Special Art Cologne

KUNST-SPECIAL Frühjahr 2015
MAGISCHER POP:
ART-COLOGNE-PREIS FÜR HANS MAYER
DIE JUNGEN & DIE BESTEN AUF DER KÖLNER MESSE
KUNST-FRÜHLING: REMBRANDT UND CO.
IN BELGIEN UND NL
IMI KNOEBELS KERNSTÜCKE IN KREFELD
INHALT
IMPRESSUM
K.WEST SPECIAL: KUNST 2015
SONDERAUSGABE
K.WEST SPECIAL KUNST 2015
4
MAYERS MAGIE DER BILDER, TÖNE UND STOFFE
Art-Cologne-Preis 2015: Interview mit Deutschlands
wichtigstem Galeristen
8
NEU IN DER KOJE
Zu Besuch bei den Youngsters der Art Cologne
Tel.: 0201/86 206-33
Fax: 0201/86 206-22
www.kulturwest.de
12
WEGWEISER
Wohin auf der Art Cologne? Unsere Tipps für den
Messe-Rundgang
REDAKTION
V.i.S.d.P.: A. Wilink
16
SCHAU DICH UM
Lust auf mehr nach der Art Cologne? Ausstellungen, die
man nicht verpassen sollte.
K.WEST
erscheint monatlich im
Verlag K-West GmbH
Heßlerstraße 37
45329 Essen
MARKETING
MaschMedia, Oberhausen
LAYOUT
Herweg / Michalakopoulos
Pecher
20 15 RESTAURANTS FÜR DEN ABEND NACH DER ART COLOGNE
24
CHINA IMPORT
Großprojekt für ein Riesenland: Acht Mal China in NRW
25
ZEITREISE AUFS LAND
Martin Rosswog in der Photographischen Sammlung /
SK Stiftung Köln
DRUCK
Hitzegrad Print
Medien & Service GmbH, Dortmund
TITELFOTO
RUDOLF BONVIE
Aussi pour Sophie, 2014
178 x 122 cm, ed. 3
digital collage, c-print
#RB010
© Rudolf Bonvie, courtesy | PRISKA PASQUER
26 KOSTEN NUTZEN RECHNUNG
Ach Achenbach: Eine Analyse.
28 ALLES GANZ EINFACH
Imi Knoebels Frühwerk in Krefeld
32
Triumph des alters
Amsterdam zeigt das Spätwerk von Rembrandt.
36 WOHIN MAN AUCH SCHAUT
Ab ins Ausland: Top-Ausstellungen in Belgien und den
Niederlanden
Labor-Workshop mit Künstlerkollektiv KUNSTrePUBLIK
Leitung: Matthias Einhoff, Harry Sachs ¶ 10. bis 12. Jul 2015 I bk 11 - 2015
Spätestens seit den 1960er Jahren eignen sich Künstler_innen den städtischen Raum als Handlungsraum an. Mit unterschiedlichen Konzepten und künstlerischen Interventionen wird dabei auf urbane Konfliktfelder, gesellschaftliche
Ein- und Ausschlüsse reagiert und sich kritisch eingemischt. Das Künstlerkollektiv KUNSTrePUBLIK arbeitet in
diesem Feld oftmals in Form eines mobilen Labors mit unterschiedlichen künstlerischen Praktiken und Konzepten.
Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel
www.bundesakademie.de I Programmbereich Bildende Kunst
K.West Special Art Cologne.indd 1
16.03.2015 10:40:20
4 | SPECIAL KUNST
MAYERS MAGIE
DER BILDER, TÖNE
UND STOFFE
INTERVIEW: ALEXANDRA WACH
Hans Mayer und Max Bill, Op art Galerie, Esslingen 1965. Kaistrasse, 1990.
Hans Mayer und Karl Lagerfeld, Galerie Hans Mayer,
Düsseldorf, Kaistrasse, 1989.
K.WEST 04/2015 | 5
Hans Mayer und Keith Haring, Galerie Hans Mayer, Düsseldorf, Kaistrasse, 1990.
Alle drei Fotos: Courtesy Galerie Hans Mayer.
Mit 25 Jahren debütierte er in einem ehemaligen Sarglager mit einer Josef Albers-Ausstellung. In Esslingen und Krefeld setzte sich Hans Mayer
für die Op-Art ein und ließ auf seinen Vernissagen Rockbands auftreten. Selbst vor Theater-Events und Modenschauen eines Emmanuel
Ungaro schreckte der Galerist nicht zurück. Mitbegründer der ersten
Kunstmesse der Welt in Köln von 1967, zog er vier Jahre später zum
Grabbeplatz nach Düsseldorf. Von hier aus entdeckte er die amerikanische Pop Art, integrierte die Fotokunst von Peter Lindbergh, Helmut
Newton oder Dennis Hopper in sein facettenreiches Programm und
holte die amerikanische Szene der 1980er an den Rhein, bevor die Protagonisten wie Basquiat oder Keith Haring viel zu früh aus dem Leben
schieden. Jetzt bekommt der Senior-Galerist mit einem Faible fürs gattungsübergreifende Cross-Over den Art-Cologne-Preis 2015.
Foto: Michael Dannenmann.
K.WEST: Herr Mayer, Sie schauen von Ihrem Schreibtisch aus auf
blinkende Monitore von Nam June Paik. Warum haben Sie diese Arbeit ausgewählt?
MAYER: Obwohl sie schon fast 30 Jahre alt ist, scheint sie gar nicht
gealtert. Sie versprüht immer noch eine unglaubliche Frische. Paik war
als Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie eher ein Außenseiter. Er hat das Unterrichten im Gegensatz zu vielen anderen aber sehr
ernst genommen. Wenn er Deutsch sprach, hörte es sich gleichzeitig
wie Englisch und Koreanisch an. Das hat aber gar nichts ausgemacht,
denn verstanden hat man sich immer.
K.WEST: Dass Sie als ausgebildeter Industriekaufmann und Verkäufer
von Designmöbeln 1965 eine »(op)art galerie« in Esslingen aufgemacht
haben, versteht man nicht auf Anhieb.
MAYER: Mein Interesse für Kunst fing bereits in meiner Geburtsstadt
Ulm an. Die Hochschule für Gestaltung mit Max Bill als Leiter hatte
großen Einfluss auf mich. Dann traf ich den FAZ-Kunstkritiker Albert
Schulze-Vellinghausen, der mich darauf brachte, eine Galerie zu eröffnen. Er empfahl mich auch bei Josef Albers, mit dem ich die erste
Ausstellung machte und der damals in Deutschland ignoriert wurde.
Esslingen hatte den Vorteil, dass eine Galerie mit kinetisch-konstruktivistischer Kunst dort in der Provinz sofort auffiel. Wir waren schnell
ein Begriff in ganz Deutschland.
6 | SPECIAL KUNST
K.WEST: Da haben Sie ja auch mit spektakulären Crossover-Events nachgeholfen. Berühmte zeitgenössische Musiker, Modenschauen und das
noch unbekannte Living Theatre traten bei den Vernissagen auf.
MAYER: Zum Beispiel hat auch Lily Greenham damals Schwitters Lautgedichte erstklassig vorgetragen. Wenn ich eine gute Eröffnung hatte,
waren 600 bis 1000 Leute da. Die haben zwar kaum gekauft, aber das
Echo war enorm. Bei den klassischen Kunstliebhabern kam das damals
gar nicht gut an! Oder in Amsterdam hatte ich Julian Beck vom Living
Theatre bei einer Ausstellung von Willem Sandberg kennengelernt, der
damals mit seinen innovativen Museumsideen Furore machte. Ich lud
die Truppe nach Deutschland zur Eröffnung von Julio Le Parc ein. Sie
brauchten einen Bus, Duschen, eine Unterkunft. Ich gab ihnen einen
Scheck über 3000 D-Mark ohne Quittung und hoffte, dass sie wirklich
kommen. Das Landestheater in Esslingen war für Sonntag gebucht. Im
Vorverkauf war alles ausverkauft, der Vorplatz voll von Menschen, unter ihnen wichtige Museumsleute, nur die Schauspieler waren nicht da.
Es war peinlich. Plötzlich kam dann ein holländischer Bus vorgefahren,
Julian Beck stieg aus und fragte ganz lässig: »Should we play here? Ok.
Let’s start!« Damit begann die Vorstellung und dauerte schließlich über
drei Stunden.
K.WEST: In Krefeld gingen Sie 1967 eine Partnerschaft mit der 30 Jahre
älteren Pariser Galeristin Denise René ein und eröffneten dort eine Dependance zu Esslingen. 1969 kam dann noch eine zusätzliche gemeinsame Galerie in Düsseldorf dazu.
MAYER: Wir zeigten gleich in der ersten Krefelder Ausstellung »Vom
Konstruktivismus zur Kinetik« unter anderem Victor Vasarely, Julio Le
Parc und Heinz Mack. Dann ging 1967 durch die Weltpresse die Marina
City von Bertrand Goldberg. Er war als Amerikaner einer der letzten
Studenten am Bauhaus in Berlin gewesen, wo er bis 1933 im Büro von
Mies van der Rohe gearbeitet hatte. Wegen der Nazis ist er zurück nach
Chicago gegangen. Ich habe ihn dort 1966 besucht, und es war sofort
eine große Sympathie da. Ich habe ihn gefragt, ob er nicht in Krefeld aus
Anlass meiner Ausstellung »Kunst für die Architektur« einen Vortrag
halten möchte. Er sagte zu, und auch der Architekt Werner Ruhnau,
der zusammen mit Yves Klein, Norbert Kricke und Jean Tinguely das
Musiktheater in Gelsenkirchen entwarf, war dabei. Um das Ereignis zu
feiern, organisierte ich schnell ein Fest mit The Who, The Rattles und
den Small Faces, die ich über den Besitzer des Star-Clubs in Hamburg
vermittelt bekam. Ich war eben schon damals viel unterwegs.
K.WEST: Sie und Denise René haben also gemeinsame Aktionen realisiert, aber es gab auch unterschiedliche Einschätzungen von Kunst?
MAYER: Ja. Das Programm aus Frankreich dominierte lange, was ich
unbedingt ändern wollte und auch tat – mit Namen wie Yves Klein, Lucio Fontana, Arman, Ellsworth Kelly oder Cy Twombly. Die Trennung
kam dann aber erst 1986, sehr fair und mit großer Geste von Denise, obwohl ich den eigentlich rechtlichen Schnitt sehr schlecht geplant hatte,
nämlich genau zur Eröffnung der Kunstsammlung in Düsseldorf. Mein
eigenes Programm, fern der strengen Ausrichtung von Denise, habe ich
eigentlich richtig erst um 1980 mit Warhol verfolgt. Sie war von dieser
Entwicklung nicht gerade begeistert. Und auch bei den Museumsleuten
brauchte es lange, bis sie Warhol ernst nahmen. Ab seinem Treffen mit
Beuys bei mir in der Galerie kam er dann in den folgenden Jahren häufig
zu mir, und die Einstellung zu seiner Kunst änderte sich so langsam.
K.WEST: Was zeigten Sie ihm?
Hans Mayer, Galerie Hans Mayer, Düsseldorf, 2008. Foto: Ralph Goertz.
Kaistrasse, 1990. Courtesy Galeri
MAYER: Wir sind kreuz und quer durch die BRD zu aufregenden Ausstellungen, zu herausragenden Kulturdenkmälern wie Barockkirchen und zu
Sammlern gefahren. Kurz bevor Warhol 1987 starb, hatte ich einen großen
Auftrag für ihn von Mercedes-Benz, über 80 Porträt-Bilder der legendärsten Automodelle. Später gab es Probleme mit Fotorechten, es zog sich hin.
Es wurden nur 37 Bilder hergestellt, und Edzard Reuter, der damalige Chef
von Mercedes, wollte das Studio besuchen, um einige von ihnen anzuschauen. Leider aber wurde der Termin um vier Tage verschoben, da Warhol ins
Krankenhaus musste, angeblich nichts Ernstes. Am Sonntagabend kam
dann die Nachricht, dass er gestorben war. Bis heute ist nicht klar, was da
wirklich passiert ist. Die Bilder gingen dann zehn Jahre auf Tournee durch
Museen. Trotz der Tragik seines plötzlichen Todes war das natürlich für die
Wahrnehmung seiner Kunst ein großer Entwicklungsschritt.
K.WEST: Im gleichen Jahr hat sich Robert Rauschenberg vom U-BahnBau vor Ihrer Galerie inspirieren lassen.
MAYER: Er hat sich einfach um die Ecke ein Absperrschild geholt und es
für seine Skulptur verwendet, die vor Ort entstehen sollte.
K.WEST: Nach den Pop-Art-Heroen Warhol und Lichtenstein brachten
Sie die nächste Generation von US-Amerikanern nach Deutschland: Basquiat und Keith Haring, der nur drei Wochen vor seinem Aids-Tod bei
Ihnen einen Sportwagen bemalte.
MAYER: Es war faszinierend, Haring beim Arbeiten zuzusehen. Er hatte
seine Bilder im Kopf und malte in einem Zug. In den 90ern kamen dann
noch Tony Oursler mit seinen Videos und Robert Longo dazu, mit denen
ich seitdem regelmäßig zusammenarbeite, auch zeitgenössische Maler
wir Markus Oehlen und Ben Willikens. Phänomene wie die Modefotografie eines Helmut Newton, Karl Lagerfeld oder Peter Lindbergh hatten ebenso früh Platz in meinem Programm, obwohl man sie damals im
Kunstkontext noch eher ablehnte. Die Ausrichtung wurde immer breiter,
bis hin zu den Arbeiten eines Jürgen Klauke, auf den sich heute viele junge
Kreative beziehen. Und auch Ausstellungen mit Architekten haben mich
immer wieder interessiert.
K.WEST: Sie waren 1967 Gründungsmitglied des Kölner Kunstmarktes
und auch bei der ersten Art Basel bereits dabei.
MAYER: Der Kunstbetrieb hat sich seitdem unglaublich beschleunigt.
Auktionshäuser bieten inzwischen junge Gegenwartskunst an. Ohne diese Teilnahmen an den internationalen Messen könnte die Galerie finanziell bis heute nicht existieren. Aber auch ohne Enthusiasmus und Neugier
sind keine Entdeckungen von neuen Positionen zu haben, die letztlich
eine Galerie am Leben erhalten.
K.WEST: Zum 40-jährigen Jubiläum zeigten Sie in der Langen Foundation in Neuss eine Auswahl von Werken, die über Ihre Galerie einen Käufer
gefunden haben. Der Wert von manch einem dieser Verkäufe hat sich
inzwischen vertausendfacht. Die Elektro-Pioniere Kraftwerk aber ließen
ihre 3D-Video-Musik-Performance zur Wiedereröffnung Ihrer Räume
am Grabbeplatz unentgeltlich laufen?
MAYER: Ich kenne Kraftwerk seit ihren Anfängen und habe ihnen auch
oft geholfen. Sie hatten mir seit Jahren ein Konzert versprochen. Neben
dem Auftritt von Steve Reich 1972 ist diese Performance zu einem meiner
aufregendsten Musik-Ereignisse geworden, wenn es auch nur 20 Minuten
dauerte. Die Stadt hatte einen längeren Auftritt nicht genehmigt. Und obwohl wir ihn bewusst nicht in den Medien angekündigt hatten, sprach er
sich blitzschnell per Mundpropaganda herum. Die Galerie, ja der gesamte
Grabbeplatz, platzte aus allen Nähten. Ein tolles Geschenk!
ie Hans Mayer.
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8 | SPECIAL KUNST
NEU IN
DER KOJE
TEXTE: STEFANIE STADEL
Sie sind jung. Haben das Studium noch nicht lange hinter
sich und erste Galerie-Ausstellungen gemeistert. Nun
wartet der große Auftritt auf die drei. Denn sie zählen zu
den gut 20 ausgewählten »New Positions«, die sich bei
der Art Cologne in einer Einzel-Koje ausbreiten können.
K.WEST hat sie wenige Wochen vor der Messe besucht.
Und nachgeschaut, wie sich die Neuen auf das Solo vor
großem Publikum vorbereiten.
Philipp Hamann
PHILIPP HAMANN
Noch eine Treppe und noch eine und noch eine, bis es nicht mehr weitergeht. Unter dem Dach des Altbaus im Kölner Süden steht hager Philipp Hamann in der Wohnungstür. Viel weiter als halb lässt sie sich nicht
öffnen, dann haut das Türblatt gegen die selbstgezimmerte Holzbank im
engen Flur. Er habe schon oft daran gedacht, eine Ecke von der Bank
abzusägen, bemerkt Hamann. Er bastelt gern.
