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20.6.1948
Autor: Theo Wehrbein
Zeitzeugenbericht: Währungsreform 1948
Ein Angestellter der Stadtsparkasse Hameln erinnert sich
Von: Theo Wehrbein, Stadtsparkasse Hameln
Nach dem verlorenen Krieg herrschten miserable
wirtschaftliche Verhältnisse. Es wurden kaum Güter produziert,
und somit gab es auch keine zu kaufen. Das umlaufende Geld
wurde immer wertloser. Der gesamte Geschäftsverkehr der
Stadtsparkasse Hameln beschränkte sich zu fast 80 % auf den
Sparverkehr. Hier hielten sich die größeren Auszahlungen für
Schwarzmarktkäufe und ebensolche Einzahlungen aus allen
nur möglichen Verkäufen die Waage.
Das Kreditgeschäft war so gut wie tot, da Kreditgewährungen
kaum vorkamen. Die Kunden langfristiger Kredite versuchten,
ihre Belastungen mit dem immer wertloser werdenden Geld
schnell und billig abzudecken. Selbst viele der früheren
Kollegen verloren das Vertrauen in die Reichsmark.
Nicht selten kam es daher vor, dass ich als Lehrling jeweils
nach der Gehaltszahlung bei einer geheimen Verkaufsstelle für
10.000 bis 12.000 Mark amerikanische Zigaretten (Stück 5,RM) kaufen musste. Zigaretten waren damals die härteste
Währung, für die man alles kaufen konnte. Es lag auf der
Hand, dass ein empfindlicher Währungsschnitt notwendig war.
Warten auf Tag „X“
Experten berieten an einem unbekannten Ort über das „Wie“
und „Wann“. Man sprach damals vom Tag „X“ als dem Tag, an
dem die Währungsumstellung erfolgen sollte. Dieser Tag
unterlag größter Geheimhaltung.
Eine allgemeine Spannung war seinerzeit in der Bevölkerung
festzustellen, auch in der Stadtsparkasse Hameln, da ihr von
der Reichsbank (der heutigen Landeszentralbank) die
Verteilung des neuen Geldes (DM) an 34 LebensmittelkartenAusgabestellen des Ernährungsamtes Hameln übertragen
wurde.
Als der Stadtsparkasse am 17. Juni 1948 2.250.000,- DM ohne
vorherige Ankündigung unter starkem polizeilichem Schutz von
der Reichsbank übergeben wurde, ahnten wir die Nähe des
Tages „X“. Im Text der Empfangsbescheinigung wurden die
damals verantwortlichen Kollegen namentlich aufgeführt.
Das Zählen und Aufteilen des Geldes auf die Kartenstellen
erfolgte im Tresor der Stadtsparkasse in den Nachtstunden
zum 18. Juni 1948 und wurde ebenfalls geheim gehalten.
Endlich: Der Wechsel
Der 20. Juni 1948, ein Sonntag, war dann schließlich der Tag
„X“. Schon in den frühen Morgenstunden wurden die
Geldsäcke an die 34 Lebensmittelkarten-Ausgabestellen des
Ernährungsamtes, dessen Personal durch Bedienstete aller
Hamelner Geldinstitute verstärkt worden war, ausgegeben.
Pro Kopf der Bevölkerung war ein so genannter Kopfbetrag in
Höhe von 60,- DM vorgesehen, aber nur 40,- DM wurden
davon ausgezahlt, während der Restbetrag von 20,- DM
zunächst einem Konto bei dem einen oder anderen
Geldinstitut gutgeschrieben wurde. Die Bevölkerung musste
aber für das neue Geld pro Kopf 60,- RM (altes Geld)
abliefern.
Als am Abend des 20. Juni 1948 die Ausgabestellen in der
Stadtsparkasse abrechneten, ergab sich eine Summe von
1.815.957,50 DM (neues Geld), das man an die Bevölkerung
von Hameln ausgegeben hatte, während dafür 2.723.855,50
RM (altes Geld) von ihr abgeliefert worden war. Damit war der
Geldumtausch abgeschlossen.
Lange Schlangen vor den Geldinstituten
Nun begann für alle Geldinstitute eine sehr arbeitsreiche
Woche. Vom 21. bis 26. Juni 1948 musste die Bevölkerung
das übrige Altgeld an die Geldinstitute abliefern und
gleichzeitig auf besonderen Formularen ihre Altgeldguthaben
anmelden. Dieser Vorgang löste einen sehr starken Ansturm
auf die Geldinstitute, besonders auf die Stadtsparkasse, aus.
Hier standen mitunter Menschschlangen aus der Eingangstür
heraus bis auf die Osterstraße.
Dies veranlasste die Stadtsparkasse Hameln, zusätzliche
Gruppen mit jeweils zwei Bediensteten längs an den Schaltern
zu postieren, die ebenfalls Altgeld sowohl wie
Altgeldguthaben-Anmeldungen entgegennahmen.
Am Schluss der Woche war altes Geld in Höhe von
3.390.153,91 RM abgeliefert und Altgeldguthaben in Höhe von
47.540.509,70 RM angemeldet worden. Für 24.746 Personen
wurden die restlichen Kopfbeträge von 20,- DM auf
Sparkonten gutgeschrieben, übrigens fast das gleiche
Ergebnis, das alle anderen Geldinstitute in Hameln zusammen
aufweisen konnten.
In Wäschekörben stapelte sich das ausgediente Geld in der
Kassenhalle. Es musste gezählt, gebündelt und später bei der
LZB abgerechnet werden. Ehefrauen bzw. Ehemänner der
Mitarbeiter halfen bei dieser Arbeit.
Zum Autor
Theo Wehrbein ist ehemaliger Mitarbeiter der Stadtsparkasse
Hameln, dazu ein waschechter Hamelenser: am 05.12.1929 in
Hameln geboren lebt er bis heute in der Stadt. Sein gesamtes
Berufsleben hat Theo Wehrbein bei der Stadtsparkasse
verbracht: von der Ausbildung bis zur Pension, davon 40 Jahre
als Werbeleiter. Die letzen Kriegstage hat er als jüngster
Lehrling der Stadtsparkasse erlebt.
Für weitere Informationen oder Fragen:
Redaktion Sparkassengeschichten
Telefon: 0511 3603-863
eMail: [email protected]