Fachbeitrag aus der MTZ Ausgabe 5/2015 - ISOLITE Turbo

ENT WICKLUNG AUFL ADUNG
Innenliegende
Isolierung für ein
mehrteiliges
Turboladergehäuse
AUTOREN
Isolite hat gemeinsam mit einem führenden Turboladerhersteller
ein patentiertes mehrteiliges Turbinengehäuse für einen Turbolader
entwickelt, das von innen effektiv mittels Steckisolierung gedämmt
ist. Erklärte Ziele sind ein deutlich verbesserter Energieerhalt im
Abgasstrang, eine reduzierte Materialbeanspruchung und gleichzeitig eine deutliche Emissionsverringerung.
Matthias Kroll
ist Geschäftsführer der
Isolite GmbH in Ludwigshafen.
Dipl.-Wirtsch.-Ing. Bernd Henrich
ist Programm-Manager bei der
Isolite GmbH in Ludwigshafen.
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DÄMMSYSTEME GEWINNEN
AN BEDEUTUNG
Komponenten der Abgasnachbehandlung
benötigen mehrere Hundert Grad Celsius
Betriebstemperatur, um effizient zu
arbeiten. Je schneller sie diese erreichen,
desto geringer ist der Emissionsausstoß,
der über den Flottenverbrauch entscheidet. Das Aufheizen der Fahrzeugkatalysatoren bedeutet einen zusätzlichen
Wärme- beziehungsweise Energiebedarf,
was durch einen vorübergehend erhöhten Kraftstoffverbrauch zudem einen
temporären Emissionsanstieg impliziert.
Hier ist eine alternative Lösung gefragt.
In Zeiten steigender CO2- und NOxRichtlinien benötigen OEMs deshalb
zunehmend Dämmsysteme zur Applikation am Abgasstrang, um mittels
Energie- beziehungsweise Wärmeerhaltung in den heißgasführenden
Komponenten die Fahrzeugkatalysatoren möglichst schnell aufzuheizen.
Heute ist es gängige Praxis, für diesen
Zweck eine außenliegende Isolierung
zu verwenden, um neben der Energieerhaltung auch angrenzende Bauteile
thermisch gegen die abgestrahlte
Wärme zu isolieren, BILD 1.
Damit gehen verschiedene materielle
Herausforderungen einher. Einerseits
bedeutet es, dass die Energie in dem
isolierten Bauteil (Turbolader) gehalten
wird und die thermischen Anforderungen an dessen Material entsprechend
groß sind, womit in der Regel entsprechend hohe Kosten verbunden sind.
Andererseits beziehen sich die erheblichen Ansprüche auch auf die umliegenden Komponenten, die ausreichend hitzefest gefertigt sein müssen, was die
Materialwahl stark einschränkt. Letztlich bedeutet es zudem einen Verlust an
Energie, die im Abgasstrang dringend
für die Nachbehandlung benötigt wird.
Statt das Turboladergehäuse außenliegend zu isolieren, geht der Dämmspezialist Isolite neue Wege und fokussiert sich bei einem aktuellen Projekt
auf eine innenliegende Dämmung.
Entscheidend für eine konzentrierte,
simultane Prozessstruktur war die enge
Abstimmung und Zusammenarbeit mit
dem Entwicklungspartner, einem der
führenden Hersteller von Turboladern.
Indem die Ingenieure dort ein mehrteiliges Turbinengehäuse konstruierten,
ermöglichten sie die Montage eines
innenliegenden Dämmkörpers.
KONSTRUKTION DES
DÄMMKÖRPERS
Isolite verfügt auf dem Gebiet der innenliegenden Dämmung über jahrzehnte-
lange Expertise aus der Luftfahrt und
der industriellen Energieerzeugung, speziell bei Gasturbinen. Hinsichtlich automobiler Anwendungen gab es bislang
ausschließlich die Möglichkeit einer eingegossenen Turboladerauskleidung, die
jedoch logistisch einen sehr anspruchsvollen Produktionsprozess erforderte.
