ENT WICKLUNG AUFL ADUNG Innenliegende Isolierung für ein mehrteiliges Turboladergehäuse AUTOREN Isolite hat gemeinsam mit einem führenden Turboladerhersteller ein patentiertes mehrteiliges Turbinengehäuse für einen Turbolader entwickelt, das von innen effektiv mittels Steckisolierung gedämmt ist. Erklärte Ziele sind ein deutlich verbesserter Energieerhalt im Abgasstrang, eine reduzierte Materialbeanspruchung und gleichzeitig eine deutliche Emissionsverringerung. Matthias Kroll ist Geschäftsführer der Isolite GmbH in Ludwigshafen. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Bernd Henrich ist Programm-Manager bei der Isolite GmbH in Ludwigshafen. 42 DÄMMSYSTEME GEWINNEN AN BEDEUTUNG Komponenten der Abgasnachbehandlung benötigen mehrere Hundert Grad Celsius Betriebstemperatur, um effizient zu arbeiten. Je schneller sie diese erreichen, desto geringer ist der Emissionsausstoß, der über den Flottenverbrauch entscheidet. Das Aufheizen der Fahrzeugkatalysatoren bedeutet einen zusätzlichen Wärme- beziehungsweise Energiebedarf, was durch einen vorübergehend erhöhten Kraftstoffverbrauch zudem einen temporären Emissionsanstieg impliziert. Hier ist eine alternative Lösung gefragt. In Zeiten steigender CO2- und NOxRichtlinien benötigen OEMs deshalb zunehmend Dämmsysteme zur Applikation am Abgasstrang, um mittels Energie- beziehungsweise Wärmeerhaltung in den heißgasführenden Komponenten die Fahrzeugkatalysatoren möglichst schnell aufzuheizen. Heute ist es gängige Praxis, für diesen Zweck eine außenliegende Isolierung zu verwenden, um neben der Energieerhaltung auch angrenzende Bauteile thermisch gegen die abgestrahlte Wärme zu isolieren, BILD 1. Damit gehen verschiedene materielle Herausforderungen einher. Einerseits bedeutet es, dass die Energie in dem isolierten Bauteil (Turbolader) gehalten wird und die thermischen Anforderungen an dessen Material entsprechend groß sind, womit in der Regel entsprechend hohe Kosten verbunden sind. Andererseits beziehen sich die erheblichen Ansprüche auch auf die umliegenden Komponenten, die ausreichend hitzefest gefertigt sein müssen, was die Materialwahl stark einschränkt. Letztlich bedeutet es zudem einen Verlust an Energie, die im Abgasstrang dringend für die Nachbehandlung benötigt wird. Statt das Turboladergehäuse außenliegend zu isolieren, geht der Dämmspezialist Isolite neue Wege und fokussiert sich bei einem aktuellen Projekt auf eine innenliegende Dämmung. Entscheidend für eine konzentrierte, simultane Prozessstruktur war die enge Abstimmung und Zusammenarbeit mit dem Entwicklungspartner, einem der führenden Hersteller von Turboladern. Indem die Ingenieure dort ein mehrteiliges Turbinengehäuse konstruierten, ermöglichten sie die Montage eines innenliegenden Dämmkörpers. KONSTRUKTION DES DÄMMKÖRPERS Isolite verfügt auf dem Gebiet der innenliegenden Dämmung über jahrzehnte- lange Expertise aus der Luftfahrt und der industriellen Energieerzeugung, speziell bei Gasturbinen. Hinsichtlich automobiler Anwendungen gab es bislang ausschließlich die Möglichkeit einer eingegossenen Turboladerauskleidung, die jedoch logistisch einen sehr anspruchsvollen Produktionsprozess erforderte. Entsprechend entschieden sich die Ingenieure beim Entwicklungsprozess schnell für eine sogenannte BlanketLösung in Sandwichbauweise. Das Innere des Dämmkörpers besteht dabei aus der bewährten, expandierenden Silikat-Langfaser Isolite XP. Der