Kirche für die Menschen vor Ort

welt
Die nächste Ausgabe
erscheint
am 1. Juni 2015
Unser aktuelles Projekt
in Papua-Neuguinea
Kirche für die
Menschen vor Ort
MÄRZ – MAI 2015
Schwerpunkt
C 51 78
Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Papua-Neuguinea (ELCPNG) leistet einen wichtigen und verlässlichen Dienst am Nächsten.
Sie unterhält nicht nur viele Schulen und einige Basiskrankenhäuser, sondern sie engagiert sich besonders in der Jugend- und Frauenarbeit. Trotz der Größe des Landes und der häufig sehr unzureichenden Infrastruktur bietet die Evangelisch-Lutherische Kirche in
PNG wirkungsvolle Vor-Ort-Angebote. So gibt es ein Netzwerk mit
Programmen, das gerade Menschen in den ländlichen Regionen
erreicht.
Die Angebote der Frauen- und Jugendarbeit sind dafür gute Beispiele, denn sie bringen die Menschen zusammen und ermöglichen
die Stärkung in Glaubens- und Lebensfragen. So trägt die
Frauenarbeit zur Gleichberechtigung der Geschlechter bei,
fördert die Ausbildung von Frauen und setzt sich aktiv für
die Überwindung von häuslicher Gewalt ein. Und die Jugendarbeit der ELC-PNG stellt sich besonders den Fragen
und Herausforderungen der jungen Generation. Sie lädt
junge Leute dazu ein, das Evangelium als Lebensmöglichkeit zu entdecken und stärkt ihre Rolle als Christen in der
sich rasch wandelnden Gesellschaft Papua-Neuguineas.
Nach wie vor leben 80 Prozent der Kinder und
Jugendlichen in Papua-Neuguinea auf dem Land.
Dort sind Bildungseinrichtungen noch immer sehr
knapp, dabei ist Bildung eine wichtige Voraussetzung, damit Kinder eine Zukunft haben.
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weltbewegt
Spendenkonto des Zentrums für Mission und Ökumene:
IBAN: DE11 2106 0237 0000 0273 75
BIC: GENODEF1EDG
Programmarbeit ELC-PNG (Projekt 3001)
(Konto 27375 BLZ: 210 602 37 EDG Kiel)
Foto: N. Gehm, Titel: Bernard Riff
Bei der Durchführung ihrer Angebote in der Bildungs-,
Frauen-, und Jugendarbeit wird die ELC-PNG auch personell von ihren internationalen Partnerkirchen unterstützt. Im
Auftrag der Nordkirche üben derzeit Pastorin Eva SunnyLagies (Lutheran Church College Banz) und Pastor Dr. Martin Brückner (Martin-Luther-Seminar, Lae) eine Lehrtätigkeit
in Papua-Neuguinea aus. Auch die finanzielle Förderung
der Jugend- und Frauenarbeit hat unsere besondere Aufmerksamkeit. Helfen Sie dabei mit! Dank Ihrer Spende werden Frauen und junge Menschen in Papua-Neuguinea gestärkt.
SCHWERPUNKT
Papua-Neuguinea
weltbewegt
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Schwerpunkt
Unser aktuelles Projekt
in Papua-Neuguinea
Kirche für die Menschen vor Ort
Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Papua-Neuguinea leistet einen wichtigen und verlässlichen Dienst am
Nächsten. Sie unterhält nicht nur viele Schulen und einige Basiskrankenhäuser, sondern sie engagiert sich auch
besonders in der Jugend- sowie in der Frauenarbeit. Mit
Ihrer Unterstützung möchten wir das Engagement für
die Jugendlichen und für die Frauen in Papua-Neuguinea fördern.
Nähere Informationen zu unserem aktuellen
Spendenprojekt finden Sie auf der Heftrückseite.
2
Fotos: C. Plautz (1), S. D. Gradert (1), M. Haasler (2), Wikimedia (1), A. Knuth (1), J. Bartels (1), T. Krafft (1), M. Struck-Garbe (2), M. Krieg (2), S. Schmidt (1), ZMÖ-Bildarchiv (1)
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Zur Schule müssen viele Kinder weite Wege zurücklegen. Vor-Ort-Angebote können den wichtigen
Zugang zur Bildung erleichtern.
Editorial
Aus dem Inhalt
8
Papua-Neuguinea ist
ganz anders!
Vom Missionskleid zur
Bilum-Fashion
Eine Annäherung von
Martin Haasler an ein Land
im Umbruch, das voller
Widersprüche ist.
Die Mode spiegelt auch die
Geschichte des Landes
wider. Marion Struck-Garbe
erzählt sie nach.
Paradies der Rohstoffe
Brücke zwischen
Tradition und Moderne
Das Wirtschaftswachstum
ist enorm gestiegen. Aber
was kommt davon bei der
Bevölkerung an?
Wir brauchen Visionäre
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Die Kirche steht vor großen
Herausforderungen. Was ist
zu tun? Kinim Siloi sucht
nach Antworten.
Moderne Kunst hat sich
inzwischen etabliert und
verarbeitet auch politische
Themen.
Medizin muss dorthin,
wo die Menschen sind
Die Regierung muss mehr für
das Gesundheitswesen tun,
fordert Dr. Andreas Schultz,
Direktor von „Ärzte der Welt“.
Heikle Balance
Hexenwahn
Wenn alles im Umbruch ist,
kann das für die Kirche auch
eine Chance sein, meint Dr.
Anton Knuth.
Wie kommt es zu dem
Phänomen? Wie kann man
ihm begegnen? Prof. Theodor
Ahrens geht den Fragen nach.
Ein Mensch allein ist
nur ein halber Mensch
Weg zur Gleichberechtigung noch weit
Um Gemeinschaft und ihre
Bedeutung für Gesellschaft
und Theologie geht es im
Interview mit Maiyupe Par.
Zur Rolle der Frau – ein
Gespräch mit Cathy Mui und
Mary-Rose Palei und ein
Beitrag von Cynthia Lies
Wantoks im globalen
Dorf
Von Anfang an dabei
Welche Bedeutung haben
die Neuen Medien für die
Gesellschaft? Thorsten
Krafft hat nachgefragt.
Ein Nachruf auf Dr. HansJoachim Kosmahl von Paul
Gerhardt Buttler
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+
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Liebe Leserin, lieber Leser,
Papua-Neuguinea gilt in unseren Breitengraden als Sinnbild für alles, was exotisch, was wild und sehr weit weg
ist. Aber wie ist es dort wirklich? Der zweitgrößte Inselstaat der Welt ist ein Land voller Widersprüche und
Gegensätze und hat so viele Facetten, dass sie sich kaum
einfangen lassen. So gibt es allein über 836 indigene Sprachen und Dialekte. Hinzu kommt, dass sich der Inselstaat
durch die Globalisierung in einem rasanten sozialen,
gesellschaftlichen und kulturellen Umbruch befindet.
Papua-Neuguinea steht mit seinem Wirtschaftswachstum im internationalen Vergleich an 15. Stelle. Wieviel
davon bei der Bevölkerung wirklich ankommt, ist eine
der Fragen, mit denen sich Marion und Eckhart StruckGarbe in ihrem Beitrag kritisch beschäftigen.
Die enorme Kluft zwischen Moderne und Tradition droht
das Land manchmal auseinanderzureißen. Die Neuen
Medien beschleunigen diese Entwicklung um ein Vielfaches. Aus Respekt vor dieser Vielfalt könne sein Artikel
„auch nur eine Annäherung sein“, hatte Martin Haasler
im Vorfeld erklärt. Als Referent für Papua-Neuguinea
und Pazifik betreut er die Partnerschaftsbeziehungen der
Nordkirchen, die es seit über 35 Jahren gibt. Er habe den
ozeanischen Inselstaat als ein Land erlebt, das zugleich
extrem fremd sei, einem dann aber auch wiederum sehr
nahe kommen könne – vor allem durch die Begegnung
mit den Menschen.
Nun wünsche ich Ihnen eine anregende Lektüre.
32
Ihre
weltbewegt-Post-Anschrift: Zentrum für Mission und Ökumene – Nordkirche weltweit, Postfach
52 03 54, 22593 Hamburg, Telefon 040 88181-0, Fax -210, E-Mail: [email protected]
IMPRESSUM: weltbewegt (breklumer sonntagsblatt fürs Haus) erscheint viermal jährlich. HERAUSGEBER UND V
­ ERLEGER: Z
­ entrum für Mission und Ökumene
– Nordkirche weltweit, Breklum und ­Hamburg. Das Zentrum für Mission und Ökumene ist ein Werk der ­Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland.
DIREKTOR: Pastor Dr. Klaus Schäfer (V.i.S.d.P.), REDAKTION: Ulrike Plautz, GESTALTUNG: Christiane Wenn, KONZEPT: Andreas Salomon-Prym, SCHLUSS­
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DRUCK, VERTRIEB UND VERARBEITUNG: Druckzentrum Neumünster, JAHRESBEITRAG: 15,– Euro, SPENDENKONTO: IBAN DE11 2106 0237 0000 0273 75
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unbedingt die Ansicht des ­herausgebenden Werkes wieder. Die Redaktion behält sich vor, Manuskripte redaktionell zu ­bearbeiten und gegebenenfalls zu kürzen.
Gedruckt auf TCF – total chlorfrei gebleichtem Papier.
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Schwerpunkt
Papua-Neuguinea
ist ganz anders!
Eine Annäherung an ein Land, das voller Widersprüche und
Gegensätze ist und sich in einem rasanten Umbruch befindet
Martin Haasler
Martin Haasler ist
Referent für
Papua-Neuguinea
und Pazifik sowie
für Partnerschaften
im Zentrum für
Mission und
Ökumene.
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weltbewegt
ls eine Bekannte hörte, dass
ich nach Papua-Neuguinea
gehen wollte, um dort in der lutherischen Kirche zu arbeiten, sagte sie: „Oh, wie schön! Ich wollte
auch schon immer mal nach Südamerika!“ – Schon häufig habe ich
diese Begebenheit in verschiedenen Varianten von ökumenischen
Mitarbeitenden in Papua-Neuguinea erzählt bekommen. PapuaNeuguinea, kurz PNG, klingt für
viele wie der Inbegriff der Exotik.
Bereits seine Lage nördlich von
Australien, auf der Osthälfte Neuguineas, der zweitgrößten Insel der
Erde, den westlichen Rand Ozeaniens markierend, gilt zuweilen als
Expertenwissen.
„Ziemlich speziell“ nannte eine
Buchhändlerin jüngst meinen Kauf
einer Kulturgeschichte Ozeaniens
und jemand im Laden fügte hinzu:
„Wenn ich Papua-Neuguinea höre,
denke ich nur immer an Missionare
in Kochtöpfen, aber so ist es da
doch heute nicht mehr, oder?“
„Nein“, antwortete ich, „so ist es da
nicht, und so war es dort auch
nie…“ Ich zögerte und fühlte, wie
mir die Hände feucht wurden und
mein Blutdruck stieg wie jedes Mal,
wenn dieses offenbar nicht auszurottende, ungeheuerliche Klischee über Menschen in Ozeanien
im Raume steht, nachdem es in
freundlichstem Plauderton und
ohne bewusste feindliche Absicht,
geradezu arglos ausgesprochen
wird.
Noch gibt es die Klischees
von den Wilden
Wie sollte ich erklären? Wo sollte
ich ansetzen? Wie ließ sich aufräumen mit diesem brutalen Klischee
von den menschenfressenden Wilden, die in den dunklen Dschungeln
einer entlegenen Südseeinsel nahezu unberührt, unbemerkt, aber
auch unbeeindruckt vom Rest der
Welt grausame archaische Praktiken pflegen? Das oft bemühte Bild
von PNG als Heimat menschenfressender Wilder bringt mich regelmäßig aus der Fassung. Es ist wie ein
Schlag vor den Kopf.
Was sollte ich entgegnen,
wie darauf antworten?
Wie könnte ich ein überzeugendes
Bild von den Menschen in PNG
zeichnen, die weit davon entfernt
sind – womöglich unter martialischen Gesängen und Tänzen um
besagten Kochtopf herum – sich
jedwedem äußeren Einfluss zu
widersetzen und damit den Trägerinnen und Trägern einer wie auch
immer gearteten „Mission“ eine
endgültige Abfuhr zu erteilen? Das
Wenige, das mit PNG gemeinhin
assoziiert wird, etwa die Vorstellung von den „Missionaren im
Kochtopf der letzten Wilden in der
fernen Südsee“, stammt häufig aus
einer offenbar ungebrochenen, vollkommen unreflektierten selbstherrlichen Tradition der deutschen
Kolonialzeit. Wie sollte ich die
unheilvolle brachiale Wucht des
wirkmächtigen Klischees von den
weltfremden, unbelehrbaren, unfassbar primitiven und grausamen
Wilden entkräften, die alles an
Menschlichkeit, Zivilisation, Kultur, Bildung auch nur Erinnernde
in menschenverachtender, geradezu
„kannibalistischer“ Weise ablehnen?
„Papua-Neuguinea ist ganz anders“, hörte ich mich sagen. Es war
genau der Satz, den ich schon
unzählige Male von Leuten gehört
hatte, die PNG lieben, die dort
Freunde haben oder in dem Land
selber zuhause (gewesen) sind. Aber
was erklärt dieser Satz?
den die Stadtteile miteinander. Der
Flughafen, das Regierungsviertel
oder die Universität liegen nur ein
paar Autominuten auseinander, jedenfalls außerhalb der Rushhour.
Auf einem städtischen Hügel mit
Seeblick befindet sich das Diplomatenviertel mit seinen parkähnlichen
Grundstücken und wie Gefängnisse
gesicherten Villen. An den Rändern
der Stadt wuchern die „settlements“
genannten Slums. Dem Gast aus
Europa wird aus Sicherheitsgründen
abgeraten, diese Siedlungen zu betreten oder auch nur zu befahren.
Selbstverständlich: PNG ist
ganz anders. Aber inwiefern?
Was genau ist anders?
Port Moresby hat ein kleines
Geschäftszentrum mit mehrstöckigen Häusern und einigen größeren Bank-, Hotel- und Firmengebäuden mit schillernden Glasfassaden. Die meisten Leute, die hier
unterwegs sind, tragen modische
westliche Kleidung und bewegen
sich geschäftsmäßig zwischen den
Einrichtungen und Geschäften.
Parkplätze für die Pkws und Geländewagen sind im gesamten Zentrum ein rares Gut. Dicht an dicht
schieben sich die Autos. Es wird
gedrängelt und gehupt. Das Straßenbild eines vielleicht nicht besonders gediegenen, aber florierenden
Geschäftsviertels.
Das Leben in Port Moresby ist
auch im internationalen Vergleich
sehr teuer. Die Übernachtung im
Ich erinnere mich an meinen
ersten Besuch. Flugreisende aus
Übersee gelangen in der Regel über
Port Moresby in das Land. Die landschaftlich wunderschön gelegene
Hauptstadt erinnert ein wenig an
australische Hafenstädte, die vom
Vieh- oder Erztransport leben und
aus leicht nachvollziehbaren Gründen in keinem gängigen Reiseführer erwähnt werden.
Zahllose Zweckbauten für die Hafenwirtschaft, für Verwaltung und
Gewerbe, aber natürlich auch für
Parlament und Regierung des Landes bestimmen das Stadtbild.
Autobahnähnliche Straßen verbin-
Nur 13 Prozent der Menschen
leben in der Stadt
Fotos: C. Wenn (1), M. Haasler (1), E. Lau (1), J. Bartels (2)
A
Hotelzimmer kann leicht mehrere
Hundert Euros kosten, ohne dass
diese zumeist von weltweit tätigen
Hotelketten gebotenen Unterkünfte
mehr als mittelklassigen Komfort
zu bieten hätten. Zum Vergleich:
Der Mindestlohn in PNG beträgt
3,20 Kina pro Stunde, umgerechnet
1,08 Euro. Der Grund für die hohen
Preise in der Stadt liegt zum einen in
der Alternativlosigkeit des Angebots
und zum anderen in der Tatsache,
dass sich etwa durch Ausbeutung
der natürlichen Ressourcen sehr viel
Geld verdienen lässt, die hohen
Preise also von den entsprechenden
Firmen bezahlt und darum verlangt
werden. Hauptexportgüter des Landes sind Gold, Erdöl, Kupfer und
Kaffee.
Keine einzige Straße verbindet die
Hauptstadt Papua-Neuguineas mit
dem Rest des Landes. Wer andere
Landesteile besuchen will und sich
nicht zu Fuß auf den (nicht
vorhandenen) Weg machen will, ist
auf Flugzeuge oder Schiffe angewiesen. Erstaunlich, dachte ich
damals. „Aber“, so habe ich es in der
Hauptstadt immer wieder gesagt
bekommen, „Port Moresby ist nicht
PNG, denn“ – und auf diese Aussage
war ich inzwischen gefasst – „PNG
ist ganz anders“.
Diese Aussage lässt sich eindrücklich belegen, denn in PNG
atmet kaum jemand Stadtluft. Der
Urbanisierungsgrad ist einer der
niedrigsten der Welt. Mit 13 Prozent
ist er halb so hoch wie der Tansanias
(26 Prozent) oder Indiens (30
Prozent), und er beträgt weniger als
ein Sechstel des Verstädterungsgrades von Deutschland (74 Prozent). Im Vergleich zu den Ländern
Ozeaniens ist der Urbanisierungsgrad von PNG auffallend niedrig.
Wer außerhalb Port Moresbys
oder Städten wie Lae, Mount Hagen,
Madang oder Goroka unterwegs ist,
wird die ländliche Prägung des
Landes nicht übersehen können.
Bereits an den Rändern der wenigen
Fernstraßen des Landes, den sogenannten Highways, findet sich
zwischen größeren Ortschaften im
Wohnungsbau keine städtische
„Stein-Architektur“ mehr. Die Häuser sind in traditioneller Bauweise
zumeist aus pflanzlichen Materialien
gebaut. Wege, die in den Highway
einmünden, sind außerhalb der
Städte in der Regel nicht asphaltiert.
Schon der Highway empfiehlt sich
nicht für Pkw-Limousinen, aber
wer den Highway verlässt, wird auch
auf den besten Straßen ohne Geländewagen nicht weit kommen können.
Tradition neben
Moderne – das
Leben in PapuaNeuguinea ist voller
Gegensätze.
(v.l.n.r.): Der Hafen
von Port Moresby
und das Parlamentsgebäude,
traditioneller
Umzug, Gemüseverkauf aus eigener
Ernte.
