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APRIL 2015
www.blix.info
DAS MAGAZIN
FÜR OBERSCHWABEN
Aufbruch
Oberschwaben im Umbruch
DER EXODUS
DAS PORTRÄT
DIE MORDE
der Politiker
Seite 8
von Ravensburg
Seite 16
bei Waldsee
Seite 57
Gra
tis
AKTUELL
G u y - P a s c a l
D o r n e r
Raus und rein ins Krankenbett
LAUPHEIM. Die Stadtverwaltung Laupheim hat in Abwesenheit des im
Krankenstand befindlichen Bürgermeisters Rainer Kapellen bezüglich
„Kleemeisterei“ entschieden: keine Baugenehmigung! Das Stadtbauamt
beruft sich dabei auf § 35 Baugesetzbuch. Der Gemeinderat nahm diese
Entscheidung positiv zur Kenntnis – mit Ausnahme der CDU-Fraktion.
zurückgemeldet. Gemäß § 7 Abs. 2 Landeskommunalbesoldungsgesetz entfällt die steuerfreie
Dienstaufwandsentschädigung, wenn ein Bürgermeister „ununterbrochen länger als drei Monate
sein Amt tatsächlich nicht ausübt“, und zwar für
die über drei Monate hinausgehende Zeit. Die
Dienstaufwandsentschädigung wird zusätzlich
zu Grundgehalt und Familienzuschlag bezahlt,
In Laupheim dreht sich seit Monaten vieles um gegenüber BLIX klar, dass sie diese Entscheidung beträgt 13,5 Prozent des Grundgehaltes, was im
die geplante Bebauung eines Grundstücks, die auch vor Gericht verantworten würde.
Falle Kapellens (Besoldungsgruppe B4) bei einem
„Kleemeisterei“ mit Mehrfamilienhäusern. Die- Freie Wähler, Offene Liste und SPD stellten sich monatlichen Grundgehalt von 7850,32 Euro exses Grundstück war in den 1970er-Jahren von hinter Kazek, die ihr Amt erst angetreten hatte, akt 1059,79 Euro steuerfrei im Monat ausmacht.
der Stadt günstig und unter Auflagen an eine als das Thema „Kleemeisterei“ bereits hochge- Aus welchen Gründen Kapellen nun nach drei
der Firmen des örtlichen Unternehmers Walter kocht war. Nur die CDU tadelte die Stadtverwal- Monaten Abwesenheit wieder im Rathaus präLindenmaier verkauft worden. Jene Auflagen – tung für ihre geänderte Position, sie will eisern an sent war, entzieht sich unserer Kenntnis. Fakt ist:
eine Nutzung nur für Sport-/Freizeitzwecke und der Wohnbebauung der „Kleemeisterei“ festhal- Kaum zwei Tage da, meldete er sich erneut krank
das dingliche Vorkaufsrecht der Stadt – waren ten und forderte die Stadtverwaltung jetzt auf, und zwar bis Ende April. Damit war sein Krankenstand kurz unterbrochen und
somit besteht sein Anspruch auf
Dienstaufwandsentschädigung
fort. Dem Anschein einer möglichen Befangenheit Rainer Kapellens in Sachen „Kleemeisterei“ ist
noch nicht nachgegangen worden. Ähnlich verhält es sich mit
der Frage nach einer möglichen
Befangenheit von Gemeinderat
und Ex-MdB Franz Romer, der
einst für Lindenmaier tätig war.
(BLIX berichtete in seinen letzten
drei Ausgaben ausführlich darüber, nachzulesen auf www.blix.
info.)
Anstatt mehr Transparenz zu wagen, befasst sich die Stadtverwaltung auf Antrag der CDU mit dem
Der Stein des Anstoßes findet sich hier an der „Kleemeisterei“, über den Bürgermeister Rainer Kapellen kräftig intransparenten Thema „Geheimnisverrat“. Unter Generalverdacht
gestolpert ist.
stellt die CDU dabei die anderen
von Bürgermeister Kapellen eigenmächtig, also einen dritten Versuch eines Bebauungsplanver- Gemeinderäte und sogar die Stadtverwaltung,
am Gemeinderat vorbei, gelöscht worden. Hier- fahrens zu starten – zwei Versuche waren bereits wie auf ihrer Homepage zu erfahren ist. Der
für wurde er von der Kommunalaufsicht gerügt. 2013/2014 im Gemeinderat gescheitert.