Die Bank ist ihm allerdings etwas zu lang geraten. Überhaupt scheint das
Platz-Problem eines zu sein, das sich durch die ganze kleine Wohnung
zieht und im Arbeitszimmer besonders augenfällig wird: Vollgestopfte
Schränke und Regale, Fotos, Schnipsel, Kleinkram überall. »Es ist wie in
meinen Arbeiten«, sagt der Künstler. Und man braucht sich nur wenige
von Hamanns Werken anzuschauen, um ihm Recht geben zu können.
In den Lege- und Klebebildern, den Collagen, den Videos, den Räumen
kommt tatsächlich all das zusammen, was er findet, sammelt, archiviert,
film, fotografiert oder recherchiert.
Manchmal legt er noch eine Matratze dazu, wie bei einer seiner letzten
Ausstellungen. Dort könnte man sich dann niederlassen und den Erlebnissen und Gedanken des Künstlers nachhängen. Denn egal, ob er
filmt, klebt oder zusammenlegt, die meiste Zeit geht es ihm darum, die
eigenen Eindrücke, Erlebnisse zu ordnen, zu klären. Situationen, Zusammenhänge zu erfassen und sie von der persönlichen auf eine allgemeingültige Ebene zu heben.
Seine Papierarbeiten muten dabei zuweilen an wie ein Puzzlespiel, oder
– noch besser – eine Mind-Map. Etwa, wenn Hamann der Vita und dem
Wesen des eigenen Großvaters nachspürt, den er selbst nie gesehen hat.
Es gleicht einem langsamen Kennenlernen – durch Fotos, Bilder, alte
Zeitungsauschnitte, durch Dinge, mit denen der Opa sich umgab. Der
Künstler trägt das alles zusammen und bringt es durch seine Arbeiten
in eine Ordnung.
Auch eigene Erlebnisse werden auf diese Weise »verarbeitet«. Hamann
holt ein großes Plakat aus dem Nebenraum – darauf die Konturen eines Mannes mit Rucksack und Hut. Drunter, drüber und daneben hat
er Fotos, Fundstücke und handschriftliche Notizen angeordnet, die mit
diesem Mann zu tun haben. Alles dreht sich um jenen Wanderkünstler,
den Hamann vor einiger Zeit bei einem Arbeitsaufenthalt an der Ostsee
kennengelernt hat.
Zunächst sei er fast ein Freund gewesen, doch bald habe sich der
Fremde immer mehr aufgedrängt, man sei ihn kaum mehr losgeworden. Diese ganze Geschichte bringt Hamann aufs Papier, das er
demnächst wohl in die Einzel-Koje am Messestand der Kölner Galerie
M29 hängen wird. Dort soll es neben weiteren collagierten Werken
und einer Videoarbeit wirken.
Medial scheint der 1984 in Bayreuth geborene Künstler kaum festgelegt
– und auch thematisch nicht. Hamann interessiert vieles: Nach dem abgebrochenen geisteswissenschaftlichen Studium, das ihn fürs Lehramt
qualifizieren sollte, fand er auf internationalen Umwegen nach Köln an
die Kunsthochschule für Medien in die Klasse von Jürgen Klauke. Mehr
als der beeindruckte Hamann jedoch ein Seminar über Tagebuch-Filme
bei Matthias Müller. Es brachte Hamann auf Ideen, die er noch heute – auf
seine eigene Weise – weiterführt.
Nebenbei verliert er seine Bastel-Leidenschaft aber nie ganz aus den
Augen. Als Beleg dafür steht eine Art Kapitänsbrücke im Arbeitszimmer: Auf dem Podest aus einem ehemaligen Lattenrost ist ein Steuerrad
montiert. Wenn Hamann mal abschalten will, stellt er sich dahinter und
dreht es sachte hin und her. Für die Art Cologne will er selbst ein paar
Tage lang auf solche Entspannungsübungen verzichten und das BastelKunststück in die Koje verpflanzen. Hoffentlich gibt es dort genug Platz
– und keine Tür, die dagegen hauen könnte.
Andrea und Anita, München 2007 © Herlinde Koelbl
HERLINDE KOELBL
Sabrina Fritsch
25. 1. – 3. 5. 2015
GREEN CITY
Geformte Landschaft –
Vernetzte Natur
Das Ruhrgebiet in der Kunst
10. 5. – 13. 9. 2015
© Ruthe, Sauer, Flix
stört hier nichts – allenfalls die schöne Aussicht
könnte ablenken. Fritsch kann sich von morgens
bis abends auf die Malerei konzentrieren, die sie
auf der Art Cologne zeigen will. Und sie genießt
es, erstmals an mehreren Werken gleichzeitig arbeiten zu können. Wenn es passt, will sie sieben
Großformate in die Koje hängen und einige kleinere Arbeiten zur Auflockerung. Fast alle sind
schon da – allerdings keines ganz fertig. Ringsum
warten sie an den Wänden oder liegen auf Böcken
bereit und wecken die Neugier.
Doch bevor Fritsch über die vermeintlichen
Hauptsachen spricht, lenkt sie die Aufmerksamkeit auf eine klobige Maschine mitten im Atelier.
Das Ding sieht aus wie ein ausrangierter Kopierer.
Ein Risograph, klärt die Künstlerin auf. Er bildet
die Vorlagen nach Art der Siebdrucktechnik ab,
bringt die Farbe durch eine durchlöcherte Folie
aufs Papier. Praktisch das ganze vergangene Jahr
hat die Malerin damit verbracht, ihr Archiv durch
den Risographen zu jagen: Fotos, eigene Werke,
Fundstücke. Ein alter Malerlappen war auch dabei. Insgesamt 583 Motive sind auf drucktechnischem Weg in etwas Neues verwandelt worden.
Fritsch hat die Blätter in Büchern gruppiert – jedes
ein Unikat.
Aus diesem gedruckten Archiv schöpft sie zum Teil
nun auch Vorbilder für ihre neuesten Arbeiten.
Mal ist es ein zerknicktes Papierband, das sie auf
den Risographen gelegt hat. Ein andermal hatte sie
beim Malen Pflanzenformen im Kopf. Dann wieder
dachte Fritsch an Licht, das durchs Rollo fällt, und
überzog die Leinwand mit gleichmäßigen Streifen.
Gern gibt die Malerin Auskunft über solche gegenständlichen Anlässe, die in den meisten ihrer
Bilder jedoch nahezu zum Verschwinden gebracht
werden.
Das braucht Zeit, viel Zeit. Schicht für Schicht
bringt Fritsch unterschiedliche Malmaterialien auf die Leinwand: Sie zeichnet, malt mit Öl,
Acryl, manchmal auch mit Tusche. Oft klebt sie
grobes, poröses Gewebe aus Jute auf, streicht Acrylpaste darüber, um sie nach dem Trockenen
abzuschleifen und so zu glätten. Die Ergebnisse
sind im wahrsten Sinne vielschichtig.
Könnte sie sich einen Betrachter aussuchen, so
Fritsch, dann wäre es einer, der viel Zeit und
Ruhe mitbringt. Viersen lädt zur Muße ein. Im
Kölner Messe-Trubel wird man sie sich erkämpfen müssen.
Flightbike, 2009 © Klaus Geigle/ VG Bild-Kunst, Bonn 2014
SABRINA FRITSCH
Aus dem Date in Düsseldorf wird nichts. Hier
hatte sie 2008 ihr Akademie-Studium abgeschlossen und bis vor kurzen auch gelebt. Doch
nun hat die Künstlerin ihren Wohnort vorübergehend gewechselt. Sabrina Fritsch ist nach Viersen gezogen. Wegen des Freundes, der hier ein
Stipendium hat. Aber auch, weil sie sich von der
Kleinstadt mehr Ruhe verspricht, die sie suchte
für die Vorbereitungen auf die Einzelpräsentation am Stand der Düsseldorfer Galerie Van Horn.
Mehr Platz hat Fritsch am Niederrhein noch dazu
gewonnen: in einem riesigen Atelier auf dem vierten Stock einer ehemaligen Tuchfabrik. In der Tat
Das deutsche Wohnzimmer,
Spuren der Macht,
Haare und andere menschliche Dinge
– Fotografien von 1980 bis heute
RUTHE · SAUER · FLIX
DAS IST DOCH KEINE KUNST
Comics und Cartoons
zwischen Shit happens, NICHTLUSTIG
und Schönen Töchtern
20. 9. 2015 – 17. 1. 2016
Kunst erleben
neben CentrO
und Gasometer…
2015
www.ludwiggalerie.de | Tel. 0208 41249 28
10 | SPECIAL KUNST
ALEXANDER BORNSCHEIN
Alexander Bornschein. Foto: Stanton Taylor
INFO
Die Art Cologne findet vom 16. bis zum
19. April 2015 in Halle 11 der Kölner Messe statt.
Tel.: 0221 / 8210.
www.artcologne.de
Lässig lehnen sie an den Wänden. Die Plexiglasscheiben sind so groß
und dünn, dass sie leicht durchhängen. Transparente Partien erlauben
Durchblicke. Doch weite Teile sind bedruckt: Abstrakte Formen überlagern fotografische Motive, die mitunter an die Auslagen von Edel-Boutiquen erinnern. Mit solchen Arbeiten gab Alexander Bornschein kürzlich sein erstes Solo in Linn Lühns Düsseldorfer Galerie. Nun möchte
man den Künstler kennenlernen.
Doch ist es schwierig, ihn dieser Tage zu Hause zu erwischen. Kurz in
Düsseldorf, macht er sich gleich darauf schon wieder auf den Weg. Nicht
in Sachen Kunst ist Bornschein so oft auf Achse, sondern in Diensten
diverser Bands, für die er hinter dem Mischpult steht. Und sich nebenbei daran freut, Verbindungen zu entdecken zwischen dem Gebaren in
der Musikbranche und jenem im Kunstbetrieb – die Unterschiede seien
gar nicht so groß, bemerkt der junge Mann mit den ratzkurzen Haaren.
Vorerst ist er in beiden Welten zu Hause. In der einen sieht der 29-Jährige seine Berufung. In der anderen verdient er das Geld, um die halbe
Miete zu zahlen für die Wohnung an der Graf-Adolf-Straße, die er sich
mit einem Kollegen teilt.
Seitdem er letzten Sommer das Kunststudium bei Christopher Williams
in Düsseldorf zum Abschluss gebracht hat, wohnt und arbeitet Bornschein hier. Das dunkle Laminat im geräumigen, aufgeräumten BüroAtelier sieht tadellos aus, und man mag kaum glauben, dass all die großformatigen Siebdruckarbeiten der vergangenen Monate vor Ort auf dem
Fußboden entstanden sind.
Da er nun ohne das nützliche Gerät in den Akademie-Werkstätten auskommen muss, hat Bornschein sich aufs Improvisieren verlegt. Der
Künstler nennt es Freestyle, wenn er die abstrakten, formlosen Gebilde
durch ein großes, teils mit Klebestreifen abgedecktes Sieb auf die Scheiben bringt. Der erste Arbeitsschritt. In einem zweiten wählt Bornschein
fotografisches Material aus, das dann von einem Spezialbetrieb aufgedruckt wird. Bereits während des Studiums hatte er den Siebdruck für
sich entdeckt. Und schon immer spielte das Material des Bildträgers eine
nicht unwesentliche Rolle. Bornschein druckte auf Fahnenstoff oder
auch auf Holzfurnier.
Jetzt also Plexiglas. Es scheint wie gemacht für jene Idee, die ihm durch
den Kopf geht: Interessiert habe ihn der Blick in Schaufensterräume –
in perspektivische Räume, die als Display organisiert und nicht zum
Betreten gedacht sind. Der Blick auf Dinge, die das Begehren wecken
wollen. Dabei geht es offenbar weniger um das Gezeigte an sich – die
Kleidung also. Wichtiger sind wohl übergeordnete Kategorien: Der
Raum, das Präsentieren, das Betrachten. In seinen Bildobjekten aus
Plexiglas versuche er daraus eigene »Strukturen des Sehens« abzuleiten, so Bornschein, der sich überhaupt nicht schwer damit tut, über
die eigene Arbeit zu sprechen. Allerdings ist es nicht immer leicht, ihm
ganz zu folgen.
Lieber schaut man die einnehmenden Ergebnisse seiner Arbeit an.
Blickt auf jene abstrakten Gebilde, die formal antworten auf die fotografischen Motive. Erkennt Bezüge zur umliegenden Architektur, die
sich verdichten, wenn durch transparente Partien das räumliche Dahinter zu sehen ist.
Etwas ganz Ähnliches plant der Künstler für seinen Auftritt bei der Art
Cologne. Borscheins sonst durchweg ernste Mine hellt sich auf, wenn
er sich vorstellt, dort einen ganzen Raum für sich zu haben – wo er
»schnelle gute Blicke« bauen könne. Das sei für ihn das Spannendste.
Internationale Kurzfilmtage
Oberhausen
30. April — 5. Mai 2015
www.kurzfilmtage.de
12 | SPECIAL KUNST
WEGWEISER
TEXTE: ALEXANDRA WACH
Ein halbes Jahrhundert hat sie auf dem Buckel. Doch
gerade in den letzten Jahren zeigt sich die älteste aller
Kunstmessen in Topform. Und so schaut die Kunstwelt
gespannt nach Köln, wenn die Art Cologne Mitte April
in die 49. Runde geht. Was erwartet uns? K.WEST hat sich
umgesehen im Programm der rund 200 Galerien.
Hier ein paar Tipps für den Messe-Rundgang.
Blain/Southern
Die Galerie Blain/Southern ist nicht nur in Berlin, sondern auch in London und New York vertreten. Bei der Art Cologne zeigt sie unter anderem Fotografien von Wim Wenders – und beweist damit vorbildliches
Timing. Denn parallel läuft im Museum Kunstpalast in Düsseldorf eine
große Schau, die sich dem fotografischen Schaffen des Filmemachers
widmet. Für die Art Cologne hat Blain/Southern Architekturpanoramen
aus Wenders’ Anfang der 1980er Jahre begonnener Fotoserie »Pictures
from the Surface of the Earth« im Gepäck. Entstanden als Vorbereitung
für den Film »Paris, Texas«, zeigen sie etwa Geschäftszeilen in Las Vegas
– die typisch vereinsamte Ästhetik erinnert an Edward Hopper.
Maria Lassnig: Der Jüngling, 2011. © Maria Lassnig. Foto: Jens
Ziehe, Courtesy Capitain Petzel, Berlin.
Galerie Capitain Petzel
Wim Wenders: Safeway, Corpus Christie, Texas, 1983.
Courtesy the artist and Blain/Southern.
2008 eröffnete die Kölnerin Gisela Capitain gemeinsam mit der New Yorker Petzel Gallery eine Dependance in Berlin, die von sich reden macht
mit Solo-Ausstellungen schillernder Gegenwartskünstler wie Karla Black,
Wade Guyton oder Sarah Morris, Monika Sosnowska oder Christopher
Williams. Am Messestand auf der Art Cologne dürfte »Der Jüngling« der
2014 verstorbenen und lange verkannten Österreicherin Maria Lassnig
buchstäblich abheben. »Die Bilder sollen lieber penetrant als elegant sein«,
beschrieb die Künstlerin einmal ihre Absichten beim Malen menschlicher
Körper. Weswegen auch der besagte junge Mann trotz Muskeln und Leggins alles andere als appetitlich aussieht. Als wüsste er von der Tragik seines
verfallenden Fleisches, reißt er sich dramatisch die Brust auf. Ein Schmerzensmann, der den Betrachter bei den Rippen packt.
K.WEST 04/2015 | 13
Chert
2008 eröffnete die Italienerin Jennifer Chert in Berlin-Kreuzberg ihre
Galerie mit einem international ausgerichteten Programm junger
Positionen. Nach dem Debüt 2010 kehrt sie im Segment New Contemporaries mit einem vielversprechenden Quartett zurück. Neben
David Horvitz und Zora Mann ist auch Petrit Halilaj dabei, der zur
gleichen Zeit in der Bundeskunsthalle und dem Kölnischen Kunstverein mit Einzelausstellungen aufwartet. Der aus dem Kosovo stammende Wahl-Berliner, Jahrgang 1986, ist mit Vogel-Zeichnungen
vertreten.
