Grosses Theater Mit den Diskussionen um den Oxer sind in den letzten Jahren im Bereich der darstellenden Künste innova tive Projekte entstanden. Spätestens seit der Sommer bespielung in der Alten Reithalle 2012 hat sich mit dem Gemeinschaftswerk «Aarauer Nachtwachen» ein viel versprechendes und viel verzweigtes Netzwerk von Theaterleuten, Tanzperformern, Figurenspielerinnen und innovativen Zirkusartisten gebildet. Neben neuen Formen und Kooperationen zeitigen auch Förderinitiati ven Wirkung. Die Künstler/innen kommen – mindes tens für Gastspiele – vermehrt in den Aargau zurück, denn hier gibts wieder Austausch, Auftrittsmöglich keiten, Publikum, Geld, Wertschätzung, Resonanz – alles hart umkämpft und gefährdet angesichts der grassierenden Sparübungen von Kanton und Städten und eines vielleicht auch etwas kulturgesättigten Publikums. Lange Zeit sind die Akteure dem Aargau mehrheitlich ferngeblieben, denn das urbane und international ausgerichtete Umfeld, die Ausbildungs stätten, Auftrittsorte, risikofreudige Investoren, neu gierige Zuschauer/innen fehlten der jüngeren Theatergeneration. Nach dem fulminanten Auftritt der freien Aargauer Theaterszene in den 1970er-Jahren wurde es daher allmählich etwas still im Kanton. Sicher: Immer wieder gab es zwischenzeitlich kleine, feine, manchmal auch grössere spannende Projekte – und in den letzten Jahren auch Scharen von Besuchenden bei Vorstellungen von Landschaftstheatern. Das Geld ist heute rar, die Ideen gross. Wird tatsächlich mit den jüngsten Vorkommnissen im Theaterbereich eine neue Kulturachse zwischen Baden und Aarau entstehen? Wie wird sich das ThiK unter neuer Leitung verändern – wie das von Einspra chen geplagte und vor dem Umbau stehende Kurtheater in Baden? Und wie können kleinere, hochverdiente Institutionen wie beispielsweise der Fabrikpalast über leben, wenn ein Grossteil der Gelder des Kuratoriums an feste Häuser gebunden ist und die Giesskannen leer sind? Wird cirqu’Aarau, der poetische, bildstarke Zirkus, tatsächlich in Aarau Einzug halten? Fragen über Fragen, die länger beschäftigen werden und die Disku tanten und Anspruchsgruppen noch eine Weile in Atem halten: Zahlenakrobatik, hypnotische Gesten, Prophe zeiungen und Gemurmel auf und neben den Bühnen. THEATERKANTON AARGAU REVISITED In der Alten Reithalle hat eine erfindungsreiche Künstlerszene Schub bekommen. Ein Umbau könnte das K ulturschaffen nachhaltig prägen. von Peter-Jakob Kelting Seite 24 –25 BILDER Nouveau Cirque Augenweiden, Poesie und Akrobatik Seite 24, 26 ATEMBERAUBENDE KÖRPER Der zeitgenössische Zirkus präsentiert sich in Aarau von Ursula Huber Seite 27–28 NR 56 PIONIERARBEIT FÜR DAS FIGURENTHEATER Quo vadis Fabrikpalast? von Tine Beutel Seite 34 – 36 BILDSCHIRM Nesa Gschwend Seite 29– 31 FEDERLESEN Nadine Tobler und Mark Wetter über Veränderungen im Aargauer Theaterschaffen Madeleine Rey, Andrina Jörg, Redaktion von Jacqueline Beck Seite 32– 33 SPRACHTRAPEZ Wir sitzen alle im selben Boot. Aber nicht alle r udern. von Beat Gloor Seite 37 23 Theaterkanton Aargau revisited Alte Reithalle als Taktgeberin für junges Theaterschaffen von Peter-Jakob Kelting Die Theaterlandschaft im Aargau ist in zweifacher Hinsicht im Umbruch. Zum einen befindet sich die Szene in einem deutlichen Verjüngungsprozess. Und zum anderen entwickelt sich das Projekt Alte Reithalle Aarau dynamisch. Beide Entwicklungen sind nicht voneinan der zu trennen, sondern sie bedingen und befruchten sich gegenseitig. Die Produktion «Aarauer Nachtwachen», die im August 2012 ihre Uraufführung in der Alten Reithalle erlebte, wirkte als Initialzündung: Über 30 Aargauer Theaterschaffende verschiedener Generationen fanden zusammen, um gemeinsam die «Nachtwachen des Bonaventura» für die Weite der Alten Reithalle zu adap tieren. Viele der Mitwirkenden kooperieren mittler weile in unterschiedlichen Konstellationen neu und erfolgreich: Die Tänzerin und Mimin Cornelia Hansel mann hat sich mit ihrer Gruppe Lowtech Magic dem Kindertheater zugewendet und arbeitet neu mit der Regisseurin und Performerin Ruth Huber von Szenart zusammen; die Tänzerin und Performerin Irene Wernli macht mit einer Choreografie für «Die Geschichte eines Nachtpianisten» auf sich aufmerksam, die Figuren spielerin Tine Beutel arbeitet nicht mehr ausschliess lich für Kinder, sondern erprobt die Möglichkeiten ihres Genres für ein erwachsenes Publikum. Sie alle haben sich bei den «Nachtwachen» kennengelernt. Hinzu kommen Absolventinnen und Absolventen der Kunsthochschulen, die ihre ersten Gehversuche in der freien Szene machen. Beispielsweise der Theater pädagoge und Schauspieler Jonas Egloff mit seiner Gruppe Gee Gee Express, die Regisseurin Alexa Gruber und die Schauspielerin Anna Blumer oder die Forma tion Reich und Schön: Nachwuchskräfte beginnen, das regionale Theaterleben zu prägen. Aus dem Raum Baden ist es die Bühnen- und Kostümbildnerin Maude Vuilleumier, die mit ihrer Gruppe HotAir Produktionen erste Arbeiten in Zürich und Berlin realisieren konnte. In diesem Zusammenhang ist auch die «Junge Marie» zu nennen, ein Spin-off des Theaters Marie, der eine Neudefinition des Jugendtheaters im Aargau beinhaltet: Besonders begabte Jugendliche erproben seit eineinhalb Jahren unter professioneller Leitung und in einem gemischten Ensemble aus Laien und Profis innovative Formen des Theaters für ein junges Publikum. 