vielseitige Dämmstoff verfügt neben einem hohen akustischen Absorptionspotenzial über eine besonders niedrige spezifische Wärmeleitfähigkeit λ, der Indexbereich reicht von 0,059 W/(m∙K) bei circa 400 °C bis 0,129 W/(m∙K) bei 1000 °C, BILD 2. Das flexibel einsetzbare Material eignet sich besonders gut für geometrisch anspruchsvolle Bauformen, da es über eine Art von „Popcorn-Effekt“ verfügt: Beim ersten Aufheizen vergrößert sich das Volumen einmalig um bis zu 30 %. Auf diese Weise passt sich der Werkstoff der individuellen Bauraumgeometrie maßgenau an [1]. Im vorliegenden Fall bedeutet dies eine Anpassung an die ihn umschließende Ummantelung. Entscheidend für eine dauerhaft optimierte Däm- BILD 1 Beispielhafter Aufbau einer Hochtemperaturisolierung 05I2015 76. Jahrgang 43 ENT WICKLUNG AUFL ADUNG BILD 2 Wärmeleitfähigkeit des Dämmmaterials Isolite XP mung ist, dass beim Abkühlprozess keine Kontraktion des Materials stattfindet und die Isolierfasern sicher zwischen den Linern eingeschlossen sind. Aus diesem Grund arbeitet Isolite mit einem hochmodernen Punktschweißverfahren. Bei der Werkstoffwahl für die Liner der Steckisolierung war primär das Verhalten des Materials unter Hitzeeinwirkung entscheidend. Zusätzlich zur generellen Eignung für Hochtemperaturanwendungen war eine möglichst geringe Materialausdehnung gefragt, um minimale Toleranzen realisieren zu können. Die äußere Schicht, die die Innenseite des Turbinengehäuses berührt, besteht aus einer etwa 0,3 bis 0,5 mm starken, tiefgezogenen Schale aus Edelstahl (1.4828). Alternativ ist es möglich, hier Inconel (2.4816) einzusetzen, eine korrosionsbeständige Nickelbasislegierung, die sich ideal für Hochtemperaturapplikationen eignet. Dabei kann ein Tiefziehradius von 1,5 mm erzielt werden. Bei der Deckschicht (Innenliner), also der am weitesten innenliegenden Schicht, wird ebenfalls Edelstahl verwendet, hier in einer Stärke von etwa 0,4 bis 1,0 mm, da diese Schicht dem direkten Heißgasstrom ausgesetzt ist, BILD 3. Die Charakteristiken des Heißgasstroms blieben selbstverständlich erhalten, um neben einer guten Isolierwirkung auch ebensolche Strömungsführungseigenschaften zu gewährleisten. Generell stellt die Fertigung des innenliegenden Dämmkörpers im Vergleich zur außenliegenden Isolierung jedoch spezielle Ansprüche an einen Tier-2-Zulieferer. Mit ±0,25 mm gestattet das eingesetzte Isoliermaterial lediglich 25 bis 50 % der sonst möglichen Toleranzen. MATERIALWAHL BEIM TURBINENGEHÄUSE Bei heutigen Pkw-Motoren entstehen im Abgasstrom Temperaturen von etwa 850 bis 950 °C. Stand der Technik ist, eine außenliegende Dämmung mit Oberflächenschutz auf das Gussbauteil aufzubringen. Beispielsweise kann durch eine etwa 5 mm dicke Isolierung eine Oberflächentemperatur von unter 400 °C erreicht werden. Das bedeutet jedoch, dass der Turbolader die entstehende Hitze nicht ablei- BILD 3 Innenliegendes Dämmsystem im Abgasstrom 44 ten kann, sondern sie im Guss hält. Aufgrund dieser gestiegenen thermischen Belastung ist der Hersteller bei der Materialwahl oftmals deutlich eingeschränkt. So muss beispielsweise auf D5S (austenitisches Gusseisen mit Kugelgraphit) ausgewichen werden, wenn das ver wendete SiMo (Legierung mit Silizium und Molybdän) für den Guss des Turbinengehäuses den Temperaturanforderungen nicht mehr dauerhaft gerecht wird. Durch die gesteckte innenliegende Isolierung hat das Turbinengehäuse jedoch