Zukunft der Produktion in Baden-Württemberg

 Zukunft der Produktion in Baden‐Württemberg – Industrie am Scheideweg Materialien zur Pressekonferenz von SÜDWESTMETALL am 13. April 2015 in Stuttgart Ein wirtschaftlich starker Teil Deutschlands ....................................................................... 4 Industrie als Quelle des Wohlstands ................................................................................... 5 Höchster Industrieanteil – höchste Spürbarkeit von Entscheidungen ................................ 6 Ein kraftvolles Duo: Der Industrie‐Dienstleistungsverbund ................................................ 7 Im Südwesten prägt die Industrie die wirtschaftliche Entwicklung .................................... 7 Baden‐Württemberg ist ein Flächenindustrieland .............................................................. 8 Land des Wohlstands .......................................................................................................... 9 Wohlstand in den Regionen dank erfolgreicher Industrie ................................................10 Wohlstand: Baden‐Württemberg auch in Europa mit Spitzenpositionen ........................10 Ein stabiler Arbeitsmarkt dank Industrie ...........................................................................12 Gute Beschäftigungsperspektiven für breite Kreise der Bevölkerung ..............................12 Mehr Beschäftigung im Südwesten...................................................................................12 Auch ohne Berufsabschluss Chancen auf dem Arbeitsmarkt ...........................................13 Die Industrie schafft Arbeitsplätze ....................................................................................13 Die Industrie ist der Treiber des Exports ...........................................................................14 Baden‐Württemberg ist exportstark .................................................................................14 Exporte sichern Wertschöpfung und Beschäftigung .........................................................15 Höhere Lohnkosten müssen durch andere Standortvorteile kompensiert werden .........15 Herausforderungen der Zukunft erfordern passende Rahmenbedingungen ...................16 Industrie ist kein Selbstläufer ............................................................................................16 Megatrend Globalisierung erfasst die Produktionsseite ...................................................17 Ausland als Produktionsstandort boomt ...........................................................................17 Erhalt der Produktionskapazitäten – Ausbau bleibt aus ...................................................19 Baden‐Württemberg am Scheideweg ...............................................................................21 Stärkung des Standorts Baden‐Württemberg jetzt erforderlich .......................................22 Größere Unternehmen sind der Schlüssel für mehr Investitionen in Baden‐Württemberg22 Warum Unternehmen trotz Arbeitskostenvorteile des Auslands im Inland bleiben .......22 Die Basis: Kostenbelastung begrenzen .............................................................................23 Den Standort Baden‐Württemberg stärken – Produktivität steigern ...............................24 Rechtssicherheit gewährleisten ........................................................................................26 Bürokratischen Aufwand für neue Bauten reduzieren .....................................................26 Wirtschaftsfreundlichkeit erhalten bzw. verbessern ........................................................26 Nähe zu relevanten Abnehmern – Internationalisierung von KMU fördern ....................27 Allgemeine Innovationsdynamik weiter steigern..............................................................28 Industrie 4.0 – Landeszentrierung überwinden ................................................................28 Innovationsprozess für neue Impulse offen halten ..........................................................29 Verfügbarkeit von Fachkräften .........................................................................................29 Fachkräfte der Zukunft sichern .........................................................................................29 Attraktivität der Berufe in der Industrie aufzeigen ...........................................................30 Fachkräftesicherung: Freiräume für Personalpolitik erhalten ..........................................31 Fachkräftesicherung: Vereinbarkeit von Familie und Beruf erhöhen ...............................31 Qualität der Verkehrsinfrastruktur verbessern .................................................................32 Attraktivität des Standorts für Beschäftigte steigern .......................................................34 Baden‐Württemberg ist ein wohlhabendes Land. Obwohl in Baden‐Württemberg nur 13,2 Prozent aller Menschen in Deutschland leben, entfallen auf den Südwesten 14,9 Prozent der Wirtschaftskraft. Der Südwesten verdankt seinen hohen Wohlstand in erster Linie seiner leistungsstarken und international wettbewerbsfähigen Industrie. Während die baden‐
württembergischen Dienstleister 13,1 Prozent der deutschen Dienstleistungswertschöpfung auf sich vereinen, erreicht das Verarbeitende Gewerbe im Südwesten einen Anteil von 21,5 Prozent an der deutschen industriellen Wertschöpfung. Ohne Industrie würde der Wohlstand im Südwesten also deutlich geringer ausfallen. Die Industrie trägt zudem zu einer breiten Verteilung des Wohlstands im Land bei. Baden‐
Württemberg ist ein Flächenindustrieland. Überall im Südwesten bietet die Industrie gut bezahlte Arbeitsplätze. Durch die Arbeit in der Produktion haben auch Geringqualifizierte oder in Deutschland lebende Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft bessere Chancen, am Wohlstand zu partizipieren. Zwar findet sich in Europa mit Inner London eine Region, in der das durchschnittliche Pro‐Kopf‐Einkommen deutlich höher ausfällt als in Baden‐Württemberg. Allerdings ist die Region Inner London gleichzeitig durch eine deutlich höhere Arbeitslosenquote gekennzeichnet. Den Spitzenverdienern stehen gleichzeitig breitere Teile der Bevölkerung gegenüber, die vom Wohlstand ausgeschlossen sind. Baden‐Württemberg ist in Deutschland das Land mit dem höchsten Industrieanteil. 31,5 Prozent der baden‐württembergischen Wertschöpfung sind im Jahr 2013 in der Industrie entstanden, in Deutschland waren es nur 21,8 Prozent. Viele Dienstleistungen wären ohne Industrie nicht vorhanden. Werden diese ebenfalls berücksichtigt, zeigt sich ein kraftvolles Duo: Der Industrie‐
Dienstleistungsverbund erwirtschaftet im Südwesten 43 Prozent der Wertschöpfung. Der hohe Industrieanteil macht Baden‐Württemberg zugleich anfälliger für Entscheidungen in der Bundes‐ oder Europapolitik, die zulasten der Industrie ausfallen. Dies gilt auch, da die Industrie stärker als andere Branchen im internationalen Wettbewerb steht. Ein wirtschaftlich starker Teil Deutschlands In Baden‐Württemberg leben 13,2 Prozent der Bevölkerung Deutschlands. Die 10,6 Millionen Einwohner erwirtschaften im Jahr 2013 ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 407,2 Milliarden Euro. Dies entspricht 14,9 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung. Damit ist der Südwesten ein wirtschaftlich starker Teil Deutschlands. Zugleich ist Baden‐Württemberg ein wohlhabender Teil Deutschlands, da aufgrund der höheren Wirtschaftsleistung auch höhere Pro‐Kopf‐Einkommen erzielt werden. Abbildung 1: BIP‐ und Einwohneranteile 2013 in Deutschland Anteile in Prozent Quelle: VGR der Länder (2014) Industrie als Quelle des Wohlstands Wo kommt der Wohlstand Baden‐Württembergs her? Der Anteil an der gesamten Wertschöpfung in Deutschland beträgt ebenfalls 14,9 Prozent. Der Wertschöpfungsanteil der baden‐