24 Die Jungen machen voran! Kinder- und Jugendtheater und kleinere Produktionen vorsieht, beibehalten wird. Eine intensivere Kooperation als bis anhin wird dadurch mit anderen Veranstaltern im Kanton denkbar. Vor allem auf der Achse Aarau – Baden, wo nicht nur Markus Lerch und Nadine Tobler ihre Arbeit im ThiK aufnehmen, sondern überdies die Sanierung des Kurtheaters ansteht, könnte zum Nutzen der regionalen Theaterschaffenden ein reger Austausch von Inszenierungen lanciert werden. Zwei wichtige Katalysatoren für diesen frischen Wind sind die Politik der integrierten Nachwuchsförderung des Aargauer Kuratoriums und das Projekt First Steps/ AG, mit dem das Theater Tuchlaube Aarau jüngeren Theaterschaffenden eine Produktionsplattform bietet. Mit der neuen Leitung des Theaters im Kornhaus ThiK mit Markus Lerch und Nadine Tobler an der Spitze gibt es nun auch in Baden Ansprechpartner, die an Kooperationen mit kantonalen Nachwuchskräften inter essiert sind. Das ThiK verantwortet die erste Ausgabe des Projekts Szenotop, mit dem das Kuratorium junge einheimische Compagnien über einen längeren Zeit raum strukturell fördert. Auffallend ist die stilistische Vielfalt, die in den Inszenierungen junger Theater künstlerinnen und -künstler zum Ausdruck kommt, und der Versuch, das Publikum jenseits der gewohnten Pfade anzusprechen. Ein Ort wie die Alte Reithalle mit seinen schier unbegrenzten räumlichen Möglichkeiten bietet für solche innovativen, oft interdisziplinären Ansätze ideale Voraussetzungen. Die Belebung einer erfindungsreichen Aargauer Theaterszene wäre also nicht denkbar ohne die Perspek tive, die mit dem Projekt Alte Reithalle als kantonales (Ko-)Produktions- und Gastspielhaus verbunden ist. Der Erfolg der Sommerbespielung sowohl im Hinblick auf die künstlerischen Ergebnisse als auch beim Pu blikum – 2014 besuchten nahezu 5000 Zuschauerinnen und Zuschauer die 40 Veranstaltungen in der Alten Reithalle – macht deutlich, dass der Bedarf für ein derart offenes Gefäss mehr denn je vorhanden ist. Peter-Jakob Kelting ist Leiter des Theaters Tuchlaube Aarau Fotos S. 24: c/o, Foto: Mario Röhrle S. 26 oben: Face Nord, Foto: Milan Szypura S. 26 unten: Mobile, Foto: Ian Winters Podiumsgespräch zum Theater im Aargau In den 70er-Jahren war die freie Theaterszene Aargau weit über die Grenzen des Kantons für innovative Theaterarbeit bekannt. Zwischenzeitlich ist es stiller geworden, aber seit geraumer Zeit zeichnet sich erneute Unruhe ab, deren Epizentrum in der Alten Reithalle in Aarau zu verorten ist. Soll die freie Szene mit dem Oxer eine mittlere Bühne bekommen oder zum Mittelpunkt für den schweizerischen Nouveau Cirque werden? Was bedeuten die Zukunftsszenarien und die mit ihnen verbundenen Ansprüche und Verschiebungen für die Kulturszene? Pro Argovia initiiert ein Podiumsgespräch rund um die Diskussionen eines (un)möglichen Theaters. Die Alte Reithalle als Labor und Zentrum Die Ausgangslage für eine Realisierung des Umbaus zu einem spartenübergreifenden Theater- und Tanzhaus wäre perfekt: Die Stadt Aarau hat die Chancen, die die Alte Reithalle bietet, erkannt. Der neue Stadtrat be kennt sich im vor Kurzem veröffentlichten Kulturkonzept nach Jahren des Zögerns klar zum Projekt und kün digt an, es innerhalb der kommenden Monate zur Abstimmungsreife zu bringen. Die Erfahrungen, die im Rahmen der Sommerbespie lung mit Projekten gemacht wurden, die den ganzen Raum in ihr künstlerisches Konzept einbeziehen, legen nahe, die Alte Reithalle auch in Zukunft als Gesamt raum zu erhalten «Jakob von Gunten» von Astride Schlaefli und Christian Kuntner, «siesta» von Flamencos en route und die Installation «Argentinien» des Thea ters Marie haben eindrucksvoll gezeigt, welche überra schenden, ja überwältigenden Raumwirkungen die Halle zu entfalten vermag. Dies eröffnet neue Möglich keiten für interdisziplinäre Kooperationen wie mit argovia philharmonic oder Cirque’Aarau, einem Verein, der sich der Förderung des zeitgenössischen Zirkus verschrieben hat. Voraussetzung ist allerdings, dass das ursprüngliche Raumprogramm, das neben einer grossen Bühne mit einem Fassungsvermögen von 250 Plätzen, in Einzelfällen gar 400 Plätzen, eine Studiobühne für SA 27. Juni 18.30, Alte Reithalle Aarau «Mittlere Bühne, OXER – Theater Aargau?» Programm Impulsreferat von Peter-Jakob Kelting, Leiter Theater Tuchlaube Aarau. Podiumsdiskussion mit Hanspeter Hilfiker, Stadtrat Aarau, Walter Küng, Mitglied Aargauer Kuratorium, Roman Müller, Artist und künstlerischer Leiter cirqu’4, Thomas Pauli, Leiter Abteilung K ultur, und Barbara Riecke, künstlerische Leiterin Kurtheater Baden Leitung: Katia Röthlin Anschliessend Vorstellung «nouveau cirque» Eintritt CHF 40.