Vorwurf: Man sei entsetzt darüber, dass im BLIX
Der Bürgermeister ist nun seit Monaten krank- Auch nach Ablehnung der Baugenehmigung und in anderen Presseorganen zu lesen gewesen
geschrieben. Der Mietinger Unternehmer Artur bleiben weitere Fragen offen. Zentral dabei: Was sei, was – zumindest zum damaligen Zeitpunkt –
Braun, der die „Kleemeisterei“ bebauen möchte, passiert mit der durch Kapellen gestrichenen nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war.
hat beim Verwaltungsgericht Sigmaringen die Nutzungsbeschränkung (Dienstbarkeit) bezie- Aber ungeachtet des Entsetzens der CDU möchte
Stadt auf Untätigkeit verklagt; seiner Ansicht hungsweise dem von ihm gelöschten dinglichen die Öffentlichkeit wissen, was aus der „Kleemeisnach hat sich die Stadt mit der Entscheidung über Vorkaufsrecht der Stadt: Bleiben die von ihm am terei“ wird. Kommt am Ende die Wohnbebauung
seinen Bauantrag – angesichts seitens der Stadt Gemeinderat vorbei geschaffenen Fakten beste- oder nicht? Dass es in Laupheim viele Bürger gibt,
positiv beschiedener Bauvoranfrage – zu lange hen, samt daraus resultierender Wertsteigerung die sich nach einer Möglichkeit zum Tennisspielen
Zeit gelassen. Laut Stadtbaumeisterin Marion des Areals für die „Lico Lindenmaier Beteiligungs zurücksehnen, ist das eine. Dass es für die geKazek habe die rechtliche Überprüfung mehr Zeit KG“ oder sind diese im Hinblick auf Anwendung planten Wohnungen im „Wohnhof am Parkbad“
als üblich in Anspruch genommen. Doch nun sei des § 35 Baugesetzbuch inklusive bestehendem ausreichend ernsthafte Interessenten gibt, das
klar: Der im Mai 2014 unter Kapellens Ägide auf (altem) Flächennutzungsplan zurückzunehmen? andere. Noch ist das Thema „Kleemeisterei“ nicht
der Basis von § 34 Baugesetzbuch erteilte posi- Die Offene Liste und die Freien Wähler haben öf- vom Tisch. Und nach wie vor bleibt offen, wann
tive Bauvorbescheid sei durch Anwendung des § fentlich die Stadtverwaltung um Klärung gebeten Rainer Kapellen genesen ins Rathaus zurückkehrt
35 aufgehoben. Das Bauvorhaben liege nicht im – diese hat aber noch nichts in dieser Richtung oder ob er wie der einstige Oberbürgermeister
Innen-, sondern im Außenbereich, deshalb sei es unternommen, wie BLIX erfahren hat.
von Frankfurt und spätere hessische CDU-Midem „alten“ Flächennutzungsplan unterworfen, Und der bezüglich „Kleemeisterei“ in der Kritik nisterpräsident Walter Wallmann nach folgender
der dort eine „Grünfläche mit Zweckbestimmung stehende Bürgermeister Rainer Kapellen? Der Maxime handelt: „Es ist besser, 100 Tage zu früh
Sportnutzung“ vorschreibe. Logische Konsequenz: hatte sich ziemlich genau nach drei Monaten aus der Politik auszuscheiden, als einen Tag zu
die Ablehnung des Bauantrages. Kazek machte Abwesenheit wegen Krankheit kurzzeitig im Amt spät.“
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AKTUELL
G u y - P a s c a l
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Preuße schlägt Oberschwabe
LANDKREIS RAVENSBURG. Ergebnis eindeutig: Mit 41:27 Stimmen
ist der Westfale Harald Sievers (CDU) im ersten Wahlgang zum
Ravensburger Landrat gewählt worden. Ihm unterlag der parteilose
Martin Bendel, der vorerst Bürgermeister in Leutkirch bleiben will. Die
Mitglieder des von CDU und Freien Wählern dominierten Kreistages
machten mit ihrer Wahl mehrheitlich deutlich: Ein Auswärtiger mit
CDU-Parteibuch ist uns lieber als einer von uns, der nicht in der CDU
ist. Beide Kandidaten gelten als fachlich kompetent und präsentierten
sich überzeugend. Der jungenhafte „Preuße“ tritt nun in die barocken
Fußstapfen des oberschwäbischen „Sonnenkönigs“ Kurt Widmaier.
CDU-Parteibuch Sievers genützt hat.
Deutlicher werden da die Fraktionschefs von
SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Rudolf Bin-
findet, dass das „unmögliche Verhalten“ einiger CDU-Kreisräte indirekt auch Sievers Ruf
beschädigt habe. „Zumal sein Parteibuch den
Ausschlag für seine Wahl mit gegeben hat.“
Bindig zeigte sich gegenüber BLIX enttäuscht
darüber, dass man die Chance vertan habe, im
Landkreis Ravensburg einen unabhängigen
Landrat zu wählen.
Dass Bendel auch in der CDU Anhänger hatte,
leugnet Fraktionschef Volker Restle gegenüber BLIX nicht. „Beide Kandidaten waren
gleich gut. Dass das CDU-Parteibuch die Rolle
gespielt hat, glaube ich nicht. Es gab keinen
Fraktionszwang. Ich persönlich dachte, dass
es enger wird zwischen den beiden. Letztlich
hat Sievers die Mehrheit mit Sachthemen
überzeugt.“ Auch Fraktionschef Oliver Spieß
Harald Sievers (39), Beigeordneter in Düren am Niederrhein, rettete den Landratsposten in Ravensburg für die CDU.
Fotos: Reck
Martin Bendel (42), parteiloser Bürgermeister in
Leutkirch, ging auf Distanz zur CDU und verlor.