Entsprechend entschieden sich die
Ingenieure beim Entwicklungsprozess
schnell für eine sogenannte BlanketLösung in Sandwichbauweise. Das
Innere des Dämmkörpers besteht dabei
aus der bewährten, expandierenden
Silikat-Langfaser Isolite XP. Der vielseitige
Dämmstoff verfügt neben einem hohen
akustischen Absorptionspotenzial über
eine besonders niedrige spezifische
Wärmeleitfähigkeit λ, der Indexbereich
reicht von 0,059 W/(m∙K) bei circa 400 °C
bis 0,129 W/(m∙K) bei 1000 °C, BILD 2.
Das flexibel einsetzbare Material eignet
sich besonders gut für geometrisch
anspruchsvolle Bauformen, da es über
eine Art von „Popcorn-Effekt“ verfügt:
Beim ersten Aufheizen vergrößert sich
das Volumen einmalig um bis zu 30 %.
Auf diese Weise passt sich der Werkstoff
der individuellen Bauraumgeometrie
maßgenau an [1]. Im vorliegenden Fall
bedeutet dies eine Anpassung an die ihn
umschließende Ummantelung. Entscheidend für eine dauerhaft optimierte Däm-
BILD 1
Beispielhafter
Aufbau einer
Hochtemperaturisolierung
05I2015
76. Jahrgang
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ENT WICKLUNG AUFL ADUNG
BILD 2 Wärmeleitfähigkeit des
Dämmmaterials Isolite XP
mung ist, dass beim Abkühlprozess
keine Kontraktion des Materials stattfindet und die Isolierfasern sicher zwischen
den Linern eingeschlossen sind. Aus diesem Grund arbeitet Isolite mit einem
hochmodernen Punktschweißverfahren.
Bei der Werkstoffwahl für die Liner
der Steckisolierung war primär das Verhalten des Materials unter Hitzeeinwirkung entscheidend. Zusätzlich zur generellen Eignung für Hochtemperaturanwendungen war eine möglichst geringe
Materialausdehnung gefragt, um minimale Toleranzen realisieren zu können.
Die äußere Schicht, die die Innenseite
des Turbinengehäuses berührt, besteht
aus einer etwa 0,3 bis 0,5 mm starken,
tiefgezogenen Schale aus Edelstahl
(1.4828). Alternativ ist es möglich, hier
Inconel (2.4816) einzusetzen, eine korrosionsbeständige Nickelbasislegierung,
die sich ideal für Hochtemperaturapplikationen eignet. Dabei kann ein Tiefziehradius von 1,5 mm erzielt werden. Bei
der Deckschicht (Innenliner), also der am
weitesten innenliegenden Schicht, wird
ebenfalls Edelstahl verwendet, hier in
einer Stärke von etwa 0,4 bis 1,0 mm,
da diese Schicht dem direkten Heißgasstrom ausgesetzt ist, BILD 3. Die Charakteristiken des Heißgasstroms blieben
selbstverständlich erhalten, um neben
einer guten Isolierwirkung auch ebensolche Strömungsführungseigenschaften
zu gewährleisten.
Generell stellt die Fertigung des innenliegenden Dämmkörpers im Vergleich
zur außenliegenden Isolierung jedoch
spezielle Ansprüche an einen Tier-2-Zulieferer. Mit ±0,25 mm gestattet das eingesetzte Isoliermaterial lediglich 25 bis
50 % der sonst möglichen Toleranzen.
MATERIALWAHL BEIM
TURBINENGEHÄUSE
Bei heutigen Pkw-Motoren entstehen
im Abgasstrom Temperaturen von
etwa 850 bis 950 °C. Stand der Technik ist, eine außenliegende Dämmung
mit Oberflächenschutz auf das Gussbauteil aufzubringen. Beispielsweise
kann durch eine etwa 5 mm dicke
Isolierung eine Oberflächentemperatur von unter 400 °C erreicht werden.
Das bedeutet jedoch, dass der Turbolader die entstehende Hitze nicht ablei-
BILD 3 Innenliegendes Dämmsystem
im Abgasstrom
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ten kann, sondern sie im Guss hält.