MARTIN
ROSSWOG––
ENTLANG EUROPA
13.3.––9.8.2015
DIE PHOTOGRAPHISCHE SAMMLUNG
Natalia Hug
Die Kanadierin verschlug es in die Domstadt, nachdem ihr Mann Daniel
Hug zum Direktor der Art Cologne gekürt worden war. Junge Künstler
aus der Region, frisch aus den Akademien entlassen, sind seitdem ihr
Spezialgebiet. Aber auch Nachwuchs aus dem englischsprachigen Raum
findet bei ihr Gehör, etwa Corin Sworn, 1976 in London geboren und in
Kanada aufgewachsen. Sie hat bereits Schottland bei der Venedig-Biennale vertreten. Sworn spürt in ihren Installationen, Filmen und Fotoarbeiten den Geheimnissen der Objektwelt nach. Und das mit dem Impetus einer belesenen Analytikerin. Im Sektor New Contemporaries zeigt
Sworn Fotoexperimente aus der Edition »Felling the Pine Trees on the
Plot« von 2014, die schon in der Langen Foundation in Neuss zu sehen
waren. Die violett-gelb gefärbten Wiesenblumen erzeugen spätsommerliche Verfallsgefühle.
Niels Borch Jensen Gallery
Für Grafik-Liebhaber ist die Niels Borch Jensen Gallery eine gute Anlaufstelle. Dank einer Druckwerkstatt in Kopenhagen setzt sie die Vorstellungen der Künstler mit beachtlicher Präzision um. Auf der Liste
langjähriger Partner finden sich Namen wie Georg Baselitz, Tacita Dean,
Olafur Eliasson, Per Kirkeby, Tal R und Danh Vo. Seit 1999 existiert eine
Dependance in Berlin. Am Stand von Niels Borch Jensen ist diesmal mit
einer aktuellen Serie von Carsten Höller zu rechnen, die sich offenbar
Hitchcocks Klassiker »Die Vögel« zum Vorbild genommen hat. Fotorealistisch anmutende Porträts von im Quartett auf einer Stange hockenden
Vögeln variieren die Körpersprache der aufs Schönste menschelnden
Federwesen.
Photo: Martin Rosswog: Com Dhineol, County Kerry, Irland (Haus Gebrüder Daly), 1992 / 1993 © Martin Rosswog, Lindlar; VG Bild-Kunst, Bonn 2015
Im Mediapark 7, 50670 Köln, Tel. 0221 888 95-300 · www.sk-kultur.de
täglich außer Mi 14 bis 19 Uhr, Mo freier Eintritt
Erwin wurm
Am I still a House ?
11. 4. – 12. 7. 2015
Galerie Maulberger
Seit über 30 Jahren bestreiten die Münchner ihr Programm mit deutscher Nachkriegskunst. Die Gunst der Stunde mit der großen ZEROSchau in Berlin nutzt man erwartungsgemäß, um den Ueckers und
Pienes einen Parallelauftritt am Rhein zu ermöglichen. Heinz Mack
ist zur Abwechslung mit Papierarbeiten von 1960 vertreten, die mit
simpler Kreide den Effekt eines Urknalls zu erzeugen verstehen. Oder
doch nur die mikroskopische Simulation eines Stofffetzens? Neben
den Informel-Größen Karl Otto Götz und Emil Schumacher ist auch
Bernard Schulze mit von der Partie. Man begeht den 100. Geburtstag
des 2005 verstorbenen Abstrakten und zeigt das »Weisse Bild« – bereits 1959 war es auf der Documenta II in Kassel zu sehen.
Hirschstraße 12 · 42285 Wuppertal · 0202 47898120
skulpturenpark-waldfrieden.de
14 | SPECIAL KUNST
Repetto Gallery
Die Londoner Galerie bespielt ihre Koje diesmal mit einer geballten Ladung Christo. In Collagen und Zeichnungen nimmt der Künstler 1982
die Reichstagsverhüllung von 1995 vorweg, oder ein Jahr später das erst
2005 realisierte Projekt »The Gates« im New Yorker Central Park. Mit
Blick auf solche Arbeiten wird einem erst einmal bewusst, wie viel Zeit
die Umsetzung der aufwendigen Projekte in Anspruch nahm. Auch der
britische Land-Art-Klassiker Richard Long kommt bei Repetto reichlich
zum Zug. Mit seinen auf Wanderungen in Kreisen geschichteten Steinskulpturen etwa, oder mit dekorativen Handabdrücken in Lehm, die,
auf Holz gedrückt, den Charme einer Steinzeithöhle verbreiten.
Galerie Wentrup
Seit 2004 ist das Portfolio der Berliner auf 13 Positionen angewachsen,
die von Malerei bis zu Video reichen. Einige der überwiegend jungen
Künstler haben sich längst etabliert, etwa Gregor Hildebrandt oder Florian Meisenberg. Neben den weniger bekannten Miriam Böhm und Peles Empire möchte auch Timm Ulrichs die rheinische Sammlerschaft für
sich gewinnen. Der ehemalige Professor an der Kunstakademie Münster
beschäftigt sich in seinem seit fünf Jahrzehnten ausufernden und nicht
gerade als marktgängig geltenden Werk mit der Frage nach dem Original und der Kopie. Die Arbeit »Form und Inhalt« etwa zeigt akkurat
an einer Wand hängende Fotos von in der Form abweichenden Vasen,
während auf Regalen darunter ihre weißen Ton-Imitate die richtige Zuordnung einfordern. Wie das Duell wohl ausgeht?
Ernst Ludwig Kirchner: Gelbe Tulpen Stillleben mit
»Bubu de Montparnasse«, 1918.
Galerie Henze & Ketterer
Die Schweizer sind seit Jahren ein Garant für Hochpreisiges auf der Art
Cologne. Vor allem Ernst Ludwig Kirchner hat es den Spezialisten für
den deutschen Expressionismus angetan. Diesmal verblüffen sie mit einer ganzen Einzelpräsentation des 1937 von den Nazis für »entartet« erklärten Malers und Grafikers, der ein Jahr darauf Selbstmord beging. Im
Messe-Aufgebot findet sich neben halluzinogenen Wald- und Fantasielandschaften das drei Millionen Schweizer Franken teure »Gelbe Tulpen
Stillleben mit Bubu de Montparnasse« von 1918: Eine prächtige Explosion
gelber, orangener und roter Töne. Die ausschweifend gebogenen Blumen
des Bösen fühlen sich – wie es scheint – zu einem Exemplar des Romans
»Bubu de Montparnasse« von Charles-Louis Philippe hingezogen – ein
Bestseller von 1901, der im Pariser Prostituierten-Milieu angesiedelt ist.
Priska Pasquer
Mit einer Spezialisierung auf Vintage-Fotografie der 1920er und 1930er
Jahre fing es an. Dann weitete die Kölner Galerie von Priska Pasquer ihr
Profil um zeitgenössische Kunstfotografie mit Schwerpunkt auf Japan
aus. Inzwischen vertritt Pasquer auch Maler – unter den Neuzugängen
im Programm findet sich der junge Bosnier Radenko Milak, der auf der
Messe sein Projekt »365« präsentieren wird. Es besteht aus 365 Aquarellen, die historische Momente des 20. Jahrhunderts zeigen – Kriegsbilder aus dem Internet etwa, oder Porträts bekannter Persönlichkeiten
aus Printmedien. Ebenfalls dabei ist der Medienkünstler Rudolf Bonvie,
der sich ähnlich wie Milak dem Umgang mit Bildern im Netz widmet.
Der Südafrikaner Pieter Hugo zeigt seine sozialkritischen Fotografien,
für die er 2005 mit dem World Press Photo Award ausgezeichnet wurde.
Radenko Milak: 3 June 1924 - Franz Kafka died, aus der Serie »365
(Images of Time)«, 2013. © Radenko Milak, courtesy Priska Pasquer
K.WEST 04/2015 | 15
K.WEST_92 x 127 mm_Uecker_Abo_Layout 1 20.03.15 10:59 Seite 1
ZWEIMAL
HINGUCKEN
UECKER?
Sonderausstellungen auf der Art Cologne,
an denen man nicht vorbeischauen sollte
»Bookmarks«
Bevor Ungarn unter der rechts-konservativen Regierung von Victor Orban die wiedergewonnene Demokratie zu verspielen anfing, arbeitete es nach der Wende
von 1989 die kulturpolitischen Lücken auf, die das kommunistische Regime gerissen hatte. Dazu gehörten auch
die verbotenen oder nur geduldeten Kunst-Strömungen
der vergangenen Jahrzehnte. Große Budapester Institutionen zeigten die inoffizielle Kunst der 60er und 70er
Jahre, die endlich aus dem Untergrund verschworener
Gemeinschaften geholt wurden. Das tut jetzt auch eine
Sonderschau im Eingang der Art Cologne mit der ungarischen Konzeptkunst, die hierzulande wohl nur Spezialisten bekannt ist. Als Kuratoren treten drei Galerien
aus Budapest auf. Sie sind auch im Sektor Collaborations
vertreten. Kisterem, acb und Vintage mischen Werke der
einstigen Avantgarden mit ungarischen Zeitgenossen
seit den 2010er Jahren. Die Gegenüberstellung geschieht
nicht ohne Grund, denn viele der aktuellen Arbeiten
beziehen sich auf Werke der unterdrückten Vorgänger,
etwa Miklós Erdély oder den in Köln lebenden Endre
Tót. Beide wurden in ihrem Land in den 90ern mit einer
Retrospektive geehrt. Ob dies heute noch möglich wäre?
ABO?
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ANTWORTEN MONATLICH.
KUNST, BÜHNE, MUSIK, DESIGN, FILM, LITERATUR
DAS KULTURMAGAZIN DES WESTENS
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»Wie die Pop Art
nach Deutschland kam«
Das Zentralarchiv des Internationalen Kunsthandels
(ZADIK) widmet sich in seiner Sonderausstellung den
ersten zehn Jahren der Pop Art in Deutschland. Die
Schau stellt Rudolf Zwirner als Pionier in den Mittelpunkt, weil er die Richtung 1964 in seiner Kölner Galerie auf dem deutschen Kunstmarkt einführte. Seitdem
waren die Ateliers der Pop Artisten vor seinen Besuchen nicht mehr sicher – unter anderen hatte Zwirner
auch Peter Ludwig im Schlepptau. Auf Auktionen trat
der junge Mann aus Cologne mit einem unersättlichen
Kaufhunger hervor: 1970 ersteigerte Zwirner für den
damaligen Rekordpreis von 75.000 Dollar ein Werk
von Roy Lichtenstein. Noch nie war für einen lebenden
amerikanischen Maler eine so hohe Summe ausgegeben worden. Castelli war über die Konkurrenz entsetzt
– hatte doch bis dahin seine Frau Ileana Sonnabend in
ihrer Pariser Galerie ein europäisches Monopol für die
Pop Art. Der Rest ist Geschichte, die das ZADIK mit
bisher unveröffentlichten Bild- und Textdokumenten
wieder ins Gedächtnis ruft.
22.3. - 28.6.2015
VON DER HEYDT
KUNSTHALLE
WUPPERTAL-BARMEN
von-der-heydt-kunsthalle.de
3
16 | SPECIAL
KUNST KUNST
SCHAU DICH UM
Wer den Messe-Rummel satt hat, mag sich umsehen in den Museen.
Köln und die Umgebung sind bekanntlich voll davon. Aber wohin?
K.WEST weiß es.
KÖLN
MUSEUM LUDWIG
ALIBIS: SIGMAR POLKE. RETROSPEKTIVE
BIS 5.7.2015
In den Monaten vor seinem Tod im Juni 2010 hatte der
Künstler noch Pläne geschmiedet. Hatte mit der Kuratorin
in New York erste Überlegungen für diese große Retrospektive angestellt. Nach viel beachteten Stationen im Museum
of Modern Art und in der Londoner Tate Gallery läuft sie
nun etwas verändert im Museum Ludwig. Man weiß: Sigmar
Polke ist der Erfinder des Kapitalistischen Realismus, der
mit viel Ironie das eigene künstlerische und gesellschaftliche Umfeld bespiegelt. Aber auch als fantastischer Erfinder
ist er bekannt und als beherzter Experimentator, der nach
unerprobten Farbstoffen, Materialien und Chemikalien griff,
um seine Malerei voranzutreiben. Doch gibt es auch weniger
ausgeleuchtete Ecken im Œuvre. Ein großes Thema der Kölner Schau ist die multimediale Spannbreite seines Schaffens.
Erstmals lässt man Polke mit seiner erstaunlichen Beweglichkeit in allen möglichen Gattungen glänzen. Und zum
ersten Mal würdigt das Museum Ludwig Polkes Filme.
museum-ludwig.de
KÖLNISCHER KUNSTVEREIN
PETRIT HALILAJ – ABETARE
17.4. BIS 2.8.2015
Seit einigen Jahren begegnet man ihm allenthalben in Museen und auf Biennalen. Überall zeigt Petrit Halilaj seine
anrührenden Kunststücke, die fast immer mit der eigenen
Biografie umgehen: Petrit war 13 Jahre alt, als er und seine
Familie wegen des Krieges im Kosovo die Heimat verlassen mussten. Parallel zur Art Cologne ist er gleich an zwei
Orten im Rheinland mit Solo-Ausstellungen präsent – in
Bonn und in Köln. Eigens für die Ausstellung im Kölnischen Kunstverein hat der Künstler eine ganz neue Werk-
gruppe produziert, die von seiner einstigen Schule im Kosovo handelt. Im Zentrum der Schau stehen Kritzeleien, die
Schüler damals auf den Bänken und Tischen der Klassenräume hinterließen. Halilaj bildet sie stark vergrößert aus
dünnen Stahlstangen nach: Häuser, Herzen, Vögel, Blumen,
Autos, auch Gewehre erzählen von den Hoffnungen und
Sorgen der Kinder von einst.
koelnischerkunstverein.de
WALLRAF-RICHARTZ-MUSEUM,
FONDATION CORBOUT
WERNER HERZOG & HERCULES SEGERS.
SEELENLANDSCHAFTEN
14.4.BIS 12.7.2015
Rechtzeitig zur Messe holt sich das Wallraf-Richartz-Museum eine Europa-Premiere ins Haus. Werner Herzog heißt
der Held des Frühjahrs. Allerdings ist es kein neuer Film des
prominenten Regisseurs, den Köln zu bieten hat. Gezeigt
wird eine Videoinstallation: Auf drei großen Wandflächen
projiziert Herzog fünf Videos mit Landschaftsbildern des
niederländischen Malers und Radierers Hercules Seghers,
musikalisch untermalt vom Komponisten und Cellisten
Ernst Reijseger. Bereits 2012 hatte Herzog diese Arbeit auf
der New Yorker Whitney Biennale gezeigt. Im Wallraf steht
»Hearsay of the soul« (Hörensagen der Seele) nun aber nicht
mehr für sich, sondern Seite an Seite mit Seghers’ Werken
– Radierungen und ein Gemälde. Denn Herzog selbst bezeichnete seine Installation als »Pilgerreise« zum Werk des
Hercules Seghers – sicher einem der originellsten und experimentellsten Meister des Goldenen Zeitalters. Er schuf
fantastische Landschaften, experimentierte mit diversen
Radiertechniken und diente dem jungen Rembrandt als Vorbild. Herzog sieht in ihn gar als »Vater der Moderne«.
www.wallraf.museum
Werner Herzog: Installationsansicht von »Hearsay of the Soul«, Foto:
Johanna Arnold, Courtesy CCA Wattis Institute for Contemporary Arts
TEXTE: Stefanie Stadel
K.WEST 04/2015 | 17
BONN
BUNDESKUNSTHALLE
»DER GÖTTLICHE – HOMMAGE
AN MICHELANGELO«
BIS 25.5.2015
Schon zu Lebzeiten eine Legende: Michelangelo
Buonarroti, 1475 geboren und vor 450 Jahren in
Rom gestorben. Man bewundert seine Statuen
– den strotzenden David, die ergreifende Pietà.