überrascht, so dass es dauerte, bis sie sich
dem wartenden Kreistag präsentierten. Des
Siegers Motto „Ideen entwickeln, Probleme
lösen, Dinge gestalten, Menschen helfen,
das Gemeinwohl voranbringen“ will der ledige 39-Jährige, der aufgrund der veränderten
politischen Machtverhältnisse als Beigeordneter für Finanzen der Stadt Düren (Nordrhein-Westfalen) aufhören muss, künftig im
Landratsamt Ravensburg umsetzen. Hierbei
wünscht ihm auch sein unterlegener, parteiloser Konkurrent Martin Bendel Glück. Bendel
(42), der bis 2017 gewählter Bürgermeister
von Leutkirch ist und dies vorerst auch bleiben will, glaubt, dass nebst dem Wunsch, einen Landrat von „außen“ zu holen, auch das
von den Freien Wählern glaubt nicht, dass das
CDU-Parteibuch Sievers den Ausschlag gab
– und dies, obwohl die Freien Wähler vereint
mit der CDU auf Kandidatensuche gegangen waren. „Bei uns gab es Anhänger beider
Kandidaten – Sievers hat sich schlussendlich
durchgesetzt.“
Kuriosität am Rande: Die anwesenden ÖDPKreisräte votierten einhellig für den CDUMann Sievers. Bleibt abschließend die Frage,
die Spangenberg, der zur Wahl verhindert
war, aufwarf: „Es wird sich zeigen, ob Herr
Sievers ein CDU-Landrat oder ein Landrat für
alle im Landkreis Ravensburg sein wird.“ Was
dieser in seiner Dankesrede selbstredend angekündigt hat.
Dass gleich der erste Wahlgang die Entscheidung bringen würde, und dann auch noch so
eindeutig, hat auch die beiden Kandidaten
dig und Siegfried Spangenberg, die gegenüber
BLIX bestätigen, dass Mitglieder ihrer Fraktionen von CDU-Kreisräten angerufen worden
seien, mit der Aussage, Bendel werde alsbald
in die CDU eintreten. Just gegen dieses Gerücht setzte sich Bendel in seiner Rede direkt
vor der Wahl zur Wehr: „Über das Thema ,CDU‘
ist viel gesprochen worden. Was immer ich gehört habe, es wäre gegen meine Ehre und gegen meine geradlinige Haltung, den Eintritt in
eine Partei mit den Chancen bei meiner Landratskandidatur zu vermengen.“ Entstanden
war das Gerücht wohl, weil Bendel sich zuvor
dahingehend geäußert hatte, dass seine politischen Vorstellungen in manchen Dingen mit
denen der CDU konform gingen. Spangenberg
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AKTUELL
r u di
s c hö n f e l d
Der Exodus
OBERSCHWABEN. „Wind of change“, die Rockbalade der Scorpions brachte
die Mauer nicht zum Einsturz, aber nahm pfeifend vorweg, was schließlich
passierte und wurde deshalb zur Hymne. Ganz so epochal bedeutsam ist
der Umbruch in Oberschwaben nicht, doch nach dem Verlust der Macht in
Stuttgart schwappen die Ausläufer des politischen Tsunamis, der 2011 die CDU
aus den Sesseln der Macht spülte, nach Oberschwaben. Die „schwarze Garde“,
die bisher das politische Bild in Oberschwaben prägte, tritt ab. Der Wind des
Wandels bläst kräftig übers liebliche Land. Eine Bestandsaufnahme.
Es hat Zeiten gegeben in den 1970er- und 1980erJahren, da galten in der Hochburg der Konservativen, zwischen Ulm und Bodensee, Ergebnisse von
70 Prozent plus als Messlatte für den Stimmenkönig. Worauf die chancenlose Konkurrenz in ihrer Verzweiflung spottete, statt eines Kandidaten
könne die CDU im Oberland auch einen schwarz
lackierten Besenstiel aufstellen, und selbst der
werde gewählt.
Doch inzwischen ist der Lack ab: Bei der letzten
Eine gefühlte Ewigkeit war die CDU in Baden-Württemberg und erst recht in Oberschwaben die alles
entscheidende Macht. Das ändert sich langsam selbst in Oberschwaben.
Foto: Reck
Landtagswahl im Jahr 2011 waren exakt 51 Prozent der abgegebenen Stimmen das Höchste im
Himmelreich des Barock. Stimmenkönig wurde
der Landwirt und langjährige ehrenamtliche Bürgermeister von Hausen am Bussen Karl Traub. Er
steht der Gemeinde am heiligen Berg der Ober8
schwaben vor. Die erste Legislaturperiode einer
grün-roten Landesregierung durfte der Vertreter
des Wahlkreises Ehingen als Alterspräsident eröffnen und erlebte damit das Highlight seiner bald
20-jährigen Abgeordnetenzeit. Bei der nächsten
Wahl wäre Traub fast 75 Jahre alt und findet, dass
es nun genug sei.
