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Foto: Rainer Sturm/pixelio.de
LOGISTIK Innovation
Innovative Konzepte
für die Logistikbranche
Chancen und Risiken für Startups in der Transportlogistik
Transportlogistik, Startups, Disruption
Im Allgemeinen lässt sich beobachten, dass die Logistikbranche in den letzten Jahrzehnten stark an
Bedeutung gewonnen hat. Globalisierung, Outsourcing und der Online-Versandhandel sind nur einige
Trends, die das Wachstum der Branche antreiben und außerdem weiteres Entwicklungspotential implizieren. Davon profitieren auch Startups, die mit ihren Innovationen Motoren des Marktes sind. Der vorliegende Artikel beschäftigt sich mit diesen Startups in der Transportlogistik.
Die Autoren: Simon Holdorf, Janina Röder, Hans-Dietrich Haasis
D
enkt man an Unternehmen in
der Transportlogistik-Branche,
kommen immer wieder dieselben Namen in den Sinn. In
Deutschland sind es die Deutsche Post, die
Deutsche Bahn und Schenker, Kühne +
­Nagel. Weltweit führt die DHL International GmbH (Tochtergesellschaft der Deutschen Post AG) die Rangliste an, dicht gefolgt von der UPS Corporation, der China
Railway Group und der FedEx Corpora­
tion.1
Doch neben den großen, alteingesessenen Unternehmen haben sich in den letzten
Jahren viele kleine, neue Unternehmen gebildet – die sogenannten Startups. Sie entwickeln innovative Geschäftsideen und erkennen Nischen, die von den größeren Vorreitern oft nicht beachtet werden.
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Auch wenn die Logistikbranche in den
letzten Jahrzehnten enorme Entwicklungssprünge gemacht hat, bietet sich vor allen
Dingen in der Transportlogistik, insbesondere in der Zustellung auf der letzten Meile,
großes Optimierungspotential. Selbst unwissende Kunden bekommen die auftretenden
Probleme zu spüren, sei es in der unflexiblen
Zustellung eines Paketes, bei nicht erfüllten
Kundenansprüchen oder bei wiederholten
Nachhaltigkeitsdiskussionen in der Politik.
Durch innovative Geschäftspläne und
der Ausschöpfung von Nischen sind Startup-Unternehmen Motoren für die gesamte
Wirtschaft und können Märkte erneuern.
Gerade in Bezug auf die wiederholt auftretenden Probleme ist es interessant zu sehen,
welche Alternativen Startups anbieten und
ob diese sich auch durchsetzen können.
Startups in der Transportlogistik
Bis dato haben sich weder Wissenschaft
noch Praxis mit Startup-Unternehmen in
der Transportlogistik gebührend beschäftigt. Im Rahmen dieses Artikels wird daher
zunächst eine Bestandsaufnahme von Startups in diesem Bereich in Form einer internetbasierten Recherche durchgeführt, um
erste Erkenntnisse als Basis weitergehender
Forschung abzuleiten. Dabei wurden die
folgenden Prämissen zu Grunde gelegt:
• Ein Startup-Unternehmen darf nicht älter als zehn Jahre sein. (Viele Startups
sind jünger als drei Jahre)
• Der Zweck des Startups muss einen hohen Innovationsgrad aufweisen (Abgrenzung zur klassischen Existenzgründung)
• Geringes Startkapital bzw. hohe Beteiligungen durch Venture Capital Firmen
Innovation LOGISTIK
• Hohes Risiko bei der Unternehmensgründung (bis zu neun von zehn Startups
scheitern nach ein bis zwei Jahren am
Markt)
• Wiederholbares und skalierbares Geschäftsmodell
Das Ergebnis der Recherche ist eine
Übersicht von 58 Startup-Unternehmen die
sowohl die genannten Kriterien erfüllen als
auch dem Bereich Transportlogistik direkt
oder indirekt zugeordnet werden können.
Viele davon (49) sind seit dem Jahr 2010 entstanden. Der Großteil stammt aus den Vereinigten Staaten, jedoch muss sich Deutschland mit 19 von 58 Startups im Bereich der
Transportlogistik nicht verstecken.
Einsatzfelder für Startup-­
Unternehmen
Um genauere Aussagen über die Verteilung
und Potentiale von Startups in der Transportlogistik zu machen, wurden vier Einsatzfelder abgeleitet und die Startups diesen
zugeordnet:
1. Infrastruktur: Der stetig wachsende Onlinehandel wirkt sich immer stärker auf
die nachgelagerte Logistik aus.2 Besonders schwierig gestaltet sich oftmals die
Anlieferung der bestellten Ware.3 Wer
kennt nicht das Problem des Zettels im
Briefkasten, von dem man entnehmen
kann, dass das erwartete Paket innerhalb
der nächsten sieben Werktage in der vorgeschriebenen Filiale abzuholen ist. Besagte ist aber leider nur zu den gewöhn­
lichen Geschäftszeiten geöffnet. Infrastruktur-Startups schaffen Neuentwicklungen von Betriebsmitteln, welche
insbesondere die Zustellung auf der
„letzten Meile“ erleichtern.