Ebenso die Malerei, etwa in der Sixtinischen
Kapelle. Auch als Baumeister von Sankt Peter
in Rom schrieb er Geschichte. Die Faszination
für das Multitalent überdauerte die Jahrhunderte und hält bis heute. Die Ausstellung in
der Bundeskunsthalle nun geht Michelangelos
erstaunlicher Wirkungsmacht anschaulich und
mit wissenschaftlicher Gründlichkeit nach. Da
trifft man etwa auf den jungen Raffael, der sich
dem kolossalen David von schräg hinten mit
seiner Zeichenfeder nähert. Oder Caravaggio,
der bei seinem Johannesknaben offenbar an Figurationen aus Michelangelos Jüngstem Gericht
dachte. Auch Rubens, Delacroix und Rodin,
Beckmann und Henry Moore zählen zu den
Nacheiferern. Sogar Robert Mapplethorpe. Sie
alle und noch mehr sind zugegen in der Bundeskunsthalle. Nur einer fehlt: Der Göttliche selbst.
Die Hommage an Michelangelo muss ohne
Michelangelo auskommen. Zweifellos ein Manko der trotzdem sehenswerten Schau.
bundeskunsthalle.de
Abb.: Jule k.
BUNDESKUNSTHALLE
PETRIT HALILAJ
BIS 18.10.2015
Zerfleddert und verstaubt war er, noch dazu
fehlten dem kleinen gelben Kerl die Augen. So
fand Petrit Halilaj den ausgestopften Kanarienvogel, irgendwo in den Kellern des 2001 geschlossenen Naturkundemuseum von Pristina,
der Hauptstadt des vom Krieg gezeichnten Kosovo. Er ließ das Tierchen heimlich mitgehen,
auch um es vor der Mülltonne zu bewahren.
Über Jahre waren die Depots fest verschlossen,
Halilaj gehörte zu den ersten, die sich dort umschauen durften und war tief betroffen über das,
was er verschimmelt in Schränken und Kisten
fand – 90 Prozent des Bestands waren ruiniert.
In Bonn versucht der Künstler, das Verlorene
zurückzuholen. Ob Pfau, Ferkel oder Flamingo
– Halilaj hat sie mit Dung, Gras und Erde alle
sorgsam abgeformt und im Ausstellungssaal arrangiert. Als einziges »Original« sitzt dort der
Kanarienvogel, und blickt durch seine blaue
Maske auf die merkwürdige Menagerie.
bundeskunsthalle.de
Schmallenberg 2015
Artist Sweethearts – Eine Ausstellung von und über Künstlerpaare
25. April bis 14. Juni 2015 • KÜNSTLERHAUS DORTMUND
Mit Michel Aniol + Meike Kuhnert • Pascal Aperdannier + Anne Paschvoß
Klaus Erich Dietl + Stephanie Müller • Guda Koster + Frans van Tartwijk
Mandy Krebs + Marko Schiefelbein • Susanne Kutter + Markus Willeke
Torben Laib + Madeleine Christin Leroy • Katharina Maderthaner +
Christian Schreckenberger • Susanne Maurer + Marc Taschowsky
Kihyun Park + Florian Rosier
www.kh-do.de
18 | SPECIAL KUNST
BONN
KUNSTMUSEUM
LARRY SULTAN
BIS 17.5.2015
Seit 2004 machte er mit seinen Fotos aus dem amerikanischen Pornofilm-Milieu
von sich reden. Trotzdem ist Larry Sultan hierzulande immer noch das, was man
einen Geheimtipp nennt. Und so kann Bonn mit einer Premiere locken: Erstmals in
Europa präsentiert das Kunstmuseum – kräftig unterstützt vom Kölner Galeristen
Thomas Zander – einen großen Blick über das spannende Werk des 1946 geborenen
und bereits 2009 verstorbenen US-Künstlers. Von den 70ern, als Sultan sich nahe der
Konzeptkunst bewegte, führt der Weg bis zu »The Valley« – ihren Namen hat die
Serie vom kalifornischen San Fernando Valley, einem Zentrum der amerikanischen
Sexfilm-Industrie. Im Auftrag eines Magazins sollte Larry Sultan dort 1998 einen
Branchenstar mit der Kamera bei der Arbeit begleiten. Aus dem Tagesjob wurde eine
Arbeit von fünf Jahren. Rund hundert Pornofilm-Produktionen hat Sultan in dieser
Zeit gesehen. Und dabei etliche Bilder aufgenommen – fast durchweg jugendfrei.
kunstmuseum-bonn.de
DÜSSELDORF
KUNSTSAMMLUNG NRW, K20
UECKER
BIS 10.5.2015
Rund um die Welt war Günther Uecker mit seinen Werken zu Gast. Bisher nur vereinzelt
sah man sie jedoch in Düsseldorf, wo der 1930 in Mecklenburg geborene Künstler seit
Jahrzehnten lebt und arbeitet. Die Kunstsammlung NRW holt das Versäumte nun nach
und macht zwei große Hallen im K20 am Grabbeplatz frei für das erste große Heimspiel
des 85-Jährigen, der noch immer unter den Schlagwörtern Nagel- oder Zerokünstler die
Runde macht. Dabei hat er natürlich viel mehr zu bieten.. Davon zeugt die eher sparsame,
dafür umso dezidiertere Auswahl von rund 60 Schlüsselwerken in Düsseldorf. Das Spektrum reicht vom anarchischen »Terrororchester«, das sich mit seinen fantastischen Krachmaschinen mitten in der Grabbehalle ausbreitet, bis zur tief meditativen »Sandmühle«, die
gleich daneben Schnüre an Stangen um eine zentrale Achse kreisen lässt. Ihre verknoteten
Enden durchpflügen einen aufgeschütteten Sandkreis, schreiben dem Sand Spuren ein
und löschen sie gleich wieder aus. Für Uecker ein Sinnbild der verrinnenden Lebenszeit,
ein Memento mori.
kunstsammlung.de
Günther Uecker:
Bewegtes Feld, 1964.
Collection
Van Abbemuseum,
Eindhoven, Niederlande,
© VG Bild-Kunst,
Bonn 2014
MUSEUM KUNSTPALAST
WIM WENDERS. LANDSCHAFTEN. PHOTOGRAPHIEN
18.4. BIS 16.8.2015
»Wenn man viel unterwegs ist«, schreibt er, »wenn man gern
umherstreift, um sich zu verlieren, kann man an den merkwürdigsten Orten landen.« Wim Wenders landete etwa im
amerikanischen Westen, im deutschen Osten, in Australien, Südamerika, Südostasien, Armenien, Italien oder Japan.
Und überall hatte er den Fotoapparat dabei. Die fotografische Arbeit sei inzwischen die andere Hälfte seines Lebens,
sagt der durch Filme wie »Der Himmel über Berlin«, »Pina«
oder »Das Salz der Erde« bekannte Regisseur. Zu Wenders'
70. Geburtstag zeigt das Museums Kunstpalast rund 80 seiner großformatigen Fotos und Landschaftspanoramen.
smkp.de
MÖNCHENGLADBACH
MUSEUM ABTEIBERG
SIGMAR POLKE. ANNÄHERUNG AN VENEDIG
BIS 5.7.2015
1986 hatte Sigmar Polke seinen großen Auftritt im deutschen Biennale-Pavillon. Auch nach Venedig kam er natürlich nicht ohne seine Kamera – über zwei Jahre war der
Künstler dort filmend unterwegs. Die nie zuvor öffentlich
gezeigten Ergebnisse der Arbeit präsentiert nun das Museum Abteiberg. Man sieht, wie Polke sich in experimentell
skizzenhaften, mehrfach belichteten Aufnahmen dem Ausstellungsort näherte. Der gründlichen Recherche folgten
konkrete Vorarbeiten, die er mit der Kamera dokumentierte. Und schließlich die filmkünstlerische Bestandsaufnahme des vollends installierten Biennale-Zyklus, der dem
Künstler damals den Goldenen Löwen einbrachte. Gleich
im Anschluss an ihren Auftritt in Venedig gingen die gelblich-transparenten Lackbilder nach Mönchengladbach, wo
sie jetzt Seite an Seite mit den Filmen zu sehen sind.
www.museum-abteiberg.de
NEUSS
LANGEN FOUNDATION
OLAFUR ELIASSON – BOROS COLLECTION 1994 – 2015
18.4. BIS 18.10.2015
Um die 50 Leute arbeiten in seinem Atelier: nicht nur
Künstler, auch Architekten, Physiker, Ingenieure, Forscher
unterschiedlicher Disziplinen. Alles fließt ein in die höchst
effektvollen Großinstallationen des in Dänemark geborenen, auf Island aufgewachsenen, in Berlin und Kopenhagen
lebenden und arbeitenden Künstlers. Mit Wasser und Licht,
Wind, Nebel, Spiegeln und rotierenden Farben bringt er
sein Publikum zum Staunen. Sicher auch in Neuss, wo nun
um die 40 von Olafur Eliassons Kunststücken aus gut 20
Schaffensjahren zusammenkommen. Dabei schöpft die
Schau ausschließlich aus dem Fundus des Medienunternehmers und Großsammlers Christian Boros.
langenfoundation.de
Erwin Wurm: Dismiss. © Jesse Willems
K.WEST
K.WEST04/2015
4/2015 | 19
WUPPERTAL
SKULPTURENPARK WALDFRIEDEN
ERWIN WURM – AM I STILL A HOUSE
11.4. BIS 12.7.2015
Bekannt wurde er mit seinen »One Minute Sculptures«, bei denen Erwin
Wurm Mitmenschen in abenteuerlichen Posen vor die Kamera lockte –
Damen mit Waschmittelflaschen unterm Kleid etwa oder Herren mit Spargelstangen in beiden Nasenlöchern. Und das war nur der Anfang. Immer
wieder schickt sich der 1954 geborene Österreicher an, das Schöne, Feierliche, Hehre vom Podest zu schubsen und stattdessen hinauf zu hieven,
was eigentlich nie dorthin gehörte: Mal sind es kleine Peinlichkeiten oder
Inkorrektheiten. Mal sind es unmögliche Verformungen – Aufgeweichtes, Zerfließendes, Angeschwollenes, Aufgeblasenes. Im Skulpturenpark
Waldfrieden präsentiert er nun Skulpturen, die sich das Motiv des Hauses
vorknöpfen. Zentral ist die begehbare Plastik »Fat House« von 2004: Ein
Landhaus in Originalgröße, das total verfettet erscheint. Im Inneren läuft
ein Video, das die Skulptur per Computeranimation zum Sprechen bringt
– im Monolog werden ganz ernsthaft existentielle Fragen erörtert.
skulpturenpark-waldfrieden.de
20 | KUNST SPECIAL
15 RESTAURANTS FÜR DEN ABEND
NACH DER ART COLOGNE
HIP UND MITTEN IN KÖLN
TEXT: MARTIN STEUER
KÖLSCHE KLASSIKER
Bar Schmitz
Austern schlürfen im belgischen Jugendstil
Was in den späten neunziger Jahren im Kölner Kreativviertel hip war,
erfreut sich auch heute noch hoher Fluktuation. Das liegt auch daran,
dass aus den einst armen Studenten zahlungskräftige Entscheider geworden sind. Die gönnen sich gern mal die mediterrane Küche, die immer auch Richtung Haute Cuisine schielt.
Aachener Str. 34, Belgisches Viertel, www.salonschmitz.com/bar
Essers
Kaninchen aus der Eifel, Ochsen aus der Steiermark
Mehrere österreichische Gastronomen haben sich in den letzten Jahren in Köln niedergelassen – dieser Ehrenfelder kocht besonders raffiniert. Alle Positionen der bunt wechselnden Tageskarte sind jeden
Groschen wert, zum Beispiel der isländische Polarsaibling aus nachhaltiger Küstenfischerei.
Ottostr. 72, Ehrenfeld, www.essers-gasthaus.de
Funkhaus am Wallrafplatz
Wirtschaftswunder-Ambiente an kreativer Küche
Vor zwei Jahren öffneten die umtriebigen Kölner Gastronomen Diaz
und Ranz die Fenster des bis dahin als Campi beliebten Cafés im WDRFunkhaus. Seitdem weht eine leichte Brise mediterraner Köstlichkeiten
durch die traditionsreichen Räumlichkeiten, wo mit Blattspinat gefüllte
Pfannkuchen oder ein ansprechendes Gemüse-Couscous für Auge und
Mund reizvoll gestaltet sind.
Wallrafplatz 5, Domnähe, www.funkhaus-koeln.de
Fertig
Urkölsche Einrichtung, französische Ausrichtung
Es gehen auch in vierter Generation noch die alten Geschichten vom
Gründer Jacob Fertig herum, der seine Gäste ganz wie ein kölscher
Köbes gern unflätig bediente. Ingo Fertig hat den Service nach wie vor
nicht um die Möglichkeit der Kartenzahlung oder Reservierung erweitert, aber serviert hervorragende französische Küche zu vorbildlich
kalkulierten Preisen.
Bonner Str. 26, Südstadt, Tel. 801 73 40
Lütticher
Rinderbäckchen und Dorade in vollendeter Hipness
Rustikal, stylish, schick und trendig: Im kleinen Hinguck-Restaurant
kommt das Vieh mit gestampften Karotten-Kartoffel-Gemüse; der Fisch
aus dem Ofen mit jungem Spinat sowie wunderbaren Quetschkartoffeln
auf den Tisch. Alles nichts für den kleinen Geldbeutel, aber das 3-GangMenü für 34,50 € ist ein Hit – daher Reservierung dringend empfohlen!
Lütticher Str. 12, Belgisches Viertel, www.luetticher.jimdo.com
Fischermann’s
Drei Gänge mit Promigarantie
Kölner Sternchen aller Kategorien nutzen das hervorragende, international ausgerichtete Restaurant seit 15 Jahren, um ihr Konterfei zu
präsentieren, aber auch um einfach nur beste Gerichte und Weine zu
genießen. Ein lebhafter, von vielen kultisch verehrter Ort inklusive
tollem Service.
Rathenauplatz 21, Nähe Zülpicher Platz,
www.restaurant-fischermanns.de
Rotonda Restaurant
Feine Gerstentröpfchen im Business Club
Neben außergewöhnlichen Bieren konzentrieren sich die Macher um
Sternekoch Saloum Raphael Doucouré ihrem exklusiven Standort entsprechend auf eine extrem hochwertige Küche, die nachhaltig und in
Teilen vegan arbeitet. Zwischen Sushi und Wiener Schnitzel tut sich Betörendes auf, und nicht alles ist unbezahlbar.
Pantaleonswall 27, Nähe Barbarossaplatz
www.rotonda-restaurant.de/koeln, unbedingt resevieren!
Haus Scholzen
Kölscher geht’s nur noch im Brauhaus
Authentische Kölner Brauhäuser geben sich laut und weitläufig. Wer
beschauliche Gastronomie sucht und dennoch bürgerlich im Geschmackssinn hat, macht den Abend in Ehrenfeld rund: ausgezeichnete deutsche Hausmannskost in allen Varianten, und das in herzlicher,
aber unspießiger Atmosphäre.
Venloer Str. 236, Ehrenfeld, www.haus-scholzen.de
Venlo
Lässiges Couscous zum FC-Spiel
Der Untertitel »Die gute Stube« trifft es bestens: So unspektakulär die
Einrichtung auch scheint, so gemütlich ist sie. Das spiegelt sich unmittelbar in der Hausmannskost wider: Einfache Gerichte wie Couscous,
Flönz (Kölsche Blutwurst) oder auch eine Dorade erreichen dank bester
Zutaten und liebevoller Zubereitung höchste Qualität. Bei Fußballübertragungen geht es hoch her.
Venloer Str. 29, Belgisches Viertel,www.mein-venlo.de
Heckmanns
Ausgezeichnet, aber bodenständig
Mediterran, französisch, deutsch: ein kulinarischer Rundflug, der bei
allen Gerichten auf den Punkt zu landen weiß. Das war dem Gault
Millau immerhin schon 13 Punkte wert. Dennoch lässt sich die Wachtel-Praline auf Rettich-Linsen oder Skreifilet auf Fenchel-Orangen hier
ganz lässig genießen. Top!
Sülzburgstr. 104-106, Sülz
www.restaurant-heckmanns.de
K.WEST 04/2015 | 21
MESSENÄHE
Maria Eetcafé
Niederländische Fritierkultur im Belgischen Viertel
Die unerschrockenen Gäste haben größte Freude daran, sich Sammlungen frittierter niederländischer Spezialitäten zu verinnerlichen: Frikandel, Bitterballen und Vleeskroket, das Ganze mit ordentlich Satésaus an
den begleitenden Frietjes – das hinterlässt an Gaumen wie Hüften bleibenden Eindruck.