– inkl. Apéro, Podium: Eintritt frei Anmeldung erwünscht: [email protected] 25 Atemberaubende Körper Der Zeitgenössische Zirkus präsentiert sich in Aarau von Ursula Huber Muskelkraft, Geschicklichkeit. Präsenz. Präzision. Akrobatische Fertigkeiten sind faszinierend. Man sieht Menschen zu, die ihren Körper völlig zu beherrschen scheinen und mit Leichtigkeit Dinge tun, bei denen einem das Hören und Sehen vergeht. Ein archaisches Vergnügen. Der Körper. Was er alles kann. Normalerweise sieht man das in der Manege. Seit einiger Zeit – seit ungefähr den 1970er-Jahren – aber findet man die Zirkuskunst auch an anderen Orten, auf Theaterbühnen zum Beispiel. Noch immer geht es um den Körper und dessen Möglichkeiten. Aber es kommen neue Elemente dazu, und Althergebrachtes wird weg gelassen. Verschwunden sind die vorhersehbaren Abläufe und der (vorgegaukelte) Glamour des traditio nellen Zirkus, keine Glitzerkostüme gibts und auch keine dicke Schminke: Die Artistinnen und Artisten, die sich dem Nouveau Cirque, dem zeitgenössischen Zirkus, widmen, haben anderes im Sinn. Sie erarbeiten Inszenierungen mit Elementen aus Theater und Tanz, beziehen Objekte mit ein, Musik, Licht, kreieren Bilder. Die einst siebenminütige Zirkus nummer kann abendfüllend werden. Wichtigste Neu erung: Es gibt einen unterirdischen Fluss, der unter dem Ganzen fliesst; Inhalte. Zusammenhängende Szenen fehlen. Sprache fehlt. Aber die Stücke folgen einem Thema. Artistik wird mit einem kreativen Prozess ver bunden. Es werden Geschichten erzählt – im besten Fall sogar solche, die einem bleiben. Ausserdem ist die Schweizer Szene recht überschaubar; die Künstler/innen, die sich für die zirzensischen Künste interessieren und eine entsprechende Ausbil dung machen, orientieren sich international. Also bisher: Kaum Räume und kaum Kunstschaf fende, die sich engagierten. Das soll sich ändern. Dem zeitgenössischen Zirkus in der Schweiz wird auf die Sprünge geholfen. Publikumswirksam wäre er ja durch aus, wenn das Publikum von ihm wüsste. Das Ausland beweist es. Da müsste doch was zu machen sein … Hier hat es Raum und Leute Ein geeigneter Ort für Vorstellungen des zeitgenössi schen Zirkus ist vorerst gefunden: die Alte Reithalle in Aarau. Genug Platz, viel Gestaltungsspielraum, ein malige Atmosphäre. Leute, die sich des Genres ange nommen haben und es fördern wollen, gibt es auch: Roman Müller, der aus dem Aargau stammende Jongleur und Nouveau-Cirque-Kreateur mit den nötigen inter nationalen Beziehungen, der 2014 mit dem Schweizer Innovationspreis des KTV ausgezeichnet wurde, und Peter-Jakob Kelting, der Leiter des für die Sommerbe spielung der Reithalle zuständigen Theaters Tuch laube. Gegründet wurde ein Verein, cirqu’Aarau, der es sich zum Ziel gemacht hat, dem zeitgenössischen Zirkus in der Deutschschweiz Platz zu schaffen. Ende Juni 2015 hat das erste Aarauer Minifestival für Zeitgenössischen Zirkus Premiere: Es nennt sich cirqu’4 – weil es in den letzten Jahren bereits drei Aufführungen in der Reithalle gab – und fasst drei Pro duktionen zu einem abendfüllenden Programm zu sammen: zwei kürzere und eine längere. Den Hauptteil bestreitet die französische Compagnie Un loup pour l’homme mit «Face Nord»; die zwei kürzeren Darbie tungen sind Kreationen des ursprünglich aus Deutsch land stammenden und nun in Frankreich lebenden Jörg Müller: «Mobile» und «c/o». (Daten siehe Agenda) Bei uns noch beinahe unbekannt Der zeitgenössische Zirkus ist vor allem im frankofonen Raum und in Skandinavien fester Bestandteil des kulturellen Lebens. Es gibt mehrwöchige Festivals mit Tausenden Zuschauerinnen und Zuschauern, im fran zösischen Dörfchen Nexon zum Beispiel. In der Schweiz hingegen kennt man dieses Genre bislang wenig. Das Zürcher Theaterspektakel zeigt zwar regelmässig – jeweils ausverkaufte – Stücke; im Allgemeinen aber fehlen ganz grundsätzlich und einfach geeignete Veranstaltungsorte. Zeitgenössischer Zirkus braucht meist viel Platz. 