Das Land erlebt einen
rasanten Wandel
Die meisten Menschen leben fernab
großer Straßen. Größere Ortschaften und Städte versorgen ein riesiges Umland mit allem, was sich
in den heimischen Gärten nicht
anbauen oder in den großen Wäldern oder im Meer nicht ernten,
jagen und fangen lässt. Viele Menweltbewegt
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Schwerpunkt
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weltbewegt
der exponentiell zunehmenden
Kommunikation von Informationen aller Art werden nicht nur
Nachrichten und Meinungen, sondern auch Bilder und Vorstellungen
unters Volk gebracht, die in vielerlei
Hinsicht den Wunsch nach einer
Entwicklung befeuern, die unmittelbar zu Wohlstand und einer
Lebensweise westlicher Prägung
sowie internationaler Anerkennung
führt. Ein rascher, infrastrukturell
abgesicherter Anschluss an internationale Konsum- und Versorgungsstandards sowie die individuelle Teilhabe an materiellem
Reichtum gehören zu den wichtigsten
Motiven, aus denen heraus insbesondere junge Menschen ihre
dörflichen Gemeinschaften verlassen und damit ihre Rolle in den
traditionellen Sozial- und Grundversorgungssystemen aufgeben. Mit
kurz- und langfristigen Folgen nicht
nur für die Einzelnen, sondern auch
für die Gemeinwesen, denen sie
entstammen.
Etliche Anzeichen der Veränderungen sind zahlreich und lassen
sich schon vom Highway aus
erkennen. Ein wichtiges Stichwort in
diesem Zusammenhang ist die
Individualisierung und Entsolidarisierung als gesellschaftlicher
und ökonomischer Trend. Immer
häufiger ist zu beobachten, dass
Grundstücke vor den Toren einer
Stadt oder größeren Ortschaft
eingezäunt und von Wachdiensten
kontrolliert werden. Am augen-
fälligsten ist vielleicht die Werbung.
Ob braune Brause, Bierbüchsen,
Telefonkarten oder auch ein gemästetes Schwein – am Highway ist für
Geld vieles zu bekommen. In etwas
dezenter beworbenen, jedoch nicht
unbemerkt bleibenden sogenannten
Clubs am Straßenrand werden den
zahlungskräftigen Durchreisenden
sogar sexuelle Dienstleistungen
angeboten.
Die ethnische Vielfalt ist eine
große Herausforderung
Wer in PNG ein Produkt bewerben
möchte, muss sich einigen Schwierigkeiten stellen. Die Tatsache, dass
in dem Land mit einer Bevölkerung
von rund sieben Millionen Menschen über 830 Sprachen gesprochen werden, zwingt die Werbebranche dazu, ihre Botschaften entweder auf Tok Pisin als der verbreitetsten Verkehrssprache oder auf
Englisch zu formulieren. Dieses
Vorgehen setzt allerdings voraus,
dass die potenzielle Kundschaft
lesen kann, was bestenfalls für gut
die Hälfte der Erwachsenen zutrifft.
Nirgendwo ist die ethnische und
kulturelle Vielfalt sowie die Dichte
der Sprachen so groß wie in diesem
Land. Kinder wachsen nicht selten
zweisprachig auf, denn nicht immer
ist ihre Muttersprache auch die ihres
Vaters. Nach der Sprache des Dorfes
ist Tok Pisin meist die nächste zu
erlernende Sprache. Erst weiterführende Schulen bieten Englisch-
Fotos: M. Haasler (1), E. Lau (2), M. Krieg (1)
schen müssen tagelange Fußwege
auf sich nehmen, um überhaupt an
eine Straße zu gelangen. Wie überall auf der Welt lebt die Stadtbevölkerung von den landwirtschaftlichen Produkten, die in der
Umgebung der Stadt hergestellt und
großenteils auf städtischen Märkten
verkauft werden. Auch die Fernstraßen bieten Gelegenheit zur Vermarktung von lokal angebauten
Produkten. Auf Marktplätzen oder
an Straßenständen werden entlang
des Highways zumeist vor Ort produziertes Obst und Gemüse angeboten.
Auf diese Weise breitet sich die
Geldwirtschaft allmählich auch in
die entlegensten Landesteile aus, die
traditionell von einer Wirtschaft
geprägt sind, die der Selbstversorgung
dient. Mit der Einführung des Geldes
hat eine Veränderung der Lebens-,
Konsum- und Wirtschaftsgewohnheiten eingesetzt, die erheblichen
Einfluss auf das gesellschaftliche
Leben und das soziale Gefüge des
Landes hat. Das Land befindet sich
heute in einem rasanten, umbruchartigen Wandel, dessen Komplexität
und Tiefgang sich an zahllosen
Veränderungen ablesen lässt und der
mit seinen dramatischen Auswirkungen tiefe Spuren im Leben der
einzelnen, ihren Familien, Clans und
Dorfgemeinschaften hinterlässt.
Die intensive Nutzung moderner
Kommunikationstechnik ist ein
Beispiel dafür. Allen voran die
Mobiltelefonie und das Internet. Mit
unterricht an. An Hochschulen
und Universitäten wird schon
aufgrund der zur Verfügung
stehenden Fachliteratur auf Englisch unterrichtet. Wer in PNG groß
geworden ist und Englisch spricht,
hat also meist vier Sprachen erlernt.
Es lässt sich erahnen, welchen
sozialen Stellenwert die eigene
Muttersprache hat und wie hoch die
sprachliche Hürde für eine Berufsausbildung oder gar für einen
Hochschulabschluss ist, der internationalen Standards entspricht –
von finanziellen Gesichtspunkten
ganz abgesehen.
Die gemeinsame Sprache vermittelt Zugehörigkeit. Wer dieselbe
Sprache spricht, ist ein Wantok
(abgeleitet von „one talk“) und gehört
in aller Regel derselben ethnischen
Gemeinschaft an. Wer meine Sprache
spricht, wer mein Wantok ist, steht
mir näher als andere Menschen.
Meinem Wantok bin ich verbunden
und verpflichtet zugleich, denn wir
gehören zusammen und sind aufeinander angewiesen, um uns in
einer nur schwer verständlichen
Umwelt zu behaupten.
Die Verständigung auf gemeinsame Werte und Regeln ist unter
Wantoks selbstverständlich. Dies
kann zu einer riesigen Herausforderung werden, wenn es um die
Ausbildung einer Nation mit einheitlichem Rechts- und Wertesystem
geht. Wenig überrascht es daher, dass
die Bekämpfung von Vetternwirtschaft und Korruption weit oben auf
der offiziellen Prioritätenliste der
Regierung steht.
Wer in dem Land ohne Gewalt
etwas verändern will, muss Argumente dafür finden und in den
jeweiligen kulturellen Kontext hineintragen und übersetzen. Das ist ein
langwieriger und müheseliger
Prozess, wie sich beispielsweise an
der präventiven Gesundheitsarbeit
zeigt. Allein welche kulturellen
Hürden zu überwinden sind, um
elementare Hygiene-Regeln zu
vermitteln, die Ausbreitung von
TBC, Cholera oder HIV/AIDS zu
verhindern, ist ein gigantisches
Problem in dem multikulturellen
Land. Häufig noch schwieriger ist es
unter den aktuellen Gegebenheiten,
soziale Veränderungen wie die
Überwindung häuslicher Gewalt zu
erreichen. Mit Opferraten von über
60 Prozent – allein unter der weiblichen Bevölkerung – bricht sie im
weltweiten Vergleich derzeit alle
traurigen Rekorde.
PNG ist anders, die Menschen in
PNG sind es nicht. Sie sind und
verhalten sich ebenso, wie andere es
unter denselben Bedingungen und
Gegebenheiten tun würden. Der
Kontext menschlichen Lebens in
PNG ist jedoch so sehr von dem
verschieden, was in europäisch
geprägten oder von europäischem Denken beeinflussten
Ländern als „normal“ gilt, dass
sich im wechselseitigen Austausch und in der Begegnung
interkulturelle Missverständnisse
und Konflikte selbst und gerade da
nicht vermeiden lassen, wo vermeintlich gleiche Bezugsgrößen wie „das
Geld“ eine Rolle spielen.
Darum hat die Partnerschaftsarbeit wie die zwischen den Evangelisch-Lutherischen Kirchen in
Papua-Neuguinea und in Norddeutschland immer auch damit zu
tun, hier wie dort die Gültigkeit des
Evangeliums Jesu Christi für alle
Menschen in der alltäglichen Wirklichkeit, also unter den Bedingungen
des kirchlichen Lebens immer wieder
neu durchzubuchstabieren. PNG ist
anders – aber Deutschland ist es
auch.
weltbewegt
weltbewegt
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Schwerpunkt
Paradies
der Rohstoffe
Nicht alle Proteste gegen
Landraub beschränken sich
aufs Wort wie dieses Plakat in
Port Moresby. Es kommt
teilweise zu gewalttätigen
Auseinandersetzungen.
Das Wirtschaftswachstum ist enorm gestiegen.
Was kommt davon bei der Bevölkerung an?
Eckart Garbe und Marion Struck-Garbe
Eckart Garbe ist seit
40 Jahren beruflich
im Pazifik unterwegs. Der Volkswirt
und Soziologe war
Leiter des Büros
des deutschen
Entwicklungsdienstes in Papua-Neuguinea und auch als
Journalist für
Presse und
Rundfunk tätig. Seit
2010 berät er
kirchliche Institutionen und ökumenische Partner.
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weltbewegt
apua-Neuguinea verfügt über
solch einen Schatz an Ressourcen, dass es in wenigen Jahren
eigentlich ein wohlhabender Staat
sein könnte. Stattdessen bestimmen
Plünderung und Ausverkauf die
Wirtschaft des Landes. Es nutzt seinen Rohstoffreichtum momentan
nicht, um die großen Infrastrukturdefizite zu beheben. So sind nach
wie vor Straßen, Küstenschifffahrt
und Stromversorgung unzureichend und es man­gelt an Beratung
und Diensten im ländlichen Raum.
Auch fehlen die Mittel, um die
Mängel in Bildung, Gesundheit, Ernährungssicherheit sowie fehlende
Entwicklungsperspektiven zu be­seitigen.
Während die Menschen dies
meist unzufrieden und hilflos erleiden, erleben sie zugleich, dass viel
Geld in den Taschen von korrupten
Politikern und Eliten verschwindet.
Die Medien berichten jeden Tag über
solche Geschehnisse.
Der Abbau von Mineralien, die
Förderung von Erdöl und Erdgas,
Fischfang, Ölpalmplantagen sowie
Holzeinschlag in großem Stil spülen
Geld in die Kassen des Staats. Dabei
bleibt die dörfliche Subsistenz- und
Familienwirtschaft weiterhin das
eigentliche ökonomische Rückgrat.
Etwa 80 Prozent der arbeitsfähigen
Bevöl­
kerung arbeiten in diesem
sogenannten informellen Bereich.
Der Ertrag des Gartenanbaus ist
hauptsächlich für den Eigenbedarf
bestimmt, die Überschüsse werden
auf lokalen Märkten vertrieben, die
zusätzlich für ein kleines
Geldeinkommen sorgen.
Dies wird zunehmend
nötiger, da die Geldwährung inzwischen in
alle Lebensbereiche vorgedrungen ist. Es fehlt also
selten an Nahrung, jedoch fehlen
notwendige Infrastrukturen.
Wer profitiert vom wachsenden Export?
Durch den massiven Export von
Bodenschätzen, die inzwischen zwei
Drittel des gesamten Exporteinkommens ausmachen, hat Papua-Neuguinea im letzten Jahrzehnt sein
Wirtschaftswachstum kontinuierlich vorangetrieben. Dies wird in
Zukunft durch den Bau beziehungsweise die Inbetriebnahme des ersten
Flüssiggas-Pro­
jekts des amerikanischen Exxon Mobil Konzerns noch
ausgebaut. Das Liquefied Natural
Gas Project (PNG-LNG) nahm 2008
seinen Anfang und umfasst ein in
Papua-Neuguinea bislang nicht
dagewesenes finanzielles Volumen.
700 km Pipeline aus dem südlichen
Hochland enden eine halbe Autostunde nördlich von Port Moresby in
einem eigens errichteten großen
Hafenterminal mit Verarbeitungsanlagen. Seit April 2014 wird Gas
gefördert und im Mai wurde die
erste Gas-Fracht von PNG nach
China verschifft. Dorthin wird die
angestrebte Fördermenge von sieben
Millionen Tonnen Gas jährlich auch
in Zukunft verkauft.
Da es die für den Projektaufbau
benötigten Fachkräfte im Land
nicht gibt, wurden für kurze Zeit
Fachkräfte aus dem Ausland
angeheuert. Allerdings sind für die
lokale Bevölkerung langfristige
Beschäftigungs- und Ausbildungsmöglichkeiten nur in begrenztem
Umfang entstanden. Um zu überleben, ist die örtliche Bevölkerung
nach wie vor auf Subsistenz- und
Gartenbau angewiesen. Ob die Einnahmen des Staats aus dem LNGProjekt schließlich dazu benutzt
werden, die öffentlichen Schulden
abzu­bauen und Bildung, Gesundheit
und den Öffentlichen Dienst zu
verbessern, bleibt abzuwarten.
Viele befürchten, dass PapuaNeuguinea den großen Geldregen
nicht verkraften kann und alles bloß
die Korruption ins Unermessliche
steigern wird. Diese Sorge hat dazu
geführt, dass nun geplant wird, die
neuen Einnahmen dem regulären
Staatshaushalt nur zum Teil zuzuführen. Ein Großteil soll zur
zukünftigen Nutzung durch spätere
Generationen auf Sonderkonten
angelegt werden. Die Einrichtung
dieses „Sovereign Wealth Funds“ gibt
Hoffnung, dass die LNG-Einnahmen
doch noch dem Land als Ganzes
zugute kommen könnten. Allerdings
ist auch diese Konstruktion mit
Risiken behaftet. Sie ist ihrerseits
nicht gegen Risiken an Märkten und
künftigen Missbrauch gefeit.
Organisierter Landraub
Fotos: E. v. d. Heyde (1), S. D. Gradert (1), M. Struck-Garbe (1), M. Haasler (1)
P
Ein weiteres Problem ist die 1996
eingeführte „Special Agricultural
Business Lease“ (SABL), die zuletzt
viel Diskussion und Protest in der
Öffentlichkeit ausgelöst hat.
Ursprünglich war die Regelung
zur Förderung landwirtschaftlicher Betriebe gedacht. Inzwischen
kommen die SABL-Pachtverträge
einem massiven Landraub gleich.
Über fünf Millionen Hektar Land,
das sind immerhin 12 Prozent der
Gesamtfläche des Landes, wurden
für die Verpachtung an – meist
ausländische – Firmen beziehungsweise Investoren freigegeben. Laut
SABL-Gesetz kann der Staat Land
von den traditionellen Eigentümern
– 97 Prozent des Grund und Bodens
gehören den Klans – pachten und
dies dann seinerseits für 99 Jahre an
interessierte Geschäftsleute verpachten. Dies
erfordert jedoch die vorherige, freie und informierte Zustimmung
durch die traditionellen
Eigentümergruppen, also durch die Dorfgemeinschaften.
Wie sich herausstellte, sind letztere
vielfach nicht befragt worden. Oft
wurden Verträge ohne deren Wissen
abgeschlossen. Diese Vorgehensweise
hat nicht nur ihre Rechte beschnitten,
sondern ihnen auch das Leben
schwer gemacht, nämlich dort, wo
ihr Überleben von der Nutzung des
Landes oder Waldes abhängt. Schwer
wird es insbesondere dann, wenn es
tatsächlich zu Aktivitäten auf dem
ver­pachteten SABL-Gebiet kommt.
Es ist in vielen Gegenden PapuaNeuguineas zwischen traditionellen Landeigen­tümern und Pächtern
zu teilweise gewalttätigen Auseinandersetzungen um SABL-Flächen gekommen. SABL-Pachtverträge enthalten zwar die Auflage, das
gepachtete Land agrarisch zu bewirtschaften, doch da meist Waldflächen vergeben werden, wird dann
häufig erst einmal abgeholzt, um
anschließend die agrarwirtschaftliche Nutzung zu unterlassen. Dort,
wo keine Lizenzen (mehr) für den
Holzeinschlag vergeben werden, ist
SABL oftmals ein Trick, um dennoch
abholzen zu können. Das ist fatal für
den Waldbestand, insbesondere weil
SABL ein totales Abholzen, also
einen Kahlschlag, erlaubt – im
Gegensatz zu den üblichen Forst-
Konzessionen, die bloß selektives
Abholzen zulassen.
Die Konflikte um SABL und die
Proteste, die dadurch ausgelöst
wurden, haben dazu geführt, dass
eine Untersuchungskommission
eingesetzt werden musste, die prompt
massiven Betrug und Unregelmäßigkeiten im Vergabeverfahren aufgedeckt hat. Laut Kommission sind
90 Prozent der Pachtverträge illegal.
Die Regierung hat inzwischen angekündigt, dass alle illegalen Verträge aufgehoben werden sollen, hat
jedoch bislang versäumt, diese
Ankündigung auch umzu­
setzen.
Bislang sind die illegalen Nutzungen
also noch nicht gestoppt.
Die Mehrheit der
Bevölkerung lebt
nach wie vor von
der Selbstversorgung.
Umdenken notwendig
Papua-Neuguineas Regierungen haben allesamt einseitig auf Rohstoffe gesetzt. Die Menschen wurden dabei vergessen. Man muss
dringend umdenken, um dem Fluch
seines geplünderten Reichtums etwas entgegenzusetzen. Die Regierung
hat eine ambitionierte Vision: Das
Land soll bis 2050 eine moderne
Nation werden. Doch bislang ist
davon noch nicht viel zu sehen.
Allerdings gibt es auch Hinweise auf gesellschaftliche Veränderungen: bessere Information, digitale Medien, zunehmende Mobilität,
junge Leute mit frischem Selbstbewusstsein. Ihnen wird es zufallen
dafür zu sorgen, dass ihr Land nicht
hinten bei den Verlierern, sondern
vorne landet.
Marion Struck-Garbe unterrichtet im
Asien-Afrika-Institut
der Universität Hamburg und arbeitet
bei Greenpeace.
Die Sozialwirtin und
Ethnologin hatte mit
ihrer Familie fünf
Jahre in Papua-Neuguinea gelebt. Sie ist
Mitglied im Ausschuss für PapuaNeuguinea und
Pazifik des Zentrums
für Mission und
Ökumene.
weltbewegt
9
Der Frieden ist trügerisch. Die
Panguna-Mine auf der weißen Insel
Bougainville (linkes Foto) hat in den
1990er Jahren zu einem zehnjährigen Bürgerkrieg geführt.
Schwerpunkt
rigkeiten gibt, Rechtsnormen landesweit umzusetzen.