Hans-Böckler-Platz 1, Belgisches Viertel
www.maria-koeln.de
Café Especial
Der ewige Kölsch-Mexikaner
Von der Lanxess Arena ist es nur ein Stolperer, um diesen langjährig
verlässlichen Mexikaner zu erreichen, der sowohl in Sachen deftiger
Gerichte als auch in seinem Ambiente voll und ganz dessen entspricht,
was man sich in den bundesdeutschen 80ern als »Mexikaner« vorstellte. Trotzdem toll, nicht nur für Fans von Bohnen und Stroh.
Neuhöfferstr. 32, Deutz, www.cafe-especial.com
Hotelux
Deftig und opulent: sowjetische Küchenkunst
Ein Kölner Klassiker, und dennoch bis heute ein Exot. Wenn zum Beispiel der gehaltvolle russische Kartoffelsalat bestellt wird, ächzt manch
mitteleuropäischer Magen, und auch ein echter Blini muss nun mal
kräftig mit Käse überbacken sein. Es hilft, das deftige Erlebnis mit einer
der unzähligen Wodka-Sorten abzurunden.
Von-Sandt-Platz 10, Deutz, www.hotelux.de
Mongo’s
Rohzutaten vom Marktstand
Erlebnis- und Systemgastronomie auf asiatischer Basis. Die fähigen Köche nehmen jede noch so unausgewogene Zusammenstellung roher Zutaten wohlwollend entgegen, die der Gast selbst bestimmt, und flämmen
daraus im Wok schnell ein ansehnliches Gericht zusammen. Dank »All
You Can Eat« lässt sich dabei waghalsig herum experimentieren.
Ottoplatz 1, Deutz, www.mongos.de
Rosenzeit
Kreatives Mittelmeer am Mülheimer Hafen
Die beiden Schwestern Schumacher locken mit Fantasie in ihr liebevoll
eingerichtetes Lokal: die Penne Rigate mit Hühnchen, Zitronengras,
Zucchini, grünem Pfeffer und Currysauce schmecken so großartig, wie
sie sich lesen. Zum runden Abschluss dann das Mohnparfait mit Rhabarberkompott, Marzipan und Minze: umwerfend!
Mülheimer Freiheit 2-4, Mülheim, www.cafe-rosenzeit.de
Montage mit der Arbeit Feuer, 2015, von Michael Sailstorfer, courtesy Galerie Johann König, Berlin, © VG Bild-Kunst, Bonn
2015 und Bundeskunsthalle, Foto: Peter Oszvald © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn
Petrit Halilaj in Zusammenarbeit mit Alvaro Urbano She, fully turning around, became terrestrial 2013 © Petrit Halilaj, courtesy Chert gallery, Berlin
Petrit HAlilAj
She, fully turning around, became terrestrial
bis 18. Oktober 2015 in Bonn
Ärger im PArADies
24. April – 11. Oktober 2015 in Bonn
auf dem Dach der Bundeskunsthalle
Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
Museumsmeile Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 4, 53113 Bonn, T +49 228 9171–200
www.bundeskunsthalle.de
22 | VERLAGSONDERSEITEN
Kunst, die
Identifikation
stiftet
Der Bergpark aus der Perspektive von Thomas Schüttes »Hase«: Die PARKWERK-Künstlergruppe entwickelt den Wasserturm (links im Bild) zum dynamischen Kunstort, das Team
um Martin Kaltwasser errichtet das KRAFTWERK Lohberg, irgendwo auf dem weitläufigen
Gelände platziert Jakob Kolding seine kleine Bronze. © Christoph Böll.
Eine Reise ins Blaue
»Choreografie einer Landschaft«: Auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Lohberg in Dinslaken arbeiten Künstler und Anwohner Seite an Seite
Der ehemalige Wasserturm, der zum Café und Info-Treff wird. Ganz in der
Nähe das Bauwerk aus Recyclingmaterial mit Energieversorgung durch
schiere Muskelkraft: Zwei Beispiele dafür, wie zeitgenössische Künstler im
»Bergpark« – einem neu angelegten Landschaftspark – Zeichen setzen.
Und nicht nur sie allein. Denn das Besondere an dem, was derzeit zwischen Ruhrgebiet und Niederrhein in Dinslaken vonstatten geht, ist die
Einbeziehung der Anwohner. Ein Konzept, das offenbar ankommt – die
Arbeiten nehmen Gestalt an.
Im Rahmen der Entwicklung des »Kreativ.Quartier Lohberg (KQL)« wurde in Dinslaken-Lohberg mit dem »Lohberg Corso«, dem »Lohberger
Weiher« und dem »Bergpark« Landschaft völlig neu gestaltet. Die Vielfalt
der Umgebung zu spiegeln, Identifikation zu stiften, Teilhabe zu ermöglichen: Das ist es, worauf es Kurator Markus Ambach vor allem ankommt.
In einem Werkstattverfahren erarbeiteten im Jahr 2012 internationale
Künstler verschiedene Kunstwerke für den künftigen »Bergpark«. Die
KQL-Projektgemeinschaft legte dabei Wert darauf, ökologische, wirtschaftliche, städtebauliche und soziale Aspekte des Standortes in den Planungsprozess mit einzubeziehen. Der »Bergpark« soll die Besucher in die
umliegenden Landschaften leiten und gleichzeitig zum Ausgangspunkt
für die Entdeckung der Kunst werden. Dafür hat Kurator Markus Ambach
den Begriff »Choreografie einer Landschaft« geprägt. »Die fragmentierte
Landschaft soll durch eine sinnfällige Choreografie wieder zusammengeführt und erlebbar werden«, sagt Ambach.
Ausgewählt wurden schließlich künstlerische Konzepte von Jeanne van
Heeswijk, Thomas Schütte, Jakob Kolding sowie von Folke Köbberling
und Martin Kaltwasser – ihnen allen ist die Beteiligung der Bürger sozusagen immanent.
Der Wasserturm der ehemaligen Zeche Lohberg wird zum zentralen Punkt der
PARKWERK-Künstlergruppe. © Katrin Osbelt.
Jeanne van Heeswijk lädt die Anwohner in Workshops und anderen Veranstaltungen dazu ein, sich den »Bergpark« zu eigen zu machen. In dem
Projekt »PARKWERK – Lokale Reisen ins Blaue« geht es der Niederländerin und ihren Kollegen Britt Jürgensen und Marcel van der Mejis
darum, diesen Raum gemeinsam weiter zu entwickeln und neue Nutzungsmöglichkeiten zu eröffnen. Etwa, indem der Wasserturm zu einem
dynamischen Ort wird, der neben dem Café ein Informationszentrum
beherbergt und als Treffpunkt für Anwohner und Touristen dient.
»Wir bringen die Menschen dazu, sich darüber klar zu werden, was sie
brauchen«, erläutert van Heeswijk. »Wir fragen nicht nach Wünschen,
deren Erreichbarkeit womöglich im Utopischen liegt, sondern geben
Anstöße, Dinge im eigenen Umfeld zu verändern. Vom Warten auf bessere Zeiten werden die Zeiten nicht besser. Wenn das Warten endet und
Menschen produktiv werden, dann beginnen sie, sich ihre eigenen Räume zu erschaffen. Und das ist Kunst!«
K.WEST 04/2015 | 23
Eine neue Kraftzentrale
Ein riesiger Hase
KRAFTWERK Lohberg, das kollaborative Kunstprojekt unter der Regie von Martin
Kaltwasser, feiert Richtfest. © Katrin Osbelt.
Martin Kaltwasser und Folke Köbberling befinden sich aktuell in der
heißen Bauphase für das »KRAFTWERK LOHBERG«. Das Künstlerduo hat bereits 2012 mit der Open-Air-Installation »Our CenturY«
im Rahmen der Ruhrtriennale ein Zeichen in der Region gesetzt. Für
»Choreografie einer Landschaft« errichten die beiden nun ein großzügig verglastes Holzbauwerk aus Recyclingmaterial – ebenfalls gemeinsam mit Lohberger Bürgern. Für den späteren Betrieb wird die benötigte
Energie durch menschliche Muskelkraft erzeugt – zum Beispiel mittels
hocheffizienter Pedalgeräte des Künstler-Tüftlers Colin Tonks. Kaltwasser und Köbberling artikulieren in ihrer Arbeit ein elementares Thema
des Geländes, seiner Vergangenheit und seiner Zukunft: Das ehemalige
Bergbau-Areal soll zum CO2-neutralen Standort werden.
Eine kleine Bronze
Die vier Meter hohe Skulptur »Hase« des international renommierten Künstlers
Thomas Schütte – hier im Modell zu sehen – formt mit dem ehemaligen Kohlerundeindicker eine monumentale Installation. © MAP.
Thomas Schütte schließlich arbeitet an der vier Meter hohen Skulptur eines
Hasen. Das rot glänzende Artefakt soll – einer »drop sculpture« gleich – wie
aus dem Hut gezogen auf dem Mittelpodest des ehemaligen Kohlerundeindicker der Zeche auftauchen. So hält unvermittelt etwas Neues Einzug
in die industrielle Vergangenheit; scheinbar ohne Beziehung zu Ort, Zeit
oder sozialem Umfeld. Und dennoch trifft das Werk eine kontextbezogene
Aussage. Denn vor dem Hintergrund der Frage, wie sich angesichts der hier
schwer lastenden Geschichte eine offene Zukunft für diesen Ort und vor
allem für seine jungen Bewohner finden lässt, setzt Schüttes Arbeit ein Zeichen – leicht, spielerisch, frech und herausfordernd.
INFO
So stellt sich der dänische Künstler Jakob Kolding den »Fundort« für seine
Bronze in Form eines kleinen Kohlestücks im »Bergpark« vor. © MAP.
Der Däne Jakob Kolding nähert sich in seinem Schaffen immer wieder
den Themen Stadt, Raum und urbane Kultur. Seine Arbeit im Rahmen
von »Choreografie einer Landschaft« zeigt, wie man mit einfachen
Mitteln nicht nur die Weite des Parks, sondern auch den Raum der Erzählung und Vorstellung erschließen kann. Kolding hat eine schlichte
Skulptur erschaffen – ein klassisch in Bronze gegossenes Stück Kohle.
Kein großer »Brackmann«, wie er früher unter Tage gebrochen wurde,
sondern ein haushaltsübliches »Klümpken« von etwa zehn Zentimetern
Umfang. Dafür sucht der Künstler nun den idealen Ort. Das Stückchen
skulpturale Kohle soll – als habe es jemand versehentlich liegen lassen –
an einer unauffälligen Stelle im »Bergpark« platziert werden.
Die »Choreografie einer Landschaft« wird am 6. Juni 2015 ab 15.00
Uhr im Rahmen eines Festes im »Bergpark« in Dinslaken-Lohberg der
Öffentlichkeit vorgestellt. Kurator Markus Ambach lädt zu einer Führung
über das Gelände ein. Alle künstlerischen Arbeiten werden dauerhaft im
»Bergpark« verbleiben.
Dieses Projekt wird mit Mitteln des Ökologieprogramms im
Emscher-Lippe-Raum (ÖPEL) gefördert.
www.kql.de, www.choreografieeinerlandschaft.de
24 | KUNST SPECIAL
CHINA–IMPORT
INTERVIEW: STEFANIE STADEL
Alfred Ko : Sidewalk, 2014. © Alfred Ko, Courtesy of the artist.
Zu sehen im Museum Folkwang, Essen.
Diesmal kein Plastikspielzeug und auch keine Billig-T-Shirts. Das große Ausstellungsprojekt China 8 bringt im Mai
Kunst aus der Volksrepublik in acht Städte und neun Museen an Rhein und Ruhr. K.WEST sprach mit Walter Smerling,
der die künstlerische Gesamtverantwortung für das Großprojekt trägt.
K.WEST: Bereits seit den 90er Jahren gibt es hierzulande immer wieder
Präsentationen chinesischer Gegenwartskunst. Bisher hat sich aber nur
ein Name wirklich festgesetzt in den Ohren des deutschen Publikums:
Ai Weiwei.
SMERLING: Ai Weiwei ist ein wichtiger, sensibler und vor allem kritischer Geist und aus der Szene nicht mehr wegzudenken. Er ist sehr
schlecht behandelt worden. Wenn die Freiheit der Kunst in Gefahr ist,
dann schaut die westliche Welt eben ganz besonders genau hin. Ai Weiwei ist eine Symbolfigur für freie Meinung. Und seitdem er in Unfreiheit
lebt, konzentriert man sich noch mehr auf ihn. Doch die Kunstszene
in China besteht nicht nur aus Ai Weiwei, sondern aus einer Vielzahl
unterschiedlicher Positionen, die wir zeigen wollen.
K.WEST: Diese chinesischen Künstler seien dabei, eine eigene Sprache
zu entwickeln, so heißt es in den Info-Texten zu CHINA 8. Sie verfolgen
diese Entwicklung seit den 90ern mit Ausstellungen wie »China!« 1996
in Bonn und »Chinart« 2002 in Duisburg, die Sie beide mit auf den Weg
gebracht haben. Wie würden Sie beschreiben, was sich in den vergangenen 20 Jahren getan hat?
SMERLING: Viele der Künstler reflektieren in ihren Arbeiten, wie die
Wirtschaft das Land verändert – nicht zuletzt durch die Globalisierung,
nicht zuletzt durch die Produkte, die auch aus Deutschland ins Land
kommen. Es geht darum, wie sich soziale oder soziokulturelle Verhaltensweisen ändern. Dieser Paradigmenwechsel wird von keinem so intensiv
begleitet wie von den Künstlern. Dies geschieht aber heute nicht mehr so
laut und im Stil der westlichen Szene wie noch in den 90er Jahren. Damals
wurde oft die Sprache der amerikanischen Pop Art kopiert. Heute gehen
die Künstler ihren eigenen Weg, der auf chinesische Traditionen baut.
K.WEST: Wie viele Künstler werden gezeigt?
SMERLING: Wir haben in China über 200 Künstler besucht und 118 eingeladen. Nun warten wir auf die Antworten. Viele haben schon zugesagt.
K.WEST: Wenn Sie mit zeitgenössischen chinesischen Künstlern im Austausch stehen, dann werden Sie sicher auch viel erfahren über Repressionen, unter denen diese Künstler dort zu leiden haben – selbst ein so
prominenter wie Ai Weiwei. Wie sehen Sie die Situation der Künstler in
China, unter welchen Bedingungen müssen die Kreativen dort arbeiten?
SMERLING: Zunächst muss ich sagen, dass wir die westlichen
Wertvorstellungen nicht den asiatischen überstülpen können. Umgekehrt geht das auch nicht. Dass man Ai Weiwei verbietet auszureisen, ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar. Im Bereich der
Literatur gibt es Künstler, die noch größere Probleme haben – das
bedauere ich natürlich sehr. Aber das muss der chinesische Staat
für sich lösen. Wir können nur einen Dialog anbieten; genau das
will die Ausstellung. Denn ich glaube an den Wandel durch Dialog.
Deshalb wird es im Rahmen von CHINA 8 auch Konferenzen geben,
Diskussionen mit Künstlern und Politikern. Im Übrigen würde ich
sagen, dass es den bildenden Künstlern heute wesentlich besser geht
als noch vor 20 Jahren.
KWEST: Eine Ausstellung wie diese kann sicher nicht an den offiziellen Stellen vorbei organisiert werden. Liegt da nicht die Gefahr auf der
Hand, dass wir nur zu sehen bekommen, was Peking uns zeigen will?
SMERLING: Das kuratorische Team besteht aus drei Museumsdirektoren – Tobia Bezzola, Leiter des Museum Folkwang, Ferdinand Ullrich, Direktor der Kunsthalle Recklinghausen, und mir selbst. Wir
haben die Kunstwerke vor Ort gemeinsam ausgewählt. Dabei konnten wir uns frei – ohne Begleitung irgendeiner Kulturbehörde – in
China bewegen. Das Ergebnis unserer Recherchen in den Ateliers ist
eine Liste von über 400 Arbeiten, die wir bei CHINA 8 zeigen wollen.
Alle sind genehmigt worden, bei keinem einzigen Werk hat es Einwände von offizieller Seite gegeben. Dabei stand für uns immer fest:
Unter kuratorischen Gesichtspunkten wollen wir die Dinge hart und
kritisch diskutieren. Aber sobald auch nur ein Hauch von Zensur zu
spüren gewesen wäre, hätten wir das Projekt abgesagt.
K.WEST: Sind die Künstler, die bei CHINA 8 vertreten sind, in ihrer
Heimat bekannt? Dürfen sie dort überhaupt ausstellen?