27 Zirkusakrobaten kommen nicht von der Schauspiele rei her; ihr Zugang zu Regie und Dramaturgie ist a narchischer. Sie wagen es, ihren eigenen künstleri schen Visionen auf nicht kopflastig wirkende Weise Ausdruck zu verleihen. Das Resultat ist, wenn es glückt, tiefsinnige Unterhaltung, unterhaltender Tief sinn, ernsthaftes Spiel, spielerischer Ernst. Kunst kommt von Können Un loup pour l’homme: Vier Männer in Trainerhosen, T-Shirts, in einer Art Boxring. Die Männer sind Akroba ten; sie messen sich, spielerisch. Wenn ich zwei Zenti meter weiter wegrücke, wagst du zu folgen? Sie fordern sich heraus – und noch einen Schritt. Plötzlich fallen menschliche Pyramiden auseinander, eine Übung wird abgebrochen – Mann geht so weit, bis es wirklich nicht mehr geht. Das Auseinanderfallen geschieht nebenbei mit Leichtigkeit, die Akteure retten sich mit selbstver ständlichen Bewegungen; der Übungsabbruch wirkt elegant, geschickt. Alles einberechnet. Körperbeherr schung. Faszinierend. Und nebenher geht es auch um Kulturpolitik Das Festival hat in der Alten Reithalle Platz gefunden; ein Glücksfall für den organisierenden Verein, ohne diesen Ort gäbe es cirqu’4 nicht. Die Halle ist nach wie vor Gegenstand kulturpolitischer Diskussionen, deren Resultate nicht abzusehen sind. Geplant ist, das Festival auf zehn Tage auszubauen und ab 2017 im Zweijahresrhythmus durchzuführen. Aarau soll zum Zentrum für zeitgenössischen Zirkus werden – mit Ausstrahlung weit über die Region hinaus. Für cirqu’Aarau ist die Reithalle in ihrer jetzigen Form fast ideal. Einerseits bietet sie die nötigen Gestal tungsmöglichkeiten, die für zeitgenössischen Zirkus unabdingbar sind – man kann verschiedenste Gradins, Tribünen, Bühnen, Gerüste, Rampen und was auch immer hineinbauen – und andererseits hat sie einen rohen und gleichzeitig warmen Charme, der ausge zeichnet zu den der Zirkusmanege entwachsenen Artis tinnen und Artisten passt. Der zeitgenössische Zirkus mag in der Hochkultur angekommen sein; ein wenig «Duft von Freiheit und Abenteuer» passt dennoch nach wie vor ausgezeichnet. Und dazu: Überraschende Verhaltensweisen Eben: Menschen mit Muskeln zuzuschauen, hat was – sich spielerisch messende Männer zu beobachten, ist spannend. Der unterirdische Fluss? Überraschend einfach, bestechend: Den vier Artisten geht es nicht darum, zu gewinnen. Sei es, weil kein Königreich zu err ingen ist; sei es, weil keine Frau in Sicht ist, um die gekämpft werden müsste; sei es aus bislang unbe kannten Gründen. Diese Mannsbilder kümmern sich nicht um den Sieg. Wenn einer der Geschickteste, der Stärkste, der Vorderste ist, geht man zu etwas ande rem über. Oft werden die Rollen auch gewechselt: Aus Wett kampf wird Teamarbeit; genaustes Achten aufeinander und volle Präsenz machen eine Zusammenarbeit möglich, aus der wundersame menschliche Formationen entstehen, die als höchst poetische Bilder in Erinne rung bleiben. Un loup pour l’homme versteht den menschlichen Körper als Instrument, mit dem es zu experimentie ren gilt: Was ist alles möglich, umsetzbar; wie weit kann man gehen, wie lange reicht die Kraft – wann muss man sich den physikalischen Gesetzen beugen? Bei Jörg Müller, der die zwei kürzeren Inszenierungen zeigt, geht es um einen Einfall – einen Einfall, skurril, der die Dimensionen des Normalen sprengt und dem Zuschauenden neue Perspektiven aufzwingt. In «Mobile» macht sich der Artist zum Teil eines Mobiles, dessen Meister er ist, er bewegt in sechs Metern Höhe aufge hängte grosse Aluminiumröhren, lässt sie sich bewegen, tanzt mit ihnen. In «c/o» verwandelt er sich in einen Wassermenschen, der in einem übermannsgrossen Wasserzylinder taucht – ungewöhnliche Bilder kreie rend, verzerrte Wahrnehmungen generierend. Die drei Teile des Abends zeigen die Bandbreite des zeitgenössischen Zirkus: Un loup pour l’homme kommt von der traditionellen Zirkusnummernform her, gibt ihr ein neues Gesicht und erzählt eine Geschichte; Jörg Müller erfindet althergebrachte Instrumente der Artistik neu, interpretiert sie auf eigene Weise und bricht mit gewohnten Sehweisen. Die drei Inszenie rungen versprechen eine angenehme Erweiterung des Horizonts. Ursula Huber gehört zum Team von cirqu’Aarau und ist für die Pressearbeit zuständig. 28 Bildschirm Stoffe als Speicher Der rote Faden: Er zieht sich als sinnliche und sinnbild liche Spur durch das künstlerische Schaffen von Nesa Gschwend. Schlängelt sich unter ihrer Regie als Linie durch ihre Werke, wird zur Hülle, zum Körper, wird Ob jekt, knäuelt und schlingt. Mit Fäden wirkt, ver-wirklicht und vernetzt die Künstlerin Orte, Dinge oder Gedanken. Seit Jahren verstätigt sie gleichsam mit der uralten Grundfaser unserer Kultur archaisch anmutende Gefüge und Behausungen für Ideen, inspiriert von Ritualen aus dem Land des Ganges und dem Rheintal, in dem seit al ters schon – wie fast überall auf der Welt – gestickt, ge näht und im weiteren Sinn genährt wurde. (Lebens-)Fä den speichern Geschichten: Die Künstlerin versucht, die Erinnerungen – sozusagen die Stoffe in den Stoffen – frei zusetzten, die Texte in den Textilien zu