Was bleibt ist D
ein riesiges Loch
im Boden
Goldstück aus
der PorgeraGoldmine
10
weltbewegt
Marion Struck-Garbe
ie Suche nach Gold und anderen Edelmetallen hat seit den
frühen 1920er Jahren Fremde ins
heutige Papua-Neuguinea (PNG)
gelockt. Im Umkreis des kleinen
Städtchens Wau in Morobe kam es
damals zu einem regelrechten
Goldrausch, was jedoch nicht ohne
massive Konflikte mit der indigenen Bevölkerung abging. An dieser grundlegenden Situation hat
sich bis heute nichts geändert, wenn
auch die Dimensionen inzwischen
dramatisch geworden sind.
Fast hundert Jahre später zählt
das Land neun große Tagebauminen und weitere sieben große
Bergbauvorhaben, die in den nächsten Jahren in Betrieb gehen sollen.
Alle Hoffnungen und Pläne von
allen bisherigen Regierungen PNGs
fußen auf diesem umfangreichen
Abbau von Gold, Kupfer, Nickel und
anderen Bodenschätzen und Ressourcen.
Bergbau trägt heute mit 50
Prozent zu den Deviseneinnahmen
bei und hat damit großen Einfluss
auf die Wirtschaftsentwicklung
sowie die Politik. Allerdings
überwiegt das Negative. Denn Korruption und schlechte Regierungsführung verhindern, dass die Möglichkeiten des Bergbaubooms dazu
genutzt werden, endlich längst überfällige Infrastrukturmaßnahmen
durchzuführen und den Menschen
nötige Basis-Dienstleistungen bereitzustellen. So lebt die Bevölkerung in
ländlichen wie in städtischen Gebieten großteils weiterhin in Armut,
ohne Zugangsmöglichkeiten zu
Bildung und Gesundheit und ohne
die Chance, daran rasch etwas zu
ändern.
Diese Situation erzeugt viel
Unzufriedenheit. Clan- und Dorfgemeinschaften, die Grund und
Boden an internationale Bergbauunternehmen abgegeben haben,
greifen, wenn sie sich betrogen und
übervorteilt fühlen, auf traditionelle
Kampfmittel zurück. So blockieren
sie zum Beispiel Zugangsstraßen zu
den Minen, um höhere Entschädigungssummen für Land und
Umweltschäden einzufordern. Das
bekannteste Beispiel sind die Auseinandersetzungen um die PangunaMine auf der Insel Bougainville, die
schließlich in einen zehnjährigen
Bürgerkrieg (1989-1999) mündeten.
Konflikte und Gewalt im Umfeld
des Bergbaus haben dazu geführt,
dass die Minengesellschaften heute
in erheblichem Umfang private
Sicherheitsdienste beschäftigen.
So arbeiten 450 Wachleute allein
für die Porgera-Mine in Enga. Diese
Zahl übertrifft die Mannschaftsstärke von Polizei und Streitkräften
in Papua-Neuguinea bei weitem.
Gewalttätige Konfrontationen zwischen diesen »Securities« und Anwohnern nehmen zu. Da die Polizei oft selbst in diese Auseinandersetzungen verwickelt ist, zögern
die Betroffenen meist, sich an sie zu
wenden. Stattdessen weiten sich
Formen von Selbst- und Lynchjustiz
aus. Solche Trends tragen dazu bei,
dass es weiterhin große Schwie-
Fotos: R. Lavinsky/iRocks.com (1),J. Weate/Wikimedia (1), R. Farbelini/gemeinfrei (1), E. Lau (1)
Mehr Fluch als Segen
Die Globalisierung sorgt für anhaltende Nachfrage nach Mineralien.
Inzwischen spielt Chinas Rohstoffbedarf dabei eine große Rolle. Allerdings haben die meisten Bergbauunternehmen in Papua-Neuguinea
ihren Sitz in Kanada, offensichtlich
weil es dort wenig Kontrolle für die
Auslandsaktivitäten von Bergbaugesellschaften gibt. Jetzt drängen
zusätzlich Chinas Bergbaufirmen
verstärkt in das Land. Wie alle anderen Akteure nehmen auch sie wenig
Rücksicht auf die Umwelt. Die
Minen verschmutzen Flüsse und die
offene See mit Schwermetallgiften,
was den Lebensraum langfristig
stark beeinträchtigen wird.
Daneben entsteht in Papua-Neuguinea auch das weltweit erste
kommerzielle Tiefseebergbauprojekt. Das Solwara genannte Vorhaben
befindet sich nördlich Rabaul in der
Bismarcksee und sollte eigentlich
schon längst produzieren. Doch
Unstimmigkeiten zwischen Regierung und Nautilus, der kanadischen
Betreiberfirma, sowie Proteste der
lokalen Bevölkerung haben den Start
bis jetzt verzögert. Die potenziellen
Umweltrisiken des Projekts sind bis
heute nicht hinreichend geklärt.
Dennoch will Nautilus die Produktion in Gang setzen.
In Papua-Neuguinea zeigt sich,
dass der Reichtum an Bodenschätzen
bislang eher ein Fluch denn ein Segen
ist. Die erwirtschafteten Einnahmen
fließen Großteils zu den multinationalen Unternehmen; was im Land
bleibt nährt eine korrupte, neureiche
Kaste, die wenig für die eigenen
Landsleute tut. So trägt auch der
Bergbau bislang kaum dazu bei, die
Armut im Land zu bekämpfen und
breiten Wohlstand für die lokale
Bevölkerung zu schaffen. Was bleibt
ist ein riesiges Loch im Boden
...
Die PorgeraGoldmine
Die Pipeline
der chinesischen RamuNickel-Mine
leitet den
Erzschlamm
zur Raffinerie
an die Küste,
wo das Erz vom
Schlamm
getrennt wird.
Der Abraum
geht direkt ins
Meer.
weltbewegt
11
Schwerpunkt
Wir brauchen
Visionäre
„Was die
Kirche zur
Kirche macht,
das sind die
Gemeinden“ –
Gottesdienst in
der St. Pauls
Gemeinde in
Goroka mit
Pastor John
Geril (s. Foto
unten).
Die Kirche steht vor großen
Herausforderungen. Was ist zu tun?
W
o stehen wir und was brauchen wir als Kirche? Die
Evangelisch-Lutherische Kirche ist
nach der katholischen Kirche die
zweitgrößte in Papua-Neuguinea.
Aus einem ehemaligen Missionsgebiet ist längst eine eigenständige
Kirche geworden, die trotz großer
Herausforderungen stetig gewachsen ist. Heute zählt sie 1,2 Millionen
Mitglieder. Die Kirchenverwaltung
in Lae ist für mich jedoch nicht
gleichbedeutend mit der Kirche.
Das Kirchenamt ist zwar zuständig
für die Verwaltung, für die Entscheidungsfindung, das Management, die Verbreitung von Informationen und nicht zuletzt für die Verteilung kirchlicher Ressourcen. Die
eigentliche Kirche, das sind die
Gemeinden. Sie sind es, die die Kirche lebendig machen und zum
Schwingen bringen. In diesem Sinn
sollte von Kirche in zweierlei Weise
gesprochen werden: Es gibt sie in
ihrer äußeren Form und in ihrer
spirituellen Gestalt.
Zu äußeren Gestalt: Viele Gemeinden in Dörfern und Städten
werden nicht gut geführt, zumindest was die Bereiche Verwaltung,
Verantwortlichkeit und Transparenz
betrifft. Nicht selten fehlt es an
Grundwissen, was die Gemeindeleitung betrifft – oft auch an
Ressourcen. Trotzdem sprühen sie
vor Lebendigkeit und Menschen
kommen zusammen, um miteinander Gottesdienst zu feiern. Das
zeigt, dass der Glaube der Gläubigen
letztlich nicht davon beeinträchtigt
12
weltbewegt
wird, wie eine Gemeinde verwaltet
wird.
Auf verschiedene
Bedürfnisse in Stadt und
Land reagieren
Es gibt viele Herausforderungen,
mit denen sich die Kirche sowohl
auf dem Land als auch in der Stadt
gegenübersieht. Dazu gehören vor
allem Bereiche wie Gewalt, Geld
und Korruption, das Auseinanderbrechen von Familien, Drogen,
Alkohol, sexueller Missbrauch, Sektenbildung, Hexenwahn, zunehmende Säkularisierung, und vieles
andere. Diese Bedrohungen sind
nicht vermeidbar. Zum einen entwickelt sich das ganze Land in einem
rasenden Tempo. Parallel dazu ist
auch die Kirche gewachsen. Es gibt
17 Distrikte, die über das ganze
Land verteilt sind. Es gibt insgesamt
sieben kirchliche Abteilungen,
unter anderem auch für die Bereiche
Gesundheit, Landwirtschaft, Infrastruktur und Bildung. Damit versuchen sie auf die gesellschaftlichen
Probleme zu reagieren. Nach wie
vor gibt es sowohl auf dem Land als
auch in der Stadt zu wenig Pastoren.
Sie fehlen auch in den neu gegründeten Gemeinden. Das führt dazu,
dass diese sich dann Laienpriester
oder Älteste suchen, die eine Fortbildung in Theologie und Bibelkunde haben. Darin liegt die Gefahr,
dass sie häufig überfordert sind,
wenn sie mit Sekten oder anderen
Gruppen konfrontiert werden, die
die Gemeinden mit ihren Reden
und Predigten überrollen. Was
übrigens bereits in lutherischen
Hochburgen geschieht. Die Kirche
ist nun aufgefordert, mehr Pastoren
und Laienprediger auszubilden. Das
bisherige Verhältnis ein Pastor für
drei Gemeinden muss überdacht
werden. Die Verteilung der Pastoren
sollte sich eher an der Größe der
jeweiligen Gemeinden ausrichten.
Auf dem Land werden vor allem
viele Pastoren gebraucht, um den
Zusammenhalt von Dorfgemeinden
zu gewährleisten. In der Stadt gibt
es andere Probleme, wie das Auseinanderbrechen von Familien. Hier
brauchen die Menschen vor allem
seelsorgerliche Hilfe, die aber oft
fehlt.
Trotz allem sind die kirchliches
Dienste und kirchliches Engagement
stark. Zahlreiche Frauen engagieren
Fotos: M. Haasler (2), R. Grützmann (1)
Kinim Siloi
sich in der Frauenarbeit. Einige
unterstützen die diakonische Arbeit
in Krankenhäusern oder in Gefängnissen. Auch die Jugend und die
Sonntagschulen sind in vielen
Gemeinden sehr aktiv. Allerdings
gibt es auch hier Unterschiede
zwischen Stadt und Land, allein
dadurch, dass Ehrenamtliche in der
Stadt einen einfacheren Zugang zu
kirchlichen Materialien haben, der in
Dörfern oft fehlt. Dennoch werden
die kirchlichen Dienstleistungen und
Werke auch hier sehr geschätzt.
Lösungen und Visionen
Wie kann die Kirche die Probleme
lösen? Dabei möchte ich zwischen
langfristigen und kurzfristigen
Lösungen unterscheiden. Eine Lösung kann man nur finden, wenn
man die einzelnen Probleme ernst
nimmt. Wenn man einer konkreten
Herausforderung gegenübersteht,
weiß man oft sofort, was zu tun ist
und wie man sie beim nächsten Mal
vermeiden kann. Wie die Kirche im
konkreten Fall handelt hängt davon
ab, wie sie ihre Verantwortung als
Haushalter Gottes wahrnimmt.
Grundsätzlich braucht die Kirche
kluge, vertrauensvolle, verantwortliche und visionäre Kirchenführer.
Eine gute Leitung muss vergessen,
wer sie ist und woher sie kommt. Sie
muss die Kirche als Einheit führen.
Das bedeutet, dass es notwendig ist,
in einer Sprache zu sprechen, wie
eine Person zu denken und zu
handeln. Die Kirche sollte zusammenhalten, um des Evangeliums
und der organisierten Kirche willen.
Die Aufgabe der Leitung ist es
zudem, Entscheidungen der Synode
und des Kirchenrates sowohl in den
Regionen als auch auf allen Ebenen
der Kirchenstruktur mitzutragen,
einzuführen und umzusetzen. Sie
sollte sich darauf einstellen,
verschiedene kirchliche Dienste zu
unterstützen, die unter ihrer
Fürsorge stehen. Kirchliche Leitung
braucht ehrenwerte und vertrauensvolle Menschen in den Regionen, den
Abteilungen und Institutionen. Die
Kirche braucht eine Führung, die
nichts fürchtet außer Gott.
Weiterhin braucht die Kirche
mehr Pastoren und ausgebildete
biblische Schüler – Frauen wie
Männer. Auch die Qualität der
Ausbildungsstätten, der Seminare
und Kirchenkollegs muss überprüft
werden. Wir brauchen zudem mehr
wissenschaftliche Fachleute für die
Ausbildung, die zugleich den
Standard prüfen und garantieren. Es
gibt viele säkulare Institutionen, die
im Bereich sozialer Dienste ihr
Fachwissen zur Verfügung stellen.
Sie sind so zahlreich, dass unsere
Kirche mit ihrer sozialen Arbeit nur
davon profitieren kann. Deshalb
sollte unsere Hauptaufgabe darin
bestehen, für die pastorale Ausbildung kirchlicher Bediensteter und
Leiter zu sorgen. Zweitens sollten wir
die evangelische Mission innerhalb
und außerhalb der Kirche in den
Blick nehmen. Im Moment fehlt es
der offiziellen Kirche an der Beschäftigung mit den Themen Mission
und Evangelium. Sie beschäftigt sich
zu sehr mit sich selbst. Ihr
Augenmerk liegt derzeit vor allem
auf inneren Angelegenheiten und
selbstgemachten Problemen. Vielen
scheint es dabei vor allem um das
eigene Wohl zu gehen, so dass sie den
Blick verloren haben für das Wohl
des Ganzen. Mein Wunsch ist, dass
sich das ändert – um der Kirche
willen.
Übersetzung: Ulrike Plautz
Rev. Kinim Siloi ist
Direktor für
Interkirchliche
Beziehungen,
Ökumene und
Kirchliche Partnerschaften der
Evangelisch-Lutherischen Kirche
von Papua-Neuguinea
weltbewegt
13
Schwerpunkt
Heikle Balance
Wenn alte Hierarchien wegbrechen, gibt es Freiraum für Neues.
Davon profitieren vor allem Frauen. Sie nutzen die gewonnene
Stärke auch, um sich in der Gesellschaft zu engagieren.
Foto oben: Schwester Lorraine Garasu aus Bougainville hat sich
während des Bürgerkrieges für den Frieden eingesetzt. Mitte:
Immer mehr Frauen bilden sich fort und studieren, unten: Frauenprotest gegen den Klimawandel.
Traditionen und alte Hierarchien weichen auf – auch in der Kirche. Das führt zu
Spannungen, kann aber auch eine Chance sein.
W
Pastor Dr. Anton
Knuth war von
2011 bis 2014
Dozent für
Theologiegeschichte am
Pazifisch Theologischen Seminar
(PTC) in Suva,
Fidschi und ist jetzt
Pastor in Hamburg.
14
weltbewegt
ie kommt es bloß, dass unsere Pastoren, Bischöfe oder
Chiefs ihren Kirchen und Gemeinschaften nicht mehr so zu dienen
vermögen, wie sie es früher konnten
und eigentlich auch heute sollten?“,
fragt ein Student aus Papua Neuguinea am Pacific Theological College (PTC) in Suva, Fidschi. Viele
nutzen ihr Studium an dieser regionalen theologischen Hochschule,
um über Antworten auf die beständigen Krisen in ihren Kirchen nachzudenken. Es gibt wohl keine Kirche
im Südpazifik, die sich nicht in Turbulenzen befände. Die einst aus der
Missionszeit ererbte etablierte Position in der Gesellschaft wird zunehmend nicht hinterfragt. Das hierarchische Leitungsmodell, nach dem
alle dem einen Hirten, dem einen
Häuptling fraglos folgen, funktioniert je länger je weniger. Auch die
Chiefs und Big Man haben ihre zentrale Rolle in den Dörfern vielfach
verloren. Der Staat übernimmt
mehr Bereiche des öffentlichen
Lebens, übernimmt Funktionen,
die früher die Kirchen innehatten.
Die Geldwirtschaft verdrängt zunehmend traditionelle Kreisläufe
von Geben und Nehmen. Inmitten
der gesellschaftlichen Umbrüche
wenden sich vor allem jüngere Menschen in ihrer Suche nach spirituellem Halt und Segen neuen Gruppierungen zu. „Uns laufen wegen
der andauernden Leitungsschwäche
unserer Kirche die jüngeren Mitglieder weg“, stellte ein Student aus
Samoa fest. Die Mormonen haben
dort inzwischen mehr Mitglieder
als die methodistische Kirche.
Es gibt im Südpazifik nicht nur
Staatskrisen und die Angst vor
„failing states“, sondern auch eine
Unzufriedenheit über „failing churches“. Viele der etablierten Kirchen
scheinen sich selbst zu blockieren
durch Missmanagement, Klientelwirtschaft oder sogar Ethnozentrismus. Woran liegt das? Die
Ursache nur in mangelnden persönlichen Qualitäten der Kirchenleitenden zu sehen, wäre verkürzt.
Die Krisen der Kirchen sind vielmehr ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Umwälzungen von
einer traditionalen Dorf- und Subsistenzwirtschaft (die dem Eigenbedarf dient, Anm. d. Red.) hin zu
einer kapitalbestimmten Globalisierung und Verstädterung.
Das traditionelle Leitungsmodell, das auf Güterausgleich und
Konfliktschlichtung in einer überschaubaren Gruppe eingestellt war,
gerät ins Straucheln. Ein Grund
dafür ist, dass die Herausforderungen in den Bereichen Wirtschaft
und Organisation aufgrund verbesserter Transportmöglichkeiten
und verstärkter Migration gewachsen
sind. Bisher wurde denjenigen eine
Leitungsfunktion übertragen, die
ihrem eigenen Familienverband
verpflichtet waren. Angesichts unübersichtlicher und größerer Verwaltungsaufgaben werden heute
professionellere Managementabläufe benötigt, die sich nicht über
Nacht einführen lassen. Leider
begünstigen fehlende Kontrollmechanismen über Geldströme nach
wie vor Korruption oder Vetternwirtschaft.
Die Kirchen sind – trotz ihrer
Botschaft von der einen in Christus
versöhnten Menschheit – vielfach
weiterhin entlang ethnischer
Gruppen organisiert. So wird in der
Methodischsten Kirche Fidschis die
Kollekte nicht vom Einzelnen,
sondern nach Sippen (tokatoka) getrennt eingesammelt. „Ob Bibelstunde oder Arbeitseinsätze, die
kirchliche Arbeit ist immer dann am
erfolgreichsten, wenn sie sich entlang
der Einteilung des Dorfes in Familien entfaltet.“ Ein methodistischer
Pfarrer aus Fidschi bringt damit die
traditionelle Sichtweise auf den
Punkt: „Unsere Kirche sollte sich
verstärkt auf ihre Basis in der
dörflichen Gemeinschaft besinnen
und keine Alleingänge ohne Konsultationen mit den örtlichen
Autoritäten und Chiefs eingehen.“
Nach dieser Sicht bleibt die
Großfamilie, bleiben die Chiefs
wichtigste Bezugsgröße, weil sie
das gemeinsam von den Ahnen
ererbte Land bewirtschaften und
insofern die Kirche auch ökonomisch
unterstützen. Unabhängig von persönlicher Leistung oder wirtschaftlichem Erfolg ist es auf dem Dorf die
Familie, die für einen sorgt, aber
auch entsprechenden Einsatz für
andere Familienmitglieder erwartet.