SMERLING: Es sind bekannte und unbekannte darunter. Ob sie in China ausstellen dürfen, war für uns nicht maßgeblich. Wir haben uns nicht
etwa Künstler herausgepickt, die im Gefängnis saßen. Solche Kriterien
haben bei der Auswahl nicht die primäre Rolle gespielt. Wir machen ja
eine Kunstausstellung.
www.china8.de
K.WEST 04/2015 | 25
ZEITREISE AUFS LAND
Kasepää, Estland, 2005
(Haus S. Kivkora)
© Martin Rosswog, Lindlar;
VG Bild-Kunst, Bonn, 2015
Mäntymäki (bei Vilppula),
Finnland, 1995
(Haus T. Mäntymäki)
© Martin Rosswog, Lindlar;
VG Bild-Kunst, Bonn, 2015
Vale de Algoro, Portugal 2010
(Haus C. Cavalho)
© Martin Rosswog, Lindlar;
VG Bild-Kunst, Bonn, 2015
San Martín de la Vega
del Alberche, Kastilien, Spanien
(Haus von Thia Maria), 1992
© Martin Rosswog, Lindlar;
VG Bild-Kunst, Bonn, 2015
(im Uhrzeigersinn)
Wo IKEA weit weg ist: Der Becher-Schüler Martin
Rosswog hat sich mit der Kamera in ländlichen Höfen
und Häusern umgeschaut.
Von Holzöfen beheizte Räume, die von Schränken und Vorhängen in
Zimmer unterteilt werden; Wände, denen als einziger Schmuck Jesusbilder dienen; die Tischdecken aus gemustertem Wachstuch – so lebte es
sich auf dem Land. Früher, als Großmutter noch Marmelade eingekocht
und Opa den Sonntagsbraten im Stall küchenfertig gemacht hat. Wie lange mag das her sein?
Der sein Wohnen an IKEA-Standards ausrichtende Städtebewohner
kann kaum glauben, dass einige der Interieur-Aufnahmen, die der im
bergischen Lindlar lebende Martin Rosswog von seinen Reisen zu den
Rändern Europas mitgebracht hat, nur ein paar Jahre alt sind. Das Haus
von Carlos Carvalho im portugiesischen Ort Vale de Algoso etwa hat
Rosswog vor gerade mal fünf Jahren mit der Kamera vermessen und dabei auch einen Esstisch aufgenommen, der unter einem Sammelsurium
aus christlichen Devotionalien und Familienfotos seine Funktion nahezu
einbüßt. Ansonsten ist die Einrichtung des 80-jährigen Carvalho, der sich
und seine vielköpfige Familie als Schmied und Landwirt ernährte, von
pragmatischer Kargheit bestimmt. Schwer zu sagen, wo auf den Bildern
die Küche aufhört und die Werkstatt anfängt. Was vermuten lässt, dass die
Work-Life-Balance hier schon mal aus dem Lot gerät.
Seit den 1980er Jahren reist Rosswog, der bei Bernd Becher an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert hat, durch Europa, um eine im Verschwinden begriffene ländliche Lebenswelt zu dokumentieren. Er war in Estland,
Finnland, Rumänien, Russland, Spanien oder Portugal unterwegs, hat
Tausende von Kilometern zurückgelegt und dabei immer auch eine Zeit-
reise unternommen. In der formalen Disziplin, die er sich dabei auferlegt,
kann man unschwer die konzeptuelle Schule seines Lehrers Bernd Becher
erkennen: An jedem Ort entstehen ein Porträt der Bewohner, schwarzweiße Außenansichten des Hauses und des Grundstücks sowie farbige
Ablichtungen der Wohnräume.
Dreizehn dieser Serien hat der 1950 in Bergisch Gladbach geborene Rosswog
für die Ausstellung »Entlang Europa« in der Photographischen Sammlung
der SK Stiftung ausgewählt. Was sie zeigen, scheint auf faszinierende Weise
aus der Zeit gefallen. Selbst museumsreife Herde und alte Röhrenfernseher
wirken in den Räumen wie modernistische Fremdkörper. So ärmlich die
penibel aufgeräumten Behausungen manchmal auch scheinen, zeichnet
sie nahezu immer eine Farbenfrohheit aus, die dem Betrachter gute Laune
macht. Mit gelb lackierten Holzwänden, grünen Kaminen, leuchtend roten
Vorhängen oder hellblau gestrichenen Wänden widersetzen sich die Landleute anarchisch den Dezenz-Geboten der Einrichtungsmagazine. Doch bei
aller Unterschiedlichkeit der Anstriche und Möblierungen, sucht Rosswog
in der Vielfalt immer eine Art Archetypus ländlichen Wohnens.
Vor elf Jahren hat er ihn auch in Deutschland gefunden, auf dem Hof von
Klaus Schröder in Nasingen, gelegen in der Süd-Eifel. Ein bisschen steif,
dabei aber nicht unfreundlich, schaut der ehemalige Maurer in die Kamera, während die an den Körper gelegten Arme der Haltung eine soldatische Anmutung geben. Im Haus findet sich neben Holzkreuzen, Heiligendarstellungen und Familienfotos auch ein Sinnspruch, der diesem Leben
vielleicht zum Titel gereichen könnte: »Der Vater sorgt mit vieler Müh, für
seine Kinder spät und früh«. | ANK
Martin Rosswog: »Entlang Europa«;
bis zum 9. August 2015; Photographische Sammlung / SK Stiftung Köln
Tel.: 0221/888 950
26 | KUNST SPECIAL
KOSTEN NUTZEN RECHNUNG
TEXT: CHRISTEL WESTER
Helge Achenbach. Copyright: Eiskellerberg.tv
Nach dem Urteil: das System Helge Achenbach. Bis vor
kurzem war er einer der international erfolgreichsten
Kunstberater, mit zahlreichen Künstlern befreundet und
hatte beste Kontakte zu Museen in aller Welt. Zu seinen
schwerreichen Kunden gehörte auch der 2012 verstorbene
Aldi-Erbe Berthold Albrecht. Dessen Familie brachte
den Zampano der Kunstwelt zu Fall. Das Landgericht
Essen hat Helge Achenbach zu sechs Jahren Gefängnis
verurteilt.
Der Strafprozess gegen Helge Achenbach fand just zu einem Zeitpunkt
statt, an dem der Kunstmarkt mächtig in Verruf geraten ist. Er gilt als
Gelddruckmaschine, wo Abermillionen für eine Ware von nicht klar definierbarem Wert umgesetzt werden. Spätestens seit dem Skandal um den
Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi vor knapp vier Jahren gilt er zudem als
Waschanlage für Schwarzgeld, das über Scheinfirmen in Steuerparadiese
fließt. Doch wie Beltracchi fliegen auch dem Kunstspekulanten Achenbach
immer noch Sympathien zu. In der Kunstszene denken einige, dass der
wahrhaft Geschädigte Helge Achenbach heißt. Denn er hat nicht nur seinen Ruf, sondern auch sein gesamtes Vermögen verloren. Sein Lebenswerk ist ruiniert. Mit 62 Jahren sitzt er, gesundheitlich angeschlagen, im
Gefängnis.
Den Milliardären, die ihn angezeigt haben, entstand im Vergleich dazu
kein existenzieller Schaden. Im Gegenteil, die Werke, die Achenbach
ihnen vermittelte, haben größtenteils Wertsteigerung erfahren. Ein Bei-
spiel: Berthold Albrecht kaufte ein Gemälde von Gerhard Richter für 4,5
Millionen Euro. Gerade wurde bei einer Auktion ein Richter-Gemälde für
41 Millionen versteigert. Achenbachs Anwälte haben auch tatsächlich so
argumentiert: Wo kein Schaden entstanden sei, gebe es auch keinen Betrug.
Dieser Logik ist das Gericht nicht gefolgt. Richter Johannes Hidding warf
der Verteidigung sogar vor, Ressentiments gegen Milliardäre zu schüren.
In seiner Urteilsbegründung sagte er: »Das Vermögen wohlhabender Menschen ist vom Strafgesetzbuch genauso geschützt wie das normalverdienender Menschen«.
An 16 Prozesstagen fand vor dem Landgericht Essen eine umfangreiche
Beweisaufnahme statt. Dabei erfuhr man viel über die Usancen der sonst
extrem verschwiegenen Kunsthandelsbranche. Da werden Kaufentscheidungen in Millionenhöhe gern mal per SMS übermittelt, die Kunstwerke
häufig vorher nicht einmal angesehen, schriftliche Verträge sind selten,
fast alle Geschäfte basieren auf mündlichen Vereinbarungen – und natürlich sind alle Duzfreunde. Eben darauf baute Helge Achenbach seine
Geschäftsbasis auf: Vertrauen und Freundschaft. Dass er diese Grundlage
missbraucht habe, wurde in der Urteilsbegründung ausdrücklich betont.
Wie das System Achenbach funktionierte, legte Helge Achenbach selbst
in einem Teilgeständnis dar. Das Geständnis betraf seine Geschäfte mit
Berthold Albrecht. Ihm hat Achenbach in einem vergleichsweise kurzen
Zeitraum Kunst und Oldtimer für sehr viel Geld vermittelt: Zwischen
2009 und 2012 kaufte Albrecht Kunstwerke für rund 33 Millionen Euro
und Oldtimer für rund 63 Millionen Euro. Mündlich vereinbart war, dass
Achenbach Kunst und Oldtimer zu Einkaufspreisen weiterreicht und
K.WEST 04/2015 | 27
selbst eine Provision kassiert. Fünf Prozent für Kunst, drei Prozent für
Oldtimer. Das ist wenig, in der Branche sind höhere Margen üblich. Und
Achenbachs Aufwand war besonders hoch. Er hat seinen Kunden immer
mehr als nur Kunst verkauft. Rauschende Partys und exquisite Diners mit
Künstlern und Museumsleuten gehörten dazu. Also: soziales Prestige und
Teilhabe am glamourösen Milieu. Dass die Provisionen seine Kosten nicht
deckten, war Achenbach immer klar. Aber er wollte großzügig erscheinen
und holte sich das Geld über verdeckte Aufschläge, indem er Rechnungen
am Fotokopierer manipulierte (»collagierte«, wie er es nennt). Das flog
nicht auf, da der Freund keine Originalrechnungen verlangte.
Raffinierter musste er bei seinen Geschäften mit der Berenberg Bank vorgehen. Im Sommer 2011 ging die exklusive Privatbank eine Kooperation
mit Achenbach ein. Über die neu gegründete Firma Berenberg Art Advice
wollte man reichen Anlegern mit der Investitionsware Kunst eine Alternative bieten zu den in Misskredit geratenen Finanzprodukten. Hier trat
Achenbach über eine seiner anderen Kunstberatungsfirmen als Zwischenhändler auf und erzielte auf diese Weise ebenfalls verabredungswidrige
Aufschläge. Dabei nahm er eine unseriöse Doppelfunktion ein: Als Berater, der vorgibt seine Kunden in einem undurchsichtigen Markt vor überhöhten Preisen zu bewahren – und als einflussreicher Händler, der auf genau jenem Markt die Preise mitbestimmt und nebenbei Aufgeld kassiert.
Achenbach besaß eine starke Machtposition im Kunstbetrieb, wobei er
sich allerdings meistens gesetzeskonform verhielt. Im Strafprozess gegen
ihn traten nicht nur die illegalen Praktiken des Systems Achenbach zutage, sondern auch die durchaus legalen, die dennoch zu denken geben.
Dafür brauchte er willfährige Mitspieler und fand sie in den notorisch
klammen Museen. Denn bei Wertsteigerungen von Kunst kommt ihnen
eine bedeutende Rolle zu. Achenbach war gut darin, Museumsdirektoren
über Beiräte in seine Geschäfte einzubinden und Kooperationsmodelle
zwischen Sammlern oder Unternehmen und Museen zu initiieren. Museen sind aber öffentliche Institutionen, von Steuergeldern unterhalten.
Doch wenn ein privater Sammler oder ein Unternehmen ein Bild an ein
Museum verleiht, ist das Objekt nachher mehr wert, weil seine kunsthistorische Bedeutung jetzt als erwiesen gilt. Die Dauerleihgabe ist also ein
lukratives Anlagemodell, bei dem das Museum zudem die Versicherung
bezahlt und für fachgerechte Konservierung und Restaurierung aufkommt. Damit nicht genug: Ein Leihvertrag über zehn Jahre senkt die
Erbschaftssteuer, bei zwanzig Jahren entfällt sie komplett. Deshalb gehörte zum Dienstleistungs-Portfolio des Kunstberaters Achenbach neben der
Vermittlung von Kunst ebenfalls die Vermittlung von Leihverträgen mit
renommierten Museen. Manche Kunden wünschen dann, wie eine Zeugin im Prozess, noch eine Kopie in Originalgröße – fürs Esszimmer.
Letzteres Bild ist exemplarisch dafür, was passiert, wenn Kunst zum Spekulationsobjekt wird. Es handelt sich um eine frühe Arbeit von Georg
Baselitz: »Landschaft nach Trier« von 1958. Ursprünglich gehörte es dem
Fotografen Benjamin Katz, der es in der gemeinsamen Studienzeit vom
Künstler erworben hatte. Nun braucht er Geld, um sein eigenes fotografisches Werk sachgerecht zu archivieren. Katz ist mit seinen großartigen
Künstlerporträts und Ausstellungsfotos einer der wichtigsten Chronisten
der Kunstszene in Deutschland seit den 1960er Jahren. Sein Werk verdiente es, mit öffentlichen Geldern unterstützt zu werden. Doch die Kassen sind bekanntlich leer. Für 200.000 Euro verkaufte Katz seinen Baselitz
an Achenbach. Der verlangte beim Weiterverkauf an Kunden der Berenberg Bank 875.000 Euro – mehr als das Vierfache!
Allerdings hatte Katz den vergleichsweise niedrigen Preis deshalb akzeptiert, weil ihm der Ankauf eines Konvoluts seiner Fotografien in Aussicht
gestellt wurde, sobald der Baselitz verkauft sei. Ein nicht eingelöstes Versprechen – ausgerechnet durch dieses Bild flog das System Achenbach
auf. Der ehemalige Museumsdirektor Thomas Kellein, u. a. von 1996 bis
2010 an der Kunsthalle Bielefeld, arbeitet heute als freier Kunstberater.
Achenbach hatte ihn angeheuert. Zunächst hat auch er von den Preisaufschlägen profitiert, dann aber beim Baselitz-Bild als Whistleblower agiert
und damit letztlich den Fall ins Rollen gebracht. Doch auch wenn dieser
Deal am Ende nicht wie geplant lief, zeigt das Beispiel deutlich: Nur wer
über die nötigen Netzwerke verfügt, hat Erfolg auf dem Kunstmarkt. Und:
Nur wenige Werke werden gepuscht, andere verdrängt. Rekordpreise fressen Geld und Aufmerksamkeit. So werden Preispolitik und Marktstrategien zum Bewertungsmaßstab. Aber ist teure Kunst automatisch gute Kunst?
»Der schnelle Markt, die Gier nach Gewinnen, degradiert die Kunstwerke«, warnte Helge Achenbach vollmundig in seiner Autobiografie, die er
heroisch »Der Kunstanstifter« nennt. Heute wissen wir, dass seine unsauberen Geschäfte mit der Berenberg Bank bereits aufgeflogen waren, als das
Buch im Herbst 2013 erschien. Kurz darauf begannen die Ermittlungen.
Doch Achenbach nutzte die letzte Gelegenheit, sich als Kämpfer für das
Gute und Wahre zu stilisieren. »Wir müssen die Kunst vor dem Markt
schützen«, fordert ausgerechnet er, der diesen Markt mit geschaffen und
kräftig von ihm profitiert hat. Auf der letzten Seite verkündet er: »Ich hatte
immer das Ziel, das System transparenter zu machen.« Im Strafprozess ist
er diesem Ziel näher gekommen.
CHRONIK
Am 10. Juni 2014 wird Helge Achenbach am Düsseldorfer Flughafen verhaftet, er kam aus Brasilien, wo er das WM-Quartier
der deutschen Fußball-Nationalmannschaft mit Kunst ausgestattet hatte.
Am 9. Dezember 2014 wird vor dem Landgericht Essen der Strafprozess gegen ihn und seinen ehemaligen Geschäftspartner Dr.