finden, mit ihnen neue Texturen und Kontexte zu schaffen. Sie verstrickt nach Möglichkeit sich und andere dabei. Für die gelernte Textilgestalterin, die auch Ausbildungen und Erfahrun gen im Bereich des Theaters hat, ist der Körper, seine Ausformung, seine Wahrnehmung der wichtigste Bezugs ort. So sind Installationen, Performances und Objekte stets sinnlich – und vor allem auch haptisch ausgelegt. Wachs als fliessendes, aufnehmendes, oft hautähnliches Material fasziniert die Künstlerin genauso wie Haare, die sie seit Jahren sammelt und als Gestaltungselement ein setzt. Die Dominanz von Rot – in den meisten Kulturen als Symbol für Blut und Erotik eng an das Körperliche gebunden – zeugt ebenfalls von der vertieften Auseinan dersetzung mit dem Leib. Da liegt auch der umhüllende Stoff nah, der uns quasi von Geburt bis zum Tod beglei tet, der Unterschlupf bietet, ein starkes, aber auch durch lässiges Gerüst sein kann; im übertragenen Sinn eine Wirbelsäule, ein Knochen, wie die Arbeit «Unterschlupf» aus der Serie «Stoffe als Speicher» nahelegt. Wie auch die Arbeit «Körper» ist das Werk aus gebrauchten Stoffen und herausgelösten Fäden aus der eigenen Familienge schichte der Künstlerin gefertigt. Nebst den haptischen Medien arbeitet Nesa Gschwend aber auch immer wieder mit Video. Dieses verbindet Gegenden und Geschichten in räumlichen Installationen, aber auch im www. Alles und immer wieder neu vernetzt: ein Knäuel, weltweit. SA 13. Juni bis SO 4. Oktober 2015 Vernissage: FR 12. Juni 2015 Aus der Werkgruppe «Stoffe als Speicher»: S. 29, Abschnitte, 2014 Gebrauchte Stoffe aus meiner Kindheit Schnur, Garn, Draht, Bambus, Wachs je 170 – 240 × 20 × 20 cm «Nesa Gschwend -c-o-n-n-e-c-t-e-dDialog mit der Sammlung» www.sankturbanhof.ch www.nesagschwend.ch S. 30, Körper 2014 Aufgelöste Stoffe aus der Kindheit, eigene Haare, Acryllack hinter Glas, 70 × 50 cm S. 31, Unterschlupf 2014 Gebrauchte Stoffe von der Mutter der Künstlerin, Schnur, Draht, Metall, Bambus, Wachs, 60 × 90 × 75 cm 29 FEDERLESEN Nadine, du übernimmst im Juli gemeinsam mit Markus Lerch die Leitung des Theaters im Kornhaus Baden, die 25 Jahre lang in den Händen von Anita Rösch und Simon Egli lag. Wie möchtet ihr den Betrieb weiterführen? Nadine Tobler und Mark Wetter über Veränderungen im Aargauer Theaterschaffen Nachgefragt und aufgezeichnet von Jacqueline Beck Nadine Tobler Jeder Ort ist geprägt von den Menschen, die ihn führen. Wir wollen nicht von Grund auf alles neu machen, aber es wird sicherlich kleine Veränderungen geben. Es ist uns wichtig, dasjenige Theater zu zeigen, das uns selbst gefällt. Das ThiK hat ein sehr breites Profil – und das wird auch so bleiben: Es umfasst Sprechund Musiktheater genauso wie Kaba rett, literarische Abende oder Tanz. Im Theater geht es um Momente, die einen berühren. Welche Momente dies sein werden, kann man im Vornher ein nur erahnen. Du bist Seiltänzerin, Markus gründete einst den Zirkus Chnopf – wird es auch ver mehrt artistische Programme zu sehen geben? Nadine Tobler Zeitgenössischer Zirkus ist uns beiden ein Anliegen, wobei die Bühnengrösse des ThiK unsere Mög lichkeiten einschränkt. Wir denken deshalb auch über Vorstellungen im Freien nach. In der Alten Reithalle Aarau lanciert Roman Müller diesen Sommer ebenfalls ein NouveauCirque-Programm. Die Menschen ha ben ein sehr traditionelles Bild davon, was Zirkus ist. Dies möchten wir auf brechen. Überhaupt ist es uns wichtig, nicht immer in gefestigten Sparten zu denken. Mark, welchen Projekten wid met sich Theaterschöneswetter aktuell? Mark Wetter Aktuell sind die 18. Thea- t ertage Lenzburg, die wir im Juni ver anstalten. Zusammen mit der Equipe Wiss entwickeln wir zudem eine P roduktion für ganz kleine Men schen. «Wo ist Mo» feiert Mitte Okto ber im Theater Tuchlaube Premiere. leichenorts zeigen wir ab Dezem G ber das Stück «Lotus». Es wird die letzte Produktion sein, in der ich selbst spiele. Welche Rolle hat die Förderung in deiner Tätigkeit als freier Theaterschaffender gespielt? Mark Wetter Neue Produktionen wer den durch öffentliche Mittel, die För derung des Kuratoriums, Gelder von Gönnerinnen und Gönnern, Sponso ren sowie durch Eigenmittel finan ziert. Theaterschöneswetter hat das Kuratorium stets als Vertrauenspart ner erlebt. In den vielen Jahren mei ner Produktionstätigkeit gab es gute und weniger gute Zeiten. Die Bezie hungen haben sich immer dann 32 ntspannt, wenn der Kanton mehr e Geld zur Verfügung hatte. Heute zwingt die Sparwut der Regierung För derer und Produzierende zu gemein samen Gesprächen und Lösungen. Nadine Tobler Die Familie der Thea terschaffenden ist klein, nicht nur im Aargau, sondern in der ganzen Deutschschweiz. Man kennt sich, aber es gibt noch grosses Potenzial in Be zug auf die Zusammenarbeit zwischen