Aber kann eine letztlich clanisch
organisierte Kirche ein wirkungsvoller Faktor der Orientierung für
eine Gesellschaft im Umbruch sein?
Eine Erneuerung ihrer Verwaltungsstrukturen oder transparenteren Leitungskultur wird sich so wohl kaum
finden lassen.
Wird die Kirche ein Spiegel
der Zerklüftung oder der Einheit sein?
In der Missionsgeschichte hatte der
christliche Glaube die Menschen
gerade aufgrund seiner grenzüberschreitenden Kraft der Versöhnung
zwischen verschiedenen Clan-Iden-
Fotos: A. Knuth (2), A. Butt (1), ZMÖ-Bildarchiv (1)
Dr. Anton Knuth
titäten angezogen. Noch vor Errichtung von kolonialen Staatsgebilden
war es oft die Kirche gewesen, die
alte Feinde versöhnen konnte und
mit ihren Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen für alle auf eine
neue Gerechtigkeit, Ausgleich und
Frieden hoffen ließ. Heute scheinen
es aber vielfach die Kirchen zu sein,
die die Identitäten der einzelnen
Stämme verfestigen und bestärken
und so zugleich hilflos vor den
Verschiebungen in einer Gesellschaft stehen, die sich mehr und
mehr kapitalistisch organisiert und
nicht mehr hauptsächlich auf dem
Tauschkreislauf innerhalb der
Großfamilie basiert.
Einerseits wirken in den Kirchen
traditionelle Loyalitäten und „Wantokismen“ weiter und schwächen
unparteiliche Führungspositionen oder Schiedseinrichtungen.
Andererseits werden durch die Aufweichung der traditionellen Lebensweise aber auch neue Spielräume
sichtbar, die starre, überkommene
Hierarchien in Frage stellen. So gibt
es heute mehr Freiraum für viele
Frauen, die sich nicht mehr automatisch Chiefs, Pastoren oder auch
den Schwiegermüttern unterordnen
müssen. Hoffnungsvoll stimmen die
Kirchen, die die Ordination von
Pastorinnen aktiv fördern, wie die
Protestantische Kirche von Kiribati
oder Maohi Nui (Französisch
Polynesien). Vermehrt studieren
Frauen am PTC Theologie. Sie
könnten nach erfolgreichem Studienabschluss eine Vorbildfunktion
übernehmen. Bekannt sind auch die
positiven Friedensinitiativen der
Missionsschwester Lorraine Garasu,
die auf Bougainville ein kirchliches
Frauen- und Friedenszentrum ge-
gründet hat, das wesentlich
zum Versöhnungsprozess
auf der rohstoffreichen,
aber gleichwohl armen
Insel beitragen konnte. Es
gibt die Hoffnung, dass
sich durch die Förderung
einer stärkeren öffentlichen
Rolle von Frauen Wege für
ein besseres Miteinander
der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen ergeben könnte. Sie könnte eine
neue Führungskultur zum
Ergebnis haben – auch in
der Kirchenleitung. Dies
kann auch von uns in
Deutschland durch Ausbildungshilfen gefördert
werden, damit möglichst
noch mehr Studierende
die Möglichkeit bekommen, neue Leitungsideen
zu entwickeln. Vielleicht
könnte die Kirche gleichsam zu einem „Dritten
Raum“ zwischen dem traditionell-dörflichen und
dem modern-städtischen
Leben werden. Nur wenn
die Kirchen neue Formen
der Kirchenleitung, des
Ausgleichs und Miteinanders finden, wird es
ihnen gelingen, nicht nur
Spiegel einer zerklüfteten
Gesellschaft zu sein,
sondern auch ein Vorbild
für eine neue Einheit, die
auf einer gerechten Teilhabe an den Ressourcen
und einem friedlichen
Miteinander verschiedener
ethnischer Gruppen in
dieser Region basieren
wird.
weltbewegt
15
Schwerpunkt
Schwerpunkt
„Ein Mensch allein ist nur ein halber Mensch“
Über die Bedeutung der Gemeinschaft für Gesellschaft und Theologie
spricht Pastor Maiyupe Par im Interview mit Ulrike Plautz.
Wantoks im globalen Dorf
Was heißt das konkret?
Im Dorf helfen sich alle gegenseitig. Ganz gleich, ob es
nun um Gartenarbeit, um ein Haus oder darum geht,
Essen zu bekommen. Nichts geht ohne die anderen. Das
fängt schon damit an, dass Dorfbewohner Tipps geben,
wenn man ein Haus bauen will, und einem sagen, wo
man einen guten Platz findet oder gutes Holz bekommt.
Dann ist es natürlich auch selbstverständlich, dass sie
anschließend auch alle beim Bau mithelfen. Der
Gemeinschaftsgedanke ist manchmal so extrem, dass
ich mir überlege, wenn ich einen festen Termin habe, ob
ich an der benachbarten Baustelle vorbeigehe oder
nicht. Denn eigentlich müsste ich ja mithelfen.
Maiyupe Par ist
Pastor der
EvangelischLutherischen
Kirche in PapuaNeuguinea. Seit
2013 ist er als
Ökumenischer
Mitarbeiter in
Breklum tätig, wo
er mit seiner
Familie lebt.
16
weltbewegt
Wie sieht das in
der Stadt aus?
Dort ist es natürlich schon anders. Die Ansprü
che haben sich
gelockert. Sicher,
auch dort braucht
man Freundinnen
und Freuden, um
gut zurechtzukommen. Sie helfen bei der Wohnungssuche oder
dabei, einen Job
zu finden. Aber
wenn man Geld
verdient, ist es
nicht mehr so
existenziell. Dann
könnte man zur
Not auch überleben ohne andere
Menschen. Das
ist neu.
Eine Besonderheit in den einheimischen Sprachen
ist, dass es in der Grammatik nicht nur Singular und
Plural, sondern auch Dual gibt. Was hat es damit auf
sich?
Damit wird die Zweisamkeit noch einmal stärker betont.
Es heißt dann: Wir zwei machen gerade das und das.
Die Form unterstreicht noch einmal eine besondere
Form der Gemeinschaft. Sie betont aber auch auf
besondere Weise das Angewiesensein auf den
anderen.
Welche Rolle spielen die Neuen Medien?
Thorsten Krafft
Welche Bedeutung hat dieser Gemeinschaftsgedanke in der Theologie?
Er ist für uns zentral. In unserer Vorstellung ist ein
Mensch allein ein halber Mensch. Er wird erst dann zu
einem ganzen Menschen, wenn er sich mit einem
anderen verbindet. So könnte man auch sagen: eins
und eins sind eins.
In diesem Sinne deuten wir auch die Schöpfung. Gott
hat alles in einer Dualität
geschaffen: Himmel und
Erde, Tag und Nacht und
schließlich Mann und Frau.
Alles wird erst zusammen zu
einem Ganzen.
Was heißt das konkret?
Der christliche Glaube lässt
sich nur in der Gemeinschaft
ausüben, etwas anderes
können wir uns in der Praxis
nicht vorstellen. So gesehen
wäre es für uns unvorstellbar,
alleine einen Gottesdienst zu
besuchen. Es geht immer die
ganze Familie in die Kirche.
Dieses Verständnis prägt
unsere Vorstellung, zum Beispiel auch was die Partnerschaft zu anderen Kirchen
betrifft: Erst durch die
Partnerschaft zu anderen
Kirchen der Welt werden
die Einzelkirchen zu einer
vollständigen Kirche.
Fotos: U. Eder (1), S. D. Gradert (1), T. Krafft (3)
Welche Bedeutung hat die Gemeinschaft für Eure
Gesellschaft?
Maiyupe Par: Die Gemeinschaft ist für uns alles. Ohne
sie kann man nicht überleben, das ist unsere Erfahrung.
Uns hat eben das Leben im Dorf bestimmt.
Es wird viel geschrieben, gepostet und online diskutiert.
Begriffe wie Umbruch, Wandel, Transformation werden
gerne angeführt und versuchen begreiflich zu machen,
was im drittgrößten Inselstaat der Welt seit 2006, mit der
Ankunft der mobilen Kommunikation, vor sich geht.
Noch hat nur jeder Zweite ein Handy, wenige ein
Smartphone. Das Marktpotenzial ist groß und die
Konkurrenz kommt langsam in Fahrt. Doch welche
Bedeutung hat der Umgang mit Handy, Facebook und
Co für die Menschen in Lae, der zweitgrößten Stadt? Wie
sieht es im Landesinneren aus? Ich verabrede mich per
Whatsapp zu einem Gespräch mit Joshua Gewasa.
Joshua arbeitet seit einem Jahr als freiwilliger Mitarbeiter
in der IT-Abteilung der evangelisch-lutherischen Landeskirche. Seit dem letzten Jahr hat der Student der
Universität für Technologie den Bachelor of Science in
angewandter Physik in der Tasche. Er wirkt bescheiden,
reflektiert, sympathisch. Joshua hat ein Ziel vor Augen.
Der 26-jährige gehört zu einer neuen Generation von
jungen Menschen, die Gesellschaft, Politik oder Kirche
aktiv mitgestalten wollen. Er ist begeistert von den
Möglichkeiten der Neuen Medien und erzählt von seinem
ersten Handy, das er sich vor sechs Jahren kaufte. Als
Schüler hatte er sich seinen Eltern, die auf der Insel
Salamaua lebten, nur per Brief mitteilen können. 2009
begann die Firma Digicel das Land mit einfachen
Mobiltelefonen zu fluten. Der Siegeszug des SMS begann.
Zeitgleich mit dem Segen kamen auch die ersten
Probleme. Er schmunzelt verlegen, als er über die Welle
begeisterter, per Handy flirtender Ehepartner berichtet.
Was folgte, waren Ehekrisen und zerbrochene Beziehungen. Dafür gab und gibt es bis heute die „mobailfon
marit“. Die Heirat, die sich aus einem SMS-Flirt mit einem
oder einer Unbekannten ergeben konnte. „Yu husat?“
Und wer bist du? Das neue Medium wurde und wird ganz
pragmatisch interpretiert und konsumiert.
Während des Gesprächs meldet sich Joshuas Smartphone mehrfach. Es sind Facebooknachrichten, die
scheinbar im Minutentakt auflaufen. 93 Prozent der
300 000 überwiegend jungen Social-Media-Nutzer wenden die
Facebook App ihres Handys oft
an und tasten sich neugierig über
die Grenzen der eigenen Bevölkerungs- und Sprachgruppen vor. Smartphone-Besitzende entdecken ein
günstiges und mächtiges Werkzeug: Kommunikation,
Fotoapparat, Videokamera und Radio im kleinen Gerät
vereint – inklusive Anschluss an das globale Dorf. Unzählige, teilweise drastisch bebilderte Social-MediaPosts zeugen von den ersten Versuchen sich der
Gemeinschaft mitzuteilen. Noch wichtiger aber ist die
Verbreitung eines Speichermediums im Handy mit
gewaltiger Wirkung: Die Micro-SD-Karte. Filme, Bilder
und Musik werden heute per Bluetooth getauscht. Ein
neuer Begriff macht die Runde: „Yumi Blututim!“ Schick
es mir per Bluetooth! Ich frage Joshua nach dem
Stellenwert des Radios im Land. Seiner Meinung nach
haben Radioprogramme in der heutigen Form kaum
Zukunft. Er meint, dass die Komponente Bild immer
wichtiger wird, um unbekannte Themen und Geschichten
begreifbarer, fühlbarer zu machen.
Immer lauter werden Rufe nach einer Regulierung und
Zensur der sozialen Medien. Es sind auch junge Menschen wie Joshua, die mich überraschen. Er wünscht
sich von seiner Regierung eine sofortige Filterung
sämtlicher gefährdenden Inhalte im Internet, und die
lägen seiner Meinung nach bei 90 Prozent. So denken
auch die meisten seiner Freunde. Er schlägt eine
mehrjährige Sperre vor, bis es Regeln gibt. Er wünscht
sich mehr Zeit, seine Mitmenschen auf das, was da
gerade über sie hereinbricht, vorzubereiten und zu
schützen.
Zum Schluss erzählt mir Joshua, dass er in ein paar
Wochen einen 14-monatigen Freiwilligendienst in
Deutschland antreten wird. Ich freue mich auf ein
Anschlussinterview und bin gespannt auf seine
Eindrücke, die wir sicher wöchentlich auf Facebook
miterleben und kommentieren können.
Joshua Gewesa
arbeitet als
freiwilliger Mitarbeiter in der
IT-Abteilung der
Kirche.
Thorsten Krafft ist
Medienberater im
Lutheran Communications Centre
der ELC-PNG und
gibt u. a. die
Kirchenzeitung
„Niugini Lutheran“
heraus.
weltbewegt
17
Schwerpunkt
Bilum-Mode von Cathy Kata,
gesehen in London
Marion Struck-Garbe
Mode gehört zum Alltag. Auch in Ozeanien.
Genau wie andere kulturelle Bereiche ist auch
sie Veränderungen und Einflüssen von außen
unterworfen. Mit der Missionierung verschwand
die traditionelle Kleidung. Es setzte sich eine
Kleiderform durch, die bis in die 1990er Jahre überall
getragen wurde und als Nationaltracht galt. Heute,
im Zeitalter der Globalisierung, tragen die Menschen
vor allem in Städten importierte und industriell
hergestellte Kleidung. Gleichzeitig hat sich, mit der
Wiederentdeckung der eigenen kulturellen Werte, in
den letzten 20 bis 30 Jahren auch eine spezifisch
pazifische Mode entwickelt. Eine neu entstandene
Berufssparte von Mode- oder Stoffdesignerinnen
besinnt sich bei der Herstellung von Kleidung und
Accessoires auf traditionelle Formen und Muster.
Traditionelle Kleidung
Ursprünglich diente Kleidung nicht nur dem Schutz
sondern markierte auch den sozialen Status. Neben dem Stoff wurde auch der eigene Körper „genutzt“. Durch Körpermalerei oder -schmuck wollte
man bestimmte rituelle oder gesellschaftliche Aktivitäten zusätzlich sichtbar machen. Die traditionelle
Kleidung beschränkte sich lange auf einen Schurz
oder einem Faserrock – und einen Bilum: eine Netztasche aus Pflanzenfasern. Sie wurde von Frauen
als Umhang und von Männern als Schurz genutzt.
Das Bilum war ein Symbol für die Mutter Erde, den
Uterus sowie das gute Leben. Jede Ethnie hat bis
heute ihre eigenen Muster und Farben. Noch immer
werden neue Muster kreiert, für die allerdings meist
bunte Wollfäden verwendet werden. Im Bilum wird
auch heute noch alles transportiert, ob Kinder oder
Süßkartoffeln, Feuerholz oder Kultgegenstände.
der Feldarbeit erwies sie sich oft
als zu unbequem, so dass die
Menschen dort auf traditionelle Bedeckung zurückgegriffen.
Zwingend war die neue Kleidung
jedoch für Kirchgänge und beim
Betreten öffentlicher Räume.
Das Missionskleid mit seinem
großen Blumenmuster ist ein viktorianisches Überbleibsel, das
teilweise noch heute getragen
wird. Ab 1930 wurde aus diesem
sackartigen Kleid ein zweigeteiltes Kleidungsstück bestehend
aus einem Unterrock (laplap)
und einem puffärmeligen Kleid
oder einer Tunika. Diese Kombination, die von Frauen selbst
hergestellt wird, hat sich unter
dem Namen Meri Blaus rasant
verbreitet und zum nationalen Kleidungsstück gemausert.
Es wird von Frauen aller Ethnien sowohl im Hochland als auch
an der Küste getragen und ist
damit zu einem wichtigen Element geworden, das die nationale Einheit visualisiert und
den problematischen Prozess
des Zusammenwachsens zur
Nation unterstützt. Gleichzeitig
macht das Festhalten der Frauen an dieser eher traditionellen Kleidung auch sichtbar, wie
schleppend die Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen – vor
allem in ländlichen, Regionen –
verlaufen.
Bilum-Fashion
In den Städten sind moderne
Berufstätige heute ähnlich gekleidet wie Europäerinnen. Da
sie oft über wenig Bargeld
verfügen, decken sie sich mit
Secondhand-Kleidung ein, die
auf Märkten oder in Lagerhallen
angeboten wird. Diese importierte Kleidung macht es Frauen
möglich, den Anschluss an die
globale Welt auch modisch sichtbar zu machen. Vor etwa zehn
Jahren begannen Frauen erstmals Bilum-Stücke auf ihre
Secondhandkleider zu applizieren. Damit war die BilumMode geboren. Bereits 2003
gab es die ersten Bilum-Kleider
im traditionellen Stil: einfache,
eher formlose Kleider ohne
Verschlüsse oder Nähte, alles
handwerkliche Unikate und im
Vergleich zu anderer Kleidung
sehr teuer. Die Herstellung der
Kleidung ist sehr mühsam und
zeitaufwendig. Die international
bekannten Designerinnen Cathy
Kata und Florence Jaukae Kamel beschäftigen inzwischen kooperative Arbeitsgruppen, die
nach ihren Anweisungen und
Entwürfen Bilum-Kleidung anfertigen. So werden im Rahmen der
kleinen Modebetriebe Arbeitsplätze für Frauen geschaffen.
Diese neue Bilum-Mode hat
es schon bis nach New York
und London geschafft. Eine eigenständige und genuine Entwicklung, die nicht nur
die
internationale
Modewelt bereichert, sondern
auch die Menschen
und
nicht zuletzt
die Kultur in PapuaNeuguinea.