2. Portale zur Vermittlung von KEPDienst­leistungen: Kaum an Wichtigkeit
zu übertreffen ist eine schnelle und kostengünstige Lieferung. Das zeigt auch
das Ergebnis einer aktuellen Branchenstudie
der
Unternehmensberatung
McKinsey & Company. Bis 2020 soll der
Markt für Same-Day-Delivery (SDD) –
also die Zustellung von Waren noch am
Tag der Bestellung – etwa 15 % des Umsatzes mit Standardpaketen ausmachen
(heute: weniger als 1 %). Bereits gegenwärtig wäre etwa die Hälfte der mehr als
1000 repräsentativ Befragten aus Westeuropa bereit, für den SDD-Service einen Aufpreis zu zahlen.4 Im Bereich
„Portale zur Vermittlung von KEPDienstleistungen“ werden Startup-Unternehmen zusammengefasst, die Internetportale und Plattformen entwickeln,
welche sogenannte KEP-Dienste (Kurier-, Express- und Paketdienste) vermitteln. Die einzelnen Dienste unterschei-
den sich vor allen Dingen in den Leistungen und in der Preisstruktur.
3. Daten: Der Einstieg in das Internet
macht eine weltweite und sekundenschnelle Übertragung von Daten möglich und diese überall verfügbar. Auswirkungen sind erhöhte Markttransparenz
sowie die Kostensenkung und Beschleunigung der Transaktionen.5
Durch die erhöhte Transparenz steigen
auch das Preisbewusstsein und die Anforderungen bei dem Kunden. Diese Anforderungen werden im B2C-Bereich
(Business-to-Consumer) durch Einbindung der Kunden in den B2C-Prozess
sowie durch individuelle Servicedienstleistungen befriedigt. Das Einsatzfeld
„Daten“ beschäftigt sich also mit dem
Sammeln, Konsolidieren und Auswerten
von Logistikdaten. Es besteht hauptsächlich aus Unternehmen, die in den Bereichen B2B und B2C arbeiten.
4. Technologien: Unter Technologien versteht man innovative technische Maschinen und Entwicklungen zur Verbesserung der Logistikabläufe. Die meisten
Waren werden in Containern transportiert. Vorteil ist, dass Container an kein
bestimmtes Verkehrsmittel gebunden
sind und standardisierte Abmessungen
aufweisen – mit einer Länge von 20 oder
40 Fuß (entsprechend 6,069 bzw. 12,192
m). Allein mit Schiffen werden jährlich
mehr als 350 Mio. Container trans­
portiert.6 Das Startup Staxxon hat beispielweise eine Container-Falt-Tech­
nologie entwickelt, die durch das LuftEntziehen einen 20-Fuß-Container zusammenfaltet,
sodass
man
fünf
gefaltete leere Container auf derselben
Stellfläche eines gefüllten Containers
transportieren kann. Dasselbe System
benutzt auch das Startup-Unternehmen
Holland Container Innovations, das sich
Bild 1: Einsatzfelder von Startups in der Transportlogistik
Stärken
Schwächen
•
•
•
•
•
•
•
•
•H
ohe Dichte an vorhandenen Akteuren
• Zu stark ausgeprägte Preisorientierung bei
Kunden
• Fehlende Sicherheit
• Geringer Bekanntheitsgrad
• Kurzfristig hohe Kosten
öherer Innovationsgrad
H
Höhere Flexibilität
Höhere Schnelligkeit
Höhere Transparenz
Nachhaltigkeit
Langfristige Kostensenkung
Preisvorteile (im P2P-Bereich)
Relativ hoher Reifegrad
Chancen
Risiken
•S
teigende Nachfrage durch Anstieg des
Online-Versandhandels
• Höhere Kundenansprüche
• Durch gesellschaftlichen Wandel Trend zur
Flexibilität
• Trend zur Nachhaltigkeit
•
•
•
•
arkteintrittsrisiko
M
Ressourcenknappheit
Hohe Konkurrenz
Nachahmer
Tabelle 1: Ergebnisse der SWOT-Analyse
Internationales Verkehrswesen (67) 2 | 2015
35
LOGISTIK Innovation
aber auf 40-Fuß-Container spezialisiert
hat.7
Die detaillierte Einteilung der StartupUnternehmen erfolgt mit Hilfe einer sogenannten Startup-Landkarte (Bild 1). 23 Startups sind im Bereich KEP-Dienstleistungen
angesiedelt. Im Bereich Daten sind 17 Startups zu finden, im Bereich Infrastruktur 13.
