)5574 / 4992 0
[email protected]
www.vorarlberger-kinderdorf.at
Wiener Hilfswerk
Dir. Sabine Geringer, MSc (Geschäftsführerin)
DI Evi Pohl-Iser (Stellv. Geschäftsführerin)
Schottenfeldgasse 29, A-1072 Wien
T: +43 (0)1 / 512 36 61 -0
F: +43 (0)1 / 512 36 61 -33
[email protected]
www.wiener.hilfswerk.at
125
Kontaktdaten
Wiener Kinderfreunde (Beratungsstellen)
Mag.a Ursula Dietersdorfer (Leitung)
Albertgasse 23, 1080 Wien
T: +43 (0)1 / 401 25 - 33
F: +43 (0)1 / 408 86 00
[email protected]
www.wien.kinderfreunde.at
Wissenschaftlich und lehrend tätige Organisationen:
Arbeitsgemeinschaft Psychoanalytische Pädagogik
Univ.Doz.Dr. Helmuth Figdor (Vorstand)
Mariahilferstr. 53/15, A-1060 Wien (Vorstand)
Grundsteing. 13/2-4, A-1160 Wien (Sekretariat)
T: +43 (0)1 / 586 85 66
[email protected]
www.app-wien.at
BIFEF – Bildungsinstitut des interdisziplinären Forums
für Entwicklungsförderung und Familienbegleitung
Doris Staudt (Organisation)
Hernalser Hauptstraße 15, Top 3, 1170 Wien
T: +43 (0) 660 / 277 13 73
[email protected]
www.bifef.at
IGfB-Internationale Gesellschaft für
Beziehungskompetenz
Mag.a Robin Menges
Gänsbacherstraße 6, A-6020 Innsbruck
T: +43 (0)699 / 11 06 85 09
[email protected]
www.igfb.org
ökids – Österreichische Gesellschaft für Kinderund Jugendlichenpsychotherapie
Mag.a Nora Schuster (Geschäftsführerin)
Wilhelm Exner Gasse 30/10, A-1090 Wien
T: +43 (0)1 / 958 12 40
F: +43 (0)1 925 08 32
[email protected]
www.oekids.at
Zentrum für angewandte Epidemiologie
und Gesundheitspolitik
MPH (Havard) Dr. Franz Piribauer
Wimbergergasse 14-16/2-21, A-1070 Wien
T: +43 (0)1 / 524 60 20
[email protected]
www.zaeg.at
St.Virgil Salzburg
Prof.Mag. Peter Braun (Direktor)
Ernst-Grein-Straße 14, A-5026 Salzburg
126
T: +43 (0)662 / 659 01-512
F: +43 (0)662 / 76 59 01-509
[email protected]
www.virgil.at
Ganztagsvolksschule Novaragasse
Elisabeth Kugler (Direktorin)
Novaragasse 30, A-1020 Wien
T: +43 (0)1 / 214 72 73
F: +43 (0)1 / 214 72 73
[email protected]
www.nova.schule.wien.at
Gesundheitsfördernd und präventiv tätige
Organisationen:
beratungsgruppe.at – Verein für Informationsvermittlung, Bildung und Beratung
Liesl Frankl und Wolfgang Kratky (Projektleitung)
Erlgasse 25/36, A-1120 Wien
T: +43 (0)1 / 943 83 32
[email protected]
[email protected]
www.beratungsgruppe.at
boja – Bundesweites Netzwerk Offene Jugendarbeit
Mag.a Daniela Kern-Stoiber (Geschäftsführerin)
Lilienbrunnengasse 18/2/47, A-1020 Wien
T: +43 (0)1 / 216 484 455
F: +43 (0)1 / 216 484 455
[email protected]
www.boja.at
Landesverband der Elternvereine an den mittleren
und höheren Schulen Österreichs
Ing. Theodor Saverschel MBA (Präsident)
Strozzigasse 2/4 / 422, A-1080 Wien
T: +43 (0)1 / 531 20-3110
F: +43 (0)1 531 20-813110
[email protected]
www.bundeselternverband.at
Dachverband der unabhängigen Eltern-Kind-Zentren
Österreichs
Traude Heylik (Obfrau)
Praterstraße 14/8
1020 Wien
[email protected]
www.ekiz-dachverband.at
Elternwerkstatt – Verein im Dienst von Kindern,
Eltern und PädagogInnen
Veronika Lippert (Obfrau)
Altmannsdorfer Straße 172/31/2
Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 2015
T: +43 (0)1 / 662 20 06
[email protected]
www.elternwerkstatt.at
Familylab
Katharina Weiner (Leitung Familylab Österreich)
Neuwaldegger Straße 35, A-1170 Wien
T: +43 (0)650 / 99 33 961
[email protected]
www.family-lab.com
Institut für Frauen- und Männergesundheit FEM
Mag.a Maria Bernhart (Leiterin)
Bastiengasse 36-38, A-1180 Wien
T: +43 (0)1 / 476 15-5771
F: +43 (0)1 / 476 155-5779
[email protected]
www.fem.at
Forum Katholische Erwachsenenbildung – Elternbildung
Brigitte Lackner, MAS (Koordination Katholische
Erwachsenenbildung)
Erdbergstraße 72/8, A-1030 Wien
T:+43 (0)1 / 317 05 10-16
F:+43 (0)1 / 317 05 10-10
[email protected]
www.forumkeb.at
Katholischer Familienverband Österreichs
Mag.a Rosina Baumgartner (Generalsekretärin)