Missionskleidung
Das Zeitalter von Mission und Kolonialismus wirkte sich auch auf die Kleidung aus. Frauen wurde
nun vorgeschrieben, dass sie ein langes, weites,
lose herabhängendes Kleid mit langen Ärmeln und
hohem Kragen zu tragen hatten, um so viel Haut
wie möglich zu verdecken. Mit dieser Maßnahme
sollten „die Einheimischen zivilisiert werden“. Bei
18
weltbewegt
Brücke zwischen
Tradition und
Moderne
Fotos: ZMÖ-Bildarchiv (1), R. Tietgen (1), N. Gehm (1), M. Struck-Garbe (1)
Vom Missionskleid zur BilumFashion
Moderne Kunst hat sich fest etabliert und
verarbeitet auch politische Themen
Marion Struck-Garbe
Das Bilu
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Rolle. Sc pielt im Alltagsle
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Moderne Malerei oder modernes Design wird
gemeinhin nicht mit Papua-Neuguinea in Verbindung gebracht. Traditionelle Masken, Schilde, Story-Boards, Skulpturen und ähnliches gelten als
authentisch, als ursprünglich, während andere
Formen der Kreativität als „nicht echt“ oder gönnerhaft als „primitive Kunst“ abgetan werden. Aber
das künstlerische Schaffen ist eben nicht stehengeblieben wie die Objekte im Museum. Es ist nur
anders geworden und damit lebendiger Ausdruck
einer gegenwärtigen vitalen Kultur. Sie benutzt
neue Techniken und Materialien, um individuelle
Ideen darzustellen, die von den vielfältigen traditionellen Kulturen mit ihren je eigenen Mustern und
Symbolen beeinflusst sind. Die Exponate befassen
sich vielfach und farbenfroh mit der Schönheit von
Körperschmuck und -bemalung oder traditionellen
Ritualen und Zeremonien. Die Kunstschaffenden
verstehen sich explizit als Bewahrer von Tradition
und Geschichte. Sie beschäftigen sich aber auch
mit Umbrüchen und den Folgen des sozialen Wandels.
Seit einigen Jahren setzen sich einige Künstler und
Künstlerinnen zudem intensiv mit den Folgen des
Klimawandels auseinander. In ihren Werken schildern sie zum Beispiel das Schicksal von Menschen, die ihre Heimatinseln verlassen und auf
andere Inseln ausweichen müssen, weil die Meeresspiegel angestiegen sind oder Mangelernährung droht, weil die Korallenbleiche zu Fischknappheit führt. Diese Situation hat der Maler Alexander Mebri in seinem Bild „Refugees of the sinking Islands” festgehalten.
Fortsetzung Seite 20
Missionskleider in einer historischen Fotografie aus
einem Sammelalbum (vor 1910).
weltbewegt
19
Schwerpunkt
Schwerpunkt
Müllteppich groß wie Mitteleuropa
Plastikmüll im Pazifischen Ozean wird zu einem der größten
Umweltprobleme
I
m Pazifischen Ozean treiben Unmengen von Müll. Am schädlichsten für Tiere und Menschen
ist die Verschmutzung durch sichtbaren und unsichtbaren Plastikmüll, weil er die Nahrungskette empfindlich stört. Der Plastikmüll wird überwiegend über Flüsse der Pazifik-Anrainerund Inselstaaten ins Meer gespült. Er gelangt weniger durch Schiffe ins Meer, denn das Internationale Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe verbietet seit
1988 bei hoher Strafe den Schiffen das Verklappen von Plastikmüll im Meer.
Für die große Mehrzahl von Meereslebewesen ist das Schwemmgut (mit einer Lebensdauer von
bis zu 450 Jahren!) tödlich gefährlich. Meeresschildkröten verwechseln weiße Plastiktüten mit
Quallen, wodurch ihre Verdauung blockiert wird; Seeotter ersticken an Sixpack-Ringen; Seevögel
verschlucken Kunststoffteile, die ihnen den Magen füllen und, weil sie sie nicht verdauen können,
zum Hungertod führen; und Fische verfangen sich in unzähligen verloren gegangenen Netzen. Dazu
kommen toxische Abfälle z. B. durch Tankerunfälle oder durch Tsunamis (wie der von 2011 in Japan),
die viele tausend Tiere töten. Auch an Stränden findet man große Mengen von Plastikmüll, der von
Tieren wie Wattwürmern gefressen wird. Im Pazifischen Ozean treiben Unmengen von verschiedenen
Sorten Müll. Eine Schwimmende Müllhalde. Der im Meer treibende Müll versammelt sich in
mehreren tausend Kilometer großen Wirbeln im Zentrum von Meeresströmungen. Der größte
Müllteppich befindet sich zwischen Hawaii und der Westküste der USA (Great Pacific Garbage Patch).
Er hat die Größe Mitteleuropas und wächst täglich weiter. Durch Sonneneinstrahlung und
mechanischen Wellenschlag wird das Plastik in kleine Teile zermahlen, die biologisch nicht abbaubar
sind. Das Material folgt komplexen Strömungswirbeln und wird, je nach Wetterlage, von der
Wasseroberfläche in Tiefen von bis zu 30 Metern gespült. Bei stürmischer See sind die Plastikobjekte
auf der Meeresoberfläche nicht zu sehen. Dies ist einer der Gründe, weshalb das Phänomen der
Plastikansammlungen in den Meeren lange nicht entdeckt wurde. Sämtliche sechs Müllstrudel in
den Weltmeeren befinden sich außerhalb der Hoheitsgewässer der angrenzenden Staaten, so dass
sich kein Staat verantwortlich fühlt. Die Kosten für ihre Beseitigung sind gigantisch hoch. Es kann
noch Jahrzehnte dauern, bis die Müllteppiche beseitigt werden. Nach Angaben des „United Nations
Environment Programme“ (UNEP) finden jedes Jahr 6,4 Millionen Tonnen Müll den Weg in die
Ozeane. Pro Quadratkilometer Meer sind das 46 000 Plastikstücke. Wenn diese Entwicklung nicht
bald durch Gegenmaßnahmen (s. Kasten) aufgehalten wird, würde es das Ende von jährlich 1 000
000 Seevögeln und 100 000 Meereslebewesen bedeuten. „Während wir alle von einer Insel in der
Südsee träumen, von der Rückkehr ins Paradies, sieht die Wirklichkeit ganz anders aus,“ Ernest
Dichter (1907–1991).
(Quelle: Pazifik-Infostelle)
Künstlerische
Verarbeitung des
Klimawandels – 2008
entstand das Bild
von Alexander Mebri
„Flüchtlinge der
versunkenen Inseln“.
John Danger: 2009,
“Klimawandel“,
Acryl auf Material
(Tischtuch)
20
weltbewegt
(die Kultur der Stammesgesellschaften, Anm. d.
Red.). Sie thematisiert die – in ihrer ganzen Dimension – kaum greifbare Bedrohung durch den globalen Klimawandel.
Die weltweite Anerkennung hat jedoch weder den
Kunstschaffenden noch der modernen Kunst die
Stellung im eigenen Lande gebracht, die sie
eigentlich verdienen.
Nach wie vor existiert kein Ort, an dem moderne
Kunst permanent präsentiert werden kann. Es gibt
weder professionelle Galerien noch staatlich geförderte Ausstellungsräume. Dabei ist es die Kunst, die
die bestehenden Gegensätze zwischen innovativ
und kreativ verbindet und die es schafft, eine Brücke
zwischen Tradition und Moderne zu schlagen.
Fotos: M. Struck-Garbe (3), M. Haasler (1), Vberger/Wikimedia (1)
Julie Mota:
“Heimatlose
Flüchtlinge”
Einen Schritt weiter geht Julie Mota. Ihr
Bild „Homeless Refugees” zeigt ein
Paar mit besorgtem Gesichtsausdruck.
Die Frau hält ein kleines Kind im Arm.
Sie sind unter Druck, auf der Flucht
und müsse ihre Habe, ihre Vergangenheit und ihr Herz zurücklassen. Was
sie besonders deutlich zum Ausdruck
bringt, ist Heimatlosigkeit, Bedrängnis
und der Verlust ihrer Kultur.
Zeitgenössische, moderne Kunst ist
seit über 40 Jahren fester Bestandteil
der Gesellschaft. So etablierte sich
Mitte der 1970er Jahre eine Kunstakademie (später ‚Faculty of Creative Arts’
der Universität) in Port Moresby. Einige ihrer Absolventen
sind weit über die Grenzen des
Landes hinaus bekannt geworden, wie Mathias Kauage, Joe Nalo und
Gigmai Kundu, deren Arbeiten in Australien, USA, Großbritannien, Japan, Indien
und Deutschland ausgestellt und von
bekannten Museen und Galerien aufgekauft wurden. So war Mathias Kauage, der
2003 verstorben war, von der englischen
Königin zum Ritter geschlagen worden. In
ihren Werken findet sich ein Zusammenspiel des Ländlichen, des Urbanen sowie
des Insularen. Ihre Kunst verbindet das
Regionale, das Globale sowie des Tribale
Meeresfilter
gegen Müll
Wie verschmutzt das Meer an vielen Stellen bereits ist, hat Boyan
Slat mit eigenen Augen gesehen.
Als leidenschaftlicher Taucher ist
der 19-Jährige oft unter Wasser unterwegs. Oft sah er vor lauter Müll
die Fische nicht mehr. Das gab ihm
den letzten Anstoß, sich mit einer
Lösung des Problems zu beschäftigen. Und so soll der Plan funktionieren: Der Student für Luft- und
Raumfahrttechnik will die Meere
mit einem riesigen schwimmenden
Filter vom Plastikmüll befreien. Die Konstruktion soll aus einer
am Meeresboden fixierten Plattform bestehen mit seitlich angebrachten Auslegern, die wie überlange Arme den Müll aus dem
Wasser einfangen. Dafür will sich
der Student die Wasserströmung
zunutze machen, um Plastikteilchen automatisch in Richtung der
Plattform spülen zu lassen. Ob das
Ganze in der Praxis wirklich funktioniert, soll jetzt eine Machbarkeitsstudie zeigen. Für seine Idee
hat Slat schon verschiedene Preise gewonnen, wie beispielsweise
den Best Technical Design Award
2012 der TU Delft. Außerdem gründete Boyan Slat Anfang des Jahres
die Non-Profit-Organisation „The
Ocean Cleanup Foundation“, die
sich um die Entwicklung der
Technik kümmert. Sein Ziel ist es,
schätzungsweise 7 250 000 Tonnen
Plastikmüll aus dem Meer zu
fischen, was dem Gewicht von
1 000 Eifeltürmen entspricht. Nur
fünf Jahre soll das mit seiner Konstruktion dauern.
weltbewegt
21
Schwerpunkt
Zur Gesundheitssituation
in Papua-Neuguinea
Dr. Andreas Schultz
J
Dr. Andreas
Schultz ist Arzt
und Direktor des
Vereins Ärzte der
Welt/Sektion
Deutschland. Er
war von 2005 bis
2009 als Arzt vom
Zentrum für
Mission und
Ökumene
entsandt an das
Braun Memorial
Krankenhaus in
Finschhafen.
22
weltbewegt
e weiter man sich von der Haupstadt entfernt, desto weiter entfernt man sich von einer gesicherten
Gesundheitsversorgung. Der Weg
ins nächste Krankenhaus ist weit
und beschwerlich. Zudem leiden die
manchmal schon verfallenen Einrichtungen unter einer unzuverlässigen Versorgung mit Medikamenten und Materialien. In ländlichen
Regionen, in denen immerhin mehr
als 80 Prozent der Bevölkerung
leben, ist meist ein Arzt für die
Betreuung von 10 000 Menschen
zuständig. (In Berlin kommen auf
einen Arzt 187 Patienten).
Gesundheitsindikatoren wie die
Lebenserwartung, die Mütter- und
vor allem die Kindersterblichkeit
sind deutlich höher als in den
benachbarten Staaten. Nur etwas
über die Hälfte aller Schwangerschaften und Geburten werden von
einer Gesundheitsfachkraft begleitetet. Pro 1000 Geburten sterben über
60 Kinder und mit ihnen jedes Mal
bis zu drei Mütter an den Folgen ihrer
Schwangerschaft.
Papua-Neuguinea stagniert 2015
als einziges ozeanisches Land bei
einer mittleren Lebenserwartung von
etwa 60 Jahren und gleicht darin
Somalia, Südafrika oder Angola,
ohne dass es jedoch wie diese von
einer nennenswerten AIDS-Epidemie
getroffen wurde.
selbst ausgebildeten Fachkräften ins
benachbarte Ausland.
sich! Dieses Land braucht Fachärzte
und Krankenhäuser. Was es aber in
jeder noch so abgelegenen Region
vor allem bräuchte, wären gut ausgebildete und ausgestattete Hebammen, Krankenschwestern für
Impf- und Biometrie-Programme
und Basisgesundheitshelfer sowie
Berater für Familienplanung und
Ernährung.
Das Land braucht mehr Gesundheitshelfer an der Basis
Auch schafft man es nicht, die Integration der Versorgung durch die
wenigen Krankenhäuser mit den
Bedürfnissen der ländlichen Bevölkerung voran zu treiben. Das Gesundheitspersonal sitzt in diversen
Zentren und Kliniken und wartet
auf Patienten, anstatt zu den Menschen zu gehen, die nicht ins Krankenhaus kommen können, weil sie
kein Geld, kein Auto, keine Straße
oder schlicht und einfach keine
Ahnung haben, dass sie zum Arzt
gehen dürfen oder sollten.
In der Bevölkerung herrscht nach
wie vor verbreitete Unkenntnis über
Ursachen, Risiken und die Vermeidung akuter chronischer Krankheiten. Prävention und die Förderung
von Gesundheitsleistungen sind auch
und gerade in diesem Land
anstrengend – zumal der Erfolg nicht
sofort sichtbar ist. Aber beides lohnt
Traditionelle Medizin ist offiziell anerkannt
Fotos: J. Garvs (2), N. Petersen (1)
Medizin muss
dorthin, wo die
Menschen sind
Die Zahl der Kinder, die unter
Mangelernährung leiden, ist mit 18
Prozent noch immer gleich hoch wie
vor zehn Jahren. Entgegen dem
internationalen Trend ist die Prozentzahl der grundgeimpften Kinder
unter einem Jahr in den letzten 25
Jahren sogar stetig gesunken.
Die wenigen Ärzte sind heiß
begehrt, aber selten gewillt, im Land
und dort vor allem auf dem Land zu
arbeiten. Gleiches gilt für Krankenschwestern, Pfleger und Hebammen.
Sie sind teilweise überaltert, chronisch unter- oder oft auch nicht bezahlt. Sie arbeiten allein an isolierten
Standorten, körperlichen Gefahren
und besonderen Anstrengungen
ausgesetzt und vor allem nicht kontinuierlich fort- und weitergebildet.
Obwohl die Regierung erst vor
kurzem die Gesundheitsvision 2050
ausgerufen hatte, um die medizinische Versorgung zu verbessern,
verhindern vor allem die schlechte
Infrastruktur sowie hohe Transportkosten die Umsetzung dieser Ziele.
Aber auch die nicht unerhebliche
Abwanderung von einst im Land
Durch den Erlass eines „Traditional
Medicine Act“ ermöglichte die Regierung 2007 die Integration der
„Buschmedizin“ in die Schulmedizin beziehungsweise in die primäre
Gesundheitsversorgung. Traditionelle Heiler und Heilpflanzen sind
wichtige Ressourcen in ländlichen
Gebieten. Die nationale Kommission berichtete im Jahr 1999, dass
etwa 80 Prozent der Bevölkerung in
Papua-Neuguinea pflanzliche Arzneimittel verwendet und sich an
traditionelle Heiler wendet. Durch
die nationale Politik, die beide Systeme akzeptiert und propagiert,
besteht in der Bevölkerung eine
hohe Akzeptanz, beide Heilsysteme nebeneinander zu verwenden. Diese Toleranz betrifft
auch Ärzte und Heiler. Trotz
der ethnischen Vielfalt gibt es
gemeinsame Konzepte und
Überzeugungen in Bezug auf
Gesundheit und Krankheit,
einschließlich eines universellen Glaubens an die Macht
der Zauberei, von Bräuchen,
Naturheilkunde und Beschwörung. Interessant ist, dass die
nationale Politik die Verwendung von Zauberei aber auch
ausdrücklich verbietet.
Aufbau eines Gesundheitssystems ist wichtig
Mit dem Aufbau und Unterhalt des Gesundheitssystems
hängt zusammen, dass insbeMitarbeiterinnen im Braun
Memorial Krankenhaus,
Finschhafen.
sondere der Doppelbelastung
durch HIV und Tuberkulose
weder angemessen noch zeitgerecht begegnet werden kann. Gleiches gilt für die Malaria. Ein häufig unterschätztes Problem in
Papua-Neuguinea ist die Zunahme der Erkrankungen am Denguefieber. Prävention, Aufklärung über die Übertragungswege
und persönlicher Schutz wären
notwendig, erforderten aber eine
hohe Mobilisation von Ressourcen.
Das Rückgrat der Gesundheitsversorgung des Landes ist
durch Personal- und Geldmangel,
fehlende Investitionen und Reparaturen, massenhafte Schließung
von Gesundheitsposten und die
Unterversorgung mit Medikamenten extrem geschwächt. Nichtstaatliche Organisationen und
Kirchen bewahren das System vor
dem völligen Zusammenbruch.
Gibt es Hoffnung? Ja, denn
Hoffnung machen die Menschen
selbst, allen voran die Kinder, die
wir über die Jahre aufwachsen
sehen. Wir wollen helfen, in diesem
Land – gefangen zwischen Tradition und Moderne – die Vorzüge
anderer Kulturen und Technologien so umzusetzen, dass es aus
eigener Kraft heraus, seinen Weg
gehen kann. Unsere Aufgabe muss
es sein, die Kinder gesund zu halten, sodass sie stark in die Zukunft gehen können. Wohlgemerkt
eine Zukunft, die wir vielleicht nicht
erleben werden, sie aber schon.
Das süße Leben
Vielleicht ist Ihnen der Witz bekannt: Ein Gastgeber
fragt seinen Gast: „Wieviel Zucker nimmst du?”.
Der Gast antwortet: „Normalerweise nehme ich viel
Zucker in meinen Tee, aber jetzt habe ich Probleme.
Mein Arzt hat mir verboten zu viel Zucker zu nehmen,
deshalb nehme ich nur noch sieben Löffel.” Vielleicht kennen einige auch diesen Dialog zwischen
einem Neuguineaner und seinem ausländischen
Kollegen: Der Gastgeber: „Nimmst du auch Zucker?”
Antwort: „Nein, danke, ich bin süß genug.” Daraufhin
der Gastgeber: „Das bin ich auch, nur der Kaffee ist
nicht süß.”
Solche Witze zeigen, dass wir unseren Tee oder
Kaffee wirklich sehr süß lieben. So süß, dass man
eher vom Zuckertrinken sprechen sollte. Besonders
an der Küste ist Zucker sehr beliebt: Er wird den
ganzen Tag über getrunken, bis kurz vor dem
Schlafengehen.
Der Süßstoff ist so wichtig geworden, dass er in den
vergangenen Jahrzehnten die Mentalität der Menschen verändert hat. Dies merkt man besonders bei
Besuchen. Hatten die Menschen an der Küste früher
ihren Gästen als Zeichen der Gastfreundschaft
Betelnuss und Tabak angeboten, so wird heute
meist Tee gereicht. Man sagt nicht mehr: „Sori,
mipela i nogat buai” „Sorry, wir haben keine
Betelnuss“, sondern, „Sori, mipela i nogat suga”,
(Sorry, wir haben keinen Zucker), wenn man sich für
mangelnde Gastfreundschaft entschuldigen will.