Weniger vom Alter gedrückt als vom Verlust der
Gestaltungsmöglichkeiten im Regierungsamt demotiviert, nimmt Rudolf Köberle (61) Abschied vom
Landtag. Köberle, der Altgediente, hat wie kaum
ein anderer Regierungserfahrung: 20 seiner bald
26 Abgeordnetenjahre diente er in unterschiedlichen Positionen unter den Regierungschefs Teufel,
Oettinger und Mappus. Er war Staatssekretär im
Kultusministerium, Bevollmächtigter des Landes
im Ministerrang beim Bund, zuständig für Verkehr als Staatssekretär im Innenministerium und
schließlich Landwirtschaftsminister. Doch ohne
Regierungsamt fühlt sich Rudolf Köberle nicht
ausgelastet. Außerdem, spendet der Ravensburger
Wahlkreisabgeordnete und ehemalige Gymnasiallehrer sich selber Trost, gebe es auch noch ein
Leben nach der Politik. Neben seinen zahlreichen
Hobbys will sich Köberle wieder mehr der Blasmusik widmen, deren württembergischer Verbandspräsident er ist.
Ein Regierungsamt, das ist es, was auch andere
Abgeordnete der Union schmerzlich vermissen.
Die Ulmer CDU hat es gleich doppelt getroffen.
Der erste Schlag: Zunächst verlor die langjährige
Bundestagsabgeordnete Annette Schavan nach
der Plagiatsaffäre ihr Amt als Wissenschaftsministerin. Und als sie den Botschafterposten beim
Vatikan in Rom als Austragsstüberl erhielt, gab sie
auch ihr Bundestagsmandat zurück. Den zweiten
Schlag versetzte die Landtagsabgeordnete Monika Stolz (64) ihren Ulmer Parteifreunden. Seit
2001 im Parlament, stieg die Ärztin schnell auf
der Karriereleiter hoch, wurde Staatssekretärin im
Kultusministerium (2005–2006) und dann Sozialministerin (2006–2011). Doch nun will auch sie
nicht mehr.
Schon vor der Landtagswahl 2011 hatte Ulrich
Müller (70) über seinen Rückzug aus der Landespolitik nachgedacht, es aber dann doch nicht lassen
können. Dem früheren Hauptgeschäftsführer der
IHK Bodensee-Oberschwaben wird zwar nachgesagt, er versprühe den Charme einer Büroklammer,
doch daran gemessen machte er ordentlich Karri-
ere. Seit 1992 vertritt er den Bodenseewahlkreis
in Stuttgart, war 1996 bis 1998 Staatssekretär
im Umwelt- und Verkehrsministerium, das er anschließend bis 2004 selbst leitete. Als Ministerpräsident Erwin Teufel in der Villa Reitzenstein immer
mehr vereinsamte, musste Müller noch einmal ran
und im Staatsministerium die Stellung halten. Zu
seinen weniger rühmlichen Taten gehörte Müllers
Rolle als Vorsitzender im EnBW-Untersuchungsausschuss. Nachdem bekannt geworden war, dass
er dem früheren Ministerpräsidenten Stefan Mappus Unterlagen aus dem Ausschuss zugespielt hatte, zog er sich ganz aus dem Gremium zurück.
Peter Schneider (56), der Biberacher Ex-Landrat,
Präsident des Sparkassenverbands Baden-Württemberg und Biberacher Wahlkreisabgeordneter
seit 2001, könnte jenen Satz unterstreichen, den
einst Franz Müntefering als SPD-Bundesvorsitzender gesprochen hat: „Opposition ist Mist.“
Allerdings steckt Schneider, nachdem der Landtag
sich 2011 in ein Vollzeitparlament verwandelt hat,
in der Bredouille. Zwar findet er, dass er „bei einer
Wochenarbeitszeit von rund 80 Stunden“ sowohl
seinen Hauptjob als Sparkassenpräsident wie auch
die Wahrnehmung seines Mandats unter einen Hut
bringen könnte, jedoch, sagte er kürzlich, denke er
gar nicht daran, sein Sparkassenamt aufzugeben.
Ganz andere Beweggründe hat dagegen Paul Locherer (57), der als Abgeordneter des Wahlkreises
Wangen erst seine zweite Legislaturperiode absolviert. Den früheren Bürgermeister von Amtzell hat
der plötzliche Tod des gleichaltrigen Ravensburger
Bundestagsabgeordneten Andreas Schockenhoff
nachdenklich werden lassen. Er will, wie er seinen
Parteifreunden mitteilte, sich künftig mehr um
seine Familie kümmern.
Die CDU-Granden gehen. Trauen sie dem Wahlerfolg 2016 nicht? Ketzer würden angesichts des
kollektiven Abgangs der CDU-Altvorderen einer
ganzen Region mutmaßen, dass sie wenig Chancen auf eine CDU-geführte Landesregierung nach
der nächsten Wahl sehen, was wiederum gar kein
Vertrauensbeweis für den neuen Vormann Guido
Wolf wäre. Freilich denkt so – zumindest öffentlich – keiner der Rücktrittswilligen. Es gehe, heißt
es unisono, um einen Generationenwechsel. Dafür
sei die Zeit jetzt reif. Denn schließlich habe man
hervorragende Nachwuchskräfte. Und wie zur
Bestätigung wurde am vergangenen Wochenende in Ulm der promovierte Jurist Thomas Kienle
als Nachfolgekandidat für Monika Stolz auf den
Schild gehoben. Kienle führt im Ulmer Gemeinderat die CDU-Fraktion an.