württembergischen Dienstleistungen entspricht dem Bevölkerungsanteil. Anders dagegen die Industrie (Industrie ist hier im engeren Sinne definiert als Verarbeitendes Gewerbe): Hier hat der Südwesten einen Anteil von 21,5 Prozent an der gesamtdeutschen industriellen Wertschöpfung. Hier entsteht der Wohlstand, durch den sich Baden‐Württemberg von anderen Ländern in Deutschland und Europa abhebt. Abbildung 2: Anteile Baden‐Württembergs ausgewählter Größen an Deutschland Anteil in Prozent Quelle: VGR der Länder (2014) Höchster Industrieanteil – höchste Spürbarkeit von Entscheidungen Der Industrieanteil an der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung (BWS) beträgt im Jahr 2013 in Baden‐Württemberg 31,5 Prozent, in Deutschland sind es nur 21,8 Prozent. Zudem ist der Industrieanteil in Baden‐Württemberg zwischen den Jahren 1995 und 2013 um 1,3 Prozentpunkte gestiegen, während in Deutschland ein Rückgang um 0,2 Prozentpunkte zu verzeichnen war. Entsprechend sind falsche Weichenstellungen auf Europa‐ oder Bundesebene für die Industrie in Baden‐Württemberg stärker spürbar als in anderen Bundesländern. Abbildung 3: Anteil des Verarbeitenden Gewerbes an der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung 1995‐2013 Anteil in Prozent Quelle: VGR der Länder (2014) Die Metall‐ und Elektroindustrie ist im Südwesten ein bedeutender Teil der Industrie. An allen Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes ab 20 Beschäftigten machen die Metall‐ und Elektrobranchen zwar nur gut 60 Prozent, gemessen am Umsatz aber 75 Prozent, an der Bruttowertschöpfung 77 Prozent, an den Entgelten 80 Prozent und an den Auslandsumsätzen 83 Prozent aus. Ein kraftvolles Duo: Der Industrie‐Dienstleistungsverbund Die Industrie ist für andere Branchen ein wichtiger Absatzmarkt und Drehscheibe für Wertschöpfungsketten. Ohne die Industrie hätten diese Branchen deutlich geringere Absätze. Zumindest ein Teil der Dienstleistungen hängen somit mittelbar von der Industrie ab. Der Industrie‐
Dienstleistungsverbund kann anhand des Saldos von Vorleistungslieferungen des Verarbeitenden Gewerbes an andere Branchen aus Inlandsproduktion abzüglich der Vorleistungskäufe von diesen Branchen gemessen werden. Er umfasst 31,5 Prozent der direkten Wertschöpfung des Verarbeitenden Gewerbes zuzüglich 11,6 Prozent der Verbundleistungen, die insbesondere aus Dienstleistungen bestehen. Der Industrie‐Dienstleistungsverbund erwirtschaftet 43 Prozent der Bruttowertschöpfung. Im Südwesten prägt die Industrie die wirtschaftliche Entwicklung Das Wirtschaftswachstum, also die Veränderung der realen Wirtschaftstätigkeit, ist in Baden‐
Württemberg durch den hohen Industrieanteil geprägt. Die Industrie trägt einen Großteil der konjunkturellen Anpassungslasten, weshalb die Schwankungen im Südwesten größer ausfallen als in Deutschland. Die Bedeutung der Industrie für das Land ist auch daran zu erkennen, dass die Entwicklung im Verarbeitenden Gewerbe in erheblichem Maße in den offiziellen Konjunkturindikator des Landes einfließt. Entsprechend höher ist die erforderliche Anpassungsflexibilität in Baden‐Württemberg, beispielsweise durch flexible Beschäftigungsformen wie Zeitarbeit oder befristete Arbeitsverhältnisse. Abbildung 4: Reales Wirtschaftswachstum in Baden‐Württemberg und Deutschland 1995–2013 Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent Quelle: VGR der Länder (2014) Baden‐Württemberg ist ein Flächenindustrieland Das Verarbeitende Gewerbe ist in Baden‐Württemberg stärker übers Land verteilt als in anderen Ländern Deutschlands. Fast überall im Südwesten finden sich große Industrieunternehmen, nicht zuletzt der Metall‐ und Elektroindustrie. Aber selbst in Regionen ohne Großunternehmen hat die Industrie eine hohe Bedeutung. In fast allen Kreisen finden sich höhere Beschäftigungsanteile als im deutschen Durchschnitt. Die höchsten Industrieanteile an den Erwerbstätigen auf Kreisebene weisen der Landkreis Tuttlingen (49,0 Prozent), der Enzkreis (41,9 Prozent) und der Landkreis Rastatt (37,9 Prozent) auf. Abbildung 5: Große Industrieunternehmen in Baden‐Württemberg Quelle: Eigene Darstellung; IHK Baden‐Württemberg (2014) Abbildung 6: Beschäftigungsanteile des Verarbeitenden Gewerbes in Baden‐
Württemberg Anteil Verarbeitendes Gewerbe an allen Erwerbstätigen in Prozent Quelle: Eigene Darstellung; VGR der Länder (2014) Land des Wohlstands Der Südwesten weist im Jahr 2012 mit 21.968 Euro das dritthöchste verfügbare Einkommen je Einwohner auf Landesebene auf. Übertroffen wird der Südwesten nur von Bayern (22.767 Euro) und Hamburg (21.999 Euro). Im Vergleich zu Deutschland fallen die verfügbaren Einkommen rund 7 Prozent höher aus. Tabelle 1: Verfügbares Einkommen je Einwohner 2000 und 2012 – Vergleich zu Deutschland Durchschn. jährl. Wachstum 2000 2012 2000/2012 Rang in D Euro Euro In Prozent BW 17.036 21.968
2,1
3 D 15.826 20.507
2,2
‐ D‐West 16.392 21.225
2,2
‐ Quelle: VGR der Länder (2013) Wohlstand in den Regionen dank erfolgreicher Industrie Höhere Industrieanteile gehen mit signifikant höheren verfügbaren Einkommen einher. Dennoch besteht kein Automatismus, finden sich doch auch Regionen mit viel Industrie und geringem Wohlstand und Regionen mit wenig Industrie und hohem Wohlstand. Industrie allein reicht also nicht, sondern es muss sich um eine erfolgreiche Industrie handeln, wie dies im Südwesten der Fall ist. Abbildung 7: Industrieanteil und verfügbares Einkommen Raumordnungsregionen Quelle: VGR der Länder (2014); eigene Berechnung Wohlstand: Baden‐Württemberg auch in Europa mit Spitzenpositionen Die vier Regierungsbezirke Baden‐Württembergs erreichen in Europa beim verfügbaren Einkommen Top‐Platzierungen. Die Regierungsbezirke finden sich unter 264 Regionen auf den Rängen 4 bis 15 wieder. Alle Regierungsbezirke weisen ein hohes Wohlstandsniveau auf, das nur selten in anderen Regionen Europas erreicht wird. Abbildung 8: Verfügbare Pro‐Kopf‐Einkommen 2011 In Kaufkraftstandards (KKS) Quelle: Eurostat (2014) Ein stabiler Arbeitsmarkt dank Industrie In Baden‐Württemberg haben die Menschen gute Chancen, einen Arbeitsplatz zu finden. Die Arbeitslosenquote, bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen, lag im Jahr 2014 im Südwesten bei 4,0 Prozent, während sie in Deutschland 6,7 Prozent betrug. Eine niedrigere Arbeitslosenquote findet sich nur in Bayern (3,8 Prozent). Die Jugendarbeitslosigkeit ist in Baden‐Württemberg ebenfalls eher nur ein kleines Problem. Hier findet sich mit 2,9 Prozent die niedrigste Arbeitslosenquote der 15‐ bis unter 25‐jährigen Erwerbspersonen in Deutschland. In Deutschland lebende Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft haben in Baden‐Württemberg ebenfalls bessere Arbeitsmarktchancen als im übrigen Deutschland, obgleich die Arbeitslosenquote dieser Erwerbspersonengruppe im Jahr 2014 im Südwesten immer noch 8,7 Prozent betrug. In Deutschland lag diese Quote bei 14,3 Prozent. Tabelle 2: Arbeitslosenquote 2000 und 2014 ‐ Vergleich zu Deutschland Angaben in Prozent Veränderung 2000 2014 in Prozent‐
Rang in D punkten BW 5,4 4,0 ‐1,4 2 D 9,7 6,7 ‐3,0 ‐ D‐West 7,6 5,9 ‐1,6 ‐ Quelle: Bundesagentur für Arbeit (versch. Jg.) Gute Beschäftigungsperspektiven für breite Kreise der Bevölkerung Im europäischen Vergleich gehören alle baden‐württembergischen Regierungsbezirke zu den Regionen mit der niedrigsten Arbeitslosenquote. Die vier Regierungsbezirke Baden‐Württembergs erreichen unter 271 betrachteten Regionen die Ränge 2 bis 14. Dagegen fallen die Regionen Inner London, Luxemburg und Brüssel, die bei der Wirtschaftskraft und beim Wohlstand ebenfalls Spitzenplatzierungen erreichen, bei der Arbeitslosigkeit deutlich ab: In Luxemburg beträgt die Arbeitslosenquote 5,8 Prozent (Rang 57), in Inner London 8,9 Prozent (Rang 141) und in der Region Brüssel 19,2 Prozent (Rang 234). In Baden‐Württemberg gelingt es offenbar besser, deutlich breitere Kreise der Bevölkerung in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Hier dürfte die Industrie einen erheblichen Anteil haben, da sie auch für nicht Hoch‐ und Höchstqualifizierte gut bezahlte Arbeitsplätze in der Produktion bietet. Mehr Beschäftigung im Südwesten Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist im Südwesten in den Jahren 2000 bis 2014 um insgesamt 12,2 Prozent gestiegen, in Deutschland dagegen nur um 8,4 Prozent. Zugleich erreicht der Südwesten mit 75,1 Prozent deutschlandweit den höchsten Vollzeitanteil unter den Beschäftigten. In keinem Bundesland findet sich ein höherer Ausländeranteil unter den Beschäftigten. Während im Südwesten der Ausländeranteil 12,4 Prozent beträgt, liegt dieser Anteil in Westdeutschland bei nur 9,6 Prozent. Auch ohne Berufsabschluss Chancen auf dem Arbeitsmarkt In Baden‐Württemberg finden sich viele sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ohne Berufsabschluss. Ihr Anteil beträgt im Südwesten 13,5 Prozent, in Deutschland dagegen nur 11,1 Prozent und in Westdeutschland 12,2 Prozent. Allerdings sind in diesen Zahlen auch Auszubildende enthalten. Werden diese abgezogen, beträgt der Beschäftigungsanteil im Südwesten 8,4 Prozent, in Deutschland 6,5 Prozent und in Westdeutschland 7,4 Prozent. Die Industrie schafft Arbeitsplätze Ein höherer Industrieanteil geht mit niedrigeren Arbeitslosenquoten einher. Gleiches gilt für die Arbeitslosenquote der in Deutschland lebenden Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft. Gleichzeitig geht ein höherer Industrieanteil mit einem höheren Anteil von Beschäftigten ohne Berufsabschluss einher. Auch hier gilt, dass es sich um keinen Automatismus handelt, sondern dass vielmehr erfolgreiche Industrie Voraussetzung für diese Entwicklung ist. Abbildung 9: Industrieanteil und Arbeitslosenquote Quelle: Bundesagentur für Arbeit (versch. Jg.); VGR der Länder (2014); eigene Berechnung Die Industrie ist der Treiber des Exports Auf die Dienstleistungsbranchen entfällt rund die Hälfte der inländischen Wertschöpfung, die durch Exporte entsteht. Gleichzeitig tritt sie bei den Exporten aber nicht direkt in Erscheinung. Vielmehr organisiert die Industrie mehr als drei Viertel der deutschen Exporte. Erst durch die Einkäufe der Industrie partizipieren die Dienstleistungsbranchen am Exporterfolg. Dies macht deutlich, wie wichtig die Industrie in ihrer Drehscheibenfunktion für den Export von Dienstleistungen und im Industrie‐Dienstleistungsverbund ist. Abbildung 10: Anteil der Industrie an den Exporten und der Wertschöpfung Anteil in Prozent Quelle: OECD (2013); eigene Berechnung