Den geringsten Anteil mit nur drei Startups
weist das Einsatzfeld Technologien auf. Dies
liegt wohl hauptsächlich am hohen Kapitalaufwand für Forschung und Entwicklung.
Chancen und Herausforderungen
Für die folgende Auswertung der Chancen
und Risiken von Startups in der Transportlogistik wird auf die SWOT-Analyse
(Strenghts, Weakness, Opportunities, Threats) zurückgegriffen. Mit Hilfe der SWOTAnalyse werden aus ermittelten Informationen die Stärken, Schwächen, Chancen und
Risiken von Startup-Möglichkeiten in der
Transportlogistik extrahiert.8 Hierbei wird
analysiert, wie erfolgversprechend die Penetration von Startup-Unternehmen in der
Transportlogistik-Branche in Zukunft sein
könnte. In Tabelle 1 sind die einzelnen Bestandteile der SWOT-Analyse zusammengefasst.
Fazit und Ausblick
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass
Startup-Unternehmen eine treibende Kraft
für Innovationen und für das Wirtschaftswachstum sind. Im Gegensatz zu etablierten
Unternehmen gestalten Startup-Unternehmen die Umwelt eigeninitiativ mit, indem
Neuerungen entwickelt und Chancen genutzt werden, die andere nicht wahrnehmen.9 Gerade weil die TransportlogistikBranche stark wächst und immer mehr Aufmerksamkeit erhält, wird der in den letzten
drei Jahren erfahrene Zuwachs von Startup-Gründungen keinen Abbruch erfahren.
Der große Vorteil, über den Startup-Unternehmen verfügen, ist der Innovationsbeitrag und der ausgeprägte Service, den sie
bieten. Diese beiden Aspekte werden bei
den meisten etablierten Unternehmen als
eher gering eingestuft. Aufgrund ihrer Monopol-Stellung und mangelnder Notwendigkeit gehen viele nicht auf die individuellen Kundenbedürfnisse ein. Doch durch das
vermehrte Entstehen von Startup-Unternehmen müssen die etablierten Unternehmen ihre Denkweise überarbeiten und innovativer werden, was sowohl für das Wirtschaftswachstum als auch für die Kunden
eine positive Auswirkung erzeugt.
Letztlich bleibt abzuwarten, wie sich der
Erfolg von Startup-Unternehmen in der
Transportlogistik-Branche entwickelt. Faktoren wie die allgemeine Entwicklung der
Logistikbranche und die wirtschaftlichen
und gesellschaftlichen Trends sind wesentliche Einflussgrößen und geben Grund für
ein optimistisch geprägtes Fazit.
■
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6
7
8
9
Hayn, Marc (2003): Bewertung junger Unternehmen, 3. Auflage, Herne/
Berlin: Verlag Neue Wirtschafts-Briefe GmbH & Co.
Koch, Susanne (2012): Logistik – Eine Einführung in Ökonomie und Nachhaltigkeit, Berlin: Springer-Verlag.
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Online im Internet unter: http://jonathanwichmann.com/my-lists/
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Vgl. Fraunhofer SCS (2013)
Vgl. Schumann (2014)
Vgl. Schmidt (2013)
Vgl. McKinsey & Company (2014)
Vgl. Pfohl (2001)
Vgl. Koch (2012)
Vgl. Wichmann (2014)
Vgl. Kotler et al. (2011)
Vgl. Hayn (2003)
Simon Holdorf, M. Sc.
Lehrstuhl für ABWL, Maritime
Wirtschaft und Logistik, Universität
Bremen
[email protected]
Janina Röder, B. Sc.
Lehrstuhl für ABWL, Maritime
Wirtschaft und Logistik, Universität
Bremen
[email protected]
QUELLEN
Fraunhofer SCS (2013): Top 100 in European Transport and Logistics Services 2013/2014. Online im Internet unter: http://www.scs.fraunhofer.
de/content/dam/scs/de/dokumente/studien/TOP100_Executive_
Summary_ 20132014.pdf (Stand: 01.10.2013; Abfrage: 05.06.2014;
[MEZ] 11:01).
Hans-Dietrich Haasis, Univ.-Prof. Dr.
Lehrstuhl für ABWL, Maritime
Wirtschaft und Logistik, Universität
Bremen
[email protected]
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