Im Finschhafen-Gebiet hat das beliebte Süßstoffgetränk einige Spitznamen: Der bekannteste ist
„Kande Kulung”. „Kande” steht für “kandre” (Onkel)
und „kulung” bedeutet „Getränk”. Zusammengefasst also: Onkels Getränk. In manchen melanesischen Kulturen ist der Bruder der Mutter die wichtigste Person der
Familie. Er hat das
letzte Wort für alle
wichtigen Entscheidungen. Der Zuckertrank dient also auch
dazu, den Onkel so
glücklich zu machen,
dass er seinen letzten
Segen zu den Entscheidungen gibt.
Maiyupe Par
Zeichnung: Kavagle Par
weltbewegt
23
Schwerpunkt
Forum
Hexenwahn
Wie kommt es zu dem Phänomen?
Wie kann man ihm begegnen?
Prof. em. Dr. Theodor Ahrens
atlosigkeit und Entsetzen lösen
Berichte wie der folgende aus,
den der Post Courier, eine der führenden Tageszeitungen in PapuaNeuguinea am 28. Februar 2011 auf
der Titelseite brachte: „Wiederum
wurde in einer der Stadtrandsiedlungen in der Küstenstadt Lae eine
aus dem Hochland stammende Mutter von vier Kindern von ihren Verwandten und Nachbarn getötet,
anschließend mit Kerosin übergossen und verbrannt. Sie wurde
beschuldigt, den Tod ihrer nächtens
im Schlaf unerwartet verstorbenen
halbwüchsigen Tochter verursacht
zu haben. Von den zuschauenden
Bewohnern kam der wehrlosen Frau
niemand zu Hilfe.“
Kein Einzelfall! Jährlich werden
etwa fünfzig solcher Vorkommnisse
bekannt. Die Dunkelziffer ist vermutlich groß.
Wie wird man/frau zur Hexe?
Die Vorstellung, dass es Menschen
gibt, die andere bis zum Tode krank
machen können, ist in Papua-Neuguinea – aber nicht nur dort – nach
wie vor lebendig. In solchen Menschen ruht, so die Annahme, eine
destruktive Kraft.
In den kleinteiligen Gesellschaften
der vorkolonialen Zeit dienten
Todeszauber und Beschuldigungen
der Hexerei, um die es hier geht, dem
Austrag lokaler Konflikte. Wenn
Rivalitäten und böse Nachrede Beziehungen im Nahbereich vergiften,
mündet dies auch heute noch leicht in
24
weltbewegt
den Verdacht, diese oder jene Person
habe jemanden aus Neid und Missgunst vernichtet.
In Situationen der Unsicherheit
und gefühlter Gefahren blühen
Gerüchte und Klatsch. Aus dem
Gerücht wird eine Erzählung. Diese
fragt nicht: Wie ist das gekommen? ,
sondern: Wer hat das verursacht?
Es könnte jeder Mann und jede Frau
gewesen sein. Doch die Erzählung
deutet nach außen. Aus einem
drohenden „alle gegen alle“ formt die
improvisierte Erzählung ein „alle gegen eine(n)“ – ein Hinrichtungsbündnis gegen Einzelne. Es endet mit der
Ermordung eines willkürlich gegriffenen Opfers – meist trifft es wehrlose
Frauen und Mädchen.
Hexenwahn wuchert
In der Umbruchsituation der postkolonialen Gesellschaft Papua-Neuguineas bilden neue soziale Ungleichgewichte, unübersichtliche politische
Zustände, nicht zuletzt die Ausbreitung von HIV/AIDS und die Beunruhigungen, Ängste und Phantasien,
die dadurch ausgelöst werden, erweiterte Arenen für das Wuchern des
Hexenwahns. Menschen erwarten an
den Vorteilen wirtschaftlicher Entwicklung beteiligt zu werden. Wenn
solche Erwartungen enttäuscht werden und gleichzeitig alte Beziehungen aus dem Lot geraten sind,
löst dies Debatten aus, die entweder
in der traditionellen Sprache des
Okkulten, mithilfe der Sprachregelungen einer modernen Ideologie
oder im Rahmen einer anderen religiösen Vorstellungswelt diskutiert
werden können. Der moderne Hexenwahn bringt traditionelle Wirklichkeitsannahmen ins Spiel.
Was so aus der Welt geschafft
werden soll, sind die Ängste und
destruktiven Phantasien, das eigene
Zerstörerische, nicht zuletzt die
eigenen Probleme mit der Sexualität.
Sie werden auf willkürlich gewählte
Opfer abgeleitet.
Wie kommt es zu Hexereianklagen in einem christianisierten Land?
Es mag verwundern, dass Hexenfurcht und Hexenverbrennungen in
einem Land, in dem die Mehrheit der
Bevölkerung – oft schon seit Generationen – Mitgliedschaft in einer der
christlichen Kirchen beansprucht,
nach wie vor gang und gäbe sind.
Todeszauber und Hexerei waren
Praktiken, auf die die Missionen des
19. Jahrhunderts als vordringlich zu
beseitigende Übel zielten. Ist das
Christentum dort also ein mehr
schlecht als recht geklebtes Furnier,
unter dem das Hartholz der Tradition fortlebt?
Das Christentum in Melanesien
ist weder ein – leicht ablösbares –
ideologisches Furnier noch eine
fremde Religion. Es ist vielmehr
– wie auch bei uns – in die vor Ort
gelebten kulturellen und sozialen
Selbstverständlichkeiten einbezogen
worden. Die traditionelle religiöse
Vorstellungswelt wurde nicht, wie
Foto: E. Lau (1)
R
Missionare gehofft hatten, durch die
von ihnen mitgebrachte ersetzt,
sondern umgebaut.
So wie es in Europa zwischen dem
11. und dem 17. Jahrhundert der Fall
gewesen ist, sind auch in Papua-Neuguinea in der Regel Christen
an derartigen Menschenjagden beteiligt. Am intensivsten wütete der
europäische Hexenwahn nicht etwa im
„finsteren Mittelalter“, sondern vom 15.
bis zum 17. Jahrhundert. Er war
insbesondere von der katholischen
Kirche maßgeblich betrieben worden,
nachdem sie ihre frühere Position,
der Aberglaube der Hexerei sei
teuflischen Ursprungs und müsse
bekämpft werden, verlassen hatte.
Die Hexenbulle von Papst Innozenz
VIII. von 1484 stellte den Kampf gegen Hexerei mit dem Kampf gegen
Ketzer gleich. Sündhaft war nunmehr
nicht der Hexenglaube, sondern nicht
an die Realität der Hexen zu glauben.
Dies Erbe wirkte auch in den Reformationskirchen fort. Daher bedurften
vor allem die Kirchen, insbesondere
deren Amtsträger, einer Befreiung vom
Hexenwahn. Gegen den gesamtgesellschaftlich verankerten Hexenwahn
anzugehen erforderte viel persönlichen
Mut und harte Arbeit. Dies hatte Ina
Seidel in ihrer Erzählung „Lennacker.
Das Buch einer Heimkehr“ über Pastor
Johannes Jakobus Lennacker (16281696) deutlich gemacht.
Mit der europäischen Aufklärung
erloschen die Hexenverfolgungen
allmählich. Doch es wäre voreilig, der
europäischen Fortschritts- und Modernisierungsgeschichte das Ende des
Hexenwahns überhaupt zuzuschreiben. Auch in der modernen Gesellschaft kommt es vor, dass gemeinschaftlich verdrängte Ängste und
die Fantasien plötzlich aufbrechen.
Erinnert sei an die Bücherverbrennungen und die Vernichtungsmaschinerien des Nationalsozialismus, an den Archipel Gulag in der Sowjetunion und das System
des Staatsicherheitsdienstes der
DDR. In manchen Quartieren der
Bundesrepublik dienen als Muslime
wahrgenommene Migranten als
Projektionsfläche sozialer Identitätsängste. Die jüngsten, sich unter den
Namen PEGIDA sammelnden Menschenmengen sind dafür ein aktuelles
Indiz. Undenkbar ist es nicht, dass
Eruptionen individueller und kollektiver Ängste und Gewaltphantasien
von Zeit zu Zeit durch die dünne
Oberfläche der modernen gesellschaftlichen Ordnung brechen. Solche
Eruptionen ereignen sich im Krisen
geschüttelten Papua-Neuguinea von
Zeit zu Zeit.
Auch dort kostet es Mut und harte
Arbeit, dem verbreiteten Hexenwahn
entgegenzutreten. Es mag sein, dass
Christen dem Hexenunwesen ablehnend gegenüberstehen oder sogar
erwägen, dem Zauberwesen als
Medium der Lokalpolitik völlig abzusagen; gleichzeitig müssen sie
befürchten, dass benachbarte Gruppen dies nicht tun werden. Die Furcht,
plötzlich allein zu stehen, wenn man
Gerüchte und Anklagen wegen Hexerei
nicht mittragen will, geben Treibjagden
ihren Rückhalt.
Anders als dies im europäischen
Mittelalter der Fall gewesen ist, beteiligen sich die Kirchen als Organisationen nicht an Hexenverfolgungen. Verurteilungen von
Schadzauber gehören zum Standardrepertoire dörflicher Predigten.
Das heißt aber nicht, dass
Gemeindeälteste, evangelische oder
katholische Pfarrer sich vom
Hexenwahn und seinen weltanschaulichen Voraussetzungen freigemacht hätten. Häufig ist das nicht der
Fall.
In Ton gebrannte
Menschheitsgeschichte – zu den
Schattenseiten der
Geschichte gehört
es seit jeher, dass
kollektive Ängste
nach außen auf
willkürliche Opfer
projiziert werden.
Ein Verhalten, das
in allen Gesellschaften bis heute
vorkommt.
Unterschiedliche Strategien
im Umgang mit Hexenwahn
Schematisch betrachtet lassen sich
zwei unterschiedliche Modelle unterscheiden. In der Praxis gibt es Überlappungen. Kirchen, die aus den Missionen des 19. Jahrhunderts hervorgegangen sind, setzen nach wie vor
auf ein Bündnis mit dem Fortschrittsgedanken. Sozialarbeit, Bildungsarbeit und westliche Medizin
profilieren das kirchliche Auftragsbewusstsein. Hexerei und Hexenjagden erscheinen in dieser Perspektive als unzeitgemäße, destruktive
und moralisch verwerfliche Überbleibsel einer veralteten Welt. Sie verdanken sich Unkenntnis und Wahnvorstellungen und sind mit dem
christlichen Glauben unvereinbar.
Aufklärung durch Bildungsarbeit
sollte diesem Missstand allmählich
beikommen – so die Annahme.
Evangelikale und pentekostale Kirchen favorisieren einen anderen
weltbewegt
25
Schwerpunkt
Frauen, die als
Hexen verfolgt
wurden, tragen
nicht nur äußerliche Narben
davon.
Zum Stellenwert von Bildungsarbeit und Aufklärung
Das Melanesische Institut in Goroka,
Papua-Neuguinea, hat jüngst in
einem Beitrag zum Thema ein Plädoyer für Aufklärung und Bildung vorgelegt. Weltanschauliche und moralische Optionen (sowie deren jeweilige Implikationen) werden zur Diskussion gestellt – eine wichtige Hilfestellung für kirchliche Mitarbeiter,
um mehr Klarheit zu gewinnen.
Bildungsarbeit mag zunächst
manche Selbstverständlichkeiten der
bisherigen Weltsicht schwächen und
die moralische Urteilskraft schärfen.
Die Frage „Was ist wirklich? Was ist
26
weltbewegt
real?“ stellt sich immer und sie stellt
sich immer neu im konkreten
Konfliktfall. Menschen entscheiden
und handeln innerhalb bestimmter
weltanschaulicher Rahmenvorgaben.
Der Glaube an die Wirksamkeit von
und die Furcht vor Schad- und
Todeszauber ist Teil traditionellen
Alltagswissens. Dies wird in Anschlag
gebracht, um festzustellen, was der
Fall ist, was wahr ist und was
dementsprechend getan werden sollte.
Destruktive Kräfte in Mitmenschen
oder auch Geistwesen sind genauso
real wie Verfahren des In-OrdnungBringens effektiv sein können. Diese
Sicht der Beteiligten ist ernst zu
nehmen.
Dennoch bedürfen Ausgrenzungsprozesse, insbesondere Sündenbockjagden, einer Prüfung. Fragen
sind zu stellen und Kriterien ins Spiel
zu bringen, die außerhalb herkömmlicher Realitätsannahmen und jenseits
traditioneller moralischer Codes
liegen. Es gilt die weltanschaulichen
Grundannahmen des Hexenwahns als
Teil einer magischen Weltsicht zur
Diskussion zu stellen. Das kann von
zwei Standpunkten aus geschehen:
Zunächst kann gefragt werden, ob die
Tatsachenbehauptungen einer konkreten Hexereibeschuldigung im
Rahmen der traditionellen Weltsicht
konsistent sind. Sodann, ob sie Kriterien standhalten, die von außerhalb
dieser Weltsicht, seien diese aus
medizinischer und physikalischer
Forschung oder aus der christlichen
Tradition geltend gemacht werden.
Wenn diese weiter greifenden Fragen
ins Spiel kommen, fangen einige
nachdenkliche Menschen möglicherweise an, bislang fraglos hingenommene weltanschauliche Grundannahmen in Frage zu stellen.
Großkirchen ebenso wie in staatlichen
Organisationen bleiben führende
Positionen den Frauen nach wie vor
durchgehend verschlossen. In den
Kirchen wird eine entsprechende
Kritik gern mit dem Hinweis
weggebürstet, die Gemeinden seien
für Frauen in führenden Rollen „noch
nicht bereit“. Andererseits sind lokale
Frauengruppen vielerorts in der
Gesellschaft, nicht nur in den Kirchen
zu einem wichtigen Ferment der
Lokalpolitik geworden. Kirchliche
und nichtkirchliche Frauenverbände
können Foren werden, in denen die
Problematik offensiv diskutiert wird,
um Bischöfe wie Kirchenleitungen zu
klärenden Stellungnahmen zu nötigen.
Gegenbündnisse aufbauen
Zu einer Destabilisierung ihrer
Überzeugungen kann es kommen,
sobald eine „alternative symbolische
Sinnwelt“ auftaucht und von Einzelnen oder Gruppen, beispielsweise
einer christlichen Gemeinde auch
gelebt wird. Welche Sinnwelt sich
durchsetzt, hängt nicht nur von ihrer
jeweiligen theoretischen Schlüssigkeit ab. Ausschlaggebend ist das
Kräfteverhältnis zwischen denen, die
das traditionelle Gedanken- und
Wertesystem nach wie vor legitimieren und jenen, denen Hexerei,
Hexereibeschuldigungen, Schad- und
Todeszauber aus Vernunft- oder
Glaubensgründen als Unsitten vorkommen. Sie jedenfalls hätten die
Option, für ihre Erkenntnisse und
Verbindlichkeiten einzustehen. Es
gilt das fahrlässige, auch in kirchlichen Milieus weit verbreitete
Beschweigen zu beenden. Notwendig
und geboten ist ein öffentlicher Diskurs über die kognitiven, moralischen und religiösen Dimensionen
des Hexenunwesens. Dazu können
die Kirchen beitragen. In ihnen, mit
ihnen, notfalls auch gegen sie gilt es
Gegenbündnisse aufzubauen und zu
fördern.
Hexereibeschuldigungen treffen
meist Frauen. In den protestantischen
Theologische Vertiefung
der Bildungsarbeit
Fotos: E. Lau (1), J. Ahrens (1), C. Oelrich/dpa (1)
Ansatz: Der Hexerei und den Hexenanklagen stellen sie die überlegene
Gegenmacht Christi als spirituelle
Kraft entgegen. Die Welt wird als
Schlachtfeld guter und dämonischer
Mächte gedeutet. Mission wird inszeniert als Kampf gegen die Mächte des
Bösen bzw. Satans als persönlichem
Gegenspieler Gottes. Die lähmende
Furcht vor Hexen kann durch die
Macht des Gebetes und gegebenenfalls der Teufelsaustreibungen, in der
Christus als Sieger zu Erfahrung
kommt, behoben werden. Die „christliche Gegenoffensive“ sendet ihre
Botschaft auf der gleichen Wellenlänge wie die traditionelle Religion.
Das mag in der gegebenen Situation
zunächst einleuchten, bestätigt aber
zugleich das dem Hexenwahn zugrunde liegende Beschuldigungssystem. Dem gilt es beizukommen.
Für die Aufhellung und Bewusstmachung der Verkennungen, die mit
der Projektion individueller und kollektiver Ängste und Gewaltphantasien auf willkürlich gewählte Opfer
einhergehen, bieten sich Bibelarbeiten an: zunächst zu neutestamentlichen Zeugnissen von ausgegrenzten Menschen, zu denen Jesus
sich bekennt und damit beansprucht,
an Gottes Stelle zu handeln. Sodann
zu Texten der Passionsgeschichten.
Sie bestehen darauf: Jesus, das
unschuldige Opfer, wird von Gott
gerechtfertigt. Kehrseite dessen:
Anders als der blinde Mob erkennt
allein das unschuldige Opfer der
Verfolgung den wahren Gott – und
die Wahrheit der
Situation.
Das Evangelium eröffnet den
Glauben, dass Gott
selbst jenseits des
Bösen steht. Es lädt uns ein zu einem
Leben im Geiste Jesu und zieht uns
damit auf Gottes Seite – jenseits des
Bösen. Ein solches Leben steht allen
Menschen offen. Es mutet ihnen aber
auch zu, die Erkenntnis des Guten,
das immer auch das Gut der Anderen
ist, nicht zu verraten. Es gilt sich
selbst als freies und verantwortliches
Subjekt zu begreifen und das Recht
auf Unversehrtheit des Leibes und
Lebens unserer Mitmenschen als
von Gott in gleicher Weise geliebten Wesen zu verinnerlichen. Das
Haupthindernis, das sich der Aufhellung des Hexenwahns entgegenstellt, ist das System der Beschuldigung, mit dem die Verantwortung für Unglück und
Krankheit Mitmenschen im Nahbereich oder auch den Ahnen aufgebürdet wird. Wie also das System
der Beschuldigungen und die zwanghafte Suche nach übernatürlichen
Ursachen stilllegen?
Konflikte benennen
und bearbeiten
Eine fachlich fundierte seelsorgerische Arbeit böte eine Möglichkeit.