Mit Susanne Schwaderer, einer 37-jährigen Betriebswirtin aus Tettnang, soll im Gegenzug eine
Frau den ausscheidenden Ulrich Müller beerben. Und auch in Biberach hat mit Petra RomerAschenbrenner eine Frau ihren Hut um die Nachfolge von Peter Schneider in den Ring geworfen.
Aber dass die Tochter des früheren MdB Franz
Romer sich gegen ihre zwei kommunalpolitisch
versierten Mitbewerber durchsetzen kann, scheint
AKTUELL
zweifelhaft. Als hoffnungsvolles Politiktalent gilt
im Wahlkreis Ehingen der erst 26-jährige Sparkassen-Filialleiter Manuel Hagel, ebenso wie im
Wahlkreis Wangen der 34-jährige stellvertretende Bundesvorsitzende der Jungen Union, Christian Natterer. Jenem ist allerdings überraschende
Konkurrenz von einem Quereinsteiger erwachsen:
Der aus Leutkirch stammende Journalist (früher
„Schwäbische Zeitung“) und Inhaber einer Werbeagentur, Raimund Haser (40), CDU-Mitglied seit
2014, hat seinen Hut in den Ring geworfen. Alle
guten Dinge sind drei: Mit dem Unternehmensberater Wolfram Dreier (47) aus Wangen, einem
Sohn des früheren Staatssekretärs Josef Dreier,
gibt es neuerdings einen dritten Bewerber.
Und während die Jungen hoffen, haben die Alten abgeschlossen. Wenn ein Haudegen wie Peter Schneider öffentlich erklärt, es sei „ein nur
schwer auszuhaltendes Spannungsverhältnis, als
direkt gewählter Abgeordneter auf der praktisch
einflusslosen Oppositionsbank zu sitzen, ohne die
Möglichkeiten als Regierungspartei und Präsenz
in der Regierung“, zeugt dies von tiefem Frust.
Die CDU-Herrlichkeit in Oberschwaben, als man
mit Dietmar Schlee, Martin Herzog, Monika Stolz,
Tanja Gönner, Rudolf Köberle, Ulrich Müller, Alfons
Maurer oder Josef Dreier über Jahre zahlreiche Minister und Staatssekretäre stellte, ist Geschichte.
Doch der Verlust der Bedeutung der CDU als anscheinend allein selig machender Partei geht
einher mit einem politischen Mentalitätswandel.
Es hat nicht nur damit zu tun, dass auf barocke,
volksnahe Figuren wie die Landräte Steuer, Blaser
oder Widmaier smarte Verwaltungsjuristen folgen,
deren Seligpreisung nicht durch das Parteibuch
geschieht. In Biberach zum Beispiel hat sich bereits
zum zweiten Mal mit Heiko Schmid ein parteiloser
Kandidat gegen heftigen CDU-Widerstand und
trotz heftiger Attacken der „Schwarzen Eminenz“
Schneider als Landrat durchgesetzt. Die Erbhöfe
der CDU werden nach und nach geschleift. Alte
Strukturen lösen sich auf.
Wer hätte sich träumen lassen, dass ausgerechnet
in Oberschwaben einmal das erste Bürgermeisteramt Deutschlands von einem Grünen eingenommen wird? Inzwischen amtiert Elmar Braun
in Maselheim schon seit fast 25 Jahren. Und seit
der letzten Landtagswahl sind in die Reihe der
schwarzen Abgeordneten mit Jürgen Filius (Ulm),
Manfred Lucha (Ravensburg) und Martin Hahn
(Friedrichshafen) drei Grüne eingebrochen. Und
die grüne Riege wird kompletiert durch die Bundestagsabgeordnete Agniezka Brugger, Politikstudentin, und die Bäuerin und Europaabgeordnete
Maria Heubuch aus Leutkirch.
In Bad Saulgau setzte sich schon vor acht Jahren
eine parteilose Frau als Bürgermeisterin gleich gegen zwei CDU-Platzhirsche durch. Und was Doris
Schröter vormachte, wiederholte Stefanie Bürkle im
letzten Jahr in der Kreisstadt Sigmaringen, wo die
45-Jährige im ersten Wahlgang haushoch gegen
drei Mannsbilder vom Kreistag zur ersten Landrä-
tin weit und breit erkoren wurde. Dass es dabei um
einen ausschließlich CDU-internen Kampf um den
Landratssessel ging, täuscht darüber hinweg, dass
Bürkle nicht nur qua Geschlecht sich von ihrem
Vorgänger Gaerte himmelweit unterscheidet. Es
ist ein tiefgehender politischer Mentalitätswandel,
der sich darin abbildet. Die Alt-Herren-Partei hat
ausgedient. Und was kommt, zeigte sich jüngst in
Ravensburg, wo ein Westfale die CDU-Fahne hochhalten musste, um einen parteilosen Landrat zu
verhindern. Sievers gegen Bendel hieß die Wahl, der
eine ist gebürtiger Münsteraner und bewarb sich
aus Düren am Niederrhein, der andere ist in Unlingen geboren und warf von Leutkirch aus seinen Hut
in den Ring. Vergebens.