keinen direkten Kontakt mehr mit dem Abgasstrom, es wirken also entsprechend verringerte thermische Belastungen auf das Material. Folglich wächst die Flexibilität bei der Materialauswahl, was eine potenzielle Kosten-, Werkstoffund Gewichtsreduzierung impliziert, da nun andere Lösungen anstelle konventioneller Turbinengehäuse aus Stahlguss denkbar sind, BILD 4. Alternativ ist es möglich, das gegenwärtig verwendete Material beizubehalten und durch die entfallende außenliegende Isolierung mit einer minimierten Wanddicke zu arbeiten. Konkret bedeutet dies eine Gewichtseinsparung von circa 15 bis 30 %, mit der entsprechend reduzierte CO2- und NOx-Emissionen einhergehen. SIMULTANENTWICKLUNG Um ein ideales Ergebnis zu erzielen, war ein auf Tier-1- und Tier-2-Ebene pa rallel verlaufender Entwicklungsprozess unumgänglich. Dem ging die gemeinsame Entscheidung voraus, ein innenliegendes Dämmsystem zu verwenden. Entsprechend erfolgte die Konstruktion des Turboladergehäuses – speziell auch unter Berücksichtigung einer zuverlässigen Lagerung des Dämmbauteils im Gehäuse. Die Geometrien beider Komponenten müssen dafür optimal aufeinander abgestimmt sein. Auf einem standardisierten Turboladerprüfstand erfolgten weitere Analysen. Hierbei wurde bei einem Heißgasstrom gemessen, der für durchschnittliche Pkw-Applikationen zwischen 0,013 und 0,32 kg/s liegt. Der Prüfaufbau ermöglichte ein breites Spektrum regelbarer Heißgastemperaturen (150 bis 1200 °C) und einen Heißgasdruck von circa 6 bar. Auf diese Weise konnten die Ingenieure den Mehrwert der eingesetzten Isolierung für den Temperaturerhalt im Abgasstrom defi nieren. Wie stark verwoben die einzelnen Stränge des Entwicklungsprozesses waren, macht die Wechselwirkung zwischen Gehäusematerial und Dämmstärke deutlich. Eine aufwendige Machbarkeitsstudie untersuchte die Auswirkung unterschiedlich dicker innenliegender Isolierungen im Bereich von 0 bis 10 mm auf die Oberflächentemperatur der Turbinengehäuse-Außenseite (Kaltseite). Hierzu wurden an vier strategisch aus- ENT WICKLUNG AUFL ADUNG BILD 4 Veränderte Materialanforderungen gewählten Fixpunkten sensorische Messungen vorgenommen, deren Ergebnisse im Anschluss jeweils gemittelt wurden. Ausgehend von einer ursprünglichen Oberflächentemperatur von 900 °C ist es beispielsweise möglich, mit einer Dämmdicke von 5 mm eine reduzierte Temperatur von 445 °C zu erzielen, BILD 5. Anzeige ECC AUTOMOTIVE Fully Variable Compression Ratio Engine Lassen Sie sich nicht einschränken ! THERMIK PLUS AKUSTIK Während auf der einen Seite die Oberflächentemperatur des Turbinengehäuses mittels innenliegender Dämmung reduziert werden soll, zählt auf der anderen Seite für ein schnelles Erreichen der optimalen Betriebstemperatur von Fahrzeugkatalysatoren und Komponenten der Abgasnachbehandlung jedes einzelne Grad Temperaturerhöhung, da dies eine proportionale Senkung der CO2- und NOx-Emissionen bedeutet. Entsprechend ist es denkbar, dass bei zunehmend strengen Abgasnormen künftig eine Kombination aus verschiedenen Dämm- und Abgasnach- Stufenloses, vollvariables Verdichtungsverhältnis www.eccing.de behandlungsmethoden notwendig wird. Gegenwärtig setzen Hersteller primär außenliegende Isolierungen entlang des gesamten Abgasstrangs ein. Diese werden meist erst zu einem späten Zeitpunkt in den Produktionsprozess integriert und entsprechend nicht zuvor bei der Konstruktion berücksichtigt. Aufgrund