Aufgrund dieser gestiegenen thermischen Belastung ist der Hersteller
bei der Materialwahl oftmals deutlich
eingeschränkt. So muss beispielsweise
auf D5S (austenitisches Gusseisen mit
Kugelgraphit) ausgewichen werden,
wenn das ver wendete SiMo (Legierung
mit Silizium und Molybdän) für den
Guss des Turbinengehäuses den Temperaturanforderungen nicht mehr dauerhaft gerecht wird.
Durch die gesteckte innenliegende Isolierung hat das Turbinengehäuse jedoch
keinen direkten Kontakt mehr mit dem
Abgasstrom, es wirken also entsprechend verringerte thermische Belastungen auf das Material. Folglich wächst
die Flexibilität bei der Materialauswahl,
was eine potenzielle Kosten-, Werkstoffund Gewichtsreduzierung impliziert, da
nun andere Lösungen anstelle konventioneller Turbinengehäuse aus Stahlguss
denkbar sind, BILD 4. Alternativ ist es
möglich, das gegenwärtig verwendete
Material beizubehalten und durch die
entfallende außenliegende Isolierung
mit einer minimierten Wanddicke zu
arbeiten. Konkret bedeutet dies eine
Gewichtseinsparung von circa 15 bis
30 %, mit der entsprechend reduzierte
CO2- und NOx-Emissionen einhergehen.
SIMULTANENTWICKLUNG
Um ein ideales Ergebnis zu erzielen,
war ein auf Tier-1- und Tier-2-Ebene
pa rallel verlaufender Entwicklungsprozess unumgänglich. Dem ging die
gemeinsame Entscheidung voraus, ein
innenliegendes Dämmsystem zu verwenden. Entsprechend erfolgte die Konstruktion des Turboladergehäuses – speziell
auch unter Berücksichtigung einer zuverlässigen Lagerung des Dämmbauteils
im Gehäuse. Die Geometrien beider
Komponenten müssen dafür optimal
aufeinander abgestimmt sein.
Auf einem standardisierten Turboladerprüfstand erfolgten weitere Analysen. Hierbei wurde bei einem Heißgasstrom gemessen, der für durchschnittliche Pkw-Applikationen zwischen 0,013
und 0,32 kg/s liegt. Der Prüfaufbau
ermöglichte ein breites Spektrum regelbarer Heißgastemperaturen (150 bis
1200 °C) und einen Heißgasdruck von
circa 6 bar. Auf diese Weise konnten
die Ingenieure den Mehrwert der eingesetzten Isolierung für den Temperaturerhalt im Abgasstrom defi nieren.
Wie stark verwoben die einzelnen
Stränge des Entwicklungsprozesses
waren, macht die Wechselwirkung
zwischen Gehäusematerial und Dämmstärke deutlich. Eine aufwendige Machbarkeitsstudie untersuchte die Auswirkung unterschiedlich dicker innenliegender Isolierungen im Bereich von 0 bis
10 mm auf die Oberflächentemperatur der
Turbinengehäuse-Außenseite (Kaltseite).
Hierzu wurden an vier strategisch aus-
ENT WICKLUNG AUFL ADUNG
BILD 4 Veränderte
Materialanforderungen
gewählten Fixpunkten sensorische Messungen vorgenommen, deren Ergebnisse
im Anschluss jeweils gemittelt wurden.
Ausgehend von einer ursprünglichen
Oberflächentemperatur von 900 °C ist es
beispielsweise möglich, mit einer Dämmdicke von 5 mm eine reduzierte Temperatur von 445 °C zu erzielen, BILD 5.
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Während auf der einen Seite die Oberflächentemperatur des Turbinengehäuses mittels innenliegender Dämmung
reduziert werden soll, zählt auf der
anderen Seite für ein schnelles Erreichen der optimalen Betriebstemperatur
von Fahrzeugkatalysatoren und Komponenten der Abgasnachbehandlung
jedes einzelne Grad Temperaturerhöhung, da dies eine proportionale Senkung der CO2- und NOx-Emissionen
bedeutet. Entsprechend ist es denkbar,
dass bei zunehmend strengen Abgasnormen künftig eine Kombination aus
verschiedenen Dämm- und Abgasnach-
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behandlungsmethoden notwendig wird.