Baden‐Württemberg ist exportstark Die Industrie erzielt mehr als die Hälfte ihres Umsatzes im Ausland. An den Gesamtexporten weist Baden‐Württemberg einen Anteil von 19,8 Prozent auf. Weitere Schwergewichte im deutschen Export sind Nordrhein‐Westfalen und Bayern. In der Metall‐ und Elektroindustrie erzielt Baden‐
Württemberg im Jahr 2013 einen Anteil von 24 Prozent am deutschen Auslandsumsatz, Bayern 26 Prozent und Nordrhein‐Westfalen 16 Prozent. Aus Baden‐Württemberg gelangen im Jahr 2014 50,4 Prozent der Ausfuhren in die EU‐28, 7,7 Prozent gehen nach China und 11,7 Prozent in die USA. Darüber hinaus hat die Schweiz mit einem Anteil von 7,2 Prozent aller Ausfuhren eine hohe Bedeutung als Ausfuhrziel. Tabelle 3: Exportquote des Verarbeitenden Gewerbes 2009 und 2013 – Vergleich zu Deutschland Anteil Auslandsumsatz am Gesamtumsatz in Prozent Veränderung 2009/2013 2009 2013 Rang in D in Prozent‐
punkten BW 47,0 52,6 5,6 3 D 42,4 45,8 3,4 ‐ D‐West 43,9 47,3 3,4 ‐ Quelle: Statistische Ämter der Länder (2014) Exporte sichern Wertschöpfung und Beschäftigung In Deutschland hängen 28,5 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung vom Export ab, davon entfallen 13,4 Prozentpunkte auf das Verarbeitende Gewerbe. Im Verarbeitenden Gewerbe selbst hängen 67,8 Prozent vom Export ab. 24,5 Prozent der Erwerbstätigen sind vom Export abhängig. In der Metall‐ und Elektroindustrie, die in Baden‐Württemberg besonders stark ist, trägt der Export ebenfalls stark zur Wertschöpfung bei. Höhere Lohnkosten müssen durch andere Standortvorteile kompensiert werden Für die Wettbewerbsfähigkeit des Verarbeitenden Gewerbes ist eine Vielzahl an Faktoren relevant. In einem Vergleich der industriellen Standortqualität unter 45 Ländern, den die IW Consult und das Institut der deutschen Wirtschaft Köln im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie durchgeführt haben, zeigen sich die Stärken und Schwächen des Standorts Deutschland. Dazu wurden zunächst die maßgeblichen Standortbedingungen aus Sicht der Industrie identifiziert. Anschließend wurde anhand eines passenden Indikatorsets die Entwicklung der industriellen Standortqualität Deutschlands im Vergleich zu wichtigen Konkurrenzländern in den vergangen 15 Jahren aufgezeigt. Bei diesem Vergleich belegt Deutschland Rang 5. Bei den einzelnen Teilindizes weist Deutschland ebenfalls sehr gute Platzierungen auf. Vorteile des deutschen Standorts sind unter anderem die Rechtssicherheit, die marktwirtschaftliche Ordnung, die Infrastruktur und das Netz an leistungsfähigen Zulieferern. Allerdings zeigt der Standortvergleich auch, dass Deutschland hohe Lohnkosten aufweist. Hier weist der Standort Deutschland insbesondere im Vergleich mit den Schwellenländern einen Nachteil auf. Die hohen Arbeitskosten müssen durch andere Standortfaktoren kompensiert werden, um erfolgreich am heimischen Standort produzieren zu können. Die Industrie ist stärker als der Dienstleistungsbereich auf die Standortfaktoren vor Ort angewiesen. Sie ist stark technikgetrieben und benötigt viele Fachkräfte. Zugleich müssen die Güter transportiert werden. Dafür benötigt die Industrie eine entsprechende Infrastruktur. Dazu gehören die Infrastruktur für Forschung und Entwicklung (FuE), Ingenieure, Bildung, Verkehr oder Breitbandversorgung. Abbildung 11: Vergleich der Standortqualität in Deutschland und China Quelle: IW Consult GmbH/IW Köln (2013) Herausforderungen der Zukunft erfordern passende Rahmenbedingungen Der Strukturwandel ist der permanente Begleiter der Wirtschaft. Der Strukturwandel wird durch sogenannte Megatrends getrieben, vor allem durch Tertiarisierung, Globalisierung und Wissensintensivierung. Aber auch die Organisation der industriellen Produktion unterliegt einem Wandel, wie die gegenwärtige Diskussion um Industrie 4.0 zeigt. Die Industrie im Südwesten kann sich diesen Megatrends nicht entziehen. Sie muss ihre Antworten auf diese Trends finden, um weiter erfolgreich zu sein. Die Politik in Baden‐Württemberg kann die Industrie dabei mit guten Rahmenbedingungen unterstützen. Die gute Aufstellung im Bereich Forschung und Entwicklung ist dabei sicherlich hilfreich. Die Handlungsfelder des Landes aber auf die ökologische Modernisierung oder die frühkindliche Bildung zu begrenzen, scheint jedoch zu kurz gegriffen. Aufgaben wie die Verbesserung der Infrastruktur oder die noch bessere Integration der in Deutschland lebenden Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft in den Arbeitsmarkt für Fachkräfte sind weitere wichtige Themen, die von der Landespolitik angegangen werden müssen. Industrie ist kein Selbstläufer Wohlstand dank Industrie ist kein Selbstläufer. In der Vergangenheit hat es zahlreiche Beispiele gegeben, wie der (schleichende) Niedergang der Industrie die Wohlstandsbasis einzelner Regionen erodiert. Auch der Südwesten kennt die negativen Folgen des Strukturwandels. Unterhaltungselektronikhersteller wie PE, Dual oder Saba beschäftigten mehrere tausend Menschen in Baden‐Württemberg. In den 1980er‐Jahren gerieten die Hersteller der Unterhaltungselektronik durch internationale Konkurrenz aus Fernost stark unter Druck. Übernahmen und Produktionsverlagerungen führten zum Ende der Produktion bei PE und Saba, die heute nur noch Geschichte sind. St. Georgen, der Standort von Dual, verlor in den 1990er‐Jahren nach der Verlagerung des Unternehmens und den gleichzeitig auftretenden Schwierigkeiten in der Uhrenindustrie rund ein Fünftel seiner Einwohner, deren Zahl von 16.000 auf 13.000 sank. Megatrend Globalisierung erfasst die Produktionsseite Der Megatrend Globalisierung hat die Industrie in Baden‐Württemberg auf der Absatzseite profitieren lassen. Vor allem die Branchen Fahrzeugbau und Maschinenbau konnten neue Märkte in den aufstrebenden Schwellenländern erschließen, die einen erheblichen Aufholprozess erlebt haben. Andere Branchen wie die Unterhaltungselektronik sind hingegen durch die neuen Konkurrenten unter Druck geraten. Die Globalisierung findet aber auch auf der Produktionsseite statt. Die Unternehmen können weltweit bei Dritten Vorleistungen einkaufen. Auch gibt es neue Möglichkeiten, die eigenen Produktionskapazitäten weltweit zu verteilen. Der Aufbau einer Auslandsproduktion geschieht vor allem aus zwei Motiven: Der Erschließung neuer Märkte und der Einsparung von Kosten. Ausland als Produktionsstandort boomt Seit dem Jahr 1995 sind die baden‐württembergischen Direktinvestitionsbestände im Ausland erheblich angestiegen. Dabei handelt es sich fast um einen kontinuierlichen Prozess, wenn auch mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Ende der 1990er‐Jahre gab es einen starken Anstieg der Direktinvestitionsbestände. Dieser Anstieg wurde nicht zuletzt durch die Fusion von DaimlerChrysler getrieben. Seit dem Jahr 2006 ist eine wachsende Dynamik beim Anstieg der Auslandsdirektinvestitionen zu verzeichnen. Abbildung 12: Entwicklung an baden‐württembergischen unmittelbaren und mittelbaren Direktinvestitionen im ausländischen Verarb. Gewerbe in Mio. Euro Quelle: Bundesbank (2014) Der Anstieg erfolgt nicht gleichmäßig in allen Branchen. Während in der Herstellung von Metallerzeugnissen ein leichter Anstieg auf niedrigem Niveau zu verzeichnen ist, sind die baden‐
württembergischen Direktinvestitionen im ausländischen Maschinenbau und in der ausländischen Kfz‐Industrie seit Mitte der 2000er‐Jahre kontinuierlich angestiegen. Wahrscheinlich aufgrund von DaimlerChrysler unterliegen die Direktinvestitionen in der ausländischen Kfz‐Industrie den stärksten Schwankungen im Beobachtungszeitraum. Die baden‐württembergische Industrie nutzt seit Mitte der 1990er‐Jahre vermehrt das Ausland. Die Wertschöpfungsketten sind internationaler geworden, wobei zwei Dimensionen auf der Produktionsseite zu beobachten sind: Der vermehrte Einsatz importierter Vorleistungen und die Produktion im Ausland. Was bedeuten diese Entwicklungen nun für den Standort Baden‐