fordernder Bauteilgeometrien sind deshalb meist zwei bis vier außenliegende Dämmsysteme für den kompletten Abgasstrang notwendig, um ein vergleichbares Ergebnis wie bei der innenliegenden Isolierung zu erreichen. Der hohe Integrationsgrad des Konstruktionsprozesses ermöglicht bei dieser neuen, innenliegenden Dämmung einen deutlich effektiveren Energieerhalt, der sich im Mittelwert in einer rund 10 % höheren Vorwärmtemperatur der Komponenten der Abgasnachbehandlung manifestiert, BILD 6. Zusätzlich zu einer verbesserten Abgasführung bedeutet dies in zweierlei Hinsicht reduzierte Emissionen, einerseits durch das Entfallen der Nacheinspritzung BILD 5 Verringerung der Oberflächentemperatur ermöglicht die Verwendung anderer Werkstoffe 46 Chemie-Expertise MaschinenbauKompetenz & BILD 6 Steigerung der Abgastemperatur ermöglicht eine effizientere Abgasnachbehandlung (Daten nach NEFZ) und andererseits durch die verkürzte Vorwärmphase der Abgasnachbehandlungskomponenten. Neben der thermischen Isolierung lag der Fokus der Dämmkörperkonstruktion auf der Optimierung der Strömungsakustik beziehungsweise der Geräuschentwicklung im Heißgasstrom. Für die entsprechenden Auswertungen verwendeten die Ingenieure einen Versuchsaufbau mit einem Impedanzrohr. Sie untersuchten so das unterschied liche akustische Absorptionsverhalten vor (5 mm Höhe) und nach dem Expandieren des Dämmmaterials (circa 8 mm Höhe). Überdies beeinflusst der „PopcornEffekt“ natürlich auch die Dichte. Die des unexpandierten Materials beträgt etwa 200 bis 210 kg/m3, während die der expandierten Faser bei rund 130 kg/m 3 liegt. Im expandierten Zustand weist Isolite XP im untersuchten Frequenzbereich zwischen 1000 und 6300 Hz kontinuierlich eine bis zu 15 % bessere akustische Absorption auf als im nichtexpandierten Zustand. angrenzenden Bauteilen. Zusätzlich zum primären Nutzen des verbesserten Wärmeenergieerhalts im Abgasstrang und der damit einhergehenden Emissionsreduzierung verfügt die hier vorgestellte Lösung über ein hohes akustisches Absorptionspotenzial. Für den Tier-1-Zulieferer bedeutet das konzeptimmanente mehrteilige Gehäuse zudem eine erhöhte Montagefreundlichkeit. Da die innenliegende im Gegensatz zur außenliegenden Isolierung von Anfang an in den Entwicklungs- beziehungsweise Produktionsprozess integriert ist, bietet sie verbesserte Möglichkeiten einer Standardisierung. Somit ist neben den bereits genannten Vorteilen ein potenzieller ökonomischer Mehrwert durch eine schlankere Produktion erkennbar. LITERATURHINWEIS [1] Kroll, M.: Expandierende Faserschalen zur Dämmung heißgasführender Komponenten. In: MTZ 75 (2014), Nr. 2, S. 52-56 Dreifach DREI BOND: hocheffektive Kleb- und Dichtstoffe für industrielle Anforderungen individuelle Sondermaschinen für komplexe Aufgabenstellungen hohe Innovationskraft & kurze Reaktionszeiten Einfach dreifach überzeugend. FA ZIT Eine innenliegende Isolierung des Turboladers bietet im Vergleich mit einer außenliegenden Dämmung unter anderem reduzierte Bauraumanforderungen und eine gesteigerte Werkstoffflexibilität sowohl beim Turbolader als auch bei 05I2015 76. Jahrgang DOWNLOAD DES BEITRAGS www.springerprofessional.de/MTZ READ THE ENGLISH E-MAGAZINE order your test issue now: [email protected] Drei Bond GmbH Carl-Zeiss-Ring 17 85737 Ismaning/München Tel. +49 89 96 24 27-23 [email protected] www.dreibond.de
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