Sie knüpft an traditionelle, im dörflichen Leben erprobte Verfahren des
In-Ordnung-Bringens an und modifiziert sie. Die beschuldigte Partei
wird einbezogen. Die für ein Unheil
verantwortlich gemachte Gruppe
wird eine gewisse Bereitschaft mitbringen, Gerüchte und üble Nachrede, die im Schwange sind, zu entkräften. Konflikte können benannt werden. Alternative moralische und weltanschauliche Optionen können ins
Spiel gebracht werden. Es zeigt sich,
dass die Kriterien, die traditionelle
„Ursachenforschung“ steuern, keineswegs durchgängig eindeutige Antworten ergeben. Der Vorteil dieses
Weges gegenüber dem evangelikalen
und pentekostalen Ansatz liegt unter
anderem darin, dass allen Beteiligten,
auch den Beschuldigten, Gelegenheit
gegeben wird, der Entstehung von
Spannungen und Konflikten nachzuspüren und Bereiche des gemeinsamen Lebens zu benennen, die der
Heilung bedürfen. Kognitive Engführungen und tief sitzende emotionale
Befangenheiten werden gleichermaßen bearbeitet. Es kann zur Sprache
kommen, was bislang – manchmal
mit großer Anstrengung – beschwiegen wurde. Allmählich werden den
Beteiligten ihre hintergründigen Ängste, Gewaltphantasien und Projektionsmechanismen durchsichtig. Wenn
alle Gewalt erleiden und alle Gewalt
ausüben, dann erübrigen sich Verfahren, die Einzelne zu Sündenböcken
oder Hexen erklären.
Prof. em. Dr.
Theodor Ahrens war
von 1987-2005
Professor für
Missionswissenschaft und ökumenische Beziehungen
der Kirchen an der
Universität Hamburg. Er arbeitete
von 1971-1978 in der
ELC-PNG und war
auch Studienleiter
im Melanesischen
Institut Goroka. Von
1978 bis 1987 war er
im Zentrum für
Mission und
Ökumene zuständig
für Missionstheologie und Grundsatzfragen.
weltbewegt
27
Schwerpunkt
Forum
In Planungsworkshops werden
Frauen auf ihre neuen beruflichen
Aufgaben vorbereitet.
„Wir wollen den Status
der Frauen verbessern“
Die evangelische Frauenbeauftragte Cathy Mui und die
Organisationsberaterin Mary-Rose Palei im Gespräch
mit Sabine Schmidt
wirkungen auf die sozialen, geistlichen, physischen und ökonomischen Lebensbereiche von
Frauen.
Mary-Rose Palei: Seit dem letzten
Jahr arbeite ich intensiv mit den
Frauen in unserer Kirche und deren
Kirchenkreisleiterinnen zusammen.
In fast allen Kirchenkreisen leiden
die Frauen darunter, dass sie nicht
lesen und schreiben können. Ein
anderes Problem sind Eheschei-
Diese Schülerinnen haben gut lachen. Dass Mädchen
die Schule besuchen, ist noch nicht selbstverständlich.
dungen. Es gibt viele jüngere
Frauen, die verheiratete Männer
heiraten. Dieses hat oft psychosoziale Folgen für die Frauen. Ein
anderes Problem ist das Geld, das
auch in unserer Gesellschaft eine
zunehmend wichtige Rolle spielt.
Daher suchen Frauen nach Wegen,
um Geld zu erwirtschaften und
versuchen auf Märkten selbstangebautes Gemüse zu verkaufen.
Viele machen Verluste. So leiden die
Frauen schließlich darunter, dass sie
hart arbeiten müssen und letztendlich kaum etwas dabei verdienen.
Welche Auswirkungen haben die
kulturellen Umbrüche?
Cathy Mui: Durch den Einfluss der
Globalisierung verändern sich nach
und nach die Ansichten von Männern und Frauen und das Thema
Gleichberechtigung bekommt eine
immer wichtigere Bedeutung. In
dem Zusammenhang spielen übrigens auch die Begegnungen zu
Menschen aus unseren Partnerkirchen in Übersee eine Rolle.
Gleichzeitig wird aber sichtbar, wie
stark die traditionellen Auffassungen
verinnerlicht sind – auch innerhalb
gebildeter Schichten. Immer noch
sind Gewalt und ungleiche Behandlung von Frauen und Kindern in
Familien an der Tagesordnung. Dies
gilt besonders für die dörflichen
28
weltbewegt
Fotos: M. Roselowsky (1), N. Gehm (1), J. Daniels (1), S. Schmidt (1), C. Wenn (1)
Wie seht ihr die aktuelle Situation
der Frauen in Papua-Neuguinea?
Was sind die dringlichsten Probleme?
Cathy Mui: Die Lebenssituation der
Frauen ist von der immer noch sehr
patriarchalischen Kultur unseres
Landes geprägt. Der Mann ist nach
wie vor das Oberhaupt der Familie.
Frauen werden vielfach unterdrückt
und als Menschen zweiter Klasse
angesehen. Das hat konkrete Aus-
Strukturen. Es müsste viel mehr
Bildungsarbeit geleistet werden.
Wenn es etwa darum geht, welches
Kind in die Schule gehen soll,
werden nach wie vor Jungen
bevorzugt. Die Rolle der Mädchen
besteht dann darin, dass sie für die
Familie arbeiten, den Garten bestellen und Produkte auf dem Markt
verkaufen sollen.
Mary-Rose Palei: Zu unserer gesellschaftlichen Kultur gehört es,
sich gegenseitig zu helfen. Das ist
seit jeher ein wichtiger Bestandteil
unserer Tradition. Dies selbstverständliche Geben und Nehmen
nimmt jedoch leider immer mehr ab.
Die Menschen erwarten nun Geld
für ihre sozialen Leistungen. Zudem
geht die junge Generation oft ihre
eigenen Wege und respektiert die
Eltern nicht mehr so wie früher. Das
zeigt sich dann darin, dass sie keine
sozialen Aufgaben innerhalb der
Familie übernimmt. Früher wurden
die Gartenarbeiten und die Essenszubereitung immer untereinander
aufgeteilt. Die Umbrüche bedeuten
einschneidende Veränderungen für
unsere Gesellschaft, insbesondere
für geschiedene Frauen und deren
Kinder. Benachteiligte Gruppen in
unserer Gesellschaft verlieren ein
soziales Netz. In den letzten Jahren
hatte ich in Städten immer
mehr bettelnde Kinder
gesehen und Frauen, die
ohne ein eigenes Zuhause
auf der Straße leben. Bisher
waren solche sozialen
Zustände undenkbar. So hat
vor allem die ältere Generation
damit zu kämpfen, wenn sie
zusehen muss, wie unsere Tradition
verloren geht, die doch auf soziale
Fürsorge aufgebaut ist.
Was sind Eure Hoffnungen für die
Zukunft?
Mary-Rose Palei: Ich arbeite mit
Frauen zusammen und habe das
Ziel, dass sie die heutigen Veränderungen wahrnehmen und dass
sie aktiv entscheiden können, wie
sie in dieser veränderten Gesellschaft einen Platz finden. Frauen
nehmen unbewusst die Veränderungen des kulturellen und sozialen
Umfelds wahr. Aus meiner Sicht ist
es wirklich wichtig, dass Frauen
anfangen miteinander zu reden und
sich darüber austauschen, wie sie
am besten mit den heutigen
Veränderungen umgehen und sich
gegenseitig unterstützen können.
Für mich als Organisationsberaterin sind zum Beispiel die Planungsworkshops für Frauen in den
Kirchenkreisen sehr wichtig. Sie
sollen den Teilnehmerinnen helfen, ihr Leben als Frau und Leiterin
in den Kirchengemeinden zu
reflektieren. Auf diese Weise
könnten sie wiederum andere
Frauen in der Gemeinde
unterstützen.
Cathy Mui: Die Frauen
müssen sehr hart arbeiten,
um das Überleben ihrer
Familien zu finanzieren.
Wir, von der Frauenabteilung der „Evangelisch-Lutherischen Kirche in PapuaNeuguinea“ haben als die
zweitgrößte Kirche einen
Fünfjahresplan und entsprechende Programme
entwickelt, die auf die Bedürfnisse der Frauen eingehen und sie unterstützen
sollen. Unsere Vision ist es,
dass sich der Status von
Frauen in unserer Gesellschaft in allen Aspekten
des Lebens zu verbessert.
Foto Mitte: Cathy
Mui, (links) ist
Frauenbeauftragte
der EvangelischLutherischen Kirche
in Papua-Neuguinea
(ELC-PNG).
Mary-Rose Palei ist
Organisationsberaterin der Nichtregierungsorganisation
Melanesian Organisation Development.
Sabine Schmidt ist
seit 2002 für die
ELC-PNG tätig und
arbeitet im Auftrag
des Lutheran
Overseas Partner
Churches. Ihre Arbeit
wird auch vom
Zentrum für Mission
und Ökumene
unterstützt.
weltbewegt
29
Schwerpunkt
Sport kann
verbinden,
aber keine Probleme lösen
Forum
30
weltbewegt
14. Nationale Frauenkonferenz
der ELC-PNG in Boana
Der Weg zur Gleichberechtigung ist noch weit –
auch in der Kirche
Welche Bedeutung hat der Sport für Jugendliche?
Eine Perspektive von Paul Ahrens
A
Cynthia Lies
In der evangelischen Kirche
können Frauen, die die Voraussetzungen erfüllen, ein volles
Theologiestudium am MartinLuther-Seminar machen. Diese
Frauen werden übrigens vom
Zentrum für Mission und Ökumene
finanziell unterstützt, worüber sie
sehr dankbar sind. Ohne diese
Unterstützung wäre es für die
meisten von ihnen unmöglich
gewesen, die Finanzierung der
Studiengebühren aufzubringen
und damit das Studium erfolgreich
abzuschließen.
Leider werden die Frauen als
Theologinnen von ihren männlichen
Kollegen nach wie nicht ernst
genommen – trotz gleicher Ausbildung. Vier von ihnen studieren
derzeit an der Universität von
Goroka in Bereichen Seelsorge,
Beratung und kindliche Früherziehung. In einem Gespräch sagte
eine von ihnen: „Wenn sie uns
schon nicht mit unseren kirchlichen
Qualifikationen akzeptieren, dann
müssen wir eben versuchen, uns
noch besser zu qualifizieren als
Männer. Nur so haben wir die Hoffnung bald einmal als Theologinnen
akzeptiert zu werden.“ Es muss
also noch viel geschehen, damit es
zu einer Gleichberechtigung in der
Kirche kommt. Den Ruf nach
Frauenordination in der ELC-PNG
hört man ab und zu. Bisher ist er
nicht auf Widerhall gestoßen. Es
erstaunt nicht, dass diese tollen
Frauen manchmal nah am
Verzweifeln sind. Dabei sind sie es,
die eine Veränderung in der Kirche
und damit auch in der Gesellschaft
anstoßen könnten.
Fotos: M. Haasler (1), C. Lies (1), S. Jüdes (1), Freiwilligenprogramme (1)
Cynthia Lies war
von 2009 bis 2014
mit ihrem Mann
Pastor Rudolf
Lies nach
Papua-Neuguinea
ausgereist und
dort am Melanesischen Institut in
Goroka tätig. Sie
haben bereits vor
30 Jahren mit
ihrer Familie (1979
bis 1984) in
Menyamya im
Hochland gelebt
und gearbeitet.
„Ich bin gekommen, dass ihr
Leben und volles Genüge habt”.
Unter dieser Überschrift tagte die
14. Nationale Frauenkonferenz
der evangelischen Kirche (ELCPNG) im September 2014 in
Boana. Sie wurde unter anderem
vom Premierminister des Landes,
Peter O’Neill, in Begleitung von
Gouverneur Kelly Naru offiziell
eröffnet. Viel Ehre und viel Lob für
die Arbeit der Frauen in der Kirche! Besonders nachdem ihr
erster Fünfjahresplan dem Premierminister überreicht wurde. Die
Vision: Lebensoffene christliche
Frauen sollen für christliche Familien einstehen und dafür sorgen,
dass sie sich entwickeln können.
Dieses Ziel teilen sie mit der
Regierung. Auch sie will Frauen
stärken, um der Familien willen.
„Famili i stap orait, kantri bai stap
orait!“ – „Wenn es Familien gut
geht, dann wird es auch dem
Staat gut gehen“, sagte Peter
O’Neill. Für das Ziel sollten Regierung und Kirchen zusammenarbeiten.
Wie sieht es zurzeit aber
wirklich bei den Frauen und den
Familien im Land aus? Nicht gut,
wenn man sich die Statistik
ansieht. Die Sterblichkeitsrate
von Kinder und Müttern ist viel zu
hoch! Jede zweite Frau erlebt
häusliche oder sexuelle Gewalt.
Immer noch werden Frauen als
Hexen beschuldigt und gefoltert
oder sogar getötet.
Ein Fortschritt ist es allerdings,
dass immer mehr Mädchen, die
Schule und eine Weiterbildung
erfolgreich abschließen und sich
ihren Platz in der Gesellschaft
erkämpfen. Es gibt Richterinnen
und Ärztinnen, die voll akzeptiert
sind, viele Lehrerinnen selbstverständlich, aber auch Ingenieurinnen
im Bergbau. Seit der letzten Wahl
gibt es zum ersten Mal drei Frauen
im Parlament: Julie Soso Akeke als
Gouverneurin des Östlichen Hochlands; Loujaya Toni, (Lae) Ministerin
für Soziale Entwicklung, und
Delilah Gore für die Oro Provinz.
Das neue Wahlgesetz mit Zweitund Drittstimmen hat diese
Entwicklung ermöglicht.
uf den ersten Blick mag es vielleicht keinen Unterschied geben zwischen der Jugend
in Deutschland und der Jugend in Papua-Neuguinea. Auch die Jugendlichen aus
dem Senior Flierl Seminary in Logaweng, in dem ich arbeite, fahren jeden Morgen mit
dem Schulbus runter nach Gagidu, um zur Schule zu gehen. Gut, der Schulweg
ist nicht asphaltiert und die Strecke hat teilweise eine Steigung von über 20
Prozent. Der Schulbus kommt an seine Grenzen, aber er schafft es. Viele Schulen werden von der evangelischen Kirche getragen, unterstützt und mitfinanziert. In Gagidu gibt es eine Secondary- und eine High School. In Logaweng
selbst gibt es ähnlich wie in Deutschland einen Kindergarten und für die
Älteren eine Grundschule.
Tatsächlich ist es jedoch so, dass viele Jugendliche nicht lesen und
schreiben können. Die Analphabetismusrate in Papua-Neuguinea ist
eine der höchsten weltweit. Besonders unter Frauen und Mädchen
ist der Analphabetismus sehr verbreitet.
Dadurch, dass die Arbeitslosenquote hoch ist, „lungern“ viele junge
Menschen besonders in den Städten herum. Selbst wenn sie eine
schulische Ausbildung haben, gibt es nur wenige Jobs für sie.
Dadurch, dass Lae bei mir in der „Nähe“ liegt – vier Stunden
mit dem Speedboat – kann ich das gut beobachten und
bestätigen. Die Zahl der Gewalttaten, Überfälle und Morde
steigt daher auch mit zunehmender Arbeitslosigkeit. Immer
mehr junge Menschen kommen ins Gefängnis.
Vor dem Hintergrund bekommt Sport eine besondere
Bedeutung, vor allem in seiner verbindenden Funktion – und
zwar weltweit. Ein gutes Beispiel dafür ist die Fußball-WM
2014 in Brasilien. Ein Weltereignis, das auch in diesem Land
mit Spannung verfolgt wurde. Dadurch bin ich hier nicht
nur mit Jugendlichen, sondern auch mit Menschen jeden
Alters in Kontakt gekommen. Fußball, Rugby, Volleyball
und Basketball, sie gehören in Papua-Neuguinea zu den
Lieblingssportarten und werden sowohl von Kindern als auch von
Männern und Frauen ausgeübt. So haben auch
die Studenten in Logaweng eine eigene Fußball- und
Basketballmannschaft. Zusammen mit den Studenten spiele ich jeden
Samstag unten in Gagidu Fußball. Dieses Jahr sind wir leider im
Viertelfinale ausgeschieden, aber wir versuchen im nächsten Jahr
weiterzukommen. Trainiert wird auf einer Grasfläche im
Seminary. Außerdem gibt es jeden Sonntag nach dem
Morgengottesdienst den „Sportsday“. Alle Teams
(Blue, Yellow, Green, Red) spielen das ganze
Schuljahr über gegeneinander Basketball und
Volleyball. Am „Finalday“ wird dann der
Gewinner ermittelt und die Saison startet
von vorne.
Paul Ahrens
Insgesamt finde ich, dass Sport
arbeitet seit 2014
eine gute Möglichkeit ist, um Menals Freiwilliger im
schen miteinander in Kontakt zu
Flierl Seminary in
bringen, über alle Alters- und
Logaweng,
sozialen Schranken hinweg. AllerFinschafen.
dings wird er die Probleme wie
Arbeitslosigkeit und Analphabetismus nicht lösen können.
weltbewegt
31
Nachrichten
Nachrichten
Geduldiger Brückenbauer –
Ein Nachruf auf Alex Afram
Von Anfang an dabei
Ein Nachruf auf Dr. Hans-Joachim Kosmahl von Paul Gerhardt Buttler
In Afrika - Dr. Kosmahl
mit seiner Frau Ingrid
Mit dem tansanischen Bischof
Kweka beim Jahresfest 1978
Paul Gerhardt Buttler war von 1975
bis 1995 Direktor des Zentrums für
Mission und Ökumene (ehemals
Nordelbisches Zentrum für Weltmission und Kirchlichen Weltdienst).
32
weltbewegt
ie nannten ihn Mzee, weiser alter Mann, in Ostafrika. 23 Jahre lang von 1971 bis 1994 war
Dr. Hans-Joachim Kosmahl Afrika- und Regionalreferent für Holstein beim Nordelbischen Zentrum für Weltmission und kirchlichen Weltdienst Hamburg/Breklum (NMZ).
Dieses 1971 aus der Breklumer Mission neu geformte kirchliche Werk sollte der Einsicht Rechnung tragen, dass Mission und Weltdienst Auftrag der ganzen Kirche sind. Dabei war deutlich,
dass diese Aufgabe nur in gleichberechtigter Partnerschaft von Kirchen des Südens und des
Nordens verantwortet und unternommen werden kann. Eben dafür brachte der damals 42-jährige Pastor von Westensee die besten Voraussetzungen mit, hatte er doch gerade in Basel über
Joseph H. Oldham (1874-1969), einen der bedeutendsten Pioniere der Ökumenischen Bewegung und internationaler Zusammenarbeit in der christlichen Weltmission, promoviert.
Geboren am 19. Juni 1929 in Dresden, wuchs Hans-Joachim Kosmahl in Forsthäusern am
Rande der Dresdner Heide und ab 1932 in Nikolsdorf bei Königstein / Elbe auf. Während des
Zweiten Weltkrieges wurde der Vater, Forstmeister im staatlichen Dienst, mehrfach versetzt.