Württemberg? Vor welchen Herausforderungen steht der Standort? Abbildung 13: Entwicklung an baden‐württembergischen unmittelbaren und mittelbaren Direktinvestitionen in ausgewählten ausländischen Branchen in Mio. Euro Quelle: Bundesbank (2014) Erhalt der Produktionskapazitäten – Ausbau bleibt aus Der Beitrag der Industrie zum Wohlstand des Südwestens hängt stark von den Produktionsmöglichkeiten der Industrie ab. Die reale bzw. mengenmäßige Entwicklung des Anlagevermögens über mehrere Jahre kann über preisbereinigte, verkettete Größen dargestellt werden. Das preisbereinigte Bruttoanlagevermögen liefert Anhaltspunkte darüber, in welchem Umfang der Volkswirtschaft Anlagegüter zur Nutzung zur Verfügung stehen. Bis zum Jahr 2003 war in Baden‐Württemberg immer ein Aufbau des realen Bruttoanlagevermögens zu verzeichnen. Das Jahr 2004 stellt einen Wendepunkt dar. Erstmals seit 1992 ist 2004 eine negative Veränderung des Anlagevermögens zu verzeichnen, wobei diese Entwicklung von den Bauten getrieben war. Ab dem Jahr 2005 fällt auch für die Ausrüstungen die Veränderungsrate erstmals negativ aus. Zwar können von 2006 bis 2008 wieder positive Veränderungsraten verbucht werden, mit dem Krisenjahr 2009 gibt es aber wieder eine negative Entwicklung, die bis 2011 anhält. Entsprechend geht der Index des preisbereinigten Bruttoanlagevermögens am aktuellen Rand zurück. Inwieweit die auch 2012 weiter ansteigenden Bruttoanlageinvestitionen wieder zu einer Kehrtwende in Baden‐Württemberg geführt haben, kann noch nicht abschließend gesagt werden, zumal die Investitionstätigkeit am aktuellen Rand wieder an Dynamik verloren hat. Insgesamt wird selten in neue Hallen, sondern hauptsächlich in neue Maschinen investiert. Vor allem bei den Bauten, die als Indikator für das langfristige Engagement an einem Standort gesehen werden können, ist ein Rückgang zu beobachten. Offensichtlich wird keine langfristige Perspektive am Standort Baden‐Württemberg zur deutlichen Ausweitung der Produktion gesehen. Stattdessen wird in leichter verlegbare Ausrüstungen investiert. Abbildung 14: Veränderung des Bruttoanlagevermögens (preisbereinigt, verkettet), gegenüber dem Vorjahr in Prozent im Produzierenden Gewerbe in Baden‐
Württemberg 1995 – 2011 Quelle: VGR der Länder (2014) Abbildung 15: Index des Bruttoanlagevermögens (preisbereinigt, verkettet) im Produzierenden Gewerbe in Baden‐Württemberg 1995 – 2011; 2005 = 100 Quelle: VGR der Länder (2014) Baden‐Württemberg am Scheideweg Die Seitwärts‐ bzw. Abwärtsentwicklung des Anlagevermögens im Inland geht mit einer hohen Dynamik im Ausland einher. Die baden‐württembergischen Direktinvestitionsbestände im ausländischen Verarbeitenden Gewerbe sind erheblich gestiegen. Zwischen den Jahren 1995 und 2011 hat das Bruttoanlagevermögen zu Wiederbeschaffungspreisen im baden‐württembergischen Produzierenden Gewerbe um 45,2 Milliarden Euro zugenommen. Die baden‐württembergischen Direktinvestitionsbestände im ausländischen Verarbeitenden Gewerbe haben im gleichen Zeitraum um 48,2 Milliarden Euro zugelegt. Damit sind die Inlandsbestände im Betrachtungszeitraum um knapp 19 Prozent gewachsen, während die Auslandsbestände um 380 Prozent zugelegt haben. Abbildung 16: Indexierte Entwicklung des inländischen Anlagevermögens und der Direktinvestitionsbestände im ausländischen Verarbeitenden Gewerbe 1995 = 100 Quelle: VGR der Länder (2014); Bundesbank (versch. Jahrgänge); eigene Berechnung Bei einer Befragung von knapp 100 baden‐württembergischen ME‐Unternehmen ab 250 Beschäftigten zeigt sich, dass die Ausweitung der Auslandsaktivitäten nur bei gut einem Fünftel der Unternehmen negative Konsequenzen für die Beschäftigung im Inland hat. In den meisten Fällen werden zudem nur wenige Arbeitsplätze betroffen sein. Noch findet also keine Erosion statt. Gleichwohl steht Baden‐Württemberg am Scheideweg hinsichtlich der Zukunft der Produktion. Während im Ausland Produktionskapazitäten deutlich ausgebaut werden, verharrt das Inland. Zwar findet derzeit keine direkte Verlagerung der Produktion vom Südwesten ins Ausland statt. Was passiert aber in der nächsten Krise, wenn Produktionskapazitäten abgebaut werden müssen und sowohl im In‐ als auch im Ausland Produktionskapazitäten zur Verfügung stehen? Stärkung des Standorts Baden‐Württemberg jetzt erforderlich Die Bindung an den Standort Baden‐Württemberg ist zwar mehrheitlich gegeben, aber nicht besonders stark ausgeprägt. In der Konjunkturbefragung von SÜDWESTMETALL sind 268 baden‐
württembergische M+E‐Unternehmen gefragt worden, ob sich die Unternehmen nochmals für ihren jetzigen Standort im Südwesten entscheiden würden. Alarmierendes Ergebnis: Rund ein Drittel der Unternehmen gibt „eher nein“ an, weist also eine geringe Standorttreue auf. Angesichts des aufgezeigten Investitionsverhaltens im In‐ und Ausland deutet dieser Wert auf weitere Auslandsinvestitionen hin. Die Standorttreue ist geringer, wenn die Wirtschaftsfreundlichkeit der Politik als schlecht wahrgenommen wird. Dies stellt den Standort Baden‐Württemberg als Ganzes in Frage. Hier hat die Politik aber Einfluss. Durch geeignete Maßnahmen sollte es der Politik möglich sein, die Standorttreue zu erhöhen. Größere Unternehmen sind der Schlüssel für mehr Investitionen in Baden‐Württemberg Trotz der hohen Dynamik bei den Auslandsdirektinvestitionen tätigt die Industrie auch in Baden‐
Württemberg hohe Investitionen. Allerdings reichen diese allenfalls, um eine Seitwärtsbewegung bei den Produktionsmöglichkeiten zu erreichen. Zudem steht das Motiv Realisierung von Kosteneinsparungen an erster Stelle. Bei dem Kapazitätsausweitungsmotiv gibt es deutliche Unterschiede nach Größenklassen. Auf der einen Seite stehen bei kleinen und mittleren Unternehmen Kapazitätsausweitungen auf den vorderen Rängen bei den Motiven für Investitionen in Baden‐Württemberg. Auf der anderen Seite steht dieses Motiv bei den großen Unternehmen auf dem vorletzten Rang. Der Kapazitätsausbau erfolgt im Ausland, nicht im Inland. Es sind also die großen Unternehmen ab 250 Mitarbeitern, die auf Kapazitätsausweitungen im Südwesten häufiger verzichten. Diese Unternehmen sind der Schlüssel, wenn sich die weiterhin bestehenden absatzseitigen Chancen der Globalisierung auch in der Stärkung der Produktionsseite niederschlagen sollen. Warum Unternehmen trotz Arbeitskostenvorteile des Auslands im Inland bleiben Die baden‐württembergischen Industrieunternehmen stehen vor der Herausforderung hoher Lohnkosten. Gleichwohl gibt es aus ihrer Sicht entscheidende Faktoren, trotz hoher Lohnkosten in Deutschland und nicht im Ausland zu investieren. Dabei zeigt sich in einer empirischen Untersuchung, dass die Produktivität unabhängig von der Größenklasse an erster Stelle steht. Zu den weiteren wichtigsten Gründen, nicht im Ausland zu investieren, zählen die Rechtsicherheit, die Nähe zu relevanten Abnehmern sowie die Verfügbarkeit von Fachkräften. Für die Unternehmen ab 250 Mitarbeitern ist der Zugang zu Forschung und Entwicklung entscheidend für ihre Entscheidung, am deutschen Standort zu investieren. Die KMU nennen dagegen den Zugang zum benötigten Know‐
how als weiteren wichtigen Grund. Aus Sicht der Unternehmen ab 250 Beschäftigten sind folgende Faktoren die TOP‐10 (in Rangfolge ihrer Bedeutung): 

Produktivität Rechtssicherheit 







Zugang zu Forschung und Entwicklung Nähe zu den relevanten Abnehmern Verfügbarkeit von Fachkräften Zugang zu benötigtem Know‐how Zugang zu Rohstoffen Vorhersehbarkeit der Politik Qualität der Verkehrsinfrastruktur Attraktivität des Standorts für Beschäftigte Die Basis: Kostenbelastung begrenzen Die Arbeitskosten werden von verschiedenen Akteuren bestimmt: 