Theaterhäusern, Produzenten und Geldgebern. Partnerschaften sind wichtig, denn wer ein Fördergesuch einreicht, ist auf Kooperationen an gewiesen. Es ist brutal, plötzlich auf sich selbst zurückgeworfen zu sein, wenn etwas nicht klappt. Ich finde es schade, dass sich die T heaterlobby FEDERLESEN manchmal kannibalisiert, statt sich zu assoziieren. Ab und zu herrscht Futterneid, weil der Kuchen nicht grösser wird. Woher kommen im Theater bereich momentan die spannendsten Impulse? Mark Wetter Mark Wetter Ich denke, dass es weni ger ums Geld als um Auftrittsmög lichkeiten geht. Wenn du als Frei schaffender überleben willst, musst du deine Produktionen möglichst häufig zeigen. Du brauchst Koproduk tionspartner/innen, die einen Vor schuss leisten und Räumlichkeiten für Proben zur Verfügung stellen. Ich finde es zwar blöd, von früher zu spre chen, aber es ist wirklich so: Vor 20 Jahren hatte man als Schauspieler noch seine Heimstätte. St. Gallen, Chur oder Luzern waren Heimat für mich. Das hing stark mit Veranstal tungsorten und Menschen zusam men, die eine Position jahrelang in nehatten. Du hast dein Dossier ge schickt und sofort eine Einladung erhalten. Heute empfängt man mich nicht einmal zum Kaffee! Womit erklärst du dir das? Mark Wetter Die einzelnen Theater be rücksichtigen heute vor allem regio nale Produktionen und besinnen sich auf Bewährtes. Die Neugier hat abge nommen, die Erwachsenen gehen am ehesten ins Theater, wenn sie wissen, was sie erwartet und von wem – Kin der funktionieren da anders. Erschwe rend ist bestimmt auch die Tatsache, dass es in den Theaterleitungen schneller Wechsel gibt, viel mehr Kul turmanagement und Theaterpädago gik einfliesst und dem Künstlerischen weniger Beachtung geschenkt wird. Nadine Tobler Aus Veranstaltersicht ist es schwierig, ein Gleichgewicht zu finden: Einerseits hat man eine Ver antwortung gegenüber den Theater schaffenden aus der Region, anderer seits gegenüber den Truppen, die schon lange bestehen. Ganz wichtig ist es auch, jungen Theaterschaffen den eine Chance zu geben, damit sie Auftrittspraxis erhalten. Und schliess lich möchte man dem Publikum ein attraktives Programm bieten. Das ist ein Seiltanz! Ich bin in einer Zeit gross geworden, in der man sich gegen Bildungseinflüsse wehrte und das Theater Teil des gesellschaftlichen Lebens war. Das ist heute nicht mehr der Fall. Einen politischen Anspruch haben noch die Kabarettisten – doch es gibt nicht viele in der Schweiz, ab gesehen von Urgesteinen wie Joachim Rittmeyer. Kleine innovative Zellen haben sich im Bereich des literari schen Theaters gebildet, etwa das So gar-Theater in Zürich. Das Geschich tenerzählen hat bei uns eine grosse Tradition. Im klassischen Bereich kommen die Innovationen eher aus dem Ausland oder der französisch sprachigen Schweiz. Nadine Tobler Ich finde es verrückt, wie schlecht wir Bescheid darüber wissen, was in der Westschweiz und im Tessin passiert! Das fällt mir im mer mehr auf. Mark Wetter Die Vulgarität und Frech heit einer Eugénie Rebetez geht uns Deutschschweizern völlig ab. Es gibt aber einige junge innovative Men schen im Aargau. Ihnen muss man eine Chance geben. Cornelia Hansel mann etwa hat im Tanztheater Inno vatives getan, indem sie sich auf Poe sie zurückbesann. Hanselmann hat eine Tanzschule in Holland besucht. Jetzt ist sie mit ihrer Truppe in die Schweiz zurückgekehrt. Das ist ein Pflänzchen, das man meiner Meinung nach hegen muss. Dazu braucht es langfristige Finanzierungskonzepte. Das Kuratorium ist aber nicht alleine für das kulturelle Leben im Aargau verantwortlich. Sondern vor allem die Bevölkerung! Sie muss dafür sensibi lisiert werden, dass Theater etwas Fei nes ist. Den grossen Freilichtproduk tionen mit Laien und Profis gelingt dies gut. Sie boomen im Aargau! Nadine Tobler Je stärker man selbst eine Verbindung zu einer Theaterpro duktion hat, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass man auch 33 sonst mal ins Theater geht. Es ist zen tral, dass die Menschen das Theater entdecken als einen Ort, an dem sie etwas erleben. Sie müssen gar nicht begeistert aus jeder Vorstellung gehen. Es geht um Erlebnisse, die etwas aus lösen in einem. Wenn ich ins Kino gehe, weiss ich auch nicht, ob mir der Film gefallen wird – er ist einfach Be standteil des Abendprogramms. Das Theater könnte beim jüngeren Publi kum einen vergleichbaren Stellenwert erhalten. Es existiert ja nicht nur für Theaterschaffende – doch manchmal scheint es mir fast ein wenig inzestuös zu sein. Wie könnte es dem ThiK gelingen, ein neues Publikum anzusprechen? Nadine Tobler Indem wir etwa neue Formate entwickeln: Wir haben zum Beispiel eine Zusammenarbeit mit zwei Philosophielehrern der Kantons schule Baden angedacht. Es soll ein Abendprogramm mit Diskussionen entstehen, an