Stefan Horsthemke eröffnet. Achenbach wird Betrug und Untreue gegenüber dem 2012 verstorbenen Aldi-Erben Berthold
Albrecht sowie gegenüber zwei Kunden der Kunstberatung der
Berenberg Bank zur Last gelegt. Horsthemke ist nur in die Geschäfte mit den Berenberg-Kunden involviert.
Am 20. Januar 2015 wird Achenbach in einem parallel zum Strafprozess laufenden Zivilverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf zu Schadenersatzzahlungen von 19,4 Mio. Euro an die Familie von Berthold Albrecht verurteilt. Achenbach hat Revision
gegen das Urteil eingelegt.
Am 16. März 2015 wird Achenbach zu sechs Jahren Gefängnis
verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte sieben Jahre gefordert.
Horsthemke wird zu einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung verurteilt.
Weiterhin ermittelt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf wegen
weiterer Betrugsfälle gegen Achenbach. Angezeigt haben ihn die
Gesellschafter der Sammlung Rheingold, die Achenbach 2002
ins Leben rief und deren Geschäftsführer er war. Die Sammlung
Rheingold kooperiert mit zahlreichen Museen u. a. aus NRW.
28 | SPECIAL KUNST
ALLES GANZ EINFACH
TEXT: STEFANIE STADEL
Imi Knoebel überall: Wolfsburg feierte
ihn kürzlich mit einer großen Werkschau,
ab Mai ist er in der Kunstsammlung K21
in Düsseldorf zu Gast. Zwischendurch
unternimmt der Künstler in Krefeld eine
Imi Knoebel, 2015. Mit der Arbeit: Winkel. Foto: Ivo Faber
Reise zu den Anfängen. In Haus Esters
versammelt Knoebel die wichtigsten Zutaten
seines Schaffens – ein Ensemble von 21
überwiegend frühen Arbeiten, die alles in
sich tragen, worauf es ihm ankommt.
K.WEST 04/2015 | 29
Er war blitzschnell fertig mit der Arbeit. Nun hängen, stehen, lehnen seine »Kernstücke« in den wunderschönen, an
diesem Nachmittag durch und durch sonnigen Wohnräumen von Haus Esters. Und Imi Knoebel – bekannt für seine
Schweigsamkeit in der Öffentlichkeit – nimmt sich Zeit für
ein Gespräch. Aber bitte ohne Mitschnitt. Er wolle sich nur
ein bisschen unterhalten, kein Interview geben, bemerkt er
gelassen lächelnd inmitten seiner Werke. Nicht mehr als
21 sind es, und ihre Schlichtheit verblüfft: ein grün angemaltes Blatt Papier, ein Pappkarton auf dem »Buffet«, zwölf
Hartfaserplatten als Wandverkleidung...
Aus einem riesigen, über fast fünf Jahrzehnte gewachsenen
Œuvre hat Knoebel das Wenige herausgepickt und anschließend im Düsseldorfer Atelier eigens für diese Ausstellung
neu produziert. Warum neu und nicht original? Eine Frage, die sich aufdrängt, aber leicht zu beantworten ist mit
Knoebels Affinität zum Konzeptualismus: Schon früh schien
ihm die Idee wichtiger als die Ausführung seiner Werke.
Deshalb kann das Produkt durchaus immer wieder anders
ausfallen. Auch jetzt in Haus Esters weicht das ein oder andere ab vom jeweiligen Prototyp – nicht zuletzt damit sich
die »Kernstücke« besser in die Räume fügen.
Locker verteilt mit viel Platz um sich herum kommen sie
dort zur Wirkung. Die Auswahl muss dem Künstler ungeheuer schwer gefallen sein, könnte man vermuten – bei
der Masse an Material. Doch Knoebel beeilt sich zu widersprechen: »Überhaupt nicht«. Schließlich wolle er nicht die
Breite zeigen, sondern allein die Grundgedanken seiner
Kunst zur Anschauung bringen. Jene Ideen, aus denen sich
alles entwickelt hat.
Die sind schnell beisammen: Die Linie gehört etwa dazu.
Unermüdlich erprobte Knoebel als junger Student alle
denkbaren Konstellationen: senkrechte Linien, waagerechte Linien, dicke und dünne in variierenden Abständen.
Hinzu kommt die Hartfaserplatte – eigentlich Knoebels
liebster Werkstoff. In Krefeld ist sie mehrfach präsent. Als
Wandschmuck, geschichtet oder zum Quader verbaut.
Dann das kleine, gänzlich grüne Blatt – es steht hier für
Farben, die seit den 70ern das minimale Werk ungemein
beleben. »Man könnte das Papier in den Boden stecken
und mein ganzes weiteres farbiges Werk daraus wachsen
sehen«, bemerkt er. Und jener Pappkarton auf dem »Buffet«? Er erinnert an jene Fundstücke, die sich seit den 80ern
immer wieder in sein Schaffen schmuggeln. All das, was
Knoebel in Krefeld arrangiert, gehört nun zusammen, ist
Teil eines Ganzen, dessen Präsentation er sich sehr wohl
auch an anderen Orten vorstellen kann.
Während der 74-Jährige kürzlich im Kunstmuseum Wolfsburg noch mit einer großen bunten Retrospektive auftrumpfte, bleiben bei diesem Ensemble die farbenfrohen
Episoden ganz außen vor. Nichts zu sehen ist etwa von den
knalligen Aluminiumarbeiten, von grellen Bändern, die
sich über monochrome Tafeln spannen, von Farbsplittern,
die auf der Fläche tanzen.
Diesmal entscheidet Knoebel sich für die absolute Reduktion
und antwortet damit auch auf die schlichte Architektur der
Bauhaus-Villa, die Ludwig Mies van der Rohe Ende der 20er
Jahre für die Industriellen-Familie Esters plante. Eine Umgebung, in der sich Knoebel offenbar außerordentlich wohl
fühlt. Allein der Blick in die Küche bringt ihn ins Schwärmen: das geradlinige Mobiliar, die Kacheln ohne Fugen.
Inzwischen sind drei Mitarbeiter von der Museums-Pädagogik gekommen und durchstreifen die sparsam bespielten
Ausstellungs-Räume. Wenn die Schau eröffnet hat, sollen
sie die Besucher durch die Grundlagen von Knoebels Schaffen geleiten. Doch der nimmt ihnen, noch bevor es losgehen
soll, den Mut: »Ja, da gibt es nichts zu sagen.« Es liegt beinahe etwas Triumphierendes in seiner Stimme, wenn diese
Bemerkung fällt.
Knoebel selbst hat dann doch noch eine Menge zu sagen,
weniger über die »Kernstücke« selbst, als vielmehr über
die Geschichten, die sie umgeben: Eine tragende Rolle
spielt darin der Freund Imi Giese. Gemeinsam mit ihm war
Knoebel einst beim Blättern durch einen Ausstellungskatalog auf Kasimir Malewitsch und den Suprematismus gestoßen. Eine echte Entdeckung. Vor allem war es die Idee des
»Nullpunkts der Malerei«, die Giese und Knoebel gefiel.
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30 | SPECIAL
KUNST KUNST
Imi Knoebel: Kernstücke, 2015. Installationsansicht Museum Haus Esters. © VG Bild-Kunst, Bonn 2015. Foto: Volker Döhne, Kunstmuseen Krefeld
Imi und Imi. Die liebevollen Phantasienamen hatten die
Kumpels sich schon in Darmstadt zugerufen, wo sie gemeinsam an der Werkschule studierten. Nur so lang, bis
sie 1964 das Foto eines blutenden Akademieprofessors aus
Düsseldorf in der Zeitung sahen. Joseph Beuys hatte beim
Fluxus-Festival in Aachen eins auf die Nase bekommen –
ihm wollten sie zur Hilfe eilen. Mit Stoppel-Haarschnitt und
hohen Schnürschuhen ohne Senkel beeindruckten sie Beuys
offenbar so sehr, dass er sie in seine Klasse aufnahm und bald
auch ihrer Forderung nach einem eigenen Raum nachkam.
Während die anderen Beuys-Schüler nun in Raum 18 der
Düsseldorfer Kunstakademie eher konventionellen Arbeiten nachgingen, lebten Knoebel und Giese nebenan im legendären Raum 19 ihre Imi-Identität aus und ließen dabei
das Vorbild des Professors links liegen. »Wir hatten den
Schlüssel, und kein anderer durfte hinein – ein ungeheures
Privileg.« Es scheint Knoebel heute noch zu wundern, wie
sie dazu kamen. Nach dem Raum benannte Knoebel 1968
auch sein sprödes Schlüsselwerk »Raum 19«. Eine Installation aus Blöcken, Keilrahmen und unbemalten Tafeln aus
Hartfaser. Damit fing alles an.
Hinter allem, was in Krefeld zu sehen sei, stehe dieser
»Raum 19«, sagt Knoebel, während er sich umschaut unter seinen »Kernstücken«. Es war wie eine Befreiung der
Malerei: Knoebels ungemalte Bilder eroberten den Raum,
wurden Skulptur, fügten sich zur Installation.
Um diese Zeit, Ende der 60er Jahre, begann Knoebel auch
damit, seine schnurgeraden Linien zu ziehen. Zigtausend Blätter füllte er, hatte dabei aber kaum den Vorsatz,
Kunstwerke zu produzieren. Viel eher ging es ihm darum,
Elementares zu schaffen. Eine Erinnerung an die jahrelange Fleißarbeit zieht sich jetzt in einer Ecke von Haus Esters dünn und dunkel auf Augenhöhe die Wand entlang.
Als Meister der Einfachheit tut Knoebel sich in Krefeld hervor
– nicht nur, was seine Kunst angeht. Auch seine Erklärungen
sind mitunter überraschend schlicht und geradeheraus. Eigentlich sei es ja ihrer mangelnden Begabung zu verdanken,
dass er und Freund Imi einst den Nullpunkt fanden und von
da aus neue Wege beschreiten konnten, wirft er nebenbei ein.
Es habe ihnen einfach das Talent zum abbildhaften Malen gefehlt, gesteht er und betrachtet dabei versonnen eine der braunen Hartfaserplatten – für ihn das »schönste Bild«.
Die Anfänge seien doch eigentlich für jeden das Wichtigste,
fährt er fort: »Die eigenen Mittel zu finden«. Für Knoebel
liegen diese Anfänge – wie in Haus Esters sehr anschaulich
klar wird – in der radikalen Auseinandersetzung mit der
Linie, der Fläche, der Farbe, dem Raum. Sie gehen zurück
auf jene beiden Heroen, deren Namen immer wieder fallen,
wenn die Rede auf Knoebel kommt: Malewitsch als Erfinder des »Nullpunkts«. Und Beuys.
Irgendwo auf einer Fensterbank in der Villa hat Knoebel ihm
ein Denkmal gesetzt. Ein schlichtes blaues Scheibchen, ähnlich jenem Glas, das Beuys ins Fenster seines »Büros für Demokratie« eingesetzt hatte. In Krefeld steht es aber nicht nur
zu Ehren des großen Lehrers. Auch dieses »Kernstück« will
einen Anfang markieren. Da liegt es nahe, dass man mit Blick
auf die eher unscheinbare Scheibe an jene überwältigenden
Dinge denkt, die Knoebel später mit dem Werkstoff schuf.
K.WEST
K.WEST04/2015
4/2015 | 31
Die Fenster der Kathedrale von Reims, wo er ein Spektakel
aus roten, gelben, blauen Splittern entfacht, das Kircheninnere in ein Feuerwerk der Farben taucht. Minimalismus auf
die Spitze getrieben. So weit kann man also kommen – selbst
wenn man mit den einfachsten Mitteln startet.
Es bleibt dabei. Die Anfänge seien für ihn das »Nonplusultra«, formulierte Knoebel einmal. Die Grundlagen liegen
ihm am Herzen. Den Rest akzeptiert der Künstler – wohl
oder übel. So klingt es zumindest: »Ich muss das Ungenügende oder das Ausschweifende oder auch das Unnötige
oder das, wo man sich selbst drin gefällt oder sich so wie
ein Hahn oder Gockel fühlt, auch haben.«
INFO
Don Eddy, Untitled (Volkswagen), 1971 (Detail), Foto © museum moderner kunst stiftung ludwig wien, Leihgabe der Österreichischen Ludwig Stiftung
Bis 23. August 2015
Museum Haus Esters, Krefeld
Tel.: 02151 / 975580
www.kunstmuseenkrefeld.de
Kunsthaus Graz
Universalmuseum Joanneum
HyperAmerika
Landschaft – Bild – Wirklichkeit
10. 04. – 30. 08. 2015
Lendkai 1, 8020 Graz, Di–So 10–17 Uhr
www.kunsthausgraz.at
Partner
Imi Knoebel: Kernstücke, 2015. Installationsansicht Museum Haus Esters.
© VG Bild-Kunst, Bonn 2015. Foto: Volker Döhne, Kunstmuseen Krefeld
32 | SPECIAL
KUNST KUNST
Rembrandt Harmensz. van Rijn: Selbstporträt mit zwei Kreisen, um 1665 bis 1669. The Iveagh Bequest, Kenwood House, London.
K.WEST 04/2015 | 33
der triumph des alters
TEXTE: ALEXANDRA WACH
Amsterdam zeigt das Spätwerk von
Rembrandt in seltener Vollständigkeit.
Die vorausgegangene Präsentation in London
musste noch auf vier Spitzenleihgaben
verzichten. Mehr als 100 Gemälde aus aller
Welt, Zeichnungen und Druckgrafik spiegeln jetzt im Rijksmuseum die letzten 18
Schaffensjahre des genialen Erneuerers, in
denen sich sein Stil veränderte und die
Motive die große Emotion nicht scheuten.
KARTEN:
WWW.PACT-ZOLLVEREIN.DE
TICKETS @ THEATER-ESSEN.DE
FON +49(0)201.812 22 00
UND AN DER ABENDKASSE
PACT Zollverein
Choreographisches Zentrum NRW GmbH
Bullmannaue 20 a, 45327 Essen
Fon +49(0)201.289 47 00
Choreographisches Zentrum NRW GmbH
wird gefördert vom Ministerium für Familie,
Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes
NRW und der Stadt Essen.
Tanzlandschaft Ruhr ist ein Projekt der
Kultur Ruhr GmbH und wird gefördert vom
Ministerium für Familie, Kinder, Jugend,
Kultur und Sport des Landes NRW.
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Der Blick des rothaarigen Mannes schwankt zwischen
Gelassenheit und Abgeklärtheit. Sein orange schimmernder Reitermantel hängt über der Schulter. Der Körper
ragt aus einem dick aufgetragenen Schwarz hinaus, das
die linke Leinwandseite dominiert. Die Lederhandschuhe
verschwimmen in Bewegung und scheinen einen beinahe
abstrakten Kontrapunkt zum Rest der Momentaufnahme
zu bilden. Dass man das Porträt von Jan Six in der faszinierenden Überblicksschau »Der späte Rembrandt« zu sehen
bekommt, gleicht einem Glücksfall. Seit 400 Jahren befindet es sich im Familienbesitz. Damit es ausgeliehen werden
durfte, musste der Anlass stimmen. Der Fokus auf die Spätphase des berühmten Urhebers hat die Nachkommenschaft
offenbar überzeugt. 1654 bestellte der Amsterdamer Regent, Mäzen und Kunstsammler bei seinem Freund Rembrandt van Rijn das Auftragswerk. Da steckte der einstige Künstlerfürst bereits in finanziellen Schwierigkeiten. Der drohende Bankrott versetzte
ihn aber keineswegs in eine kreative Angststarre. Statt sich
dem herrschenden Geschmack seiner Auftraggeber und Konkurrenten anzupassen, zog es Rembrandt vor, den barocken
Zeitgeist mit gewagten Experimenten zu hinterfragen. Vielleicht, weil er sein »Burnout« schon hinter sich hatte.
Der Wandel seines Stils setzte bereits 1642 nach der Vollendung der epochalen »Nachtwache« und dem Tuberkulosetod seiner ersten Frau Saskia ein. Zuvor waren drei
Kinder aus der Ehe kurz nach der Geburt gestorben. Die
manische Produktion, geschätzt über die Niederlande
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34 | SPECIAL KUNST
hinaus, erlahmte plötzlich. Und das, obwohl der Witwer
und Vater des einjährigen Titus einen Hauskredit abzuzahlen hatte. Die neue Haushaltshilfe Geertje Dircx wurde
seine Geliebte. Als sich ihre Hoffnungen auf eine Heirat
nicht erfüllten und die jüngere Hendrickje Stoffels ihren
Platz einnahm, verklagte die Abgewiesene Rembrandt erfolgreich auf Unterhaltszahlungen.