Zum einen haben im Rahmen der Tarifautonomie die Tarifparteien eine große Verantwortung für die Entwicklung der Lohnkosten. Das Niveau der Arbeitskosten ist bereits sehr hoch. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass maßvoll Tarifabschlüsse und damit eine Verbesserung bei den Lohnstückkosten möglich sind. In den letzten drei Tarifrunden hat es aber wieder einen erheblichen Anstieg gegeben (um knapp 14 Prozent), was sich auch in steigenden Lohnstückkosten niederschlägt. Hier sind die Tarifparteien also in Zukunft in der Verantwortung, die Lohnstückkosten nicht weiter zu erhöhen. Zum anderen nimmt die Politik über die Lohnnebenkosten erheblichen Einfluss auf die Arbeitskosten: Selbst wenn die Tarifparteien ihrer Verantwortung gerecht werden, können politische Wohltaten, deren Finanzierung den Sozialsystemen auferlegt wird, die Wettbewerbsfähigkeit aufgrund steigender Lohnstückkosten verändern. Hier ist es in der jüngsten Vergangenheit vor allem auf der Bundesebene zu zusätzlichen Belastungen gekommen, die zu einer Verteuerung des Faktors Arbeit auch in Baden‐Württemberg führen. Die große Koalition hat sich im Bund im ersten Jahr zu sehr aufs Umverteilen konzentriert, statt sich um den Erhalt und die Mehrung des Wohlstands zu kümmern. Tatsächlich finden sich viele Vorhaben, die am Ende zu höheren Lohnnebenkosten der Unternehmen führen: Rente mit 63, Mütterrente, Pflegereform und Pflegeauszeit, Elterngeld Plus, usw. In Workshops, die mit Industrievertretern in Baden‐Württemberg durchgeführt wurden, haben die Teilnehmer angemerkt, dass die sukzessive Steigerung der Lohnnebenkosten in den Unternehmen durchaus spürbar ist. Je höher die Personalintensität der Produktion ist, desto eher sind diese Steigerungen spürbar. Zwar lösen politische Wohltaten keine schlagartige Flucht der Produktionstätigkeit ins Ausland aus. Bei den kommenden Investitionsentscheidungen findet die verschlechterte Wettbewerbsposition dagegen sehr wohl Eingang in die Entscheidung, so dass es zu einem schleichenden Erosionsprozess der Produktion in Baden‐Württemberg und in Deutschland kommen kann. Eine Landespolitik, die am Erhalt der Industrie in Baden‐Württemberg gelegen ist, sollte daher dafür Sorge tragen, dass weitere verteilungspolitische Wohltaten unterbleiben, die zur Steigerung der Arbeitskosten beitragen. Dazu kann sich die Landespolitik auf Bundesebene entsprechend Gehör verschaffen und in laufende Diskussionen einbringen. Den Standort Baden‐Württemberg stärken – Produktivität steigern Die Landespolitik in Baden‐Württemberg verfolgt die Leitlinie, die wirtschaftliche Stärke Baden‐
Württembergs zu sichern. Hier bieten die von den Unternehmen genannten Faktoren Anhaltspunkte, weshalb sie trotz höherer Lohnkosten weiterhin in Baden‐Württemberg produzieren. An erster Stelle steht für Unternehmen aller Größenklassen die Produktivität, um die bestehenden Kostennachteile auszugleichen. Stimmt die Produktivität, können trotz hoher Arbeitskosten wettbewerbsfähige Lohnstückkosten erzielt werden. Ohne Produktivitätsfortschritt, der häufig mit Änderung in der Produktionsorganisation verbunden ist, führen steigende Arbeitskosten dagegen zu steigenden Lohnstückkosten um damit zu einer Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Baden‐Württembergs. Die Freiheit im unternehmerischen Handeln, die zur Veränderung von Produktionsprozessen und Produktivitätssteigerungen genutzt wird, ist somit meist Voraussetzung für Lohnsteigerungen. Die Steigerung der Produktivität ist somit eine Kernaufgabe der Unternehmen. Die Produktivität wird aber auch von den politischen Rahmenbedingungen beeinflusst. So kann die Arbeitszeit für wertschöpfende und nicht‐wertschöpfende Tätigkeiten verwendet werden. Unternehmen können durch den Staat verschiedenste Tätigkeiten auferlegt werden, wie Dokumentationspflichten oder Freistellungen der Beschäftigten. Dokumentationspflichten wie beim Mindestlohn, die bis zu Bruttolöhnen und ‐gehältern von knapp 3.000 Euro gelten oder Freistellungen wie der neue Bildungsurlaub in Baden‐Württemberg binden Arbeitsvolumen, das nicht für wertschöpfende Tätigkeiten zur Verfügung steht. Der Normenkontrollrat stellt in seinem Jahresbericht 2014 fest, dass von 303 innerhalb eines Jahres geprüften Maßnahmen 67 Maßnahmen Auswirkungen auf Unternehmen haben. Davon haben 20 Maßnahmen eine entlastende, 47 Maßnahmen aber eine zusätzlich belastende Wirkung. Deutschlandweit geht der Normenkontrollrat von einer zusätzlichen jährlichen Nettobelastung von 9,7 Milliarden Euro aus, wobei der Großteil auf die Dokumentationspflichten des Mindestlohnes entfällt (Normenkontrollrat (2014)). Vor diesem Hintergrund überrascht die Aussage der Workshop‐
Teilnehmer nicht, dass staatliche Auflagen zunehmend aufgebaut, nicht aber abgebaut würden, weshalb es zunehmend ein „Zuviel“ an staatlichen Auflagen gibt. Vor diesem Hintergrund ist der in den Workshops von den Unternehmensvertretern geäußerte Wunsch verständlich, der Wertschöpfung das richtige Gewicht zu geben. Zudem haben die Workshop‐Teilnehmer darauf hingewiesen, dass jede einzelne Maßnahme meist mit einem überschaubaren Aufwand verbunden sei. In der Summe steige die Belastung aber immer weiter an, da zwar immer neue Maßnahmen mit zusätzlichen Belastungen hinzukämen, kaum aber Entlastungen geschaffen würden. Am Ende stehe die Entscheidung für die Investition im Ausland statt in Baden‐Württemberg. Die Produktion in Unternehmen ist kein kontinuierlicher Prozess, sondern Schwankungen unterworfen. Die Industrieunternehmen tragen den Großteil der konjunkturellen Anpassungslasten und müssen entsprechend auf Schwankungen in der Auslastung reagieren (können). Ihre Reaktionsfähigkeit auf Auslastungsschwankungen bestimmt zu einem hohen Maße auch über die Arbeitsproduktivität, da Leerlaufzeiten reduziert und zusätzliche Umsatzerzielungsmöglichkeiten durch kurzfristige Ausweitung der Produktion genutzt werden können. Die Tarifparteien haben in den vergangenen Jahren verschiedene Möglichkeiten geschaffen, um in den Betrieben flexibler auf Auslastungsschwankungen reagieren zu können. So bestehen in der Metall‐ und Elektroindustrie Möglichkeiten der Arbeitszeitenflexibilisierung, wie zum Beispiel durch Zeitkonten. Im Rahmen der Tarifautonomie hat die Politik kaum Spielraum zum Eingriff. Hier liegt die Schaffung von Flexibilität bei den Tarifpartnern. Bei den flexiblen Beschäftigungsformen hat die Politik dagegen sehr hohen Einfluss. Der Kündigungsschutz ist ein wesentlicher Teil des deutschen Arbeitsrechts. Wesentlich ist hier das Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Deutschland zählt neben Belgien und den Niederlanden zu den Ländern mit den restriktivsten Kündigungsrechten bei unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen innerhalb der OECD‐Länder (OECD (2013)). Gleichzeitig sind flexible Beschäftigungsverhältnisse (befristete Arbeitsverhältnisse, Zeitarbeit, geringfügige Beschäftigung usw.) ausgeweitet worden, die nicht denselben Kündigungsschutz genießen wie fest angestellte Arbeitskräfte. Diese Beschäftigungsverhältnisse haben wesentlich zum Beschäftigungserfolg des Arbeitsmarktes in Deutschland beigetragen und zusätzliche unbefristete Beschäftigungsverhältnisse gefördert, wie das Statistische Bundesamt festgestellt hat. Zwischen den beiden Gruppen bestehen erhebliche Unterschiede in den quasi‐fixen Beschäftigungskosten. Für die Unternehmen ist diese Zweiteilung unabdingbar, um auf marktbedingte Auslastungsschwankungen reagieren zu können. Da eine Reform des Kündigungsschutzes als dritte tragende Säule der deutschen Arbeitsmarktordnung aus polit‐ökonomischer Sicht als eher unwahrscheinlich gelten muss, ist es erforderlich, die Rahmenbedingungen für flexible Beschäftigungsformen zu schaffen und zu erhalten, die den Unternehmen die notwendige Anpassungskapazität verschaffen. Eine restriktivere Ausgestaltung der flexiblen Beschäftigungsformen ist dagegen auch aus Sicht der Industrie nicht zielführend, da letztlich die Produktivität dadurch negativ beeinflusst werden würde. Die Entscheidung zum Kündigungsschutz trifft aber letztlich nicht die Landesregierung. Sie kann aber gleichwohl im Bundesrat die Position „pro flexible Beschäftigungsformen“ einnehmen und so den Standort Baden‐