Gegenwärtig setzen Hersteller primär
außenliegende Isolierungen entlang
des gesamten Abgasstrangs ein. Diese
werden meist erst zu einem späten
Zeitpunkt in den Produktionsprozess
integriert und entsprechend nicht zuvor
bei der Konstruktion berücksichtigt.
Aufgrund fordernder Bauteilgeometrien
sind deshalb meist zwei bis vier außenliegende Dämmsysteme für den kompletten Abgasstrang notwendig, um
ein vergleichbares Ergebnis wie bei
der innenliegenden Isolierung zu erreichen. Der hohe Integrationsgrad des
Konstruktionsprozesses ermöglicht bei
dieser neuen, innenliegenden Dämmung
einen deutlich effektiveren Energieerhalt, der sich im Mittelwert in einer
rund 10 % höheren Vorwärmtemperatur
der Komponenten der Abgasnachbehandlung manifestiert, BILD 6. Zusätzlich zu einer verbesserten Abgasführung bedeutet dies in zweierlei Hinsicht
reduzierte Emissionen, einerseits durch
das Entfallen der Nacheinspritzung
BILD 5 Verringerung der Oberflächentemperatur
ermöglicht die Verwendung anderer Werkstoffe
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BILD 6 Steigerung der Abgastemperatur ermöglicht eine effizientere Abgasnachbehandlung (Daten nach NEFZ)
und andererseits durch die verkürzte
Vorwärmphase der Abgasnachbehandlungskomponenten.
Neben der thermischen Isolierung lag
der Fokus der Dämmkörperkonstruktion
auf der Optimierung der Strömungsakustik beziehungsweise der Geräuschentwicklung im Heißgasstrom. Für die
entsprechenden Auswertungen verwendeten die Ingenieure einen Versuchsaufbau mit einem Impedanzrohr. Sie
untersuchten so das unterschied liche
akustische Absorptionsverhalten vor
(5 mm Höhe) und nach dem Expandieren
des Dämmmaterials (circa 8 mm Höhe).
Überdies beeinflusst der „PopcornEffekt“ natürlich auch die Dichte. Die
des unexpandierten Materials beträgt
etwa 200 bis 210 kg/m3, während die der
expandierten Faser bei rund 130 kg/m 3
liegt. Im expandierten Zustand weist
Isolite XP im untersuchten Frequenzbereich zwischen 1000 und 6300 Hz
kontinuierlich eine bis zu 15 % bessere
akustische Absorption auf als im nichtexpandierten Zustand.
angrenzenden Bauteilen. Zusätzlich
zum primären Nutzen des verbesserten
Wärmeenergieerhalts im Abgasstrang
und der damit einhergehenden Emissionsreduzierung verfügt die hier vorgestellte Lösung über ein hohes akustisches Absorptionspotenzial.
Für den Tier-1-Zulieferer bedeutet
das konzeptimmanente mehrteilige
Gehäuse zudem eine erhöhte Montagefreundlichkeit. Da die innenliegende
im Gegensatz zur außenliegenden
Isolierung von Anfang an in den Entwicklungs- beziehungsweise Produktionsprozess integriert ist, bietet sie verbesserte Möglichkeiten einer Standardisierung. Somit ist neben den bereits
genannten Vorteilen ein potenzieller
ökonomischer Mehrwert durch eine
schlankere Produktion erkennbar.
LITERATURHINWEIS
[1] Kroll, M.: Expandierende Faserschalen
zur Dämmung heißgasführender Komponenten.
In: MTZ 75 (2014), Nr. 2, S. 52-56
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Eine innenliegende Isolierung des Turboladers bietet im Vergleich mit einer
außenliegenden Dämmung unter anderem reduzierte Bauraumanforderungen
und eine gesteigerte Werkstoffflexibilität sowohl beim Turbolader als auch bei
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76. Jahrgang
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