Doch mehr noch, als dass ein Preuße einen Oberschwaben aus dem heimischen Feld schlägt, wundert, dass sich um solch einen Posten kein einziger
CDU-Bewerber aus dem Ländle bemühte. Wo sind
die Helden, die „schwarzen Ritter“, die einst aus
den Kaderschmieden der CDU-geführten Ministerien ins Land schwärmten, um die Fürstentümer in
den Landkreisen zu besetzen? Kein Bock auf Volk,
die Familie ist wichtiger und dazu gehört ein überschaubarer Arbeitstag, der sich nicht wegen jeder
„Käppeleskirbe“ ins Mitternächtliche dehnt, hört
man als Erklärung aus Rathäusern - wo man es
wissen müsste.
Ja, der Wind des Wandels weht auch im Land der
Kirchen, Klöster, Kreuze und Eigenheime. Und in jedem Umbruch steckt die Chance eines Aufbruchs.
C H R I S T D E M O K R A T EN F Ü R D A S LE B EN
Vorsorge fürs Alter
SCHEMMERHOFEN/ALTHEIM. Am Mittwoch, 22. April spricht Prof.
Dr. med. Egon Lanz aus Biberach zum Thema „Dem Leben nicht mehr
Tage, den Tagen mehr Leben geben – Sterbebegleitung heute“ (Cicely
Saunders, Gründerin der Hospizbewegung). Der Vortrag beginnt um
19.30 Uhr in Schemmerhofen-Altheim im Gasthof „Räuberhöhle“.
Die Themen Sterbebegleitung und Palliativmedizin gewinnen in einer überalternden Gesellschaft mit viel zu wenig Kindern immer mehr an Bedeutung,
zumal die Kinder meist nicht mehr am selben Ort wie die Eltern wohnen und
deshalb die Versorgung der Eltern in fremde Hände abgeben müssen. Auch
viele Alleinstehende sollten die Vorsorge für den letzten Lebensabschnitt
nicht versäumen, denn durch eine plötzliche, schwere Erkrankung kann
Handlungsunfähigkeit und Hilfsbedürftigkeit jeden treffen.
Die medizinischen Fähigkeiten bei lebensbedrohlichen Krankheiten wie
Herzinfarkt, Schlaganfall und Krebs waren früher noch sehr beschränkt,
inzwischen hat aber der medizinische Fortschritt vielen Sterbenden einen
sanften und weitgehend schmerzfreien Tod ermöglicht. Der Ausbau der
Hospiz- und Palliativversorgung wurde daher von der Regierung bei der
Debatte um die Sterbehilfe als vordringlich angesehen und die deutsche
Gesellschaft für Palliativmedizin dringt sogar auf einen Rechtsanspruch auf
Palliativversorgung. Inzwischen gibt es eine Reihe von Einrichtungen für
sterbenskranke Patienten.
Die Debatte um die Sterbehilfe und der Erfolg der Suizidhilfeorganisationen
beweist aber, dass die Angst vor Hilflosigkeit und vor dem einsamen
Sterben in unserer Gesellschaft weit verbreitet ist. Wenn Familien als
Solidargemeinschaft bis in den Tod am Egoismus zerbröckeln, wenn viele
Kinder „verhütet“ werden, dann fehlen am Lebensende die Angehörigen, die
ihre Eltern beim Sterben begleiten könnten. Und wenn die Frage nach Gott
und dem Jenseits ein Leben lang verdrängt wird, dann bleibt am Lebensende
nur Ungewissheit und Angst. www.cdl-online.de
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AKTUELL
J o c h e n
K a sti l a n
Das schwarze Käpsele
Die CDU hat eine neue Lichtgestalt: Guido Wolf, 53, Blutreiter aus dem
oberschwäbischen Weingarten und Landrat aus Tuttlingen. Er präsentiert sich heute schon als Oberministerpräsident und keiner fragt, was
er eigentlich vorher geleistet hat. Im Bermudadreieck von Erwin Teufel
und Volker Kauder verfliegt der Zauber schnell.
„Was hat dieser ehemalige Landrat von Tuttlingen, was ich nicht habe?“, wird sich Thomas Strobl
fragen, der auch gerne baden-württembergischer
Ministerpräsident geworden wäre. Der unterlegene Schwiegersohn von Wolfgang Schäuble wird
sich fühlen wie der berühmteste Tuttlinger. Wie
jener „Kannitverstan“ aus Johann Peter Hebels
Anekdote, welcher als Tuttlinger Handwerksbursche staunend durch Amsterdam spaziert. Auf
Nachfragen, wem die schönen Häuser gehören,
bekommt er immer nur die Antwort „Kannitverstan!“, und fortan hält er diesen ihm Unbekannten
für den Größten.