Württemberg im internationalen Vergleich stärken. Der Erhalt flexibler Beschäftigungsformen ist auch deshalb erforderlich, da durch die Politik höhere Flexibilitätsanforderungen an die Unternehmen gerichtet werden. Zu nennen sind hier die Pflegeteilzeit, die Elternteilzeit, das Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit, für die Unternehmen für einen bestimmten Zeitraum flexible Ersatzmöglichkeiten nutzen müssen. Hier ist eine stringentere Politik der Landesregierung erforderlich: Sie kann nicht einerseits mehr Flexibilität von den Unternehmen verlangen und andererseits gleichzeitig versuchen, die Flexi‐Instrumente einzuschränken. Das Tarifvertragssystem gibt den Unternehmen Sicherheit. Das kollektive Aushandeln der Löhne und Gehälter sowie der Arbeitsbedingungen bildet für die Unternehmen einen verlässlichen Rahmen, in dem sie agieren können. Gleichwohl stellen die kollektiven Verhandlungsergebnisse die Unternehmen vor Herausforderungen: Vor allem kleine und mittlere Betriebe mit einem hohen Personalkostenanteil sind von den Verhandlungsergebnissen stärker betroffen als kapitalintensiv produzierenden Unternehmen. Hier gilt es, die unterschiedlichen Bedürfnisse der Unternehmen zu berücksichtigen. Neben der Tarifhöhe ist die Gewährleistung von Flexibilität in den Unternehmen ein wichtiger Teil der Tarifverhandlungen. Hier haben die Tarifpartner in der Vergangenheit verschiedene Möglichkeiten geschaffen. Auch in Zukunft spielt die Flexibilität in den Unternehmen eine große Rolle, nicht zuletzt aufgrund ihrer Auswirkungen auf die Produktivität. Rechtssicherheit gewährleisten Rechtssicherheit ein hohes Gut für alle Unternehmen. Eine Investition ist immer eine in die Zukunft gerichtete Entscheidung: Die Investitionskosten fallen sofort an, während die erhofften Erträge erst in Zukunft anfallen. Entsprechend handelt es sich um eine unternehmerische Entscheidung, die unter großer Unsicherheit getroffen werden muss. Rechtsicherheit gibt den Unternehmen zumindest die Gewähr, dass sie seitens des Staates keine sprunghaften Änderungen zu erwarten haben, die ihr Investitionskalkül sofort obsolet machen. Bei den großen Unternehmen rangiert dieser Grund auf Rang 2, was auch mit negativen Erfahrungen im Ausland zusammenhängen dürfte. Erst negative Erfahrungen verdeutlichen nochmals, welch hohe Bedeutung Rechtsicherheit für die Planbarkeit und Durchführbarkeit komplexer Produktionsprozesse aufweist. Bürokratischen Aufwand für neue Bauten reduzieren Die Unternehmen kommen bei geplanten Baumaßnahmen verstärkt mit den Behörden in Kontakt. Das reale Anlagevermögen hat sich bei den Bauten seit 2004 negativ entwickelt. Bauinvestitionen hängen am Baurecht und dessen Auslegung durch die Behörden. In den Workshops wurde im Zusammenhang mit Investitionen der hohe bürokratische Aufwand aus den Baugesetzen bemängelt: So seien Erweiterungsbauten oft mit hohen Anforderungen und Auflagen versehen, die zu zusätzlichen Kosten führen. Auch anzubringende Gutachten bei größeren Investitionen führten zu weiteren Nebenkosten, die Investitionen in Deutschland teurer machen. Zudem dauerten die Genehmigungsverfahren aus Sicht der Unternehmen immer noch sehr lange. Hier seien es unter anderem die Mitspracherechte vieler Institutionen, die zu einer erheblichen Dauer der Beantragungsverfahrens und hoher Unsicherheit beitragen. Neben der Ausgestaltung des Baurechts seien aber auch die Mentalitäten in den Kommunen zu hinterfragen, die über die Baugesuche entscheiden. Vielen Teilnehmern erscheinen die Kommunen ohne großes Interesse an der Ausweitung ihrer industriellen Aktivitäten, da es ihnen aktuell sehr gut gehe. Es fehlt den Teilnehmern vor allem an der aktiven Unterstützung durch die staatlichen Stellen. Hier kann die Landespolitik den Aufwand begrenzen und stärker auf die Bedeutung der Industrie für den Wohlstand im Lande hinweisen. Wirtschaftsfreundlichkeit erhalten bzw. verbessern Im Herbst 2014 haben 265 baden‐württembergische Unternehmen die Wirtschaftsfreundlichkeit der Bevölkerung, der Verwaltung und der Politik vor Ort im Rahmen der Konjunkturumfrage von SÜDWESTMETALL bewertet. Insgesamt zeigt sich ein positives Bild, da die günstigen Bewertungen die negativen Bewertungen deutlich übersteigen. Die Wirtschaftsfreundlichkeit der Bevölkerung wird von den Unternehmen noch am besten eingeschätzt, gefolgt von der Verwaltung. Lediglich bei der Wirtschaftsfreundlichkeit der Politik vor Ort gibt es mehr negative Stimmen, vor allem von den Unternehmen unter 500 Beschäftigten. Besonders häufig haben Unternehmen aus den SÜDWESTMETALLbezirken Stuttgart, Neckar‐Fils, Ostwürttemberg, Reutlingen und Freiburg die Wirtschaftsfreundlichkeit der Politik schlecht bewertet. Vor diesem Hintergrund besteht also durchaus Potenzial für Verbesserungen, das letztlich nur durch ein besseres Verständnis der Unternehmen durch die Politik erreicht werden kann. Abbildung 17: Wahrgenommene Wirtschaftsfreundlichkeit der Bevölkerung, der Politik und der Verwaltung Anteil in Prozent Quelle: Konjunkturbefragung SÜDWESTMETALL (2014) Nähe zu relevanten Abnehmern – Internationalisierung von KMU fördern Für die KMU, die deutlich seltener exportieren und häufiger im Inland eine Zuliefererposition für größere Unternehmen einnehmen, spielt die Nähe zu den relevanten Abnehmern eine wichtige Rolle. Solange der Kunde in Baden‐Württemberg die Produkte der KMU nachfragt, haben sie kaum Anlass, ins Ausland zu gehen. Allerdings zeigen Ergebnisse aus anderen Befragungen, dass hier eine Achillesferse des Produktionsstandorts liegen kann. Verlagert ein wichtiger Kunde seine Produktion ins Ausland, sehen sich gerade kleinere Industriebetriebe nicht in der Lage, den Gang ins Ausland mitzugehen. Zwar werden viele Unternehmen versuchen, den Kunden weiterhin von Deutschland aus zu beliefern, gleichzeitig gestehen sich aber auch viele Unternehmen ein, dass sie diesen Kunden wahrscheinlich verlieren werden (IW Consult (2015)). Der zukünftige Erfolg der KMU hängt daher auch davon ab, ob es ihnen gelingt, mit ihren Kunden Schritt zu halten. In Baden‐Württemberg gibt es verschiedene Ansätze, die Internationalisierung der KMU zu fördern. Zu nennen sind hier unter anderem Baden‐Württemberg International (bw‐i), die Cluster‐Agentur, das Enterprise‐Europe‐Network mit Ansprechpartnern in den Regionen. Viele dieser Aktivitäten werden durch das Land gefördert. Hier ist zu evaluieren, inwieweit die bestehenden Maßnahmen zum Internationalisierungserfolg der KMU beitragen. Dabei sind weniger die Erfolge der Internationalisierung der Angebote beispielsweise durch das Cluster‐Management in den Blick zu nehmen als vielmehr der Internationalisierungserfolg von Unternehmen. Allgemeine Innovationsdynamik weiter steigern In keinem anderen Bundesland werden solch hohe FuE‐Ausgaben getätigt wie in Baden‐
Württemberg. Der Anteil der FuE‐Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt betrug im Jahr 2012 im Südwesten 5,14 Prozent und war damit nochmals rund 0,5 Prozentpunkte höher als 2010. Bayern kommt im Jahr 2012 auf einen Anteil von 3,23 Prozent. Der Anteil an allen deutschen FuE‐Ausgaben lag im Jahr 2012 bei 25,7 Prozent. Der Sektor Wirtschaft trägt rund 93 Prozent seiner internen FuE‐Aufwendungen selbst. Nur ein Bruchteil wird vom Staat finanziert. In Baden‐Württemberg trägt der Wirtschaftssektor zu mehr als drei Vierteln der gesamten FuE‐Ausgaben bei, während es deutschlandweit rund zwei Drittel sind (Statistisches Bundesamt (2015); Stifterverband (2013)). Insgesamt findet sich in Baden‐
Württemberg eine gut ausgebaute Infrastruktur für Forschung und Entwicklung. Die Landesregierung hat eine Innovationsstrategie vorgelegt, die sich – wie vom letzten Innovationsrat gefordert – auf ausgewählte Wachstumsfelder konzentriert. Dabei soll es sich um globale Wachstumsfelder handeln, an denen sich Baden‐Württemberg aufgrund seiner wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Kompetenzen maßgeblich beteiligen kann. Gleichwohl ist darauf zu achten, dass Maßnahmen zur Lösung prioritärer Zukunftsaufgaben und solche zur Steigerung der Innovationsdynamik in der Wirtschaft vorhanden sind. Letztere sollten im Sinne eines offenen Förderkonzepts nicht darauf abzielen, die Richtung des Innovationsprozesses zu beeinflussen. Vielmehr geht es um die Setzung von Innovationsanreizen für die Wirtschaft auf breiter Ebene. Dazu ist einerseits auf Förderprogramme zu setzen, andererseits auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Innovationen, indem beispielsweise bürokratische Hürden abgebaut werden, die die Entfaltung vorhandener Innovationspotenziale hemmen. Zudem kann eine – auch vor dem Hintergrund der im internationalen Standortwettbewerb immer häufiger im Ausland anzutreffende – steuerliche Forschungsförderung die Rahmenbedingungen bei der Innovationsfinanzierung verbessern (Expertenkommission Forschung und Innovation (2015)). Hier kann sich die Landespolitik auf Bundesebene für entsprechende Regelungen einsetzen. Industrie 4.0 – Landeszentrierung überwinden Die Digitalisierung der Produktion, die unter dem Begriff "Industrie 4.0" Eingang in die Diskussion gefunden hat, wird zu erheblichen Veränderungen in der Produktionsweise führen. Die Landesregierung von Baden‐Württemberg hat sich zum Ziel gesetzt, führender Standort für Industrie 4.0 zu werden. Im Land gibt es dazu viele geförderte Aktivitäten. Zur besseren Vernetzung der Akteure auf Landesebene dient beispielsweise die „Allianz Industrie 4.0 Baden‐Württemberg“, die auf die Initiative der Landesregierung zurückgeht. Zudem wurde ein Kompetenzatlas Industrie 4.0 in Baden‐Württemberg erstellt. Für das Flächenindustrieland Baden‐Württemberg stellt die Digitalisierung der Produktion eine besondere Herausforderung dar. Gleichzeitig gibt es im Land viele Voraussetzungen, um die bestehenden Potenziale zu heben. Die vielfältigen Aktivitäten des Landes sind daher zu begrüßen. Auch außerhalb des Landes finden vielfältige Aktivitäten zu Industrie 4.0 statt. Daher ist darauf zu achten, dass die Aktivitäten nicht zu landeszentriert ausfallen, um auch wichtige Impulse von außen zu erhalten. Innovationsprozess für neue Impulse offen halten In der Vergangenheit hat sich die baden‐württembergische Landespolitik durch von ihr einberufene Gremien beraten lassen. Dazu gehörten die Zukunftskommission Wirtschaft, der Innovationsbeirat, das Innovationsforum und der Innovationsrat. Gleiches fehlt aktuell im Land, da die aktuelle Phase mehr als Umsetzungs‐ denn als Planungsphase begriffen wird. Zudem wird eine dialogorientierte Innovationspolitik verfolgt, die zu einer Bündelung der Kräfte der Akteure zur Erreichung der Ziele in der Umsetzungsphase beitragen soll. Inwieweit dadurch eine übergeordnete Sichtweise entstehen kann, ist aber offen. Hier ist es erforderlich, ein vergleichbares Gremium wie den Innovationsrat erneut zu schaffen, um auch übergeordnete Fragen des Innovationsprozesses in Baden‐