dem auch Kantons schüler beteiligt sind. Davon erhoffen wir uns eine Durchmischung des Pu blikums. Darüber hinaus haben wir zusammen mit dem Aargauer Kura torium das Projekt «Szenotop» ge plant. Es sieht die Auswahl jeweils ei ner jungen Truppe vor, die während dreier Jahre in Zusammenarbeit mit einem Theaterhaus produzieren kann. Das ThiK wird die erste Bühne sein, die eine solche Partnerschaft an bieten darf. Nadine Tobler ist Seiltänzerin und ab Juli 2015 Koleiterin des ThiK – Thea ter im Kornhaus Baden. www.thik.ch Mark Wetter ist freier Theaterschaffen der und Koleiter der Theatertage Lenz burg. www.theaterschoeneswetter.ch Jacqueline Beck ist freie Kulturjourna listin und lebt in Basel. MI 17. bis SO 21. Juni 2015, Theatertage Lenzburg Alter Gemeindesaal, Metzgplatz und geheime Gärten in Lenzburg FR 11. September 2015, ThiK Baden Eröffnungsfest mit «Galgenbruders Erben» und dem Duo MeierMoser und der Huber. Pionierarbeit für das Figurentheater Wer will schon Theaterleiter in einem Theater werden, in dem es keinen Lohn gibt? Die Stadt Aarau hat unseren Antrag mehrfach abgelehnt, und das Kurato rium hat im Zuge seiner Prioritätenverschiebungen ein Sechstel der bisher uns zugesprochenen Gelder gekürzt. In Zukunft soll Kultur von Aarau nach Baden umgelagert werden, die Unterstützung der Theater durch Betriebsgelder wird grundsätzlich infrage gestellt (Interview mit Walter Küng in der AZ vom 27. März 2015, «Es gibt keine Verpflichtungen mehr.»). Nach einem Besuch der Fragestunde des Kuratoriums fühlten wir uns vor den Kopf gestossen. Man hat uns dort er klärt, der Aargau sei zu klein für zwei Figurentheater, und selbst Aarau sei zu klein für zwei Theater, wir müssten uns mit dem Gedanken vertraut machen, dass auch mal ein Theater verschwinden könnte. Mehr noch, man wolle das Figurentheater Wettingen aufbauen, die Unterstützung für den Fabrikpalast gleichzeitig kürzen, man wolle künftig ausserdem in grosse Projekte investieren und daher könne man kleinere Institutio nen nicht mehr so stark wie bis anhin subventionieren. Ein bestehendes funktionierendes Theater, das in den letzten 15 Jahren mit Erfolg aufgebaut wurde, nun derart infrage zu stellen, empört mich zutiefst! Warum Produktionen erst fördern, wenn man ihnen anschlies send die Unterstützung in Form von Auftrittsmöglich keiten zusammenstreicht? Ich muss schon sagen, dass mich die Kursänderung des Kuratoriums irritiert. Mag sein, dass es heute «üblich» ist, dass Theater fusionieren oder sogar über Städtegrenzen hinaus zusammengelegt werden, ob sie wollen oder nicht. Der Wind weht je denfalls für alle kälter; wir ziehen uns warm an, suchen gute Wege, das Gespräch mit anderen Institutionen und machen weiter. «Denn Kultur ist kein Luxus, den wir uns entweder leisten oder nach Belieben auch streichen können, sondern der geistige Boden, der unsere innere Überlebensfähigkeit sichert.» (R. v. Weizsäcker, 1991) Aarau hat mittlerweile eine lebendige Tanz- und Thea terszene, in der es zu spannenden Synergien kommt. Dies ist unter anderem auch Peter-Jakob Kelting zu verdanken. Als er die Tuchlaube übernahm, hat er sich die Mühe gemacht, die einzelnen Mitglieder der hiesi gen Theaterszene zu finden, anzuschreiben und schliess lich mit ihnen das grosse Theaterprojekt «Aarauer Nachtwachen» zu realisieren. Ich weiss, dass aus ver schiedenen Gründen nicht alle dabei sein konnten, aber das Positive an dem Stück war, dass Künstler/innen sich kennenlernen konnten und bis heute immer wieder Produktionen aus diesem Zusammenschluss hervorgehen. Wir sind ebenfalls ein fester Bestandteil der Aargauer Kulturszene und werden es auch in Zu kunft bleiben. Quo vadis Fabrikpalast? Von Tine Beutel Der Fabrikpalast Aarau entstand Ende 1999 als private Initiative in den Räumlichkeiten des KiFFs. Er ist mitt lerweile zu einem international anerkannten Haus für innovatives und qualitativ hochstehendes Figuren theater gewachsen. Auf dem Spielplan stehen professio nelle Stücke für Kinder und Erwachsene aus dem Aargau, der Schweiz und der ganzen Welt. Gründer und Theaterleiter ist Hansueli Trüb. Er hat den Fabrikpalast mit unendlich viel Enthusiasmus aufgebaut, zu einer Zeit, als es noch kein einziges professionelles Figuren theater im Kanton Aargau gab. Ich kenne den Fabrikpalast seit seiner Entstehung. 