Nun ist der gebürtige Weingartener Jurist mit dem
„Blutreiter-Gen“ kein tumber Tor. Guido Wolf ist
ein Käpsele, das im Bermudadreieck deutscher Politik groß geworden ist. Rund um Tuttlingen, Spaichingen und Trossingen, im Homeland von Heiner
Geißler, Erwin Teufel und Volker Kauder.
Mindestens drei Bürgermeister im Kreis Tuttlingen
werden nicht daran zweifeln, dass Parteifreund
die Steigerung von Todfeind ist, wenn sie an Guido
Wolf denken. Norbert Zerr, Ex-Bürgermeister von
Irndorf, damals CDU, sprach einst, weit weg im
„Mannheimer Morgen“, von einer „Guido-WolfDiktatur“ und von „Guerilla-Methoden“. Kurz vor
dem Wiederwahltermin habe Wolf Ende 2010 im
Rathaus angerufen und ihm angekündigt: „Sie
werden Ihr blaues Wunder erleben. Sie werden
einen Gegenkandidaten bekommen.“ Diese Drohung habe der Amtsbote am Telefon mitgehört.
Der Amtsbote will auch bestätigen, dass Wolf den
Bürgermeister angefahren habe: „Ich werde Sie
kleinmachen!“ Und wie angedroht tauchte tatsächlich ein CDU-Mann als Gegenkandidat auf,
und der Amtsinhaber verlor knapp. Klar, dass Wolf,
darauf angesprochen, sich laut Zeitungsbericht an
dieses Gespräch ganz anders erinnert: „Ich hatte
gehört, dass es Probleme in der Gemeinde gab und
wollte ihm helfen.“ Er habe „mit Sicherheit keinen
Gegenkandidaten angedroht“.
Der zweite Schultes ist Alfred Pradel (Dürbheim),
der entnervt aufgab. Erfolgreich hatte er noch die
Versuche des CDU-Kreisvorsitzenden abgewehrt,
ihn zum Eintritt in die Partei zu bewegen. Dann
aber kam es Schlag auf Schlag: Nichtigkeitserklärung einer Bürgschaft der Gemeinde für seinen
Hausbau, Kündigung des Kredits der Kreissparkasse, Verwaltungsratschef Guido Wolf, Notverkauf
des Hauses.
Der Dritte ist der Bürgermeister von Spaichingen Hans Georg Schuhmacher ein nicht immer
linientreuer Schwarzer, der nach einer Schlammschlacht aus der CDU ausgetreten ist. Nach seinem
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Wahlkampf 2012 hagelte es Anzeigen, gerne auch
unter der Gürtellinie und vornehmlich aus dem
christdemokratischen Lager. Wer glaubt, dass sein
Gegenkandidat, der Kreisvorsitzende und örtliche CDU-Boss Tobias Schumacher, nicht von den
Königen Kauder und Wolf unterstützt wurde, der
glaubt auch noch an den Weihnachtsmann. Die
Rechnung ging freilich nicht auf – Schuhmacher
blieb Schultes.
Nun muss man wissen, dass es im pechschwarzen
Kreis Tuttlingen normalerweise nicht schwer ist,
Landrat zu werden. Wenn man auf dem Schild der
absoluten Mehrheit der CDU-Kreistagsfraktion
getragen und von Erwin Teufel und Volker Kauder
gestützt wird, dann geht das 2002 ebenso wenig
schief wie die Wahl zum Landtagsabgeordneten
vier Jahre später. Wolf beerbte den Teufel-Intimus
Franz Schuhmacher und folgte einer alten Tradition in der Region: Obrigkeit ist immer noch von
Gott gegeben. Und Wolf machte, was jeder macht,
wenn das Bett schon angewärmt ist – er sicherte
und zementierte seine Macht.
Da stört es auch nicht, wenn er mit seinem Namen
flirtet. Ihm die Schlauheit zuspricht, die dem Fuchs
gehört, oder vergisst, dass ein Wolf ein Rudel zum
Überleben braucht. Hauptsache, die Jubel-Tuttlinger gleichen das aus, die auf sechs CDU-Regionalkonferenzen auf Pappschildern mit dem Slogan
„Wolferwartungsland“ für ihn Stimmung gemacht
haben, was in den Zeitungen als allgemeine Zustimmung gewertet worden ist.
Vor dem Hintergrund der realen Welt ist das erstaunlich. In Wolfs Zeit als Landrat hat die CDU
im Kreistag erstmals die absolute Mehrheit verloren. Und schlimmer noch: Nach über 50 Jahren
büßte sie durch Wolfs Wechsel auf den Stuhl des
Landtagspräsidenten auch gleich den Landratsposten ein. Zweifellos trägt Wolf hierfür Mitverantwortung, denn der von der CDU in Spaichingen
angerichtete Flurschaden durch die Bürgermeisterwahl bedeutete den Verlust der Stimme des
CDU-Stimmenkönigs im Kreistag, des Spaichinger
Stadtoberhaupts. Erst dadurch konnten sich die
anderen Fraktionen im Kreistag gegen die CDUDominanz mit Erfolgschancen zusammenraufen
und den bisherigen FWV-Fraktionsvorsitzenden
und Bürgermeister von Fridingen Stefan Bär als
neuen Landrat durchsetzen.