Württemberg zu begleiten und neue Impulse einzubringen. Verfügbarkeit von Fachkräften „Es bringt alles nichts, wenn uns die guten Mitarbeiter fehlen“ (Zitat Workshop‐Teilnehmer) Fachkräfte der Zukunft sichern In den Workshops haben die Teilnehmer beklagt, dass die Qualität der Bewerbungen abnehme, vor allem weil Basisqualifikationen in der schulischen Grundbildung immer häufiger fehlten. Bei den Auszubildenden sei festzustellen, dass bei einem über die Zeit unveränderten Eignungstest die Ergebnisse immer schlechter ausfallen würden. Daher ist das Thema Ausbildungsreife weiterhin ein wichtiges Thema, an dem dauerhaft gearbeitet werden muss. Da die Schulpolitik originäre Landespolitik ist, kommt der Landesregierung hier eine besondere Verantwortung zu. Die Industrieunternehmen sind auf technisch interessierte junge Menschen angewiesen. Beim Thema MINT in den Schulen hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Gleichwohl bemängeln die Workshop‐Teilnehmer, dass es trotz der vielen Initiativen immer noch an Interesse für die MINT‐
Fächer fehle. Als größtes Potenzial werden Frauen bzw. Mädchen gesehen. Das Thema MINT in Schulen hat nicht an Aktualität und Dringlichkeit verloren und die vielfältigen Initiativen sind weiter zu führen. Hier können die Aktivitäten des Landes und der Arbeitgeberverbände im Südwesten Hand in Hand gehen, da sich die Verbände hier erheblich engagieren. In der Schulpolitik wird die Diskussion häufig ideologisch auf eine bestimmte Schulstruktur reduziert. Eine bestimmte Schulform gilt dabei oft als die Lösung aller Probleme. Gleichwohl besitzt die Schulstruktur nur nachrangige Bedeutung. Entscheidend sind vielmehr die besten pädagogischen Konzepte, die Kompetenzorientierung und die richtigen Lerninhalte sowie die überzeugende Qualitätssicherung und ein vernünftiger Umgang mit knappen Zeit‐ und Geldressourcen. Die Bewertung der Schulpolitik sollte dabei möglichst anhand von messbaren Kriterien erfolgen. So können bei der Diskussion um die Gemeinschaftsschule folgende Kriterien angelegt werden: 







Verbesserung der Ausbildungsreife in Bezug auf die kognitiven und nicht‐kognitiven Kompetenzen, Erreichen der Bildungsstandards Wachsender Anteil von Absolventen mit mittlerem Bildungsabschluss Höhere Anzahl an direkten Übergängen in Ausbildung und Beschäftigung Nachweisbare Verbesserungen zur Auflösung des engen Zusammenhangs von sozialer Herkunft und Bildungserfolg Sinkende Abbrecherquote Aussagekräftige und gemessen an den anderen Schulformen vergleichbare Notengebung Akzeptanz der Eltern und Lehrkräfte Qualitative Kriterien wie z. B. Zusammensetzung des Kollegiums, Fortbildungsaktivitäten, etc. Die Qualität des Unterrichts ist der Schlüssel für erfolgreiche Schulen, der über den Erfolg Baden‐
Württembergs als Wirtschafts‐ und Gesellschaftsstandort entscheidet. Verbindliche Bildungsstandards bilden dafür eine gute Grundlage, genauso wie regelmäßige Evaluationen. Im Konzept „Selbständige Schule“ wird von den Arbeitgebern Baden‐Württemberg ein entscheidender Hebel gesehen, um das Schulsystem qualitativ zu verbessern und die Kinder individuell zu fördern. Die Arbeitgeber unterstützen dabei die Anstrengungen der Schulen mit dem Leitfaden Selbstständige Schule. In Baden‐Württemberg haben bereits 29 Pilotschulen diesen Leitfaden für die eigenständige Schulentwicklung genutzt. Die Ergebnisse wurden evaluiert (Selbstständige Schule (2015)). Derzeit haben in den Regionen Karlsruhe und Göppingen Schulen die Arbeit mit dem Leitfaden Selbstständige Schule aufgenommen. Aus den Evaluierungsergebnissen wird auch deutlich, dass es zwischen dem Wunsch nach weitgehender Selbstständigkeit der Schulen und dem von der Landespolitik eingeräumten Maß an Selbstständigkeit eine erhebliche Diskrepanz gibt. Scheinbar fehlt es der Landespolitik weiterhin an Vertrauen in die Schulen und in ihre Kraft, selbständig zu agieren. Hier ist mehr Mut seitens der Landespolitik erforderlich. Attraktivität der Berufe in der Industrie aufzeigen Neben der Ausschöpfung des Potenzials der Jahrgänge kommt der Attraktivität der Berufe in der Industrie eine besondere Rolle zu. Die Jugendlichen haben berufliche Alternativen zur Industrie. Vor diesem Hintergrund sind die Vorteile einer Beschäftigung in der Industrie im Südwesten deutlicher herauszuarbeiten. So bilden beispielsweise die Unternehmen der Metall‐ und Elektroindustrie in einer Vielzahl von Ausbildungsberufen aus, die interessant, modern und zukunftssicher, aber nicht allen Schülern bekannt sind. Verbände wie SÜDWESTMETALL informieren junge Menschen über die Zukunftschancen in der Metall‐ und Elektroindustrie, um ihr Interesse an einer gewerblich‐
technischen Ausbildung zu wecken und gemeinsam mit ihnen den Berufseinstieg zu finden. Zusammen mit der Regionaldirektion Baden‐Württemberg der Bundesagentur für Arbeit und SÜDWESTMETALL ist zur vertieften Berufsorientierung an Schulen das Projekt Berufswahlkompass entwickelt worden. Dieses Projekt kombiniert individuelle Kompetenzanalysen und Berufsinteressentests, um die Stärken und Neigungen der jungen Menschen herauszuarbeiten. Betriebsbesichtigungen und Praktika machen konkrete Berufsfelder erlebbar. Weiterhin unterstützt SÜDWESTMETALL die Berufsorientierung durch die M+E‐Infomobile. Die Infomobile, die regelmäßig in Baden‐Württemberg unterwegs sind, verschaffen vielen Lehrern und Schülern einen ersten Kontakt mit der Berufs‐ und Arbeitswelt des größten Industriezweigs. Auch durch das Land gibt es zahlreiche Anstrengungen in der Berufsorientierung. So gibt es kostenfreie Lehrerfortbildungen zur Berufsorientierung MINT. Diese Anstrengungen sind fortzusetzen. Fachkräftesicherung: Freiräume für Personalpolitik erhalten Die Unternehmen stehen in ihrer Personalpolitik vor verschiedenen Herausforderungen, wie dem demografischen Wandel und geänderten Bedürfnissen. Hier ist es an den Betrieben, Lösungswege zu finden, wie unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange den geänderten Bedürfnissen (Stichwort Work‐Life‐Balance) nachgekommen werden kann, um hier nicht gegenüber anderen Branchen ins Hintertreffen zu geraten. Unternehmen, die bei einer Verknappung des Arbeitsangebots Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen und halten wollen, brauchen personalpolitische Maßnahmen, die dieses breite Spektrum an Bedürfnissen abdecken. Soll die Personalpolitik einen Beitrag zum Erhalt und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen leisten, muss sie Antworten darauf finden, wie sich die vielfältigen Bedürfnisse einer immer heterogeneren Belegschaft effektiv berücksichtigen lassen. Dabei ist der Erhalt oder die Steigerung der Effizienz der Arbeitsprozesse eine notwendige Nebenbedingung. Ein Ansatz ist das Konzept einer demografiefesten Personalpolitik. Bei einer bedarfsgerechten Personalpolitik werden zumindest die Anforderungen der betrieblichen Organisation und die Bedürfnisse der Beschäftigten erfasst und verfolgt. Eine lebensphasenorientierten Personalpolitik ist stärker strategisch implementiert und beinhaltet auch die flexible Anpassung an wechselnde Mitarbeiterbedürfnisse (Hammermann, A./Stettes, O. (2014)). Eine lebensphasenorientierte Personalpolitik setzt aber auch Gestaltungsmöglichkeiten der Unternehmen voraus. Hier hat die Landespolitik die Möglichkeit, sich für einen entsprechenden Rechtsrahmen einzusetzen, der den Unternehmen den erforderlichen Handlungsspielraum gibt. Eine restriktivere Ausgestaltung der Teilzeitmöglichkeiten und damit verbundenen höhere Kosten schränken