Es folgten Jahre des mühsamen Überlebens und einer
Selbstsuche, die bis zu seinem Tod 1669 in einem innovativen Arbeitsrausch kulminierte. Die hohen Preise, die Rembrandt selbstbewusst in dieser kritischen Phase verlangte,
beschleunigten zusätzlich seinen ökonomischen Abstieg.
Er verlor erst seine Kunstsammlung, dann das repräsentative Haus. Manch ein Käufer verweigerte die Zahlung mit
vorgeschobenen Argumenten. Ohnehin brach der Kunstmarkt kriegsbedingt ein. Zurückgeben wollten die mit breitem Pinselstrich und pastoser Farbsetzung aufwartenden
Ölraritäten trotzdem nur die wenigsten. Parallel entstanden expressive Selbstporträts, in die sich
die Spuren der sich häufenden Schicksalsschläge eingruben. Der Verlust von Hendrickje, mit der er Cornelia gezeugt hatte. Von seinem 27-jährigen Sohn, der an der Pest
starb. Gleich im ersten Saal saugen drei dieser Bildnisse
den Betrachter in ihre seelischen Landschaften ein. Keine
grinsenden Selfies, sondern Zeugnisse einer schmerzhaften
Selbstbefragung am Spiegel. Rembrandt versteckte weder
seine Tiefs noch den alternden Körper. Ein ungeschönter
Realismus war ihm lieber als altersschwache Kompromisse.
Ohne das Ersparte der Tochter drohte ihm zwar längst die
Obdachlosigkeit. Ein Grund mehr, um Unerhörtes zu riskieren. Er malte seine grauen Haare, die schlaffer werdende
Haut und die Pigmentflecken. Den gebrochenen Stolz. Das
ironische Lachen über die eigene Gebrechlichkeit. Er verkleidete sich aber auch in Fantasiegewänder und schlüpfte
in die Rolle von Aposteln. Dabei fixierte er den Betrachter
aus dem Halbdunkel, um ihn an seine eigene Sterblichkeit zu
erinnern. Sein Blick ist mal sanftmütig, mal verzweifelt. Aber
immer lebendig, weise und auf unheimliche Art präsent.
Innerhalb des im frisch renovierten Philipsflügel nach Themen wie Kontemplation, Versöhnung, Licht oder Selbstbildnisse strukturierten Parcours ragt das aus Braunschweig
kommende »Familienbildnis« von 1665 heraus. Rembrandt
treibt hier seine Spezialität, die mikroskopisch schillernde
Wiedergabe von Stoffstrukturen, zu neuen Höhenflügen
an. Der nach 70 Jahren erste Ortswechsel des phänomenalen Gemäldes wird gekürt von der Nachbarschaft mit der
ebenso intimen »Judenbraut«. Isaak legt auf dem säkularen
Liebesbeweis seiner Braut Rebecca die Hand auf die Brust
und wirbelt damit die Klischees über die calvinistisch prüden Niederlande durcheinander. Beide sorgen in dem dunkelgrau gestrichenen Raum für ein
ockerfarbenes Sinnenfest aus Rot-, Gelb-, Braun- und Goldtönen. Grün und Blau sind Mangelware. Dafür gelangt die
Farbe direkt mit dem Spachtel auf die Leinwand. Nicht selten
mit Hilfe von Fingern und Daumen, die der Farboberfläche
freien Lauf lassen. Auch das größte Gemälde, das Rembrandt
jemals schuf, ist mit von der Partie. »Die Verschwörung des
Claudius Civilis« kommt aus der Königlichen Schwedischen
Akademie der Schönen Künste. Eine versteckte Lichtquelle überstrahlt auratisch eine gegen die Römer angeführte Konspiration, die sich als Verweis auf den Aufstand der
Niederländer gegen die spanischen Besatzer lesen lässt. Dass
Rembrandt die Hauptfigur unverkennbar einäugig darstellte
und deren Gesellen eine ähnlich derangierte Figur machten,
erzürnte seine Auftraggeber. Das Honorar sah er nie.
Quer gegenüber sorgt die »Anatomische Vorlesung des Dr.
Deyman« von 1656 für ein hyperrealistisches Rendezvous
mit dem Tod. Das Gruppenporträt gehört zu einer Besonderheit der niederländischen Malerei des »Goldenen Zeitalters«.
In dem bis heute modern wirkenden Genre kam das bürgerliche Selbstverständnis mit einem Sinn für die Schwingungen des Kollektivs zur Geltung. Ob Schützenvereinigungen,
Kaufmannsgilden, die Vorsteher von Wohlfahrtseinrichtungen oder Chirurgenkörperschaften – sie alle setzten sich bei
den berühmtesten Malern ihrer Zeit ins Bild und dokumentierten so für beachtliche Summen ihre gelungene Karriere.
Auf das Konto von Rembrandt und seiner Werkstatt gingen
gleich mehrere Prachtexemplare der Gattung, darunter die
ungewöhnlich narrativ aufgeladene »Nachtwache« und die
unvermeidlichen Obduktionsszenen. Das Fragment in der
Schau zeichnet sich durch eine besondere Drastik aus. Zu
sehen sind nur der Oberkörper und die Hände des Dr. Deyman, der ein Gehirn aus dem blutigen Schädel eines Leichnams herausnimmt. Die Bauchdecke ist offen. Im Vordergrund drängen sich die dreckigen Füße des Sezierten auf.
Die aus dem British Museum stammende Zeichnung
»Schlafende junge Frau« könnte nicht kontrastreicher ausfallen. Sie kommt mit wenigen Strichen aus und ähnelt
doch einem japanischen Tuschekleinod. Auch die Porträts,
die er von anderen malte, trotzen dem Zwang zur Schönfärberei. Alte Frauen zeigt der Nonkonformist in Nahaufnahme beim Lesen, mit all ihren Makeln, erhaben über
die irdischen Nichtigkeiten. In der Drucktechnik radiert
Rembrandt direkt in die Platte, um stärkere Schwarz-WeißKontraste zu erreichen und das Spiel aus Licht und Schatten dramatischer erscheinen zu lassen. Wie ein Rückfall in
vergangene Konventionen wirkt dagegen das einzige Reiterbildnis, das er jemals gemalt hat. Da entgleitet dann der
Zeitgenosse von Descartes und Grimmelshausen in eine
privilegierte Schicht, die sich außerhalb der Niederlande
vor allem ihrer hemmungslos idealisierenden Selbstinszenierung widmete. Ein kleiner Ausrutscher in einem magischen Fortissimo der Conditio humana.
INFO
Bis 17. Mai 2015
Rijksmuseum Amsterdam
Reservieren: rijksmuseum.nl/de/rembrandt
www.rijksmuseum.nl
K.WEST 04/2015 | 35
BESUCHEN
SIE UNS
AUF DER
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36 | SPECIAL
KUNST KUNST
Isaak Julien: Green Screen Goddess No.1 (Ten Thousand Waves), 2010. Endura Ultra Fotografie
WOHIN MAN AUCH SCHAUT
TEXTE: KATJA BEHRENS
Belgien und die Niederlande sind nicht weit. Und auch
was dort läuft, kann sich sehen lassen. K.WEST hat die
Höhepunkte im Ausstellungs-Frühling herausgepickt.
DEN HAAG
GEMEENTEMUSEUM »BERLINDE DE BRUYCKERE. SCULPTURES & DRAWINGS 20002014« bis 31.5. 2015
Seien es Pferdekörper oder Menschenleiber – die verwundbare Kreatur
ist eines der zentralen Themen ihres Arbeitens. Dabei scheint die Sorge
um die fragile Existenz aller Natur in die Haltungen und Oberflächen
der Skulpturen von Berlinde de Bruyckere eingeschrieben.
www.gemeentemuseum.nl
AMSTERDAM
MAASTRICHT
STEDELIJK MUSEUM »THE OASIS OF MATISSE« bis 16.8. 2015
Der Kampf der Bildgegenstände, die gleichzeitig dreidimensionaler realer Körper und zweidimensionales dekoratives Element sein wollen, ist
in seiner Malerei zu einem großartigen und riskanten Spiel geworden.
Dies zeigt sich nun auch wieder im Stedelijk Museum, wo Henri Matisse
(1869-1654) mit einer großen Ausstellung gefeiert wird. Die Harmonie,
in die der französische Maler die widerstreitenden Bildelemente mit leisem Nachdruck zwingt, ist atemberaubend. Dafür wird sich der Weg
nach Amsterdam lohnen.
www.stedelijkmuseum.nl
BONNEFANTENMUSEUM »HENRI DE FROMANTIOU. ROYAL ILLUSION«
bis 28.6. 2015
Augentäuschende Nachahmungen von Tierfell und Tulpenblättern,
verrenkte Hühnerhälse und glänzendes Edelholz, weiche Pfirsiche
und pralle Weintrauben. Das Bonnefantenmuseum zeigt die allererste Retrospektive des in Maastricht geborenen Stilllebenmalers Henri
de Fromantiou (1633/34 –1694). Der Künstler war eine Zeitlang auch
als Hofmaler, Restaurator und Konservator in Potsdam tätig. Und als
Kunsthändler gelang es ihm, mehrere Fälschungsversuche aufzudecken.
www.bonnefantenmuseum.nl
K.WEST 04/2015 | 37
OTTERLO
KRÖLLER-MÜLLER MUSEUM »»VAN GOGH INSPIRIERT VON ZEITGENOSSEN«
25.4. bis 27.9. 2015
2015 ist in den Niederlanden und Belgien das Van Gogh-Jahr, zu seinem
125. Todestag wird der Meister mit dem abgeschnittenen Ohr und dem
unverwechselbaren Pinselstrich mit vielen Ausstellungen geehrt. In Otterlo: Stillleben, Landschaften, Natur, Stadtbilder und Porträts, Gemälde
und Zeichnungen des Holländers und seiner Kollegen.
www.kmm.nl
ROTTERDAM
MUSEUM BOIJMANS VAN BEUNINGEN »LA LA LA HUMAN STEPS«
bis 17.5. 2015
Eine Ausstellung mit gut hundert Arbeiten aus der Museumssammlung,
die alle mit dem Scheitern als Conditio humana, als Bedingung des
Menschseins, umgehen. Vier Top-Choreografen entwickeln ein Duett
speziell für diesen Anlass. Einmal aufgeführt, werden die gefilmten Performances in der Schau permanent zu sehen sein. Mit dabei: Pippilotti
Rists Videoinstallation »Laat je haar neer«.
www.boijmans.nl
Henri de Fromantiou: Stilleven met dode haan en haas,
Collectie Bonnefantenmuseum. Foto: Peter Cox.Endura Ultra Fotografie
MUSEUM HAUS ESTERS. KREFELD
MUSEUM HAUS LANGE. KREFELD
IMI KNOEBEL KERNSTÜCKE
22. MÄRZ BIS 23. AUGUST 2015
DAVID REED
The Mirror And The Pool
22. März – 23. August 2015
Mit großzügiger Unterstützung
www.kunstmuseenkrefeld.de
38 | SPECIAL KUNST
Henri Matisse: Deux odalisques dont l‘une dévetue, fond ornemental et damier, 1928.
Moderna Museet, Stockholm. © Succession H. Matisse, c/o Pictoright Amsterdam, 2014.
TILBURG
MUSEUM DEPONT »ISSAC JULIEN. RIOT. PLAYTIME U.A., TEN THOUSAND WAVES ... «
bis 31.5. 2015
Die vielteilige Videoarbeit »RIOT« von Isaak Julien untersucht auf unnachahmliche Weise das Verhältnis von globaler Finanzkrise und zeitgenössischer Kunst. Überblicken kann man das Ganze nicht, eintauchen
in Juliens poetische Bildsprache und die experimentellen Narrative aber
auf jeden Fall. Daneben sind auch andere seiner starken Film- und Fotoarbeiten zu sehen.
www.depont.nl
WIELS. CONTEMPORARY ART CENTRE
»BODY TALK: FEMINISM, SEXUALITY AND THE BODY IN THE
WORK OF SIX AFRICAN WOMEN ARTISTS«
bis 3.5. 2015
Wie sehen Feminismus und Body Art in Afrika aus? Wie arbeiten junge
afrikanische Künstlerinnen mit dem Thema Sexualität? Was ist ihnen
der Körper? Instrument zur Repräsentation, ein Feld der Selbsterforschung? Sechs Künstlerinnen aus verschiedenen Regionen Afrikas und
der Diaspora untersuchen in ihrer Kunst den Körper mit all seinen Einschreibungen und Bezügen zu historischen oder politischen Figuren.
Ein kritischer Widerhall eines speziellen afrikanischen, schwarzen Feminismus.
www.wiels.org
GENT
MSK MUSEUM VOOR SCHONE KUNSTEN JULIA MARGARET CAMERON
bis 14.6.2015
Sie war eine der ersten Fotografinnen überhaupt, träumerisch oder theatralisch ihre Bilder. Julia Margaret Cameron (1815-1879) schuf wunderbar arrangierte Porträts, suggestiv und weichgezeichnet. Ein bisschen
religiös angehauchte Romantik, ein bisschen Fin de Siècle, ein bisschen
David Hamilton. Zu ihrem 200. Geburtstag ist die britische Fotopionierin im MSK Gent zu Besuch, ihre einzige Ausstellung auf dem europäischen Kontinent.
www.mskgent.be
MONS 2015
EUROPÄISCHE KULTURHAUPTSTADT
ANTWERPEN
RUBENSHUIS »RUBENS PRIVAT. DER MEISTER PORTRÄTIERT SEINE FAMILIE«
bis 28.6. 2015
Einer der bedeutendsten und fleißigsten Barockmaler der südlichen Niederlande: Peter Paul Rubens (1577-1640) hat nicht nur die wichtigsten
historischen Ereignisse sowie mythologische und religiöse Großerzählungen in ungeheuerlichen Bildfeuerwerken verewigt. Er hat auch ganz Privates, mitunter seine nächste Umgebung ins Bild gesetzt: die Ehefrau, seine
Kinder, die Schwestern und Brüder. Und sich selbst. Leidenschaftlich und
hingebungsvoll ist der Künstler auch hierbei gewesen.
www.depont.nl
BRÜSSEL
KONINKLIJKE MUSEA VOOR SCHONE KUNSTEN VAN BELGIE »RETROSPEKTIVE MARC CHAGALL«
bis 28.6. 2015
Fliegende Kühe, Geiger und Tauben, Liebespaare und Märchen. Die große Sonderausstellung zum Werk Marc Chagalls legt ihr Hauptaugenmerk
auf die russische Periode des Künstlers. Mit bedeutenden internationalen
Leihgaben sicher eine bemerkenswerte Schau.
www.fine-arts-museum.be
Das tschechische Pilsen ist 2015 die eine Kulturhauptstadt Europas, die
belgische Kleinstadt Mons ist die andere. Hier, 65 Kilometer südwestlich
von Brüssel, im ehemaligen Kohlerevier Belgiens, hat sich der Abschied
von der Zechenindustrie auch auf das Leben der Menschen ausgewirkt.
Im Kulturhauptstadtjahr 2015 wird nun versucht, mit Kunst und Kultur,
mit Theater, Musik, Literatur und allen nur denkbaren Mischformen gegen
den Stillstand anzukämpfen: Vom Heiligen Georg und seiner Rolle in der
Kunstgeschichte bis zur Monumentalskulptur aus China spannt sich der
Bogen im Veranstaltungsprogramm.
MUSÉE DES BEAUX-ARTS »VAN GOGH IN BORINAGE«
bis 17.5.2015
Für einen Höhepunkt im Ausstellungsprogramm der Kulturhauptstadt
sorgt Vincent van Gogh. Die Ausstellung im Musée des Beaux-Arts beleuchtet seine Zeit in Mons: 1879 war van Gogh als Prediger in die Region
gekommen, zwei Jahre später nur gelangte er zur Überzeugung, dass die
Malerei und die Zeichenkunst seine wahre Berufung seien. In der Ausstellung wird die wallonische Industrielandschaft Borinage deshalb als künstlerische Geburtsstätte des Meisters gefeiert. Seine Vorliebe für realitätsnahe
Themen des täglichen Lebens der Bauern und Arbeiter sei hier verwurzelt.
Bis ins spätere Werk finden sich Reminiszenzen an Borinage – dies belegt
die Schau mit gut 50 Werken.
www.mons2015.eu
www.bam.mons.be