Wolfs Bilanz in Tuttlingen ist sehr bescheiden
Und der schlägt sich jetzt, zusammen mit dem
Kreistag, mit Wolfs Erbe herum. Ohne dies namentlich zu machen, denn sonst müssten sie alle
„Nahe bei den Menschen“ ist Wolfs populäres
Programm, mit dem er seinen innerparteilichen
Konkurrenten Thomas Strobel ausgestochen hat.
Dazu zählt auch „Froschkuddla“ essen in erlauchter Narrenrunde in Riedlingen.
eingestehen, sich als Mitläufer haben blenden zu
lassen. Die Fakten: Einer der wirtschaftlich stärksten Kreise im Land ist hoch verschuldet, die Anpassung des Klinikums entpuppt sich als größte
Belastung, Sozialprobleme, Versäumnisse in der
Jugendpolitik werden entdeckt, wo bisher heile
Welt proklamiert worden war. Wolfs Steckenpferd
namens Hochschule in Tuttlingen, als dritter Teil im
Bunde mit Furtwangen und Villingen-Schwenningen, ist am zersplittern. Die Gäubahn hofft immer
noch auf die seit Jahren von Wolf verkündeten
Zweigleisigkeit. Statt schneller werden Züge immer langsamer.
Da verwundert es doch sehr, wenn Wolf im Wettstreit mit Thomas Strobl seine kommunalpolitische
Erfahrung preist und damit auch punktet. In Wirklichkeit ist er ein Unvollendeter, der plötzlich mit
über 50 die Chance zur politischen Karriere sieht.
Oberbürgermeister in Weingarten ist er nicht geworden, Erster Bürgermeister war er in Nürtingen,
also nicht vom Volk gewählt. Zwei Jahre vor Ablauf
der Amtszeit wurde er vom Kreistag zum Landrat
in Tuttlingen bestellt, nach der Wiederwahl war er
ein Jahr später wieder weg.
Aber da ist ja noch sein Mantra: „Nahe bei den
Menschen.“ Das er womöglich davon ableitet, dass
er gut reimen kann. Aber wenn er den „kleinen
Leuten“ verspricht, „zuzuhören, kämpfen und ihre
Probleme ernst zu nehmen“, dann lohnt ein Blick
auf das kreiseigene Freilichtmuseum, wo für den
AKTUELL
Landrat Guido Wolf ein eigener Parkplatz reserviert war. Dann muss man ihn
als Abgeordneten sehen, dem der „Landtagspräsident“ wie eine Monstranz
vorausgetragen wurde. Volksnähe demonstriert er auch gerne durch Klöppeln
auf dem Xylofon inmitten einer Stadtkapelle oder mit einer Dichterlesung mit
seinem Büchlein „Politikergeschwätz“, das auch eine Persiflage auf eigene
Gastspiele als Lobsager auf zahlreichen Vereinsbühnen sein könnte.
Wolf genießt es, zu erleben, wie sich die lokale Prominenz eines Landrats
plötzlich auf das ganze Land ausdehnen lässt. Und das auch noch mit dem
Nimbus eines bisher nie sonderlich beachteten Landtagspräsidenten. Als einziger verbliebener Amtsträger der in die Opposition verbannten CDU war er
auf einmal die Verkörperung der Partei. Und so macht er überall den Landeslandrat und gibt den Kümmerer. Er, der bisher nicht nur dem Alphabet nach
Hinterbänkler im Plenum war. Auf einmal ist überall vorne, wo Guido Wolf
ist. Andere haben zurück in die Reihe zu treten. Was der bisherige Fraktionsvorsitzende Peter Hauk erst lernen musste, wird auch anderen nicht erspart
bleiben, wenn sie in seinem neuen, größeren Revier geduldet werden wollen.
Die Begeisterung der CDU-Frauen hat Guido Wolf schon spürbar gedämpft.
Großspurig versprach er der Frauenunion, das halbe Kabinett mit Frauen zu
besetzen. Zukunftsmusik. Aber als es um seine Nachfolge als Landtagspräsidenten ging, hatte in der Fraktion die Frauenfavoritin Gurr-Hirsch keine
Chance gegen Wilfried Klenk. Vom angeblichen neuen Macher und Frauenversteher der CDU war hierzu weder etwas zu hören noch zu sehen. Bis jetzt
sieht noch alles nach Tuttlinger Landratsamt aus.
Unser Autor Jochen Kastilan war 20 Jahre Redaktionsleiter der „Schwäbischen Zeitung“ in Spaichingen und kennt Guido Wolfs Werdegang und
sein Revier aus dem Efef. Der ehemalige Zeitungsmann kommentiert
das regionale Geschehen mit besonderem Blick auf Wolf in seinen Blogs
„Neue Bürger-Zeitung“ und „Das Grüselhorn“.
Amtsinhaber und Herausforderer bei der Fasnet in Riedlingen. Wilfried
Kretschmann gibt das Maß vor, mit dem es Guido Wolf aufnehmen will.
Fotos: Kliebhan
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