dagegen den Handlungsspielraum der Unternehmen weiter ein. Fachkräftesicherung: Vereinbarkeit von Familie und Beruf erhöhen Die stärkere Vereinbarkeit von Familie und Beruf setzt auch seitens der Landesregierung eine konsistente Politik voraus. Ein wichtiges Element sind dabei Ganztagsschulen. Die Landesregierung in Baden‐Württemberg hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2023 Ganztagsangebote in 70 Prozent der Grundschulen einzuführen. Dazu hat sie im Jahr 2014 das Schulgesetz geändert. Dies ist ein Fortschritt, da die Ganztagsschulen bislang lediglich Modellcharakterstatus hatten, nicht aber eine feste rechtliche Grundlage. Andererseits dauert es weitere 8 Jahre, bis das avisierte Ziel erreicht sein soll. Andere Länder sind hier schneller. In Nordrhein‐Westfalen sind beispielsweise bereits heute mehr als 90 Prozent der Grundschulen offene Ganztagsschulen. Vor diesem Hintergrund besteht also noch durchaus Potenzial für die Landespolitik, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu stärken, ohne gleichzeitig die betrieblichen Bedürfnisse dabei zu übergehen. Qualität der Verkehrsinfrastruktur verbessern Die Qualität der Verkehrsinfrastruktur ist für die Unternehmen, die im starken Austausch mit Zulieferern und Kunden stehen, von hoher Bedeutung. Baden‐Württemberg ist ein Flächenindustrieland, das heißt in allen Regionen des Landes finden sich größere Unternehmen mit Produktionsstandorten. Die hergestellten Waren müssen diese Standorte verlassen können, Zulieferungen müssen die Standorte erreichen. Eine reibungslose Logistikkette hängt von einer ausreichenden Verkehrsinfrastruktur ab. Die Verkehrsinfrastruktur hat wesentlichen Einfluss auf die Standortwahl. So würden in der Konjunkturbefragung von SÜDWESTMETALL Unternehmen, die unzufrieden mit der vorhandenen Straßeninfrastruktur sind, in hohem Maße nicht nochmals den jetzigen Standort wählen. Hier bestehen also auf Landes‐ und Gemeindeebene vielfältige Chancen, die Standortqualität zu verbessern. Gleichwohl berichten die Teilnehmer der Workshops, dass die Schwächen der Straßeninfrastruktur, beispielsweise zu schmale Straßen oder Schlaglöcher, zwar bekannt seien, aber dennoch nicht gehandelt werde. Der Zustand der vorhandenen Straßeninfrastruktur hat sich in der Vergangenheit verschlechtert. Von den regelmäßig kontrollierten Straßenbrücken in Baden‐Württemberg gelten 22 an Autobahnen, 14 an Bundesstraßen und 18 an Landesstraßen in einem ungenügenden Zustand (Stuttgarter Nachrichten, 26.02.2015). Die Bewertung der Verkehrsinfrastruktur durch die Unternehmen fällt in Baden‐Württemberg sehr unterschiedlich aus. Deutlich mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen bewertet die Infrastruktur als durchschnittlich oder besser. Gleichwohl sind viele Unternehmen unzufrieden mit der Güte der Verkehrsinfrastruktur. Auch regional gibt es erhebliche Unterschiede: Als schlecht oder sehr schlecht bewerten die Luftverkehrsinfrastruktur 46 Prozent der Unternehmen im Bezirk Ostwürttemberg, 39 Prozent im Bezirk Heilbronn und 38 Prozent im Bezirk Schwarzwald‐Hegau. Die Straßenverkehrsinfrastruktur wird in den SÜDWESTMETALLbezirken Bodensee‐Oberschwaben, Neckar‐Fils und Stuttgart am häufigsten als schlecht oder sehr schlecht bewertet. Allerdings dürfte die Bewertung unterschiedliche Ursachen haben: Vor allem in Stuttgart haben die Workshop‐Teilnehmer nicht über eine gänzlich fehlende, sondern über eine überlastete Straßeninfrastruktur geklagt, so dass sich die Fahrzeiten erheblich verlängern würden. Die größte Unzufriedenheit mit der Schienenverkehrsinfrastrukturbesteht besteht in eher ländlich geprägten Regionen: So bewerten 67 Prozent der befragten Unternehmen im SÜDWESTMETALLbezirk Bodensee‐Oberschwaben und Schwarzwald‐Hegau die Schieneninfrastruktur als schlecht oder sehr schlecht, im Bezirk Heilbronn sind es 62 Prozent. Abbildung 18: Güte der Verkehrsinfrastruktur Anteil in Prozent Quelle: Konjunkturbefragung SÜDWESTMETALL Auf die Straßeninfrastruktur hat das Land erheblichen Einfluss. Zwar finanziert der Bund Autobahnen und Bundesstraßen, weshalb er letztlich bestimmt, welche Projekte verwirklicht werden. Das Land hat jedoch Einfluss, indem es die bereits baureifen Projekte priorisiert und für die geplanten Projekte des Bundesverkehrswegeplans 2015 eine Reihenfolge erarbeitet hat. Die Landesregierung sollte bei der Priorisierung der Bundesprojekte die Anforderungen der Industrie berücksichtigen. Die Landesregierung sieht für die nächsten 10 Jahre insgesamt 380 Mio. Euro für Aus‐ und Neubauten von Landesstraßen vor. Damit sollen vor allem einzelne Schwachstellen im Netz beseitigt werden. Die Priorisierung der Mittel erfolgt nach einheitlichen Kriterien. In der Anhörung zum Maßnahmenplan Landesstraßen für den Generalverkehrsplan Baden‐Württemberg wurde vorgetragen, die Bedeutung von Straßenbaumaßnahmen für die Wirtschaft als Kriterium zu berücksichtigen. Diese Forderung wurde nicht berücksichtigt. Einerseits wurde auf unterschiedliche Definitionsmöglichkeiten – Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung einer Region versus Erhalt einer wirtschaftlich starken Region ‐ verwiesen. Andererseits hänge die Standortwahl von Wirtschaftsunternehmen in der Regel von mehr Faktoren als nur der Straßeninfrastruktur ab. Außerdem sei der Standortfaktor Erreichbarkeit durch das vorhandene Straßennetz bereits auf einem hohen Niveau gegeben. Gleichwohl solle in konkreten Fällen auf die Belange der Wirtschaft besonders eingegangen werden (Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden‐Württemberg (2014)). Ob dies tatsächlich erfolgt, bleibt fraglich. Hier lautet daher die Forderung an die Landespolitik, die Interessen der Wirtschaft besser zu berücksichtigen, zumal die Unternehmen bei der Straßenverkehrsinfrastruktur teils erhebliche Defizite benennen. Die Nutzung der Verkehrsinfrastruktur ist ebenfalls mit bürokratischem Aufwand verbunden. Dies gilt vor allem für den Schwertransport, der für viele Industrieunternehmen relevant ist. Die Workshop‐teilnehmer haben berichtet, dass für den Schwertransport vom Südwesten zu den Seehäfen teils ein dutzend Genehmigungen erforderlich seien. Dazu trägt sicherlich bei, dass der Schwertransport in den Bundesländern unterschiedlich geregelt ist. Hier kann der Aufwand für die Industrieunternehmen durch eine einheitlichere Regelung reduziert werden. Die Landespolitik kann sich auf Bundesebenen für eine Reduzierung des Aufwandes beim Schwertransport einsetzen. Die Verkehrsinfrastruktur hat zudem Einfluss auf die Fachkräfteversorgung. Die Teilnehmer der Workshops aus den eher ländlichen Regionen haben berichtet, dass erfolgreiche Bewerber aufgrund schlechter Anbindung der Unternehmensstandorte häufig eine Stelle nicht antreten. Hier kommt sowohl der Straßen‐ als auch der Schienenverkehrsinfrastruktur eine hohe Bedeutung zu. Das Land setzt auf einen Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, was sich positiv auf die Attraktivität der Regionen auswirken kann. Dieser Ansatz ist weiter zu verfolgen, ohne die Straßenverkehrsanbindung zu vernachlässigen. Attraktivität des Standorts für Beschäftigte steigern Baden‐Württemberg ist ein Flächenindustrieland. Entsprechend werden landesweit Fachkräfte gesucht. Die gute Performance auf dem Arbeitsmarkt geht mit entsprechenden Fachkräfteengpässen im Land einher. Dabei zeigen sich umso größere Fachkräfteengpässe, je höher die Qualifikation ausfällt (IHK‐Fachkräftebarometer (2014), IW‐Personalpanel (2014)). Neben der Ausnutzung des bestehenden Fachkräftepotenzials vor Ort ist die Rekrutierung von Fachkräften außerhalb des Landes erforderlich. Hier spielt die Attraktivität des Standorts für Beschäftigte eine entscheidende Rolle. Allerdings zeigt sich, dass die Binnenwanderung aus anderen Bundesländern nach Baden‐
Württemberg nahezu zum Erliegen gekommen ist. Das Statistische Landesamt Baden‐Württemberg weist für den Südwesten bei den Wanderungsbewegungen innerhalb Deutschlands 1.300 Fortzüge mehr auf als Zuzüge auf (Statistisches Landesamt (2014b)). Impulse kommen inzwischen fast ausschließlich aus dem Ausland. Daraus ergeben sich Schwierigkeiten für die Unternehmen. In den Workshops berichteten Teilnehmer, dass von den ausgewählten Bewerbern aus anderen Bundesländern jeder Zweite absagt, meist mit dem Argument der schlechten Anbindung der Regionen. Vor diesem Hintergrund spielt die regionale Attraktivität eine erhebliche Rolle: Wie schaffen es die Regionen in Baden‐Württemberg, angesichts der guten Chancen auf dem Arbeitsmarkt für Zuwanderer innerhalb Deutschlands attraktiver zu werden? Hier ist eine Attraktivitäts‐ und Infrastrukturoffensive des Landes gefordert.