Spiegelgasse 3/9, A-1010 Wien
T: +43 (0)1 / 515 52-3291
F: +43 (0)1 / 515 52-3699
[email protected]
www.familie.at
Landesverband Katholischer Elternvereine Wien
Mag. Christian Hafner (Obmann)
Stephansplatz 3/IV, A-1010 Wien
T: +43 (0)664 / 890 39 53
[email protected]
www.lv-wien.at
NANAYA – Zentrum für Schwangerschaft, Geburt und
Leben mit Kindern
Claudia Versluis
Zollergasse 37, A-1070 Wien
T: +43 (0)523 / 17 11
F: +43 (0)523 / 17 64
[email protected]
www.nanaya.at
Österreichische Jugendinfos
Mag. Aleksandar Prvulovi (Geschäftsführer)
Lilienbrunngasse 18/2/41, A-1020 Wien
T: +43 (0)1 / 216 48 44-56
F: +43 (0)1 / 216 48 44-55
[email protected]
www.jugendinfo.at
Österreichische Kinder- und Jugendvertretung
Mag.a Magdalena Schwarz (Geschäftsführerin)
Liechtensteinstr.57/2, A-1090 Wien
T: +43 ((0)1 / 214 44 99
[email protected]
www.bjv.at
Österreichischer Dachverband der Elternvereine
an den öffentlichen Pflichtschulen
Christian Morawek (Vorsitzender)
Strozzigasse 2/4 / 421, A-1080 Wien
T: +43 (0)1 / 531 20-3112
M:+43 (0) 699 / 15 31 20 00
[email protected]
www.elternverein.at
Plattform Elterngesundheit
Eveline Brem (Vorsitzende)
Strozzig.2, A-1080 Wien
T: +43 (0)664 / 300 82 86
[email protected]
www.elterngesundheit.at
PRAEV CIRCLE – Internationales Forum für
präventive Jugendarbeit
Agnes Koller (Infothek)
Postfach 1, A-7222 Rohrbach b.M.
T: +43 (0)664 / 197 28 42
[email protected]
www.forum20.eu
SPORTUNION Österreich
Mag. Rainer Rößlhuber (Generalsekretär)
Falkestraße , A-1010 Wien
T: +43 (0)1 / 513 77 14 16
F: +43 (0)1 / 513 40 36
M: +43 (0)664 / 6061 3341
[email protected]
www.sportunion.at
127
Kontaktdaten
St. Nikolausstiftung, Erzdiözese Wien/Mobile Dienste
Mag.a Natalie Bayer-Chisté (Bereichsleitung Mobile Dienste)
Stephansplatz 6/2/3, A-1010 Wien
T: +43 (0)1 / 515 52 31 66
[email protected]
www.nikolausstiftung.at
Selbsthilfegruppe »ELTERN ANDERS«
Ing.in Mag.a Martina Kohlbacher-Hess (Leitung)
Franz Koci-Str. 5/9/15, A-1100 Wien
T: +43 (0)664 / 283 17 16
[email protected]
www.elternanders.at
Verband der Elternvereine an den Höheren
und Mittleren Schulen Wiens
Mag. Elisabeth Rosenberger (Vorsitzende)
Strozzigasse 2, A-1080 Wien,
T: +43 (0)676 / 522 71 01
[email protected]
www.elternverband.at
SHG Rheumalis
Karin Formanek (Leitung)
Pilzgasse 14/2/7, A-1210 Wien
T: +43 (0)6991 / 974 88 11
[email protected]
www.rheumalis.org
Welt der Kinder
Dr. Gerhard König (Obmann)
Anton-Schneider-Straße 28,A-6900 Bregenz
T: +43 (0)5574 / 48606
F. +43 (0)5574 / 48606
[email protected]
www.weltderkinder.at
Mitglieder des Eltern-Selbsthilfe-Beirates:
Lobby4kids
Mag.a pharm Dr.in Irene Promussas (Vorsitzende)
Hardtgasse 29 / 8, A-1190 Wien
T: +43 (0)650 / 841 98 20
[email protected]
www.lobby4kids.at
Kinder-Lobby
Mag.a Eveline Doll (Gründerin)
Waldstraße 32, A-4710 Grieskirchen
[email protected]
www.kinder-lobby.at
KiB Children Care – Verein rund ums erkrankte Kind
Elisabeth Schausberger (Geschäftsführerin)
Ungenach 51, A-4841 Ungenach
T: + 43 (0)7672 / 84 84
F: +43 (0)7672 / 84 84-25
[email protected]
www.kib.or.at
Patienten- und Selbsthilfeorganisation für Kinder und
Erwachsene mit kranker Speiseröhre (KEKS) Österreich
Dr. Thomas Kroneis (Vorsitzender)
St.Peter-Hauptstraße 35d/3, A-8042 Graz
T: +43 (0)650 / 509 55 00
[email protected]
www.keks.at
128
Verantwortung und Kompetenz für
besondere Kinder und Jugendliche (VKKJ)
Stefan Stadler (Obmann)
Graumanngasse 7, A-1150 Wien
T: +43 (0)1 / 985 25 72
F: +43 (0)1 / 985 25 72-20
[email protected]
www.vkkj.at
Kooperationspartner:
Netzwerk Kinderrechte Österreich
Mag.a Elisabeth Schaffelhofer-Garcia Marquez
Eßlinggasse 6, A-1010 Wien
[email protected]
www.kinderhabenrechte.at
Politische Kindermedizin
Dr. Rudolf Püspök (Schriftführer)
Reitschulgasse 7, A-7131 Halbturn
T: +43 (0)664 / 410 50 66
[email protected]
www.polkm.org