1998 kam Hansueli als Dozent an die Figurentheater schule Stuttgart. Ich erinnere mich mit Vergnügen an die Einweihung in die Geheimnisse des Schatten theaters, an nächtelanges Löten von Drahtfiguren und an den verzweifelten Versuch von uns Nichtschweizer Studierenden, seinen Namen richtig auszusprechen. Zwei Jahre später übernahm er die Regie meiner Dip lomarbeit, die mich zum ersten Mal in den Fabrik palast führte. Zu dieser Zeit hat es mich dann ganz in die Schweiz verschlagen. Seit 2003 lebe ich nun in Kölliken, und 2006 gründete ich meine eigene Bühne. Figurenspieler/innen im Gegenwind Die Figurentheaterszene ist eine kleine Szene, in der jede jeden kennt und in der man schon früh lernt, sich gegenseitig zu misstrauen. Jeder von uns ist ein Einzel kämpfer. Für mich war es jedoch schon immer wichtiger, sich gegenseitig zu inspirieren und interdisziplinäre Grenzen zu überschreiten. Hansueli hat mit dem Fabrik palast eine Plattform geschaffen, die dies möglich macht: einen Ort, an dem ich gerne bin, ein Haus, für das ich mich gerne einsetze, eine Idee, hinter der ich stehe, eine Perle, für die ich kämpfe. Seit ein paar Jahren bin ich im Vorstand des Theaters und habe die letzten Jahre an all den Neuerungen mitgearbeitet. So haben wir ein neues, publikumsfreundliches Foyer gebaut, wir haben den Verein von der Person Hansueli Trüb getrennt, haben Werbeaktionen in der Aarauer Innen stadt durchgeführt, ein neues Logo eingeführt, Kinder kurse angezettelt, einen Kinderclub gegründet, um Gelder gekämpft und vieles mehr. Die Geschichte des Fabrikpalastes ist eng mit der Person Hansueli Trüb verwoben. Aber auch er wird eines Tages die Theater leitung abgeben müssen. So haben wir versucht, unser Theater in die Zukunft zu retten, und bei der Stadt und dem Kanton um einige Stellenprozente gekämpft. Tine Beutel, geb. in Reutlingen (D), lebt und arbeitet seit 2003 als freischaffende Figurenspielerin, Regisseurin und Illustratorin in Kölliken. Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Suche nach interdiszipli nären Formen des Theaters, vor allem die Mischung aus Malerei, Trickfilm und Theater. 2014 wurde sie mit dem Werkbeitrag des Aargauer Kuratoriums ausgezeichnet. 34 Herzkaspar, 2009 im Fabrikpalast Foto: Giorgio Cossu Figurentheater Wilde & Vogel, Leipzig, Spleen von Charles Baudelaire, Gedichte in Prosa, 2014 im Fabrikpalast. Cie. Freaks und Fremde, Dresden, Das Schweigen der Welt, 2013 im Fabrikpalast SPRACHTRAPEZ Wir sitzen alle im selben Boot. Aber nicht alle rudern. Das Buch ist leicht, startet sofort auf, der Bildschirm ist extrem scharf, es gibt keine Datenverluste, keine Pro bleme mit der Energieversorgung, die Systemkompatibilität ist über Jahrtau sende g arantiert – und das Ding hat Human Touch. Die Sprache zieht eine Parallele zur stum men Wirklichkeit. Seit Bestechung zu Lobbying umbenannt wurde, ist politische Korruption legal. Wir sind langsam zu schnell. Aber wir sind auch schnell zu langsam. Wer Swissness liest, weiss gleich, da geht es nicht um die Schweiz. Genau wie bei sexy – da geht es auch nicht um Sex. Sondern um Geld. Politisch korrekte Ausdrücke sind meist länger. So verteilt sich das Gewicht dessen, was man ohnehin lieber nicht gesagt hätte, auf mehr Buchstaben. Wichtig klingt wie das Adjektiv zu Wicht. Wichtig wäre also etwas ganz Kleines. Eigenartig, wenn man den Patienten mit der Geduld kommt. Es ist Selbstbedienung – und das Selbst bedient sich. 99 Prozent der Literatur besteht darin, nicht zur Sache zu kommen. Heimat? Standort heisst das heute. Und ja: Ich bin standortmüde. Es gibt nichts Dauerhafteres als das Pro visorium. Das Wort dafür ist vorüberbleibend. Lügen haben kurze Beine? Nicht immer. Kinder und Narren sagen die Wahrheit? Mit Vorbehalt. Sicher ist: Kinder haben kurze Beine. Die Engländer haben drei Wörter für den Nebel, haze, mist und fog. Wir haben nur zwei, Dunst und eben den Nebel. Aber die Engländer haben auch mehr Nebel als wir. Weil bei mir am meisten Tassen im Schrank waren, habe ich einen Blumen topf gewonnen! Und endlich den Dingen den Namen ge ben, den sie verdienen. Heute ein Held, morgen ein Hundename. My name is nobody. And nobody’s perfect. Beat Gloor geniesst 2015 Gastrecht am Sprachtrapez. Dieser Text ist ein Auszug aus dem gleichnamigen Aphorismenband, der noch dieses Jahr herauskommen soll. 37 ANzeigen OLTEN SCHÜTZENMATTE Musikfestwoche Meiringen 3.–11. Juli 2015 AARAU Künstlerischer Leiter: Patrick Demenga 17. – 20.7.15 Grosse Werke der Kammermusik, sowie Neues und Rares in unerhörten Interpretationen … 10. – 12.7.15 Konzerte SCHACHEN Der Goldene Bogen WINDISCH-BRUGG Der renommierte Geiger Christian Altenburger wird ausgezeichnet. BEIM AMPHITHEATER 21. – 22.7.15 Geigenbauschule Brienz Spannendes über die Anfänge der Geigenbaukunst: Vorträge – offenes Atelier. Vorverkauf: kulturticket.ch, Telefon 0900 585 887 haslital.ch, Telefon 033 972 50 50 www.musikfestwoche-meiringen.ch Vorverkauf: knie.ch und Aarau_Windisch_87 x 124.indd 1 18.05.15 07:52 Bei Energiefragen und Elektroinstallationen gibt es mit uns kein Theater. Mit Energie begeistern www.swl.ch Kal Kor Treuhand www.kalkor.ch Küttigen 062 827 03 30 Aarau 062 823 16 70
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