Für die Familie bedeutete das zumeist Umzug und für die beiden Söhne (Wolfgang, geb. 1932)
Schulwechsel. Die letzte Station war im Herbst 1944 Grünhain im Erzgebirge. Mit Kriegsende
im Mai 1945 veränderten sich die Verhältnisse grundlegend. Der Vater, im November 1945 aus
dem Dienst in der Forstverwaltung entlassen, wurde von der russischen Besatzungsbehörde im
Februar 1946 verhaftet und soll 1947 an unbekanntem Ort verstorben sein. Für die Familie blieb
dies ein dauernder Schmerz. Die Mutter ermöglichte durch Heimarbeit den Söhnen den Besuch
der Oberschule im nahen Schwarzenberg, die Hans-Joachim im Juli 1948 mit ausgezeichnetem
Abitur verließ.
Anstöße aus der Jungen Gemeinde und Erfahrungen im Pfarrhaus seines Onkels bewogen
ihn, ab Wintersemester 1948/49 an der Kirchlichen Hochschule in Berlin Theologie zu studieren.
1951-55 schlossen sich Studiensemester in Tübingen, Heidelberg und Basel an. Ihre Finanzierung
musste er sich in den Semesterferien als Werkstudent verdienen. Nach Vikariat in Hamburg,
Predigerseminar, 2. Theologischen Examen in Kiel und Ordination folgten für Hans-Joachim
Kosmahl 13 Jahre intensiver, von seiner Frau Ingrid unterstützter Gemeindearbeit in Westensee.
Hier wurden auch die fünf Söhne geboren.
Als Afrika- und Regionalreferent des NMZ mit Dienstsitz in Kiel hielt Dr. Kosmahl engen
Kontakt zu überseeischen Mitarbeitenden und einheimischen Kirchenleitern in Tansania, Kenia,
Kongo und Westafrika. Er nahm an den jährlichen Sitzungen der Koordinationsgremien in den
genannten Ländern teil, besuchte die dortigen Mitarbeitenden an ihren Einsatzorten oder lud sie
zu gemeinsamen Besinnungstagen ein. Ersten afrikanischen Mitarbeitern in Nordelbien war er
ein treuer Begleiter. In Gremien und Arbeitsausschüssen, aber auch in Gemeindeveranstaltungen
und Schuleinsätzen, hat er seine Erfahrungen weitergegeben und für den gemeinsamen Auftrag
geworben. Nach seiner Pensionierung arbeitete er bis zuletzt an einer Geschichte der Breklumer
Mission und des NMZ in Afrika. Er starb am 08.12.2014. Auf dem Friedhof seiner ersten Gemeinde in Westensee fand er die letzte Ruhestätte. Sein engagierter Dienst bleibt unvergessen!
Fotos: C. Wenn (1), ZMÖ-Bildarchiv (2), F. Degenhardt (1), J. Brockmeier (1)
S
Am 26.
Januar
verstarb
Pastor Alex
Afram nach
schwerer
Krankheit im
Alter von 68
Jahren. Er
stammte wie
die Mehrheit
afrikanischer
Zuwanderer
im Großraum Hamburg aus Ghana.
Die Nordelbische Kirche beauftragte ihn daher 1994 mit der Seelsorge an Afrikanerinnen und Afrikanern in Hamburg. Zugleich betreute
er als Pastor bis zu seinem
Ruhestand 2011 die African Church
Hamburg. Alex Afram war wesentlich an der Gründung des African
Christian Council Hamburg, des
Afrikanischen Zentrums in Borgfelde und dem dort monatlich
stattfindenden Internationalen
Gospelgottesdienst beteiligt. Im
Nordelbischen Missionszentrum
arbeitete er lange im Afrika-Ausschuss mit.
Alex Afram war ein geduldiger
Brückenbauer innerhalb der großen
afrikanischen Einwanderer-Community und hinein in die deutsche
Mehrheitsgesellschaft. Viele in der
heutigen Nordkirche haben durch
ihn die Frömmigkeit und Lebenswelt afrikanischer Zuwanderer
kennengelernt. Mit seiner Familie
trauern die große afrikanische
Gemeinschaft Hamburgs und viele
innerhalb und außerhalb unserer
Kirche um einen Pionier der
interkulturellen Öffnung von Kirche
und Gesellschaft.
Neue Mitarbeiterin
Julia Brockmeier ist neue
Mitarbeiterin im Referat für
Stipendien- und Freiwiligenprogramme und dort zuständig für die
Arbeit mit Freiwilligen, die von
Ihrem Auslandseinsatz zurückgekehrt sind. Außerdem ist sie
zuständig für die sogenannten
Süd-Nord-Programme, die
Arbeitseinsätze für Freiwillige
organisiert, die aus dem Süden in
den Norden kommen wollen. Julia
Brockmeier war bereits seit 2008 in
unterschiedlichen Bereichen der
entwicklungspolitischen Bildungsarbeit tätig, unter anderem in zwei
EU-finanzierten Projekten zum
Thema „Internationale Freiwilligendienste und Globales Lernen“. Vor
allem die „Vernetzung von Rückkehrenden aus verschiedenen
Ländern“ habe sie als sehr
bereichernd erlebt, erklärte
Brockmeier.
Schwerpunkt
geschichtlichen und wirtschaftlichen Verflechtungen auseinander.
Weitere Informationen: www.
romerotage.de
Konfirmanden-Aktion 2015
Die Lebenswirklichkeit von
Jugendlichen in Tansania steht im
Mittelpunkt der KonfirmandenAktion. Diese Aktion unter dem
Titel „Kleine Körner für kluge
Köpfe“ will besonders Konfirmandengruppen über das Leben
Gleichaltriger in Tansania informieren. Das Infomaterial stellt neben
Länderinformationen auch die
Schülerin Anna aus Usangi vor.
Mangelernährung unter Kindern
und Jugendlichen ist immer
noch weit
verbreitet.
Durch kirchliche
Ernährungsprojekte an Schulen hat sich die
Gesundheit
verbessert.
Julia Brockmeier
Weitere Informationen: www.
nordkirche-weltweit.de/konfirmanden-aktion-2015
Materialheft zum Sonntag
Judika
Romerotage
„Verstrickungen. Gewalt. Neuanfang“ – unter diesen Stichworten
stehen die diesjährigen Hamburger
Romerotage vom 12. März bis
zum 17. April 2015. Der Kontinent
Lateinamerika steht im Mittelpunkt
der Veranstaltungen. Diskussionen,
Vorträge, Filme, Konzerte, Gottesdienste und Tanzperformances
setzten sich mit den vielschichtigen und oft widersprüchlichen
Entwicklungen der einzelnen
Länder sowie mit den globalen
Unter dem Motto „Gerechtigkeit
und Geld“ lädt die Evangelisch-Lutherische Kirche in
Norddeutschland zu einem
Themengottesdienst am
Sonntag Judika, am 22.
März 2015, ein. Dazu ist
eine Materialsammlung
erschienen, die mit Reflektionen, Gebeten, Gottesdienstbausteinen, Andachten und Liedern Anregungen für den Gottesdienst,
die Jugendarbeit, Gemeindegruppen oder auch
weltbewegt
weltbewegt
33
33
Veranstaltungen
Einzelgespräche bietet. Die Gliederung der Materialsammlung
orientiert sich an dem DreierSchritt: Sehen – Urteilen – Handeln.
Bezug: Zentrum für Mission und
Ökumene, Tel. 040 88181-243,
[email protected]
Frühjahrskonvent
Aktuelle Veranstaltungshinweise finden Sie auf
www.nordkircheweltweit.de und
in unserem
Halbjahresprogramm, das
Anfang März
erscheint. Es
kann bestellt
werden unter:
Tel. 040-881 81-0
oder unter info@
nordkirche-weltweit.de
Am 18. April 2015 findet die
Frühjahrstagung des Missionskonventes in Hamburg zum Thema
„Ich war fremd… - Flüchtlinge und
wir“ statt. Dietrich Gerstner,
Referent für Migration und Menschenrechte, wird über die aktuelle
Situation von Flüchtlingen,
insbesondere über Ihre Lebenswirklichkeit in Deutschland
informieren. Aus der Praxis
berichten Pastorin Isabel FreyRanck aus Neumünster, Dr. Blechle
und das Ehepaar Wendt aus
Schmalfeld. In Gesprächsgruppen
kann das Thema am Nachmittag
vertieft werden. Die Tagung findet
von 10 bis 17 Uhr im Zentrum für
Mission und Ökumene, AgatheLasch-Weg 16 statt.
Anmeldung: Ulrike Matthiesen,
Tel. 040 88181-202, u.matthiesen@
nordkirche-weltweit.de
Geht doch!
Ökumenischer Pilgerweg
für Klimagerechtigkeit
Ein „Ökumenischer Pilgerweg für
Klimagerechtigkeit“ zur UN-Klimakonferenz 2015 in Paris will auf die
verheerenden Folgen des
Klimawandels aufmerksam
machen. Der Pilgerweg, der
am 13. September in
Flensburg beginnt und am 6.
Dezember endet, verläuft
von Flensburg über Trier nach
Paris. Gemeinsam sollen auf
dem Weg Gerechtigkeitsfragen diskutiert und sichtbare
34
34
weltbewegt
weltbewegt
Zeichen für Klimagerechtigkeit
gesetzt werden. Außerdem steht
der Besuch beispielhafter Klimaschutzprojekte auf dem Programm.
Die Initiatoren wollen spirituelle
Besinnung mit politischem
Engagement verbinden. Angeregt
durch den Ökumenischen Rat der
Kirchen lädt eine Entwicklungspolitische Klimaplattform – ein
ökumenisches Bündnis aus
Landeskirchen, Diözesen, christlichen Entwicklungsdiensten,
Missionswerken und Jugendverbänden – zum Mitpilgern von
Teiletappen oder auch der ganzen
Strecke ein. Angesprochen sind
Einzelpersonen, Gemeinden oder
Gruppen. Es gibt auch die Möglichkeit, die Aktion auf andere
Weise zu unterstützen, zum
Beispiel durch die Aufnahme von
Pilgernden in der Kirchengemeinde.
Weitere Informationen: Anne
Freudenberg, Tel. 040 88181-243,
[email protected] oder www.klimapilgern.de
Jahresfest
Unter dem Motto „Wo zwei oder
drei… Ökumenische Partnerschaften zwischen Schatztruhe und
Beziehungskiste“ findet vom 21.
bis 22. Juni das traditionelle
Jahresfest der Ökumene in
Breklum statt. Dazu laden das
Zentrum für Mission und Ökumene,
das Christian Jensen Kolleg, das
Evangelische Regionalzentrum
Westküste und die Breklumer
Kirchengemeinde alle
ökumenisch
Interessierten ein.
Partnerschaften
sind
Beziehungen,
geprägt von Vielfalt, von Gemeinsamkeiten und dem Anderssein.
Respekt, Verstehen und Vertrauen
kennzeichnen sie. Diese Vielfalt
birgt auch Missverständnisse und
strittige Themen in sich. Das kann
mühevoll werden. Droht dann die
Schatztruhe zu einer beengenden
Beziehungskiste zu werden?
Auf dem diesjährigen Jahresfest
der Ökumene in Breklum sind
Partnerschaftsgruppen, Kirchenkreise und Kirchengemeinde
eingeladen, ihre Schätze zusammenzutragen und auszubreiten:
Schatzkisten gefüllt mit all den
wertvollen Erfahrungen, aber auch
mit Sorgen und Schwierigkeiten.
Die Erfahrungen, die sowohl
zwischenmenschliche als auch
weltweite ökumenische Partnerschaften machen, ähneln sich. Der
Paartherapeut Wolfgang Schmetzler aus Bremen entdeckt Vergleichbares. Einen experimentellen
Raum, um einander zuzuhören,
entwickelt Rudolf Giesselmann. Als
Bühne für sein „listening projekt“
dient ein leerer, auf einer Seite
geöffneter Caravan.
Anmeldung: buerobreklum@
nordkirche-weltweit.de, Tel. 04671
9112-14, www.nordkirche-weltweit.
de/breklumergezeiten
„Leg alles ab“
„Leg alles ab – Stille Tage mit den
Texten Reinhard von Kirchbach“,
ist das Motto für das Wochenende
vom 8. bis 10. Mai im Christian
Jensen Kolleg. In der Stille sollen
die Texte einen angemessenen
Rahmen finden und die Teilnehmenden in die offene Gebetshaltung führen. Leitung: Christoph
Tischmeyer, Gerd Hansen und
Jutta Jessen-Thiesen.
Info und Anmeldung: Petra
Conrad, 04671 9112-14, [email protected] ,
www.nordkirche-weltweit.de/
breklumergezeiten
Service
Service
Rezension
Unter dem schlichten Titel „Worte
für jeden Tag“ hat Hans-Christoph
Goßmann eine geistliche Schatzkiste herausgegeben. Zwischen
grünen Buchdeckeln finden sich
Zitate aus den Gebetsmeditationen
Reinhard von Kirchbachs (19131998). Sie geben Erfahrungen und
Einsichten seines Lebens in einer
Fülle von theopoetischen Texten
wieder. Als Theologe, Pastor und
zuletzt Propst in Schleswig bewegte
ihn schon vor Jahrzehnten eine
Frage, die heute sehr bedrängend
wird: Wie können Menschen in
kultureller und vor allem religiöser
Verschiedenheit in dieser immer
mehr zusammenrückenden Welt
miteinander friedlich leben? Von
Kirchbachs Texte zeigen uns die
Haltung eines gebildeten, tiefgläubigen und letztlich mystischen
Christen: „Du musst dich nicht
wundern, wenn andere Mich (Gott)
mit Namen anrufen, die du nicht
kennst. Lass dich nicht irre machen,
weder durch die Worte, die sie
brauchen, noch durch die Art, wie
sie Mich anrufen. Wenn sie in der
Wahrheit sind, bin Ich bei ihnen.
Wenn sie sich selbst suchen, und
ihr Herz fern von Mir ist, muß Ich an
ihnen vorübergehen. “ Kirchbach
macht ernst mit der Hinwendung zu
einem Gott, der die ganze Welt mit
aller Verschiedenheit und Schönheit
in seinen Händen hält. Seine Texte
sind im Gebet entstanden. Sie
zeigen ihn als Menschen, der sich
immer neu loslässt und vorwagt in
Leserbriefe
Mit Konfirmanden über Gerechtigkeit reden
(Ausgabe 2/2014, Thema: Gerechtigkeit)
Heute bekam ich das neue Heft zu Jugend und
Gerechtigkeit in die Hände und ich bin, wie bei den
letzten Ausgaben auch, sehr begeistert. Danke für Ihre
innovative, kreative und anspruchsvolle Arbeit. Bei
dem aktuellen Heft bin ich nicht nur selbst begeistert,
sondern würde gerne mit unseren Konfirmanden und
Konfirmandinnen zu einigen Artikel arbeiten.
Martje Brandt, Pastorin, Pinneberg
Waffenlieferungen nicht „alternativlos“
(Ausgabe 4/ 2014, Thema: Frieden)
Danke Theo Christiansen für den Artikel! Ich war schon
nahe dran zu glauben, dass es „alternativlos" sei und
Waffen geliefert werden müssten - durch den Artikel
bin ich ermutigt worden, bei meiner ursprünglichen
Meinung zu bleiben – obwohl das angesichts der
öffentlichen Debatte wirklich schwer ist.
Susanna Brauer
Lieber Herr Christiansen, ich habe mit großer Freude
Ihren Artikel gelesen. Er ermutigt mich selbst einmal
mehr, konsequent – bei unbedingter Berücksichtigung
der politischen und wirtschaftlichen Interessen auch
der deutschen Politik – an der Friedensethik des
Schwerpunkt
die Weite Gottes. Jeder Text nimmt
die Lesenden mit auf diesen Weg.
Darum ist es auch nicht nötig, viel
zu lesen. Angemessener ist es,
weniges gut und tief nachzuerleben.
Dazu ist diese Auswahlausgabe
hervorragend geeignet. Sie lädt
ein, sich jeden Tag einem der Texte
zuzuwenden. Mit jedem Zitat
erscheint in schlichter Sprache die
tiefe Einsicht dieses Glaubens und
leuchtet in immer neuen Aspekten.
Ich wünsche diesem Buch viele
Leser und seinem Geist viel
Ausstrahlung.
Jutta Jessen-Thiesen, Referentin
für ökumenische Spiritualität.
Die vollständige Version der
Rezension ist unter www.nordkirche-weltweit.de zu lesen
Reinhard von
Kirchbach: Worte für
jeden Tag, herausgegeben von HansChristoph Goßmann,
Verlag T. Bautz, 2014,
ISBN 978-3-88309912-5
Richtigstellung
Evangeliums festzuhalten. Auch ich neigte lange dazu,
den Befreiungskämpfen ein Recht zur Gegengewalt
zuzugestehen. Es bleibt am Ende der falsche Ansatz.
Ich will einiges unterstreichen, was Sie hervorheben:
Alles Reden ist auch funktional. Und: Mit dem immer
wieder atemlosen Reagieren auf die neue Krise und
Gewalt, hat der lange Atem einer sich auf allen Ebenen
entwickelnden Friedenspolitik und Friedensethik keine
Chance. Wir werden immer wieder neu vor dem
Dilemma stehen – so als sei das mal wieder wie vom
Himmel gefallen – der Gewalt, sei es auf unseren
Straßen oder in den internationalen Konflikten, mit
Gewalt begegnen zu sollen. Werden wir immer
schuldig? Natürlich. Eine anthropologische Konstante.
Warum wird das in der friedensethischen Debatte
immerfort hervorgehoben? Es soll die Gewissen
beruhigen. Dann sind alle Katzen grau. Es ist dann
alles erlaubt und man muss die Dinge nicht mehr zu
Ende denken. Dass Sie aber gerade dazu einen Beitrag
leisten, ist wunderbar.
Volker Bethge, Pastor i.R., Lübeck
Klasse Artikel!! Die letzte Ausgabe von weltbewegt hat
mich echt erfreut – auch wenn die Sache beziehungsweise das Thema sehr schwer oder auch traurig sind.
Ich finde, es gibt zu wenig klare Stimmen – in der
Kirche und auch sonst! – gegen die Militarisierung.
Bärbel Fünfsinn, Hamburg
Dem Autor des
Nachrufs für Dr.
Uwe Johannsen ist
ein kleiner Fehler
unterlaufen. Der im
Nachruf erwähnte
Pastor Stäcker heißt
mit Vornamen
Heinrich und nicht
Johannes.
Leserbriefe sind
herzlich willkommen.
Bitte senden an:
Redaktion weltbewegt, Zentrum für
Mission und Ökumene, Agathe-LaschWeg 16, 22605
Hamburg, E-Mail:
[email protected]
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